Der Iran-Konflikt und die Obama-Regierung. Alter Wein in neuen Schläuchen?

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21 marx MAGAZIN FÜR INTERNATIONALEN SOZIALISMUS Nr. 17 | September / Oktober 2010 3,50 € | ISSN 1865-2557 www.marx21.de Stuttgart 21 Kann der Protest gewinnen? Erich Kästners »Konferenz der Tiere«: Revolte in 3D Gesundheitsreform Operation Rasiermesser Google Streetview Die Regie- rung ist die Datenkrake Hetze gegen Muslime – die unterschätzte Gefahr. Tadzio Müller & Wolfgang Ehmke diskutieren Perspektiven für die Anti-AKW-Bewegung Ilan Pappé berichtet über die verzweifelte Lage im Gazastreifen Elmar Altvater setzt die Serie »Marx neu entdecken« fort

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Rezension: Ali Fathollah-Nejad: »Der Iran-Konflikt und die Obama-Regierung. Alter Wein in neuen Schläuchen?«, Universitätsverlag, Potsdam 2010, 78 Seiten, 5,- Euro

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21marxMagazin für internationalen SozialiSMuS

Nr. 17 | September / Oktober 2010 3,50 € | ISSN 1865-2557 www.marx21.de

Stuttgart 21 Kann der Protest gewinnen?

Erich Kästners »Konferenz der Tiere«: Revolte in 3D

Gesundheitsreform Operation Rasiermesser

Google Streetview Die Regie-rung ist die Datenkrake

Hetze gegen Muslime – die unterschätzte Gefahr.

Tadzio Müller & Wolfgang Ehmkediskutieren Perspektiven

für die Anti-AKW-Bewegung

Ilan Pappéberichtet über die verzweifelte

Lage im Gazastreifen

Elmar Altvatersetzt die Serie »Marx neu entdecken« fort

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80 Nr. 17 | September/Oktober 2010 | www.marx21.de

BUCH | Ali Fathollah-Nejad | Der Iran-Kon-flikt und die Obama-Regierung. Alter Wein in neuen Schläuchen? | Universitätsver-lag, Potsdam 2010 | 78 Seiten | 5,00 Euro

Die Achsedes Barack

BUCH Ali Fathollah-Nejad | Der Iran-Konflikt und die Obama-Regierung

Obama macht in der Iranpolitik dort weiter, wo Bush aufgehört hat. Das ist das Fazit einer neuen Untersuchung. Die Faktendichte der Studie ist beeindruckend, die politischen Perspektiven weniger

Es gibt wahrscheinlich kei-ne Organisation oder Zeit-

schrift der deutschen Linken, die in den vergangenen anderthalb Jahren nicht mindestens einen Kommentar zur Politik Barack Obamas abgegeben hätte. Den-noch herrscht nach wie vor gro-ße Unklarheit darüber, wie sich die Linke – in den USA und welt-weit – nach acht Jahren George W. Bush gegenüber dem neuen US-Präsidenten positionieren soll. Eine sinnvolle Hilfestellung hierfür kann ein systematischer Vergleich zwischen Obamas Re-gierungspolitik und der seines Vorgängers bieten. Diesen An-satz verfolgt Ali Fathollah-Nejad in der Broschüre »Der Iran-Kon-flikt und die Obama-Regierung. Alter Wein in neuen Schläu-chen?«. Exemplarisch vergleicht er dort die Haltung der beiden US-Präsidenten gegenüber dem iranischen Regime.

Das Ergebnis wird Kritiker der Außenpolitik Obamas wenig überraschen: Fathollah-Nejad stellt fest, dass diese im Wesentli-chen eine Fortsetzung der Politik Bushs darstellt. Die Broschüre macht deutlich, dass sich das US-amerikanische Streben nach regionaler Macht im Nahen Os-ten wie ein roter Faden durch die Außenpolitik auch der letzten Jahre zieht. Fathollah-Nejad ar-gumentiert, dass Obamas Verhal-ten gegenüber dem Iran letztend-

★★★

lich davon abhänge, mit welcher Strategie sich am effektivsten die Interessen der USA im Nahen Os-ten durchsetzen ließen.

Obwohl der Autor bisweilen interessante und auch entmu-tigende Fakten über Obamas Verhältnis zum »Washington Establishment« liefert, bietet die Broschüre ansonsten wenig Neues. Sie beginnt mit einer Dar-stellung der Erwartungen, die an die Obama-Regierung geknüpft wurden – womit aber nicht die Erwartungen der Millionen Un-terstützer, Wähler und Wahl-kämpfer gemeint sind, sondern die Erwartungen von Obamas Kollegen in der US-amerikani-schen Politik und Wirtschaft. Fa-thollah-Nejad skizziert den Dis-kurs über Obamas Kandidatur, in der viele prominente Denker und Politiker Washingtons die beste Chance sahen, die Legiti-mität der Weltmacht USA wieder herzustellen.

Darüber hinaus beschreibt er einen Bruch innerhalb der US-amerikanischen Führungselite und einen damit verbundenen Perspektivenwechsel in Wa-shington: Unter Bush waren es die fanatischen – wenn nicht so-gar größenwahnsinnigen – Neo-konservativen, die das Sagen hatten. Unter Obama hat eine Gruppe von eher pragmatischen Außenpolitikern der Clinton-Ära das Ruder wieder übernommen

– die Taktik hat sich geändert, doch die Ziele bleiben gleich.

Trotz der kritischen Ausei-nandersetzung mit der Politik Obamas sind Fathollah-Nejads Schlussfolgerungen verblüffend eindimensional: Die Tatsache, dass Obama mit Hilfe von Milli-onen freiwilligen Unterstützern und Wählern an die Macht kam und perspektivisch von diesen noch unter erheblichen Druck gesetzt werden könnte, findet in der Broschüre keinen Platz. Stattdessen wünscht sich der Autor eine Strategiedebatte, die »sich von ideologisch gefärbtem Ballast« befreit und eine »diplo-macy in good faith« (»vertrau-ensvolle Diplomatie«) zwischen den USA und dem Iran ermög-licht. Der iranische Aufstand im letzten Sommer hat jedoch ge-zeigt, dass Geschichte nicht nur von oben gemacht wird, son-dern auch von ganz normalen Menschen, die sich entscheiden, gegen die Missstände in ihrer Gesellschaft Widerstand zu orga-nisieren. Im Iran war es ebenfalls eine Spaltung der Herrschen-den, wie sie Fathollah-Nejad im Weißen Haus diagnostiziert, die die Chancen für eine Bewegung von unten eröffnet hat.

Ob so eine Bewegung auch in den USA entstehen könnte? Lei-der hat Ali Fathollah-Nejad zu dieser Frage nichts zu sagen.

Loren Balhorn

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