Der Kommunikations- standard der Zukunft · 96 WebRTC Wissen 8/2015 com! professional Foto: Fotolia...
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WebRTC
Wissen
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Audio- und Videotelefonie ohne Plug-ins und Software
Der Kommunikations-standard der ZukunftDie Technik WebRTC ermöglicht Gespräche, Bewegtbilder und Dateiaustausch im Browser.
Microsoft plant nach Angaben auf seiner Entwicklerseite
https://status.modern.ie nicht, den Standard WebRTC 1.0 in
seinen Browser Internet Explorer beziehungsweise dessen
Nachfolger Edge zu implementieren. Stattdessen soll die Ob-
ject RTC-API (ORTC) den Microsoft-Browser WebRTC-fähig
machen, die sich ebenfalls beim W3C in der Entwicklung be-
findet.
Die ORTC-API enthalte einige Verbesserungen gegenüber
WebRTC, begründet Dariusz Parys, Technical Evangelist bei
Microsoft Deutschland, die Entscheidung: Simulcast und ska-
lierbare Videokodierung erlauben es zum Beispiel, mit unter-
schiedlichen Formfaktoren an der gleichen Videokonferenz
teilzunehmen, unabhängig von Displaygröße und verfügba-
rer Bandbreite.
Weitgehend unbemerkt hat sich in den vergangenen
Jahren eine neue Technologie entwickelt, die ohne
spezielle Software oder Plug-ins Echtzeitkommunkation über
das Internet ermöglicht, und das auch noch sicher und ano-
nym aus einem Browser heraus. Die Rede ist von Web Real-
Time Communication, kurz WebRTC.
Seit 2011 beschäftigen sich Arbeitsgruppen des World
Wide Web Consortiums (W3C) und der Internet Engineering
Task Force (IETF) mit diesem Standard. Vor allem Google, die
Mozilla Foundation und Opera Software treiben die Entwick-
lung voran und haben WebRTC auch bereits in ihre Browser
Chrome, Firefox und Opera integriert. Für den Internet Ex-
plorer und Safari werden dagegen Plug-ins benötigt. Sie sind
zum Beispiel von Temasys oder Google erhältlich.
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Angesichts dieser Perspektiven
ist es bemerkenswert, dass die
Entwicklung weitgehend im
Verborgenen stattfindet. Ob-
wohl WebRTC bereits in einer
Milliarde installierter Browser
integriert sei und produktiv ein-
gesetzt werde, kenne kaum je-
mand die Technologie, so Mike
Holmlund, Sr. Product Marke-
ting Manager bei Plantronics:
„Es ist wahrscheinlich, dass Sie
WebRTC bereits beim Online-
Shopping oder im Rahmen der
Online-Hilfe genutzt haben, oh-
ne dass Sie es wussten.“
Die meisten Analysten hin-
dert der geringe Bekanntheits-
grad aber nicht daran, dem Standard eine strahlende Zukunft
vorherzusagen. „WebRTC ist die aufregendste Schlüssel-
technologie der vergangenen zehn Jahre, sie wird die Bran-
che umkrempeln“, sagt Dean Bubley, Gründer des Marktfor-
schungsunternehmens Disruptive Analysis. Bubley prognos-
tiziert einen steilen Anstieg der Anwenderzahlen. Bis 2019
sollen weltweit zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden Menschen
WebRTC nutzen, davon rund 500 Millionen geschäftlich. Die
Zahl WebRTC-fähiger Endgeräte soll dann bei mehr als 6 Mil-
liarden liegen. Ein ähnlich rasantes Wachstum sagt Gartner
voraus. Nach Ansicht der Marktforscher wird 2019 der Markt-
anteil von WebRTC an professioneller Sprach- und Video-
kommunikation 15 Prozent betragen, heute ist es weniger als
ein Prozent.
WebRTC werde außerdem erhebliche Auswirkungen auf
die Erlösmodelle der Telekommunikationsanbieter haben, so
Gartner weiter. Sprachkommunikation über IP lässt sich nicht
von Datenverkehr unterscheiden und damit auch nicht extra
tarifieren. Der Trend, international über das Internet zu kom-
munizieren statt teure Auslandsgespräche zu führen, wird
Das steckt hinter WebRTCWebRTC ist ein quelloffenes Framework, das auf HTML5 und
Javascript basiert. Es ermöglicht die direkte Peer-to-Peer-
Übertragung von Audio- und Videosignalen zwischen zwei
Browsern, ohne dass ein zusätzlicher Streaming-Server oder
-Dienst notwendig wäre.
Die Übertragung erfolgt verschlüsselt und ist – bis auf die
Übermittlung der IP-Adresse – anonym. Die Teilnehmer müs-
sen lediglich Zugriff auf Kamera und Mikrofon gewähren,
Java script im Browser zulassen und den Link austauschen,
über den die Kommunikation stattfinden soll. WebRTC kann
aber noch mehr. Neben der Übertragung von Audio- und Vi-
deosignalen ist der Transfer von Dateien sowie Screen-Sha-
ring möglich.
Um eine Kommunikation über NAT-Firewalls hinweg zu
ermöglichen, nutzt WebRTC alle drei bekannten Methoden:
STUN (Session Traversal Utilities for NAT), TURN (Traversal
Using Relays around NAT) und ICE (Interactive Connectivity
Establishment). Ein abstrakter Session-Layer ist für Rufauf-
bau und Call-Management zuständig. Für die Sprachübertra-
gung müssen laut Standard die Codecs G.711 und Opus inte-
griert sein. Google schlägt in seiner Version der Architektur
zusätzlich die Verwendung von iSAC (Internet Speech Audio
Codec) und iLBC (Internet Low Bitrate Codec) vor.
Für die Videoübertragung hat Google den Codec VP8 des
WebM-Projekts in WebRTC eingebracht. Da praktisch alle
kommerziellen Videokonferenzlösungen auf H.264 setzen,
führte das zu Interoperabilitätsproblemen – und zu
einer gewissen Spannung innerhalb der WebRTC-
Entwicklergemeinde. Zudem benötigt VP8 im
Schnitt rund 20 Prozent mehr Speicherplatz als
H.264, um ein Video in vergleichbarer Qualität zu
speichern.
Die IETF fällte im Herbst vergangenen Jahres ein
salomonisches Urteil: Beide Codecs, VP8 und H.264,
sind „mandatory to implement“, müssen also zwin-
gend implementiert werden. Unklar ist derzeit noch,
ob, wann und wie die Nachfolger dieser Codecs, VP9
und H.265, von WebRTC berücksichtigt werden.
KommunikationWebRTC lässt sich aber nicht nur relativ einfach in
einen Browser integrieren, dank Web-API stehen
Funktionen zur Echtzeitkommunikation auch allen
App-Entwicklern zur Verfügung. Wenige Zeilen
Code reichen schon, um Sprach- und Videoübertra-
gung in Webapplikationen zu integrieren, vertiefte Kenntnis-
se von Protokollen und Schnittstellen sind nicht nötig. „Die
erforderliche Zeit sowie der Grad an speziellem Expertenwis-
sen verringern sich deutlich“, sagt Sascha Hirschoff, Director
Systems Engineers Central Europe bei Polycom.
Diese Tatsache werde zu deutlich schnelleren Entwick-
lungszyklen führen, meinen die Gartner-Analysten Sorell
Slaymaker und Deborah Kish: „Rund 20 Millionen Software-
Entwickler können zukünftig einfach Kommunikationsfunk-
tionen in die Applikationen aufnehmen, an denen sie gerade
arbeiten.“ ▶
„WebRTC wird sich zunächst im
Konsumentenumfeld durchsetzen.“
Hans-Jürgen Jobst Senior Product Marketing
Manager bei Avaya www.avaya.com/de
Foto
: Am
azon
Kundenunterstützung: Wer auf dem Kindle Fire HDX den „Mayday“- Button drückt, wird per WebRTC mit dem Amazon-Support verbunden.
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WebRTC
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sich beschleunigen. „Was heute schon mit Facetime, Hang-
out oder Skype möglich ist, wird durch WebRTC noch einfa-
cher“, sagt Microsoft-Mitarbeiter Dariusz Parys. Klassische
Telefonnetze, aber auch Mobilfunknetze würden dadurch
deutlich weniger profitabel werden.
Nicht nur die Marktforscher, sondern auch die Kommuni-
kationsexperten der Anbieter sind von WebRTC überzeugt.
„Die Technologie könnte sich als bahnbrechend erweisen“,
sagt Jan Hickisch, Vice President Global Solution Marketing
bei Unify. „Das Projekt WebRTC ist unglaublich wichtig. Es
öffnet die Tür für eine neue Welle an RTC-Webanwendun-
gen, die die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizie-
ren, verändern wird“, ergänzt Plantronics-Manager Holm-
lund.
WebRTC werde sich zunächst im Konsumentenumfeld
durchsetzen, davon ist Hans-Jürgen Jobst, Senior Product
Marketing Manager bei Avaya überzeugt: „Der nächste
Schritt ist die Integration in die
Multimediakommunikation und
schlussendlich in die Kommunika-
tion zwischen Konsument und Un-
ternehmen.“
Damit sind die Einsatzmöglich-
keiten für WebRTC aber noch
längst nicht ausgereizt: „Wir sind
überzeugt, dass eine browser-
basierte UC-/Video-Implementie-
rung ohne Clients auch im B2B-
Bereich hohes Potenzial besitzt“,
sagt Anton Doeschl, Leiter Colla-
boration-Architektur bei Cisco
Deutschland.
Ein Erfolgsfaktor für WebRTC ist
die große Zahl von Geräten, die
dank Browserintegration bereits
heute genutzt werden können. Anders als bei vielen anderen
neuen Technologien müssen deshalb weder Anbieter noch
Anwender darauf warten, bis eine kritische Masse an End-
geräten den Einsatz überhaupt sinnvoll und wirtschaftlich
macht.
Neben klassischen PCs sind vor allem Tablets und Smart-
phones für WebRTC geeignet. Sie bringen naturgemäß die
nötigen Schnittstellen zu Audio und Video mit. Smartphones
und Tablets sind jedoch nicht die einzigen Geräte, die mit
WebRTC auf einfache Weise echtzeitkommunikations fähig
gemacht werden können. Smart-TVs, Spielekonsolen, Set-
top-Boxen, Bordcomputer in Autos oder Smartwatches sind
zu nennen – und sie sind erst der Anfang. Mit dem Internet
der Dinge und Industrie 4.0 werden Alltagsgegenstände und
Industrieanlagen internetfähig. Dank WebRTC ist es dann
nur noch ein kleiner Schritt, über diese Dinge und Geräte zu
kommunizieren – oder mit ihnen.
Diese Links vertiefen Informationen und zeigen Beispiel-Implementierungen.
Internetressourcen zum Thema WebRTC
appear.in, www.vline.com, www.ahoyconference.com/de Auf WebRTC basierende Konferenzportale
code.google.com/p/webrtc4all WebRTC-Plug-in-Repository
disruptive-analysis.com/webrtc2014.htm Regelmäßig aktualisierter Report zum WebRTC-Markt
www.webrtcworld.com/webrtc-list.aspx Liste mit Dienstleistern, die WebRTC in Anwendungen integrieren
temasys.atlassian.net WebRTC-Plug-ins für Safari und Internet Explorer
webrtcweekly.com Wöchentlicher Newsletter
www.aixvox.com/webrtc-task-force WebRTC Task Force des eco-Verbands
www.bistri.com WebRTC als Platform as a Service
www.ilbcfreeware.org Informationen zum Audio-Codec iLBC
www.openwebrtc.io WebRTC-Framework für Entwickler mobiler Apps
www.opus-codec.org Informationen zum Audio-Codec Opus
www.w3.org/TR/webrtc Entwurf des Standards WebRTC 1.0
www.webrtc.org Offizielle Projekt-Homepage
www.webrtcworld.com Nachrichten und Informationen rund um WebRTC
Wachstumsmarkt: Nach Prognosen von Disruptive Analysis werden 2019 zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden Anwender WebRTC nutzen.
WebRTC wird eine rosige Zukunft vorhergesagt
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20110 Mrd.
1 Mrd.
2 Mrd.
3 Mrd. Consumer Web/app users – Baseline Consumer Web/app users – Aggressive
Business users Telco users (VoIP, T-OTT, TV)
2012 2013 2014 20192015 2016 2017 2018Quelle: Disruptive Analysis
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WissenWebRTC
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Wo es noch haktAuch wenn WebRTC ein robus-
tes, leicht zu integrierendes
Framework ist, zeigen sich in
der Umsetzung noch Haken und
Ösen. Durch die enge Integrati-
on mit dem Browser ist WebRTC
darauf angewiesen, wie dessen
Entwickler den Standard inter-
pretieren und implementieren.
Oft liegt es deshalb nicht an der
Technologie selbst, wenn eine
Verbindung nicht zustande
kommt oder ruckelt.
Sind etwa die Kamerafreigabe
oder das Session-Handling nicht
sauber umgesetzt, kann dies zu
schlechterer Qualität oder Abbrüchen führen, ohne dass der
eigentliche WebRTC-Stack damit zu tun hat. Weitere Schwie-
rigkeiten machen häufig Firewalls, die trotz STUN-, TURN-
oder ICE-Einsatz das Signal nicht passieren lassen.
Fehlende Möglichkeiten der Priorisierung des WebRTC-
Verkehrs und asymmetrische Bandbreiten mit geringen Up-
load-Raten sind weitere Stolpersteine auf dem Weg zur per-
fekten Ton- und Bildübertragung. Selbst wenn man willens
und in der Lage wäre, die Echtzeitkommunikation zu priori-
sieren, macht es einem WebRTC nicht gerade leicht. Da der
komplette WebRTC-Verkehr verschlüsselt ist und die ver-
wendeten UDP-Ports bei jeder Sitzung variieren, lassen sich
traditionelle Quality-of-Service-Mechanismen nur schwer
zur Qualitätskontrolle verwenden.
Ein weiteres Problem liegt darin, dass der Standard immer
noch nicht ratifiziert ist. Derzeit stünden die Gebiete Secu rity
und Quality of Service noch aus, sagt Unify-Manager Hickisch.
Die Zeit sei aber reif für eine vollständige Standardisierung:
„WebRTC ist aus meiner Sicht ausreichend dokumentiert.“
Sascha Hirschoff von Polycom sieht vor allem in der fehlen-
den Einigung auf einen Videocodec ein Problem. Immerhin
hätten sich aber die führenden Parteien darauf verständigt,
zwei Algorithmen zu unterstützen, um Interoperabilität zu
gewährleisten. Avaya-Mitarbeiter Jobst vermisst professio-
nelle Funktionen wie Mehrfachkonferenzen, Moderator-
funktionen oder ein ausgeklügeltes Bandbreitenmanage-
ment. „WebRTC bietet momentan nur einige Basisfunktio-
nen“, sagt er.
WebRTC im EinsatzPlattformen wie appear.in, vLine oder AhoyConference (sie-
he dazu auch Interview mit Björn Schwarze auf Seite 100) bie-
ten einfache Bedienoberflächen für WebRTC. Sie erlauben
den direkten Start von Sprach- und Videotelefonaten, indem
sie auf die integrierten WebRTC-Fähigkeiten von Chrome,
Fire fox und Opera zugreifen.
In Firefox ab Version 35 geht
es auch direkt. Mit Hello ist eine
WebRTC-Anwendung unmittel-
bar in den Browser integriert.
Für die Übertragung nutzt Mo-
zilla den Telefonica-Service tok-
box, auf den man auch von iOS-
und Android-Geräten über die
App OpenTokRTC zugreifen
kann.
Skype ist ebenfalls auf dem
Weg zur WebRTC-Kompatibili-
tät. Mit Skype for Web lässt sich
direkt aus dem Browser kommu-
nizieren, ohne dass Plug-ins oder
Installationen nötig wären. Der
Dienst ist derzeit allerdings noch
im Closed-Beta-Stadium und
nur auf Einladung zugänglich.
Für die Integration von
WebRTC in Applikationen hat
sich bereits ein Markt entwi-
ckelt. Zahlreiche Dienstleister
bieten dies als Service an.
Eine umfangreiche Liste fin-
det sich unter www.webrtc
world.com/webrtc-list.aspx. Bis-
tri etwa stellt WebRTC als Plat-
form as a Service (PaaS) zur Ver-
fügung. Neben der Übertra- ▶
„WebRTC besitzt auch im B2B-Bereich hohes
Potenzial.“
Anton DoeschlLeiter Collaboration- Architektur bei Cisco
www.cisco.de
WebRTC: Schnittstellen für Anwendungs- und Browserentwickler
com! professional 8/15Quelle: webrtc.org
…Your web
app #1
Your web
app #2
Web API (Edited by W3C WG)
Voice Engine
iSAC / iLBC Codec
NetEQ for voice
Echo Canceler / Noise Reduction
Audio Caputre/Render Video Capture Network I/O
VP8 Codec
Video jitter buffer
Image enhancements
Video Engine
SRTP
Multiplexing
P2P STUN + TURN + ICE
Transport
WebRTC C++ API (PeerConnection)
Session management / Abstract signaling (Session)
Your web
app #3
API for web developers API for browser makers
Overrideable by browser makers
WebRTC
the
web
your
bro
wse
r
100
WebRTC
Wissen
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com! professional hat mit Björn Schwarze, geschäftsführender Gesellschafter der Addix Internet Services GmbH, über das Potenzial von WebRTC gesprochen (www.addix.net).
com! professional: Herr Schwarze, Sie sind seit drei Jahren mit WebRTC-basierten Konferenzlösungen am Markt, was sind Ihre Erfahrungen?
Björn Schwarze: Das funktioniert mittlerweile sehr zuverlässig und fängt langsam an, Spaß zu machen. Mittlerweile vermitteln wir über das AhoyRTC Gate-way 1,7 Millionen Minuten pro Woche, bei ungefähr 55.000 Gesprächen pro Tag.
com! professional: Verdienen Sie damit Geld?
Schwarze: Mit unserer Konferenzlösung AhoyConference ver-dienen wir kein Geld, das ist unser Schaufenster. Wir haben aber auch kommerzielle Angebote. So nutzt etwa ein Provider aus Indien unsere Infrastruktur, um darüber Telefonie anzubieten.
com! professional: Worin sehen Sie die wesentlichen Vorteile von WebRTC?
Schwarze: WebRTC vereint erstmals in einem offenen Standard die Kommunikation über Video und Sprache mit der Daten-übertragung und der Zusammenarbeit. Es ist Teil des Browsers, Sie müssen keine Software installieren und sich keine Gedanken um die Infrastruktur machen. Ich bekomme damit quasi auf ei-nen Schlag eine Echtzeitanwendung, die ohne Modifikation oder Installation sofort auf Milliarden von Endgeräten funktio-niert. Zudem lässt sich die Oberfläche komplett an die eigenen Anforderungen anpassen. Das ist zum ersten Mal in einem so übergreifenden Standard möglich. Bisher musste ich mir eine Videokonferenzlösung kaufen oder mit Skype eine Vereinba-rung treffen, dass ich an die APIs ran darf. Bei WebRTC ist alles offen, und genau darin sehe ich die große Chance.
com! professional: Facebook und Google bieten ja auch die Möglichkeit zur direkten Kommunikation aus dem Browser, was ist bei WebRTC anders?
Schwarze: Über WebRTC können sich Menschen anonym ver-netzen, das ist der Riesenunterschied und auch das Riesen-potenzial. Ein Kunde von uns ist die norddeutsche Diakonie, die anonyme Suchtberatung über unsere Plattform anbietet. WebRTC ist auch ein Weg, der totalen Überwachung zu entkom-men, denken Sie nur an die Vorratsdatenspeicherung, die ja wieder auf der Agenda steht. Gespräche, die über WebRTC statt-finden, sind peer-to-peer und durchgängig verschlüsselt. Es dürfte sehr schwer und aufwendig werden, das zu überwachen.
com! professional: Ist WebRTC auch ein An-griff auf die Vermittlungshoheit der Telekom-munikationsanbieter?
Schwarze: Absolut. Ich brauche kein Telefon-vermittlungsnetz oder IMS (IP Multimedia Sub-system) mehr, man nutzt DNS (Domain Name Service). Nicht umsonst versuchen die Tele-kommunikationsanbieter das Thema WebRTC kleinzuhalten. Aber sie werden scheitern wie bei Voice over IP. WebRTC hört außerdem nicht bei der direkten Anrufbarkeit auf, ich kann auch den Daten kanal benutzen und Dokumen-te austauschen. Das lässt sich gar nicht von-
einander unterscheiden. Ich sehe WebRTC aber auch als Chance für alle Car rier, die den Breitbandausbau vorantreiben wollen.
com! professional: Wie sehen Sie den Einfluss auf die Anbieter professioneller Videokonferenzlösungen wie Avaya, Cisco oder Polycom?
Schwarze: Die müssen sich erst mal keine Sorgen machen, ihr Kerngeschäft ist noch nicht bedroht. Was diese Anbieter aller-dings durchaus Marktanteile kosten könnte, ist WebRTC auf Apple-Geräten. Wir machen gerade erste Gehversuche mit unse-rer AhoyConference App für iPad im Apple App Store. Die Über-tragungsqualität ist überragend. Da sehe ich eine echte Gefahr für die Anbieter von Konferenzlösungen, weil es eben so gigan-tisch einfach ist. Wir setzen mit dieser Lösung gerade ein Projekt für eine Sparkasse um, in dem Berater aus dem Kundenge-spräch heraus einen Experten kontaktieren und hinzuziehen
können. Die haben natürlich auch mit den gängigen Anbietern von Kommunikationslösungen gesprochen, aber das wäre um Größenordnungen teurer geworden.
com! professional: Sollten sich mittelständische Unternehmen schon heute mit WebRTC beschäftigen? Falls ja: in welcher Form?
Schwarze: Ich rate jedem CIO und IT-Verantwortlichen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, um zu verstehen, was man mit dieser Technik machen kann. WebRTC verändert die Art und Weise des Arbeitens völlig. Dank AhoyConference führe ich viel mehr Gespräche, ich habe eine Idee, wie die Gesprächspartner aussehen, ich bekomme auch ein Gefühl dafür, wer innovations-bereit ist und wer nicht.
Interview
„WebRTC verändert die Art und Weise des Arbeitens“
„Ich rate jedem CIO und IT-Verantwortlichen, sich mit WebRTC
auseinanderzusetzen.“
Björn Schwarze
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WissenWebRTC
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▶
gung von Bild, Ton und Dateien managt die Plattform Präsenz-
informationen, steuert die Si gnalisierung und sorgt mit eige-
nen TURN-Servern für die Kommunikation über NAT-Fire-
walls hinweg.
Dass man WebRTC in wirklich jede Applikationen inte-
grieren kann, zeigen beispielsweise Spiele wie Cube Slam
(www.cubeslam.com) oder das Videoschach von Spacegoo
(www.spacegoo.com/chess). Auch wenn diese Umsetzungen
nicht unbedingt einen Nutzen haben, so lassen sie doch das
Potenzial der Technologie erkennen.
Es gibt allerdings auch schon viele ernst zu nehmende Bei-
spiele. Wenn Nutzer eines Kindle-Fire-HDX-Tablets von
Amazon den „Mayday“-Button drücken und damit sofort ei-
ne Videoverbindung zu einem Support-Mitarbeiter aufbau-
en, dann ist WebRTC im Spiel.
Wenn Kunden von American
Express über die iPad-App des
Unternehmens ein Videotele-
fonat mit einem Berater des Kre-
ditkartenunternehmens führen,
dann tun sie das via WebRTC.
Für Service und Support sei die
Technologie geradezu prädes-tiniert, sagt Detlev Artelt, CEO
des Beratungsunternehmens
aixvox: „Alle Unternehmen mit
Kundenservice werden WebRTC
lieben.“
Wie vielfältig die Einsatzmög-
lichkeiten für WebRTC sind,
zeigt auch das Beispiel von
WebID Solutions. Das Unterneh-
men hat sich auf die rechtskonforme Online-Identitätsfest-
stellung spezialisiert und verwendet WebRTC zur Identitäts-
überprüfung als Alternative zum umständlichen PostIdent-
Verfahren.
„Wir haben uns für WebRTC entschieden, weil es keine
Plug-ins benötigt, einfach zu nutzen ist, hohe Sicherheit bie-
tet und eine sehr gute Bildqualität ermöglicht“, so Sven Jorga,
VP Technology & IT Management bei WebID Solutions. Al-
lerdings habe man nicht mit der Vorsicht der Leute gerech-
net: „Der Nutzer kann mit den Begriffen WebRTC und Brow-
sertelefonie leider noch nicht so viel anfangen und möchte
lieber bekannte Dienste wie Skype nutzen.“
Die Strategie der UCC-AnbieterAnbieter von Unified-Communication-and-Collaboration-
Lösungen (UCC) setzten in den vergangenen Jahren haupt-
sächlich auf die Protokolle SIP und H.264 für die Audio-
beziehungsweise Video-Übertra-
gung. Ihre Systeme sind höchst
leistungsfähig, ausgeklügelt, ro-
bust – und teuer.
Die Einfachheit von WebRTC
macht wesentlich preiswertere,
einfachere und flexiblere Alterna-
tiven denkbar. Kein Wunder also,
dass sich die meisten Anbieter von
UCC-Lösungen mit dem Thema
WebRTC beschäftigen und die
Entwicklung eigener Produkte
oder die Integration von WebRTC
in bereits bestehende Lösungen
vorantreiben.
So bietet etwa Avaya in dem Pro-
dukt Collaboration Environment
3.0 die Möglichkeit, ausgehend
von einem Web-Chat zwischen
Kunden und Contact-Center-
Agenten, eine Sprachverbindung
via Webbrowser auf WebRTC-Ba-
sis aufzubauen. „Von hier aus
„Die Technologie könnte sich als bahn-brechend erweisen.“
Jan Hickisch Vice President Global
Solution Marketing bei Unifywww.unify.com/de
WebRTC-fähige Geräte: Schon heute gibt es über eine Milliarde WebRTC-fähige Geräte, bis 2019 sollen es über sechs Milliarden sein.
WebRTC wird allgegenwärtig sein
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20110 Mrd.
1 Mrd.
2 Mrd.
3 Mrd.
4 Mrd.
5 Mrd.
6 Mrd.
7 Mrd. Other (TV+M2M/IoT) Smartphones
Tablets PCs
2012 2013 2014 20192015 2016 2017 2018
Quelle: Disruptive Analysis
Foto
: Citr
ix
WebRTC-Anwendung: Die kostenlose Videokonferenzplatt-form GoToMeeting free von Citrix basiert auf WebRTC.
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WebRTC
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ist der Weg zu Videokonferenzen über den Browser dann
nicht mehr weit“, sagt Avaya-Manager Jobst.
Auch Citrix hat eine WebRTC-Implementierung anzubie-
ten. Sie heißt GoToMeeting free. Wie der Name schon andeu-
tet, ist der Service kostenlos und erlaubt es, direkt aus dem
Browser heraus Videokonferenzen mit bis zu drei Teilneh-
mern zu starten.
Eine Übertragung von Bildschirminhalten funktioniert
ebenfalls. Über den Button „Meeting planen“ lässt sich ein-
fach ein Einladungs-Link generieren, über den man dann
beispielsweise aus einem Google-Kalender heraus direkt zu
gegebener Zeit dem Meeting beitreten kann.
Ähnlichen Komfort bie -
tet das Messaging-System
Spark von Cisco. Die Lö-
sung soll die Zusammenar-
beit innerhalb und zwi-
schen Unternehmen ver-
bessern. Nutzer können
virtuelle Meeting-Räume
erstellen, indem sie in ih-
rem Kalender auf eine Ein-
ladung tippen.
Die Teilnahme an einer
solchen Konferenz ist aus
Firefox heraus per WebRTC
möglich. Neben Audio-
und Videosignal lassen sich
auch Bildschirminhalte
übertragen, ohne dass da-
für ein Plug-in notwendig
wäre.
Avaya, Citrix und Cisco
sind natürlich keineswegs
die einzigen UCC-Herstel-
ler mit WebRTC-Strategien. Polycom etwa nutzt in der
RealPresence CloudAXIS Suite das Kommunika-
tions-Framework, um Kunden einfach per Browser
in die Videokonferenzen einzubinden. Die Teilneh-
mer lassen sich über einen Web-Link oder ebenfalls
über einen Kalendereintrag zu einem Meeting ein-
laden.
Am weitesten geht Unify den WebRTC-Weg mit
seinem Software-as-a-Service-Dienst Circuit. Er ist
aus dem Project Ansible hervorgegangen. Der Ser-
vice ist ab 14,95 Euro pro Anwender und Monat
erhältlich. Circuit ist webbasiert und soll nahtlos
über Browser, Smartphones und Tablets funktio-
nieren.
Ein angefangenes Gespräch lässt sich laut Her-
stellerangaben per Wischgeste von einem Gerät
auf ein anderes Gerät übertragen. Die an Social-
Media-Anwendungen erinnernde Bedienoberflä-
che ermöglicht die Zusammenarbeit per Chat,
Sprache, Bildern und Videos. Mittelfristig ist für
große Unternehmen zusätzlich eine On-Premise-
Variante geplant.
Das FazitWebRTC ist der Standard der Zukunft, wenn es um IP-basier-
te Echtzeitkommunikation geht. Das Framework macht pro-
prietäre Lösungen weitgehend überflüssig, ermöglicht einen
sicheren Verbindungsaufbau aus einem Browser und lässt
sich leicht in Applikationen integrieren. Deshalb sind den
Einsatzmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Internetfähige
Endgeräte mit Browser gibt es massenhaft, vom klassischen
Rechner über Smartphones und Tablets bis hin zu Smart-TV-
Geräten und Wearables. Deshalb ist es kein Problem, eine
kritische Masse an potenziellen Nutzern oder Endgeräten zu
erreichen.
Wie jede neue Technologie hat auch WebRTC mit Start-
schwierigkeiten zu kämpfen. Obwohl seit 2011 in Bearbei-
tung, ist der Standard noch immer nicht ratifiziert, was unter
anderem zur Folge hat, dass WebRTC-Implementierungen
nicht notwendigerweise kompatibel sein müssen. Die unter-
schiedliche Implementierung und Interpretation des Stan-
dards kann zu Bild- und Tonaussetzern, Asynchronität oder
sogar zum völligen Aus-
fall führen. Diese und
andere Unannehmlich-
keiten werden den Sie-
geszug von WebRTC
aber nicht aufhalten.
Dank der einfachen Integration lassen sich viele Anwendungen mit WebRTC um Echtzeitkommunikation erweitern.
● Audio-/Video-Chat und -Beratung auf Webseiten und in Online-Shops
● Assisted Browsing und Social Surfing
● Interaktive individuelle Produktvorstellungen
● Integration in Geschäftsanwendungen (SAP, CRM, HR)
● Webbasiertes Lernen
● Sichere, anonyme Audio-/Videogespräche und -konferenzen
● Integration in Call- und Contact-Center
● Telemedizin
● Fernüberwachung/-wartung
● Identitätsfeststellung
Einsatzmöglichkeiten von WebRTC
„Die Zeit und der Grad an Expertenwissen zur Integration
von Echtzeit-Voice und -Video verringern sich durch WebRTC
deutlich.“
Sascha HirschoffDirector Systems Engineers Central Europe bei Polycom
www.polycom.de
[email protected]. Thomas Hafen/ad
tokb
ox
WebRTC mit dem Smartphone: Die App OpenTokRTC für iOS und Android bietet Video-Chats auf WebRTC-Basis.
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