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Der Maschinist Karl-Ernst Bergmann Zurückgeblickt „Ich habe es nicht bereut, ins Stahlwerk „Wenn ich früher zu meinen Eltern nach gegangen zu sein. Im Rückblick gesehen Hause gefahren bin, war ich stolz, im war es der richtige Schritt, nach Branden- Stahl- und Walzwerk zu arbeiten.” burg zu gehen. Im Stahlwerk verdiene ich meine Brötchen.” Vom Beton zum Stahl In der Marktwirtschaft Als Karl-Ernst Bergmann im Stahl- und Nach acht Jahren im Elektrostahlwerk Walzwerk Brandenburg anfängt, ist er sieht Karl-Ernst Bergmann ab 1990 hin- noch keine dreißig, hat aber schon ein sichtlich seines weiteren Berufsweges ein bewegtes Arbeitsleben hinter sich. Gleich großes Fragezeichen. Zum ersten Mal nach der Ausbildung ging der gelernte spürt er Existenzängste. Sie verflüchtigen Straßenbautechniker auf Montage, wech- sich zunächst auch nicht, als das Elektro- selte auch mehrfach seine Arbeitsstellen stahlwerk an das italienische Familienun- im Baugewerbe, begann dann in einem ternehmen Riva verkauft wird: „Man wuss- Meliorationsbetrieb und landete schließ- te ja nicht, was steht hinter Riva; man lich in seinem Heimatort in der Landwirt- kannte Riva überhaupt nicht.” Erst als der schaft. Hier wollte er länger bleiben, doch neue Eigentümer in größerem Umfang nun musste Familiäres mit Beruflichem investiert, kehrt bei Karl-Ernst Bergmann unter einen Hut gebracht werden und das Zuversicht ein: „Es setzte sich das Gefühl durch, es wird nicht dicht gemacht, bei gelang nicht im Bezirk Rostock. Er bewarb Riva gibt es eine Zukunft”. sich quer durch die Republik und griff in Seine Ahnung trügt nicht. Er behält seinen Brandenburg an der Havel zu. Arbeitsplatz. Das ist für ihn primär und drängt in den Hintergrund, dass er nicht 1982 bekommt Karl-Ernst Bergmann eine mehr als Meister arbeitet, weil mit der Stelle im Elektrostahlwerk und wird im Umstrukturierung im Betrieb sein Meister- angegliederten Walzwerk eingesetzt. Der bereich verschwindet. Er bleibt aber in der Wechsel in eine völlig andere Branche ist Drahtadjustage, wo die Walzprodukte ent- für ihn kein Problem. Er ist Maschinist mit sprechend den Kundenwünschen ge- Leib und Seele und Krane gibt es auch im schnitten, gebunden und gekennzeichnet SWB, bloß dass sie hier anders aussehen werden. Er wird als Staplerfahrer einge- und nicht auf der Erde fahren, sondern an setzt, arbeitet an der Presse, an der Binde- Brücken hängen. maschine oder bei der Etikettierung und hilft oft aus, wenn eine der Maschinen Karl-Ernst Bergmann hat seinen Platz ge- repariert werden muss. funden. Er wird bald Oberkranfahrer und ist somit verantwortlich für die Einsatzpla- Ende 2009 erkrankt Karl-Ernst Bergmann, nung aller Hebezeuge im Walzbereich des muss operiert werden und ein halbes Jahr Elektrostahlwerkes, für die Arbeitsschutz- pausieren. Es ist abzusehen, dass er nicht belehrungen der Kranfahrer sowie für die an seinen alten Arbeitsplatz in der Adjus- Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmun- tage zurück kann. Die gefundene Lösung, gen. Nebenbei macht er seinen Meister sein Einsatz bei der Betriebswache, ist für und arbeitet Ende der 1980er Jahre in die- ihn akzeptabel. Bei Umbrüchen wie dem ser Funktion in der Drahtadjustage. jetzigen kommt ihm sein Lebensmotto zu- gute: „Man kann nichts ändern, man muss sehen, was kommt, dann muss man sehen, was man draus macht.” und Maschinist bei verschiedenen Betrie- • 1955 geboren in Gützkow • 1970 Mittle- re Reife, danach Lehre als Facharbeiter für ben • 1982 Heirat, zwei Kinder • seit 1982 Straßenbautechnik, Arbeit beim Auto- Arbeit im Stahl- und Walzwerk Branden- burg bzw. in den Brandenburger Elektro- bahnkombinat Nord in Greifswald • 1974 stahlwerken GmbH, Meisterstudium • Mit- bis 1975 Grundwehrdienst • 1975 bis glied der IG Metall 1982 Tätigkeit als Straßenbautechniker Karl-Ernst Bergmann, 2007 Das Elektrostahlwerk Elektrostahlwerke GmbH weiterführt und in • ab 1977 Errichtung eines Elektrostahlwerkes Hennigsdorf und Lampertheim über zwei durch das italienische Unternehmen Danieli weitere Standorte in Deutschland verfügt unter Beteiligung der Riva-Gruppe ab 1992 Umsetzung eines umfangreichen 1980 Inbetriebnahme des Elektrostahlwerkes Modernisierungsprogramms, neben Walz- und ein Jahr später der Kontinuierlichen draht und geripptem Betonstahl werden Drahtstraße durch Aufbau eines neuen Produktionsbe- 1986 Modernisierung, dann Inbetriebnahme reiches elektrogeschweißte Betonstahlmatten eines Pfannenofens hergestellt 1992 Verkauf des Elektrostahlwerkes an die Riva-Gruppe, die es als B.E.S Brandenburger Windungsleger im Elektrostahlwerk (Foto: B.E.S. GmbH, 2010) Die Drahtadjustage im Elektrostahlwerk, wo Karl-Ernst Bergmann jahrelang beschäftigt war (Foto: B.E.S. GmbH, 2010) Stranggussanlage im Elektrostahlwerk, die mit der Eröffnung des Elektrostahlwerkes im Jahre 1980 in Betrieb ging Magnet-Traversenkran in der Knüppeladjus- tage des Elektrostahlwerkes. Solchen Kran bediente Karl-Ernst Bergmann. (Foto: B.E.S. GmbH, 2010)

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Der Maschinist

Karl-Ernst Bergmann

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„Ich habe es nicht bereut, ins Stahlwerk „Wenn ich früher zu meinen Eltern nach gegangen zu sein. Im Rückblick gesehen Hause gefahren bin, war ich stolz, im war es der richtige Schritt, nach Branden-Stahl- und Walzwerk zu arbeiten.”burg zu gehen. Im Stahlwerk verdiene ich meine Brötchen.”

Vom Beton zum Stahl In der Marktwirtschaft

Als Karl-Ernst Bergmann im Stahl- und Nach acht Jahren im Elektrostahlwerk Walzwerk Brandenburg anfängt, ist er sieht Karl-Ernst Bergmann ab 1990 hin-noch keine dreißig, hat aber schon ein sichtlich seines weiteren Berufsweges ein bewegtes Arbeitsleben hinter sich. Gleich großes Fragezeichen. Zum ersten Mal nach der Ausbildung ging der gelernte spürt er Existenzängste. Sie verflüchtigen Straßenbautechniker auf Montage, wech- sich zunächst auch nicht, als das Elektro-selte auch mehrfach seine Arbeitsstellen stahlwerk an das italienische Familienun-im Baugewerbe, begann dann in einem ternehmen Riva verkauft wird: „Man wuss-Meliorationsbetrieb und landete schließ- te ja nicht, was steht hinter Riva; man lich in seinem Heimatort in der Landwirt- kannte Riva überhaupt nicht.” Erst als der schaft. Hier wollte er länger bleiben, doch neue Eigentümer in größerem Umfang nun musste Familiäres mit Beruflichem investiert, kehrt bei Karl-Ernst Bergmann unter einen Hut gebracht werden und das Zuversicht ein: „Es setzte sich das Gefühl

durch, es wird nicht dicht gemacht, bei gelang nicht im Bezirk Rostock. Er bewarb Riva gibt es eine Zukunft”.sich quer durch die Republik und griff in Seine Ahnung trügt nicht. Er behält seinen Brandenburg an der Havel zu.Arbeitsplatz. Das ist für ihn primär und drängt in den Hintergrund, dass er nicht 1982 bekommt Karl-Ernst Bergmann eine mehr als Meister arbeitet, weil mit der Stelle im Elektrostahlwerk und wird im Umstrukturierung im Betrieb sein Meister-angegliederten Walzwerk eingesetzt. Der bereich verschwindet. Er bleibt aber in der Wechsel in eine völlig andere Branche ist Drahtadjustage, wo die Walzprodukte ent-für ihn kein Problem. Er ist Maschinist mit sprechend den Kundenwünschen ge-Leib und Seele und Krane gibt es auch im schnitten, gebunden und gekennzeichnet SWB, bloß dass sie hier anders aussehen werden. Er wird als Staplerfahrer einge-und nicht auf der Erde fahren, sondern an setzt, arbeitet an der Presse, an der Binde-Brücken hängen.maschine oder bei der Etikettierung und hilft oft aus, wenn eine der Maschinen Karl-Ernst Bergmann hat seinen Platz ge-repariert werden muss.funden. Er wird bald Oberkranfahrer und

ist somit verantwortlich für die Einsatzpla-Ende 2009 erkrankt Karl-Ernst Bergmann, nung aller Hebezeuge im Walzbereich des muss operiert werden und ein halbes Jahr Elektrostahlwerkes, für die Arbeitsschutz-pausieren. Es ist abzusehen, dass er nicht belehrungen der Kranfahrer sowie für die an seinen alten Arbeitsplatz in der Adjus-Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmun-tage zurück kann. Die gefundene Lösung, gen. Nebenbei macht er seinen Meister sein Einsatz bei der Betriebswache, ist für und arbeitet Ende der 1980er Jahre in die-ihn akzeptabel. Bei Umbrüchen wie dem ser Funktion in der Drahtadjustage.jetzigen kommt ihm sein Lebensmotto zu-gute: „Man kann nichts ändern, man muss sehen, was kommt, dann muss man sehen, was man draus macht.”

und Maschinist bei verschiedenen Betrie-• 1955 geboren in Gützkow • 1970 Mittle-re Reife, danach Lehre als Facharbeiter für ben • 1982 Heirat, zwei Kinder • seit 1982 Straßenbautechnik, Arbeit beim Auto- Arbeit im Stahl- und Walzwerk Branden-

burg bzw. in den Brandenburger Elektro-bahnkombinat Nord in Greifswald • 1974 stahlwerken GmbH, Meisterstudium • Mit-bis 1975 Grundwehrdienst • 1975 bis glied der IG Metall1982 Tätigkeit als Straßenbautechniker

Karl-Ernst Bergmann, 2007

Das Elektrostahlwerk

Elektrostahlwerke GmbH weiterführt und in • ab 1977 Errichtung eines Elektrostahlwerkes Hennigsdorf und Lampertheim über zwei durch das italienische Unternehmen Danieli weitere Standorte in Deutschland verfügtunter Beteiligung der Riva-Gruppe

• ab 1992 Umsetzung eines umfangreichen • 1980 Inbetriebnahme des Elektrostahlwerkes Modernisierungsprogramms, neben Walz-und ein Jahr später der Kontinuierlichen draht und geripptem Betonstahl werden Drahtstraße durch Aufbau eines neuen Produktionsbe-• 1986 Modernisierung, dann Inbetriebnahme reiches elektrogeschweißte Betonstahlmatten eines Pfannenofens hergestellt• 1992 Verkauf des Elektrostahlwerkes an die

Riva-Gruppe, die es als B.E.S Brandenburger

Windungsleger im Elektrostahlwerk (Foto: B.E.S. GmbH, 2010)

Die Drahtadjustage im Elektrostahlwerk, wo Karl-Ernst Bergmann jahrelang beschäftigt war (Foto: B.E.S. GmbH, 2010)

Stranggussanlage im Elektrostahlwerk, die mit der Eröffnung des Elektrostahlwerkes im Jahre 1980 in Betrieb ging

Magnet-Traversenkran in der Knüppeladjus-tage des Elektrostahlwerkes. Solchen Kran bediente Karl-Ernst Bergmann. (Foto: B.E.S. GmbH, 2010)