Der neue BMW Vierzylinder-Ottomotor mit Valvetronic

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570 MTZ Motortechnische Zeitschrift 62 (2001) 7/8 1 Einleitung Die europäische Automobilindustrie hat sich verpflichtet, die CO 2 -Emission bis zum Jahr 2008 auf 140 g/km im Flottendurch- schnitt zu reduzieren. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, ist ein Bündel von Maß- nahmen auf der Fahrzeug- und der An- triebsseite notwendig. Sicher ist, dass ein wesentlicher Anteil an der notwendigen Verbrauchsreduzierung vom Motor geleis- tet werden muss. Allein mit Detailoptimie- rungen wird dieses Ziel aber nicht zu errei- chen sein. Entwicklung Neue Motoren Mit der Einführung der neuen Vierzylindermotoren wird erstmals eine Technologie in die Großserie eingeführt,die dem Anspruch einer wir- kungsvollen Flottenverbrauchsreduzierung gerecht wird. Dies gilt umso mehr,da sie als Basistechnologie in weitere Motorbaureihen bei BMW Einzug halten wird und somit nicht nur Alibifunktion in Nischenproduk- ten übernimmt. Im Spannungsfeld von Verbrauch, Emission und Fahrleis- tung werden mit den neuen Vierzylindermotoren keine Kompromisse eingegangen, sondern neue Maßstäbe gesetzt. Die Entwicklung dieses Konzepts erforderte in vielen Bereichen völlig neue Lösungsansätze. Im ersten Teil wurde das Konzept und der konstruktive Aufbau vorge- stellt,der zweite Teil berichtet über die Thermodynamik und funktio- nale Eigenschaften des neuen Motors. Der neue BMW Vierzylinder- Ottomotor mit Valvetronic Teil 2:Thermodynamik und funktionale Eigenschaften

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1 Einleitung

Die europäische Automobilindustrie hatsich verpflichtet, die CO2-Emission bis zumJahr 2008 auf 140 g/km im Flottendurch-schnitt zu reduzieren. Um dieses ehrgeizigeZiel zu erreichen, ist ein Bündel von Maß-nahmen auf der Fahrzeug- und der An-triebsseite notwendig. Sicher ist, dass einwesentlicher Anteil an der notwendigenVerbrauchsreduzierung vom Motor geleis-tet werden muss. Allein mit Detailoptimie-rungen wird dieses Ziel aber nicht zu errei-chen sein.

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Mit der Einführung der neuen Vierzylindermotoren wird erstmals eineTechnologie in die Großserie eingeführt, die dem Anspruch einer wir-kungsvollen Flottenverbrauchsreduzierung gerecht wird. Dies gilt umsomehr, da sie als Basistechnologie in weitere Motorbaureihen bei BMWEinzug halten wird und somit nicht nur Alibifunktion in Nischenproduk-ten übernimmt. Im Spannungsfeld von Verbrauch, Emission und Fahrleis-tung werden mit den neuen Vierzylindermotoren keine Kompromisseeingegangen, sondern neue Maßstäbe gesetzt. Die Entwicklung diesesKonzepts erforderte in vielen Bereichen völlig neue Lösungsansätze.Im ersten Teil wurde das Konzept und der konstruktive Aufbau vorge-stellt, der zweite Teil berichtet über die Thermodynamik und funktio-nale Eigenschaften des neuen Motors.

Der neue BMW Vierzylinder-Ottomotor mit ValvetronicTeil 2:Thermodynamik und funktionale Eigenschaften

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Die aus heutiger Sicht im Wettstreit ste-henden Technologien, die Benzindirektein-spritzung und der vollvariable Ventiltrieb,zeigen ein hohes Verbrauchsverbesse-rungspotenzial. BMW hat sich für den voll-variablen Ventiltrieb entschieden und mitder Valvetronic eine Lösung entwickelt, dienicht auf schwefelfreien Kraftstoff ange-wiesen ist, die schärfsten Emissionsstan-dards auf allen Weltmärkten erfüllt undkurzfristig unter wirtschaftlichen Gesichts-punkten in die Großserie eingeführt wer-den kann. Dass neben diesen Prioritätenauch andere kundenrelevante Anforderun-gen – wie verbesserte Fahrleistungen undmehr Komfort – zu erfüllen waren, istselbstverständlich.

Die funktionalen Entwicklungsziele für dieneuen BMW Vierzylindermotoren mit Val-vetronic waren daher schnell definiert [1,2]: – eine mindestens zweistellige Ver-

brauchsverbesserung – Erfüllung der niedrigsten Emissions-

grenzwerte – Spitzenwerte für Drehmoment und

Leistung.

2 Neue methodische Ansätze

Mit dem neuen Vierzylindermotor vonBMW ist nicht nur eine neue Motorbaurei-he entstanden. Es ist auch eine grundle-gend neue Technologie in die Großserieeingeführt und zugleich die Basistechnolo-gie für eine vollkommen neue Motorenfa-milie geschaffen worden. Die Herausforde-rung bestand nun darin, einerseits den An-forderungen eines sehr anspruchsvollenProduktentstehungsprozesses zu genügenund andererseits einen Technologiesprungzu wagen.

Die Aufgaben aus dieser Herausforderunglauteten:– verkürzter Produktentstehungsprozess

von 30 Monaten– reduzierter Hardware-Aufwand– Aufbau einer Wissensbasis für die neue

Technologie der Valvetronic– Entwicklung neuer Funktionalitäten für

die Valvetronic– erhöhte Anforderungen an die Produkt-

qualität bei erhöhter Produktkomple-xität.

Die Anforderungen gehen zwar über dieAussagemöglichkeiten der virtuellen Pro-duktentwicklung hinaus, sie sind aberohne deren methodische Ansätze undWerkzeuge nicht lösbar. Der Schlüssel zumErfolg liegt in der konsequenten Anwen-

dung von CAx-gestützten Methoden im ge-samten Produktentstehungsprozess, Bild 1.Bereits zeitlich parallel oder teilweise ver-setzt zum Geometrieprozess erfolgte dieCAx-gestützte Auslegung und Analyse derGemischbildung und innermotorischenVorgänge. Mit 3D-Berechnungen lassensich Hardware-Varianten im physikali-schen Neuland erfolgreich reduzieren.

Mit der Erhöhung der Variabilitäten nimmtdie Anzahl der Parameter zur Optimierungdes Verbrennungsmotors ständig zu. Bei ei-ner rasterartigen Optimierung eines Motor-betriebspunkts ergeben sich bei der Valve-tronic allein über 2500 Messpunkte. DurchEinsatz eines rechnergestützten Optimie-rungsverfahrens auf Basis von NeuronalenNetzen war die Motorapplikation mit ver-tretbarem Aufwand möglich.

Der übliche Weg über Funktionserweite-rungen – basierend auf gegebenen Motor-steuerungskonzepten – führt bei einemTechnologiesprung mit veränderter Motor-physik nicht zum Ziel. Neue Laststeuerun-gen und Motorregelungsfunktionen kön-nen nur durch den konsequenten und früh-zeitigen Einsatz von modernen Reglerent-wurfsverfahren mit virtuellen Regel-strecken termingerecht entwickelt werden.

Selbst in der Welt der Fahrzeugapplikationist durch die Produktkomplexität jede In-formation über das Fahrzeugverhaltenwertvoll. Nur durch den Einsatz von CAx-basierten Auswertemethoden und teleme-trischen Applikationstools ist ein unter al-len Umständen gutes Applikationsergebniszu erreichen.

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Dipl.-Ing. JohannesLiebl ist Hauptabteilungs-leiter Funktionen Ottomotorim Bereich Antriebsentwick-lung der BMW Group.

Dr.-Ing. ManfredKlüting ist AbteilungsleiterFunktionen Valvetronic-Motoren im Bereich Antriebsentwicklung derBMW Group.

Dipl.-Ing. Stephan Missy ist Teamleiter Funktionen Valvetronic-Motoren im Bereich Antriebsentwicklung derBMW Group.

Dipl.-Ing. Jürgen Poggelist Teamleiter FunktionenValvetronic-Motoren im Bereich Antriebsentwicklungder BMW Group.

Die Verfasser

Bild 1: CAx-Methodeneinsatz im Produktentstehungsprozess

Figure 1: Use of CAx methods in the product creation process

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3 Thermodynamik

Verbrauchsverbesserung heißt: Erhöhungdes effektiven Wirkungsgrades ηe. Der ef-fektive Wirkungsgrad eines Verbrennungs-motors setzt sich aus dem Wirkungsgraddes theoretischen Vergleichsprozesses, desGütegrads von Hochdruck- und Ladungs-wechselphase und des mechanischen Wir-kungsgrads zusammen, Gl. (1).

ηe = ηth · ηg(LW,HP) · ηm Gl. (1)

Die ursächliche Motivation der „drosselfrei-en Laststeuerung“ ist es, den Gütegrad desLadungswechsels zu verbessern, das heißt:Die Ladungswechselverluste in einem wei-ten Betriebsbereich zu reduzieren. Dabeiwird mit der Valvetronic der konzeptionelleAnsatz verfolgt, direkt in die Prozess-führung des Ladungswechsels einzugreifenund durch die variable Ventilöffnungsdau-er und -steuerzeit die Ladungswechsel-schleife so zu beeinflussen, dass die La-dungswechselarbeit bis auf Strömungsver-luste minimiert wird. Ein naheliegendesVerfahren ist das „frühe Einlassschließen“.Bei diesem Verfahren bleibt beim Ansau-gen die Drosselklappe voll geöffnet – derDruck bleibt auf Umgebungsniveau – dieEinlassventile schließen während des Ein-lasshubs genau zu dem Zeitpunkt, wenndie gewünschte Gemischmasse im Brenn-raum ist.

Dass dies auch in den meisten Fällen ge-lingt, zeigt ein Vergleich der Ladungswech-selarbeit in einem Lastschnitt bei 2000/mineines Motors im Drossel-Modus und imValvetronic-Modus, Bild 2. Diese Vorteilenehmen naturgemäß zur Volllast hin kon-tinuierlich ab und sind dort letztendlichgleich null. Im kundenrelevanten Bereichkleiner Lasten kann die Ladungswechselar-beit um etwa 30 % gegenüber dem reinenDrosselmodus reduziert werden. Bei klein-sten Lasten ist eine sehr kurze Öffnungs-dauer notwendig, die nur durch eine über-proportionale Verkleinerung des Ventilhu-bes möglich ist. Dadurch wird der Ventilöff-nungsquerschnitt so verkleinert, dasszunächst wieder ein anscheinend schädli-cher Drosseleffekt auftritt.

Dieser Eingriff in die Prozessführung bleibtnatürlich nicht ohne Folgen. Zunächst kri-tisch zu betrachten waren die Auswirkun-gen auf den Gütegrad des Hochdruckpro-zesses, denn der für die Gemischbildunghilfreiche Unterdruck im Saugrohr entfällt.Außerdem ist dem Verdichtungsvorgangeine Expansionsphase mit Temperaturab-

senkung vorgeschaltet und die Polytropedes nachfolgenden Verdichtungsvorgangsbeginnt auf einem niedrigeren Tempera-turniveau.

Eine zentrale Aufgabenstellung entstanddaher in der Analyse der innermotorischenVorgänge. Die Verstellung des Ventilhubsund die damit verbundene Verkleinerungdes Ventilöffnungsquerschnitts führt zu ei-nem grundlegend anderen Strömungsver-halten am Ventil und somit zu einer völliganderen Ladungsbewegung. Durch denkleineren Öffnungsquerschnitt nimmt dieStrömungsgeschwindigkeit am Ventilspaltdeutlich zu und führt zu einer gleichmäßi-gen Umströmung des ganzen Ventilbe-reichs, Bild 3. Dieser Effekt kommt dem Ge-mischbildungsprozess in mehrfacher Hin-sicht zugute.

Eine einfache Analyse am optischen Motornach dem Prinzip der Mie-Streuung zeigtzunächst einen fein verteilten Gemischne-bel bei der Einströmung mit 1 mm Ventil-hub. Demgegenüber ist der Gemischzu-stand bei voll geöffnetem Ventil und sonstgleichen Bedingungen erheblich inhomo-gener. Durch die rechnerische Analyse derGemischbildungsvorgänge am Ventilspaltlassen sich die Vorgänge physikalisch mo-dellhaft beschreiben, Bild 4.

Die Gemischverteilung im Brennraum wirddurch das gleichmäßige Umströmen erheb-lich besser und durch die Scherspannungenim Ventilspalt bei hohen Einströmge-schwindigkeiten nimmt die Tröpfchen-größe ab. Der Vertrauensbereich der rech-nerischen Analyse konnte durch LIF-Auf-nahmen erhöht werden. Infolge dieser phy-

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Bild 2: Ladungswechselarbeit

Figure 2: Pumping work

Bild 3: Einströmvorgang am Ventilspalt

Figure 3: Inlet process at the valve gap

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sikalisch veränderten Gemischbildungsbe-dingungen kann die traditionelle Applika-tion der Einspritzung optimiert werden,Bild 5.

Während beim drosselgesteuerten Motoroptimale HC-Emissionen im stationärenBetrieb durch eine vorgelagerte Einsprit-zung, im instationären Betrieb durch einesaugsynchrone Einspritzung erzielt wer-den, führt bei reduzierten Ventilhüben einesaugsynchrone Einspritzung immer zu op-timalen HC-Emissionen. Dieser Gemischbil-dungsprozess ist so robust, dass selbst beiniedrigsten Temperaturen ein Kaltstart mitder Hälfte der Kraftstoffmenge eines dros-selgesteuerten Motors gelingt.

Die Ladungsbewegung im Brennraumhängt in starkem Maße von den Einström-bedingungen der Ladung in den Brenn-raum ab. Die veränderten Verhältnisse amVentil führen auch hier zu grundlegend an-deren Verhältnissen. Das gleichmäßigeUmströmen des Ventils führt zu symmetri-schen, gegenläufigen Anfahrwirbeln anden Einlassventilen. Diese symmetrischenStartbedingungen verhindern zunächst dienormalerweise gewünschte globale La-dungsbewegung, Bild 6, die bei konventio-nellen Laststeuerungen einerseits benötigtwird zur Gemischverteilung und anderer-seits zur Speicherung von Strömungsener-gie dient, um zum Zündzeitpunkt ausrei-chende Turbulenz zu generieren. Der Me-

chanismus am reduzierten Ventilspaltführt jedoch, wie vorher beschrieben, zu ei-nem sehr homogenen Gemischzustandund er erzeugt auch ein sehr hohes Turbu-lenzniveau, das bis zum Zündzeitpunkt aufeinem wünschenswert hohen Niveau er-halten bleibt. Dass diese neuen Verhältnis-se dem Verbrennungsprozess sehr dienlichsind, zeigt eine vergleichende tomografi-sche Analyse der Flammenausbreitung,Bild 7. Die offensichtlich optimalen Bedin-gungen für die Zylinderladung führen zueiner sehr schnellen und gleichmäßigenFlammenausbreitung, die den Brennraumvollständig erfasst. Der konventionelleDrosselmodus hingegen führt zu der be-kannten asymmetrischen Flammenaus-breitung mit verzögertem Ausbrand aufder Einlassseite, die im Wesentlichen durchdie globale Ladungsbewegung und dieTemperaturverhältnisse im Brennraum ge-prägt ist.

Die anfänglichen Befürchtungen, dass derEingriff in eine seit 100 Jahren bewährteProzessführung mehr Nachteile als Vorteilemit sich bringt, hat sich nicht bestätigt. Diethermodynamische Analyse des Verbren-nungsdrucks bestätigt, dass auch im Hoch-druckprozess deutliche Verbesserungendurch eine schnellere Energieumsetzungund einen vollständigen Ausbrand erzieltwerden kann. Selbst die scheinbar schädli-che Drosselung im Bereich kleinster Lastendurch den sehr kleinen Ventilöffnungs-querschnitt wird durch die Verbesserungdes Hochdruckprozesses weit überkompen-siert und führt zu einer etwa 25 %igen Ver-brauchsverbesserung im Leerlauf. Die neugewonnenen Mechanismen am Ventilspalttragen wesentlich zum robusten Betriebs-verhalten der Valvetronic bei.

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Bild 4: Gemischbildung am Ventilspalt (Rechnung und Messung)

Figure 4: Mixture formation at the valve gap (calculation and measurement)

Bild 5: HC-Emissionenin Abhängigkeit desEinspritzzeitpunkts

Figure 5: HC emissionsdependent on theinjection time

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4 Emissionskonzept

Die Erfüllung der zukünftigen EU4-Normist eine selbstverständliche Forderung fürein innovatives Motorkonzept. Zur Roh-emissionsreduzierung trägt der schon an-gesprochene sehr gute Gemischbildungs-prozess bei, sowie ein hoher Freiheitsgradder Restgassteuerung durch das Auslass-VANOS und ein optimierter Brennraum mitkleinen Spaltvolumina. Einen wesentlichenBeitrag dazu liefert ein Kolben mit gephas-tem Feuerstegbereich, der bei 4,5 mm Ge-samthöhe eine effektive Feuersteghöhevon 3 mm besitzt. Zusätzlich lag ein we-sentlicher Anspruch darin, die den La-dungswechsel wesentlich mitbestimmen-de Abgasdynamik positiv zu gestalten.

Zu den konzeptionellen Vorteilen der Val-vetronic-Motoren gehört zunächst die Mög-lichkeit, auf eine hochentwickelte λ=1-Technologie aufbauen zu können. Mit ei-nem Katalysatorkonzept bestehend auszwei motornahen Vorkatalysatoren und ei-nem am Unterboden positionierten Haupt-katalysator können die Zielsetzungen best-möglich erfüllt werden, Bild 8. Die beidenMetallvorkatalysatoren sorgen für den not-wendigen, frühen Konvertierungsbeginnnach Motorstart und ermöglichen eine lan-ge getrennte Abgasrohrführung der beidenZylindergruppen, die den Drehmomentver-lauf positiv prägt.

Eine optimale Funktionsweise des Abgas-nachbehandlungssystems kann durch einestetige λ-Regelung unterstützt werden.

Vorteile dieser Regelung sind unter ande-rem die Schnelligkeit der Regelung und dieMöglichkeit von λ=1,0 abweichende Be-triebsbereiche geregelt einstellen zu kön-nen. Genutzt wird diese Möglichkeit etwazum Bauteilschutz und an der Volllast. Beider gewählten Katalysatoranordnung mitzwei kleinen Vorkatalysatoren versagt dieübliche „Stereoregelung“. Durch eineasymmetrische Sondenanordnung mit jeeiner stetigen Regelsonde vor den Vorkats,mit einer Sprungsonde als Monitorsondehinter dem Vorkat der ersten Zylinder-gruppe und einer weiteren Sprungsondeals Monitorsonde hinter dem Hauptkatkann jede Zylindergruppe präzise auf λ=1geregelt werden und es können alle Dia-gnoseanforderungen zuverlässig erfülltwerden.

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Bild 7:Analyse derFlammenausbreitung

Figure 7:Analysis of theflame distribution

Bild 6: Ladungsbewe-gung im Brennraum

Figure 6: Charge move-ment in the combus-tion chamber

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5 Fahrzeugapplikation

Bei der Einführung einer grundlegend neu-en Technologie kann man nicht auf beste-hende Steuerungskonzepte und bestehen-de Erfahrungen in der Applikation zurück-greifen. Die fehlende Wissensbasis in derveränderten Motorphysik und ein erstmalssehr komplexes mechatronisches Systemim Motorenbau erfordern in weiten Berei-

chen gänzlich neue Ansätze. Insbesonderedie mehrparametrige Laststeuerung erfor-derte neue Regelalgorithmen und eineneue leistungsfähigere Motorsteuerung [4].

Zu den wesentlichen Errungenschaftenzählt daher ein Entwicklungskonzept, beidem die Valvetronic-Funktionalität direktim Applikationsumfeld entwickelt und imHaus in die Motorsteuerung integriert wur-de. Die technologische Herausforderung

und die neuen Entwicklungsabläufe warenaber auch die Basis für neue innovativeFunktionskonzepte, so dass modellbasierteFunktionsalgorithmen und erstmals Neu-ronale Netze die Funktionskomplexität inder Motorsteuerung in Grenzen halten.

Durch diesen Integrationsschritt konntedie Effizienz in der Entwicklung und dieQualität in der Funktionalität entscheidendverbessert werden.

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Bild 8:AbgasanlageValvetronic-Motor

Figure 8:Valvetronic engine exhaust system

Bild 9: Messdatenerfassung im Feld

Figure 9: Measurement data collection in the field

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Eine derartige Fülle von Neuerungen unddie enorme Steigerung der Komplexität inSoftware und Hardware birgt natürlichauch ein erhöhtes Risiko an Fehlermöglich-keiten. Eine ausreichende Datenmengeüber das Systemverhalten unter den ver-schiedensten Betriebsbedingungen kanndurch sequentielle Erprobungsabläufenicht bereitgestellt werden.

Aus diesem Grund wurde ein Entwick-lungsDaten-Rückführsystem (EDR-System)entwickelt und in Erprobungsfahrzeugender verschiedenen Entwicklungsbereichean verschieden Standorten auf dem Globuseingesetzt, Bild 9. Die so gewonnenen Da-ten werden automatisch per GSM-Netz ineine Datenbank übertragen und dort fürweitere Auswertungen entsprechend auf-bereitet.

6 Volllast

Das Volllastverhalten nimmt bei BMW tra-ditionell eine zentrale Stellung ein. Einekonsequente Ladungswechselauslegung,eine sorgfältig abgestimmte Saug- und Ab-gasanlage garantieren sowohl spezifischeSpitzenwerte als auch einen fülligenDrehmomentverlauf.

Die neuen BMW Vierzylindermotoren mitValvetronic werden mit 1,8-Liter und 2,0-Li-ter Hubraum angeboten. Obwohl der Hub-raum der Einstiegsvariante um 100 cm3

verringert wurde, steigt das Drehmomentvon 165 Nm auf 175 Nm und die Leistungvon 77 kW auf 85 kW, Bild 10. Bei der 2,0-Li-ter Variante ist der Hubraum um 5 % er-höht worden, das Drehmoment konnte je-doch um 11 % von 180 Nm auf 200 Nm unddie Leistung um 20 % von 87 KW auf 105 kWangehoben werden, Bild 11. Im Wettbe-werbsumfeld der Zweiliter-Motoren mar-kiert der neue Vierzylinder mit 100 Nm/Li-ter und 52,5 kW/Liter Spitzenwerte fürGroßserienmotoren, Bild 12.

Für den subjektiven Fahrleistungseindruckist die Gestaltung der Drehmomentkurvevon besonderer Bedeutung. Ein ansteigen-der Drehmomentverlauf beginnend auf ei-nem hohen Anfangsniveau von über 90 %bei 2000/min, einem Drehmomentmaxi-mum bei 3750/min und eine Maximalleis-tung, die in einem weiten Drehzahlbereichnahezu konstant gehalten wird, vermittelnein dynamisches Verhalten.

Darüber hinaus besitzt die Valvetronic ei-nen konzeptionellen Vorteil, der sonst nurbei Hochleistungsmotoren mit Einzeldros-

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Bild 10:Volllastdaten 1,8 l Valvetronic im Vergleich zum 1,9l Vorgänger mit 77kW

Figure 10: Full load data 1.8 l Valvetronic compared to its 1.9 l predecessor with 77 kW

Bild 11:Volllastdaten 2,0 l Valvetronic im Vergleich zum 1,9l Vorgänger mit 87 kW

Figure 11: Full load data 2.0 l Valvetronic compared to its 1.9 l predecessor with 87 kW

Bild 12: 2,0 l Valvetronic im Wettbewerbsumfeld

Figure 12: 2.0 l Valvetronic against its rivals

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selklappe zu finden ist: Sie bietet ein sehrspontanes Ansprechverhalten, da der Be-füll- und Entleervorgang des Sammlers beioffener Drosselklappe entfällt, Bild 13. Aberauch die objektiven Fahrleistungen könnensich sehen lassen: Im neuen 3er Compact316ti werden die Fahrleistungen des Vor-gängers in allen Disziplinen deutlich über-troffen, Bild 14.

7 Verbrauch

Verbrauchsverbesserung war eine der do-minierenden Zielvorgaben im Lastenheftder neuen Vierzylindermotoren. In einemrepräsentativen Teillastbetriebspunkt bei2000/min und 0,2 kJ/dm3 werden mit derValvetronic spezifische Verbräuche er-reicht, die der Forderung nach einer signifi-kanten, sprunghaften Verbesserung ge-recht werden, Bild 15.

Mit 348 g/kWh für den Zweiliter-Motor undmit 362 g/kWh für den 1,8-Liter Motor wer-den im λ=1-Betrieb Verbrauchsverbesserun-gen von 11 % beziehungsweise 9 % erreicht.Diese Verbrauchsvorteile in der Teillast neh-men naturgemäß zur Volllast hin ab. Siewerden aber nicht durch eine kompromiss-behaftete Auslegung an der Volllast erkauft,sondern auch hier zeigt sich der neue Vierzy-lindermotor mit einer moderaten Verdich-tungsauslegung mit ε=10 von seiner bestenSeite. Mit einem spezifischen Verbrauch imBestpunkt von 238 g/kWh dokumentiert erdie Robustheit dieses Konzepts.

Der Entfall der Drosselung und der ver-gleichsweise gute Hochdruckwirkungsgradmachen sich bei niedrigen Lasten, für diedie Drosselklappe sonst fast vollständig ge-schlossen wäre, besonders deutlich be-merkbar. So liegt die Verbrauchsverbesse-rung im Leerlauf-Betriebspunkt bei etwa25 %. Die erzielbaren Verbrauchsvorteile imMotorkennfeld sind in Bild 16 dargestellt.

Im gewichteten Mittel ergibt sich im eu-ropäischen Verbrauchstestzyklus ein Ver-brauchsvorteil von 12 %. Eine sehr anschau-liche Erklärung für die hohen Verbrauchs-vorteile ist die Darstellung des Einlassven-tilhubs im europäischen Testzyklus, Bild 17.Der Einlassventilhub ist eine Stellgröße derValvetronic und kann stellvertretend fürderen Funktionsweise interpretiert wer-den. Im überwiegenden Teil des Testzyklus-ses wird mit Ventilhüben von weniger als1,5 mm gefahren, lediglich im außerstädti-schen Anteil werden kurzfristig Ventilhübevon bis zu 4 mm eingestellt.

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Bild 13:Ansprechverhalten mit Valvetronic

Figure 13: Response with Valvetronic

Bild 14: Fahrleistungen 316ti compact

Figure 14: Performance of the 316ti compact

Bild 15:Teillastverbrauch (2000/min, we-0,2 kJ/dm3)

Figure 15: Part load fuel consumption (2000 rpm, we-0.2 kJ/dm3)

Im neuen 3er Compact, dem 316ti, wird mitdem neuen 1,8 Liter Vierzylindermotor mitValvetronic ein Verbrauch von 6,9 l/100 kmerreicht. Damit liegt der neue Compact imVerbrauch um 0,9 Liter unter seinem Vor-gänger, Bild 18. Im Wettbewerbsumfeldvergleichbarer Fahrzeuge markiert er da-mit eine Spitzenstellung, die auch durch ak-tuelle Fahrzeuge mit Benzindirekteinsprit-zung nicht unterboten wird.

Entscheidend für den Kunden ist aber, obdiese Verbrauchsverbesserung auch imtäglichen Leben erfahrbar ist und welcheBandbreite im Verbrauchsverhalten zu er-warten ist. Im unteren Praxisverbrauch [3],der einer verbrauchsorientierten Fahrweiseentspricht, können die offiziellen Ver-brauchsangaben noch deutlich unterbotenwerden, Bild 19. Auch hier werden Best-werte mit der Valvetronic markiert.

Dass dieser Verbrauch nicht das Ergebniseines einseitigen Optimierungsprozessesmit Nachteilen in anderen Bereichen ist,zeigt der obere Praxisverbrauch, der einersehr sportlichen Fahrweise mit häufigenVolllastanteilen entspricht. Auch hier zeigtsich das kompromisslose Verhalten der Val-vetronic, das zur Zeit von keinem anderemKonzept erreicht wird.

Generell wird die Bandbreite der vom Kun-den beeinflussbaren Praxisverbräuche er-höht. Auf der einen Seite sind bei Ausnut-zung der vollen Motorleistung keine Ver-brauchsvorteile gegenüber konventionel-len Motoren zu erzielen, auf der anderenSeite wird aber im normalen Fahrbetriebder Verbrauch durch die drosselfreie Last-steuerung in dem aufgezeigten Maße abge-senkt.

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Bild 16:Verbrauchverbesserungen zum Vorgänger im Kennfeld

Figure 16: Improvements in consumption compared to the predecessor in the engine map

Bild 17:Ventilhub im europäischen Fahrzyklus

Figure 17: Valve stroke in the European drive cycle

Bild 18:Verbrauch316ti compact imeuropäischen Fahr-zyklus

Figure 18: Consump-tion of the 316ti com-pact in the Europeandrive cycle

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8 Schlussbemerkung

Neben den bemerkenswerten Verbrauchs-reduzierungen bietet die BMW Valvetronicnoch weitere kundenrelevante Vorteilewie:– Eine ungewöhnliche Spontanität– Ein sehr robustes Betriebsverhalten– Eine hohe Laufruhe – Exzellente Kaltstarteigenschaften.

Damit ist es BMW gelungen, unabhängigvon Einschränkungen beim Kraftstoff, einkompromissloses Motorkonzept zu ent-wickeln, das derzeit weltweit das Span-nungsfeld Verbrauch, Abgasemissionenund Fahrleistungen am besten auflöst.

Literaturhinweise

[1] Flierl, R.; Hofmann, R.; Landerl, Ch.; Melcher, T.;Steyer, H.: Der neue BMW Vierzylindermotormit Valvetronic; MTZ 62 (2001) Heft 6

[2] Klüting, M.; Flierl, R.; Grudno, A.; Luttermann,Ch.: Drosselfreie Laststeuerung mit vollvaria-blen Ventiltrieben; MTZ 60 (1999) Heft 7/8

[3] Schmidt, G.; Liebl, J.: Senkung der PKW CO2-Emission – Wirksame Maßnahmen für alle Be-triebsbedingungen; MTZ 62 (2001) Heft 6

[4] Liebl, J.; Munk, F.; Hohenner, H.; Ludwig, B.: DieSteuerung der neuen BMW Valvetronic-Moto-ren; MTZ 62 (2001) Heft 7/8

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Bild 19: Praxisverbrauch 316ti compact

Figure 19: Practical consumption of the 316ti compact

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