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Oktober 2006 Der Prüf ingenieur Prüf Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084 29 Seite 4 Lokal handeln – global denken Seite 21 Winderregte Hängerschwingungen an Stabbogenbrücken Seite 36 Synchronisierte Schritte auf der Londoner Millenniumbrücke Seite 42 Vom Explosionsszenario zur Bemessungslast Seite 53 DIN 1055, Teil 9 – Außergewöhnliche Einwirkungen und probabilistische Verfahren Seite 64 Die neue DIN 1055, Teil 5 – Schnee- und Eislasten

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Oktober 2006

DerPrüfingenieurPrüf

Zeitschrift der Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik

ISSN 1430-9084

29Seite 4

Lokal handeln – global denken

Seite 21Winderregte Hängerschwingungen an Stabbogenbrücken

Seite 36Synchronisierte Schritte auf der Londoner Millenniumbrücke

Seite 42Vom Explosionsszenario zur Bemessungslast

Seite 53DIN 1055, Teil 9 – Außergewöhnliche Einwirkungen und

probabilistische Verfahren

Seite 64Die neue DIN 1055, Teil 5 – Schnee- und Eislasten

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INHALT

3Der Prüfingenieur Oktober 2006

EDITORIALDr.-Ing. Hans-Peter Andrä:

Lokal handeln – global denken 4

NACHRICHTENArbeitstagung 2006 in Berlin: Prüfingenieure lehnen eine weitere

Deregulierung im Bauwesen strikt ab 6Bundesvereinigung mit neuem Vorstand 8

Die Geschäftsstelle zieht nach Berlin 9Die ARGEBAU empfiehlt den Ländern die Einführung der DIN 1055 zum 1. Januar 2007 10

Gerhard Feld † 11NRW: 15. Bautechnisches Seminar am 25. Oktober 11

Die Bundesvereinigung koordiniert jetzt die Zusammenarbeit der europäischen Verbände 12OFD-Verfügung zu den Rechnungen der Prüfingenieure 12

Die Hälfte aller untersuchten Gebäude hatte starke Mängel 13Der BÜV schließt die Überarbeitung seiner Empfehlungen für

tragende Kunststoffbauteile ab 13Arbeitskreis Katastrophenschutz strebt eine Zertifizierung seiner Mitglieder an 14

BVPI will die EC-2-Einführung mit eigenen Erfahrungen beeinflussen 15Lehrgang für Sachkundige Planer 15

Ursachen und Folgen des Einsturzes der Dachkonstruktion derEissporthalle in Bad Reichenhall 16

BAUDYNAMIKDr.-Ing. habil. K.G. Schütz/Dipl.-Ing. R. Ehmann/Dipl.-Ing. M. Gitterle:

Winderregte Hängerschwingungen an Stabbogenbrücken 21

Prof. Dr. Bruno Eckhardt:Synchronisierte Schritte auf der Londoner Millenniumbrücke 36

TRAGWERKSPLANUNGProf. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken/Dipl.-Ing. Torsten Döge:

Vom Explosionsszenario zur Bemessungslast 42

EINWIRKUNGENLtd. Baudirektor Dipl.-Ing. Claus Kunz:

DIN 1055, Teil 9 – Außergewöhnliche Einwirkungen undprobabilistische Verfahren 53

Dr.-Ing. Günter Timm:Die neue DIN 1055, Teil 5 – Schnee- und Eislasten 64

IMPRESSUM 73

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4Der Prüfingenieur Oktober 2006

EDITORIAL

Die hoheitliche, präventive bau-technische Prüfung durch unabhängi-ge, selbstständige Prüfingenieure oderSachverständige mit gleichen Aner-kennungsvoraussetzungen hat sich inDeutschland im Hinblick auf erfolgrei-che Gefahrenabwehr bewährt. Sieweist darüber hinaus durch die damitverbundene Qualitätssicherung sowohlin privatwirtschaftlicher als auch involkswirtschaftlicher Hinsicht eine po-sitive Bilanz auf. Nutznießer sind dieBauherren, insbesondere auch bei klei-nen Bauvorhaben, die durch den unab-hängigen fachlichen Rat vor schwer-wiegenden wirtschaftlichen Konse-quenzen aus Fehlern oder Schäden be-wahrt werden.

Es ist aber notwendig, sich auf dem Fundamentdes Bewährten den Herausforderungen unserer Zeit zustellen und die Institution unseres Prüfingenieurs für dieZukunft weiter zu entwickeln.

Herausforderungen bestehen im zunehmendenVerlust staatlichen Ordnungswillens durch Privatisierungbei gleichzeitiger Deregulierung. Der Prüfingenieurselbst ist ja ein Klassiker erfolgreicher, weil geregelterPrivatisierung. Deregulierung von Anforderungen undArbeitsbedingungen führt zu Missständen mit schwer-wiegenden Folgen.

Herausforderungen bestehen auch in den Ver-führungen eines ungeregelten freien europäischen Bau-marktes. Beim Planen und Bauen werden ja im Unter-schied zum Handel mit vorhandener, reproduzierbarerRegalware die entsprechenden Dienstleistungen, Produk-te oder baulichen Anlagen erst nach dem Kaufvertrag er-zeugt. Im Preiswettbewerb lässt sich daher deren Qualitätin der praktischen Umsetzung im Zweifelsfall weder ein-fordern noch sicherstellen. Die Erfahrung der vergange-nen 20 Jahre zeigt, dass das Wettbewerbsprinzip über denMarkpreis alleine in allen Bereichen der Bauwirtschaftgescheitert ist. Verfechter neoliberaler Ideologien hinge-gen verweigern sich dieser Wahrnehmung von Realität.

Verführerisch sind auch werbeoffensive Prüforga-nisationen, die einem fachlich nicht kompetenten Bau-herren oder Betreiber durch Panikmache und durch Vor-täuschen von Kompetenz marktschreierisch Prüfplaket-ten zum Billigpreis anbieten. Im Nachgang zum Un-glück von Bad Reichenhall hat es hier beschämendeBeispiele gegeben, und die Dummen werden offensicht-lich nicht alle.

Die Strategie der Vorstandsarbeit der Bundesver-einigung der Prüfingenieure besteht in einer realistischenBestandsaufnahme dieser marktpolitischen, wirtschafts-

politischen und gesellschaftlichen Strö-mungen, um aus deren Analyse die Fort-entwicklung unseres Berufsstands im In-nen- und Außenverhältnis zu entwickeln.

Fortentwicklung bedeutet bei-spielsweise die Erarbeitung einer zeit-gemäßen Prüfmethodik nach denGrundsätzen der Risikoanalyse und derBerücksichtigung von Gefährdungsklas-sen bei einer engen Verzahnung vonMaßnahmen für die Sicherstellung vonStandsicherheit und Brandschutz.

Fortentwicklung bedeutet dieländerübergreifende Erarbeitung einesLeitfadens oder Pflichtenheftes für diebautechnische Prüfung, der zu gegebenerZeit auch als Grundlage für eine eu-

ropäische Zertifizierung dienen kann.

Fortentwicklung bedeutet aktive, professionel-le Mitwirkung bei der Normung und Vorschläge fürhandhabbare Lösungen bei der Anwendung von Euroco-des, Vorschläge für Arbeitsunterlagen, die im DIN, imDIBt und in der ARGEBAU verabschiedet werden, wiedies beispielsweise in der Sonderkommission der ARGE-BAU für wiederkehrende Prüfung und Überwachung imAnschluß an das Unglück in Bad Reichenhall geschehenist.

Fortentwicklung bedeutet Schulterschluß mitKammern und Ingenieurverbänden, mit anderen Berufs-verbänden gleicher Interessenslage und mit derBauindustrie.

Fortentwicklung bedeutet die Bereitstellungbautechnischen Sachverstandes für politische Entschei-dungsträger beim Umgang mit unserer gebauten Umwelt.

Fortentwicklung bedeutet aktive Mitarbeit ineuropäischen Gremien, wie z.B. im European Consorti-um of Building Control, wo wir insbesondere bei denVertretern der neuen Mitgliedsstaaten der EU Verbündetefinden (siehe Seite 12).

Fortentwicklung bedeutet die Darstellung un-seres Berufes im europäischen Ausland. Aus diesemGrunde soll die nächste Jahrestagung der BVPI unmittel-bar mit dem IABSE Symposium in Weimar verknüpftwerden, das unter dem Titel steht: „Improving Infrastruc-ture Worldwide, bringing people closer“. Dort wird einganzer Themenblock über „Check Engineering and Mo-nitoring, International Review on Quality Control Sy-stems“ stattfinden.

Fortentwicklung bedeutet, in der Außendarstel-lung ein positives Profil zu gewinnen, z.B. als Prüfinge-

Dr.-Ing. Hans-Peter AndräPräsident der Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik

(BVPI)

Lokal handeln – global denken

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5Der Prüfingenieur Oktober 2006

EDITORIAL

nieur „dein Freund und Helfer“, der über die bauaufsicht-lichen Aufgaben hinaus in fachlich und sozial kompeten-ter und unabhängiger Weise Probleme löst.

Fortentwicklung bedeutet, die Dienste der Be-wertungs- und Verrechnungsstellen in allen Bundeslän-dern und für alle Prüfaufgaben, z.B. auch für Ingenieur-bauten im Strassen- Eisenbahn- und Wasserbau anzu-bieten um so Behörden von Verwaltungsaufgaben zuentlasten, damit sie ihrer eigentlichen Leitungsaufgabenmit gebündelter fachlicher Kompetenz gerecht werdenkönnen.

Zur Bewältigung dieses hier nur ausschnittsweisezitierten Themenkataloges hat sich der neu gewählte Vor-stand der Bundesvereinigung ressortbezogen aufgestellt(siehe Seiten 6/8). Präsident und Vizepräsident werdendie Vertretungs- und Sprecherfunktion sowie die Berei-che Grundsatzfragen, Verbände und Europa übernehmenund für die Geschäftsstelle zuständig sein.

Darüber hinaus wurden Vorstandsmitglieder fürdie Ressorts „Bautechnik und Baurecht“, „Öffentlich-keitsarbeit und Fortbildung“, „BÜV/EBA und Ingeni-eurbauten“ sowie „BVS, Finanzen und Gebühren“ ge-wählt. Mit dieser Arbeitsteilung kann die ehrenamtli-

che Vorstandsarbeit kollegial und effektiv bewältigtwerden.

Die Vorsitzenden der Landesvereinigungen sindin diese Vorstandsarbeit integriert und beraten und un-terstützen sich darüber hinaus gegenseitig im erweiter-ten Vorstand bei allen sich aus den laufenden Novellie-rungen der 16 Landesbauordnungen ergebenden Pro-blemstellungen.

Der Sitz der Geschäftsstelle wird zum 2.1.2007nach Berlin verlegt, um in der gemeinsamen Arbeit derin Berlin vertretenen Berufsverbände eine aktive Rollespielen zu können.

Die Bundesvereinigung der Prüfingenieure siehtsich der Bauwirtschaft gegenüber insgesamt verpflichtetund übernimmt gesellschaftspolitische Verantwortung.

Sie vertraut auf die aktive Mitarbeit, das gleichge-richtete Handeln und ein solidarisches und vorbildlichesVerhalten aller Mitglieder.

Die Folgen aus dem europäischen Einigungspro-zess und aus der Globalisierung sind Anregung undChance für die Fortentwicklung unseres Berufsstandes.

Nehmen wir sie wahr!

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NACHRICHTEN

6Der Prüfingenieur Oktober 2006

Bundesvereinigung wählt einen neuen Vorstand/Andrä als Präsident bestätigt

Prüfingenieure lehnen eine weitere Deregulierung im Bauwesen strikt abMinisterialdirektor Halstenberg fordert dieIngenieure zu besserer Selbstdarstellung auf

Mit einem neu gewählten Vorstand und einer novellierten Sat-zung will die Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik(BVPI) neue berufspolitische Wege einschlagen. Auf ihrer diesjähri-gen Arbeitstagung vom 24. bis 26. September in Berlin hat sie einerweiteren Deregulierung im Bauwesen noch einmal eine scharfe Ab-sage erteilt und sich dafür ausgesprochen, „gefährdete Bauten“ ei-ner regelmäßigen statischen Kontrolle zu unterziehen. Gleichzeitighat ihr wiedergewählter Präsident, Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, „alleunseriösen Akquisitionspraktiken“, wie sie beispielsweise der TÜVin dieser Sache betreibe, „im Interesse unserer Mitglieder“ abge-lehnt.

Andrä hatte einen bis aufden letzten Platz besetzen Saal vorsich, als er im Pro Arte MaritimHotel in Berlin den öffentlichenTeil der Arbeitstagung eröffneteund dabei das Bestreben des Staa-tes verurteilte, sich durch Deregu-lierung und Privatisierung seineroriginären Verantwortung zu ent-ledigen. Andrä räumte mit demIrrglauben auf, Deregulierung nüt-ze den Schwachen, also demMann auf der Straße oder dem

Häuslebauer um die Ecke; viel-mehr seien die Starken die Nutz-nießer der Deregulierung und derPrivatisierung.

Sie, so sagte Andrä, ErhardEppler aufnehmend, öffneten sichmit der Macht ihres Geldes jedeTür, wenn es „durch gesetztes unddurchgesetztes Recht keine ord-nenden und nur dem Gemeinwohlverpflichteten Regelungen für dieBeziehungen zwischen den Men-

schen gibt“. Ihr Einfluss auf unse-re bauliche und städtebaulicheEntwicklung sei heute schon nichtmehr zu übersehen, und sie seienes auch, fuhr Andrä fort, die, wenndie Deregulierung weiter zu-nimmt, „in blindem Eigeninteressezwangsläufig die Qualität unserergebauten Umwelt krebsgeschwür-artig strangulieren werden“.

Deutlich ging Andrä auchauf kritische Stimmen aus den ei-genen Reihen ein, die im Zusam-menhang mit dem Unfall in BadReichenhall bemängelt hätten,dass sich die Bundesvereinigungder Prüfingenieure nicht ausrei-chend an der vordergründigen öf-fentlichen Panikmache des TÜVbeteiligt habe und beteilige, umentsprechende Überwachungsauf-träge, Stichwort 1000 Euro proHalle, für die Mitglieder der Lan-desvereinigungen zu akquirieren.

Hierzu stellte Andrä fest,dass sich die Bundesvereinigungsehr wohl für eine angemesseneBauwerksüberwachung einsetzeund auch in den Gremien der Bau-ministerkonferenz mitarbeite. DieEmpfehlungen der ARGEBAU,die in diesem Herbst verabschiedetwerden, seien, so Andrä wörtlich,„auf der Grundlage eines von unserarbeiteten Papieres entstanden,und wir finden damit auch Aner-kennung und Respekt bei vielenkommunalen Trägern von Ver-sammlungsstätten“.

Eine Lanze brach Andrä –wie er es auch schon im vergange-nen Jahr getan hat – für den „vielgescholtenen öffentlichen Dienstund das Beamtentum“. Dort seienGemeinwohlverpflichtung sowie

Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, neuer und alter Präsident der Bundesvereinigung derPrüfingenieure für Bautechnik (BVPI), begrüßt die zahlreichen Teilnehmer der dies-jährigen Arbeitstagung seines Verbandes

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7Der Prüfingenieur Oktober 2006

NACHRICHTEN

fachliche und wirtschaftliche per-sonale Unabhängigkeit noch nichtvergessen, sondern gang und gäbe.Deshalb gebe es auch weltweitkeine Bauverwaltung, die „hin-sichtlich ihrer Effektivität, ihrestechnischen Know-hows, ihrer Un-abhängigkeit, ihrer fachlichenQualifikation und ihrer volkswirt-schaftlichen Effizienz der deut-schen Bauverwaltung vergleichbarwäre“.

Diese Qualität liege abernicht in totem Papier oder aufelektronischen Datenträgern be-graben, sondern sie „lebt in denPersonen, die sie tragen“. Dabeidachte Andrä, wie er sagte, „natür-lich auch an unsere Prüfingenieu-re“, aber doch „in erster Linie andie Beamten und Angestellten inunseren Baurechtsbehörden undBauämtern, die wie sonst nirgendsauf der Welt qualifiziert sind“.

Und wörtlich fuhr Andräfort: „Die Pflege und Bewahrungunabhängiger fachlicher Kompe-tenz in unseren Behörden ist eineganz wesentliche Rahmenbedin-gung für eine erfolgreiche wirt-schaftliche Entwicklung der Bau-wirtschaft in der sozialen Markt-wirtschaft. Sie darf nicht einer Pri-vatisierungs- und Deregulierungs-Zwangsneurose geopfert werden.Die Unvernunft kurzfristiger kauf-männischer Betrachtungsweisenzeigt sich auch am Mangel derPflege und Unterhaltung, des Be-stands an gebauter Umwelt. BadReichenhall lehrt uns, dass esnicht neue Gesetze sind, deren wirbedürfen, schließlich steht die For-derung nach angemessener Bau-werksunterhaltung in jeder Bau-ordnung. Aber wir brauchen dazueben fachkundige Personen, diesich im Zweifel auch gegen denKaufmann durchsetzen können.“

Neben viel politischer Pro-minenz – beispielsweise der Berli-ner Senatorin für Stadtentwick-lung, Ingeborg Junge-Reyer – wa-ren auch zahlreiche Vertreter derBauverwaltungen des Bundes und

der Länder zu dieser Arbeitsta-gung gekommen, die solche Sätzesicher gerne hörten, unter ihnenauch der Chef der Abteilung Bau-wesen, Bauwirtschaft und Bundes-bauten im Bundesministerium fürVerkehr, Bau und Stadtentwick-lung, Ministerialdirektor MichaelHalstenberg.

Er hat den deutschen Bauin-genieuren dringend empfohlen, ihrprofessionelles Licht nicht weiterso eklatant unter den Scheffel zustellen, sondern wirksame Marke-tingstrategien zu entwickeln, mitdenen sie der Politik und der Öf-fentlichkeit gegenüber überzeu-gend dartun sollten, welche Rolleim volkswirtschaftlichen und bau-ordnungsrechtlichen Kontext siewirklich spielen.

Geradezu zornig könne erwerden, sagte Halstenberg, Zornin der Stimme und auf seiner Mie-ne, wenn er im Verlauf seiner ad-ministrativen und politischen Ge-schäfte immer wieder mitSchrecken erleben müsse, wie

schlecht sich seine Kollegen, dieIngenieure des Bauwesens, ineben diesem politischen Geschäftverkauften und wie weit unterihrem Wert sie politisch behandeltund im öffentlichen Ansehen ge-handelt würden.

Halstenbergs deutlicher Ratwar der Schluss- und gleichzeitigeHöhepunkt eines neuen Elementsim Ablauf der Arbeitstagungen derBVPI, einer Podiumsdiskussion zueinem aktuellen Thema. Zu ihrhatte die BVPI unter der Modera-tion des Leiters des BerlinerHauptstadtstudios des Norddeut-schen Rundfunks, Dietmar Rie-mer,

den Professor für Verkehrs-wesen und Raumentwicklungder Universitäten in Lichtensteinund Kassel, Dr.-Ing. Hans-Hen-ning von Winning,

den Nationalökonomen undProfessor an der UniversitätFrankfurt, Prof. Dr. WilhelmHankel (der unter dem vormali-gen BundeswirtschaftsministerProf. Karl Schiller die „Bundes-schätzchen“ erfunden hat),

den Leiter des DezernatsStadtentwicklung, Bauen, Woh-nen und Verkehr des DeutschenStädtetages, Folkert Kiepe, und

Ministerdirektor MichaelHalstenberg vom Bundesmini-sterium für Verkehr, Bau undStadtentwicklung

zu einem öffentlichen Disputüber die Fragen zusammenge-führt, ob Deutschlands Infra-struktur zu verkommen drohe.

Einig war man sich in fastzweistündiger lebhafter Debatte inder Beurteilung, dass es am Geldenicht mangele, um die Infrastruk-tur in Deutschland auf Vorder-mann zu bringen, denn „eigent-lich“ sei genug Geld vorhanden.Uneins war man sich nur über dieAntwort auf die Frage, wie mandiese Gelder aktivieren könne.

Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die Sena-torin für Stadtentwicklung in Berlin, hatden Prüfingenieuren in Deutschland at-testiert, dass Sicherheit eine absoluteGröße sei, die nicht geteilt werden kön-ne. Deshalb habe sie bei der Novellie-rung der neuen Berliner Bauordnung„ganz bewusst“ auf die Qualifikationund die Unabhängigkeit der Prüfinge-nieure gesetzt – und sei bisher gut damitgefahren.

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NACHRICHTEN

8Der Prüfingenieur Oktober 2006

So schlug der Verkehrswis-senschaftler von Winningen vor,der Staat solle „als Eigentümer derStraßen“ jährlich bis zu 100 Milli-arden Euro mit dem „Road Pri-cing“ einnehmen, mit einer Gebührfür jede Straßenbenutzung eines je-den motorisierten Fahrzeugs also;der Nationalökonom Prof. Hankelempfahl dagegen, föderalistischmotivierte grundgesetzliche Hür-den wegzuräumen, die den Städtenund Gemeinden jenes Geld vorent-halten, das sie brauchen, um die 70Prozent aller staatlichen Investitio-nen zu tätigen, die ihnen zugewie-sen sind; und Halstenberg als ober-

Bundesvereinigung mit neuem VorstandTurnusgemäß hat die Bundesvereinigung der Prüfinge-nieure für Bautechnik (BVPI) während ihrer diesjährigenMitgliederversammlung in Berlin einen neuen Vorstandgewählt.

Auf Vorschlag des bisherigen Vorstandes wurden in dieserWahl für die kommenden vier Jahre in den BVPI-Vorstand gewählt beziehungsweise wiedergewählt:

Zum Präsidenten:Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, Geschäftsführer der Leonhardt &Andrä Beratende Ingenieure VBI GmbH (Berlin);

zum Vizepräsidenten:Dipl.-Ing. Peter Otte, Partner des Ingenieurbüros Otte &Schulz GbR (Neustrelitz), Präsident der Ingenieurkammer von Mecklenburg-Vorpommern;

als Mitglieder des Vorstandes (mit jeweiliger Ressortverant-wortung):

Baurecht und Bautechnik:Prof. Dipl.-Ing. Günter Ernst, Geschäftsführender Gesell-schafter der Krebs und Kiefer & Partner GmbH (Darmstadt)Honorarprofessor der TU Darmstadt;

Öffentlichkeitsarbeit, Der Prüfingenieur, Fortbildung: Dr.-Ing. Klaus Kunkel, Geschäftsführer der Kunkel + PartnerKG (Düsseldorf);

EBA, BÜV und Ingenieurbauten:Dr.-Ing. Dietmar H. Maier, Partner der Ingenieurgruppe Bauen(Karlsruhe);

Gebühren, BVS und Finanzen:Dr.-Ing. Dieter Winselmann, Geschäftsführer des Ingenieur-büros Prof. Duddeck und Partner GmbH (Braunschweig).

ster der deutschen Baubeamtensetzte auf die Kraft der sich bele-benden Konjunktur und empfahlüberdies, die gesetzlich fixiertenund die freiwillig übernommenenkommunalen Aufgaben ausgaben-kritisch zu überprüfen und gegen-einander abzuwägen; und der Re-präsentant des Städtetages mahnteeine Verbesserung des Konnexitäts-verhältnisses für staatlich-kommu-nale Investitionen an, also jenesPrinzips, nach dem derjenige dieMusik bestimmt, der sie bezahlt.

Die Diskussion auf dem Po-dium war nicht das einzige der

außerfachlichen Elemente dieserArbeitstagung, die den Prüfinge-nieuren und ihren Gästen nichtnur einen zum Teil recht intimenBlick in die Welt des „Big Mo-ney“ gewährte, die Professor Han-kel eloquent, kenntnis- und erfah-rungsreich und spannend immerwieder erklärte, sondern auch indie Welt der medizinischen Dia-gnostik und der chirurgischenTherapie.

In dieser Welt spielt derFestredner der diesjährigen BVPI-Arbeitstagung, Professor Dr.Heinz-Otto Peitgen, Professor fürMathematik und BiomedizinischeWissenschaften und Direktor desCentrums für Complexe Systemeund Visualisierung an der Univer-sität Bremen, eine weltweit höchstrespektierte Rolle.

Er hat mehrere computerun-terstützte Methoden der bildba-sierten Diagnostik und Therapieepidemiologisch bedeutsamer Er-krankungen des Herz-Kreislaufsy-stems, des Gehirns und der Lungesowie verschiedener Krebserkran-kungen entwickelt. Aus ersterHand erklärte und zeigte Peitgenseinem Auditorium deshalb, wieseine weltweit wohl einmaligeSoftware den Medizinern undChirurgen eine sehr effiziente Vi-sualisierung und quantitative Ana-lyse medizinischer Bilddatenschenkt. Zu den Hauptanwendun-gen zählten die reproduzierbare,weitgehend automatisierte Quanti-fizierung anatomischer bezie-hungsweise pathologischer Struk-turen sowie die zuverlässige Risi-koanalyse komplexer chirurgischerund interventioneller Eingriffe.

Geschickt verstand es Peit-gen, diesen exkursorischen Teilseines Vortrages in jenen einzu-bauen, der sich mit seinem eigent-lichen Thema beschäftigte: demChaos in der Ordnung und derOrdnung im Chaos, einem Sujet,das Peitgen vor genau zehn Jahrenbei der BVPI-Arbeitstagung 1996in Baden-Baden schon einmal be-

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NACHRICHTEN

handelt hatte. Nun also kam dieFortsetzung von damals – mit neu-en Erkenntnissen über die Entste-hung natürlicher Muster undStrukturen, die einerseits einergehörigen Portion Zufall ausge-setzt sei, die andererseits aber im-mer wieder die gleichen Musterund Strukturen in so makelloserRegelmäßigkeit und Stabilität ent-stehen ließen, dass es sehr schwer-

falle, an die Präsenz des Zufalls zuglauben.

Den gesellschaftlichen Teilihrer Arbeitstagung 2006 absol-vierten die Prüfingenieure und ihreGäste im TIPI-Zelt im BerlinerTiergarten, vis á vis dem Bundes-kanzleramt, wo die Tradition derlangen Reihe dieser jährlichen Ta-gungen erneuert wurde, im zwang-

losen Gespräch kollegiale undfreundschaftliche, aber auch ge-schäftliche Bindungen zu renovie-ren und zu zementieren.

Die fachlichen Beiträge, al-so das eigentlich Quintessentielledieser Tagungen, wird, wie immerin dieser Zeitschrift veröffentlicht.

Klaus Werwath

Die Geschäftsstelle der Bundesvereinigungzieht im Januar von Hamburg nach BerlinPersönliche Kontakte zu den Führungsebenenin der Bundeshauptstadt sind jetzt unumgänglich

Der Vorstand der Bundesvereinigung der Prüfingenieure fürBautechnik (BVPI) hat beschlossen, die Geschäftsstelle des Verban-des per 1. Januar 2007 nach Berlin zu verlegen. Er sieht dies als Re-aktion auf die großen gesellschaftspolitischen Umwälzungen, dieauch das in seiner Art einzigartige deutsche Prüfwesen hinsichtlichseiner Bedeutung, seiner Unabhängigkeit und seiner Effizienz un-mittelbar gefährden – und damit auch den Berufsstand des Prüfin-genieurs.

Eine seiner vordringlich-sten Aufgaben sieht der Vorstandder BVPI deshalb darin, auf dassich verändernde politische,rechtliche und gesellschaftlicheUmfeld für Baurecht und Bau-technik in Deutschland Einflusszu nehmen. Hierzu sei aber einemöglichst enge Zusammenarbeitmit

den Abgeordneten des Deut-schen Bundestages,

den Dienststellen des Bun-desrates,

anderen relevanten Regie-rungsstellen,

dem Bundesministerium fürVerkehr, Bau und Stadtentwick-lung,

dem Bundesministerium fürWirtschaft und Technologie(BMWi) und

den anderen berufspolitischrelevanten Bundesministerien,

der ARGEBAU,

dem Deutschen Institut fürBautechnik (DIBt),

den Kammern und Ingenieur-verbänden,

den Vertretern der deutschenBauwirtschaft,

den am Bau beteiligten Ver-bandsvertretern auf europäischerEbene und

vielen anderen offiziellen In-stitutionen und Organisationen

erforderlich, die in der Bundes-hauptstand ansässig sind und aufdiese Prozesse der Veränderungeinwirken.

Zur Erfüllung dieser Aufga-be scheint es dem Vorstand gera-

ten, die Geschäftsstelle der Bun-desvereinigung von Hamburg nachBerlin zu verlegen, um sie damitauf die neue Aufgabe der engerenund dauerhaften institutionellenund personalen Zusammenarbeitmit den in Berlin tätigen Entschei-dungsträgern in Politik, Verwal-tung, Wirtschaft und Wissenschaftauszurichten.

Die derzeitige Planung siehtvor, die Geschäftstätigkeit Anfang2007 in neuer Umgebung aufzu-nehmen. Soweit möglich, sollte derUmzug sowohl in personeller alsauch in fachlich-inhaltlicher Sichtohne große Einschränkungen undVerluste erfolgen. Dieses wird imPersonalbereich leider nicht in demgewünschten Maße erfolgen kön-nen, sodass für wichtige Schlüssel-positionen – mit Ausnahme desGeschäftsführers – neue Kräfte inBerlin einzustellen sein werden.

Zur Wahrung der Konti-nuität der fachlichen Arbeit be-steht deshalb seitens des Vorstan-des der große Wunsch und die Bit-te an alle Mitglieder, insbesonderean die Funktionsträger, die Ge-schäftsstelle bei der Überbrückungeventueller Engpässe mit Ver-ständnis sowie mit Rat und Tat zuunterstützen.

9Der Prüfingenieur Oktober 2006

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10Der Prüfingenieur Oktober 2006

NACHRICHTEN

Die ARGEBAU empfiehlt den Ländern dieEinführung der DIN 1055 zum 1. Januar 2007Sie kann aber auch ab sofort angewendet werden

Die Fachkommission Bautechnik der ARGEBAU – der ständi-gen Konferenz der für das Bauwesen zuständigen Minister und Se-natoren der Länder – hat den obersten Bauaufsichtsbehörden derLänder empfohlen, die neuen Teile 3, 4, 5, 6 und 9 der DIN 1055 –Einwirkungen auf Tragwerke – in einem Paket zum 1. Januar 2007bauaufsichtlich einzuführen. Das hat der Vorsitzende dieser Fach-kommission, Dr.-Ing. Wolfgang Schubert, mitgeteilt und ergänzendauf Folgendes hingewiesen:

Die neuen Teile dieserNorm ersetzen ab dem 1. Januar2007 die derzeit bauaufsichtlicheingeführten Fassungen der o.g.korrespondierenden Normenteile.Als Stichtag 1. Januar 2007 für dieAnwendung der neuen Normentei-le gelten beim Baugenehmigungs-verfahren der Eingang des Bauan-trags bei der Baugenehmigungs-behörde, beim Genehmigungsfrei-stellungsverfahren der Eingang dererforderlichen Unterlagen bei derGemeinde und bei verfahrensfrei-en Vorhaben der Baubeginn.

Mit dieser Ankündigungsollen Bauherrn, Planer und Aus-führende über die beabsichtigteEinführung der neuen Normenteileder DIN 1055 informiert werden,damit sie sich rechtzeitig mit demneuen Normenpaket vertraut ma-chen können.

Für die neuen Normenteileder DIN 1055 ergibt sich folgen-der Ausgabestand:

DIN 1055-3, Ausgabe 2006-03, Eigen- und Nutzlasten fürHochbauten;

DIN 1055-4, Ausgabe 2005-03, Windlasten; zur Norm gibt eseine Berichtigung 1, Ausgabe2006-03.

DIN 1055-5, Ausgabe 2005-07, Schnee- und Eislasten; der-zeit werden für alle Länder dieSchneelastzonengrenzen für ei-nen einheitlichen Vollzug mit

den Verwaltungsgrenzen der Ge-meinden in Einklang gebracht.Die Zuordnung steht seit EndeSeptember 2006 zur Verfügung.Außerdem werden in einer Anla-ge noch Zusatzregelungen fürdas norddeutsche Tiefland ge-troffen.

DIN 1055-6, Ausgabe 2005-03, Einwirkungen aus Silos undFlüssigkeitsbehälter; zur Normgibt es eine Berichtigung 1, Aus-gabe 2006-02.

DIN 1055-9, Ausgabe 2003-08, Außergewöhnliche Einwir-kungen.

Die Notifizierung für dieseNormenteile bei der europäischenKommission ist bereits erfolgt.Die Normen wurden Ende Sep-tember 2006 in die Musterliste derTechnischen Baubestimmungenaufgenommen und vom DeutschenInstitut für Bautechnik in Berlinunter www.dibt.de ins Internet ein-gestellt.

Im Vorgriff auf die bauauf-sichtliche Einführung der Länderkönnen die Normen dann bereitsangewendet werden. Allerdingssollte die Anwendung in Abstim-mung zwischen Bauherr und Pla-ner und ggf. dem Prüfingenieur er-folgen.

Der Vollständigkeit halberhat die Fachkommission auch dar-auf hingewiesen, dass DIN 1055

Teil 1, Ausgabe 2002-06, Wichtenund Flächenlasten von Baustoffen,Bauteilen und Lagerstoffen undTeil 100, Ausgabe 2001-03,Grundlagen der Tragwerkspla-nung, Sicherheitskonzept und Be-messungsregeln, bereits bauauf-sichtlich eingeführt sind. Der Teil7, Ausgabe 2002-11, Temperatur-einwirkungen und der Teil 8, Aus-gabe 2003-01, Einwirkungenwährend der Bauausführung, wer-den nicht eingeführt, weil sie bau-aufsichtlich von untergeordneterBedeutung sind. Teil 10, Ausgabe2004-07, Einwirkungen infolgeKrane und Maschinen, wird vonder Einführung solange zurückge-stellt, bis die neuen Bemessungs-normen für Kranbahnen in Mas-sivbauweise und Stahl vorliegen.

Die bestehenden Normenfür Sonderkonstruktionen oderschwingungsanfällige Bauwerke,z.B.

DIN 1056 FreistehendeSchornsteine in Massivbauart;Berechnung und Ausführung,

DIN 4131 Antennenwerkeaus Stahl,

DIN 4133 Schornsteine ausStahl,

DIN 4228 Werkmäßig herge-stellte Betonmasten

bleiben bis zum Erscheinen neu-er Fassungen dieser Normen vonden o.a. Festlegungen unberührt.

Die Normenreihe DIN 1055ist in den DIBt Mitteilungen Nr.1/2006 ausführlich dargestellt.

Dr.-Ing. Wolfgang Schubert,Bayerisches Staatsministerium

des Innern,Vorsitzender der

Fachkommission Bautechnikder ARGEBAU

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NACHRICHTEN

11Der Prüfingenieur Oktober 2006

Menschen, die sowohl Herz-lichkeit und Liebe, als auch Engage-ment und Fachkompetenz zeigen,sind selten geworden. Gerhard Feldwar ein solcher Mensch!

Vorbildlich wirkte er als Seni-orpartner im Ingenieurbüro KSF Feld& Partner, verantwortungsbewusst,ausgleichend und mit sicherem Ge-spür auch in schwierigen Zeiten.

Das heutige Büro, das alsPartnerschaftsgesellschaft unter demNamen KSF Feld & Partner firmiert,hat sich nicht nur in Bremerhaven ei-nen Namen gemacht. Dies ist nichtzuletzt dem Engagement von GerhardFeld zu verdanken, der aus einem rei-nen Büro für Tragwerksplanung einBüro mit breit gefächerten weiterenAufgabenbereichen wie Objektpla-nung, Bautechnische Prüfung undSachverständigenwesen machte.

Das Streben nach Qualität amBau und der Qualifikation der amBau Beteiligten prägten seinen beruf-lichen Werdegang und sein großesEngagement in diesem Sinne. Ger-hard Feld war bestrebt, als nimmer-müder Vordenker und Streiter denBerufsstand des Ingenieurs insbeson-dere auch auf EU-Ebene auf fachlichhohem Niveau zu halten.

Das berufspolitische Engage-ment ist beispiellos und lässt sich nurin Auszügen wiedergeben:

Gerhard Feld †

15 Jahre Vorsitzender der Verei-nigung der Prüfingenieure für Bau-statik VPI in Bremen, danach Eh-renvorsitzender.

15 Jahre Mitglied im ErweitertenVorstand der Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik,danach Ehrenmitglied.

9 Jahre Präsident des DeutschenInstitutes für Prüfung und Überwa-chung, danach Ehrenpräsident.

9 Jahre Vizepräsident der Ingeni-eurkammer Bremen.

11 Jahre stellvertretender Vorsit-zender des Verbandes BeratenderIngenieure VBI in Bremen.

7 Jahre Vorsitzender des Sach-verständigenausschusses zur öffent-lichen Bestellung und Vereidigung

von Sachverständigen der Industrie-und Handelskammer IHK in Bre-merhaven.

19 Jahre Mitglied im Beirat fürdie Anerkennung der Prüfingenieu-re für Baustatik in Bremen.

Die vielen Vorsitze und Mit-gliedschaften in Anerkennungs- undZertifizierungsausschüssen sowie inArbeitskreisen seien nur ergänzenderwähnt. In all diesen Ämtern hatGerhard Feld Spuren hinterlassen, dieauch weiterhin Maßstab und Orientie-rung sein werden.

Ende 2003 schied GerhardFeld aus dem Büro KSF Feld & Part-ner aus. Nur kurze Zeit konnte er denverdienten Ruhestand mit seiner Frau,seinen Kindern und Enkeln genießen.Und trotz schwerer Krankheit widme-te sich Gerhard Feld dem sozialenEngagement. Er wurde zum Vorsit-zenden des Vereins zur Förderung desTumorzentrums Nordost Niedersach-sen gewählt. In dieser Funktion plä-dierte er nach dem Vorbild der Prüf-ingenieure auch in der Medizin fürdas Vier-Augen-Prinzip.

Am 10. Juli 2006 ist GerhardFeld verstorben. Mit Ihm verlierenwir einen gradlinigen, diszipliniertenund herzlichen Ingenieur.

Seine Wege werden uns auchweiter Vorbild sein.

Dr.-Ing. Hans-Jürgen Meyer

Hauptthemen sind: Sicherheit und Erhaltung

15. Bautechnisches Seminaram 25. Oktober in RatingenDie Landesvereinigung

NRW der Prüfingenieure für Bau-technik, der Verband BeratenderIngenieure VBI in NRW und dieAbteilung Bautechnik des nord-rhein-westfälischen Ministeriumsfür Bauen und Verkehr veranstal-ten am 25. Oktober in der Stadt-halle in Ratingen ihr 15. Bautech-nisches Seminar, das, zwischen

der Begrüßung und dem Schluss-wort durch den Vorsitzenden derLandesvereinigung, Dr.-Ing. JörgErdmann, in diesem Jahr alsHauptthema die sichere Errich-tung von Gebäuden und die Erhal-tung der Gebäudesicherheit be-handelt. Im einzelnen sind damitneue Sicherheitskonzepte und Be-messungsregeln für den konstruk-

tiven Ingenieurbau und die An-wendung der DIN 1055-er Reihebei der Tragwerksplanung ge-meint; darüber hinaus die Bewer-tung der Gebäudesicherheit unterdem Eindruck der Schadensfälledes vergangenen Winters und dieordnungsgemäße Durchführungvon Bauüberwachung und Bau-kontrolle.

Gerhard Feld †

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NACHRICHTEN

12Der Prüfingenieur Oktober 2006

Die Bundesvereinigung koordiniert jetzt dieZusammenarbeit der europäischen VerbändeDer Europaverband CEBC wählte die Prüfingenieure aus Deutschlandin ihren einflussreichsten Ausschuss

Die Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik(BVPI) verfügt seit kurzem über Sitz und Stimme im einflussreichenPolicy Committee des Consortium of European Building Control(CEBC), einem der berufspolitisch wichtigsten europäischen Dach-verbände, mit denen die BVPI auf europäischer Ebene und mit in-ternationaler Wirkung zusammenarbeitet.

Die BVPI hat im PolicyCommittee des CEBC die Aufga-be, den Arbeitsschwerpunkt„Bauwerksschäden auf europäi-scher Ebene“ zu koordinieren unddie Ergebnisse der multilateralenZusammenarbeit im CEBC zu-sammenzufassen, deren Ziel esist, bestimmte Sachverhalte tabel-larisch aufzuarbeiten, zu verglei-chen und die Ergebnisse dieserAnalysen europaweit zu veröf-fentlichen.

Damit wird den interessier-ten Fachleuten in den Verwaltun-gen und in der Planung und Aus-führung die Möglichkeit geschaf-fen, sich einen europaweit gelten-den, schnellen Überblick über be-stimmte Konditionen zu verschaf-fen. So wurde zum Beispiel 2005der Building Control Report ver-öffentlicht und in diesem Jahr ak-tualisiert. Vergleichbare Berichtesollen demnächst auch über ande-re Themen erstellt werden, z.B.über das barrierefreie Bauen, überVersicherungen oder über Bau-werksschäden.

Die jüngste Mitgliederver-sammlung des CEBC, auf der dieBVPI in das Policy Committee ge-wählt worden ist, fand im Mai inZaandam (Amsterdam) statt. The-ma war dort das Bauen am Meermit den damit verbundenen Fragendes Hochwasserschutzes.

Vertreter der BVPI-Ge-schäftsstelle nehmen seit einigen

Jahren schon regelmäßig an denKonferenzen des CEBC teil. Siehaben dort eine exzellente Mög-lichkeit, sich über aktuelle Fragenauf europäischer Ebene und in denNachbarländern zu informierenund andererseits die Idee und dieVorteile des deutschen Prüfwesens(Vier-Augen-Prinzip) zu erklärenund für selbiges zu werben. So be-stand in der Mai-Sitzung in Zaan-dam zum Beispiel seitens desCEBC der Wunsch, über die inge-

nieurwissenschaftlichen und prüf-technischen Erkenntnisse aus demEinsturz des Daches der Eissport-halle in Bad Reichenhall zu be-richten.

Das CEBC hält seine Kon-ferenzen zweimal im Jahr anständig wechselnden Orten derMitgliedsstaaten ab. Dabei wer-den regelmäßig sowohl die je-weils aktuellen berufspolitischenEuropathemen zur Diskussion ge-stellt als auch die Schwerpunkt-themen, die im jeweiligen Gast-geberland von Bedeutung sind.Weitere Informationen sind ver-fügbar unter

www.CEBC.co.uk

OFD-Verfügung zu denRechnungen der PrüfingenieureWeil die Rechnungen der

Prüfingenieure für Baustatik inder Betriebsprüfung wohl des öf-teren für Diskussionsstoff sor-gen, hat die OberfinanzdirektionFrankfurt/Main eine Verfügungherausgegeben, auf die der Wirt-schaftsdienst für Ingenieure undArchitekten (Würzburg) hinge-wiesen hat.

Danach entstehen die mei-sten steuerrechtlichen Problemebei den Fragen,

mit wem die Prüfingenieureabrechnen dürfen und

ob die Rechnung mit/ohneUmsatzsteuerausweis erfolgenmuss.

Im Extremfall könne espassieren, so der Wirtschafts-dienst, dass der PrüfingenieurUmsatzsteuer zweimal schuldet,weil er einem anderen als demLeistungsempfänger – zum Bei-spiel dem Bauherrn statt derBauaufsichtsbehörde – Umsatz-steuer in Rechnung stellt.

Die OFD stellt klar, was inwelchen Fällen zu beachten ist(Verfügung vom 14. März 2006,Az.: 7283 A-9-St l 2.20).

Der Wortlaut der Verfü-gung kann auf der Website desVerlages (www.iww.de) unterAngabe der Abruf-Nummer062144 heruntergeladen oderausgedruckt werden.

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NACHRICHTEN

13Der Prüfingenieur Oktober 2006

Prüfingenieure stellen fest: Die Hälfte alleruntersuchten Gebäude hatte starke MängelNach dem Bad Reichenhaller Unfall wurden vieleGebäude-Untersuchungen in Auftrag gegeben

52 Prozent aller untersuchten Bauwerke – vorwiegend Sport-anlagen und Einkaufsmärkte – waren mit derartigen statischenMängeln behaftet, dass eine Nachbesserung innerhalb einer be-stimmten Frist erforderlich war. Fünf Prozent waren so mangelhaft,dass sie sogar geschlossen werden mussten. Das ist das Ergebnis ei-ner bundesweiten Umfrage unter etwa 700 Prüfingenieuren, die 950Gebäude statisch untersucht hatten. Es ist zwar nicht repräsentativ,aber bezeichnend.

Die Umfrage war nach demEinsturz des Daches der Eislauf-halle in Bad Reichenhall von derGeschäftsstelle der Bundesvereini-gung der Prüfingenieure für Bau-technik (BVPI) zu einem Zeit-punkt durchgeführt worden, zudem sich die Prüfingenieure inDeutschland dieses Unfalls wegenin den verschiedensten Bereichenstark engagiert hatten.

Zwei Mitglieder der BVPIarbeiten seither zum Bespiel in je-nem Arbeitskreis der ARGEBAUmit, der technisch-konstruktive Fra-gen der Sicherheit großer öffentli-cher Gebäude zu untersuchen undden Ländern gegebenenfalls Hand-lungsempfehlungen für die Ein-führung wiederkehrender statischerPrüfungen unterbreiten soll. (Einesolche Empfehlung hatte der Er-weiterte Vorstand der BVPI schonwenige Tage nach dem Unglück,nämlich am 20. Januar 2006, ausder Sicht der Prüfingenieure erstelltund an die einschlägigen Behördenund Ämter in Bund, Ländern undKommunen ausgereicht.)

Viele Prüfingenieure wur-den unmittelbar nach dem Un-glück auch aufgefordert, bedenk-lich erscheinende Gebäude sta-tisch-konstruktiv zu untersuchen.Auftraggeber waren hauptsächlichkommunale Einrichtungen, aberauch viele private Betreiber. DieseEntwicklung hatte die Geschäfts-

stelle dann veranlasst, die Ergeb-nisse solcher Analysen statistischzu erfassen und auszuwerten. DasErgebnis lässt sich folgender-maßen zusammenfassen:

Von allen angefragten rund700 Prüfingenieuren haben auf dieUmfrage etwa zehn Prozent geant-

wortet. Diese Prüfingenieure hat-ten etwa 950 Bauwerke – im we-sentlichen Sportanlagen und Ein-kaufsmärkte – überprüft. Ergebnis:43 Prozent aller 950 Gebäude, 90Prozent aller Tragwerksplanungenund 52 Prozent aller Ausführun-gen waren fehlerfrei. 52 Prozentder untersuchten Gebäude wiesenaber auch so erhebliche Mängelauf, dass ihnen eine zeitlich befris-tete Nachbesserung auferlegt wer-den musste. Für rund fünf Prozentder untersuchten Gebäude musstesogar eine Schließung angeordnetwerden. Die meisten Defizitewirkten sich auch auf die Standsi-cherheit der Gebäude aus.

Der BÜV schließt die Überar-beitung seiner Empfehlungen fürtragende Kunststoffbauteile abDer Arbeitskreis „Tragende

Kunststoffbauteile“ des Bau-Über-wachungsvereins BÜV hat dieÜberarbeitung der Empfehlungenfür tragende Kunststoffteile imBauwesen – Entwurf, Bemessung,Konstruktion – abgeschlossen, der2002 erstmals erschienen war undnach einigen Kommentaren vonAnwendern jetzt noch einmalkomplett überarbeitet worden ist.Die aktualisierte Version wird vor-aussichtlich Ende dieses Jahresauf der Website des BÜV veröf-fentlicht werden.

Besondere Änderungen ha-ben sich bei der Revision des Ka-pitels 3 (Sicherheitskonzept) erge-ben. Es wurde stark gekürzt, umes auf jene Hinweise beschränkenzu können, die für alle Kunststoffe

Gültigkeit haben. Detaillierte Hin-weise werden nun im Anhang auf-genommen.

Die Anwender und Leserauch dieses Entwurfs werden nunnoch einmal gebeten, dem Ar-beitskreis ihre Anmerkungen undKommentare mitzuteilen. Auchdie Beispiele sollen erneut überar-beitet werden, wobei Änderungenaus Empfehlungen direkt aufge-nommen und umgesetzt werdensollen.

Kontakt über:Bau-Überwachungsverein AK Tragende KunststoffbauteileFax: 040/[email protected]

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NACHRICHTEN

14Der Prüfingenieur Oktober 2006

Arbeitskreis Katastrophenschutz strebt eine Zertifizierung seiner Mitglieder anAufgaben und Absichten wurden in fünf Sitzungen konkretisiert

Wie bereits gemeldet (Der Prüfingenieur 26, S. 13), haben Mit-glieder des Bau-Überwachungsvereins und der TOS im März 2005einen Arbeitskreis „Katastrophenschutz“ gegründet, mit dem einePlattform geschaffen werden soll, von der aus öffentlichen Dienst-stellen oder einzelnen Beteiligten im Katastrophenfall – als Ergän-zung des bisherigen Systems – rasche und kompetente Hilfe angebo-ten werden kann. In fünf Sitzungen hat der Arbeitskreis sich seitherauf diese Aufgabe vorbereitet.

Dabei haben die Mitgliederdes Arbeitskreises vor allem dieMöglichkeiten der Zusammenar-beit diskutiert, die es im Katastro-phenfall auf Kreisebene zwischenFeuerwehren und Prüfingenieurensowie zwischen den zuständigenstaatlichen Stellen und den Sach-verständigen des DPÜ gibt. Zurweiteren Erörterung dieses The-mas will der Arbeitskreis dem-nächst auch Versicherungsgesell-schaften, Technische Hilfswerkeund die Ver- und Entsorgungswirt-schaft in seine Arbeit einbeziehen.

Für den Vorbeugendern Ka-tastrophenschutz wurden folgendeSzenarien behandelt: Wasser,Wind, Feuer, Erdbeben, Grundbau,Lawinen, Explosionen, Stoß undABC.

Im Einzelnen sind für diederzeit relevanten Katastrophen-fälle folgende konkrete Maßnah-men erörtert worden.

Hochwasser:In einer Checkliste „Hochwas-sergefährdete Bauwerke/Hoch-wasserschutz“ sollen Fachveröf-fentlichungen über die Schutzgü-ter „Leben“ und „Sachwerte“,über Vorhersagen und über dieBeseitigung von Schäden sowieüber das Thema Notrufbereit-schaft zusammengefasst werden.

Wind:Für den Katastropenfall „Wind“(z. B. Tornados) sollen Angaben

aus nationalen Normen undPflichtenheften privater Bau-herrn gesammelt und synoptischverglichen werden.

Lawinen:Der Arbeitskreis hat Informatio-nen über zuständige Behörden(auch in der Schweiz) undChecklisten für die Bewertungkonkreter Gefahr und für die Er-mittlung möglicher Lasten zu-sammengestellt.

Vorsorgeplan der Force Pro-tection/Anprall:Hinsichtlich US-amerikanischerAnforderungen an den Massiv-bau hat der Arbeitskreis eineVeröffentlichung von Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken, dem Or-dinarius für Baustatik an derMünchener Universität der Bun-deswehr, in der Zeitschrift Be-ton- und Stahlbetonbau ausge-wertet.

Sammlung von Vorschriftenund technischen Anleitungen:Der Arbeitskreis beschloss, seineumfangreiche Literatursamm-lung kontinuierlich zu ergänzen.Themenbezogene Publikationenvon Arbeitskreismitgliedern sol-len auf der Website der Bundes-vereinigung der Prüfingenieurefür Bautechnik (BVPI) im Inter-net (www.bvpi.de) veröffentlichtwerden.

Aktiver Katastrophenschutz:Als Grundlage für das künftige

Netzwerk interessierter Prüfinge-nieure hat der Arbeitskreis einestrukturierte Liste mit denAdressen der Forschungseinrich-tungen und Dienststellen zusam-mengestellt, die sich in Deutsch-land mit dem Katastrophen-schutz beschäftigen. Sie enthältauch die Mitglieder der „Ständi-gen Konferenz für Katastrophen-vorsorge und Katastrophen-schutz“.

Anerkennung/Zertifizierungdurch DPÜ Zert GmbH:Der Ausschuss hat die Absicht,auch im Katastrophenschutzbe-reich eine Zertifizierung einzu-führen, ähnlich denen, die vonDPÜ Zert schon für verschiede-ne andere Fachbereiche durchge-führt werden (ganzheitliche Prü-fung und Überwachung, SiGe-Ko, Sachkundiger Planer, etc.).

Ein derartiges Zertifikat könne,so die Überzeugung des Arbeits-kreises, bei potenziellen Auf-traggebern die Kompetenz derbeteiligten Sachverständigenüberzeugend belegen.

Der Arbeitskreis vereinbarte,zunächst die Inhalte einer Zerti-fizierung und dann die notwen-digen Zertifizierungsformalis-men zu definieren. Unabhängigdavon sei die laufende Fortbil-dung der Sachverständigen voneminenter Bedeutung und müssevom Arbeitskreis mit Vorrangvorangetrieben werden.

Die nächste Sitzung des Ar-beitskreises ist für Anfang 2007geplant und bietet weiteren Inter-essenten Gelegenheit zur Mitar-beit.

Dipl.-Ing. Matthias GeroldVorsitzender des Arbeitskreises

Katastrophenschutz

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NACHRICHTEN

15Der Prüfingenieur Oktober 2006

BVPI will die EC-2-Einführung mit eigenen Erfahrungen beeinflussenZehn Büros haben sich bereiterklärt, Hochbauprojekte zweimal zu planen

Die Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik(BVPI), der Verband Beratender Ingenieure (VBI) und der DeutscheBeton- und Bautechnik-Verein (DBV) haben beschlossen, die Wei-terentwicklung der europäischen Massivbaunormen mit eigenemempirischem Material so effizient zu beeinflussen, dass eine Kritik,wie sie derzeit landauf, landab an der neuen Normengenerationgeübt wird, überflüssig wird.

Diese Kritik („zu umfang-reich, zu kompliziert, zu fehler-haft, zu unwirtschaftlich, vielfachinkonsistent“ usw.), die in ihrenMitgliedskreisen immer lautergeäußert wird, hat die VerbändeBVPI, VBI und DBV veranlasst,neue Wege einzuschlagen, undzwar im Rahmen eines For-schungs- und Förderprogrammesdes Deutschen Instituts für Bau-technik (DIBt).

Um die Normenqualität zuverbessern hat der Deutsche Aus-schuss für Stahlbeton (DAfStb) fürdie Einführung des EC 2 inDeutschland ein Konzept entwor-

fen. Bis Anfang 2007 – so siehtdieses Konzept vor – wird der na-tionale Anhang (NA) zu EC 2 vomNormenausschuss Bauwesen (NABau) mit dem Ziel erarbeitet, denaktuellen Stand von DIN 1045-1weitestgehend umzusetzen. OffeneProbleme des EC 2 werden in demForschungsvorhaben bearbeitet, dasvom DIBt seit 2006 finanziert wird.Ziel dieser Bearbeitungsphase istes, bis Ende 2006 alle Beratungs-und Forschungsergebnisse in einemEntwurf des NA zusammenzufas-sen und zu veröffentlichen.

BVPI, VBI und DBV wol-len deshalb die Zeit von 2007 bis

zur voraussichtlichen Einführungdes EC 2 im Jahre 2010 nutzen,um den EC 2 mit dem NA so kon-kret zu erproben, dass seine prakti-sche Umstellung wesentlich weni-ger Schwierigkeiten bereiten wirdals die Umstellung auf die DIN1045-1.

Deshalb sollen ausgesuchteIngenieurbüros während einer Pi-lotphase eine Genehmigungs- bzw.Ausführungsplanung für typischeBauvorhaben des Hochbaus einmalnach EC 2 freiwillig durchplanenund ggf. prüfen lassen. Am Endeeines jeden Pilotprojektes soll einAbschlussbericht mit einem Ergeb-nisvergleich und Verbesserungs-vorschlägen für den NA stehen.

Nach einer Umfrage unterallen Mitgliedern der BVPI habenzehn Büros ihre Mitarbeit angebo-ten. Sie sind in den Forschungsan-trag aufgenommen worden.

Themen dieses Weiterbil-dungsseminars, das von der Zer-tifizierstelle des Deutschen Insti-tuts für Prüfung und Überwa-chung in Braunschweig durchge-führt werden wird, sind:

Änderungen, Besonderhei-ten, Probleme der Normung,

Hydrophobieren von Beton,

Weiterbildungsveranstaltung undLehrgang für Sachkundige Planer

Untergrundvorbereitung,

Oberflächenschutzsysteme.

Referent ist unter anderender Vorsitzende der Prüfungsko-mission der DPÜ Zert GmbH,Univ.-Prof. Dr.-Ing. MichaelRaupach, der am Institut fürBauforschung der RWTH Aa-chen (ibac) für Bauwerkserhal-

tung und -instandsetzung zustän-dig ist.

Ein weiterer Lehrgang fürSachkundige Planer ist für dasFrühjahr 2007 geplant. Interes-senten können auf der Websitedes DPÜ mehr Informationenüber diesen Lehrgang erfahren.Bewerbungen für diesen Lehr-gang werden entgegengenom-men von der

DPÜ-Zert GmbH Ferdinandstraße 47 10095 Hamburgwww.dpue.de P DPÜ-Zertifi-zierstelle

Am 28. Oktober 2006 haben die Sachkundigen Planer fürden Schutz- und die Instandsetzung von Betonbauteilen gem. dergleichnamigen Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbe-ton (DAfStb) vom Oktober 2001 in einer Weiterbildungsveran-staltung die Möglichkeit, ihre Kenntnisse zu vertiefen.

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NACHRICHTEN

16Der Prüfingenieur Oktober 2006

I. Ursachen

Nachdem die zentralen techni-schen Aussagen der Gutachtenzum Einsturz der Dachkonstruk-tion der in den Jahren 1971/1972erbauten Eissporthalle in BadReichenhall (Abb. 1) in derdurch die Pressemitteilung derStaatsanwaltschaft Traunsteinvom 20. Juli 2006 veröffentlich-

Ursachen und Folgen des Einsturzes der Dachkonstruktion der Eissporthalle in Bad ReichenhallSie belegen die volkswirtschaftliche Bedeutung der unabhängigen Prüfung durch Prüfingenieure für Baustatik

Wohl kaum ein Ereignis hat die Ingenieure in den vergangenenJahren so tief getroffen, wie der Einsturz des Daches der Bad Rei-chenhaller Eissporthalle. Gleich nach dem Unfall wurden erste Ver-mutungen über die möglichen Ursachen geäußert. Hier nun folgt eineAuswertung der von der Staatsanwaltschaft beauftragten technischenGutachten, welche diese ersten, auf Konstruktion und Bauausführunghindeutenden Vermutungen erhärten und welche die Bedeutung einerunabhängigen Überprüfung und Überwachung unserer Bauwerkeuntermauern. Die technische Schilderung der Unfallursachen wird –aus der Sicht der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautech-nik (BVPI) – ergänzt um eine Darstellung der Konsequenzen diesesUnfalles für das deutsche Bauordnungsrecht.

ten Form vorliegen, ist es an derZeit, sich mit den Ursachen undvor allem mit den daraus ableit-baren Folgen dieser Katastropheauseinander zu setzen. Wesent-lich für die weitere Diskussionist dabei die Feststellung, dassdas Versagen der Dachkonstruk-tion am 2. Januar 2006 nichtdurch eine Überlastung infolgeungewöhnlich hoher Schneelas-

ten induziert wurde. Die in derstatischen Berechnung angesetz-te Regelschneelast von 1,5kN/m2 war zum Zeitpunkt desHalleneinsturzes nicht über-schritten. Die Ursachen könnenvielmehr an folgenden Punktenfestgemacht werden:

1. Keine Prüfung der statischenBerechnung

Trotz intensiver Recherchen derermittelnden Stellen konnte bisheute keine von einem Prüfinge-nieur für Baustatik geprüfte sta-tische Berechnung des Sonder-vorschlags der Baufirma für dasDach der Eissporthalle gefundenwerden. Bei der Planung undGenehmigung des Bauvorhabenswurde offenbar das in den Bau-ordnungen der Länder veranker-te Vier-Augen-Prinzip nicht be-achtet.

2. Abweichung der Konstruktionder Dachbinder von der zuge-lassenen Bauweise

Bei den Hauptbindern des Dach-tragwerks der Eissporthalle inBad Reichenhall handelte es sichum 2,87 m hohe Kastenträger inHolzbauweise (Abb. 2) mit einerSpannweite von circa 40 m undbeidseitigen Kragarmen von et-wa 4,00 m Länge. Dabei bestan-den die Ober- und Untergurtedes Kastenquerschnitts aus zwei-fach gestoßenen Brettschicht-holzbauteilen mit Längen von je-weils 16 m, die Stege aus Plattenin Kämpfstegbauweise, welchedurch eine allgemeine Zulassunggeregelt war. Bei Planung undAusführung der Dachkonstrukti-

Abb. 1: Dachkonstruktion der Eissporthalle Bad Reichenhall nach dem Einsturz am2. Januar 2006

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NACHRICHTEN

17Der Prüfingenieur Oktober 2006

on wurde gegen wesentliche Re-gelungen dieser Zulassung ver-stoßen. Insbesondere wurde dielaut Zulassung maximale Steg-höhe von 1,20 m bei der Kon-struktion der Hauptbinder derDachkonstruktion der Eissport-halle Bad Reichenhall mit einerHöhe von 2,87 m überschritten.Entsprechend den bisherigen Er-kenntnissen der Ermittlungs-behörden liegt die für eine derar-tig gravierende Abweichungvom technischen Regelwerk er-forderliche Zustimmung im Ein-zelfall der Obersten Baubehördeim Bayrischen Staatsministeri-um des Innern nicht vor. Es fehl-te eine fundierte, sachverständi-ge Beurteilung, ob und wenn jaunter welchen Bedingungen dieanerkannten Grenzen der Bau-weise auf mehr als das Doppeltehinausgeschoben werden kön-nen. Eine Erweiterung der Zu-lassung auf Kastenträger ohneHöhenbegrenzung wurde nichterteilt.

3. Fehler in der statischenBerechnung

Die Überprüfung der nach bishe-rigen Erkenntnissen nicht ge-prüften statischen Berechnungzeigte, dass beim Nachweis derHauptbinder zwei wesentlicheGesichtspunkte nicht beachtetwurden:

Die Zugspannungen imSchwerpunkt der Gurte wurdennicht nachgewiesen, hierdurchwurde das Tragverhalten derGurte zu hoch bewertet.

Die Tragfähigkeitsminderungder Konstruktion infolge derStöße von Gurten und Stegen mitUniversalkeilzinkungen wurdenicht berücksichtigt.

Beides führte zu einer Re-duktion der Tragfähigkeit derHauptbinder auf circa 75% des inder technischen Bearbeitung un-terstellten Wertes.

4. Mängel in der Konstruktionder Hauptträger

Die Herstellung der Kastenquer-schnitte der Hauptbinder derDachkonstruktion durch Block-verleimung zwischen Stegen undGurten entsprach nicht den da-maligen allgemein anerkanntenRegeln der Technik. Darüberhinaus ist die Herstellung dervertikalen Universalkeilzinken-stöße der Stegplatten als schwie-rig und fehleranfällig anzusehen.Die Qualität der Leimfugen warunterschiedlich.

5. Verwendung von Leimen aufHarnstoffharzbasis

Die Hauptbinder des Dachtrag-werks wurden überwiegend un-ter Verwendung eines Harnstoff-Formaldehyd-Leims hergestellt.Die Verwendung dieses Leimsfür tragende Bauteile aus Holzwar, auch nach den damals gel-tenden technischen Regeln, nurin einem trockenen Umgebungs-klima zulässig.

Unbeheizte und nicht kli-matisierte Eissporthallen weisenfür feuchteempfindliche Bauteileund Baustoffe ein besonders kriti-sches Klima auf. Die relativeLuftfeuchtigkeit in solchen Hallenist in der Regel sehr hoch. Dieseheutigen Erkenntnisse über diekritischen Feuchtigkeitsverhält-

nisse in Eissporthallen waren imJahr 1972 noch nicht vorhanden,so dass die Verwendung vonHarnstoffharzleimen zur Verlei-mung der tragenden Holzbauteilenicht generell gegen den damali-gen Stand der Technik verstieß.Allerdings hätte wegen der dickenKlebefuge nach den zur Bauzeitgeltenden technischen Regeln fürdie Verbindungen von Gurten undStegen anstatt des spröden Harn-stoffharzleims ein wesentlich ela-stischerer Resorzinharzleim ver-wendet werden müssen.

Durch die über Jahre hin-weg auftretende Feuchtebeanspru-chung in der Eissporthalle wurdendie mit Harnstoffharzleimen aus-geführten Verbindungen der Dach-konstruktion erheblich geschädigt.Dies betraf vor allem die Stöße derUntergurte sowie, zum Teil, dieStöße der Obergurte und die Ver-leimung von Gurten und Stegen.An den Stößen der Untergurte warder Leim in Teilbereichen derartgeschädigt, dass er bis in eine Tie-fe von 5 cm bis 8 cm keine Haf-tung mehr hatte.

6. Überwachung, Überprüfungund Instandhaltung

Hinsichtlich der Überwachung,Überprüfung und Instandhaltungder Eissporthalle wird festge-stellt, dass die Ursachen der im-mer wieder auftretenden Lecka-gen der Dachhaut nicht dauerhaftbeseitigt wurden und dasswährend der Dauer der Hallen-nutzung kein Renovierungsan-strich der hölzernen Dachkon-struktion erfolgte. Ob derartigeMaßnahmen die feuchtigkeitsbe-dingte Schädigung der Leimver-bindungen der Dachkonstruktionwesentlich verzögert hätten,kann derzeit nicht abschließendbeantwortet werden.

Eine fachgerechte, wieder-holte Überprüfung der Standsi-cherheit der Dachkonstruktion istnicht dokumentiert. Dabei wäre zuberücksichtigen gewesen, dass es

Abb. 2: Querschnitt Dachbinder Eis-sporthalle Bad Reichenhall

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NACHRICHTEN

18Der Prüfingenieur Oktober 2006

sich um eine Sonderkonstruktionhandelte. Im Zuge derartiger Über-prüfungen wären schon vor JahrenAnzeichen für eine Schädigung derVerleimung zwischen Gurten undStegen sowie an den Stößen derUntergurte zu erkennen gewesen.Eine diesbezügliche Diagnose hät-te Veranlassung für eine vertiefteÜberprüfung des Zustands derTragkonstruktion des Hallendachsund der entsprechenden bautechni-schen Unterlagen geboten.

Fazit: Zusammenfassendwird in den Gutachten folgendesEinsturzszenario entwickelt: Dieinfolge von Defiziten der stati-schen Berechnung und konstrukti-ver Mängel unterhalb des norma-tiv Geforderten liegende globaleSicherheit der Dachkonstruktionvon deutlich weniger als 2,0 wur-de über die Standzeit der Eissport-halle durch klimatische Einflüsse,insbesondere durch die Ver-schlechterung der Qualität derLeimverbindungen an den Unter-gurten, stetig weiter reduziert, bises am 2. Januar 2006 – ausgelöstdurch die Schneelast – zum Ein-sturz der Halle kam. Nach den Er-kenntnissen der Sachverständigenging das Versagen von einem derdrei ostseitigen Hauptbinder aus.Durch die steifen, die Hauptbinderverbindenden Querträger wurdendie Lasten von dem versagendenBinder auf benachbarte Binderumgelagert. Diese bereits eben-falls vorgeschädigten Bauteilewurden damit überlastet, wodurchdas gesamte Dach reißverschluss-artig kollabierte.

II. Folgen

Die Folgen des Einsturzes derDachkonstruktion der Eissport-halle in Bad Reichenhall sowieder weiteren, im vergangenenWinter festzustellenden Einstür-zen von weitgespannten Kon-struktionen in Bayern zeigen imwesentlichen in drei Richtungen:

sie führten zu intensiven Be-ratungen der Bauaufsicht mit

dem Ziel, die Generalforderungder Bauordnungen der Länder,dass bauliche Anlagen so instandzu halten sind, dass die öffentli-che Sicherheit und Ordnung, ins-besondere Leben, Gesundheitund die natürlichen Lebens-grundlagen nicht gefährdet wer-den, deutlicher zur Geltung zubringen,

sie hatten umfangreiche Un-tersuchungen des Baubestandszur Folge,

sie thematisierten die Frage,ob das geltende technische Re-gelwerk ausreichende Angabenzur Bemessung von weit ge-spannten Konstruktionen unterhohen Schneelasten macht.

1. Hinweise für die Überprüfungvon Bauwerken

Die Befassung mit dem erstge-nannten Themenbereich in einerArbeitsgruppe bei der OberstenBaubehörde im BayerischenStaatsministerium des Innern re-sultierte in der Erarbeitung vonHinweisen für die Überprüfungder Standsicherheit von bau-lichen Anlagen durch denEigentümer/Verfügungsberech-tigten welche, neben der öffent-lich-rechtlichen Positionierungder darin enthaltenen Anforde-rungen, auch wesentliche techni-sche Erläuterungen gibt, wie bei-spielsweise:

Definition von Mindeststan-dards für die technische Doku-mentation von Bauwerken –Bauwerks- oder Gebäudebücher– welche auch in die Novellie-rung der Bauvorlagenverordnungaufgenommen werden sollten,

Klassifizierung der Gebäu-detypen auf der Grundlage desmöglichen, von der Konstruktionausgehenden Gefährdungspoten-zials,

Hinweise zur Erfassung desin der Regel nicht ausreichenddokumentierten Bauwerksbe-stands,

Hinweise für die Integrationvon Überprüfungs- und Überwa-chungsanforderungen bei Ent-wurf und Konstruktion von Neu-bauten,

Definition von Überwa-chungsstufen und Überwa-chungszyklen,

Hinweise zur Durchführungvon Überprüfungen,

Anforderungsprofile für denmit der Überprüfung Beauftrag-ten,

Hinweise zur Überprüfungspezieller Bauweisen.

Durch diese technischen Er-läuterungen werden die von derBauaufsicht als wesentlich erach-teten Schutzziele derartiger Über-wachungen und Überprüfungensubstanziiert. Sie besitzen, ent-sprechend ihrem Charakter alsHinweise, nicht in allen Aspektendie nötige Detaillierung, um denmit der praktischen UmsetzungBeauftragten ausreichend zu un-terstützen. Diese durchaus not-wendige technische Präzisierungwurde bewusst ergänzend zu erar-beitenden technischen Regelnüberlassen. Derzeit beschäftigtsich ein Richtlinienausschuss beimVDI mit diesem Thema – VDI-Richtlinie 6200 Überwachung,Prüfung und Instandhaltung vonBauwerken –. Wesentliche Teileder in Bayern erarbeiteten Hinwei-se für die Überprüfung der Stand-sicherheit von baulichen Anlagendurch den Eigentümer/Verfügungs-berechtigten wurden auch aufBundesebene in die Beratungen ei-nes entsprechenden Ausschussesder Bauministerkonferenz einge-bracht. Mit einer Veröffentlichungist im vierten Quartal dieses Jahreszu rechnen.

Mit der Veröffentlichungdieser Hinweise werden sich in er-heblichem Maß juristische Konse-quenzen entwickeln, da die Bau-aufsicht mit diesem Papier dezi-diert auf die mit der Überwa-chung, Überprüfung und Instand-

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NACHRICHTEN

19Der Prüfingenieur Oktober 2006

haltung von Bauwerken verbunde-nen Fragen hinweist und in ein-deutiger Weise Stellung zu denVerantwortlichkeiten des Eigentü-mers bzw. des Verfügungsberech-tigten von Bauwerken macht. Indiesem Zusammenhang wurde inder Arbeitsgruppe intensiv überdie notwendige Qualifikation dermit der Überwachung und Über-prüfung beauftragten Person dis-kutiert. Das vorgeschlagene drei-stufige Verfahren sieht in der End-stufe, das heißt, für die in der Re-gel circa alle zehn Jahre erforderli-che eingehende Überprüfung, eineQualifikation vergleichbar der ei-nes Prüfingenieurs für Baustatikvor. Dies ist auch folgerichtig undkonsequent, da sich jede qualifi-zierte Beurteilung von Tragwerkenzuerst an den wesentlichen kon-struktiven Randbedingungen undsomit an der Beurteilung und andem Abgleich von technischen In-formationen und vorhandenerBausubstanz orientieren muss. Ineiner weiteren Phase kann es dannsinnvoll sein, Sonderfachleute hin-zuzuziehen. Bewusst wurde beider Definition der Anforderungenan den Überprüfenden auf die per-sönliche Qualifikation abgestellt.Nur diese und nicht das Marken-zeichen einer eventuell hinter die-ser Person stehenden Organisationkann der Maßstab der Eignungsein.

Eine weitere öffentlich-rechtliche Konsequenz des Ein-sturzes der Dachkonstruktion derEissporthalle in Bad Reichenhallist die für den Freistaat Bayernneue Forderung, dass in Zukunftdas Vier-Augen-Prinzip auch aufdie Bauüberwachung ausgedehntwird. Dem mit der statisch-kon-struktiven Prüfung beauftragtenPrüfingenieur wird automatischauch die Bauüberwachung über-tragen.

2. Ergebnisse der Über-prüfungen von Hallen

Parallel zur Erarbeitung ergän-zender technischer Regeln wur-

den in großem Umfang hallenar-tige Gebäude einer ersten Über-prüfung unterzogen. Dabei stell-te sich, neben einer Vielzahlkleinerer, für eine Gefährdungder Standsicherheit nicht rele-vanter Mängel, in einzelnen Fäl-len heraus, dass erhebliche Defi-zite vorhanden sind. Abb. 3 undAbb. 4 zeigen entsprechendeBeispiele aus Holz- und Stahl-konstruktionen.

Beide Beispiele verdeutli-chen nachhaltig die Notwendigkeiteiner unabhängigen Überwachungund Überprüfung von Bauwerken,sowohl während der Planungs-und Bauphase, als auch währendder Nutzung der Gebäude. Insbe-sondere im Vorfeld von Nutzungs-oder Konstruktionsänderungensind derartige Maßnahmen uner-lässlich. Die in Abb. 3 und Abb. 4

dokumentierten Fehler zeigen aberauch, dass eine zuverlässige Ein-schätzung der mit diesen Fehlernverbundenen Risiken nur aufGrundlage einer belastbaren Be-standsdokumentation möglich ist,aus welcher die wesentlichenstrukturellen Anforderungen undEigenschaften ablesbar sein müs-sen. Unterlagen dieser Qualitätsind bei vielen bestehenden Bau-werken nur eingeschränkt vorhan-den.

3. Schneelastannahmen

Neben der öffentlich-rechtlichenKomponente der Diskussion zurÜberwachung, Überprüfung undInstandhaltung von Bauwerkenwurde, als Folge der Bauwerk-seinstürze des vergangenen Win-ters, die Frage aufgeworfen, in-wieweit die tatsächlichenSchneelastsituationen durch dieAngaben in der DIN 1055-5 zu-treffend erfasst werden. Wie wei-ter oben ausgeführt, waren dieSchneelasten, welche zum Versa-gen der Dachkonstruktion in BadReichenhall führten, nicht höherals die dem technischen Regel-werk für die Bemessung zu ent-nehmenden Lastansätze. Aller-dings wurde Ende Februar/An-fang März dieses Jahres, insbe-sondere in Ostbayern, das bisherder Ermittlung der Schneelastenzugrunde gelegte 30-Jahres Ex-tremum zum Teil deutlich über-schritten (Abb. 5).

Abb. 3: Unzureichende Knotenausbil-dung in einer Holzkonstruktion

Abb. 4: Unzureichender Diagonalenanschluss in einer Stahlkonstruktion

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NACHRICHTEN

20Der Prüfingenieur Oktober 2006

Ursächlich hierfür war un-ter anderem eine außergewöhnli-che Temperaturentwicklung vonMitte November 2005 bis MitteMärz 2006. Wie Abb. 6 zu ent-nehmen ist, das exemplarisch denVerlauf der durchschnittlichen Ta-gestemperatur am FlughafenMünchen für die Monate Novem-ber 2005 bis März 2006 wieder-gibt, lag die Durchschnittstempe-ratur in dieser Periode langanhal-tend unter dem Gefrierpunkt, sodass es nicht zu einem zwi-schenzeitlichen Abschmelzen vonSchnee und Eis kommen konnte.Eine Kumulation der Niederschlä-ge war damit nicht vermeidbar.Die ebenfalls in Abb. 6 aufge-nommenen Temperaturverläufefür die vorhergehenden Jahre zei-

gen für diesen Aspekt deutlichgünstigere Charakteristika.

Die an verschiedenen Stel-len erhobene Forderung nach einerDifferenzierung der Höhe derSchneelasten in Abhängigkeit desVerhältnisses von Eigengewichtder Dachkonstruktion zu Schnee-last ist im derzeit gültigen Nor-menkontext nicht zielführend, umdieses, zugegebenermaßen außer-gewöhnliche Niederschlagsprofilzutreffend zu berücksichtigen. Aufder Grundlage des durch die neueNormengeneration eingeführtenprobabilistischen Sicherheitskon-zepts kann dieses Problem nurdurch eine ausreichende statisti-sche Absicherung der Schneela-sten erfasst werden. Ist diese gege-

ben, führt die Anwendung desKonzepts der Teilsicherheitsfakto-ren zu ausreichenden Tragwerkssi-cherheiten. Dabei sind auch dieAuswirkungen moderner Bau-weisen, wie beispielsweise derEinsatz von hochwirksamenDämmstoffen zur Reduktion desEnergieverlusts und auch die Ten-denz zu immer größeren Hallen-konstruktionen im Industriebau zubeachten.

Fazit: Die Folgerungen, dieaus dem Einsturz der Dachkon-struktion der Eissporthalle in BadReichenhall zu ziehen sind, bele-gen nachhaltig die Bedeutung desVier-Augen-Prinzips und somit dieeiner unabhängigen statisch-kon-struktiven Prüfung und Bauüber-wachung durch die Prüfingenieurefür Baustatik für den Bestand unddie Werthaltigkeit unserer Infra-struktur. Belastbares Zahlenmate-rial zum wirtschaftlichen Volumendieser Infrastruktur ist nur schwerzu erhalten.

Schätzungen auf der Basisdes Bruttoanlagevermögens derdeutschen Volkswirtschaft zeigen,dass sich der Wert der gebautenInfrastruktur in der Bundesrepu-blik Deutschland im hohen ein-stelligen1000-Milliarden-Euro-Bereich bewegt. Ausgehend voneinem Instandhaltungsaufwandvon etwa 1,5 bis 2 Prozent dieserSumme pro Jahr zeigt sich die im-mense wirtschaftliche Bedeutungeiner qualitativ hochwertigen Pla-nung und einer entsprechendenÜberwachung und Überprüfungunserer Bauwerke. Diese ist nuraus einer von wirtschaftlichen In-teressen freien Position durch ent-sprechend qualifizierte Ingenieuremöglich, welche, vor dem Hinter-grund der damit verbundenenÜbernahme von großer Verant-wortung durch den Überprüfen-den, nicht zu einer allein nachwirtschaftlichen Gesichtspunktenverhandelbaren Masse degenerie-ren darf.

Dr.-Ing. Robert Hertle

Abb. 5: Schneelastsituation in Ostbayern Februar/März 2006

Abb. 6: Verlauf der Tagesmitteltemperaturen Flughafen München 2005/2006

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BAUDYNAMIK

21Der Prüfingenieur Oktober 2006

1 Einführung

1.1 Allgemein

Hänger von Stabbogenbrücken sind schlankeZugglieder zwischen dem Versteifungsträger unddem Bogen. Die Hängeranschlüsse werden überwie-gend geschweißt. Wind kann die Hänger zu Schwin-gungen anregen, die in Überlagerung mit den Bean-spruchungen aus Verkehr zum Verlust der Trag-fähigkeit oder zum Ermüdungsversagen führen kön-nen. Die hier dargestellten Regelungen* für einen er-müdungssicheren Hängeranschluss wurden für Rund-und Flachstahlhänger hergeleitet. Eine Übertragungauf andere Querschnittsformen kann erfolgen, hierzusind aber weitergehende Überlegungen bezüglich an-zusetzender Kraftbeiwerte, Wirklängen und nachzu-weisenden Frequenzbereichen notwendig.

1.2 Wirbelerregte Querschwingungen

Wirbelerregte Querschwingungen sind reso-nanzartige, winderregte Schwingungen. Sie tretenauf, wenn durch die Luftumströmung eines Bauteilsregelmäßige Wirbelablösungen in der Eigenfrequenzdes Bauteils stattfinden. Die Ablösefrequenz ist di-rekt proportional zur Windgeschwindigkeit. Die ma-ximale Amplitude entsteht bei der sogenannten „kri-tischen Windgeschwindigkeit“. Kármán hat 1912 die-ses Phänomen erstmals untersucht [1]. Durch dieWirbelablösung kommt es zu unsymmetrischenDruckverteilungen des umströmten Körpers, der so-mit zu Schwingungen senkrecht zur Anströmrichtungangeregt wird. Wirbelerregte Querschwingungenkönnen an Rund- und Flachstahlhängern sowie ande-ren Querschnittsformen auftreten. Ihre Amplitudenwerden durch die Dämpfung des Hängers begrenzt.Bei Hängern liegt die kritische Windgeschwindigkeitin der Regel deutlich unter 10 m/s, die vom natürli-

WinderregteHängerschwingungenan StabbogenbrückenBaupraktische Nachweismodelleund Empfehlungen fürermüdungsgerechtes Konstruieren

Der vorliegende Beitrag gibt dem praktisch täti-gen Ingenieur Rechenmodelle für Windschwin-gungen an Hängern von Stabbogenbrücken an dieHand. Sie lassen die jeweilige Wirkweise erkennenund eignen sich zur Ermittlung resultierender Be-anspruchungen. Die Nachweisformate sind derartkonzipiert, dass sie relativ einfach handhabbarsind. Für ein ermüdungsgerechtes Konstruierenwerden Empfehlungen gegeben.

Dr.-Ing. habil. K.G. SchützIngenieurbüro Dr.-Ing. Schütz,Beratende Ingenieure im Bau-wesen, Kempten; Prüfingenieurfür Baustatik (Metallbau undHolzbau); vaSV für Standsicher-heit; öbv Sachverständiger fürHolzbau, Stahlbau, Massiv-brückenbau und Baudynamik;

Prüfer für bautechnische Nachweise im [email protected]

Dipl.-Ing. R. EhmannReferatsleiter des BereichsMassivbau an der Bundesan-stalt für Wasserbau, Karlsruhe

[email protected]

Dipl.-Ing. M. GitterleMitarbeiter im IngenieurbüroDr.-Ing. Schütz, BeratendeIngenieure im Bauwesen,Kempten

[email protected] * Sie wurden zunächst in ersten Ansätzen für die TEB Hängeran-schluss [11] aufgestellt. Eine Arbeitsgruppe des BMVBS„Schwingungsanfällige Zugglieder im Brückenbau“ hat unter Be-teiligung der Verfasser eine Weiterentwicklung vorgenommen,darüberhinaus sind zusätzliche Untersuchungen der Verfasser imfolgenden Beitrag enthalten.

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22Der Prüfingenieur Oktober 2006

BAUDYNAMIK

chen Wind häufig erreicht wird. Somit treten wirbel-erregte Querschwingungen mit relativ hohen Last-wechselzahlen auf und müssen daher im Ermüdungs-nachweis untersucht werden [2].

1.3 Regen-Wind-induzierte Schwingungen

Regen-Wind-induzierte Schwingungen könnenbei relativ starkem Wind (etwa 8 bis 30 m/s) gepaartmit Regen an zylindrischen Bauteilen auftreten. InJapan wurden sie erstmals Mitte der 1980er Jahre alssolche identifiziert, worauf weltweit diese Schwin-gungen bei Schrägseil- und Stabbogenbrücken beob-achtet wurden. In Deutschland war dies unter ande-rem an den Hängern der Elbebrücke Dömitz der Fall[3]. Es wurden Regen-Wind-induzierte Schwingun-gen visuell beobachtet und Doppelspannungsampli-tuden bis 350 N/mm2 [4, 5] messtechnischerfasst.

Im Gegensatz zu wirbelerregtenQuerschwingungen handelt es sich beidiesem Phänomen um bewegungsindu-zierte Schwingungen, d.h. durch dieSchwingbewegung selber entstehen undvergrößern sich die schwingungsverursa-chenden Lasten. Auslöser sind die bei Re-gen ablaufenden Wasserrinnsale am Quer-schnitt, die infolge der Windwirkung und der Bewe-gung des kreisförmigen Zuggliedes um den Ablöse-punkt der Strömung oszillieren. Somit entstehenwechselweise unter- und überkritische Strömungsab-lösungen, die unsymmetrische Druckverteilungen amQuerschnitt hervorrufen und zu selbsterregtenSchwingungen in und quer zur Windrichtung führen.

Es gibt zu diesem relativ jungen Thema einerege Forschungsaktivität. Sie erfolgt in Deutschlandmit einer Vielzahl von Windkanalversuchen [6, 7, 8]und Langzeitmessungen an bestehenden Brücken [4,5, 6, 7, 8, 9, 10]. Die Erkenntnisse gingen in bauprak-tische Rechenmodelle ein [6, 8, 10, 11, 12]. Zusätz-lich wurden Regen-Wind-induzierte Schwingungendurch numerisches Lösen der zugrundeliegenden,nichtlinearen Differentialgleichungen rechnerisch ab-gebildet [13, 14, 15, 16, 17]. Auch hier wurden teil-weise Windkanalversuche zur Ermittlung der Erre-gerkraftbeiwerte durchgeführt.

Regen-Wind-induzierte Schwingungen tretenan Hängern von Stabbogenbrücken relativ selten auf.An der Elbebrücke Dömitz war dies z.B. während ei-ner halbjährigen Langzeitmessung einmal mit maxi-malen Amplituden der Fall [4, 5]. Ursache hierfür istdas notwendige Zusammentreffen der beschriebenenWitterungsverhältnisse. Die Maximalamplituden sindbegrenzt. Regen-Wind-induzierte Schwingungenstellen zum einen eine Ermüdungsgefährdung dar,

können aber andererseits durch das Auftreten von er-heblichen Maximalamplituden auch zu einer Gefähr-dung der Tragfähigkeit führen (Überschreiten derFließgrenze). Es ist somit ein Tragfähigkeits- und einErmüdungsnachweis notwendig.

1.4 Galloping

Galloping kann in Form von Biege- oder Torsi-onsschwingungen auftreten. Es handelt sich hierbeium aeroelastische Instabilitäten, d.h. ihr einmaligesAuftreten kann zum Versagen des Bauwerks führen.Sie kommen vorwiegend bei schlanken Stäben mitrechteckiger oder quadratischer Querschnittsformvor. Auch können Kreisprofile, ansonsten aeroela-stisch stabil, durch ungünstige Vereisung anfällig fürdieses Schwingungsphänomen werden.

Die Entstehung von Galloping-Biegeschwin-gungen für das Quadratprofil ist in Abb. 1 erläutert.Wird ein starrer Körper mit Quadratprofil schräg an-geströmt (a), stellt sich die Umfangsdruckverteilungnach (b) ein. Es liegt ein, nach unten gerichteter Sog-überschuss vor (c). Wird das Profil achsparallel miteiner Windgeschwindigkeit v angeströmt und bewegtsich gleichzeitig mit einer Geschwindigkeit y. nachunten, hat der resultierende Geschwindigkeitsvektorgegenüber der Achse eine Schräglage (d), der Strö-mungszustand entspricht (a). Bei einer Bewegungnach unten wird eine Kraft in Richtung der Bewe-gung geweckt, wodurch die Bewegung unterstütztwird, d.h. die Schwingung angefacht wird [18].

Galloping-Torsionsschwingungen entstehenprinzipiell durch den gleichen Mechanismus wie Gal-loping-Biegeschwingungen. Resultierende Kräfte ausunsymmetrischen Druckverteilungen greifen aller-dings versetzt zum Schwerpunkt an, womit ein Mo-ment entsteht, das Drehbewegungen (Torsion) her-vorruft. Dieses Phänomen tritt vor allem bei recht-eckigen Querschnitten auf, die in ihren Abmessungenwesentlich breiter als hoch sind.

Gallopingschwingungen an Hängern von Stab-bogenbrücken müssen aus dem oben genanntenGrund, dass sie bereits durch einmaliges Auftretenzum Versagen führen können, vermieden werden.Dies kann durch die Wahl von Querschnittsabmes-

Abb. 1: Gallopingschwingungen beim Quadratprofil [18]

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23Der Prüfingenieur Oktober 2006

BAUDYNAMIK

sungen erfolgen, die hierfür nicht anfällig sind. Auchkönnen sie ausgeschlossen werden, wenn die Wind-geschwindigkeit, bei der Galloping einsetzt, vomnatürlichen Wind nicht erreicht werden kann.

1.5 Verkehrsinduzierte Beanspruchungen

Durch Verkehrüberfahrten entstehen an Hän-gern von Stabbogenbrücken Spannungsschwingbrei-ten, die sie ermüdungsrelevant beanspruchen. Sie tre-ten, mit Ausnahme von tageszeitlichen Schwankun-gen, über die gesamte Lebensdauer eines Bauwerksauf. Die Schädigung geschieht folglich durch einehohe Anzahl von Lastwechseln. Auch ist damit einZusammentreffen mit wirbelerregten Querschwin-gungen, die, wie erläutert, häufig vorkommen, sehrwahrscheinlich. Bezüglich der schädigungsrelevantenDoppelspannungsamplituden sind diese Beanspru-chungen immer gemeinsam zu betrachten [19, 20].

2 Derzeitige normativeRegelung

Für den Brücken- und Ingenieurbau erfolgtemit dem ARS Nr. 8/2003 die Umstellung auf europäi-sche Regelungen (Eurocodes), bzw. die DIN-Fachbe-richte. Für die Hänger von Stabbogenbrücken sinddie DIN-FB 101 [21] und 103 [22] samt den Hinwei-se in den zugehörigen ARS des BMVBS maßgebend.

Nach [23] ist der Hängeranschluss durch dieFormgebung und die Schweißnahtausbildung im De-tail ermüdungsgerecht zu konstruieren, in der Regelsind Hänger mit kreisförmigem Querschnitt zuwählen. Empfehlungen für günstige Querschnittsver-hältnisse zur Vermeidung schädlicher winderregterSchwingungen sind in Tabelle II-5.10.1 [22] gegeben.Der Ermüdungsnachweis ist nach [22] als Dauerfe-stigkeitsnachweis auf einem Niveau von zwei Millio-nen Lastwechseln zu führen (Kapitel II, Abschnitt 9).Die wirksame Spannungsschwingbreite ∆σ ist dabeimit den Einwirkungen aus Verkehr zu bestimmen[23], ein rechnerischer Ermüdungsnachweis fürWindeinwirkungen darf entfallen [23]. Nach [22]sind Untersuchungen der Hänger auf wirbelerregteQuerschwingungen, Gallopingschwingungen undRegen-Wind-induzierte Schwingungen durchzu-führen (Abs. 5.10.3). Jedoch werden keine Hinweisezu möglichen Berechnungsverfahren gegeben.

Für die Berechnung wirbelerregter Quer-schwingungen kann auf DIN 1055-4 [24] und DIN VENV 1993-2 [25] zurückgegriffen werden. Beispiel-rechnungen [26] zeigen, dass mit diesen Rechenansät-zen der Betriebsfestigkeitsnachweis auf Grund der ho-

hen anzusetzenden Lastwechselzahl nicht zu führenist, sobald die Doppelspannungsamplitude auch nurgeringfügig über dem Schwellenwert der Ermüdungs-festigkeit liegt. Das vom Schornsteinbau übernomme-ne Rechenmodell für wirbelerregte Querschwingun-gen ist somit für schlanke Zugglieder nicht geeignet.

Nach [22] sind Hänger mit Kreisquerschnittauf Regen-Wind-induzierte Schwingungen zu unter-suchen, sofern die Eigenfrequenz kleiner 7 Hz ist. Esist dann experimentell nachzuweisen, dass die vor-handene Dämpfung größer als die Grenzdämpfungist, mit der eine schädigende Wirkung vermiedenwerden kann. Die Bestimmung der Grenzdämpfungist nicht geregelt.

Es ist somit zusammenfassend festzustellen,dass die DIN-Fachberichte weder Rechenansätze fürwinderregte Schwingungen noch entsprechendeNachweisformate (Tragfähigkeitsnachweis, Ermü-dungsnachweis) enthalten und damit für die prakti-sche Anwendung nur bedingt geeignet sind.

3 Entwurfsgrundsätzefür Bauwerke

3.1 Querschnitte der Zugglieder

Nachdem sowohl an Rundstahl- als auch anFlachstahlhängern [19, 27] bemessungsrelevantewinderregte Schwingungen auftreten können, ist eineBevorzugung eines Hängertyps („rund“ oder „flach“)nicht möglich.

3.2 Konstruktive Empfehlungen zur Anschluss-geometrie von Rundstahlhängern

Das ermüdungsgerechte Konstruieren muss imVordergrund stehen, die rechnerischen Nachweiseselbst sollen die Formfindung bestätigen. Die Kno-tenblechdicke sollte gering sein, um einer Gelenk-wirkung möglichst nahe zu kommen. Gleichzeitigsollte der Rundstahlhänger in einem größeren Ab-stand (freie Knotenblechhöhe lf) vom Versteifungs-träger/Querträger bzw. Bogen beginnen. Das Kno-tenblech muss ausgerundet auslaufen und in Abhän-gigkeit der Hängerlänge ausreichend groß sein. Hier-durch werden ein günstiger Kerbfall und ein bereitsdeutlich abgemindertes Biegemoment am Knoten-blechende erreicht. Die Optimierung der Hängeran-schlussbleche muss bereits im Entwurfsstadium ei-ner Bogenbrücke erfolgen, um die gestalterischenAspekte mit den statischen Notwendigkeiten in Ein-klang zu bringen. Folgende geometrische Empfeh-lungen haben sich im Rahmen der Entwurfsplanungbewährt (Abb. 2) [28]:

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24Der Prüfingenieur Oktober 2006

BAUDYNAMIK

Hängerradius: (F1)

Knotenblechdicke: t = 0,5 · R (F2)

Breite auf Höhe Freischnitt: (F3)

Einbindelänge: (F4)

Maximale Blechbreite: bu = 1,5 · (b* + 2 · R)(F5)

Außenradius:

(F6)

Freie Knotenblechhöhe: lf = 0,45 · le (F7)

mit Nmax = maximale Hängernormalkraft im Grenz-zustand der Tragfähigkeit aus den stän-digen Bemessungssituationen (γF-facheLasten, ohne Hängerausfall) nach DINFB

σ, σnetto und τ = Spannungswerte nachTabelle 1

Für eine Ermittlung nach den„alten“ Normen kann die maximaleNormalkraft im Hänger im Lastfall H(Eigengewicht und Verkehrslast) zurBerechnung des Knotenblechs heran-gezogen werden.

Die Verwendung von Feinkorn-baustahl S460 führt zu einem deutlichkleineren Knotenblech und zu einemgeringeren Hängerdurchmesser. Dieswirkt sich tendenziell positiv auf dieErmüdungsanfälligkeit bezüglich Ver-kehr und wirbelerregten Querschwin-gungen aus.

Der Einsatz von S235 als Mate-rial der Hänger und der Anschlussble-che ist, auf Grund der dann erforderli-chen größeren Hängerdurchmesser und

dickeren Knotenbleche, hinsichtlich der Ermüdungs-gefährdung nachteilig.

Ein Hängeranschluss am Bogen ist exempla-risch in Abb. 3 dargestellt. Auftretende Beanspru-chungen mit ermüdungsrelevanten Stellen sind einge-zeichnet, in Abb. 4 ist die konstruktive Ausbildungim Detail (Detail A) angegeben.

3.3 Konstruktive Empfehlungen fürQuerschnittsabmessungen von Flach-stahlhängern

Es wird empfohlen, Flachstahlhänger mit ei-nem Abmessungsverhältnis der Seiten von 3,0 ≤ b/d≤ 5 zu konstruieren [28] (Abb. 5).

Für Hänger mit kleineren Verhältnissen (< 3,0)sind Galloping-Biegeschwingungen bereits bei niedri-gen Windgeschwindigkeiten zu erwarten [28], womitfür eine solche Ausbildung in jedem Fall Gegenmaß-nahmen ergriffen werden müssten. Galloping-Torsi-onsschwingungen können etwa ab b/d ≥ 3 auftreten,wobei die Einsetzgeschwindigkeit für größer werden-de Verhältnisse abnimmt. Aus diesem Grund sollte b/d≤ 5 gewählt werden. Auch die rechnerischen Bean-spruchungen aus wirbelerregten Querschwingungenwerden dann minimiert [28].

3.4 Steifigkeit desHaupttragwerkes vonBogenbrücken

Versteifungsträger undQuerträger sollten eine ausrei-chende Biegesteifigkeit auf-weisen, damit die Endtangen-tenverdrehungen der Hänger-

Abb. 2: Geometrie des Hängeranschlussbleches

σ⋅π= maxN

R

N*b

netto

max

σ=

t2

Nl maxe ⋅τ⋅

=

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅+⋅= *b25,0

*b

l9,1r

2e

σ [N/mm2] σnetto [N/mm2] τ [N/mm2]Hängernormalkraft nachDIN FB für S355 190 175 60Hängernormalkraft nach „altenNormen“ für S355 (zul. σ-Konzept) 130 120 40Hängernormalkraft nachDIN FB für S460 240 225 80

Tabelle 1: Spannungswerte zur Ermittlung der Hängeranschlussgeometrie [28]

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25Der Prüfingenieur Oktober 2006

BAUDYNAMIK

anschlüsse infolge Verkehrslasten begrenzt bleiben.Vorteilhaft kann sich eine erhöhte Torsionssteifigkeitdes Versteifungsträgers (Hohlkasten) auswirken. DieKonstruktionshöhe der Versteifungsträger sollte mithk ≥ L/50 gewählt werden.

4 Bemessungsregeln fürRundstahlhänger

4.1 Wirbelerregte Querschwingungen

4.1.1 Quertriebslast für dynamische Berechnung

(R1) Die Nachweise für wirbelerregte Querschwin-gungen sind für kreisförmige Hänger nur fürEigenfrequenzen fi < 10 Hz zu führen [11, 29].

(R2) Die dynamische Quertriebslast für den Nach-weis wirbelerregter Querschwingungen für Ei-genfrequenzen fi < 10 Hz ist wie folgt zu er-mitteln [29]:

(F8)

mit: 0,7 = Erregerkraftbeiwert für Kreis-zylinder

vcrit,i = kritische Windgeschwindigkeitder jeweiligen Eigenform

(F9)

D = Hängerdurchmesser [m]

fi = Eigenfrequenz [Hz] der jeweili-gen Eigenform unter Berücksich-tigung der Hängernormalkraft in-folge Eigengewicht (ständigeEinwirkungen auf Gebrauchs-tauglichkeitsniveau, γF = 1,0)

δ = logarithmisches Dämpfungsde-krement

St = Strouhalzahl (St = 0,20 fürKreiszylinder)

kF,i = Faktor zur Berücksichtigung ei-ner kontinuierlichen Abnahmeder Erregerkraft bei steigendenEigenfrequenzen nach (R3)

Abb. 3: Konstruktionszeichnung für den oberen Hänger-anschluss

Abb. 4: Detail A

Abb. 5: Abmessungsver-hältnisse für Flachstahl-hänger

]m/kN[k1600

vD7,0q i,F

2i,crit

dyn ⋅δπ⋅⋅⋅=

]s/m[St

Dfv i

i,crit⋅

=

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26Der Prüfingenieur Oktober 2006

BAUDYNAMIK

(R3) Der Faktor kF errechnet sich zu:

kF,i = 1 für fi < 7 hz (F10)

für 7 ≤ fi < 10 Hz (F11)

Nach [29] liegt die Frequenzgrenze für dasAuftreten von wirbelerregten Hängerschwin-gungen bei 7 Hz. Dies bedeutet eine abrupte,nicht realistische Abnahme der Erregerkraftauf 0 für Eigenfrequenzen > 7 Hz. Mit demFaktor kF wird baupraktisch eine kontinuierli-che Abnahme der Erregerkraft berücksichtigt.

(R4) Das logarithmische Dämpfungsdekrement istbei rechnerischen Nachweisen zu δ = 0,0015anzunehmen. Dieser Rechenwert darf als Min-destwert der Dämpfung verwendet werden,auch wenn sich durch eine etwaige Messungam Originalbauwerk (nach dem Aufbringendes Fahrbahnbelages und der Geländermonta-ge) ein geringerer Wert ergibt. Er ist begründetdurch den Aufschwingvorgang. Dieser dauertaufgrund der niedrigen Dämpfung sehr lange,womit eine Abschwächung durch Windturbu-lenzen oder sonstige Einflüsse (z.B. Verkehr)sehr wahrscheinlich ist.

(R5) Die Quertriebslast qdyn ist als konstante Ein-wirkung auf eine Wirklänge von Lw = 24 · D inden Schwingungsmaxima der Eigenformen an-zusetzen (Abb. 6). Der Wert ist an Hand vonLangzeitmessungen an Stabbogenbrücken be-gründet [19, 30].

(R6) Die Biegemomente werden unter Berücksichti-gung der Hängernormalkraft infolge Eigenge-wicht (Gebrauchstauglichkeitsniveau, γF = 1,0)nach der Eigenformmethode dann jeweils füreine Eigenform berechnet.

(R7) Ist eine dynamische Berechnung mit einerBaudynamik-Software vorgesehen, so ist dieQuertriebslast als zeitabhängige Belastung wiefolgt aufzubringen:

(F12)

Der Berechnungszeitraum muss ausreichendlang gewählt werden, so dass der Einschwing-vorgang beendet ist, d.h. die maximale Ampli-tude erreicht ist.

(R8) Die Doppelspannungsamplitude berechnet sichzu:

(F13)

Die Berechnungen sind in und quer zur Bogen-ebene durchzuführen. Bei mehreren Eigenfrequenzenunter 10 Hz sind alle zu diesen Eigenfrequenzen zu-gehörige Eigenformen zu betrachten (siehe Abb. 6).Die Lasteinflusslänge von 24 · D gilt für ein Nach-weisniveau von 2 · 106 Lastwechseln.

3

ii,F f

7k ⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛

=

]m/kN[k)tf2(sin1600

vD7,0)t(q i,Fi

2i,crit ⋅⋅π⋅⋅⋅=

W

Mmax2Wind

⋅=σ∆

Abb. 6: Lastmodell für Quertriebslasten

4.1.2 Statisches Ersatzverfahren

(R9) Für eine statische Berechnung kann die Quer-triebslast für einen Kreisquerschnitt abwei-chend von (R2) nach Erfüllung von (R1) nachfolgenden Formeln ermittelt werden [20]:

qstat = 1,10 ·D · vcrit,i · kF,i [kN/m] (F14)

Im Lastansatz ist ein dynamischer Anpas-sungsfaktor von 1,20 für die Abweichung zwi-schen dynamischer und statischer Berech-nung, der Mindestwert für die Dämpfung nach(R4) und der Erregerkraftbeiwert für Kreiszy-linder enthalten.

(R10) Die Regel (R5) der dynamischen Berechnungist anzuwenden.

(R11) Die Biegemomente sind in einer statischenBerechnung nach Theorie II. Ordnung unterBerücksichtigung der Anschlussgeometrie desZugglieds zu ermitteln.

(R12) Wird durch eine Messung am Originalbau-werk ein logarithmisches Dämpungsdekre-ment δmess > 0,0015 ermittelt, so darf dieQuertriebslast qstat linear reduziert werden:

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27Der Prüfingenieur Oktober 2006

BAUDYNAMIK

(R15) Der Faktor kV,i wird wie folgt berechnet:

kV,i = 1 für vcrit,i ≤ 20 m/s (F18)

für 20 m/s < vcrit,i <30 m/s(F19)

Die Abminderung erfolgt dabei analog zu[32]. Sie berücksichtigt baupraktisch die Ab-nahme der Erregerkraft für kritische Windge-schwindigkeiten über 20 m/s.

(R16) Das logarithmische Dämpfungsdekrementdarf bei rechnerischen Nachweisen zu δ =0,0015 angenommen werden, auch wenndurch Messungen am Originalbauwerk einniedrigerer Wert ermittelt wird. Dies ergibtsich aus dem positiven Einfluss der aerodyna-mischen Dämpfung, die insbesondere bei ho-hen Windgeschwindigkeiten und großenSchwingamplituden ausgeprägt ist.

(R17) Für Hänger mit einem Neigungswinkel größer87° ist ein Mindesterregerkraftbeiwert von 0,1zur Berücksichtigung einer möglichen, verti-kalen Windkomponente anzusetzen.

(R18) Die Quertriebslast qdyn ist als konstante Ein-wirkung auf eine Wirklänge von 0,27 · L [10](L = Hängerlänge) nach Abb. 6 jeweils inden Schwingungsmaxima der betrachteten Ei-genform anzusetzen. Die Biegemomente wer-den nach der Eigenformmethode unter Be-rücksichtigung der Hängernormalkraft infolge

für d mess > 0,0015 (F15)

4.2 Regen-Wind-induzierte Schwingungen

4.2.1 Quertriebslast für dynamische Berechnung

(R13) Regen-Wind-induzierte Schwingungen kön-nen bei kreisförmigen Zuggliedern mit einerGrundfrequenz f < 6,5 Hz und einer Windge-schwindigkeit bis etwa 30 m/s [13] auftretenund zu Schwingungsamplituden führen, wel-che die Lebensdauer erheblich beeinträchtigenkönnen. Geneigte Hänger sind dabei beson-ders anfällig für dieses Phänomen [6, 8]. Je-doch können Regen-Wind-induzierte Schwin-gungen auch bei vertikalen Hängern vorkom-men [13]. Liegen ihre Eigenfrequenzen unter6,5 Hz, so sind nachfolgend dargestellte rech-nerische Untersuchungen notwendig, die inder Regel zu dämpfungserhöhenden Maßnah-men führen. Bei vertikalen Hängern genügtzunächst eine Beobachtung des Bauwerks beikritischen Wetterbedingungen (mittelschwererbis starker Regen in Verbindung mit kräftigemWind). Sollten dabei deutlich wahrnehmbareHängerschwingungen festgestellt werden,sind ebenfalls weitergehende Untersuchungennach den folgenden Regeln notwendig.

(R14) Die Quertriebslast für die Berechnung der ma-ximalen Beanspruchungen infolge Regen-Wind-induzierter Schwingungen für Eigenfre-quenzen f < 6,5 Hz und Windgeschwindigkei-ten bis 30 m/s ist wie folgt anzusetzen [28]:

(F16)

mit: vcrit,i = kritische Windgeschwindigkeit der jeweiligen Eigenform[31]

vcrit,i = 73,5 · D · fi0,6 [m/s] (F17)

η = 1,13 · 10-5 (teilempirischerWert)

fi = Eigenfrequenz der jeweiligenEigenform [Hz], wie (R2)

D = Hängerdurchmesser [m]

δ = logarithmisches Dämpfungs-dekrement

kv,i = Faktor zur Berücksichtigungeiner kontinuierlichen Abnah-me der Erregerkraft für Wind-geschwindigkeiten über 20 m/snach (R15)

c = Erregerkraftbeiwert nach Abb.7, windrichtungsunabhängig stat

mess

*stat q

0015,0q ⋅

δ=

]m/kN[kvcq i,V2

i,critdyn ⋅δπ⋅⋅η⋅=

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Neigungswinkel α [°]

0,1

0

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

Err

eger

kraf

tbei

wer

t c

Abb. 7: Erregerkraft-beiwert c mit Definitiondes Neigungswinkels α[20]

10

v30k i,crit

i,V−

=

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BAUDYNAMIK

28Der Prüfingenieur Oktober 2006

Eigengewicht (Gebrauchstauglichkeitsniveau,γF = 1,0) berechnet.

(R19) Beim Einsatz von Baudynamiksoftware ist dieQuertriebslast in Analogie zur Formel für wir-belerregte Querschwingungen (F12) zu ermit-teln.

(R20) Die maximale Spannungsamplitude aus Re-gen-Wind-induzierten Schwingungen berech-net sich zu

(F20)

Die Berechnungen sind in und quer zur Boge-nebene durchzuführen. Es handelt sich hier um einNäherungsverfahren, das wesentliche Einflusspara-meter aus [6, 8, 12, 10, 24] enthält. Für geringereHängerdurchmesser als etwa 70 mm sind niedrigereErregerkraftbeiwerte zu erwarten. Hierzu werden ander RWTH Aachen Untersuchungen stattfinden.

4.2.2 Statisches Ersatzverfahren

(R21) Die statische Quertriebslast ist für Regen-Wind-induzierte Schwingungen unter Beach-tung von (R13) wie folgt zu ermitteln:

(F21)

Der dynamische Anpassungsfaktor und derMindestwert für die Dämpfung gemäß (R16)sind im Lastansatz enthalten.

(R22) Die Eingangsparameter sind dabei identischzu 4.2.1, ebenso die Wirklänge und der Erre-gerkraftbeiwert. Die Biegemomente werdenstatisch berechnet.

(R23) Die Regel (R12) darf angewendet werden.

4.3 Galloping

Für Rundstahlhänger sind im Regelfall keineUntersuchungen hinsichtlich Galloping notwendig.Eisbildung am Hänger kann aber zu einer aerodyna-mischen Instabilität führen.

4.4 Verkehrsinduzierte Beanspruchungen

(R24) Es sind die ermüdungswirksamen Einwirkun-gen nach DIN-FB 101 anzusetzen.

Bei der Ermittlung der ermüdungswirksamenDoppelspannungsamplituden sind die Einflüsse ausTheorie II. Ordnung zu berücksichtigen.

.W

MmaxWindgenRe =σ −

]m/kN[kD

1vc0283,0q i,V

2i,critstat ⋅⋅⋅⋅=

4.5 Nachweiskonzept

4.5.1 Verkehr und wirbelerregte Querschwingungen

Der Ermüdungsnachweis kann nach DIN-FB103, Kapitel II, Abschnitt 9 (Werkstoffermüdung) alsDauerfestigkeitsnachweis auf einem Niveau von N =2 · 106 Lastwechsel geführt werden. Die Umrechnungder Spannungen vom Dauerfestigkeitsniveau von 5 ·106 Lastwechsel nach EC 3 auf das Nachweisniveauvon 2 · 106 Lastwechsel erfolgt durch den Anpas-sungsbeiwert λ1 (DIN-FB 103, II – 9.5.2 bzw. 9.5.3)bzw. durch die einzusetzende Wirklänge von 24 · Dbei der Wirbelerregung. Es gelten folgende zusätzli-che Regelungen:

Für Ermüdungsnachweise sind die Hänger alsHaupttragelement nach DIN-FB 103, Abschnitt II-9.3 einzustufen.

Die Doppelspannungsamplituden aus Verkehrund wirbelerregten Querschwingungen sind mit 1,0-fachem Wert zu addieren. Sind mehrere Eigenformenzu berücksichtigen, so sind sie einzeln mit der Ver-kehrsbeanspruchung zu überlagern [11]. Das Nach-weisformat lautet damit:

∆σVerkehr + ∆σWind ≤ ∆σC/γMf . (F22)

mit: ∆σc = Grenzwert der Ermüdungsfestigkeitbei 2 Mio. Spannungsspielen

γMf = Teilsicherheitsbeiwert für den Ermü-dungswiderstand

Für eine konstruktive Durchbildung des Hän-gers nach den Empfehlungen in Abschnitt 3.2 wirdder Schnitt 1 für die Biegung in Knotenblechebeneund der Schnitt 2 für die Biegung senkrecht zur Kno-tenblechebene nach Abb. 8 maßgebend [28]. Von denEmpfehlungen abweichende Abmessungen, insbe-sondere eine größere Knotenblechdicke, können im

Abb. 8: Maßgebende Schnitte für die Nachweise

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BAUDYNAMIK

29Der Prüfingenieur Oktober 2006

Lochbereich zu ermüdungsrelevanten Doppelspan-nungsamplituden führen (Schnitt 3), die dann in dieNachweisführung einzubeziehen sind.

Die Doppelspannungsamplituden können beiEinhaltung der geometrischen Empfehlungen amStabmodell mit abgestuften Steifigkeiten (Abb. 2) er-rechnet werden. Im Schnitt 2 kann die volle Blech-breite als mitwirkende Breite zur Berechnung vonQuerschnittsfläche und Widerstandsmoment ange-setzt werden.

Ist der Ermüdungsnachweis nicht erfüllt, sollteder Hängeranschluss optimiert werden. Gegebenen-falls (insbesondere bei Brücken im Bestand) ist aucheine Dämpfungserhöhung entsprechend Abschnitt 6zweckmäßig.

4.5.2 Regen-Wind-induzierte Schwingungen

4.5.2.1 Tragsicherheitsnachweis

Spannungen aus Regen-Wind-induziertenSchwingungen können zum Erreichen der Fließgren-ze im Stahl führen und dadurch die Standsicherheitdes Bauwerks durch Auftreten eines Einzelereignis-ses beeinträchtigen. Der Tragsicherheitsnachweis istdaher wie folgt zu führen [28]:

σG + σQ + σRegen-Wind ≤ fy,k/γM (F23)

mit: σG = Normalspannung infolge derHängernormalkraft durch ständi-ge Lasten (außergewöhnlicheBemessungskombination,γF = 1,0)

σQ = Normalspannung infolge derHängernormalkraft durch Ver-kehrslasten (außergewöhnlicheBemessungskombination,γF = 1,0)

σRegen-Wind = Spannung aus Regen-Wind-indu-zierten Schwingungen nach(R20)

fy,k = Streckgrenze des Stahls

γM = Teilsicherheitsbeiwert Stahl

4.5.2.2 Ermüdungsnachweis

Der Ermüdungsnachweis ist in Form einesDauerfestigkeitsnachweises zu führen [28]:

kH,i ·∆σRegen-Wind ≤ ∆σC/γMf . (F24)

mit: kH,i = Abminderungsfaktor zur Bestim-mung der äquivalenten Doppel-spannungsamplitude nach (R25)

∆σRegen-Wind = Doppelspannungsamplitudeaus Regen-Wind-induziertenSchwingungen

∆σRegen-Wind = 2 · σRegen-Wind [N/mm2] (F25)

∆σRegen-Wind = Spannung nach (F20)

∆σc = Grenzwert der Ermüdungsfe-stigkeit bei 2 Mio. Spannungs-spielen

γMf = Teilsicherheitsbeiwert für denErmüdungswiderstand

(R25) Der Abminderungsfaktor kH berücksichtigtdie Häufigkeit des Auftretens von Regen-Wind-induzierten Schwingungen hinsichtlichder äquivalenten Schädigung für den Dauer-festigkeitsnachweis. Er wird wie folgt be-rechnet:

(F26)

mit: fi = Eigenfrequenz der jeweiligen Ei-genform [Hz], siehe (R14)

vcrit,i = kritische Windgeschwindigkeit[m/s] nach (F17)

Die Formel ist an den Messwerten der Elbe-brücke Dömitz geeicht und berücksichtigt dieWeibullverteilung der Windgeschwindigkeiten[28].

4.5.2.3 Dämpfungserhöhung

Bei der Ermittlung der erforderlichen Min-destdämpfung für Regen-Wind-induzierte Schwin-gungen kann der Tragsicherheits- oder der Dauerfe-stigkeitsnachweis maßgebend werden.

Wird einer der Nachweise nicht erfüllt oderwerden Regen-Wind-induzierte Schwingungen beob-achtet (siehe (R13)), so kann durch die Berechnungeine erforderliche Mindestdämpfung erf. δ ermitteltwerden mit dem Ziel, dass die Fließgrenze nichtüberschritten bzw. die ertragbare Spannungsschwing-breite eingehalten wird. Diese Dämpfung ist dann amfertigen Bauwerk durch Messungen zu überprüfen. Inden überwiegenden Fällen wird allerdings die gemes-sene Dämpfung geringer als die erforderliche Min-destdämpfung sein. Dann müssen dämpfungser-höhende Maßnahmen wie Seilverspannungen oderdynamische Schwingungsdämpfer vorgesehen wer-den (siehe Abschnitt 6).

1ef218k i,critv35,033,0ii,H ≤⋅⋅= ⋅−

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BAUDYNAMIK

30Der Prüfingenieur Oktober 2006

5 Bemessungsregeln fürFlachstahlhänger

5.1. Wirbelerregte Querschwingungen

5.1.1 Quertriebslast für dynamische Berechnung

(R26) Quertriebslasten aus wirbelerregten Quer-schwingungen sind für Flachstahlhänger fürdiejenigen Schwingungsformen anzusetzen,deren Eigenfrequenzen fi < 10 Hz betragen.

Die durch die Quertriebslast entstehendeSchwingung stellt sich dabei senkrecht zurWindrichtung ein (Abb. 9).

(R27) Die dynamische Quertriebslast für den Dauer-festigkeitsnachweis wirbelerregter Quer-schwingungen für Eigenfrequenzen fi < 10 Hzist wie folgt zu ermitteln:

(F27)

mit: clat= Erregerkraftbeiwert für Recht-eckquerschnitte nach Abb.10

vcrit,i = kritische Geschwindigkeit derjeweiligen Eigenform

(F28)

b = Profilhöhe [m] senkrecht zurWindrichtung nach Abb. 9

fi = Eigenfrequenz [Hz] der jeweili-gen Eigenform, wie (R2)

δ = logarithmisches Dämpfungsde-krement

St = Strouhalzahl für Rechteckquer-schnitte nach Tabelle 2

kF,i = Abminderungsfaktor nach (R3)

kT,i = Abminderungsfaktor zur Berück-sichtigung der Turbulenz nach(R28)

kH,i = Abminderungsfaktor zur Berück-sichtigung der Häufigkeit nach(R29)

Abb. 9: Abmessungs-verhältnisse fürwirbelerregte Quer-schwingungen

]m/kN[kkk1600

vbcq i,Hi,T1,F

2i,crit

latdyn ⋅⋅⋅⋅⋅=

]s/m[St

bfv i

i,crit⋅

=

0 1 2 3 4 5 6 7 8Abmessverhältnis b/d

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

Err

eger

kraf

tbei

wer

t c l

at

Abb. 10: Erregerkraftbeiwert clat in Abhändigkeit vom Ab-messungsverhältnis b/d

(R28) Der Faktor kT,i wird wie folgt bestimmt [28]:

kT,i = 1,0 für vcrit,i ≤ 8 m/s (F29)

für vcrit,i > 8 m/s. (F30)

Die Reduzierung der Quertriebslast für kriti-sche Windgeschwindigkeiten über 8 m/s re-sultiert aus der zunehmenden Turbulenz unddamit abnehmenden Anregung für steigendeWindgeschwindigkeiten. Der Faktor geht auseiner ingenieurmäßigen Betrachtung hervor,eine genauere Untersuchung wird stattfinden.

(R29) Der Faktor kH,i wird wie folgt bestimmt [28]:

(F31)

mit: fi = Eigenfrequenz der jeweiligenEigenform [Hz], siehe (R27)

vcrit,i = kritische Windgeschwindigkeit[m/s] nach (F28)

Die Formel ist an den Messwerten Eisenbahn-brücke Vahldorf geeicht und berücksichtigtdie Weibullverteilung der Windgeschwindig-keiten [28] für den Dauerfestigkeitsnachweis.

(R30) Das logarithmische Dämpfungsdekrement istbei rechnerischen Nachweisen nach (R4) zuδ = 0,0015 anzunehmen.

(R31) Die Quertriebslast qdyn ist als konstante Ein-wirkung auf eine Wirklänge Lw = 24 · d (bzw.Lw = 24 · b bei b < d) in Analogie zu Abb. 6 inden Schwingungsmaxima der Eigenformenanzusetzen.

Abmessungsverhältnis b/d 0,1 0,2 0,285 0,34 bis 0,5 1 bis 8

Strouhalzahl St 0,09 0,11 0,15 0,06 0,12

Tabelle 2: Strouhalzahl in Abhängigkeit vom Abmessungsverhält-nis b/d [24] (Zwischenwerte dürfen interpoliert werden)

3

i,criti,T v

8k ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛=

1ef12,1k2

i,critv01,0ii,H ≤⋅⋅= ⋅−

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31Der Prüfingenieur Oktober 2006

(R32) Die Biegemomente werden unter Berücksich-tigung der Hängernormalkraft infolge Eigen-gewicht (Gebrauchstauglichkeitsniveau, γF =1,0) nach der Eigenformmethode dann jeweilsfür eine Eigenform berechnet.

(R33) Erregerkraftbeiwerte für weitere Querschnitts-formen (Kreuzprofile, Rechtecke mit abgerun-deten Kanten) können nach [33] bestimmtwerden.

(R34) Bei einer Einhaltung der geometrischen Emp-fehlungen nach Abschnitt 3.3 und einer ent-sprechenden kerbgünstigen Ausbildung derHängeranschlussbleche führen wirbelerregteQuerschwingungen um die schwache Achse inder Regel nicht zu Problemen hinsichtlich derDauerfestigkeit [28]. Zudem ergeben sich fürAnströmungen auf die schmale Seite nach[33] teilweise geringere Erregerkraftbeiwerteals in Abb. 10 gegeben.

(R35) Ist eine dynamische Berechnung mit einerBaudynamik-Software vorgesehen, so ist dieQuertriebslast in Analogie zu den Rundstahl-hängern (F12) aufzubringen.

(R36) Die Doppelspannungsamplitude berechnetsich nach (F13).

Bei mehreren Eigenfrequenzen unter 10 Hzsind alle zu diesen Eigenfrequenzen zugehörigen Ei-genformen zu betrachten. Die Lasteinflusslänge nach(R31) gilt für ein Nachweisniveau von 2 · 106 Last-wechseln.

5.1.2 Statisches Ersatzverfahren

(R37) Für eine statische Berechnung kann die Quer-triebslast für einen Rechteckquerschnitt abwei-chend von (R27) nach Erfüllung von (R26)nach folgenden Formeln ermittelt werden [28]:

qstat = 1,57 · clat · b · vcrit,i2 · kF,i · kT,i

· kH,i [kN/m] (F32)

(R38) Die Regel (R31) der dynamischen Berech-nung ist anzuwenden.

(R39) Die Biegemomente sind in einer statischenBerechnung nach Theorie II. Ordnung unterBerücksichtigung der Anschlussgeometrie desZugglieds zu ermitteln.

(R40) Die Regel (R12) darf angewendet werden.

5.2. Regen-Wind-induzierte Schwingungen

Flachstahlhänger müssen nicht auf Regen-Wind-induzierte Schwingungen untersucht werden.

5.3. Galloping

5.3.1 Einsetzgeschwindigkeiten für Galloping-Bie-geschwingungen

(R41) Rechteckhänger mit einem Seitenverhältnisb/d ≤ 3 sind hinsichtlich Galloping-Biege-schwingungen zu untersuchen. Die maßge-bende Einsetzgeschwindigkeit entsteht durcheine Anströmung auf die schmale Seite „d“des Hängers (Abb. 11).

Abb. 11: Abmessungsverhältnis für Gallopingschwingungen

(R42) Die Einsetzgeschwindigkeit berechnet sich zu

(F33)

beträgt aber mindestens

vcrit = c0 · f · d [m/s]. (F34)

mit: m = auf die Länge bezogene Mas-se [kg/m]

f = Eigenfrequenz [Hz] der 1.Biegeschwingung senkrechtzur Windrichtung (d.h. umdie schwache Achse) unterBerücksichtigung der Hän-gernormalkraft infolge Ei-gengewicht (Gebrauchstaug-lichkeitsniveau, γF = 1,0)

γ = logarithmisches Dämpfungs-dekrement der zugehörigenEigenform

d = Profilhöhe senkrecht zurWindrichtung [m] nachAbb. 11

ρ = Luftdichte [kg/m3] (wennnicht anderweitig geregelt: ρ = 1,25 kg/m3)

a0, b0, c0 = Stabilitätswerte für Gallo-ping-Biegeschwingungennach Tabelle 3(Zwischenwerte dürfen inter-poliert werden)

,]s/m[b

dfa

d

m2v

002crit

⋅⋅⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

⋅ρδ⋅⋅

=

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BAUDYNAMIK

32Der Prüfingenieur Oktober 2006

Das Berechnungsmodell resultiert aus den Er-gebnissen der Untersuchungen in [34], die in [35]baupraktisch angenähert wurden.

5.3.2 Einsetzgeschwindigkeiten für Galloping-Tor-sionsschwingungen

(R43) Rechteckhänger mit einem Seitenverhältnisb/d ≥ 3,0 sind hinsichtlich Galloping-Torsi-onsschwingungen zu untersuchen.

(R44) Die Einsetzgeschwindigkeit berechnet sich zu

(F35)

beträgt aber mindestens

vcrit = c0 · f · d [m/s]. (F36)

mit: Θ = Massenträgheitsmoment

(F37)

m = auf die Länge bezogeneMasse [kg/m]

f = Eigenfrequenz [Hz] der1. Torsionsschwingung unterBerücksichtigung der Hän-gernormalkraft infolge Ei-gengewicht (Gebrauchstaug-lichkeitsniveau, γF = 1,0)

δ = logarithmisches Dämpfungs-dekrement der 1. Torsions-schwingung

d = Profilhöhe senkrecht zurWindrichtung [m] nachAbb. 11

b = Profilbreite parallel zurWindrichtung [m] nach Abb. 11

ρ = Luftdichte [kg/m3] (wennnicht anderweitig geregelt:ρ =1,25 kg/m3)

a0, b0, c0 = Stabilitätswerte für Gallo-ping-Torsionsschingungennach Tabelle 4(Zwischenwerte dürfen inter-poliert werden)

(R45) Das logarithmische Dämpfungsdekrement istbei der Ermittlung der Einsetzgeschwindigkeitzu δ= 0,0015 anzunehmen. Dies ist begründetdurch den nichtlinearen Eingang der Struktur-dämpfung, womit sich für tatsächlich mögli-che, noch geringere Dämpfungen nur unwe-sentlich niedrigere Einsetzgeschwindigkeitenergeben.

(R46) Die Berücksichtigung der Wölbeinspannungan den Hängerenden führt zu deutlich höherenTorsionseigenfrequenzen und damit zu höhe-ren Einsetzgeschwindigkeiten. In der Literaturangegebene Näherungsformeln zur Ermittlungder Torsionseigenfrequenzen berücksichtigenden Einfluss der Wölbeinspannung in der Re-gel nicht und sind daher nur bedingt geeignet.

Das Berechnungsmodell resultiert aus den Er-gebnissen der Untersuchungen in [34], die in [35]baupraktisch angenähert wurden.

5.4 Verkehrsinduzierte Beanspruchungen

(R47) Es sind die ermüdungswirksamen Einwirkun-gen nach DIN-FB 101 anzusetzen.

Bei der Ermittlung der ermüdungswirksamenDoppelspannungsamplituden sind die Einflüsse ausTheorie II. Ordnung zu berücksichtigen.

5.5 Nachweiskonzept

5.5.1 Verkehr und wirbelerregte Querschwingungen

Die Flachstahlhänger sind analog Abschnitt4.5.1 nachzuweisen.

5.5.2 Galloping

Es muss nachgewiesen werden, dass die Ein-setzgeschwindigkeiten für Galloping-Biege und -Tor-sionsschwingungen über dem 1,25-fachen Wert dermittleren Geschwindigkeit nach DIN-1055-4 liegt:

vcrit > 1,25 · vm für Galloping-Biegeschwingungen(F38)

vcrit > 1,25 · vm für Galloping-Torsions-schwingungen. (F39)

b/d 1 1,5 2 3a0 -8 20 40 270b0 0,6 2,0 4,0 5,0c0 10 20 25 55

Tabelle 3: Stabilitätsbeiwerte a0, b0 und c0 für Galloping-Biegeschwingungen

],s/m[b

dfa

d

2v

004crit

⋅⋅⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

⋅ρδ⋅Θ⋅

=

]m/kgm[)db(·12

m 222 +=Θ

b/d 3 4 6 8a0 500 1500 2500 5000b0 50 100 150 200c0 10 15 15 25

Tabelle 4: Stabilitätsbeiwerte a0, b0 und c0 für Galloping-Torsionsschwingungen

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BAUDYNAMIK

33Der Prüfingenieur Oktober 2006

mit: vm = mittlere Windgeschwindigkeit nachDIN 1055-4 [24] in Höhe der Hän-germitte

5.5.3 Dämpfungserhöhung

Bei Nichteinhaltung eines Nachweises kanndie erforderliche Mindestdämpfung berechnet wer-den, die der Hänger aufweisen muss, um diesen dochzu erfüllen. Diese ist am fertigen Bauwerk durchMessungen zu überprüfen, gegebenenfalls müssendämpfungserhöhende Maßnahmen vorgesehen wer-den (Abschnitt 6).

6 Entwurfsgrundsätze fürschwingungsreduzierendeMaßnahmen

6.1 Allgemeines

Kann ein Nachweis nach Abschnitt 4.5 oder5.5 nicht geführt werden, so sind schwingungsredu-zierende Maßnahmen durchzuführen, die in der Re-gel aus einer Dämpfungserhöhung bestehen. Dabeisind folgende Grundsätze zu beachten:

(R48) Vor der Planung von schwingungsreduzieren-den Maßnahmen sollte in einem ersten Schrittdie Anschlussgeometrie der Zugglieder hin-sichtlich einer möglichst ermüdungsgerechtenAusbildung überprüft werden (siehe hierzuauch Abschnitt 3.2).

(R49) Eine Dämpfungserhöhung wird üblicherweisemit Flüssigkeitsdämpfer, Stoßdämpfer oderAbspannungen erreicht. Die erforderlichenDämpfungsdekremente sind dabei nach Ab-schnitt 4.5 und 5.5 zu ermitteln.

(R50) Das Erreichen der notwendigen Dämpfung istmit einer Kurzzeitmessung zu überprüfen.

6.2 Flüssigkeitsdämpfer

Flüssigkeitsdämpfer sind topfähnliche, zylin-drische Behälter, in denen sich Kammern unter-schiedlicher Abmessungen befinden [7]. Die Kam-mern sind dabei unterschiedlich hoch mit einer Flüs-sigkeit gefüllt. Durch die Schwingung der Dämpfer,die direkt am Zugglied befestigt sind, wird die Flüs-sigkeit in eine schwappende Wellenbewegung ver-setzt, die Krafteinträge auf die Behälterwandungen

entgegen der momentanen Schwinggeschwindigkeitbewirkt. Hierdurch wird Energie dissipiert. Über dieKammergeometrie und die Füllhöhe können die Ei-genschaften des Dämpfers variiert werden. Ein Ver-fahren zur Dimensionierung der Flüssigkeitsdämpferist in [36] zu finden.

6.3 Stoßdämpfer

Stoßdämpfer, die vor allem an Schrägseil-brücken eingesetzt werden, sind in ihrer Wirkungähnlich denen im Kraftfahrzeugbau. Sie verbindenrelativ auflagernah einzelne Zugglieder mit demÜberbau, wodurch mit auftretenden Schwingungeneine Bewegung von Metallplatten in einer viskosenoder hydraulischen Flüssigkeit und somit Energiedis-sipation entsteht. Die Dämpferdimensionierung mussdabei innerhalb enger Grenzen erfolgen. Eine zu wei-che Einstellung oder ein zu geringer Hebelarm zwi-schen Dämpfer und Seilverankerung führt zu ungenü-gender Wirkung, bei sehr steifer Auslegung fungiertder Dämpfer als zusätzliche Zwischenstütze [37].Hilfen zur Dimensionierung sind in [38] zu finden.Im Versuchsstadium befinden sich derzeit neuereEntwicklungen: Adaptive Seildämpfer basieren aufdem Prinzip eines magneto-rheologischen Fluid-Dämpfers, bei dem die Dämpferkraft durch dieStromstärke in den integrierten Spulen gesteuert undangepasst werden kann [39].

6.4 Verspannungen

Verspannungen sind Verbindungen der schwin-gungsanfälligen Zugglieder untereinander oder mitanderen Traggliedern der Konstruktion. Diese wer-den mit Seilen konstruiert, die in der Regel in mehre-ren Höhenlagen senkrecht zu den Hängern oderSchrägkabeln verlaufen. Sie können dabei inZuggliedebene allein oder als räumliche Verspan-nung ausgeführt werden. Mit einer entsprechendenAnbringung wie z.B. auch der Verbindung von nichtgleich langen Hängern oder Seilen kann die Störungvieler Schwingungsformen erreicht werden. Zusätz-lich zur störenden Wirkung stellt sich eine Erhöhungder Dämpfung ein. Dies gilt in der Regel für beideRichtungen, auch wenn sich die Verspannungen nurin Zuggliedebene befinden. Die Erhöhung der Eigen-frequenzen, vor allem in Verspannungsebene, kannsich zusätzlich günstig auswirken. Die Vorspannungist dabei so zu wählen, dass ein Erschlaffen der Seileinfolge Temperatur- und Verkehrslasten nicht auftritt.Die Seilverspannung bedeutet eine Steifigkeitser-höhung. Dies kann zu einer Zunahme der ermüdungs-relevanten Beanspruchung infolge Verkehrslastenführen.

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BAUDYNAMIK

34Der Prüfingenieur Oktober 2006

7 Messungen

7.1 Kurzzeitmessungen (Eigenfrequenz, Dämpfung)

Nach (R50) soll mit Kurzzeitmessungen be-stätigt werden, ob die Annahmen für die Berechnun-gen zutrafen. Die Anregung der Zugglieder kann da-bei, je nach hoher oder niedriger ersten Eigenfrequenz,durch einen gummierten Hammerschlag oder Hand-aufschaukeln erfolgen. Aufgezeichnet werden im Re-gelfall mit entsprechenden Aufnehmern die Beschleu-nigungen, die mittels einer Fast-Fourier-Transformati-on in den Frequenzbereich übergeführt werden. Somitkönnen die Eigenfrequenzen bestimmt und nichtrele-vante Anteile herausgefiltert werden. Nach Rücktrans-formation des gefilterten Frequenzspektrums in denZeitbereich erhält man die Ausschwingkurve, aus derdas logarithmische Dämpfungsdekrement abgeleitetwerden kann. Über die Stärke der Anregung kann auchdie amplitudenabhängige Dämpfung bestimmt wer-den, die Messungen sind in beiden Schwingrichtungendurchzuführen. Die Ergebnisse können von schwerenHubsteigern, die teilweise zum Anbringen der Mess-stellen und Anregen der Hänger verwendet werden, er-heblich beeinflusst werden. Sie bewirken durch dieZunahme der Hängernormalkraft höhere Eigenfre-quenzen und können durch Energieaufnahme auch zuhöheren logarithmischen Dämpfungsdekrementenführen. Beim Vorbereiten ist somit darauf zu achten,das Trag- und Dämpfungsverhalten der Hänger

während der Messung möglichst wenig zu verändern(z.B. durch leichte Hubsteiger oder Fahrgerüste).

7.2 Langzeitmessungen (Spannungs- und Wegamplituden)

Langzeitmessungen (Bauwerksmonitoring) er-lauben die kontinuierliche Datenerfassung einesBrückenbauwerks über einen längeren Zeitraum hin-weg. Von Interesse sind dabei insbesondere die auf-tretenden ermüdungsrelevanten Doppelspannungs-amplituden, in Hinblick auf die beschriebenenSchwingungsphänomene aber auch Windstärke,Windrichtung und Regenintensität. Geeignete, mess-parallele Auswertungsverfahren begrenzen dabei dieDatenmenge aus Dehnmessstreifen, Wind- und Re-genmessern. Mit Langzeitmessungen können Bau-werke, die im Planungsstadium als schwingungsan-fällig eingestuft werden, beobachtet und hinsichtlicheventuell notwendiger Gegenmaßnahmen beurteiltwerden. Maßgebend sind hierfür die Größe und Häu-figkeit der tatsächlich auftretenden Doppelspan-nungsamplituden, die unter Zugrundelegung einerSchädigungshypothese bewertet werden. Je längerBauwerksmonitoring durchgeführt wird, desto reprä-sentativer sind die Ergebnisse, auch werden maßge-bende Schwingereignisse mit höherer Wahrschein-lichkeit erfasst. Aus diesem Grund sollten Langzeit-messungen für wenigstens ein Jahr durchgeführt wer-den, um zumindest den jährlich wiederkehrendenWetterzyklus und die damit verbunden Beanspru-chungen des Bauwerks zu erfassen.

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BAUDYNAMIK

35Der Prüfingenieur Oktober 2006

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BAUDYNAMIK

Einführung

Die Eröffnung einer neuen Brücke über dieThemse sollte einer der Höhepunkte der Millenni-umsfeierlichkeiten in London werden. Von den Medi-en mit großem Interesse aufmerksam verfolgt, ent-stand eine elegant geschwungene Fußgängerbrücke,die die St. Pauls Cathedral und die Tate Gallery mit-einander verbindet.

Doch die Eröffnung geriet zum Debakel: alsam frühen Vormittag des 10. Juni 2000 die Menschendicht gedrängt die Brücke zu überqueren versuchten,traten starke seitliche Schwingungen auf, die Ampli-tuden von mehreren Zentimetern erreichten, sodassdie Fußgänger stehen blieben oder sich am Geländerfesthielten.

Unangenehme Erinnerungen wurden wach andie Brücke in Boughton, UK, die 1831 bei der Über-querung durch eine Militärkolonne einstürzte, und andie Tacoma Narrows Bridge im US-Bundesstaat Was-hington, die gleich nach der Eröffnung auffälligeSchwingungen zeigte und am 7. November 1940 vorlaufender Kamera einstürzte.

Bevor es soweit kommen konnte, wurde dieLondon Millennium Bridge am dritten Tag nach ihrerEröffnung wieder geschlossen, und ein Ingenieur-team des britischen Ingenieurbüros Ove Arup & Part-ners mit der Aufarbeitung der Ursachen und ihrer Be-seitigung beauftragt [1,2,3].

Schaukelnde Brücken

Die Londoner Brücke ist sicherlich der spekta-kulärste Fall einer schaukelnden und kaum passierba-ren Brücke, bei weitem aber nicht der einzige [4].

In Japan treten seit mehreren Jahren große late-rale Schwingungen bei zwei T- und M-Brücke ge-nannten Fußgängerbrücken auf [5,6] und auch die am13. Juli 2006 eröffnete Passarelle Simon de Beauvoirin Paris scheint nicht problemfrei zu sein.

Synchronisierte Schritte auf der Londoner MillenniumbrückeDas Verhalten von Fußgängern auf bewegten Strukturen ist bisher nur sehr unzureichend untersucht

Das Schaukeln der Londoner Millenniumbrückeist zum Paradigma für die Wechselwirkung zwi-schen Brücke und Fußgängern und daraus resul-tierende Probleme geworden. Hier wird beschrie-ben, wie in der nichtlinearen Dynamik entwickelteModelle für Synchronisation Hinweise auf die Me-chanismen liefern, die kritischen Bereiche ein-grenzen und einen Rahmen für weitere Analysenbereitstellen.

Studium der Physik, der Mathe-matik und der Informatik ander Universität Kaiserslauternund am Georgia Institute ofTechnology in Atlanta; Promo-tion 1986 in Bremen und Habi-litation 1992 in Marburg; von1992 bis 1996 Professor fürPhysik in Oldenburg und seit1996 C4-Professor für Theore-tische Physik an der Philipps-

Universität Marburg; 2002 Gottfried-Wilhelm-Leib-niz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Prof. Dr. Bruno Eckhardt

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BAUDYNAMIK

Der Bericht von Arup [1] führt als weitere Bei-spiele eine Fußgängerbrücke zwischen einem Messe-platz und dem Bahnhof in Birmingham, eine Hänge-brücke in Chester und die Brücke über den Hafen inAuckland, Neuseeland, an. Letzteres Beispiel ist in-teressant, weil es sich um eine Autobahnbrücke han-delt, die anlässlich einer Demonstration als Fußgän-gerbrücke genutzt wurde. Schließlich sind jüngstauch Untersuchungen zu Schwingungen bei einerFußgängerbrücke zwischen zwei Terminals im Air-port Shanghai dokumentiert worden [7]. Bei allenUnterschieden in Aussehen und Bauweise haben die-se Beispiele gemeinsam, dass die Probleme nur auf-treten, wenn sehr viele Fußgänger die Brücke nutzenwollen.

Für die Verifikation der Abhängigkeit von derZahl der Fußgänger hat Arup verschieden viele Mit-arbeiter auf der Brücke hin- und her laufen lassen.Kameras und Sensoren hielten die Bewegung derFußgänger und der Brücke fest. Im aussagekräftig-sten Experiment wurde die Zahl der Fußgänger inkleinen Gruppen langsam erhöht. Bis zu etwa 150Fußgängern passierte nichts, darüber stieg die lateraleAmplitude der Brücke sprunghaft an. Das ist derdeutlichste Beleg dafür, dass es einen qualitativenUnterschied in der Art und Weise gibt, wie sich weni-ge und viele Fußgänger auf diesen Brücken verhal-ten. Bei der Modellierung ist daher auf Effekte zuachten, die aus kollektivem Verhalten vieler Men-schen folgen.

Laterale Kräfte

Damit die Brücke sich seitlich bewegt, müssenKräfte in diese Richtung wirken. Diese kommen vonden Fußgängern: neben der nach unten wirkendenGewichtskraft und den in Bewegungsrichtung wir-kenden Kräften beim Aufsetzen und Abrollen derFüße gibt es noch eine seitliche Kraft, die aus derseitlichen Bewegung des Schwerpunktes kommt. DiePeriode dieser Kräfte ist doppelt so lang wie die dervertikalen Kräfte: bei den vertikalen spielt nur dasAbheben und Aufsetzen eines Fußes eine Rolle, beiden seitlichen ist eine vollständige Periode erst gege-ben, wenn nach dem Aufheben und Aufsetzen desrechten Fußes auch der linke einmal angehoben undwieder aufgesetzt wurde. Die Schrittfrequenz variiertetwa zwischen 1,6 und 2,4 Schritten pro Sekunde,und folgt, wie eine Untersuchung an 505 Freiwilligenzeigt [8], recht gut einer Gaussverteilung. Aus dervertikalen Frequenz des natürlichen Gehens ergibtsich daher ein Frequenzband von etwa 0,8 bis 1,2 Hzfür die lateralen Kräfte.

Die lateralen Kräfte sind kleiner als bei dervertikalen Bewegung. Aus einer Amplitude derSchwerpunktsverlagerung von etwa 1 cm und einerFrequenz von 1 Hz ergibt sich eine laterale Beschleu-nigung von 0,01 · (2π)2 = 0,4 m/s2, was bei einer Mas-se von 70 kg zu einer Kraftamplitude von etwa 28 Nführt. Dies ist in guter Übereinstimmung mit Beob-

Die Milleniumbrücke in London, bei der unter dem großen Besucherandrang am Eröffnungstag starke seitliche Schwankun-gen auftraten. Die Amplituden waren wesentlich größer als erwartet, was einen Hinweis auf zusätzliche Beiträge aus einerWechselwirkung zwischen Fußgängern und Brücke lieferte.

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BAUDYNAMIK

achtungen von Bachmann und Ammann [9], die fürdie erste harmonische eine Amplitude von 23 N ange-ben.

Bei einer unkoordinierten Bewegung wird je-der einzelne Fußgänger seine Schrittfolge zufälligwählen, und die seitlichen Abweichungen werdensich bis auf eine unregelmäßige Restbewegung auf-heben. Das etablierte Modell für diese Restbewegungist die zufällige Überlagerung von Bewegungen mitvielen Frequenzen und unabhängigen Phasen. Damitfindet man, dass die Wurzel der mittleren quadrati-schen Amplituden der Kraft mit der Wurzel aus derZahl der Fußgänger anwachsen. Diese Kräfte sindmeist zu schwach, um die Brücke in Bewegung zuversetzen, und können zudem in der numerischen Be-rechnungen leicht berücksichtigt werden.

Synchronisation

Die Schwäche dieser Beschreibung ist, dass sienicht berücksichtigt, dass die Leute auf die Bewe-gung der Brücke reagieren und ihre Schritte anpas-sen. Wie man bei jeder Fahrt auf einem Schiff fest-stellen kann, neigt man dazu, auf das Schaukeln desSchiffes mit einem breitbeinigen, der Bewegung an-gepassten Schritt zu gehen. Daraus lässt sich ein Me-chanismus ableiten, der dazu führt, dass viele Leuteauf der Brücke ihre Schritte anpassen: Die Bewegungder Brücke wirkt wie ein riesiges Metronom, das denFußgängern einen Gleichschritt aufprägt. Die syn-chrone Bewegung der Fußgänger bewirkt, dass dieKräfte in Phase sind und sich korreliert addieren, sodass die Amplitude sehr viel schneller, nämlich pro-portional zur Personenzahl, anwächst. Damit sind dieKräfte stark genug, dass die Brücke schaukelt, undder Ursache-Wirkung-Kreis sich schließt.

Es handelt sich also um ein selbst organisier-tes, synergistisches Phänomen, das erst bei Berück-sichtigung der kollektiven Rückkopplung zwischenBrücke und Fußgänger auftritt. In Analogie zur Ther-modynamik spricht man von einem Phasenübergangzwischen einer ungeordneten, unsynchronisiertenPhase und einer geordneten, synchronisierten Phase.

Bedeutsam ist der Wechsel in der Skalierungder Kräfte mit der Zahl der Personen: in der unge-ordneten Phase sind die Kräfte proportional zur Wur-zel aus der Personenzahl, in der geordneten direktproportional dazu. Schon bei 225 Leuten auf derBrücke sind die Kräfte damit um einen Faktor 15größer als bei zufälliger Bewegung und in günstigenFällen ausreichend, um die Brücke in Bewegung zuhalten.

Die Rückkopplung der Brücke auf die Fußgän-ger scheint dominant über die aus der Bewegung fol-gende seitliche Beschleunigung zu gehen. Untersu-chungen in entsprechenden Testanordnungen habengezeigt, dass Personen sehr stark auf seitliche Be-schleunigungen reagieren und ihre Schrittfolge ent-sprechend anpassen [4, 6]. Beschleunigungen ab etwa0,3 m/s2 werden dabei als störend empfunden undWerte über 1,6 m/s2 als so unangenehm, dass Fußgän-ger stehen bleiben oder sich am Geländer festhalten.Beobachtungen zeigen, dass die meisten Personenauf laterale Bewegung so reagieren, dass sie die Be-wegung verstärken. Allerdings reagieren einige auchantizyklisch und wirken wie eine zusätzliche Dämp-fung.

Nichtlineare Modellierung

Die detaillierte Beschreibung der Bewegungund der Kraftverläufe beim Gehen ist eine große Her-ausforderung an die Biomechanik. Die Beobachtungan vielen Systemen zeigt allerdings, dass es für eineadäquate Beschreibung ausreicht, wenn einige we-sentliche Elemente berücksichtigt werden. Bei derModellierung der Rückkopplung der Bewegung derBrücke auf die Fußgänger greifen wir auf Erfahrun-gen aus der allgemeinen Theorie der nichtlinearenDynamik und der Synchronisation zurück, und ver-wenden eine Phasendynamik [10].

Die Bewegung der Brücke wird gemeinhin li-nearisiert und durch einen gedämpften harmonischenOszillator beschrieben werden (Abb. 1) [4]. Wenn Xdie Amplitude der Bewegung beschreibt, dann kannangesetzt werden:

Abb. 1: Die Bewegung der Brücke wird durch einen ge-dämpften harmonischen Oszillator dargestellt, die Kraft-wirkung der Fußgänger durch einen Phasenoszillator.

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BAUDYNAMIK

Dabei sind M die Modenmasse, ζ Dämpfung,Ω0 die Eigenfrequenz der Mode und Fi(t) die Kraft-wirkung der Fußgänger auf der Brücke.

Die Schritte der Fußgänger auf der Brücke sindein periodischer Prozess, der über seine Periode Toder seine Kreisfrequenz ω = 2π/T und die Phasenla-ge beschrieben werden kann. Die Kraft auf dieBrücke kann auf dieser Ebene der Modellierung alseine Funktion Fi(t) = f (ϕi (t)) beschrieben werden,bei der die Phase Φ im ungestörten Fall einfach linearanwächst, ϕi(t) = ϕ0 + ωit. Die Abhängigkeit derKraft von der Phase soll für alle Fußgänger dieselbesein, und, nach Fourierentwicklung, durch eine Cosi-nusfunktion adäquat erfasst werden können. Fußgän-ger tolerieren eine gewisse Bewegung der Brücke,reagieren aber, wenn eine Schwelle g0 in der Be-schleunigung überschritten wird. Für die Anpassungder Phasen verwenden wir daher die Modellierung

(2)

Neben dem Referenzwert g0 für die Beschleuni-gung tritt mit τ noch eine typische Reaktionszeit auf.Mit 1,6 s mechanischer Reaktionszeit in der Bewegungwird die Kombination g0τ = 0,48 m/s. Eine getrennteBestimmung dieses Parameters ist schwierig, aber dieKombination könnte aus Beobachtungen zur Bewe-gung der Fußgänger wie sie in [4] beschrieben werdenbei Kenntnis der ungestörten Frequenz ωi aus der Pha-senverschiebung zwischen Brücke und Fußgänger be-stimmt werden. Allerdings sind bei diesen Experimen-ten keine Frequenzen dokumentiert.

Vergleich mit Beobachtungen

Da die Reaktion der Fußgänger nichtlinear andie Bewegung der Brücke koppelt, ist keine analyti-sche Lösung der Bewegungsgleichungen mehr mög-lich. Um zu demonstrieren, dass mit diesem Modelldas qualitative Verhalten der Brücke erfasst werdenkann, zeigt Abb. 2 die numerische Nachbildung einesExperimentes, das Arup an der Millenniumsbrückedurchgeführt hat. Die qualitative Übereinstimmungsollte nicht überinterpretiert werden, da es viele un-bestimmte Parameter gibt und es sich, wegen der Un-sicherheit in den Anfangsbedingungen und den natür-lichen Schrittfrequenzen der am tatsächlichen Expe-riment beteiligten Personen, um keine exakte Repro-duktion des Experiments handeln kann.

Konsistent mit anderen Synchronisationsvor-gängen zeigt das Modell, dass nicht alle Fußgänger inGleichschritt fallen, wenn die kritische Zahl über-schritten wird. Ein Maß für die Synchronisation istder Parameter

(3)

Er ist klein bei ungeordneter Bewegung undnähert sich 1 bei perfekter Synchronisation allerFußgänger.

Kritische Fußgängerzahl

Von größerer praktischer Bedeutung als dieNachbildung eines einzelnen Experiments ist daherdie Bestimmung der Parameter, bei denen der Über-gang stattfindet. Die theoretische Analyse dieses Pro-blems ist technisch aufwendig, führt allerdings auf ei-ne bemerkenswert einfachen Zusammenhang zwi-schen den Parametern der Brücke und der Bewegungder Fußgänger: Schwingungen treten nur auf, wenndie Zahl der Fußgänger einen Wert

(4)

überschreitet. Die darin enthaltenen Parameter sindzunächst die Brückenparameter Dämpfung ζ, MasseM und Eigenfrequenz Ω0. Seitens der Fußgänger ge-

∑=

=Ω+Ω

+N

1ii2

2

FXMdt

dXM

dt

XdM 2

00

),(cos i0

ii

g

X

dt

τ−ω=

ϕ

.))((exp1

tiN

R ii

ϕ= ∑

Abb. 2: Nachbildung des Experimentes von Arup mit einerwachsenden Anzahl von Leuten auf der Brücke. Die Zahlder Fußgänger wird schrittweise erhöht (oben). Die Schwin-gungen der Brücke (Mitte) bleiben zunächst klein, bis sienach Überschreiten der kritischen Zahl von etwa 160 Leutenauf der Brücke schnell ansteigen. Die untere Zeile gibt denOrdnungsparameter R(t).

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

Ωπτ

Ως=GP

gMN 0

c )(

24

00

(1)

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BAUDYNAMIK

hen ein die Kombination g0τ aus der Phasenglei-chung (2), die Kraftamplitude G und schließlich einParameter P(Ω0), der die Breite der Frequenzvertei-lung der Fußgänger auf der Brücke bei der Eigenfre-quenz der Brücke beschreibt. Für die aus den Datenvon Matsumoto [8] folgende Gausssche Verteilungder Schrittfolgen ist für Frequenzen Ω0, die mit dernatürlichen Schrittfolge zusammenfallen, P(Ω0) =4,4. Weicht die Eigenfrequenz der Brücke von denSchrittfrequenzen ab, wird P(Ω0) deutlich kleiner.

Diese Formulierung erlaubt eine Anbindung andie Modellierung von Arup, in der ein empirischerParameter k eingeführt wurde. Mit diesem Parameterwurde die kritische Anzahl zu

Nc,Arup = 4ζMΩ0/k (5)

bestimmt, so dass

(6)

identifiziert werden kann. Mit den Parametern g0τ =0,48 m/s, G = 23 N und P(Ω0) = 4.4 ergibt sich k =331 Ns/m, in zufrieden stellender Übereinstimmungmit dem Wert k = 300 Ns/m von Arup [1,2].

Das Modell sagt zudem voraus, dass das Spek-trum der Brückenschwingungen beim Übergang zursynchronisierten Bewegung nicht nur eine Spektralli-nie bei der Eigenfrequenz der Brücke entwickelt,sondern die Frequenzbreite insgesamt reduziert wird.Das ist in Übereinstimmung mit Beobachtungen ander Fußgängerbrücke in Shanghai [7].

Synchronisierte Bewegung

Das oben beschriebene Modell liefert im Falleder Synchronisation ein Anwachsen der Amplitudeder Brücke proportional zu √N – Nc, bis bei sehrgroßen Amplituden schließlich alle Fußgänger syn-chronisiert sind. Eine ausführliche Diskussion derModellbildung [11] zeigt, dass der Übergang zurSynchronisation recht robust und von vielen Detailsdes Modells unabhängig ist. Sobald allerdings dieBrücke schwingt und die Fußgänger ihre Schritte an-passen, treten wichtige nichtlineare Terme auf: dieKraftamplituden nehmen wegen der breitbeinigenBewegung und der Verschiebung der Frequenz zu,die für das freie Gehen angenommenen Frequenzenkönnen unwillkürlich verschoben werden, und dieproportional zur Beschleunigung angenommeneKopplung kann sich ändern. Die Modellierung dersynchronisierten Bewegung ist daher mit mehr Unsi-

cherheiten behaftet. Angesichts des schnellen An-wachsens der Amplitude wird man in der Praxis al-lerdings versuchen, unterhalb des Auftretens der Syn-chronisation zu bleiben.

Schlussbemerkungen

Die bisherigen Beobachtungen und die Model-lergebnisse zeigen eindeutig, dass bei Brücken mitEigenmoden im Frequenzbereich zwischen 0,8 und1,2 Hz mit dem Auftreten von lateralen Schwingun-gen aus einer synchronisierenden Rückwirkung aufdie Fußgänger gerechnet werden muss. Dabei istnicht nur auf die Grundfrequenz zu achten, denn dasBeispiel der M-Brücke zeigt, dass der Effekt auchauftreten kann, wenn erst die sechsten und siebtenHarmonischen in diesem Bereich zu liegen kommen[4]. Treten solche Frequenzen auf, dann unterschätzteine Modellierung der lateralen Kräfte als zufällig dietatsächlich auftretenden Kräfte regelmäßig.

Zu beachten ist auch, dass bei wachsenderFußgängerzahl die Schwankungen der Brücke über-proportional anwachsen, sobald man sich der kriti-schen Fußgängerzahl nähert. Das System reagiertdann, wie bei einem thermodynamischen Phasen-übergang, mit sehr großen Fluktuationen. Man wirdalso versuchen, die kritische Zahl deutlich über derabsehbaren Fußgängerzahl zu halten.

Die Übertragung dieser Beobachtungen in Pla-nungsempfehlungen und Normen steckt noch in denAnfängen. [4] enthält einen Überblick über verschie-dene internationale Normen und eine kritische Wür-digung vor dem Hintergrund der Beobachtungen ander Millenniumsbrücke.

Die Modellierung hilft, die mit den Brückenverbundenen und also teilweise vorgegebenen, teil-weise beeinflussbaren Parameter von den psycholo-gisch und physiologisch bestimmten zu trennen. Ins-besondere sind die in der von Arup eingeführten Va-riablen k enthaltenen Parameter im Wesentlichenphysiologischer Natur. Sie können beeinflusst wer-den, wenn etwa ein Metronom dazu verwendet wird,um die Bewegung der Fußgänger zu synchronisieren:damit wird die Breite der Frequenzverteilung verklei-nert, P(Ω0) erhöht, und die kritische Zahl derFußgänger heruntergedrückt. Umgekehrt kann eineVerschiebung der Frequenzen zu einer Verkleinerungvon P(Ω0) und einem Anwachsen der kritischenFußgängerzahl führen. Eine konservative Abschät-zung wird wohl vom ungünstigsten Fall einer Übe-reinstimmung von lateraler Schritt- und Brückenfre-quenz ausgehen.

τΩπ

=0

0

2

)

g

GP(k

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BAUDYNAMIK

41Der Prüfingenieur Oktober 2006

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Das Ingenieurbüro Arup leitete aus der Bezie-hung (5) seinen Reparaturvorschlag ab. Am aus-sichtsreichsten und in der Wirkung vorhersagbar-sten schien die Erhöhung der Dämpfung. Mit zu-sätzlichen hydraulischen Dämpfern zwischen denBrückenelementen ausgestattet wurde die Brückenach 20 Monaten wieder eröffnet und erfüllt seitherohne weitere Beanstandungen ihren Zweck. Auchwenn mit dem hier vorgestellten Modell ein Rah-men für die Beschreibung und Auswertung von Be-

obachtungen zu Fußgänger-Brücke-Wechselwirkun-gen vorgestellt worden ist, so bleibt doch festzustel-len, dass das Verhalten von Fußgängern auf beweg-ten Strukturen nur unzureichend untersucht ist unddaher alle Beschreibungen und Charakterisierungenmit großen Unsicherheiten behaftet sind. Nur dieSammlung weiterer Daten und die Beobachtung desGehverhaltens in entsprechend konzipierten beweg-lichen Versuchsaufbauten können hier Abhilfeschaffen.

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42Der Prüfingenieur Oktober 2006

TRAGWERKSPLANUNG

1 Einführung

Unfälle in technischen Anlagen mit Explosi-onsfolgen, der Transport explosionsgefährdeter Gü-ter, Gasexplosionen in Wohngebäuden, all das sindEreignisse, die Menschen, Einrichtungen, technischeAnlagen, ja eine ganze Infrastruktur gefährden. Fürbestimmte Szenarien, wie Staubexplosionen oderKraftwerke gibt es Richtlinien und Störfallverord-nungen (Gebbeken [Geb1999]). Im terroristischenUmfeld waren in der Vergangenheit etwa 85% derAnschläge solche mit Explosivstoffen. Der „Last-fall“ Explosion hat also aus verschiedenen Gründeneine besondere Bedeutung. Für Fenster und Türengibt es Normen, in denen aus Gründen der Vergleich-barkeit auf dem Markt Explosionsszenarien normiertwurden, z.B. 20 kg in 4 m Entfernung (DIN EN13123-2, DIN EN 13124-2). Damit werden be-stimmte Schutzklassen für ein ganz bestimmtesSzenario erhalten. Explosionsunfälle und terroristi-sche Angriffe finden aber nicht „genormt“ statt. Je-des mögliche Ereignis ist zu diskutieren und in Be-tracht zu ziehen. Unter Betrachtung des Risikos undeiner Eintretenswahrscheinlichkeit legen Bauherr,Versicherer und Polizei individuell Gefährdungs-szenarien fest. Hier ist der Ingenieur nicht beteiligt.Erst nach Festlegung der Einwirkungsszenarien istes die Aufgabe von Spezialisten, daraus die Bemes-sungslasten zu ermitteln.

Es gibt eine Vielzahl von Spreng- und Explo-sivstoffen, die hier aus Platzgründen nicht aufgezähltwerden können. Mit den reaktiven Vorgängen befas-sen sich Chemiker und Physiker an bestimmten Insti-tuten wie Fraunhofer ICT und WIWEB. Um aber ei-ne Bezugsgröße für die Wirkung von Explosivstoffenzu erhalten, wurde das TNT-Äquivalent eingeführt,das für viele Stoffe bekannt ist. TNT ist die Abkür-zung für den Explosivstoff TriNitroToluol.

Explosivstoffe werden umgangssprachlichauch als Sprengstoffe bezeichnet, weil sie vielfachbeim Sprengen genutzt werden (Lawinen, Tunnel-bau, Steinbruch, Abbruch, Murenvorsorge, etc.). Esergeben sich nun verschiedene Arten von Explosio-nen: Verdämmte Explosion (Sprengung), Kontakt-explosion, Nahexplosion, Fernexplosion, freie Ex-plosion, Explosion mit Reflexion und Verzweigung.

Vom Explosionsszenario zur BemessungslastBemessungslasten auf Tragwerke aus Explosionsszenarien müssen immerindividuell untersucht werden

Für die Bemessung von Tragwerken, die einer Ex-plosion ausgesetzt sind, wird die bemessungsrele-vante Einwirkung benötigt. Im folgenden Aufsatzwird die Berechnung der Bemessungslasten ausExplosionsszenarien gezeigt und die Bestimmungdes reflektierten Spitzenüberdruckes bzw. des Re-flexionsfaktors bei der senkrechten Reflexion vonLuftstoßwellen beschrieben. Fazit: Jeder Einzelfallmuss individuell untersucht werden. Im Falle derFerndetonation können die Einwirkungsparame-ter reflektierter Spitzenüberdruck und Dauer derpositiven Druckphase bestimmt werden. Der re-flektierte Druck und der Reflexionsfaktor bei dersenkrechten Reflexion einer Luftstoßwelle an einerstarren Oberfläche werden explizit berechnet. Ab-schließend wird untersucht, wie sich der Reflexi-onsfaktor bei nachgiebigen im Vergleich zu starrenMaterialien ändert. Damit wird überprüft, wanndie Annahme einer starren Reflexion gültig ist*.

Prof. Dr.-Ing.Norbert Gebbeken Ordinarius für Baustatik an derFakultät für Bauingenieur- undVermessungswesen der Univer-sität der Bundeswehr in Mün-chen; Prüfingenieur für Bausta-tik, Beratender Ingenieur (AJGIngenieure GmbH); Experte für

die Sicherheit baulicher Anlagen insbesondere beiaußergewöhnlichen Einwirkungen.

Dipl.-Ing. Torsten Dögewissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Mechanik undStatik am Lehrstuhl für Bau-statik der Universität der Bun-deswehr in München.

* Dieser Beitrag baut auf dem Aufsatz von Gebbeken und Döge[Geb2006b] über den Reflexionsfaktor auf.

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TRAGWERKSPLANUNG

Bei Sprengungen werden in aller Regel Löcher ge-bohrt, in die der Sprengstoff eingebracht und damitverdämmt wird. Der Fall, bei dem der Sprengstoffnur aufliegt, ist die Kontaktexplosion. Findet dieExplosion in einem Abstand statt bis zu einer Ent-fernung der kleinsten Bauteilausdehnung, so sprichtman von Nahexplosion (s. aber auch die Definitionnach May2004), darüber hinaus wird die Fernexplo-sion klassifiziert. Bei ihr kann davon ausgegangenwerden, dass die Luftstoßwelle das betrachtete Bau-teil als quasi-ebene Front trifft. Bei der freien Ex-plosion breitet sich die Luftstoßwelle ohne Behinde-rung kugelförmig aus. Die ist ein theoretischer Fall.In der Praxis kommt es fast immer zu Reflexionen;die freie Ausbreitung wird also behindert. Reflexio-nen finden zum Beispiel am Boden, an Gebäuden,an Wänden und an Bäumen statt; eben an der Umge-bung. Die Begriffe Explosion und Detonation wer-den häufig synonym verwendet. Zu unterscheidenist jedoch zwischen der Detonation und der Defla-gration. Beides sind Explosionen. Bei der Detonati-on erfolgt der Verbrennungsprozess oberhalb derSchallgeschwindigkeit, bei der Deflagration unter-halb. In beiden Fällen entstehen Luftstoßwellen, diesich vor allem in der Anstiegszeit des Stoßes unter-scheiden. Im Folgenden beschäftigen wir uns mitder freien und behinderten Nah- und Ferndetonati-on.

Trifft eine Luftstoßwelle auf ein Hindernis, sowird sie reflektiert. Das Reflexionsverhalten bezogenauf den entstehenden Druck kann durch den Reflexi-onsfaktor cr (coefficient reflection) beschrieben wer-den. Er wird neben weiteren Parametern, die sich ausdem Druck-Zeit-Verlauf ergeben, zur Ermittlung derBemessungslasten und damit zur Bemessung vonBauteilen und Gebäuden gegen Luftstoßeinwirkungbenötigt. Das Verhältnis vom Spitzenüberdruck einerreflektierten Luftstoßwelle zum Spitzenüberdruck ei-ner einfallenden Luftstoßwelle wird als Reflexions-faktor cr bezeichnet.

Im Zusammenhang mit diesem Thema tauchenimmer wieder Fragen auf, die in diesem Beitrag be-antwortet werden. Zum Beispiel: Warum ist der Re-flexionsfaktor nicht auf 2 begrenzt? Warum gibt esunterschiedliche Angaben für den Maximalwert desReflexionsfaktors max cr, wie z.B. nach Kinney[Kin1985] max cr = 8 aber nach TM 5-855-1[Def1997] max cr = 14? Wie verändert sich der Re-flexionsfaktor bei unterschiedlichen Materialien?Kann er konstruktiv beeinflusst werden, zum Beispieldurch Membrane?

Die physikalischen Vorgänge in einer Luft-stoßwelle werden mit Hilfe der Thermodynamik be-schrieben. Die Herleitungen können zum Beispiel inGebbeken und Döge [Geb2006b] nachgelesen wer-

den. Im vorliegenden Beitrag erfolgt die Darstellungder Ergebnisse im Hinblick auf die praktische Rele-vanz.

2 Druck, Überdruck undreflektierter Überdruck –anschauliche Darstellung

Bei der Explosion wird innerhalb von Mikro-sekunden eine gigantische Energie frei gesetzt. Siekann für Ingenieure näherungsweise mit technischenGrößen beschrieben werden. Der Detonationsprozessin einem festen Sprengstoff erfolgt mit einer Detona-tionsgeschwindigkeit bis zu 30 Mach in Bezug aufdie Schallgeschwindigkeit der Umgebungsluft (332m/s). Das ist etwa 36 000 km/h oder etwa 10 km/sec.Dieser Detonationsstoß trifft auf die ruhenden Luft-partikel und verdichtet sie stoßartig in Mikrosekun-den. Ähnlich wie in einer Luftpumpe beim Pumpenwird die Luft dabei heiß und zwar bis zu 5 000 GradCelsius. Hierbei verändert sich die Chemie der Luftund die verdichtete Luft sendet Licht aus. Diese Hitzehat nichts mit dem Explosionsfeuer zu tun, das nachDurchlaufen der Luftstoßwelle eintritt. In freier Luftbreitet sich eine Luftstoßwelle kugelförmig im Raumaus. Dabei nimmt der Spitzenüberdruck mit der Ent-fernung ab. Zum Beispiel wird bei einer Explosionvon 100 kg TNT in einer Entfernung von 500 m derBemessungsdruck von Wind nach DIN 1055-4 er-reicht. Soll der Druck infolge einer Explosion experi-mentell bestimmt werden, so werden Druckaufneh-mer (z.B. [Geb2006b]) in festgelegten Abständen vonder Explosionsquelle installiert. Das in Abb. 1 (links)dargestellte Messsignal (schwarz) zeigt einen gemes-senen typischen Druck-Zeit-Verlauf für den Fall 100kg TNT in 15 m Entfernung. Zum Vergleich zeigt dieblaue Kurve die numerische Simulation. Der typischeDruck-Zeit-Verlauf ist gekennzeichnet durch dieDruck-Anstiegszeit, die lediglich Nanosekunden be-trägt, den Spitzenüberdruck, die Überdruckphase, dieMillisekunden dauert und die Unterdruckphase (Sog-phase) (Abb. 1 rechts). Der Spitzenüberdruck ergibtsich aus der Differenz von Spitzendruck p1 und Um-gebungs-Luftdruck p0. Trifft die Luftstoßwelle in der-selben Entfernung des Messpunktes wie bei der frei-en Ausbreitung auf ein starres Hindernis, so misst einDruckaufnehmer den in Abb. 1 (links) rot dargestell-ten Druck-Zeit-Verlauf. Der Spitzenüberdruck ist ge-genüber dem der freien Ausbreitung etwa 2,8 mal sogroß. Was ist der Hintergrund für diesen Druckan-stieg? Zunächst könnte man denken, dass sich dieeinfallende Welle und die ausfallende Welle überla-gern, und somit bei der Reflexion der doppelte Über-druck entstehen muss. Aber, anders als beim elasti-

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TRAGWERKSPLANUNG

schen Einzelstoß treffen bei der Luftstoßwelle vielePartikel das Hindernis. Sie können nicht frei reflek-tiert werden, weil weitere Luftpartikel nachströmen.Dadurch kommt noch ein Anteil hinzu, derStaudruck, auch dynamischer Druck genannt (Glei-chung 12). Somit entsteht der so genannte reflektierteÜberdruck. Ihn erfährt das Bauwerk. Der reflektierteÜberdruck ist der Bemessungsdruck.

Für viele praktische Anwendungen kann dieÜberdruckphase vereinfacht durch einen Dreiecksim-puls dargestellt werden (z.B. DIN EN 13124-2, An-hang B). Bestimmende Größen für das ungleich-schenklige Dreieck sind: vertikale linke Seite, Spit-zenüberdruck und Dauer der Überdruckphase. Esmuss genau angegeben sein, um welchen Druck essich handelt.

Ohne näher darauf einzugehen, sei angemerkt,dass diese Einwirkungen im Material aufgrund derhohen Drücke zu Verzerrungsraten bis zu 108 und zuZerstörungen führen können. Diese Zustände müssendurch besondere Materialgesetze abgebildet werden(z.B. Gebbeken [Geb2000], [Mey1994]).

Im Folgenden wird die Anschauung bzw. dieexperimentelle Beobachtung physikalisch und mathe-matisch beschrieben.

3 Zur Physik und Mathematikdes ebenen Luftstoßes

Abb. 1 zeigt rechts qualitativ den typischenDruck-Zeit-Verlauf einer Luftstoßwelle infolge einerExplosion bei freier Ausbreitung. Luftstoßwellensind gekennzeichnet durch einen plötzlichen Anstiegdes Drucks an der Schockfront vom Umgebungsluft-

druck p0 auf den Spitzendruck p1. Die Anstiegszeit,und damit die „Dicke“ dieser Schockfront, sind fürdie theoretische und die praktische Analyse vernach-lässigbar und werden gleich Null idealisiert. DieSchockfront stellt nichts anderes dar als die Grenz-fläche zwischen der hier betrachteten Luft im Aus-gangszustand und dem Zustand in der Luftstoßwelle.Der Überdruckphase (Überdruck = p1 – p0 > 0) folgteine Sogphase, in der der Druck geringer als der Um-gebungsluftdruck p0 ist.

3.1 Zustandsgleichung für Luft

Die Zustandsgleichung für Luft kann aus derthermischen und der kalorischen Zustandsgleichunghergeleitet werden ([Geb2006b]). Dabei sind die be-schreibenden Größen bei konstanter Masse m dieTemperatur T, der Druck p, das Volumen V und dieinnere Energie U. Wie in Gebbeken und Döge[Geb2006b] dargestellt ist, kann die Zustandsglei-chung

p = (γ –1) ρe (1)

hergeleitet werden. In (1) ist p der Druck, γ ist derIsentropenexponent, ρ = m/V ist die Dichte und e istdie spezifische innere Energie. γ wird als Isentropen-exponent bezeichnet, weil für isentropische Zu-standsänderungen von idealen Gasen p Vγ = constgilt. Für Luft im Normzustand (DIN 1343 [Din1343],T = 273,15 K, p = 101325 Pa) ist γ ungefähr 1,4. FürVerhältnisse im Rahmen von Explosionen gilt 1,17 <γ < 1,4.

3.2 Bestimmung des Überdruck-Zeit-Verlaufs

Aufgrund von semi-empirischen Methodenwurden Formeln entwickelt, die die wichtigstenKenngrößen des Überdruck-Zeit-Verlaufs der freienLuftstoßwelle beschreiben. Diese Kenngrößen sind

Abb. 1: Explosion, Druck-Zeit-Verläufe, (links) gemessen und gerechnet, (rechts) idealisierter Verlauf und Definitionen

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TRAGWERKSPLANUNG

z.B. der Spitzenüberdruck pso, die Dauer der Über-duckphase td und der maximale Impuls Imax. Bei-spielsweise werden hier die Formeln nach KINNEY&GRAHAM [Kin1995] genannt. Der einfallende Spit-zenüberdruck ist

(2)

mit dem Umgebungsluftdruck p0 und dem skaliertenAbstand

(3)

mit dem Abstand a zum Explosionsmittelpunkt undder Masse des Sprengstoffes mTNT in kg TNT.

Die Dauer der Überdruckphase wird mit

(4)berechnet.

Der Überdruck-Zeit-Verlauf kann idealisiertmit der exponentiellen Funktion

(5)

beschrieben werden. Hierbei ist α ≥ 0 ein Formfaktorder Funktion. Er ist in KINNEY & GRAHAM [Kin1995]in Tabelle XI angegeben. Eine wichtige Kenngrößefür die Bemessung ist der maximale Impuls

(6).

Für die Bemessung kann ein linearer Über-druck-Zeit-Verlauf mit α = 0 verwendet werden. Dermaximale Impuls

(7)

ist dann am größten und damit liegt die Bemessungauf der sicheren Seite.

Die Berechnung des Überdruck-Zeit-Verlaufesmit den Formeln in diesem und im nächsten Ab-schnitt ist nur für einfache Beispiele an relativ steifenBauteilen wie z.B. Stahlbetonstützen zutreffend. Solldie Einwirkung in komplexer Umgebungsstruktur mitMehrfachreflexionen oder an leichten nachgiebigenBaustrukturen wie z.B. leichten Membranen be-stimmt werden, so sind numerische Simulationen mitCFD-Programmen (Computational Fluid Dynamics)gegebenenfalls mit Fluid-Struktur-Interaktion erfor-derlich. Allerdings dienen selbst für komplexe Pro-blemstellungen die angegebenen Formeln als schnel-le Abschätzung und zur Kontrolle. Zu beachten ist,dass, wenn die Explosion auf oder nahe einer Ober-fläche wie z.B. einem Erdboden erfolgt, die doppelteSprengstoffmasse in den Formeln zu verwenden ist,da die Oberfläche wie eine Symmetrieebene wirkt.Die Formeln wurden aber für eine freie, kugelförmi-ge Luftstoßwellenausbreitung entwickelt.

Für die Berechnung muss eine Erhöhung deseinfallenden Spitzenüberdruckes zum reflektiertenSpitzenüberdruck beachtet werden. Diese Erhöhungwird im folgenden Abschnitt beschrieben. Die Ein-wirkungsdauer td der Überdruckphase der reflektier-ten Luftstoßwelle ändert sich nur geringfügig ge-genüber der einfallenden Luftstoßwelle. Für die Be-messung kann diese Änderung von ti vernachlässigtwerden.

3.2 Senkrechte Reflexion an starren Ober-flächen

Zunächst werden die Zustände direkt vor undhinter der sich frei ausbreitenden Schockfront mitHilfe der Erhaltungsgleichungen bestimmt. Für einestarre Oberfläche gilt, dass die Luft beim Auftreffenauf das Hindernis auf die Geschwindigkeit Null ab-gebremst wird (up2 = 0). Damit ergibt sich für den re-flektierten Druck p2

(8)

Bei der Annahme von Luft als ideales Gas istder reflektierte Druck p2 bei der senkrechten Reflexi-on nur vom Umgebungsluftdruck p0, dem Isentropen-exponenten γ und dem einfallenden Druck p1 undnicht von der Dichte oder von der inneren Energie ebzw. von der Temperatur T abhängig.

Der Reflexionsfaktor cr wird als das Verhältnisvom reflektierten Spitzenüberdruck pro (peak reflec-ted overpressure) zum Spitzenüberdruck der einfal-lenden Luftstoßwelle pso (peak side-on overpressure)

222

2

35,11

32,01

048,01

5,41808

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+⎟⎠

⎞⎜⎝⎛+⎟⎠

⎞⎜⎝⎛+

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

=zzz

z

pp 0so

3/1

kg1

m1

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

=TNTm

a

z

263

10

3/1

9,61

74,01

02,01

54,01ms980

kg1⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

=zzz

z

mt TNTd

dt/t

dso e

t

tpp(t) α⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛

−= 1

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

α−

−α

==α

∫ 2

-t

dsoe

tpdtp(t)Id 11

0max

dso tpI2

1)0(max ==α

.)1()1(p

)1()13(

1

0112 ++−

−−−=

γγγγ pp

pp

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46Der Prüfingenieur Oktober 2006

TRAGWERKSPLANUNG

definiert. Einsetzen von (8) liefert

(10).

Wird für Luft im Normzustand der Isentropen-exponent γ = 1,4 verwendet, so ergibt sich für diesenFall aus (10)

(11).

Der Reflexionsfaktor ist in Abb. 2 in Abhän-gigkeit vom einfallenden Überdruck pso = p1 –p0 mitp0= 101325 Pa abgebildet. Für sehr kleine Über-drücke gilt → cr = 2 und für sehr große Über-

drücke strebt der Reflexionsfaktor gegen die Asymp-tote → max cr = 8. Dies gilt nur unter der An-

nahme, dass Luft ein ideales Gas mit einem konstan-ten Isentropenexponenten γ = 1,4 ist.

Merksatz: Unter Annahme eines konstantenIsentropenexponenten γ = 1,4 gilt max cr = 8.

Luft verhält sich aber nur näherungsweise wieein ideales Gas. Bei hohen Drücken und hohen Tem-peraturen verringert sich der Isentropenexponent bisauf γ ≈ 1,17 (TM 5-855-1 [Def1997]). Dies hat Ein-fluss auf den Reflexionsfaktor, der auf cr ≈ 12,5 beieinem einfallenden Überdruck von p0 ≈ 35,5 MPasteigt (Abb. 2) und bei noch höheren Drücken denWert 14 erreichen kann.

Merksatz: Unter realen Bedingungen (veränder-lichem Isentropenexponenten) erreicht der Refle-xionsfaktor cr Werte bis etwa 14.

Bei Reflexionen mit einfallenden Überdrückenbis pso = 2 MPa sind die Abweichungen bei der Ver-wendung eines Isentropenexponenten γ = 1,4 gering.Der Überdruck 2 MPa = 2000 kN/m2 = 20 bar ent-spricht ungefähr dem Spitzenüberdruck bei einer Ex-plosion von 2700 kg TNT in 10 m Entfernung.

Nach Mayrhofer [May2004] können Explosio-nen mit einem skalierten Abstand z = a/mTNT

1/3 > 0,5(a = Abstand, mTNT = Sprengstoffmasse) (s. auch (3))als Ferndetonationen betrachtet werden. Dies ent-spricht einfallenden Überdrücken bis 4 MPa. Dabeibeträgt die Abweichung des Reflexionsfaktors beiBerücksichtigung eines veränderlichen im Vergleichzu einem konstanten Isentropenexponenten ungefähr6 %. Damit ist die Verwendung eines konstantenIsentropenexponenten für Anwendungen im Bereichvon Ferndetonationen ausreichend genau. Für Nahde-tonationen ist zu prüfen, ob der Effekt eines erhöhtenReflexionsfaktors zu berücksichtigen ist.

Durch Umformen der Gleichung (8) und beiBerücksichtigung der Gleichungen für die Dichte ρ1und die Partikelgeschwindigkeit up1 der einfallendenLuftstoßwelle wird die interessante Darstellung

(12)

für den reflektierten Spitzenüberdruck erhalten. Glei-chung (12) zeigt anschaulich, dass der reflektierteSpitzenüberdruck pro sich aus dem Doppelten deseinfallenden Spitzenüberdrucks pso und dem dyna-

mischen Spitzendruck , der mit dem Faktor

(γ + 1) multipliziert wird, zusammensetzt.

Dies verdeutlicht die in Abschnitt 2 anschau-lich beschriebene Vorstellung, dass sich die Über-drücke der einfallenden und ausfallenden Welle undzusätzlich ein Druck durch das Stoppen der Luftüberlagern.

Trifft die Luftstoßwelle nicht senkrecht auf ei-ne Oberfläche, so ist der reflektierte Druck auch vomAuftreffwinkel abhängig. Ohne die mathematischeHerleitung werden die Ergebnisse in Abb. 3 darge-stellt. Erst ab einem Auftreffwinkel von weniger alsetwa 50 Grad gemäß Abb. 3 (links), hat der Auftreff-winkel einen merklichen Einfluss.

Abb. 3 kann entnommen werden, dass der Re-flexionsfaktor von drei wichtigen Größen abhängt:

01

02

pp

pp

p

pc

so

ror −

−== (9)

01

001

011 )1()1(

)1()13(

pp

ppp

ppp

p

pc

so

ror −

++−−−−

==γγγγ

01

limpp →

∞→1plim

Abb. 2: Reflexionsfaktor in Abhängigkeit vom einfallendenÜberdruck pso

01

01

6

68

pp

ppcr +

=

2112

1)1(2 psoro upp ργ ++=

2112

1puρ

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TRAGWERKSPLANUNG

Spitzenüberdruck, Auftreffwinkel und Isentropenex-ponent. In Abb. 3 (rechts) ist zu erkennen, dass gera-de bei Überdrücken pso ≤ 0,1 MPa (= 3 kg TNT ina = 4 m), bei einem Auftreffwinkel von 50-80 GradMaxima von etwa drei für den Reflexionsfaktor auf-treten. Dies ergibt sich nicht bei der isentropen Be-trachtungsweise mit γ = 1,4, wie es im linken Bilddargestellt ist.

Merksatz: Ist der Auftreffwinkel nicht bekannt,so ist mit einem minimalen Reflexionsfaktor von 3zu rechnen.

Merksatz: Der Reflexionsfaktor ist nicht auf ei-nen Maximalwert von 2 begrenzt. Es gilt 2(3) < cr< ≈ 14.

Mit dem Reflexionsfaktor wird der Überdruckder ankommenden Luftstoßwelle multipliziert. Fürdie Bemessung ist jedoch der gesamte Druck-Zeit-Verlauf entscheidend. Es wird also auch die Dauerder positiven Druckphase benötigt. Damit ist dannauch der Impuls bekannt. Bei Mehrfachreflexionenund bei Bauteilschädigungen kann es erforderlichsein, auch die Sogphase zu berücksichtigen. Häufigwerden dem Tragwerksplaner für die Bemessung vonKonstruktionen Drücke und Impulse als Ergebnis vonVersuchen mitgeteilt. Hierbei muss genau angegebensein, um welchen Druck es sich handelt. Bemes-sungsdruck ist der reflektierte Überdruck. Für die dy-namische Berechnung wird die Dauer der positivenDruckphase

Abb. 3: Reflexionsfaktor in Abhängigkeit vom Auftreffwinkel und vom Spitzenüberdruck der auftreffenden Luftstoßwelle,(links) γ = 1,4 nach Schindler, (rechts) γ veränderlich nach TM 5-855-1

benötigt und aus (7) berechnet (s. aber auch (4)). Da-mit liegen die Eingangsgrößen für eine dynamischeBerechnung fest.

4 Zum Einfluss des Materialsund der Bauteildickeauf den Reflexionsfaktor

4.1 Material

In allen den Autoren bekannten Veröffentli-chungen zum Reflexionsfaktor wird nur die Reflexi-on an starren Hindernissen behandelt. Es stellt sichsomit die Frage, ob das Material keinen Einfluss aufden Reflexionsfaktor hat. Rein anschaulich muss dasMaterial einen Einfluss haben, denn beim Übergangvon nicht porigen Festkörpern über offenporigenFestkörpern zu Luft ist ein gleitender Übergang mög-lich; Stahl – Aluminiumschaum – Schwamm – Luft.Darüber hinaus war in einem Fachartikel zu lesen,dass der Reflexionsfaktor u. a. abhängig von derGlasstärke ist. Diese Aussagen und Überlegungen ha-ben uns dazu veranlasst, eine Studie zu erstellen. Indiesem Abschnitt soll die Frage beantwortet werden,in welchem Maße sich der Reflexionsfaktor bei derWahl unterschiedlicher Materialien und unterschied-

rod p

It

2= (13)

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TRAGWERKSPLANUNG

48Der Prüfingenieur Oktober 2006

licher Bauteildicken beeinflussen lässt. Für die theo-retischen Untersuchungen wird ein konstanter Isen-tropenexponent γ = 1,4 für Luft verwendet, da dies,wie in Abschnitt 3 gezeigt wurde, für baupraktischeAnwendungen im Bereich des Ferndetonations-schutzes ausreichend genau ist.

Die Theorie ist in Gebbeken und Döge 2006([Geb2006b]) veröffentlicht. Hier werden die Ergeb-nisse dargestellt. Mit den Erhaltungsgleichungen fürLuft- und Feststoff und den Zustandsgleichungen fürFestkörper ([Geb2000], [Gre2004], [Mar1980],[Rin1975]) wurden der Druck p2 und der Reflexions-faktor cr für unterschiedliche Materialien und für ver-schiedene einfallende Überdrücke pso bestimmt. Da-für wurde als Ausgangszustand der Luft der Normzu-stand (s. Abschnitt 3) angenommen. Die Ergebnissefür die Reflexionsfaktoren sind in Tabelle 1 angege-ben. Neben der starren Reflexion (Zeile 2) wurdenzunächst die klassischen Baumaterialien Stahl, Glasund Beton untersucht. Danach „erfanden“ wir dieMaterialien 1, 2 und 3. Es sind zunächst „theoreti-sche“ Materialien mit frei gewählten aber sinnvollenMaterialkenngrößen in Bezug auf das Reflexionsver-halten. Sie besitzen folgende Eigenschaften: Mate-rial 1 hat eine relativ hohe Dichte ρm0 aber eine gerin-ge Kompressionswellengeschwindigkeit cB bzw. Stei-figkeit (z.B. Polyethylen, low density (PE-LD)). Ma-terial 2 hat eine geringe Dichte, aber eine hohe Stei-figkeit (z.B. Aluminiumschaum). Material 3 hat einegeringe Dichte und eine geringe Steifigkeit (z.B. wei-cher Polyurethanschaum). S ist ein Parameter der Zu-standsgleichung gemäß [Gre2004].

Die Ergebnisse in Tabelle 1 zeigen, dass sichder Reflexionsfaktor für Konstruktionsmaterialien wieStahl, Beton oder Glas praktisch nicht im Vergleich zueinem ideal starren Material ändert. Die Aussage kannauf alle geschlossen porigen Festkörper, also auch aufMauerwerk und sogar Holz, erweitert werden.

Merksatz: Der Einfluss der meisten tragendenBaumaterialien auf den Reflexionsfaktor ist ver-nachlässigbar gering. Die Annahme als starresHindernis (starre Reflexion) ist gerechtfertigt.

Abb. 4 zeigt den Reflexionsfaktor in Abhän-gigkeit vom einfallenden Überdruck und von ver-schiedenen Materialien. In Verbindung mit Tabelle 1ist zu erkennen, dass Materialien mit geringer Dichteρm0 und geringer Kompressionswellengeschwindig-keit cB bzw. mit geringem Kompressionsmodul Kverwendet werden müssen, um den Reflexionsfaktordeutlich zu senken, also zum Beispiel leichte, weicheSchaumstoffe. Hier ergibt sich möglicherweise einneues Anwendungsgebiet für die Dämm-Technologieoder für die Fassadentechnik.

Merksatz: Stoffe mit geringer Dichte und gerin-ger Steifigkeit können den Reflexionsfaktor deut-lich reduzieren. Sie sollten offenporig sein.

Eine wichtige Kenngröße bei der Reflexion vonLuftstoßwellen ist die Impedanz. Sie ist das Produktaus Dichte und Wellengeschwindigkeit Im = ρm cB(z.B. Rinehart [Rin1975]). Bewegt sich eine Welle ineinem Material mit der Impedanz Im1 und trifft auf einMaterial mit der Impedanz Im2, so entspricht bei einemVerhältnis von Im1/Im2 << 1 die stattfindende Reflexioneiner Reflexion an einer starren Oberfläche.

Mögliche Werkstoffe, die den Reflexionsfaktorreduzieren, sind leichte, weiche Schaumstoffe. Diemeisten Aluminiumschäume sind zwar leicht, haben

Tabelle 1: Reflexionsfaktoren für unterschiedliche Materialien und unterschiedliche einfallende Überdrücke

Material ρm0 cB S cr (pso = 1 bar) cr (pso = 5 bar) cr (pso = 10 bar) cr (pso = 20 bar)[kg/m3] [m/s] [–] [–] [–] [–] [–]

starr – – – 2,741 4,481 5,510 6,429

Stahl 7850 4502 1,367 2,741 4,480 5,509 6,426

Beton 2350 2,741 4,479 5,506 6,421

Glas 2230 3879 1,860 2,741 4,478 5,504 6,417

Material 1 1000 500 1,050 2,734 4,434 5,408 6,234

Material 2 10 2000 1,050 2,579 3,625 3,938 3,995

Material 3 10 500 1,050 2,240 2,729 2,855 2,893

Luft 1,292 332

Abb. 4: Reflexionsfaktor cr in Abhängigkeit vom einfallen-den Überdruck pso und von verschiedenen Materialien

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aber eine große Steifigkeit und sind deshalb nicht op-timal. Eine zusätzliche günstige Eigenschaft solcherSchaumstoffe sollte sein, dass sie energieabsorbie-rend wirken. Es ist also zukünftig eine Aufgabe derMaterialwissenschaftler, solche Werkstoffe zu kreie-ren, die den Reflexionsfaktor signifikant reduzierenund zusätzlich Energie absorbieren (Recycling vonGetränkedosen).

4.2 Bauteildicke und Bauteillagerung

An dieser Stelle sei die Frage erörtert, inwieweitdie Bauteildicke und die Bauteillagerung den Reflexi-onsfaktor beeinflussen. Bisher wurde vereinfachendangenommen, dass die Anstiegszeit der Schockfrontund damit auch die Ausdehnung der Schockfront inLaufrichtung gleich Null ist. In der Realität führen Vis-kosität und Wärmeleitung der Luft zu einer Ausrun-dung der Stoßwellenfront. Die Stoßwellenfront hatnach Taylor ([Tay1939]) eine Dicke

(14)

Aus der Dicke der Stoßwellenfront berechnetsich die Anstiegszeit

(15)

Bei Überdrücken in der einfallenden Luftstoß-welle von 0,1 MPa ≤ pso ≤ 4 MPa liegt die Anstiegs-zeit im Bereich von 3 · 10–11 s ≤ ts ≤ 1,3 · 10–9 s. BeiSchockwellengeschwindigkeiten im Feststoff von500 m/s ≤ usm ≤ 10 000 m/s pflanzt sich die Schock-welle bis zu 0,013 mm im Bauteil fort, bis der maxi-male reflektierte Überdruck erreicht ist. Da Bauteilein der Baupraxis gewöhnlich dicker als 0,013 mmsind, wird der maximale reflektierte Überdruck unddamit auch der Reflexionsfaktor weder von der Bau-teildicke noch von der Bauteilsteifigkeit oder von denAuflagern beeinflusst.

Merksatz: Die Bauteildicke und die Bauteillage-rung beeinflussen den Reflexionsfaktor nicht.Ausnahme: extrem dünne, quasi masselose Mem-brane.

5 Luftstoßwellen undMehrfachreflexion

Bisher haben wir uns nur mit der freien Aus-breitung von Luftstoßwellen beschäftigt sowie mitder einmaligen Reflexion an Festkörpern. In der Rea-

./10

1

24

pu

smd

−=

./10

11

24

1 spss uu

sm

u

dt

−==

lität treten jedoch fast immer Mehrfachreflexionenauf. In Gebäuden werden die Luftstoßwellen mehr-fach am Boden, der Decke und den Wänden reflek-tiert, sie können sich in Fluren, Treppenhäusern undSchächten verästeln und dabei treten nicht nur Druck-sondern auch Sogzustände auf. In Städten ist dieLuftstoßwellenausbreitung nicht weniger kompli-ziert. Durch Formgebung, Stadt- und Landschaftspla-nung kann die Ausbreitung von Luftstoßwellen be-einflusst werden. Mehrfachreflexionen und derenLastzustände können praktisch nur aus numerischenSimulationen ermittelt werden. Wir verwenden dazuWellenausbreitungsprogramme, so genannte Hydro-codes.

5.1 Boden-Gebäude-Reflexion

Detoniert ein Sprengstoff in einer Höhe HBvom Boden (Abb. 5), so ist Folgendes zu beachten.Ab einem horizontalen Abstand d0 findet am Bodeneine so genannte schräge Reflexion statt. Bis zu ei-nem horizontalen Abstand liegt der Schnittpunkt dereinlaufenden mit der vom Boden reflektierten Welleam Boden. Ab d0 löst sich der Schnittpunkt vom Bo-den und es bildet sich nahezu vertikal der Mach-stamm aus. Die sich ergebende Schockfront breitetsich nicht mehr kugelförmig, sondern zylinderförmigaus. Die Zylinderfläche ist der so genannte Mach-stamm. Bis zur Höhe HM

(16)

wird das Gebäude von dem Überdruck aus demMachstamm getroffen und reflektiert. Darüber treffendie einfallende und die vom Boden reflektierte Luft-stoßwelle nacheinander oder überlagert auf das Ge-bäude. Für den Winkel β gilt: 39,2°<β < 60°. Theore-tisch kann β 90 Grad erreichen.

BBM Hd

dHH ≤

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡−⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛

=2

0

107,0

Abb. 5: Boden-Gebäude-Reflexion

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TRAGWERKSPLANUNG

50Der Prüfingenieur Oktober 2006

Die Ergebnisse wurden aus Versuchen und Be-rechnungen gewonnen. Der Druck der Mach-Stamm-Reflexion kann gegenwärtig nur experimentell odernumerisch bestimmt werden.

5.2 Innenraumexplosion

Bei der Innenraumexplosion treten Mehrfach-reflexionen auf. Abb. 6 zeigt links eine Tiefgarage.Decke und Wände wurden aus Gründen der besserenÜbersichtlichkeit nicht dargestellt. Im rechten Teilvon Abb. 6 ist beim Druck-Zeit-Verlauf zu sehen,dass der ersten Welle eine zweite folgt, die aus derReflexion stammt. Obwohl die zweite Druckspitzegeringer als die erste ist, kann die zweite Welle zurZerstörung führen, wenn bei der ersten eine Vorschä-digung erfolgte.

Derart komplizierte Verhältnisse lassen sichnur numerisch analysieren.

5.3 Außenraumexplosion

Die Luftstoßwellenausbreitung in urbanen Ge-bieten (Abb. 7) ist ebenso kompliziert wie bei Innen-raumexplosionen. Umströmungen und Tunneleffekteführen zu Sogeffekten und Druckerhöhungen, diesich nur numerisch abbilden lassen.

Es werden auf dem Markt vereinfachte En-gineering Codes zur Luftstoßwellenausbreitung an-geboten. Die den Autoren bekannten E-Codes be-rücksichtigen die tatsächlichen baulichen Verhältnis-se nicht, sondern approximieren nur Abstände.

6 Luftstoßwellen-Struktur-Interaktion

In Abschnitt 4 war bereits erwähnt worden,dass sich sehr dünne quasi masselose Bauteile andersVerhalten, als übliche Konstruktionen. Obwohl dieBauteilsteifigkeit keinen Einfluss auf den Reflexions-faktor und auf den reflektierten Spitzenüberdruck hat,so hat sie einen Einfluss auf den gesamten Über-druck-Zeit-Verlauf. Für steife Bauteile ist dieser Ein-fluss vernachlässigbar. Jedoch bieten leichte, quasimasselose, nachgiebige Konstruktionen wie z.B. be-stimmte Membranen die Möglichkeit, den Über-druck-Zeit-Verlauf positiv zu beeinflussen. Noch be-deutender ist die Interaktion zwischen Luftstoßwelleund Fassadenteile und Tragwerk. Durch intelligenteLösungen können die Kräfte, die tatsächlich in dasTragwerk eingetragen werden, sehr stark beeinflusstwerden.

In Abb. 8 ist links eine Seilnetz-Glas-Fassadedargestellt, die global als Membran trägt. Im rechtenBild ist das Ergebnis einer numerischen Simulation

Abb. 6: Innenraumexplosion, Tiefgarage (links), Druck-Zeit-Verlauf (rechts)

Abb. 7: Außenraumexplosion in einem bebauten Gebiet

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TRAGWERKSPLANUNG

51Der Prüfingenieur Oktober 2006

der Luftstoßwellen-Membran-Interaktion dargestellt.Es ist zu erkennen, dass der reflektierte Spitzenüber-druck von der Membran gegenüber einer starren Re-flexion nicht abweicht, wohl aber das Verhalten nachAuftreffen der Luftstoßwelle.

Merksatz: Leichte, nachgiebige Konstruktionenkönnen zwar nicht unbedingt den reflektiertenSpitzenüberdruck beeinflussen, wohl aber denÜberdruck-Zeit-Verlauf bzw. den Kraft-Zeit-Ver-lauf, also die Last, die sie an das Gebäude abge-ben.

7 Statische Ersatzlasten

Für bestimmte Bauteile wie Türen oder Fenster,für Abwassersammler und bestimmte technische Anla-gen werden zur Bemessung statische Ersatzlasten an-gegeben. Mit ihrer Hilfe ist eine übliche Bemessungmöglich. Statische Ersatzlasten können aus Versuchen,inversen Nachweisen oder mit Hilfe von Ein- oderMehrmassenschwingern ermittelt werden. Ihre Gültig-keit beschränkt sich immer auf den individuell geführ-ten Nachweis. Eine statische Ersatzlast ist unter einund derselben Luftstoßwelle anders für Fenster, Türen,Fassadenelemente, Wände oder für die Gesamtkon-struktion. Deshalb werden statische Ersatzlasten übli-cherweise nicht akzeptiert. In der Regel fordert dieBauaufsicht eine echte dynamische Berechnung unterBerücksichtigung des Druck-Zeit-Verlaufes.

8 Zusammenfassung

In diesem Aufsatz wurde die Vorgehensweisezur Berechnung der Bemessungslasten aus Explosi-onsszenarien gezeigt. Eine zentrale Aufgabe war da-

Abb. 8: Seilnetz-Glas-Fassade (links), Druck-Zeit-Verläufe, numerische Berechnung Luftstoßwelle-Membran-Interaktion(rechts)

bei die Bestimmung des reflektierten Spitzenüber-druckes bzw. des Reflexionsfaktors bei der senkrech-ten Reflexion von Luftstoßwellen. Bezug nehmendauf die eingangs gestellten Fragen kann festgehaltenwerden:

Der Reflexionsfaktor nimmt bei der Reflexion vonLuftstoßwellen an starren Oberflächen Werte grö-ßer als 2 an (2(3) < cr < ≈ 14).

Unter Annahme eines konstanten Isentropenexpo-nenten γ = 1,4 ist der Reflexionsfaktor nach obenauf 8 begrenzt.

Die Annahme eines konstanten Isentropenexpo-nenten γ = 1,4 ist für Ferndetonationen ausrei-chend genau.

Bei Nahdetonationen können Reflexionsfaktorenbis etwa 14 auftreten.

Die meisten Konstruktionsmaterialien (z.B. Stahl,Beton, Glas, Mauerwerk, Holz) haben einen ver-nachlässigbaren Einfluss auf den Reflexionsfaktorim Vergleich mit einer starren Reflexion.

Um den reflektierten Spitzenüberdruck deutlichzu reduzieren, müssen Materialien mit geringerDichte und geringer Steifigkeit wie z.B. Schaum-stoffe und Schäume eingesetzt werden.

Die im Bauwesen üblicherweise verwendetenBauteilabmessungen (> 0,013 mm) und die Lage-rungsbedingungen haben keinen Einfluss auf denReflexionsfaktor.

Um den Überdruck-Zeit-Verlauf positiv zu beein-flussen, können leichte, nachgiebige, quasi masse-lose Konstruktionen wie z.B. Membranen verwen-det werden.

Der Reflexionsfaktor darf nicht mit dem dynami-schen Überhöhungsfaktor verwechselt werden.Ersterer bezieht sich auf die Einwirkung, letztererauf den Widerstand.

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TRAGWERKSPLANUNG

52Der Prüfingenieur Oktober 2006

Die außergewöhnliche Einwirkung „Explosion“lässt sich nicht „normen“. Gleichwohl können ausGründen der Vergleichbarkeit am Markt Schutz-klassen definiert werden.

Die Einwirkung aus der Luftstoßwelle kann nurdurch den vollständigen Druck-Zeit-Verlauf dar-gestellt werden. Die alleinige Angabe des Spit-zenüberdruckes reicht nicht aus.

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EINWIRKUNGEN

53Der Prüfingenieur Oktober 2006

1 Einführung

Der Anprall von Fahrzeugen an Bauwerke oderstützende Bauteile von Bauwerken ist ein seltenes Er-eignis. In den meisten Fällen verlaufen derartige An-prall-Ereignisse glimpflich, seltener sind schwereund schwerste Schäden, auch in Verbindung mit töd-lichem Ausgang für Menschenleben zu verzeichnen.Ein Anprall kann von allen sich bewegenden Fahr-zeugen ausgehen und kann zum Versagen von Bautei-len oder ganzen Bauwerken führen. Eine absolute Si-cherheit gibt es nicht, so dass einerseits mit geeigne-ten Ansätzen für die Einwirkung und andererseits mitdem Widerstandsvermögen des Tragwerks für einerelative Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit der Kon-struktion zu sorgen ist, um damit auch baurechtlichenAnsprüchen nach Sicherheit und Ordnung sowieSchutz menschlichen Lebens zu genügen. ErstereAnsätze für die Einwirkung von seltenen Unfall-Er-eignissen, auch als außergewöhnliche Einwirkungenbezeichnet, behandelt [DIN 1055-9,2003], Außerge-wöhnliche Einwirkungen, die die entsprechende[ENV 1991-2-7, 1998], Accidental Actions, erschie-nen auch als deutsche Übersetzung [DIN V ENV1991-2-7, 2000], für die nationale Anwendung umge-setzt hatte.

[DIN 1055-9, 2003] fasst erstmals Regelungenzu Anprall-Vorgängen zusammen, die nach dem altenNormenkonzept in verschiedenen anderen Normen-Teilen oder Vorschriften zu finden waren (Anprallaus Kfz in DIN 1055-3, DIN 1072 und DIN 1075;Anprall aus Schienenfahrzeugen in DS 804; Gabel-stapler-Anprall in DIN 1055-3) oder überhaupt nichteinheitlich geregelt waren (Anprall aus Schiffen; har-te Landung durch Hubschrauber; Explosionen undDetonationen). Der überwiegende, „traditionelle“Teil der Festlegungen ist von früheren Vorschriftenübernommen worden. Die Regelungen zu Schiffsan-prall entstammen einer Modellbildung neuerer Art. Inder Norm ist ebenfalls die Möglichkeit von Risikobe-trachtungen und -analysen eröffnet, um Bemessungs-werte zu definieren. „Sicherheit“ nach [DIN 1055-9,2003] ist anders als in anderen Normen nicht an eineneinzigen Bemessungswert oder einen Teilsicherheits-

DIN 1055, Teil 9 – Außerge-wöhnliche Einwirkungen undprobabilistische VerfahrenFür die Beschreibung außergewöhnli-cher Lasten sind mechanische und probabilistische Modelle gut geeignet

Die neue DIN 1055-9 bietet der Fachwelt erstmalseinen selbstständigen Normenteil für die Berech-nung außergewöhnlicher Einwirkungen – Unfall-lasten, Explosionen, Detonationen. Weil derartigeLast-Einwirkungen eine sehr kurze Einwirkungs-zeit haben und sehr selten sind, gelten für ihre Be-schreibung mechanische und probabilistische Mo-delle als probate Methoden. Sowohl Last- als auchKollisions-Modelle können dabei wahrscheinlich-keitstheoretische Elemente beinhalten. Sie undweitere außergewöhnliche Einwirkung, für diezwar prinzipielle Modelle existieren, auf die aberim Rahmen der Normung noch nicht explizitzurückgegriffen wurde, werden im folgenden Bei-trag beschrieben. Nur die Behandlung des Schiffs-anpralls ist derzeit eine der wenigen außerge-wöhnlichen Einwirkungen, bei denen eine Modell-bildung auf neuerem Stand zu normativen Festle-gungen in DIN 1055-9, 2003 geführt hat. Er wirddeshalb in dem Beitrag entsprechend dargestellt.

Bundesanstalt für Wasserbau,Leiter der Abteilung Bautech-nik; u.a. Obmann verschiedenerNormungsgremien, (Standsi-cherheit massiver Wasserbau-werke – DIN 19702, Außerge-wöhnliche Einwirkungen – DIN1055-9, Stahlbeton im Wasser-bau – ZTV-W 215).

Ltd. Baudirektor Dipl.-Ing. Claus Kunz

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54Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

faktor gekoppelt, sondern kann letztlich durch dieEinhaltung einer festgelegten Überschreitungs-Wahr-scheinlichkeit der außergewöhnlichen Einwirkungbestimmt werden.

[DIN 1055-9, 2003] soll Mitte 2006 zusammenmit den Teilen 1, 3, 4, 5 und 6 der neuen DIN 1055 indie Musterliste der technischen Baubestimmungenaufgenommen und damit ab 01. Januar 2007 bauauf-sichtlich eingeführt werden, [HÄUSLER, 2006].

Nachfolgend werden eine Übersicht über [DIN1055-9, 2003] gegeben sowie Konzepte und schwer-punktmäßig einige Regelungen dargestellt. Ausge-hend von der bisherigen Bestimmung der Bemes-sungswerte werden Möglichkeiten zu künftiger Neu-Bestimmung oder auch Plausibilisierung von Bemes-sungswerten, zum Teil mit probabilistischen Verfah-ren, aufgezeigt und andiskutiert.

2 Außergewöhnliche Einwir-kungen nach DIN 1055-9

2.1 Anwendungsbereich und Gliederung

[DIN 1055-9, 2003] enthält Regelungen zuaußergewöhnlichen Einwirkungen, vor allem zu An-prall, aber auch informativ zu Explosionen und Deto-nationen. Im Bereich der Verkehrsträger Straße,Schiene und Wasserstraße stehen hier hauptsächlichBrücken oder ihnen ähnliche Überbauungen im Vor-dergrund.

[DIN 1055-9, 2003] ist in Verbindung mit[DIN 1055-100, 2001] und den anderen Teilen derReihe DIN 1055 sowie den Bemessungsnormen ver-wendbar.

Die Norm behandelt keine Regelungen, die un-gewöhnliche Zuverlässigkeitsüberlegungen erfor-dern, wie z. B. für Bauwerke aus dem Bereich derKerntechnik, für die besondere Bemessungsvor-schriften anzuwenden sind. Staubexplosionen für Si-lo-Anlagen wurden im einschlägigen Teil 6 der DIN1055 aufgenommen.

Soweit nicht gesondert erwähnt, gelten die Re-gelungen für neu herzustellende Bauwerke bzw. Bau-teile und für wesentliche Umbauten. Auf bestehendeBauwerke sind in der Regel die dargelegte Methodiksowie ggf. eigens aufgeführte Regelungen anzuwen-den.

Die Gliederung von [DIN 1055-9, 2003] sowiestichwortartig die wesentlichen Inhalte gehen ausAbb. 1 hervor.

Gegenüber [DIN V ENV 1991-2-7, 2000] wird in[DIN 1055-9, 2003] der Anprall von Gabelstaplernnormativ geregelt, während Explosionen informativgeregelt sind und nur auf Veranlassung von Bauherrbzw. zuständiger Behörde zu berücksichtigen sind.

2.2 Konzepte und Regelungen

Außergewöhnliche Einwirkungen sind durcheine kurze Einwirkungsdauer gekennzeichnet; ihreEintrittswahrscheinlichkeit ist während der Nut-zungsdauer des Tragwerks gering, wobei ihr Eintre-ten jedoch zu erheblichen Schäden führen kann.Außergewöhnliche Einwirkungen werden zusammenmit ständigen und veränderlichen Einwirkungen inaußergewöhnlichen Bemessungssituationen berück-sichtigt (vgl. [DIN 1055-100, 2001]).

Außergewöhnliche Ereignisse sind mit Hilfevon Risikoszenarien darzustellen. Der Umfang derUntersuchungen richtet sich nach den zu erwartendenFolgen, die von dem Ereignis ausgehende Gefähr-dung für Menschen, die Umweltfolgen und der wirt-schaftliche Schaden für die Gesellschaft zu betrach-ten haben.

Für die bei Bemessung eines Tragwerks anzuneh-menden außergewöhnlichen Einwirkungen sind

die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des auslö-senden Ereignisses,

die Gefährdung des Tragwerks,

die Schutzmaßnahmen zur Vermeidung oder Ver-ringerung der Gefahren,

die möglichen Folgen eines Schadens oder derZerstörung des Tragwerks,

die Höhe des zu akzeptierenden Risikos

1 Anwendungsbereich

2 Normative Verweisungen (auf direkt mitgeltendenNormen)

3 Begriffe (Definitionen)

4 Klassifizierung der Einwirkungen (Unfall-Einwirkung,repräsentativer Wert ist i.a. Bemessungswert9

5 Außergewöhnliche Bemessungssituationen (Darstellungmit Risikoszenarien, Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen,Restrisiko, zusätzsätzliche Maßnahmen und Strategienzur Risiko-Reduzierung)

6 Anprall (Charakteristik von Anprall-Vorgängen, Dynamik, Interaktion, Bemessungshinweise)6.1 Anprall von Kraftfahrzeugen6.2 Außerwewöhnliche Einwirkungen an Eisennbahn-

betriebsanlagen6.3 Anprall von Schiffen6.4 Hubschrauberaufprall6.5 Anprall von Gabelstaplern

Abb. 1: Grob-Gliederung der DIN 1055-9 mit wesentlichenInhalten

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55Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

zu berücksichtigen. Damit sind die Begriffe „Wahr-scheinlichkeit“ und „Risiko“ fester Begriff dieserNormung.

Da ein Tragwerk im Extremfall nicht allen er-denklichen Einwirkungen widerstehen kann undmuss, ist ein Restrisiko zu akzeptieren. WerdenNachweise bzw. auch Festlegungen auf der Grundla-ge von Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen geführt, soist der repräsentative Wert der außergewöhnlichenEinwirkung mit einer Überschreitungs-Wahrschein-lichkeit von weniger als pü = 10-4 je Jahr für das Bau-werk festzulegen. Diese Regelung geht u.a. auf [ISO10252, 1995], zurück, die auf ISO-Ebene vergleich-bare außergewöhnliche Einwirkungen, wie z.B. An-prall, behandelte. Derartige Festlegungen einer Über-schreitungs-Wahrscheinlichkeit finden sich auch inamerikanischen Vorschriften für die Bemessung „kri-tischer“ (= besonders großer) Brücken, [AASHTO,1991], aber auch bei verschiedenen anderen außerge-wöhnlichen Einwirkungen wieder, z.B. bei extremenBemessungswasserständen für Talsperren, [DIN19700-11, 2004] oder für die Festlegung von Sicher-heitserdbeben bei kerntechnischen Anlagen [RACK-WITZ, 1996].

Ist ein Risiko nicht hinnehmbar, werden zu-sätzliche Maßnahmen erforderlich. Als Maßnahmenund Strategien zur Risikoreduzierung infolge außer-gewöhnlicher Einwirkungen gelten:

das Verhindern oder die Reduzierung der Wahr-scheinlichkeit des Auftretens der Einwirkung oderder Größe der Einwirkung, als vorrangiges Ziel,

der Schutz des Tragwerks,

eine Konstruktion, die bei örtlichem Versagen we-der insgesamt noch in wesentlichen Teilen ver-sagt,

die Konstruktion von wesentlichen, im Hinblickauf außergewöhnliche Einwirkungen besonderszuverlässigen Haupttragteilen,

Maßnahmen zur Minderung der Folgen bei Versa-gen eines Tragwerks.

Zur Bemessung von Bauteilen wird dieStoßeinwirkung in der Regel als statische Ersatzlastvorgegeben, die zur Ermittlung eines statischenGleichgewichtszustandes oder zur Ermittlung von Be-anspruchungen in Abhängigkeit vom angestrebtenSchutzziel benutzt wird. Die Lastangabe ist dabei alsNennwert anzusehen, der die sonst übliche Bestim-mung eines charakteristischen bzw. repräsentativenWertes nach [DIN 1055-100, 2001] ersetzt. In denmeisten Fällen ist dies bei „weichen Stößen“ möglich,also in den Fällen, in denen die Stoßenergie im we-sentlichen vom anprallenden Objekt aufgenommenwird. Nur bei sehr hohen Anpralllasten ist die Angabe

einer dynamischen Last sinnvoll, da das dynamischeVerhalten beider Stoßpartner im Sinne einer realisti-scheren, aber auch wirtschaftlicheren Bemessungberücksichtigt werden kann. Deshalb sind Stoßlastenfür Schiffsanprall unter Abschnitt 6.5, Tabelle 6, dy-namische Werte. Sie können, wiederum vereinfacht,mit angegebenen dynamischen Lastfaktoren zu stati-schen Ersatzlasten oder aber mit ebenfalls angegebe-nen Stoßlast-Zeitfunktionen innerhalb einer dynami-schen Nachweisführung verwendet werden.

Für Bauteile, die dazu dienen, die Stoßenergiedurch elastisch-plastische Verformungen zu vermin-dern, wie z.B. bei Leiteinrichtungen für Eisenbahn-fahrzeuge, Schiffe, Gabelstapler, also den Fall eines„harten Stoßes“, darf die zugehörige Einwirkung un-ter Berücksichtigung des plastischen Widerstandsund der Verformungskapazität dieser Bauteile be-stimmt werden.

Bei den zu führenden Nachweisen sind dieEinwirkungen in die übrige Konstruktion weiterzu-verfolgen, bei allgemeinen Hochbauten jedoch nichtfür den Nachweis der Gründung.

Die Festlegung der Bemessungs- bzw. Nenn-werte in [DIN 1055-9, 2003] erfolgte in Anlehnungan [DIN 1055-100, 2001], Anhang B, überwiegend„historisch“ und „empirisch“, d.h. frühere Regelun-gen wurden beibehalten oder es wurden Regelungenaus [ENV 1991-2-7, 1998] übernommen. Einzig al-lein die Bemessungswerte für Schiffsanprall ent-stammten aus einer Modellbildung unter Anwendungprobabilistischer Methoden, vielleicht auch deshalb,weil bisher keine einheitlichen Werte vorlagen undRisikobetrachtungen im Schiffsverkehr langjährigeTradition haben (vgl. [KRAPPINGER/SHARMA,1974]). Denkbar ist eine Ausweitung derartiger Ver-fahren, zumal die Fachöffentlichkeit verstärkt Be-messungswerte hinterfragt und hierfür plausible Be-gründungen gefunden werden müssen.

[ENV 1991-2-7, 1998] sowie alle Nachfolge-Dokumente bis hin zu [prEN 1991-1-7, 2005] gebensowohl für den mechanischen Anprallvorgang alsauch für Wahrscheinlichkeitsmodelle Hinweise undVorschläge, deren Grundlagen bereits in [CIB-167,1992] zu finden sind.

3 Der Anprallvorgang

Der Anprallvorgang ist abhängig von der Massever-teilung, dem Verformungsverhalten, den Dämp-fungseigenschaften des anprallenden Körpers unddes getroffenen Tragwerks sowie von der Geschwin-

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56Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

digkeit des anprallenden Körpers. Bei dem Anprallhandelt es sich um eine Interaktion zwischen demanprallenden Fahrzeug und dem Bauwerk. Zur Be-stimmung der Kräfte an der Anprallstelle solltenFahrzeug und Bauwerk eigentlich als ein Gesamtsy-stem betrachtet werden. In der Praxis lassen sich je-doch auch genügend genau entkoppelte Systeme inden Grenzfällen betrachten, etwa wenn sich der an-prallende Körper als verformbar und das getroffeneTragwerk als starr verhalten, so dass die Angabe vonErsatzlasten möglich wird wie beim so genannten„weichen“ Stoß. Reagiert das gestoßene Tragwerkverformbar, so ist die Interaktion zu berücksichtigen.Verhalten sich beide Stoßpartner nachgiebig, so bie-tet sich die Möglichkeit, über die jeweiligen Steifig-keiten die Kontaktkraft und die zugehörigen Defor-mationen zu bestimmen. Zu welcher Stoßart einSzenario gehört, hängt vom Verhältnis der Verfor-mungen bzw. Steifigkeit des anprallenden und ge-stoßenen Körpers ab.

Fahrzeuganprall an Bauwerke in oder neben ei-nem Verkehrsweg hat unterschiedliche Stoßrichtun-gen, die als Frontalstoß, in der Regel parallel zumVerkehrsweg und damit in Fahrtrichtung gerichtet,und als Flankenstoß, in der Regel senkrecht zum Ver-kehrsweg und damit quer zur Fahrtrichtung gerichtet,angegeben werden. Speziell bei Schiffsanprall ist eindurch die Gleitreibungswirkung bei Flankenstoß ent-stehender Reibungsstoß als tangentiale Komponentezu berücksichtigen.

3.1 Mechanische Modelle für Anprall

Die Verhältnisse beim Anprall eines verform-baren Körpers auf einen anderen werden theoretischdurch die Erhaltungssätze von Bewegungsimpuls undEnergie bestimmt. Ein einfaches mechanisches Mo-dell für den Anprall liefert [CIB-167, 1992], aberauch [ENV 1991-2-7, 1998]. Unter Annahme einesstarren Bauwerks und eines elastisch anprallendenFahrzeuges beträgt die Obergrenze der Stoßlast:

wobei:

νr Geschwindigkeit des Objektes bei Anprall;

k äquivalente elastische Steifigkeit des Anprallob-jektes;

m Masse des Anprallobjektes

und F jeweils kleiner sein muss als die plastischeGrenzlast des stoßenden Körpers. Diese Näherunggilt nur für jeweils kurze Stöße. Für ein tatsächlichelastisch-plastisches Verhalten des anprallenden Ob-jektes sollte eine äquivalente Steifigkeit bestimmtwerden.

Die Stoßzeit für eine dynamische Betrachtunglässt sich zurückrechnen über:

Traditionell werden Natur- oder Modellversu-che, so genannte Crash-Versuche, zur Bestimmungder Stoßkräfte und der Steifigkeit von anprallendenFahrzeugen vorgenommen, u.a. [POPP, 1965], [MEI-ER-DÖRNBERG, 1983], [WOLTER, 2001] (vergl.Abb. 2 und Abb. 3).

mkF r •=ν

kmt =∆

Abb. 3: Modellversuch Schiffsanprall, [MEIER-DÖRN-BERG, 1983]

Abb. 2: Crash-Versuche LKW an starre Wand, DEKRA (In-ternet)

Das o.a. einfache mechanische Modell kann durch inSerie geschaltete Masse-Feder-Elemente verallge-meinert werden, worauf aufwendigere numerischeSysteme als Mehr-Massen-Federn-Modelle zur Be-stimmung der Stoßkräfte über die Zeit zurückgreifen(Abb. 4).

Abb. 4: Mehr-Massen-Federn-Modell

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57Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

Dynamische Kräfte für den Lok-Anprall wur-den z.B. mit einem Masse-Feder-Modell unterBerücksichtigung elastoplastischer Federn nach[GROB, 1992] bestimmt (vgl. Abb. 5).

Dennoch stellen die mit o.a. Versuchen undBerechnungen ermittelten Stoßkräfte nicht die inNormen und vergleichbaren Regelungen enthaltenenBemessungswerte dar. Exemplarisch zeigt die Ge-genüberstellung in Tabelle 1, dass in [DIN 1055-9,2003] angegebene Stoßkräfte nicht die maximal mög-lichen mechanischen Stoßkräfte sind, sondern nur ei-nen prozentualen Anteil repräsentieren.

Nun unterscheiden sich die Szenarien für einenAnprall an einen Brückenpfeiler bei den einzelnenVerkehrsarten, z.B. ist der Schienenverkehr spurge-führt und muss vor dem Anprall diese Spurführungverlassen, z.B. hindern ggf. Leitplanken je nach Auf-haltevermögen abirrende Kraft- und Lastkraftfahr-zeuge an einem direkten Anprall, z.B. müssen Schiffevor einem Anprall an einen Pfeiler die oft tiefereFahrrinne verlassen.

[GROB, 1992] erwähnt, dassaus Unfallauswertungen hervor-geht, dass die Entgleisung vonWaggons viel häufiger vorkommtals solche von Lokomotiven, wor-aus statische Ersatzlasten für Zu-ganprall von bis zu 6 MN aus demSzenario Waggon-Anprall resultie-ren; ebenso, dass die Anprallge-schwindigkeit mit zunehmendemAbstand des gefährdeten Bauteilsvon der Gleisachse abnimmt,[GROB/HAJDIN/MANDIC, 1993].[RACKWITZ, 1996] gibt für eine

probabilistisch bestimmte dynamische Stoßkraft fürStraßen des Fernverkehrs einen Wert von F = 2,5 MNan.

Es liegt nahe, dass zur Festlegung von realisti-schen Anprall-Bemessungskräften die Wahrschein-lichkeit des Anpralls und seiner Ausprägung von Be-deutung ist, die bisher teilweise „empirisch“ oderteilweise auch durch ein Modell berücksichtigt wur-den. Probabilistische Modelle könnten hier auch eineSicherheitsvergleich der Verkehrssysteme unterein-ander ermöglichen.

3.2 Kollisionsmodelle

In [CIB-167, 1992] wie auch in [ENV 1991-2-7, 2000] werden prinzipielle Modelle für die Simula-tion von Kollisions-Wahrscheinlichkeiten für Kraft-fahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge angegeben (Abb.6). Das Fahrzeug bewegt sich mit einer gewissen Ver-teilung um eine Kurslinie. Das gefährdete Bauwerkhat einen Abstand zu dieser Kurslinie. Alle Modellegehen davon aus, dass das betrachtete Fahrzeug sei-

Abb. 5: Numerische Ermittlung der Stoßlast für Lok-Anprall, [GROB, 1992]: a) Kraft-Weg-Funktion (rechts), b) Kraft-Zeit-Funktion (links)

z.B. Pfeiler an ... max. mechan. Kraft Last nach DIN 1055-9 Verhältnis[MN] [MN] [%]

Straße außerorts 101) 1,04) 10

Eisenbahn, ICE-Strecke 22,82) 4,0 / 10,04) 19 / 48

Wasserstraße Vb 11,53) 10,05) 871) nach WOLF, 20012) nach ROSEMEIER, 19983) Zwei-Leichter-Schubverband, Masse 4.400 t, v = 14 km/h4) statische Ersatzlast5) dynamische Last

Tabelle 1: Vergleich der für Frontalstoß mechanisch möglichen zu in DIN 1055-9 angegebenen Stoßkräften

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58Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

nen beabsichtigten Kurs verlässt, weil menschlicheFehlhandlungen oder technisches Versagen vorliegen.Diese Fehler können als inhomogener POISSON-Prozess betrachtet werden mit einer orts- und zeitab-hängigen Fehlerrate λ(x,t).

mit:

T betrachteter Zeitraum

N(t) Verkehrsintensität über die Zeit

λ(x,t) zeitabhängige Fehlerrate je Wegeinheit

Pcq(x,y) bedingte Kollisions-Wahrscheinlichkeit

fs(y) Verteilung der anfänglichen Fahrzeug-Posi-tion

Derartige prinzipielle Modelle sind selten di-rekt für die Angabe von Wahrscheinlichkeiten oderauf die Bestimmung von Lastgrößen für Einwirkun-gen anwendbar, sondern bedürfen der Daten undPlausibilisierungen aus Beobachtungen.

Aus den verschiedensten Verkehrs-Bereichensind Kollisions-Modelle für Kfz-Anprall, Eisenbahn-Anprall, Schiffsanprall, sogar Flugzeug-Aufprall be-kannt mit dem Zweck der Bestimmung von Kollisi-ons-Wahrscheinlichkeiten, aber auch von Stoßkräften(z.B. [KRAPPINGER/SHARMA, 1974], [CEB-167,1992], [GROB, 1992], [RACKWITZ, 1996]).

4 Beispiele für Modelle imRahmen der DIN 1055-9

Trotz der theoretischen Möglichkeiten gehennur wenige normative Festlegungen auf nachvollzieh-bare mechanische oder weitergehende probabilisti-

Abb. 6: Kollisions-Modell, [CIB-167, 1992]

∫∫∫−= ))()()()(exp(1)( dxdydtyfyx,Ptx,tnTP scqc λ

sche Modelle zurück. Nachfolgend werden exempla-risch die Vorgehensweisen für die Bestimmung derKräfte aus Schiffsanprall vorgestellt, deren Ergebnis-se zu den Festlegungen in [DIN 1055-9, 2003] führ-ten. Im Weiteren werden Modelle als erste Ansätzefür die Erklärung anderer Einwirkungen, am BeispielParkhauslasten und Trümmer-Ersatzlasten, beschrie-ben, für die aufgrund von Anfragen aus der Fachöf-fentlichkeit die Notwendigkeit einer nachträglichenBegründung bestand.

4.1 Kräfte aus Schiffsanprall

Flächendeckende Regelungen für Stoßkräfte ausSchiffsanprall fehlten lange Zeit in Deutschland. Le-diglich für den Ansatz von Stoßkräften aus Schiffs-stoß für Brückenpfeiler am Rhein existierten seit En-de der 60-er Jahre Werte, [DS 804, 1982]. Mit demAusbau von Wasserstraßen in Deutschland und we-gen Anfang der 80-er Jahre bekannt gewordenen ka-tastrophalen Schiffskollisionen mit Brücken im Aus-land wurde die Thematik Schiffsstoß auf Bauwerkefür Binnenschiffe bearbeitet [MEIER-DÖRNBERG,1983], [KUNZ, 1990]. Als Grundlage wurden diemechanischen Gesetzmäßigkeiten eines Schiffsstoßesauf Bauwerke mit Hilfe von statischen und dynami-schen Modellversuchen für verschiedene Schiffsty-pen erarbeitet [MEIER-DÖRNBERG, 1983]. DasKraft-Verformungs-Verhalten eines typischen ungün-stigen Schiffsbugs ließ sich danach mit einer bilinea-ren Kennlinie beschreiben (Abb. 7).

Abb. 7: Kraft-Verformungs-Kennlinie Schiffsbug, MEIER-DÖRNBERG, 1983.

Die dynamische Stoßkraft Fdyn in MN wird berechnetbei Edef ≤ 0,21 MNm über:

und bei Edef > 0,21 MNm über:

defEF ∗= 95,10

defEF ∗+∗= 128,010,5

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59Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

Edef ist dabei die jeweilige Deformationsenergie fürFrontal- bzw. Flankenstoß in MNm. Deformations-energie bedeutet eigentlich die Anprallenergie, diemangels Wissen um die tatsächliche Anprallge-schwindigkeit als Näherung mit der Bewegungsener-gie abgeschätzt werden kann. Modelle können hierjedoch die Anprallenergie besser berücksichtigen.

Ebenso konnten typisierte Stoßkraft-Zeitfunk-tionen der Schiffsstoßkraft für dynamische Nach-weisführungen entwickelt werden (Abb. 8). Für diedynamische Analyse sind anzusetzen:

a) eine halb-sinusförmige Stoßlastzeitfunktion, fallsdie dynamische Stoßlast Fdyn den Wert 5 MNnicht überschreitet (Stoß elastisch),

b) eine trapezförmige Stoßlastzeitfunktion, falls diedynamische Stoßlast Fdyn den Wert 5 MN über-schreitet (Stoß plastisch).

Eine neuere Überprüfung der Kraft-Verfor-mungs-Kennlinie mit modernen numerischen Metho-den bestätigte größtenteils die früheren Modellversu-che [BIEHL/KUNZ, 2005].

Im Bereich von Havarielasten wurde seltenstmit festen Werten gerechnet noch so genannte Über-lagerungen von ungünstigen deterministischen Wer-ten vorgenommen, weil hier – durch die Größe derKräfte – immer auch der Wirtschaftlichkeitsaspekt,zum Teil auch in Risikoanalysen, berücksichtigt wur-de. Dies führte schon früh auf Methoden hin, die eineWahrscheinlichkeitsaussage ermöglichen [KUNZ,1990]. Die Art der die Stoßkraft bzw. Stoßenergie be-einflussenden Größen, hier am Beispiel des Schiff-sanpralls, ist natürlichen bzw. verkehrlichen Streuun-gen unterworfen, weshalb die Beschreibung der Ein-flussgrößen durch Verteilungen nahe liegt.

Abb. 8: Stoßlast-Zeit-Verläufe für Stoß elastisch und Stoßplastisch, vgl. auch Abb. 9 in [DIN 1055-9, 2003]

Verteilungen können dabei statistisch aus derAuswertung von Beobachtungen oder Simulationengewonnen werden oder – wenn Daten nicht vorliegen– hilfsweise bzw. auch vorübergehend aus Experten-schätzungen.

Für die Behandlung des Schiffsanpralls vonBinnenschiffen wurde ein Last-Modell mit einemKollisions-Modell verknüpft, um eine Verteilungwahrscheinlicher Stoßlasten zu erhalten, mit der dannüber einen anerkannten Risikowert der Bemessungs-wert bestimmt werden kann. Die Verteilung wahr-scheinlicher Stoßlasten ermöglicht im Umkehr-schluss wiederum die Bestimmung der Zuverlässig-keit untersuchter Bauwerke bzw. Bauteile bei gegebe-nen aufnehmbaren Kräften.

Im Last-Modell für Schiffsanprall sind als Einfluss-größen enthalten:

die Steifigkeit von Schiffsbugs, die hier determini-stisch durch die Kraft-Verformungs-Kennlinienach [MEIER-DÖRNBERG, 1983], die eher stei-fe Bugstrukturen abbildet, angesetzt wird,

die Massenverteilung der auf einer Wasserstraßeverkehrenden Schiffe, die aus Zählungen und Pro-gnosen erhältlich ist (Abb. 9),

die Geschwindigkeitsverteilung der verkehrendenSchiffe, die zum Teil auch von Örtlichkeiten undhydrologischen Gegebenheiten abhängig ist, ausSchiffsbeobachtungen und Zeitaufschreibungen,

die Verteilung der Anprallwinkel zur Bestimmungder Flankenstoßkraft-Wahrscheinlichkeiten,

die Verteilung der Schwere eines Anpralls, die an-fangs eine zusammenfassende Dummy-Funktionaus dem Vergleich zwischen den aus Anprall-Re-konstruktionen bestimmten theoretischen Kräftenund den tatsächlich nachvollzogenen Kräften anden getroffenen Bauwerken hatte, mittlerweileaber durch Verteilungen von weiteren Havarie-Szenarien und -effekten beschrieben werden kann.

Abb. 9: Beispielhafte Verteilung der Schiffsmassen

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EINWIRKUNGEN

60Der Prüfingenieur Oktober 2006

Über Gewichtungen wird hierbei auch die unter-schiedliche Unfallbeteiligung von Schiffsgattungenberücksichtigt. Das Ergebnis der Verknüpfung dieserunterschiedlichen Verteilungen ist eine Stoßkraft-Verteilungsfunktion, die die Wahrscheinlichkeit derStoßkraft unter der Voraussetzung, dass es zu einerKollision kommt, angibt (Abb. 10).

Abb. 10: Exemplarische Stoßlast-Verteilungsfunktion

Die Wahrscheinlichkeit einer Kollision wird wieder-um über ein Kollisions-Modell bestimmt, das dieGeometrie von Wasserstraße und Bauwerk, die Fahr-linie sowie das Stoppvermögen der Schiffe abbildet.Ein binnenwasserstraßen-spezifisches Kollisions-Modell zeigt Abb. 11 auf der Grundlage der mathe-matischen Beschreibung mit:

λ = ΣNi * (dλx/ds) * W1(s) * W2(s) ds

wobei

λ die jährliche Kollisions-Rate

ΣNi die jährliche Anzahl passierender Schiffe,ggf. nach Klassen unterteilt

(dλx/ds) die streckenbezogene Unfallrate

W1(s) = Fϕ (ϕ1) – Fϕ (ϕ2), die bedingte Wahr-scheinlichkeit eines Kollisionsweges,

W2(s) = 1 – Fx (s), die bedingte Wahrscheinlichkeit,dass die Kollision nicht vermieden werdenkann,

sind.

Die streckenbezogene Unfallrate wird aus Be-obachtungen statistisch ausgewertet, wobei z.B. nurfür eine mögliche Brücken-Kollision relevante Unfäl-le zählen. Die Vermeidung einer Kollision hängt we-sentlich vom Stopp-Vermögen der Schiffe ab, die auf-grund von Zulassungsversuchen in Abhängigkeit derAntriebsleistung und der technischen Ausstattung be-stimmt werden können.

Abb. 11: Kollisions-Modell für Binnenwasserstraßen

Da Unfälle im Allgemeinen einer POISSON-Verteilung unterliegen, was für Schiffsunfälle nach-gewiesen wurde [KUNZ, 1993] und die Zeitabständezwischen Unfällen negativ – exponential – verteiltsind, gilt:

fX (t λ) = λ * exp [l * t]

FT (t λ) = 1 – exp [l * t] .

Die Wahrscheinlichkeit der Stoßlast währendeines Zeitintervalls wird beschrieben unter Verwen-dung der Verteilungsfunktion der Zeitabstände zwi-schen den Ereignissen. Mit FP (F) als der Vertei-lungsfunktion der Stoßlast folgt:

FT (t λ) = 1 – exp [– t / tR]

wobei

tR (l * 1 – FP (F))–1

das Wiederkehrintervall einer speziellen Stoßlast ist.

Die Transformation in eine dimensionsloseForm liefert:

und ermöglicht eine einseitig dimensionslose Dar-stellung (Abb. 12).

Nach Ermittlung der objektspezifischen Kolli-sionsrate λ sowie der Festlegung der mittleren Zeitzwischen den unerwünschten VersagensereignissentR, derzeit angegeben gemäß [DIN 1055-9, 2003] mitpü = 10-4 je Jahr für das Bauwerk, was einem tR =

∫−−−= ])()(1[exp1 tO dttFF(t)F PT λ

)(1

1

FFt

PR −

=⋅λ

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EINWIRKUNGEN

61Der Prüfingenieur Oktober 2006

Abb. 12: Funktion der Stoßlast (Beispiel)

10.000 a entspricht, ergibt sich die für die Bemessunganzusetzende dynamische Stoßlast. Über eine Ge-wichtung wird sichergestellt, dass in Abhängigkeitvon der Anzahl der gefährdeten Bauteile eines Bau-werks die Zielgröße pü = 10-4 je Jahr für das Bauwerkeingehalten wird. Sämtlichen Daten liegen weitest-mögliche Prognosen in die Zukunft zugrunde.

Eine Vielzahl durchgerechneter Brücken-Ob-jekte an Wasserstraßen mit der Ermittlung vonStoßlasten durch die Bundesanstalt für Wasserbaulegte es seinerzeit nahe, die Daten zu gruppieren, umsie regelwerksgerecht aufzubereiten. Die Klassifizie-rung der Binnen-Wasserstraßen bot dabei eine prag-matische Möglichkeit, eine Angabe von typischenSchiffsstoßlasten nach Wasserstraßenklasse in derRegel so vorzunehmen, dass der jeweils ungünstigeWert festgeschrieben wurde (vgl. Tabelle 6 in [DIN1055-9, 2003]). Die Stoßlastwerte sind in der Grö-ßenordnung ähnlich zu Regelungen benachbarter eu-ropäischer Länder, in denen Binnenschifffahrt eineBedeutung hat.

4.2 Kräfte aus Kfz-Anprall in Parkhäusern

In [DIN 1055-9, 2003] sind neuerdings die Anprallla-sten in Parkgaragen für Personenkraftfahrzeuge < 25kN Gesamtgewicht aufgeführt mit einem Ersatzlast-wert für Frontalstoß von F = 40 kN, vgl. [DIN 1055-9, 2003], Tabelle 1, Zeile 12. Sie wurden gegenüberfrüher erhöht und entsprachen [DIN V ENV 1991-2-7, 2000]. Derzeit sind in [prEN 1991-1-7, 2005] alsAnhaltswert F = 50 kN vorgesehen. Modelle, die ininformativen Anhängen zu [DIN V ENV 1991-2-7,2000], aber auch [prEN 1991-1-7, 2005] aufgeführtsind, liefern noch deutliche höhere Stoßlasten, die zu-dem noch dynamische Lasten sind und als vergleich-

bare statische Ersatzlasten in der Regel noch größereWerte annehmen dürften. Einschlägig wird der dyna-mische Vergrößerungsfaktor von 1,4 empfohlen,wenn eine dynamische Berechnung nicht durchge-führt wird [RACKWITZ, 1996; prEN 1991-1-7,2005]. Die in [DIN 1055-9, 2003] angegebene stati-sche Anpralllast in Parkhäusern entspricht damit ei-ner dynamischen Last von 40 / 1,4 = 28 kN.

Die Positionierung der in [DIN 1055-9, 2003]getroffenen Entscheidung, zwischenzeitlich vermehr-te Anfragen der deutschen Fachöffentlichkeit nachder Größen-Zunahme dieser Anpralllast sowie dieVorbereitung eines Nationalen Anwendungs-Doku-mentes auf die künftige EN 1991-1-7 (vgl. Abschnitt5) lassen eine Modellbildung für Kräfte aus Kfz-An-prall in Parkhäusern sinnvoll erscheinen.

Mit dem vereinfachten Lastmodell nach Ab-schnitt 3.1 wurden dynamische Stoßlasten für unter-schiedliche Fahrzeug-Massen und die zwei Ge-schwindigkeiten v = 10 km/h und v = 20 km/h be-rechnet. Als äquivalente Fahrzeugsteifigkeit wurdedie in [DIN V ENV 1991-2-7, 2000] angegebeneSteifigkeit k = 300 kN/m verwendet (Abb. 13). DieDarstellung zeigt, dass nach diesem rein mechani-schen Modell selbst leichte Fahrzeuge die o.a. Last inder Norm überschreiten.

Abb. 13: Dynamische Stoßlasten in Parkhäusern als Funk-tion der Fahrzeugmasse und -geschwindigkeit

Betrachtet man nun die Fahrzeuge in einemParkhaus bezüglich ihrer Massen als verteilt an,nimmt hierzu hilfsweise die Anteile der Fahrzeugeaus der amtlichen Zulassungs-Statistik sowie dieMassen aus Hersteller-Angaben, so zeigt die Vertei-lungsfunktion deutlich, dass eine dynamische Lastvon F = 28 KN, entsprechend einer statischen Ersatz-last von F = 40 kN, nur einem Quantilwert von p <5% entspricht (Abb. 14).

Es wird deutlich, dass zur Verifizierung von alsvernünftig erachteten Anpralllasten aus Kraftfahrzeu-gen in Parkhäusern die Modellbildung hinsichtlichder mechanischen Vorgänge verfeinert und ggf. auch

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EINWIRKUNGEN

62Der Prüfingenieur Oktober 2006

Abb. 14: „Einfache“ Häufigkeitsfunktion für Anpralllastendurch PKW in Parkhäusern

um ein Kollisions-Modell ergänzt werden müsste. Er-fahrungen von Parkhaus-Betreibern könnten eben-falls einfließen. Derzeit lässt sich jedoch die Größeder in [DIN 1055-9, 2003] angegebenen Last nicht inAbrede stellen.

4.3 Trümmerersatzlasten

Trümmerersatzlasten sind eine besondereLastannahme aus dem Bereich des Eisenbahnwesens.Ursprünglich in [DS 804, 1982] enthalten, wurden siemit anderen Regelungen und konstruktiven Empfeh-lungen zu außergewöhnlichen Einwirkungen in die[DIN 1055-9, 2003] übernommen, vgl. dort Tabelle 5.Trümmerersatzlasten sind bei Überbauungen vonBahnanlagen zusätzlich zum Eigengewicht, zur Ver-kehrslast und zu sonstigen dauernd wirkenden Lastenanzusetzen, um im Sinne der Sicherung für Haus-schutzräume eine Freihaltung des Verkehrsweges si-cherzustellen.

Die als gleichmäßig verteilte vertikale Trüm-merersatzlasten pv mit Werten pv = 10 kN/m² für n ≤5 Vollgeschosse und pv = 15,0 kN/m² für n > 5 Voll-geschosse waren in der Fachöffentlichkeit hinterfragtworden.

In einem rein mechanischen Modell warengemäß den System-Schaubildern in Tabelle 5 der [DIN1055-9, 2003] typische Bauwerksabmessungen für ei-ne einzellige Überbauung mit n ≤ 5 Vollgeschossen an-genommen worden. Wandstärken, Deckendicken unddie Wichte für bewehrten Beton wurden als feste Wer-te angesetzt, während die Spannweite der Decken unddie Anzahl der Geschosse variiert wurden (Abb. 15).Das Unfall-Szenario beinhaltete, dass das Eigenge-wicht von Decken und Wänden auf die den Verkehrs-weg „Eisenbahn“ sichernde Decke stürzt.

Wie ersichtlich, sind die in [DIN 1055-9, 2003]angegebenen Werte durchaus realistisch. Unberück-

sichtigt blieben Szenarien, wobei Teile der Überbau-ungen aus der Gebäudebegrenzung heraus geschleu-dert werden. Unberücksichtigt blieben ferner wegenfehlender Daten bzw. nicht vorhandener Experten-schätzungen Wahrscheinlichkeitsüberlegungen.

5 Ausblick aufDIN EN 1991-1-7

Die Überführung der europäischen VornormENV 1991-2-7 in eine EN hat mit der Herausgabe derprEN 1991-1-7 (2005-09) stattgefunden. Die nationa-len Sprachfassungen werden derzeit erarbeitet. Wiebei vergleichbaren ENs sind Werte bzw. auch Metho-den häufig als so genannte „national determined para-meter“, NDP, nur als Empfehlung angegeben, die na-tional nach den Bedürfnissen festgelegt werden dür-fen. Diese nationale Festlegung findet dann im jewei-ligen nationalen Anhang zu der EN statt. Mit der Erar-beitung des NAD zur EN 1991-1-7 wurde begonnen,eine Fertigstellung wird für Herbst 2007 angestrebt.

Die Existenz der [DIN 1055-9, 2003] hatte inder zurückliegenden Zeit geholfen, als referenzierba-res Dokument die deutschen Belange in die EN 1991-1-7 einzubringen. Viele Regelungen stimmen mit dendeutschen Vorstellungen überein. Insbesondere dererstmals europäisch geregelte „Schiffsanprall“ konn-te durch die deutsche DIN 1055-9 maßgeblich mitbestimmt werden. EN 1991-1-7 wird darüber hinausu. a. als Folge der Anschläge zum 11. September2001 auf das World Trade Center erweiterte Regelun-gen zur Robustheit von Bauwerken enthalten, die esbislang im deutschen Raum so nicht gegeben hat.

Eine DIN EN 1991-1-7, AußergewöhnlicheEinwirkungen, könnte dann in 2010 die jetzige [DIN

Abb. 15: Trümmerersatzlasten in Abhängigkeit von Gebäu-debreite und Anzahl der Geschosse

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EINWIRKUNGEN

63Der Prüfingenieur Oktober 2006

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[CIB-167, 1992] CIB W 81, Accidental Actions, Publication 167,Rotterdam 1992. DIN 1055-9, 2003 Einwirkungen auf Tragwer-ke, Teil 9: Außergewöhnliche Einwirkungen, Ausgabe 2003-08

[DIN 1055-100, 2001] Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 100:Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Be-messungsregeln, Ausgabe 2001-03

[DIN 19700-11, 2004] Stauanlagen, Teil 11. Talsperren. Ausgabe2004-07.

[DIN V ENV 1991-2-7, 2000] Eurocode 1: Grundlagen der Trag-werksplanung und Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 2-7: Ein-wirkungen auf Tragwerke – Außergewöhnliche Einwirkungen,Deutsche Fassung ENV 1991-2-7, 2000-07

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[ENV 1991-2-7, 1998] Eurocode 1: Basis od design and actionson structures – Part 2.7: Actions on structures – Accidental ac-tions due to impact and explosions

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[GROB/HAJDINMANDIC, 1993] Beitrag zum dynamischenVerhalten von Zügen nach der Entgleisung. In: Bauingenieur 68(1993), S. 501-507.

[HÄUSLER, 2006] Die neuen Normen der Reihe DIN 1055 undihre bauaufsichtliche Behandlung.

[ISO 10252, 1995] Basis for design of structures – Accidental ac-tion due to human activities. Working Group TC 98/SC 3/WG,Draft Proposal, 1995.

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[prEN 1991-1-7, 2005] Final Draft Accidental Actions, 2005-09.

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[WOLTER, 2001] Kollisionssichere Schienenfahrzeuge – Anfor-derungen, Auslegungsgrundlagen und erste Ergebnisse. In: ETR– Eisenbahntechnische Rundschau 50 (2001) Nr. 4, S. 192-200.

7 Literatur

1055-9, 2003] ablösen, wobei gravierende Änderun-gen nicht zu erwarten sein werden.

6 Zusammenfassung

Innerhalb der neuen Reihe DIN 1055, Einwir-kungen auf Tragwerke, ist mit [DIN 1055-9, 2003]erstmals ein eigenständiger Normenteil zu außerge-wöhnlichen Einwirkungen, in der Regel sind dies Un-falllasten, aber auch Lasten aus Explosionen und De-tonationen, erschienen. Außergewöhnliche Einwir-kungen haben bezüglich der Last eine sehr kurze Ein-wirkungszeit und treten definitionsgemäß sehr seltenauf. Daher sind sowohl mechanische Modelle alsauch probabilistische Modelle zur Beschreibung die-ser Einwirkung probate Methoden. Sowohl Last- alsauch Kollisions-Modelle können dabei wahrschein-

lichkeitstheoretische Elemente beinhalten. Die Be-handlung des Schiffsanpralls ist derzeit eine der we-nigen außergewöhnlichen Einwirkungen, bei deneneine Modellbildung auf neuerem Stand zu normati-ven Festlegungen in [DIN 1055-9, 2003] geführt hatund in dem Beitrag entsprechend dargestellt wurde.Für weitere außergewöhnliche Einwirkung existierenprinzipielle Modelle, auf die aber im Rahmen derNormung noch nicht explizit zurückgegriffen wurde.Modelle, die Daten aus dem eigenen nationalen Er-fahrungsbereich nutzen, tragen zur Bestimmung voningenieurmäßig realistischen Kraftgrößen für Einwir-kungen bei und sensibilisieren, in Verbindung mitBetrachtungen zur Auswirkung, für wirtschaftlicheLösungen. Probabilistische Modelle helfen darüberhinaus, die Zuverlässigkeit von Bauwerken und Sy-stemen untereinander zu vergleichen. Im Weiteren er-lauben sie Risikobetrachtungen, die nach [DIN 1055-9, 2003] explizit zugelassen sind.

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64Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

1 Allgemeine Hinweise

Grundlage ist die DIN EN V 1991-2-3

Gegenüber DIN 1055, Ausgabe 1975, werdennicht nur die Schneehöhen, sondern die Wasseräqui-valente gemessen

Semiprobabilistisches Sicherheitskonzept

Einführung eines Sockelwertes der Schneehöhe(Schneezonenkarte vereinfacht), damit ist nicht anallen Orten der charakteristische Wert erfüllt

Überarbeitete Schneezonenkarte

Lastbilder und Formbeiwerte werden definiert

Annahme charakteristischer Eislasten mit ver-größerten Windangriffsflächen

DIN 1055, Teil 5, entspricht weitgehend der europäi-schen ENV, folglich geringe Abweichungen bei Ein-führung der ENV

Europäisches Konzept der Wiederkehrperiode 50Jahre (98 %-Fraktile)

Angrenzende Nachbargelände haben vergleichbareSchneehöhen

Grundwert der Schneelast sK auf Boden kartiert

Neben verschiedenen Dachformen ist Schneesackbil-dung aufgenommen

1.1 Anwendungsbereich

Gilt für bauliche Anlagen, in der Regel bis 1.500 m über NN

Natürliche Schneelastverteilungen

Für künstliche Anhäufungen gesonderte Betrach-tung

Lastmindernde Einflüsse, z.B. infolge Wärme-durchgang durch die Dachhaut, wird nicht berück-sichtigt

Die neue DIN 1055, Teil 5 –Schnee- und EislastenDie neue deutsche Norm entsprichtim Wesentlichen dem künftigen Eurocode 1, Einwirkungen

Schon mehrere Male haben wir in dieser Zeit-schrift über den jeweiligen Stand der Bearbeitungund auf die künftigen Inhalte der zehn Teile derDIN 1055 (Einwirkungen auf Tragwerke) auf-merksam gemacht. Hier nun kommt eine kurzeZusammenfassung des neuen Teils 5 (Schnee- undEislasten), der weitgehend der europäischen Vor-norm (ENV) entspricht, womit klar sein dürfte,dass die deutsche Bauwirtschaft und die deut-schen Ingenieure nach der verbindlichen Ein-führung des Eurocode 1 (Einwirkungen) nur nochgeringe Abweichungen in Bezug auf die Berech-nung der Schnee- und Eislasten zu erwarten ha-ben dürften. Den Schluss dieses Beitrages bildetein kurzer Blick auf den Teil 6 dieser Norm, derdie Einwirkungen auf Silos und Flüssigkeitsbehäl-ter zum Inhalt hat.

war als Beratender Ingenieurvon 1971 bis 2005 Partner imIngenieurbüro WINDELSTIMM MORGEN (Hamburg);seit 1975 Prüfingenieur fürBaustatik (Stahlbau, Massivbauund Holzbau); in verantwortli-chen Positionen Mitglied zahl-reicher Verbände, Fachgremienund Normenausschüsse.

Dr.-Ing. Günter Timm

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65Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

Normative Verweisungen

DIN 1055, Teil 100, Grundlagen der Tragwerks-planung, Sicherheitskonzept und Bemessungsre-geln

DIN 1055, Teil 4, Windlasten

Klassifikation der Schneelast

Charakteristischer Wert der Schneelast sK (spez.Wichte γ = 2 KN/m³)

2 Schneelasten, Formbeiwerte

Schneelast sk auf dem Boden

Charakteristische Werte für regionale Zonen

sk = Charakteristischer Wert der Schneelast auf demBoden

A = Geländehöhe über dem Meeresspiegel in m

Abb. 1: Schneelastzonenkarte

Zone Charakteristischer MindestwertWert in kN/m²

1 0,65

2 0,85

3 1,10

2

91,019,0 ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +

+=760

140Ask

2

91,125,0 ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +

+=760

140Ask

2

91,231,0 ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +

+=760

140Ask

Sondergebiete mit außergewöhnlichen Schneelasten

Norddeutsches TieflandHöhere Schneelasten als außergewöhnliche Ein-wirkungen

Betroffen sind hiervon die Regionen nördlich des52. bzw. 52,5. Breitengrades

Sofern örtlich keine zusätzlichen Festlegungen fürStädte oder Gemeinden getroffen werden, sind fol-gende Nachweise nach DIN 1055-100 zu führen:1. Für ständige und vorübergehende Bemessungs-

situationEd = 1,35 Gk + 1,5 × µ × sk ≤ Rd = Rk / γRmit γR = 1,1 bei Stahl und γR = 1,3 bei Beton

2. Für außergewöhnliche BemessungssituationEdA = 1,0 Gk + 1,0 × µ × Ak,S ≤ Rk / γRAmit z.B. Teilsicherheitsbeiwert für Beton 1,1AK,S = 2,3 × sk

Legende Sockelbeträge (Mindestwerte):

1 Zone 1 Zone 1 0,65 kN/m² (bis 400 m ü.d.M.)2 Zone 2 Zone 2 0,85 kN/m² (bis 285 m ü.d.M.)3 Zone 3 Zone 3 1,10 kN/m² (bis 255 m ü.d.M.)

Abb. 2: Charakteristischer Wert der Schneelast sk auf demBoden

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66Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

Windzonen 3 und 4Im Bereich Nord- und Ostseeküstenund Inseln darf auf die Kombinationin den Schneelastzonen 1 und 2 mitSchnee verzichtet werden.

Zone 3Begrenzte Bereiche mit höherenSchneelasten (Oberharz, Alpen u.a.).Hier sind bei 12 Messstationen höhe-re 50-Jahres-Werte festgestellt wor-den, so dass örtlich eine Anpassungerfolgt.

3 Schneelastauf Dächern

3.1 Allgemeines

Schneelasten und Lastbilder auf demDach sind abhängig von der Dach-formsi = µi × sk

si: charakteristischer Wert derSchneelast auf dem Dachlotrecht auf die Grundrisspro-jektion der Dachfläche

µi: Formbeiwert der Schneelastentsprechend der Dachform

sk: charakteristischer Wert derSchneelast auf dem Boden, inkN/m²

Voraussetzungen

– ausreichend wärmegedämmteKonstruktion(U ≤ 1 W/m² K), übliche Dachein-deckung

– gilt näherungsweise auch für Glas-konstruktionen

3.2 Fläche und geneigte Dächer(Pultdächer)

Schneelast Zone 2

Schneelast Zone 3

Schneelast Zone 1

Abb. 3: Lastbild der Schneelast für flacheund einseitig geneigte Dächer

Vergleich alter und neuer Schneelasten auf dem Dach(µi = 0,8i Si = 0,8 × sk)

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67Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

Schneeverteilungen (a) ohne Windeinwirkung

Schneeverteilung (b) + (c) mit Verwehungen undAbtaueinflüssen

3.4 Aneinander gereihte Sattel- und Sheddächer

3.3 Satteldächer

Das ungünstigste Lastbild ist zu berücksichtigen

Abb. 4: Lastbild der Schneelast für das Satteldach

Für die Innenfelder ist dabei der mittlere Neigungswinkelα = 0,5 (α1 + α2) maßgebend.Fensterband geneigt

Formbeiwert µ2, begrenzt auf

γ = 2 kN/m³, h in m, sk in kN/m²

Formbeiwerte µ2 und µ1 zur Berechnung derSchneeverteilungen

Fensterband lotrecht

Abb. 5: Lastbild der Schneelast für gereihte Satteldächer und Shed-dächer

1ks

h µγ+

Voraussetzung: Schnee kann ungehindertvom Dach abrutschen

Brüstungsgitter o. ä. an der Traufeµ ≥ 0,8

3.5 Tonnendächer

Lastfälle (a) gleichmäßige Schneelast(b) unsymmetrische Schneelast

Voraussetzung: Schnee kann ungehindertabgleiten

Abb. 6:Formbei-werte der

Schneelastfür flache

und geneig-te Dächer

Tabelle 1: Formbeiwerte der Schneelast für flache und ge-neigte Dächer

Dachneigung α 0° ≤ α ≤ 30° 30° < α ≤ 60° α > 60°

Formbeiwert µ1 0,8 0,8 (60° – α)/30° 0

Formbeiwert µ2 0,8 + 0,8 α/30° 1,6 1,6

Abb. 7: Lastbild der Schneelast für Tonnendächer

Legende:h = Stichhöhe des Tonnendachesb = Breiteli = Sehnenlänge zwischen den Punkten mit

einer Tangentenneigung von β = ± 60°

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68Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

Dachflächen steiler β = 60° bleiben ohne Schnee-last

Abb. 8: Formbeiwerte der Schneelast für Tonnendächer

Verhältnis h/b < 0,18 ≥ 0,18

Formbeiwert µ3 0,2 + 10 h/b 2,0

Tabelle 2 – Formbeiwerte der Schneelast für Tonnendächer

3.6 Höhensprünge an Dächern

Anhäufung von Schnee durch Anwehen und Ab-rutschen bei Höhensprüngen ≥ 50 cm

Stoßlasten eventuell zusätzlich berücksichtigen

Tiefer liegendes Dach wird als Flachdach mit µ1 =0,8 angenommen

Abb. 9: Lastbild der Schneelast an Höhensprüngen

µ4 = µs + µwµs aus abgleitendem Schneeµw aus Schneeverwehungen

µsDachneigung α ≤ 15° µs = 0Dachneigung α > 15°

µs = 50 % der Gesamtlast der Grundrissprojektionauf der anschließenden Dachseite des oberenDaches mit µ1 = 0,8 (unabhängig von α)

m)15l(5h2lmitl

b0,8 ss

s

1s ≤≤⋅==µ.B.z

µw = (b1 + b2)/2h ≤ γ · h/sk

Begrenzung 0,8 ≤ µw ≤ 4

3.7 Verwehungen an Wänden und Aufbauten

Verwehungen für Ansichtsflächen ≥ 1 m² oder h ≥0,50 m

Formbeiwerteµ1 = 0,8µ2 = γ · h/sk mit 0,8 ≤ µ2 ≤ 2,0

Einflusslänge ls = 2 h mit 5 m ≤ ls < 15 m

Abb. 10: Lastbild der Schneelast an Wänden und Aufbauten

4 Sonderfälle

4.1 Schneeüberhang an der Traufe

Der auskragende Teil des Daches erhält die Zu-satzlast se

Die Last se beträgtse = si ²/γ [in kN/m] mit γ = 3,0 kN/m³

4.2 Schneelasten auf Schneefanggitterund Aufbauten

Schneefanggitter gegen abgleitende Schneemas-sen oder zum Abfangen von Schnee auf tiefer lie-genden Dachflächen

Abb. 11: Lastbild für den Schneeüberhang an der Traufe

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69Der Prüfingenieur Oktober 2006

EINWIRKUNGEN

Die Schneelast Fs wird ohne Reibung zwischenSchnee und Dachfläche ermittelt zu

Fs = µi · sk · b · sin α [kN/m] mitµi = Formbeiwert, i.d.R. µ1sk = charakteristische Schneelast auf dem

Bodenb = Grundrissentfernung Gitter zum First

Abb. 12: Schneelast auf Schneefanggitter

5 Eislasten

5.1 Allgemeines

Vereisung (Eisregen oder Raueis) abhängig vonmeteorologischen Einflüssen

Erfahrungswerte bis zu 600 m NN und Bauwerks-höhen ≤ 50 m

Eislasten, Anhang A, deshalb nur informativ

Filigrane Bauteile teilweise höhere Einwirkungenals für Schnee. Besonders auch höhere Windlasten wegen größerer Flächen

Gewichte des Eismantels für VereisungsklassenRaueis R: γR = 5 kN/m³Glatteise G: γG = 9 kN/m³

5.2 Vereisungsklassen G

Ummantelung mit Klareis (gefrierende Nebella-gen)oder Glatteis (gefrierender Regen)

Vereisungsklasse G 1: t = 1 cmG 2: t = 2 cm

5.3 Vereisungsklassen R

Vereisung einseitig gegen vorherrschende Wind-richtung

Eisablagerung an Stäben ≤ 300 mm

Legende: 1 Bauteil, 2 Eismantel

Abb. A.1: Allseitiger Eismantel

Vereisungsklasse Eisgewicht an einemStab (∅ ≤ 300 mm)

kN/m

R 1 0,005

R 2 0,009

R 3 0,016

R 4 0,028

R 5 0,050

Tabelle A.1 – Vereisungsklassen Raueis

Vereisungsklassen R 1 bis R 3 im Flachland undunteren Lagen Mittelgebirge

Eislast gilt für 10 m über Gelände. Bei höherenBauteilen ist kZ zu berücksichtigen

Nicht verdrehbare Stabquerschnitte entsprechendTyp A bis F

Verdrehbare Stabquerschnitte (Seile) allseitigeEisanlagerung

Fachwerke sind für Summe der Eislasten an Ein-zelstäben zu rechnen

Abb. A.2: Raueisfahnen von Stäben mit unterschiedlicherQuerschnittsform

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EINWIRKUNGEN

70Der Prüfingenieur Oktober 2006

Maße der Eisfahnen nach Tabelle A.2 und A.3 für die Windangriffsflächen

Tabelle A.2: Eisfahnenbildung an Stäben des Typs A, B, C und D

Stabquerschnitt Typ A, B, C und D

Stabbreite W 10 30 100 300mm

Eisklasse Eisfahnenmm

L D L D L D L D

R 1 0,005 56 23 36 35 13 100 4 300

R 2 0,009 80 29 57 40 23 100 8 300

R 3 0,016 111 37 86 48 41 100 14 300

Eisge-wichtkN/m

Stabquerschnitt Typ E und F

Stabbreite W 10 30 100 300mm

Eisklasse Eisfahnenmm

L D L D L D L D

R 1 0,005 55 22 29 34 0 100 0 300

R 2 0,009 79 28 51 39 0 100 0 300

R 3 0,016 111 36 81 47 0 100 0 300

Eisge-wichtkN/m

5.4 Vereisungsklassen in Deutschland

Eiszonen nach meteorologischen und topographi-schen Verhältnissen

Tabelle A.3: Eisfahnenbildung an Stäben des Typs E und F

Abb. A.3: Eiszonenkarte Bundesrepublik Deutschland

Vereisungsklassen bezogen auf die Regionen

Tabelle A.4: Vereisungsklassen im Gebiet der Bundesrepu-blik Deutschland

Zone Region Vereisungsklasse

1 Küste G 1, R 1

2 Binnenland G 2, R 1

3 Mittelgebirge A ≤ 400 m R 2

4 Mittelgebirge 400 m < A ≤ 600 m R 3

Eisansatz in größeren Höhen über Gelände für Ge-bäude bis 50 m

100

10hk2

−+−1

Abb. A.4: Höhenfaktor kZ

Für G-Klassen gleicher Eisansatz bis 50 m

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EINWIRKUNGEN

71Der Prüfingenieur Oktober 2006

5.5 Windlast auf vereiste Baukörper

Maßgebend DIN 1055-4

Eisansatz verändert Querschnittsform der Bauteile,damit auch den Windkraftwert

die Bezugsfläche undden Völligkeitsgrad

Für Vereisungsklasse G gilt allseitig vergrößerteQuerschnittsform Veränderungen des Windkraft-beiwertes c10 ohne Eisansatz, nach Bild A.5 mitEisansatz cfi

Abb. A.5: Veränderte Windkraftbeiwerte cfi bei allseitigemEisansatz

Für Raueisklassen RWind quer zur RaueisfahneCharakteristische vergrößerte Windangriffsflächenfür dünne, stabförmige Bauglieder mit einer Breite≤ 300 mm

Abb. A.6: Veränderte Windkraftbeiwerte cfi bei Raueis

Höhere Windangriffsflächen meist für R-Klassen

Höhere Eisgewichte meist aus G-Klassen

6 DIN 1055-6, Einwirkungen auf Silosund Flüssigkeitsbehälter

6.1 Allgemeines

Gegenüber der Norm aus dem Jahre 1987 wesent-lich differenziertere Unterscheidungen der Ein-wirkungen

Starker Bezug auf Schüttguteigenschaften und Si-loform sowie Ausführungsart

Weitgehende Anpassung an die EN-Normen

6.2 Anwendungsbereich

Prinzipien und Vorgaben zu Einwirkungen fürEntwurf und Bemessung in Übereinstimmung mitden anderen Teilen der DIN 1055

Angaben zu Auswirkungen von Temperaturunter-schieden

Anwendungsgrenzen nach Querschnittform

Legende:1 Übergang2 äquivalente Schüttgutoberfläche3 Oberflächenprofil bei vollem Silo4 Silomittelachse

Abb. 1: Darstellung von Silozellen mit Benennung der geometrischenKenngrößen und Lasten

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EINWIRKUNGEN

72Der Prüfingenieur Oktober 2006

Anwendungsgrenzen nach geometrischen Abmes-sungen

– Abmessungsgrenzenhb/dc < 10hb < 100 mdc < 60 m

– Übergang von vertikalen Siloschaft in denTrichtern in einer oder mehreren horizontalenEbenen

– Einbauten werden bei den Silodrücken nichterfasst

– Jeder Silo ist für festzulegendes Schüttgut zubemessen

– Schüttgüter werden als freifließend angenom-men

– Austrags- und Entfernungshilfen erreichengleichmäßigen Silofluß

– Maximale Korngröße ≤ 0,03 dc

– Lastansätze gelten für konische bzw. axialsym-metrische und keilförmige Trichter

–- Zylindrische Silos mit waagerechten Boden,deren Auslauftrichter über den gesamten Quer-schnitt verteilt sind, werden nicht erfasst

– Gilt nicht für Silos mit Umlaufbetrieb

– Ungeklärt sind dynamische Beanspruchungenbeim Entleeren, wie z.B. Silobeben, Stöße, Hu-pen oder Siloschlagen

6.3 Berechnungsansätze und Hinweise zur Norm

Bemessungssituationen

Schüttgutkennwerte

Lasten auf vertikale Silowände

Lasten auf Silotrichter und Siloboden

Lasten auf Flüssigkeitsbehälter

Regeln zur Ergänzung der DIN 1055-100TragfähigkeitTeilsicherheitsbeiwert γKombinationsbeiwerte ψ?EinwirkungskombinationenBemessungssituation für die Zuverlässigkeitsklas-sen 1, 2 und 3 (Robustheit der Konstruktion)

Messung von Schüttgutkennwerten

Seismische Einwirkungen

Alternative Regeln zur Ermittlung von Trichter-lasten

Staubexplosionen

– DIN-Fachbericht 140, Auslegung von Siloan-lagen gegen Staubexplosionen

Tabelle 1: Klassifikation von Bemessungssituationen

Anforderungsklasse Beschreibung

Silo mit einem Fassungsvermögen von mehr als 10 000 TonnenSilos mit einem Fassungsvermögen von mehr als 1 000 Tonnen, bei denen eine der folgendenBemessungssituationen vorliegt:a) exzentrische Entleerung mit eo / dc > 0,25 (siehe Bild 1b)b) niedrige Silos mit einer exzentrischen Befüllung von mehr als et / dc > 0,25

Anforderungsklasse 2 Alle Silos, die durch diese Lastnorm abgedeckt sind und nicht in den anderen beiden Klassen enthaltensind.

Anforderungsklasse 1 Silos mit einem Fassungsvermögen von weniger als 100 Tonnen

Anforderungsklasse 3

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IMPRESSUM

73Der Prüfingenieur Oktober 2006

Herausgeber:Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V.

Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, Ferdinandstr. 47, 20095 HamburgE-Mail: [email protected], Internet: www.bvpi.de

ISSN 1430-9084

Redaktion:Klaus Werwath, Lahrring 36, 53639 Königswinter

Tel.: 0 22 23/9123 15, Fax: 0 22 23/9 09 80 01E-Mail: [email protected]

Technische Korrespondenten:Baden-Württemberg

Dr.-Ing. Peter Hildenbrand, LudwigsburgBayern:

Dr.-Ing. Robert Hertle, GräfelfingBerlin:

Dipl.-Ing. J.-Eberhard Grunenberg, BerlinBrandenburg:

Prof. Dr.-Ing. Gundolf Pahn, HerzbergBremen:

Dipl.-Ing. Uwe Sabotke, BremenHamburg:

Dipl.-Ing. Horst-Ulrich Ordemann, HamburgHessen:

Dipl.-Ing. Bodo Hensel, KasselMecklenburg-Vorpommern:

Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Krüger, WismarNiedersachsen:

Dipl.-Ing. Wolfgang Wienecke, BraunschweigNordrhein-Westfalen:

Dipl.-Ing. Josef G. Dumsch, WuppertalRheinland-Pfalz:

Dipl.-Ing. Günther Freis, Bernkastel-KuesSaarland:

Dipl.-Ing. Gerhard Schaller, HomburgSachsen:

Prof. Dr. sc.techn. Lothar Schubert, LeipzigSachsen-Anhalt:

Dipl.-Ing. Undine Klein, HalleSchleswig-Holstein:

Dipl.-Ing. Kai Trebes, KielThüringen:

Dipl.-Ing. Volkmar Frank, Zella-MehlisBVPI/DPÜ/BÜV:

Dipl.-Ing. Manfred TiedemannTOS:

Dr.-Ing. Hans-Jürgen Meyer

Druck:Vogel Druck und Medienservice GmbH & Co. KG, 97204 Höchberg

DTP:Satz-Studio Heimerl

Scherenbergstraße 12 . 97082 Würzburg

Die meisten der in diesem Heft veröffentlichten Fachartikelsind überarbeitete Fassungen der Vorträge, die bei den Arbeitstagungen

der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik gehalten worden sind.

Der Inhalt der veröffentlichten Artikel stellt die Erkenntnisse und Meinungender Autoren und nicht die des Herausgebers dar.

„Der Prüfingenieur“ erscheint mit zwei Ausgaben pro Jahr.

Bestellungen sind an den Herausgeber zu richten.

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