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April 2009 Der Prüf ingenieur Prüf Zeitschrift der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ISSN 1430-9084 34 Seite 4 Sieben Forderungen an das Leitbild für die Bauwirtschaft Seite 16 Auch andere Berufe fordern Kontrolle – aber mit Augenmaß Seite 25 Welche Veränderungen sind in der DIN 1052 vorgenommen worden? Seite 39 Der Einfluss von Zwang, Rissbildung und Kriechen auf Schnittgrößen Seite 50 Umrechnung historischer Baustoffkennwerte auf charakteristische Werte Seite 62 Der Prüfingenieur für Brandschutz – eine neue Aufgabe für Bauingenieure

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April 2009

DerPrüfingenieurPrüf

Zeitschrift der Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik

ISSN 1430-9084

34Seite 4

Sieben Forderungen an das Leitbild für die Bauwirtschaft

Seite 16Auch andere Berufe fordern Kontrolle – aber mit Augenmaß

Seite 25Welche Veränderungen sind in der DIN 1052 vorgenommen worden?

Seite 39Der Einfluss von Zwang, Rissbildung und Kriechen auf Schnittgrößen

Seite 50Umrechnung historischer Baustoffkennwerte auf charakteristische Werte

Seite 62Der Prüfingenieur für Brandschutz – eine neue Aufgabe für Bauingenieure

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INHALT

3Der Prüfingenieur April 2009

EDITORIALDr.-Ing. Hans-Peter Andrä: Sieben Forderungen

an das Leitbild für die Bauwirtschaft 4

NACHRICHTENDie Prüfingenieure unterstützen das Leitbild für die Bauwirtschaft 6

Arbeitstagung der Bundesvereinigung der Prüfingenieure im September auf Sylt 6

vpi-EBA baut Kontakte zu Verbänden und Behörden des Eisenbahnwesens aus 7

VDI fordert regelmäßige Kontrolle der Standsicherheit von Bauwerken 8

5. Symposium über die experimentelle Untersuchung von Baukonstruktionen 8

Dienstleistungsrichtlinie: Prüfingenieure bleiben skeptisch 9

Das 17. Bautechnische Seminar erfüllte das gewohnt hohe Niveau 10

Rudolf Müller neuer Vorsitzender im Saarland 11

Neue Bauproduktenverordnung darf nicht zu Lasten der Anwender gehen 12

Deutscher Mauerwerkskongress am 24. September in Dresden 12

Uwe Sabotke neuer Vorsitzender der Landesvereinigung in Bremen 13

3. Deutscher Brückenbaupreis ausgelobt 13

5. Ausbildungslehrgang für Sachkundige Planer war vollständig ausgebucht 14

vpi-EBA und VDEI beurteilen den BMVBS-Entwurf für Eisenbahn-Sachverständige gleich 14

Frank Puller neuer Vorsitzender der Landesvereinigung in Niedersachsen 15

BVPI wird die Praxisseminare für die Heißbemessung dieses Jahr fortsetzen 15

DISKUSSION SICHERHEITAuch andere Berufe fordern Kontrolle – aber mit Augenmaß 16

HOLZBAUProf. Dipl.-Ing. Dieter Steinmetz:

Welche Veränderungen sind in der DIN 1052 vorgenommen worden? 25

MASSIVBAUProf. Dr.-Ing. Josef Hegger, Dipl.-Ing. Guido Bertram:

Der Einfluss von Zwang, Rissbildung und Kriechen auf Schnittgrößen 39

BAUEN IM BESTANDProf. Dr.-Ing. Jürgen Schnell, Dipl.-Ing. Markus Loch:

Umrechnung historischer Baustoffkennwerte auf charakteristische Werte 50

BRANDSCHUTZDr.-Ing. Peter Wagner:

Der Prüfingenieur für Brandschutz – eine neue Aufgabe für Bauingenieure 62

IMPRESSUM 65

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4Der Prüfingenieur April 2009

EDITORIAL

Der Einsturz des Stadtarchivs inKöln ist das Menetekel eines fehlgeleite-ten Wettbewerbsfetischismus, mit dem inDeutschland Milliardenbeträge baulicherSubstanz aufs Spiel gesetzt wurden undwerden.

Ursache ist keineswegs die Über-schreitung der Grenzen des technischMachbaren, sondern das Verhaltensmu-ster ausschließlich auf kurzfristigen fi-nanziellen Vorteil ausgerichteter Ver-tragsparteien.

Getreu der Leitlinie: „erprobt, be-währt und demontiert“ werden seit überzwei Jahrzehnten in Deutschland ausideologischen Gründen die Grundlageneines geregelten, auf technischen Fort-schritt und auf Qualität hin ausgerichte-ten Wettbewerbs in der Bauwirtschaft zu-gunsten eines deregulierten finanziellen Verdrängungs-wettbewerbs demontiert. Ein ökonomischer Imperativmacht seither die kurzfristige, eigennützige, finanzielleVorteilsnahme zur Maxime des Handelns.

In den Gesetzesnovellierungen der letzten Jahrewurden dementsprechend Bau- und Vergabeordnungen deröffentlichen Kontrollmechanismen zur Sicherstellung vonSicherheit und Qualität beraubt. Anstelle des Grundsatzesvon Treu und Glauben ist juristisch verbrämte List undTücke allgemein anerkanntes Wirtschaftsgebaren.

Die für Führungsaufgaben notwendige fachlicheKompetenz für die Abwicklung komplexer öffentlicherBauvorhaben wurde durch den Stellenabbau bei öffentli-chen Bauverwaltungen vernichtet.

Die Finanzkrise hat in dramatischer Weise bewie-sen, dass eigennütziges Handeln bei wirtschaftspolitischgewolltem Verzicht auf die dem Allgemeinwohl geschul-deten Spielregeln ungeheure Risiken in Kauf nimmt.

Das Schamtuch des europäischen Marktes decktdie Arroganz, Ignoranz und Verantwortungslosigkeit derfinanz- und wirtschaftspolitischen Willensbildung. DieBauwirtschaft ist wie die Finanzwirtschaft gleichermaßeninfiziert und vielerorts paralysiert.

Mit der geplanten europäischenBauprodukten-Richtlinie werden weiter-hin in Deutschland bewährte und notwen-dige Qualitätsmaßstäbe für Bauprodukteabgeschafft, das CE Kennzeichen ver-kommt zu einer bedeutungslosen Farce.

Reichenhall und Köln werdenkeine Einzelfälle bleiben, solange die Ri-siken gesellschaftspolitisch akzeptiertsind.

Die Problemstellung ist sowohlbeim Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung, als auch beider Bauindustrie und bei den Ingenieur-kammern und -verbänden bekannt. EinLeitbild Bau, das alle Partner der Wert-schöpfungskette mit einbezieht und inihrem Zusammenwirken stärkt, wurdezwischenzeitlich gemeinsam erarbeitet.

Es wurde im März der Öffentlichkeit vorgestellt (sieheauch Seite 12). Die Bundesvereinigung der Prüfingenieu-re setzt sich für dieses Leitbild ein und erhebt für dessenUmsetzung die folgenden Forderungen:

Die derzeitige Wirtschaftskrise zeigt, dass die Ge-setze des Marktes alleine zu Wertschöpfung und Prospe-rität beim Warenverkehr nicht ausreichen. Planungs- undBauprozesse sind keine Handelsware, und weil sie keineWare sind, führen unregulierte Marktgesetze in der Bau-wirtschaft zwangsläufig zum Kollaps. Exemplarisch seieneinige grundlegende Unterschiede zwischen dem Erwerbeiner Ware und einem Planungs- oder Bauauftrag aufge-führt:

■ Planung und Bauwerk können nicht isoliert bestehen,sondern haben stets Auswirkungen auf Nachbarbebauungund Umwelt.

■ Die Qualität der Planung und die Eigenschaften desBauwerks sind bei Auftragserteilung nicht messbar, son-dern nur beschreibbar. Beschreibungen sind von Haus ausinterpretierbar, die Interpretation der Beschreibung setztnotwendig den Grundsatz von Treu und Glauben voraus.

■ Fehler können in der Regel nicht durch Gebrauchstestsnach Fertigstellung ermittelt und behoben werden, sondern

Dr.-Ing. Hans-Peter AndräPräsident der Bundes-

vereinigung der Prüfingenieurefür Bautechnik (BVPI)

Sieben Forderungenan das Leitbild für die

Bauwirtschaft

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5Der Prüfingenieur April 2009

EDITORIAL

nur durch präventive Fehlervermeidungsmethoden wäh-rend des Planungs- und Bauprozesses.

■ Mängel gefährden nicht nur materielles Gut, sonderngrundsätzlich menschliches Leben und körperliche Unver-sehrtheit.

■ Bauwerke und bauliche Anlagen sind insgesamt sowohlTräger als auch Spiegelbild von Zivilisation und Kultur.

Für die Realisierung eines Leitbildes Bauwirtschaftleitet die BVPI daher folgende sieben Forderungen an Po-litik und gesetzgebende Körperschaften ab und bittet dieBauwirtschaft, Kammern und Ingenieurverbände um derenUnterstützung:

1. Die personelle Ausstattung der öffentlichen Bauverwal-tung und der Bauaufsichtsbehörden mit kompetenten, un-abhängigen, dem Gemeinwohl verpflichteten Ingenieurenmuss wieder auf das Maß angehoben werden, das der kul-turellen und volkswirtschaftlichen Bedeutung der gebau-ten Umwelt entspricht.

2. Staatlichen Kontrollmechanismen zur Gefahrenabwehr,zur Sicherstellung der Standsicherheit, des Brandschutzesund der Nachhaltigkeit, die in den vergangenen Jahren ausder Musterbauordnung und den Bauordnungen einigerLänder eliminiert wurden, müssen wieder eingeführt wer-den. Rechte und Pflichten der Bauaufsichtsbehörden und

der in Ihrem Auftrag hoheitlich handelnden, unabhängigenPrüfingenieure sind wiederherzustellen.

3. Rechtsform und Umfang der bewährten Honorarord-nung für Architekten und Ingenieure müssen beibehaltenwerden.

4. Bei der Vergabe von öffentlichen Planungs- und Bau-leistungen darf nicht mehr nach dem billigsten Angebot,sondern nur nach Qualifikation und Auskömmlichkeit ent-schieden werden.

5. Dem grundsätzlich zu begrüßenden europäischen Marktdürfen bewährte deutsche Qualitätsstandards bei fachli-cher Ausbildung, Planung, Bauprodukten und Bauprozes-sen nicht europäischen Berufsausübungs-, Dienstleistungs-und Bauproduktenrichtlinien auf niedrigstem Niveau ge-opfert werden.

6. Die Zusammenarbeit zwischen Bauministerien, Bau-wirtschaft, Kammern und Ingenieurverbänden ist weiterzu intensivieren, um ein angemessenes Bild des Bauinge-nieurs in der Öffentlichkeit zu prägen.

7. Baunormen sind in gemeinsamer Anstrengung von Bau-wirtschaft, Bauaufsicht, Kammern und Ingenieurverbän-den auf ein handhabbares Maß zu beschneiden. Ihre An-wendung und Auslegung muss Personen mit Ingenieuraus-bildung, Sachverstand und Erfahrung vorbehalten bleiben.

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NACHRICHTEN

6Der Prüfingenieur April 2009

Bundesregierung, Bauwirtschaft und BVPI ziehen an einem Strang

Die Prüfingenieure unterstützendas Leitbild für die BauwirtschaftSechs generelle Leitlinien beschreiben die „Vision einerzukunftsorientierten Branche“

Die Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik hatihre Mitglieder aufgerufen, das „Leitbild Bau“ in ihre tägliche Ar-beit zu integrieren und mit Geschäftspartnern und Behörden inten-siv zu diskutieren. Sie begrüßt die Aufstellung eines solchen Leitbil-des ausdrücklich, das die Bundesregierung in ihrem Koalitionsver-trag als eines ihrer politischen Ziele vereinbart hatte, um damit denStellenwert der Bauwirtschaft unter konjunktur-, wachstums-, ener-gie- und arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten hervorzuhebenund zur Imageverbesserung der Branche beizutragen (siehe dazuauch das Editorial auf Seite 4).

Rund zwei Jahre lang ha-ben deshalb die Verbände undKammern der Bauindustrie, desBaugewerbes, der Ingenieure undArchitekten sowie der Bauge-werkschaft den jeweils eigenenStandort analysiert und gemein-

sam ihre jeweiligen grundsätzli-chen Probleme diskutiert. Als Er-gebnis dieser zweijährigen Arbeithat die Branche ein gemeinsamesLeitbild und Vorstellungen überWege zur Überwindung der Bau-krise in Deutschland entwickelt.

Ende März ist es dann dem Bun-desbauminister in Berlin feierlichübergeben worden. In sechs Leit-linien ist sodann diese „Vision ei-ner zukunftsorientierten Branche“zusammengefasst worden:

■ Die Akteure der Wertschöp-fungskette Bau sind Gestalterund Problemlöser.

■ Kundenorientierung, Partner-schaft und Fairness sind dieGrundlagen für die Zusammen-arbeit.

■ Die Qualität von Bauwerkenist über den Lebenszyklus zu be-

Arbeitstagung der Bundesvereinigungder Prüfingenieure im September auf Sylt Wie bereits in der Ausgabe

33 des Prüfingenieurs gemeldet,wird die diesjährige Arbeitsta-gung der Bundesvereinigung derPrüfingenieure für Bautechnikam 18. und 19. September 2009in Westerland auf Sylt stattfin-den. Terminlicher Schwerpunktdieser Arbeitstagung werden dieFachvorträge am 18. und amVormittag des 19. Septemberssein.

Folgende Themen werden be-handelt:

■ Eurocode 2 für Deutschland,■ Vergleich der Stahlbetonnor-

men in Deutschland und inder Schweiz,

■ die neue Bauproduktenver-

ordnung und ihr Einfluss aufdie Bauüberwachung,

■ Strategien zur Ertüchtigungälterer Straßenbrücken,

■ Betongelenke im Eisenbahn-brückenbau,

■ Tragverhalten zweiachsigerHohlkörper.

Im Festvortrag wird in die-sem Jahr philosophiert, und zwarüber das Glück und darüber, war-um Glück nicht das Wichtigsteim Leben ist. Es spricht Prof. Dr.Wilhelm Schmid. Schmid istFreier Philosoph und außerplan-mäßiger Professor für Philoso-phie an der Universität Erfurt. Erhat Philosophie und Geschichtean der FU in Berlin, an der Sor-bonne in Paris und in Tübingen

studiert. 1991 hat er in Tübingenmit einer Arbeit über die Lebens-kunst bei Michel Foucault pro-moviert und sich 1997 mit derGrundlegung einer Philosophieder Lebenskunst in Erfurt habili-tiert. Gelehrt hat er an der Uni-versität Leipzig, der TU Berlin,der PH Erfurt, der Universität Je-na und an den Universitäten Riga(Lettland) und Tiflis (Georgien).

Das von der schleswig-hol-steinischen Landesvereinigungder Prüfingenieure zusammenge-stellte Rahmenprogramm dieserArbeitstagung verspricht einigemaritime Naturerlebnisse, kultur-geschichtliche Entdeckungen und– vor allem – jede Menge guteLuft.

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7Der Prüfingenieur April 2009

NACHRICHTEN

werten und soll nach wirtschaft-lichen, ökologischen und sozia-len Nachhaltigkeitskriterien ver-bessert werden.

■ Bildung ist der Schlüssel fürQualität, Innovation, Beschäfti-gungs- und Wettbewerbssicher-heit.

■ Die Innovationskraft derWertschöpfungskette Bau sollgestärkt und ein Leitmarkt fürinnovatives Bauen werden.

■ Legalität und Wertemanage-ment sind Voraussetzungen fürfairen Wettbewerb, Arbeitsplatz-sicherheit und nachhaltigen Ge-schäftserfolg.

11. EBA-Sachverständigentagung in Fulda

vpi-EBA baut Kontakte zu Verbänden undBehörden des Eisenbahnwesens ausAm 3. und 4. Februar 2009

hat in Fulda die 11. Sachverständi-gentagung des Eisenbahn-Bundes-amtes stattgefunden, an der auch,wie schon im Vorjahr, die Vereini-gung der Sachverständigen undPrüfer für bautechnische Nachwei-se im Eisenbahnbau (vpi-EBA)beteiligt war.

Passend zum Tagungsthema(„15 Jahre Bahnreform – Quo va-dis Aufsicht?“) hat dort der Ge-schäftsführer der vpi-EBA, Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann, demVeranstalter eine thematischeSteilvorlage geliefert, indem er dieVielfalt der Modelle für die Bau-aufsicht im Eisenbahnwesen kriti-sierte und den im September 2008vom Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklungherausgegebenen Entwurf einerVerordnung zur Regelung des Ver-fahrens zum Bau von Eisenbahn-Betriebsanlagen und zur öffentli-chen Bestellung von Sachverstän-digen im Eisenbahnwesen begrüß-

te. Tiedemanns Statement ergänztesinnvoll weitere fachliche Äuße-rungen der Vertreter des EBA,nämlich von Ass. jur. RalfSchweinsberg und von Dipl.-Ing.Peter Schollmeier.

Am zweiten Tag der Tagungwurden in drei parallelen Work-shops spezielle Fachfragen des In-genieurbaus (Oberbau, Hochbau),der Leit- und Sicherungstechnik,(Telekommunikation, elektroni-sche Anlagen) und des Fahrzeug-wesens vorgetragen und diskutiert.Im Rahmen dieser Workshops hat-te u. a. Dr.-Ing. Dieter Winsel-mann als Mitglied des Vorstandesder Bundesvereinigung der Prüfin-genieure für Bautechnik über „Sta-tisch-konstruktive Besonderheitendes unterirdischen Bahnhofs fürden Flughafen Berlin BrandenburgInternational (BBI)“ referiert.

Bedeutsame positive Be-gleiterscheinungen der diesjähri-gen EBA-Sachverständigentagung

Das Leitbild soll eine Ori-entierung für die Werte der Bran-che geben und dazu beitragen,dass in der zersplitterten Wert-schöpfungskette ein Wir-Gefühlentsteht. Es richtet sich nicht nuran die Unternehmen der Wert-schöpfungskette Bau selbst, son-dern auch an die Kunden und dieÖffentlichkeit sowie an die Poli-tik.

Das Leitbild soll außerdem,so heißt es in der Zusammenfas-sung, dazu beitragen, „einen Ge-samtrahmen für eine moderneBaupolitik zu entwickeln, die mitInnovation und Qualität Investitio-nen und Arbeitsplätze sichert“.Darüber hinaus soll es den Stellen-

wert der Wertschöpfungskette Baubei der Gestaltung und Umsetzungder großen gesellschaftlichen Zu-kunftsprojekte und in der Innovati-onspolitik sichtbar machen.

Für die Umsetzung desLeitbildes haben die Kammernund Verbände zahlreiche Vorschlä-ge unterbreitet. Dabei steht dieVerbreitung des Leitbildes inner-halb der jeweiligen Verbandsmit-gliedschaften und über Zeitschrif-ten, Newsletter und Pressemittei-lungen an erster Stelle. WeitereVorschläge sind Fernsehspots,Symposien zu den Themen „Qua-lifikation von Beschäftigten“ bis„Qualität und Lebenszyklus vonBauten“.

bestanden nach Überzeugung Tie-demanns darin, dass dort – wieauch auf vielen anderen Veranstal-tungen solcher Art – seitens desVorstandes und der Geschäftsstel-le der vpi-EBA und der BVPI fürdie Prüfingenieure und Sachver-ständigen neue und wichtige Kon-takte geknüpft werden konnten,wie in diesem Fall zum neuenPräsidenten des Eisenbahn-Bun-desamtes, Gerald Hörster, zumLeiter der Abteilung 1 und Vize-präsidenten des EBA, RalfSchweinsberg, zum VerlagsleiterTechnik und Verkehr der Eurail-press, Detlev K. Suchanek, sowiezu verschiedenen Außenstellenlei-tern des EBA.

Damit schließt die vpi-EBAnahtlos an das an, was sie im Sin-ne ihrer Mitglieder bereits in derVergangenheit eingeleitet hatte:die Pflege guter Kontakte zu allenrelevanten Verbänden und Behör-den des Eisenbahnwesens und dieZusammenarbeit mit ihnen.

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NACHRICHTEN

8Der Prüfingenieur April 2009

Die VDI 6200 soll eine Minimierung des Schadensrisikos ermöglichen

VDI fordert regelmäßige Kontrolleder Standsicherheit von Bauwerken„Verformungen, Feuchtigkeit oder größere Rissemüssen ernst genommen werden“

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat eine regelmäßigeÜberprüfung der Standsicherheit von Gebäuden aller Art gefordert.„Wir sind der Überzeugung, dass eine regelmäßige Überprüfungdurch eine fachkundige Person besonders für öffentliche Gebäudeunabdingbar ist“, erklärte das Mitglied des Vorstandes der VDI-Ge-sellschaft Bautechnik, Dr.-Ing. Robert Hertle, der zugleich der 2.Vorsitzende der Landesvereinigung der Prüfingenieure in Bayernist.

„Wichtig ist“, sagte Hertlenach den Gebäudeeinstürzen inKöln, „dass Schäden im Gebäude,wie etwa größere Risse, Verfor-mungen oder Feuchtigkeit, in Zu-kunft ernst genommen werden.“Sinnvoll, so Hertle weiter, sei einesolche Überprüfung nach den Vor-gaben der Richtlinie VDI 6200(Entwurf Oktober 2008). Sie gebeFachleuten Bewertungskriterienund Handlungsanleitungen zur Be-urteilung der Standsicherheit bau-licher Anlagen und zu ihrer In-standhaltung an die Hand.

Der Entwurf der VDI-Richt-linie 6200 („Standsicherheit vonBauwerken - Regelmäßige Über-prüfung“) beschreibt, wie prophy-

laktische Überprüfungen derStandsicherheit von Immobilienstrukturiert und regelmäßige effi-zient durchgeführt werden können.Der Anwendungsbereich derRichtlinie umfasst bauliche Anla-gen aller Art mit Ausnahme vonBrücken und Tunneln. Für denZweck der Richtlinie werden dieBauwerke (sowohl Bestands- alsauch Neubauten) in Schadensfol-geklassen und in Robustheitsklas-sen eingestuft.

Die Richtlinie formuliertVorgaben für die Bestandsdoku-mentation und definiert Anforde-rungen an die Überprüfenden. Ab-hängig von Schadensfolgeklasse,statisch-konstruktiven Merkma-

len, Baustoffeigenschaften undEinwirkungen gibt sie Überprü-fungsmethoden und -verfahren anund empfiehlt Überprüfungsinter-valle.

Die Richtlinie wendet sichan die Eigentümer von Immobili-en, Gebäudeeigentümer und Ver-fügungsberechtigte. Auch den Be-ratenden Ingenieuren, Architektenund den Prüfingenieuren für Bau-statik kann sie, nach Ansicht Hert-les, ein Leitfaden sein, der einestrukturierte Vorgehensweise mitpraktischen Arbeitsunterlagen undEntscheidungshilfen, Checklistenund weitere Kriterien für ein ein-wandfreies technisches Handelnanbietet.

Die Richtlinie ist im BeuthVerlag erschienen und kostet58,30 Euro (im Download: 64,84Euro).

www.beuth.dewww.vdi.de/richtlinienFax: 0211/6214-156

Am 11. September an der TU Dresden

5. Symposium über die experimentelleUntersuchung von BaukonstruktionenAm 11. September veran-

staltet die Fakultät Bauingenieur-wesen der Technischen UniversitätDresden (Institut für Massivbau,Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx) ihr5. Symposium über die experi-mentelle Untersuchung von Bau-konstruktionen.

Ziel dieses Symposiums istes, die Nutzung der Mess- undVersuchstechnik für die Bewertungdes Zustandes und der Restnut-zungsdauer von Bauwerken zu för-dern. Die sicherheitstechnischeund wirtschaftliche Bedeutung sol-cher Fragen seien gerade für große

Infrastrukturbetreiber enorm, heißtes in der Ankündigung der Veran-staltung, weil für den zum Teilstark überalterten Bauwerksbe-stand immer öfter objektive Be-wertungsverfahren benötigt wür-den, um Verfügbarkeit und Sicher-heit gewährleisten beziehungswei-

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NACHRICHTEN

9Der Prüfingenieur April 2009

se den optimalen Instandsetzungs-oder Erneuerungszeitpunkt festle-gen zu können.

Während des Symposiumswerden deshalb verschiedene Ver-fahren experimenteller Kurz- undLangzeituntersuchungen vorge-stellt und deren Anwendung de-monstriert. Anhand von Beispielen

soll dabei gezeigt werden, wie ausexperimentellen Untersuchungenkonkrete Aussagen bezüglich derTragfähigkeit, der Gebrauchstaug-lichkeit und der Restlebensdauerbestehender Baukonstruktionenabgeleitet und zu Handlungsemp-fehlungen für den Bauherren ver-arbeitet werden können. Dafürwird auch die Anwendung der

Mess- und Versuchstechnik bei derErforschung und Erprobung neuerBaukonstruktionen praktisch de-monstriert.

Das Programm des Sympo-siums steht unter P www.tu-dresden.de/biwitb/mbau/veranstalt/seub/index.htmlFax: 0351/463-37289

Novellierung von MBO und M-PPVO:

Dienstleistungsrichtlinie:Prüfingenieure bleiben skeptischJetzt kommt es darauf an, in welcher Form die deutschen Länderdie neue M-PPVO übernehmen

Trotz aller ihrer vielfältigen Bemühungen und Anstrengungenist es der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik be-kanntlich bislang nicht gelungen, die Tätigkeit des Prüfens aus demGeltungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie (DLR) der EU mit derBegründung herauszunehmen, dass die Prüfingenieure „öffentlicheGewalt“ im Sinne des Artikels 45 des EG-Vertrages ausübten.

Folgerichtig hat die ARGE-BAU die Novellierungen der Mus-terbauordnung MBO und der Mus-ter-Prüfverordnungen M-PPVOdurchgeführt, ohne die wesentli-chen Änderungswünsche der Prüf-ingenieure zu berücksichtigen.Gleichwohl sind folgende Ergeb-nisse zu vermerken:

■ Nur natürliche Personen kön-nen für die Prüfung und Überwa-chung von Bauvorhaben staatlichanerkannt werden.

■ Prüfer aus dem EU-europäi-schen Ausland brauchen, wennsie in Deutschland als solchetätig werden wollen, keine Nie-derlassung zu gründen.

■ Zweitniederlassungen dürfenin Deutschland gegründet wer-den; sie bedürfen aber im Einzel-fall der Zustimmung der Aner-kennungsbehörden beider Län-

der; dafür müssen die Eigenver-antwortung, die Anzahl der Mit-arbeiter und die fachliche Quali-fikation der Prüfer nachgewiesenwerden.

■ Für die Abwicklung ihrer Ho-norierung sollen sich die Prüfin-genieure und Prüfsachverständi-gen einer gemeinsamen Bewer-tungs- und Verrechnungsstellebedienen.

Die BVPI erwartet nun-mehr mit großer Spannung,wie die deutschen Länder dieM-PPVO, die ja nur empfehlen-den Charakter hat, in ihre Lan-desgesetze und Verordnungenüberführen werden. Dabeiinteressiert sie vor allem dieFrage, wie die Qualifikation vonPrüfern aus den europäischenLändern verglichen und wiekünftig in Deutschland in derPraxis geprüft werden soll.

Hinsichtlich der Interpretationund unterschiedlichen juristi-schen Ansichten der Einordnungvon Prüftätigkeiten in dieDienstleistungsrichtlinie sindmittlerweile folgende Veröffent-lichungen bekannt:

■ „EU-Dienstleistungsrichtlinieund nationales Baurecht“ – vonDr. Isabel Schübel-Pfister (Bay-reuth/München), erschienen inder Zeitschrift für deutsches undinternationales Bau- und Verga-berecht (ZfBR), Jg. 31, Nr.3/2008;

■ „Bauaufsichtliche Tätigkeitder Prüfingenieure als Ausü-bung öffentlicher Gewalt“ – vonProf. Dr. jur. Christoph Degen-hart (Leipzig), erschienen in derZeitschrift für deutsches und in-ternationales Bau- und Vergabe-recht (ZfBR), Jg. 31, Nr.8/2008;

■ „Der Prüfingenieur für Stand-sicherheit und die europäischeDienstleistungsrichtlinie“ – vonDr. Christoph Steiner (Berlin),erschienen in der ZeitschriftBaurecht, Nr. 2/2009.

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10Der Prüfingenieur April 2009

NACHRICHTEN

„Die Kontinuität der fachlichen Information wird immer wichtiger“

Das 17. Bautechnische Seminarerfüllte das gewohnt hohe NiveauBauen in Erdbebenzonen/Stand europäischer Regelungen/Zerstörungsfreie Prüfverfahren

Seit vielen Jahren schon garantieren renommierte Ingenieur-wissenschaftler und die Repräsentanten der Obersten Bauaufsichtvon Nordrhein-Westfalen das überdurchschnittlich hohe fachlicheNiveau der Bautechnischen Seminare, die die Landesvereinigungder Prüfingenieure für Baustatik und das dortige Ministerium fürBauen und Verkehr zusammen mit dem VBI-Landesverband NRWjedes Jahr für Prüfingenieure, Bauaufsichtsbehörden und Trag-werksplaner durchführen. Diesen traditionell hohen Anspruch hatauch das 17. Seminar dieser Reihe erfüllt, das vor fast dreihundertTeilnehmern Ende vergangenen Jahres in Ratingen wieder höchstaktuelle ingenieurwissenschaftliche Vorträge bot.

Die Bedeutung dieser Se-minare für die Praxis und für dieBauverwaltung des Landes NRWbetonte in seinem Grußwort derzuständige Abteilungsleiter imMinisterium für Bauen und Ver-kehr von NRW, Ministerialdiri-gent Rüdiger Stallberg. Er hobvor allem die Wichtigkeit hervor,die der Kontinuität der Informati-on vor allem in Zeiten des Um-bruchs der Regelwerke beigemes-sen werden müsse. Auch lobte erden Wert des fachlichen Gedan-kenaustauschs zwischen derObersten Bauaufsicht, den Bau-ordnungsämtern und den Prüfin-genieuren.

„Afrika bewegt sich nord-wärts und staucht deshalb die eu-ropäische Plattenstruktur der Erd-kruste.“ Mit diesem Hinweis eröff-nete Prof. Dr.-Ing. KonstantinMeskouris von der RWTH Aachenseinen Vortrag über das Bauen inden Erdbebenzonen von NRW.Insbesondere der Raum Aachensei mit stärkeren Auswirkungenbis zum Rhein betroffen, sagte er,historische Beben seien jedochauch rechtsrheinisch vorgekom-men, vereinzelt sogar bis etwanach Osnabrück. Der Einfluss derörtlichen Untergrundverhältnisseist, so referierte Meskouris, von

der Untergrund- und der Bau-grundklasse abhängig. Die Boden-beschleunigungen reichten von Vs> 800 m/s (Festgestein) bis < 150m/s (Lockerboden, weich bis brei-ig). Das sei Grund genug, bei derPlanung und Ausführung von Ge-bäuden die Einwirkungen richtigzu erfassen.

Dazu passend stellte Dr.-Ing. Christoph Butenweg, eben-falls von der RWTH Aachen,„Beispiele für erdbebengerechtesBauen“ vor. Seine These: Eineschlechte, nicht erdbebengerechteKonzeption des Tragwerks kannauch nicht „durch eine noch soausgefuchste Berechnung“ kom-pensiert werden. An einer großenZahl durchgerechneter unter-schiedlicher Bauwerkstypen desHochbaus sowie des Anlagenbaushat Butenweg die Verformungenund Verschiebungen in Abhängig-keit von Widerstandspotential undDuktilität anschaulich erläutert.Die Ergebnisse seiner Analysenspiegelten, wenn auch in abstrak-ter Darstellung, den Zusammen-hang von Einwirkung und Bau-werkswiderstand. Butenweg erläu-terte so Erkenntnisse, die für jedenTragwerksplaner und Prüfinge-nieur von höchstem Interesse ge-wesen sein dürften.

Zusammenfassend stellteButenweg fest, dass Nachweisevon Mauerwerksbauten zurzeitnoch schwierig seien; ebenso steheman bei Altbauten häufig vorkaum lösbaren Problemen. Son-derbauwerke seien in der DIN4149 nicht erfasst.

Dr.-Ing. Lars Meyer vomDeutschen Beton- und Bautech-nik-Verein wies in seinem Vortragüber die „Verwendung von Beton-Fertigteilen nach neuen Europäi-schen Normen“ mit Nachdruck aufdie Änderungen und Zuständigkei-ten hin. Aus der Konformitätser-klärung des Herstellers könne derVerwender weder ableiten, dassdas Produkt sicher ist, noch dasses seinen Vorgaben entspricht.Dies sei durch den Verwender zukontrollieren! Der Hersteller haftefür sein Produkt lediglich hinsicht-lich der Einhaltung der vom Ver-wender vorgegebenen Anforderun-gen im Rahmen des für das jewei-lige Produkt maßgebenden Regel-werks. Wesentlicher Bestandteilsei die Wareneingangskontrolleauf der Baustelle hinsichtlich derÜberprüfung auf Übereinstim-mung mit der Bestellung. Dies be-denkend, sei, so Meyer, die bishe-rige CE-Kennzeichnung auf Fer-tigteilen „nichtssagend und damitirreführend“ (siehe auch: „NeueBauproduktenverordnung darfnicht zu Lasten der Anwender ge-hen“ auf Seite 14).

Auf die neue Ordnung derZuständigkeiten machte auchDipl.-Ing. Erich Jasch vom Deut-schen Institut für Bautechnik inseinem Vortrag über „Sichere Bau-werke unter Berücksichtigung eu-ropäischer Regelungen“ aufmerk-

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NACHRICHTEN

11Der Prüfingenieur April 2009

sam. Den Kern des EU-Ansatzes(Art. 3, Abs. 1 BPR) zitierte erwörtlich: „Die wesentlichen An-forderungen richten sich nicht anihren Regelungsgegenstand, dieBauprodukte, sondern an die Bau-werke, in die die Bauprodukte ein-gebaut werden.“ Im Gegensatz zuMaschinen und Spielzeug handelees sich bei allen vorgefertigtenBauteilen um Zwischenprodukte,ob es nun Filigranplatten sind oderDübel.

Jaschs Vortrag war eineFundgrube für die, die sich imDickicht der Zuständigkeiten bes-ser zurechtfinden möchten.

Diesem Ziel diente auch dasReferat von Ministerialrat Dipl.-Ing. Ernst Schmieskors, der imNRW-Ministerium Bauen undWohnen das Referat Bautechnikleitet. Er stellte die Regelwerkedar, die im bauaufsichtlichen Ver-fahren anzuwenden sind, und erwies darauf hin, dass die Baure-gellisten A und B mindestens ein-mal im Jahr aktualisiert und neuherausgegeben würden; sie könn-ten am Computer eingesehen wer-den.

Anforderungen an die Aus-führung von geschweißten Stahl-tragwerken nach der europäischenVornorm pr EN 1090, Teil 1 und 2,waren das Thema von Dipl.-Ing.Jörg Mährlein von der Schweiß-technischen Lehr- und Versuchs-anstalt in Duisburg. Seine Schluss-bemerkung hatte für die Prüfinge-nieure eine besondere Bedeutung:„Bereits jetzt geltende Regelungenwerden durch viele neue Anforde-rungen ergänzt, die nicht nur denBereich Schweißen betreffen. DerSchlussentwurf der pr EN 1090-1,datiert vom März 2008, umfasst43 Seiten, Teil 2 vom August 2007bringt es auf 239 Seiten. Wer daSchritt halten möchte, tut gut dar-an, sich schon jetzt mit dieserNorm vertraut zu machen - das giltnicht nur für die Stahlbauingenieu-re, sondern insbesondere auch fürdie Prüfingenieure.“

Der Einsatz zerstörungsfrei-er Prüfverfahren zur Feststellungvon Zustand und Qualität vonBauteilen ist für den Prüfingenieurein spannendes Thema. Dennnicht nur bei bestehenden Bauwer-ken, auch bei Neubauten ist dieÜberprüfung von vorhandeneroder erreichter Qualität immerwieder ein wichtiger Teil seinertäglichen Arbeit. Besonders bei fi-ligranen Bauteilen oder aus hochg-radig beanspruchten Querschnitts-bereichen ist eine Probenentnahmezur Feststellung von Materialei-genschaften kaum möglich. Es er-staunte deshalb niemanden imSaal, dass Dipl.-Ing. AlexanderTaffe von der Bundesanstalt fürMaterialforschung die volle Auf-merksamkeit des Auditoriumsgehörte, als er „Bauwerksdiagno-sen mittels zerstörungsfreier Prü-fungen“ erläuterte. Taffe erinnertedaran, dass Beton- und Stahlbetonbis vor kurzem mit keiner Mess-methode beizukommen gewesensei. Das habe sich aber mittlerwei-le grundlegend geändert. Inzwi-schen könne man ultraschallba-sierte Messgeräte, elektromagneti-

sche und elektrochemische Ver-fahren sowie Remanenzmagnetis-mus-Verfahren und die Spektro-skopie einsetzen, soweit erforder-lich auch in Kombination, um diegewünschten Materialkennwertezu erhalten. Freilich gehe es nichtohne Sachkunde und gehörige Er-fahrung. Merkblätter der Deut-schen Gesellschaft für Zer-störungsfreie Prüfung (DGZfP)gäben deshalb eine Übersicht überEinsatzmöglichkeiten und -gren-zen des jeweiligen Messgeräts.

Dem Vorsitzenden der Ver-einigung der Prüfingenieure inNRW, Dr.-Ing. Jörg Erdmann, istes nicht nur ein Anliegen, dierichtigen Themen einzubringen,sondern auch dafür zu sorgen,dass alle Vorträge in einem Ta-gungsband zusammengefasst undzum vertiefenden Heimstudiumden Teilnehmern zur Verfügungstehen. Stets orientiert sich dieThemenauswahl an der aktuellenSituation und sich ankündigendenEntwicklungen.

Dipl.-Ing. Josef Dumsch

Rudolf Müller neuer Vorsitzender im SaarlandZum neuen Vorsitzenden der Landesvereinigung der Prüfingenieure

im Saarland ist Dipl.-Ing. Rudolf Müller gewählt worden. Er löste Dipl.-Ing.Gerhard Schaller ab, der nach fast fünfzehn Jahren im Amt des 1. Vorsit-zenden von den Teilnehmern der jüngsten Mitgliederversammlung mitgroßem Dank verabschiedet wurde.

Diesen Dank haben Dipl.-Ing.U. Elliger, und Dipl.-Ing. WinfriedBlaes als Vertreter der OberstenBauaufsicht noch verstärkt, die vorallem die kollegiale, freundliche undhilfsbereite Art Schallers hervorhobenhaben.

Schwerpunkte der künftigenArbeit des Vorstandes sind:■ die Mitwirkung der VPI Saarland

an der Umsetzung der EU-Dienst-leistungsrichtlinie in die Prüfbe-rechtigten- und Prüfsachverstän-digenverordnung,

■ die Gewinnung der Landesbau-behörde für die Anwendung der

PPVO auch bei Baumaßnahmendes Bundes und des Landes,

■ die Fortsetzung der Bestrebun-gen, die Vergütung der Kosten-entwicklung anzupassen,

■ die Werbung für das Vieraugen-prinzip.

Die neue Adresse lautet:Vereinigung der Prüfingenieure fürBaustatik im SaarlandParkstraße 3166606 St. WendelTel.: 06851/9310-0Fax: 06851/9310-10E-Mail: [email protected]

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NACHRICHTEN

12Der Prüfingenieur April 2009

Neue Bauproduktenverordnung darfnicht zu Lasten der Anwender gehenMit ihrem Inkrafttreten kann für Sommer 2011 gerechnet werden

Die Bauproduktenrichtlinie der EU ist national bekanntlich indas Bauproduktengesetzt vom 10. August 1992 umgesetzt worden,mit dem das Inverkehrbringen von Bauprodukten und deren freierWarenverkehr geregelt werden.

Der gegenwärtig diskutierteVorschlag für eine neue Baupro-duktenverordnung soll harmoni-sierte Bedingungen für die Ver-marktung von Bauprodukten be-schreiben. Die harmonisierendenNormen sollen aber nicht mehr dieAufgabe haben, Rechts- und Ver-waltungsvorschriften zu erfüllen,sondern sie sollen Prüfverfahrenund Prüfdeklarationen harmonisie-ren. Das neue CE-Zeichen be-schreibt also nicht mehr dieBrauchbarkeit eines Produktes,sondern beinhaltet die Erklärung,dass das Produkt konform mit der

erklärten Leistung gehe. Die neueVerordnung wird deshalb hoheAnforderungen an die Marktüber-wachung stellen, denn sie muss

■ kontrollieren, ob das Baupro-dukt die erklärte Leistung er-bringt,

■ feststellen, welche Ursacheder möglichen Nichtkonformitätdes Produktes zugrunde liegt,

■ prüfen, ob die CE-Kenn-zeichnung rechtmäßig aufge-bracht ist,

■ darüber wachen, dass alle fürdie Verwendung im jeweiligenMitgliedsstaat notwendigen Pro-dukteigenschaften deklariertwurden.

Das Hauptanliegen der euro-päischen Bauwirtschaft in den Ver-handlungen mit der EU geht dahin,dass Erleichterungen für die Her-steller der Produkte prinzipiellnicht zu Belastungen für die An-wender der Produkte führen dürfen.

Die Verabschiedung derneuen Bauproduktenverordnungsoll noch vor den Europawahlenim Juni 2009 erfolgen. Sie würdedann – nach einer Übergangszeitvon 2 Jahren – am 1. Juli 2011 inKraft treten.

Deutscher Mauerwerkskongressam 24. September in DresdenAm 24. September veranstalten die Technische Universität

Dresden, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerksbau (DGfM)und der Fachverband Hoch- und Massivbau im Zentralverband desDeutschen Baugewerbes ZDB den Deutschen Mauerwerkskongress2009.

Mitveranstalter sind die Lan-desvereinigung der Prüfingenieurein Sachsen, deren Vorsitzender,Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger, denLehrstuhl für Tragwerksplanungder TU Dresden innehat. Er organi-siert und führt die Veranstaltungdurch. Mitveranstalter sind außer-dem die Kammern der Ingenieureund Architekten in Sachsen, die dieTeilnahme als Weiterbildungsver-anstaltung anerkennen.

Das Thema des Kongresses:„Mauerwerksbau – gestern, heute,morgen“ wird – in seinem berufs-politischen und wirtschaftlichen

Teil– wenige Tage vor der Wahldes 17. Deutschen Bundestages –Experten aus Politik, Wirtschaftund Wissenschaft mit der Fragekonfrontieren, ob eine Trendwendeam Bau gelingen wird – trotz derKnappheit an bezahlbarem Wohn-raum und des historischen Tief-standes der Zahl von Neubauten.

Im technischen Teil werdenals Hauptthemen Umweltaspekte,Energieeffizienz und Nachhaltig-keit im Mauerwerksbau behandelt.In zwei parallel laufenden Work-shops werden außerdem techni-sche, rechtliche und normative

Entwicklungen im Mauerwerks-bau und die Bemessung und Aus-führung von Mauerwerk erörtert.

Tagungsort des Mauerwerks-kongresses ist in diesem Jahr dasHilton-Hotel im Zentrum derDresdner Altstadt, also direkt ge-genüber von der Frauenkirche. DasRahmenprogramm sieht deshalb –unter anderem – eine exklusiveFührung durch die Frauenkirche in-klusive eines Kuppelaufstiegs vor.

Das Programm und ein For-mular für die Online-Anmeldungstehen auf der Website für denKongress.P [email protected]: 0351/83296-40Tel.: 0351/83296-32 (Dipl.-Ing.(FH) Anke Eis)

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NACHRICHTEN

13Der Prüfingenieur April 2009

■ die Mitwirkung an der Über-arbeitung der „Richtlinien fürdie Prüfung der bautechnischenNachweise“ des Landes Bre-men,

■ die Pflege der sehr guten Zu-sammenarbeit zwischen der Bau-aufsicht und den Prüfingenieurenim Land Bremen,

■ die Nachwuchswerbung vonfachlich geeigneten Bauinge-nieuren,

■ die Werbung für das Vierau-genprinzip, verbunden mit einerErhöhung des gesellschaftlichenAnsehens und der Anerkennungder Prüfingenieure.

Die neue Adresse der Lan-desvereinigung lautet:

Landesvereinigung der Prüfinge-nieure für Bautechnik Sonneberger Straße 1528329 BremenFax: 0421/43636-99E-Mail: [email protected]

Uwe Sabotke neuer Vorsitzenderder Landesvereinigung in BremenRainer Wegner wurde nach acht Jahren mit großem Dank verabschiedet

Am 24. Februar ist im Rahmen der Mitgliederversammlungder Landesvereinigung der Prüfingenieure in Bremen der bisherige2. Vorsitzende, Dipl.-Ing. Uwe Sabotke, einstimmig zum neuen Lan-desvorsitzenden gewählt worden. Zum neuen 2. Vorsitzenden wurde– auch einstimmig – Dipl.-Ing. Ralf Scharmann bestimmt.

Uwe Sabotke hat den Vor-sitz von Prof. Dr.-Ing. RainerWegner übernommen, der dieserVereinigung knapp acht Jahre vor-gestanden hat und mit großemBeifall und großem Dank verab-schiedet wurde. Ergänzend dazuwürdigte Prof. Dipl.-Ing. Horst

Bellmer den großen berufspoliti-schen Einsatz Wegners undwünschte dem neuen Vorstand fürdie zukünftige Tätigkeit alles Guteund viel Erfolg.

Als Schwerpunkte derzukünftigen Arbeit des neuen Vor-

standes nannte Sa-botke unter ande-rem:

■ die Mitwir-kung des vpi Bre-men an der For-mulierung derneuen Landes-bauordnung Bre-mens, insbeson-dere an derDurchführungs-verordnung undder Formulierungdes Kriterienkata-logs,

Der neue Vorsitzende der Landesvereinigung der Prüfinge-nieure in Bremen, Dipl.-Ing. Uwe Sabotke (links), und seinVorgänger im Amt, Prof. Dr.-Ing. Rainer Wegner.

3. Deutscher Brückenbaupreis ausgelobtDie Bundesingenieurkam-

mer und der Verband BeratenderIngenieure VBI haben vor kurzemden 3. Deutschen Brückenbaupreisausgelobt, mit dem alle zwei Jahredie Urheber besonders gelungenerStraßen- und Eisenbahnbrückenund Fuß- und Radwegbrücken aus-gezeichnet werden. Er wird am 15.März 2010 in Dresden verliehen,am Vorabend des 20. Brückenbau-symposiums der TU Dresden. DerDeutsche Brückenbaupreis wurde2006 ins Leben gerufen und ist

nach Überzeugung seiner Stifterinzwischen der bedeutendste Inge-nieurpreis Deutschlands.

Die Ausschreibungsunterla-gen für den neuen Brückenbau-preis können auf der Website desDeutschen Brückenbaupreises her-untergeladen oder bei der Bun-desingenieurkammer bestellt wer-den. Einsendeschluss ist der 19.September 2009. Die Verleihungdes Deutschen Brückenbaupreiseswird vom Bundesministerium für

Verkehr, Bau- und Stadtentwick-lung im Rahmen der InitiativeBaukultur gefördert. Hauptsponsorist die Deutsche Bahn AG.

P www.brueckenbaupreis.de [email protected]

P BundesingenieurkammerCharlottenstraße 410969 BerlinTel.: 030/2534-2900Fax: 030/2534-2903www.bingk.de

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NACHRICHTEN

14Der Prüfingenieur April 2009

Instandsetzung von Betonbauwerken gemäß DAfStb-Richtlinie 10/2001

5. Ausbildungslehrgang für SachkundigePlaner war vollständig ausgebuchtIn Kooperation mit dem Bau-Überwachungsverein (BÜV) und

der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau hat das Deutsche Institutfür Prüfung und Überwachung (DPÜ) vom 3. bis 7. März 2009 inMünchen die 5. Ausbildungsveranstaltung für die Zertifizierungzum Sachkundigen Planer für Schutz und Instandsetzung von Be-tonbauwerken gemäß DAfStb-Richtlinie durchgeführt.

Der Lehrgang war bis aufden letzten Platz belegt, den Teil-nehmern wurde zu allen relevantenBereichen der Betoninstandset-zung aus der Sicht von Forschung,Lehre und Praxis kompetent vor-getragen.

Die Entwicklung diesesLehrganges beruht auf der Richtli-nie des Deutschen Ausschusses fürStahlbeton (DAfStb) vom Oktober2001, die den Sachkundigen Pla-ner benennt, aber keine verbindli-chen Anforderungen an seine Qua-lifikation definiert. Die Richtliniefordert zwar, dass die untersuchen-

den und planenden Tätigkeiten fürdie Betoninstandsetzung nur vonSachkundigen Planern durchge-führt werden, Mindestanforderun-gen an ihre Ausbildung und an ih-re Qualifikation benennt sie abernicht.

Weil aber nirgendwo imBauwesen so hohe Anforderungenan die verwendeten und zu ver-wendenden Stoffe, an die Aus-führung, an die Eigen- und Fremd-überwachung sowie an die Qua-lität der Planung gestellt werdenwie im Bereich der Instandset-zung, haben der BÜV und das

DPÜ zielgerichtete Ausbildungs-pläne für diesen Lehrgang erarbei-tet, die nahezu jeden Bereich die-ser Thematik abdecken.

Die Lehrgänge machen dieTeilnehmer systematisch mit denrelevanten Regelwerken und denMessverfahren vertraut, erklärenmit praktischen Beispielen bau-physikalische und bauchemischeZusammenhänge sowie haftungs-rechtliche Fragen.

Die Teilnehmer, die mindes-tens fünf Jahre Berufserfahrungnachweisen müssen – zweckmäßi-gerweise als Bauingenieur oderArchitekt – werden in diesenLehrgängen in die Lage versetzt,planende Tätigkeiten so auszu-führen, dass der geschuldete Soll-zustand höchsten Qualitätsanfor-derungen genügt.

Gemeinsame Stellungnahme: „Konstruktiv aber kritisch“

vpi-EBA und VDEI beurteilen den BMVBS-Entwurf für Eisenbahn-Sachverständige gleich„Konstruktiv aber kritisch“ haben die Vereinigung der Sach-

verständigen und Prüfer für bautechnische Nachweise im Eisen-bahnbau (vpi-EBA) und der Verband Deutscher Eisenbahn-Ingeni-eure (VDEI) den Entwurf einer Verordnung zur Regelung des Ver-fahrens zum Bau von Eisenbahnbetriebsanlagen und zur öffentli-chen Bestellung von Sachverständigen im Eisenbahnwesen zurKenntnis genommen, den das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Stadtentwicklung (BMVBS) Ende September vergangenen Jah-res herausgegeben hat.

Anlässlich einer gemeinsa-men Sitzung hatten Vertreter bei-der Verbände den aus vier Arti-keln bestehenden ministeriellenVerordnungsentwurf eingehendgeprüft und waren übereingekom-men, im Rahmen einer Verbände-

anhörung separate Stellungnah-men abzugeben (was Mitte De-zember geschehen ist). Die Stel-lungnahmen werden derzeit imBMVBS ausgewertet. Mit Ergeb-nissen ist frühestens im Herbst2009 zu rechnen.

Wie in der 33. Ausgabe desPrüfingenieurs berichtet, hatte dievpi-EBA gleich nach ihrer Grün-dung im Jahre 2007 Kontakte zumEBA, zur DB AG sowie zumVDEI aufgenommen und in derFolgezeit gezielt konsolidiert.

Während für die Zusam-menarbeit mit dem EBA und derDB AG der zweimal jährlich ta-gende vpi-EBA-Koordinierungs-ausschuss das maßgebende Forumist, finden mit dem VDEI in nahe-zu regelmäßigen Abständen Son-dierungs- und Kontaktgesprächestatt.

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NACHRICHTEN

15Der Prüfingenieur April 2009

Frank Puller neuer Vorsitzender derLandesvereinigung in NiedersachsenKammeyer stellte sich nach fünfzehn Jahren nicht erneut einer Wiederwahl

Zum neuen Vorsitzenden der Landesvereinigung der Prüfin-genieure in Niedersachsen ist Dipl.-Ing. Frank Puller gewählt wor-den, der sich schon seit vielen Jahren auf mehreren berufspoliti-schen Feldern engagiert, vor allem als Mitglied des Vorstandes derLandesvereinigung der Prüfingenieure, als Vizepräsident der Inge-nieurkammer Niedersachsen und als Vorsitzender des Verwaltungs-rates des Versorgungswerks. Puller löste Dipl.-Ing. Hans-UllrichKammeyer ab, der nicht mehr für eine Wiederwahl zur Verfügungstand. Fünfzehn Jahre lang war er im Vorstand der Landesvereini-gung tätig, davon neun Jahre als dessen Vorsitzender.

Die Teilnehmer der Mit-gliederversammlung der Landes-vereinigung, die Ende vergange-nen Jahres in Hannover die Wech-selwahl einstimmig vollzogen ha-ben, dankten Kammeyer deswe-

gen auch auf das herzlichste fürdieses Engagement, und sie ver-abschiedeten ihn als ihrenlangjährigen Vorstandsvorsitzen-den mit den besten Wünschen fürsein weiteres berufspolitisches

Wirken als Präsident der Inge-nieurkammer Niedersachsen, alsVizepräsident der Bundesinge-nieurkammer und im Europäi-schen Rat der Ingenieurkammern(European Council of EngineersChambers, ECEC).

Kammeyers besonderes An-liegen war in den vielen Jahrenseines berufspolitischen Wirkensstets die Aufrechterhaltung der Ar-beit der Prüfingenieure als hoheit-liche Tätigkeit, wie sie in Nieder-sachsen praktiziert wird.

Dies wird, so versichertePuller „ein wesentliches Ziel auchmeiner Arbeit im neuen Vorstandder Landesvereinigung sein“.

Als Mitglieder des neuenVorstandes der Landesvereinigungwurden bei dieser Vorstandswahlbestätigt: Dipl.-Ing. JörgDuensing, Prof. Dr.-Ing. HansKruse und Dipl.-Ing. WolfgangWienecke.

BVPI wird die Praxisseminare für dieHeißbemessung dieses Jahr fortsetzenWeil ihre fünf Praxisseminare zur Heißbemessung nach Euro-

codes große Zustimmung gefunden haben, wird die Bundesvereini-gung der Prüfingenieure für Bautechnik die Praxisseminare, die sieim vergangenen Jahr zu diesem Thema durchgeführt hat (Stufe 1),im Sommer und Herbst dieses Jahres mit der Stufe 2 fortsetzen.

Nachdem die theoretischenund praktischen Grundlagen derHeißbemessung auf dem damalsaktuellen Stand im Übergangzwischen DIN 4102 und Euroco-de der Inhalt der Seminare imvergangenen Jahr waren, sollen,darauf aufbauend, in der Stufe 2verbindliche Handwerkzeuge

dafür angeboten werden. DieBVPI will dafür – in enger Ko-operation mit dem DIN und demBeuth Verlag – ein Standardwerkfür die Brandschutzbemessung inDeutschland (inkl. der entspre-chenden Normen und Auszüge)als Lehrmaterial für die geplantenSeminare erstellen.

Die BVPI kommt mit die-sen seinen Veranstaltungen auchdem Wunsch der ARGEBAU-Fachkommission Bautechnik nach,qualifizierte Ingenieure für solchePrüfungen zu interessieren und fürdie staatliche Anerkennung auszu-bilden. Die Fachkommission istder Auffassung, dass die Brand-schutzvermessung und Ingenieur-methoden für den Nachweis derFeuerwiderstandsdauer von Trag-werken Schwerpunkte der künfti-gen Bauwerksprüfung sein wer-den.

Der neue Vorstand der Landesvereinigung in Niedersachsen (v.l.): Dipl.-Ing. JörgDuensing, Dipl.-Ing. Wolfgang Wienecke, Dipl.-Ing. Frank Puller und Prof. Dr.-Ing.Hans Kruse

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16Der Prüfingenieur April 2009

PODIUMSDISKUSSION SICHERHEIT

■ Prof. Dr. Reinhard Odoj vom Institut für Sicher-heitsforschung und Reaktortechnik des Forschungs-zentrums Jülich, der grundlegendes Wissen und er-schöpfende Erfahrungen mit der Prüfung und Über-wachung von Kernkraftanlagen und der Überwa-chung radioaktiven Abfalls hat. Odoj ist Chemikerund seit mehr als dreißig Jahren im Forschungszen-trum in Jülich tätig.

■ Jan Wolter leitet beim Deutschen Industrieverbandfür optische, medizinische und mechatronische Tech-nologien (Spectaris) den Bereich für medizinischeHilfsmittel.

Halbach:Ich habe mir in Vorbereitung unseres heutigen

Themas die Berichterstattung unserer Redaktion an-gesehen, und zwar genau zu Ihrem heutigen Stich-wort. Einige Beiträge beschäftigten sich mit:

■ Dem Dieselrußpartikelfilter: Unglaublich aberwahr, Tausende Menschen haben diesen Filter ge-kauft, er war aber wirkungslos. Die Autofahrer wur-den also betrogen, die Umtauschaktion wurde zumFiasko,

■ dem Biospritskandal: Alte Autos vertragen denÖkokraftstoff nicht, die Markteinführung an denTankstellen musste zurückgenommen werden;

■ der Bankenkrise, die nicht unbedingt etwas mitBautechnik zu tun hat, aber uns alle als Steuerzahlerbetrifft. Warum hat da keiner ein wachsames Augegehabt?

■ der Datensicherheit: Im Handel sind Millionenvon Adressdaten der Bundesbürger. Ein Skandal,über dessen wirklichen Ausmaße man sich heutenoch keine Vorstellungen machen kann.

■ Zuletzt habe ich über die Entgleisung eines ICC-Zuges der dritten Generation berichtet. Die Ursacheist bis heute nicht geklärt, vieles deutet aber daraufhin, dass Materialermüdung verantwortlich ist. Der

Die Diskutanten auf dem Podium waren:

■ Dr. Arnold Ludes, der Präsident der Tierärztekam-mer des Saarlandes und Vizepräsident der Bundes-tierärztekammer. Ludes besitzt profunde Erfahrung inder Lebensmittelkontrolle und -überwachung und istseit 23 Jahren in der Lebensmittelüberwachung undfür die Qualitätssicherung tätig.

■ Prof. Dr.-Ing. E.h. Manfred Nußbaumer M.Sc., Vi-zepräsident „Technik“ des Hauptverbandes der Deut-schen Bauindustrie und Vorsitzender des Vorstandesdes Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins(DBV), ein fähiger und abgeklärter Baufachmannund -manager, der seit Jahrzehnten Prüfungen undÜberwachungen am Bau organisiert und in Auftraggibt.

Auch andere Berufefordern Kontrolle– aber mit AugenmaßArbeitstagung 2008 in Saarbrücken:Berufsübergreifende Diskussion über Kontrolle und Eigenverantwortung

Die mittlerweile schon traditionelle Podiumsdis-kussion anlässlich der Arbeitstagungen der Bun-desvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik(BVPI) stand im September 2008 in Saarbrückenunter dem Motto: „Mehr Sicherheit im öffentli-chen Leben! Durch Kontrolle oder Eigenverant-wortlichkeit?“. Sie wurde wieder von AndreasHalbach moderiert, dem ZDF-Redakteur („Fron-tal 21“), der vielen Mitgliedern der BVPI seit denArbeitstagungen 2006 in Berlin und 2007 in Wei-mar bekannt ist, deren Podiumsdiskussionen erauch schon geleitet hatte. Da das Gespräch inSaarbrücken mit Bedacht berufsübergreifend an-gelegt war, setzte sich das Podium aus Diskutantenzusammen, die einige derjenigen baufremden Be-rufe repräsentieren, in denen Sicherheit und Kon-trolle eine ebenso große und wichtige Rolle spielenwie am Bau.

Im folgenden Beitrag bringen wir eine sinn-gemäß bearbeitete Kurzfassung dieser Diskussion,die sich inhaltlich auf die wichtigsten Passagen be-schränkt.

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17Der Prüfingenieur April 2009

PODIUMSDISKUSSION SICHERHEIT

Zug ist im Schritttempo im Kölner Hauptbahnhofentgleist. Was wäre gewesen, wenn er eine viertelStunde früher, bei Tempo 300, zwischen Köln undFrankfurt, aus den Schienen geraten wäre?

Pleiten, Pech und Pannen am IngenieurstandortDeutschland. Deshalb eine rhetorische Frage: Wassind das für Probleme? Welche Probleme haben dieIngenieure? Welche Probleme hat mit ihnen die ge-samte Öffentlichkeit? Da sind Leib und Leben in Ge-fahr! Ist die deutsche Gründlichkeit auf der Streckegeblieben?

Diese Frage möchte ich direkt richten an Pro-fessor Odoj, denn gerade das Beispiel AtomlagerAsse II (Landkreis Wolfenbüttel in Niedersachsen)machte in den letzten Wochen ja Riesenschlagzeilen.Da dringt Wasser in ein ehemaliges Salzbergwerkein, das überdies vom Einsturz bedroht ist. DasGrundwasser ist gefährdet, es könnte eine radioakti-

ve Verseuchung ge-ben, deren Ausmaßeman auch überhauptnoch nicht abschätzenkann. Asse II ist vorvierzig Jahren konzi-piert worden. Damalswar man sich in denIngenieurwissen-schaften noch nichtdefinitiv darüber imKlaren, was da pas-sieren kann.

Heute will mandie Verantwortung fürdas Bergwerk Asse IIvom bisherigen priva-ten Kontrolleur, demHelmholzinstitut, auf

die staatliche Überwachung zurückzuverlagern, näm-lich auf das Bundesamt für Strahlenschutz. WelcheProbleme hat Ihre Branche, Herr Professor Odoj, mitdieser Entwicklung?

Odoj:Das, was wir heute erleben, ist nicht neu für

uns Wissenschaftler. Denn das, was in Asse II pas-siert, das wissen wir seit fünfzehn Jahren. Ein Endla-ger für atomaren Abfall darf natürlich nicht so kurz-fristig versagen. War das vorauszusehen? Waren daschlechte Ingenieure am Werk? Nein! Das, was jetztpassiert, wusste man schon lange.

Sie alle wissen: In der Bergwerkstechnik kannman eine Grube nicht sich selbst überlassen; eineGrube muss man stabilisieren. Die Stabilisierung derGrube – das war derStreitpunkt der Inge-nieure. Man müsse dawieder Salz hinein-bringen, hieß es.Oder: Kann man dasnicht mit Beton verfe-stigen? So ging dashin und her, ohne dassdie Politik eine Ent-scheidung getroffenhätte.

Und weil man –außer an der Süd-flanke – keine weitge-hende Stabilisierungdurchgeführt hat, ste-hen wir heute vor dennun bekannten Pro-blemen.

Podiumsdiskussion über Kontrolle und Eigenverantwortung im CongressCentrum in Saarbrücken. Es sprachen miteinan-der (von links): Dr. Arnold Ludes, Prof. Dr.-Ing. E. h. Manfred Nußbaumer, Prof. Dr. Reinhard Odoj, Jan Wolter. Die Lei-tung hatte Andreas Halbach, ZDF-Redakteur von „Frontal 21“.

Andreas Halbach, ZDF-Re-dakteur von „Frontal 21“

Prof. Dr. Reinhard Odoj vomInstitut für Sicherheitsfor-schung und Reaktortechnik desForschungszentrums Jülich

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18Der Prüfingenieur April 2009

PODIUMSDISKUSSION SICHERHEIT

So etwas darf in einem zukünftigen Endlagernatürlich nicht passieren. Deshalb reden wir, wennwir von einem Endlager reden, von einem Endlagerin einem jungfräulichen Bergbau, denn da bleibt manvon den Grenzen des Deckgebirges weit genug weg.Das Salz gibt es ja nur deshalb, weil solche Grubensogenannte Deckflanken aus Lehm und Ton habenund wenn die nicht halten, fließt das Wasser in dasSalz hinein – Salz löst sich aber in Wasser auf – unddas ist das gefährlichste, was passieren kann.

Ich gehe aber davon aus, dass man dieses Pro-blem ingenieurmäßig in den Griff bekommen wird.Die Frage ist nur, mit welchem der verschiedenen Lö-sungsansätze.

Halbach:Herr Dr. Ludes sitzt hier für das Thema Le-

bensmittelüberwachung. Da habe ich natürlich auchetwas aus der Giftküche mitgebracht: Lebensmittel-skandale, Milchskandale, Fleischskandale, Wein-panschererei, Gammelkäse, Gammelfleisch. Ist dasverantwortbar? Natürlich nicht! Aber woran hat dasgelegen? Warum ist so etwas möglich in Deutsch-land?

Ludes:Dass solche Verstöße vorkommen, die unter

anderen Umständen hätten vermieden werden kön-nen, liegt vor allem an zwei Dingen: an der kriminel-len Energie bestimmter Wirtschaftsbeteiligter und ander Unmöglichkeit, so dichte Kontrollen zu installie-ren, dass damit alle Vorgänge auf allen Ebenen derLebensmittelproduktion überwacht werden können.Insofern wird es ein Leben ohne Verfehlungen auchim Lebensmittelbereich nicht geben können, obwohles gerade dort besonders wichtig wäre, weil Leib, Le-ben und Gesundheit der Konsumenten sehr schnell inhohe Gefahr gebracht werden können.

Die Lebensmittelgesetzgebung wird vollstän-dig von der EU bestimmt. Sie hat mit ihrem soge-nannten Hygienepaket auf allen Ebenen der Produkti-on klar und eindeutig dem Lebensmittelunternehmerdie Verantwortung zugewiesen. Nur eine der vielenVorschriften, die mit den Verordnungen des EU-Hy-gienepaketes zusammenhängen, richtet sich an dieÜberwachungsbehörden. Deren Aufgabe ist es, zuüberprüfen, ob die Kontrollsysteme in den Lebens-mittelunternehmen so strukturiert sind, dass man voneiner Lebensmittelsicherheit sprechen kann.

Wir, die Veterinäre, und deren Helferinnen undHelfer, die Lebensmittelkontrolleure, wir betreiben

die Kontrolle der Kon-trolle: „From stable totable“. Das kann abernicht bedeuten, dasswir jeden dingfest ma-chen können, der mitkrimineller Energie ei-ne Nische entdeckthat, in der er Geld ma-chen kann.

Es gibt noch ei-nen Punkt, den ich indem Zusammenhangansprechen muss: dieNotwendigkeit einerweitaus besseren Zu-sammenarbeit zwi-schen den Instanzen,die an der Überwa-chung beteiligt sind.Meiner Meinung nachmüssen Staatsanwälte und Richter in das Überwa-chungssystem genauso eingebunden sein wie die Ve-terinäre selbst. Wir Veterinäre können nur mit Ord-nungswidrigkeiten, Strafen oder Betriebsschließun-gen drohen. Es müsste aber sichergestellt sein, dassdie gesetzlichen Möglichkeiten voll ausgeschöpftwerden.

Wolter:Bei uns geht es weniger um kriminelle Energie

als um ein strukturelles Problem. Mit dem Gesetz zurStärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Kran-kenversicherung wurden Ausschreibungen einge-führt. Die Krankenkasse schreibt eine Leistung aus,beispielsweise die Versorgung mit 500 Rollstühlen.Daraufhin kann sich jeder Leistungserbringer um die-sen Versorgungsauftrag bewerben. Aber nur einer er-hält wirklich den Zuschlag und darf liefern.

Diese derzeitige Praxis bedeutet aber, dass bei-spielsweise der Patient, der seinen Rollstuhl benötigt,nicht mehr den bewährten Leistungserbringer aufsu-chen kann, sondern ihm wird von seiner Krankenkas-se einer vorgeschrieben.

Das ist nach meiner Auffassung ein Eingriff inbestimmte Grundrechte, die Bundesregierung siehtdas anders.

Halbach:Herr Wolter, wie kann es passieren, dass 43 ge-

brochene Hüften in einem Jahr zu konstatieren sind?

Dr. Arnold Ludes, Präsidentder Tierärztekammer des Saar-landes und Vizepräsident derBundestierärztekammer

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19Der Prüfingenieur April 2009

PODIUMSDISKUSSION SICHERHEIT

Was ist da los? Sinddas Materialfehler?Sind das Billigimpor-te aus China, die nichtkontrolliert werden?Was ist das für einDefizit?

Wolter:Zum Teil wer-

den die Hüften falscheingebaut, der Bruchist dann also ein Feh-ler der Ärzte. ZumTeil wird für die Hüf-ten aber aus Kosten-gründen auch billigesMaterial verwendet.Zur Verdeutlichungdieser Konsequenzen

des GKV-WSG einige Zahlen: Die Ausgaben für me-dizinische Hilfsmittel sind von 2006 auf 2007 leichtgestiegen, gleichzeitig ist der Umsatz der Branche inDeutschland aber zurückgegangen, während die Im-porte drastisch angestiegen sind.

Halbach:Unser Thema ist die Sicherheit im öffentlichen

Leben durch Kontrolle oder Eigenverantwortung.Wie ist, Herr Professor Nußbaumer, dazu Ihre Grund-position?

Nußbaumer:Ich glaube, wir sind uns alle einig darüber, dass

wir, bezogen auf die Sicherheit in der Bauwirtschaftund bezogen auf Leib und Leben der Menschen,schon seit vielen Jahrzehnten in Deutschland eineausgesprochen hohe Sicherheit haben; da sehe ichwenig Probleme. Ich glaube auch, dass die Prüfinge-nieure hier durchaus ihren Anteil haben.

Was ich aber auch sehe, das ist die Flut vonKontrollen und Erschwernissen, die mit neuen Nor-men auf die Bauwirtschaft zukommt. Das Ausufernder Normen nimmt bedenkliche Formen an. DieDIN V 18599 (Heizung, Lüftung, Klima, Beleuch-tung) ist zum Beispiel über 800 Seiten stark. DerSpezialist für Haustechnik kennt sie zwar, aber nichtvollständig. Das halte ich für sehr bedenklich, dennwir unterschreiben als Baufirma ständig viele Ver-träge, in denen wir zusichern, dass wir alle Normeneinhalten.

Deshalb die Frage: Schaffen wir mit derNormung Mehrwerte? Schaffen wir mehr Sicher-heit? Nein! Wir schaffen Unsicherheit, weil dieBeteiligten den Wald vor lauter Bäumen nichtmehr sehen.

Ich meine, die Bauwirtschaft ist selbst Schuld,wenn sie ihre Fachleute nicht mehr in die Normaus-schüsse schickt, die Hochschullehrer aber und ihreAssistenten werden entsandt.

Das ist ein Wahnsinn, und dieser Wahnsinnwird uns über kurz oder lang einholen. Deswegen binich dafür, dagegenzuhalten. Ansätze gibt es. Ich kannSie nur alle ermutigen, da mitzumachen.

Halbach: Bleiben wir bei der Ursachenforschung. Wel-

ches sind die Ursachen für den Pfusch, der überall of-fenkundig ist. Ich denke mal, es geht in erster Linieums Geld, vor allem um das der öffentlichen Hand.Ist es so, Herr Doktor Ludes, dass die öffentlicheHand ihre Verantwortung für die Kontrolle schleifenlässt aufgrund der Tatsache, dass sie immer wenigerPersonal und immer weniger Geld zur Verfügunghat?

Ludes:Diese Frage glaube ich, für meinen Tätigkeits-

bereich eindeutig mit Nein beantworten zu können.Die Überwachung durch staatliche Instanzen ist inDeutschland Ländersache. Die Länder stellen ihreBudgets für die Personalisierung der Veterinär- undsonstigen Lebensmittelüberwachung selbst auf. Siehandeln nach dem, was vorhanden ist, sie haben aberdiesem Sektor, seit der BSE-Krise, auch ausreichen-den Raum gegeben. Es gibt aber nie einen Optimal-zustand: Wir können nicht hinter jeden Produktions-prozess einen Kontrolleur stellen. Aber grundsätzlichwird, so denke ich, der Sicherheitsproblematik undauch dem öffentlichen Interesse ausreichend Rech-nung getragen.

HalbachEs liegt also nicht an der Finanzknappheit der

öffentlichen Hand? Vielleicht liegt es aber an dem,was mit dem Stichwort Korruption umschrieben wer-den kann. Wir sind ja bei der Ursachenforschung, al-so bei der Geldnot. Wenn es aber die öffentlicheHand nicht ist, die in erster Linie für die Misere zurVerantwortung gezogen werden kann, ist es dannmöglicherweise die Profitgier mancher?

Jan Wolter, vom Deutschen In-dustrieverband für optische,medizinische und mechatroni-sche Technologien (Spectaris)

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20Der Prüfingenieur April 2009

PODIUMSDISKUSSION SICHERHEIT

Ludes:

Die Profitgier spielt in unserem Bereich sicher-lich die allergrößte Rolle. Daraus entwickelt sich diekriminelle Energie, die ich eben schon erwähnt habe.Man muss darüber hinaus wohl zugestehen, dass esauch auf der Überprüfungsseite den einen oder ande-ren Kontrolleur geben kann, der nicht einen echten,sauberen Kern hat, der auch dieser Profitgier verfälltund seine Arbeit nicht so macht, wie er sie machensollte. Aber das sind Ausnahmen, absolute Ausnah-men, und jeder Dienststellenleiter legt größten Wertdarauf, sein Personal diesbezüglich zu kontrollierenund immer wieder zu überprüfen, ob der eine oder an-dere Kontrolleur nicht vielleicht doch eine zu großeNähe zu bestimmten Betrieben entwickelt hat, die Le-bensmittel produzieren oder in Verkehr bringen.

Ich habe in meinem Veterinäramt immer dengrößten Wert darauf gelegt, dass die Angestellten, diebei mir die Kontrollen durchführen, immer wieder ro-tiert haben, damit immer andere Augen aufpassen,ohne dass eine Systematik der Rotation entstand. Ei-ne gewisse Konstanz in der Kontrolle ist zwar vonVorteil, weil die Leute dort, wo sie kontrollieren,wirklich durchblicken. Aber wenn eine gewisse Näheentstanden ist, oder gar eine menschlich nette Bezie-hung zwischen Kontrollierten und Kontrolleuren, ha-be ich immer eingegriffen und ganze Teams ausge-tauscht.

Von Vorteil ist es natürlich auch, wenn manseine Betriebe kennt und wenn man weiß, wo manden Kontrolleur allein hinschicken kann und wo un-bedingt das Vieraugenprinzip angewendet werdenmuss. Das muss man immer im Einzelfall entschei-den. Dahingehend sind aber auch die Strukturände-rungen zu lenken, die darauf hinauslaufen sollten,dass man die Betriebe mit dem Ziel fördert, die Ei-genkontrolltätigkeit zu stärken. In diesen Fällenkönnte man die Kontrollintensität, die Kontrolldichteund die Kontrollfrequenz zurückfahren.

Halbach:Sie schmunzelten ein wenig, Herr Professor

Nußbaumer, als es um die besondere Nähe im kom-munalen Bereich ging. Ich glaube, das ist auch fürsBauwesen nicht uninteressant, wenn der Prüfstatikerzusammen mit dem Bauingenieur im Vorstand desHeimatvereins sitzt.

Nußbaumer:Wir kämpfen im Hauptverband der Deutschen

Bauindustrie durchaus für den Prüfingenieur. Er muss

aber eine unabhängigeInstanz sein.

Wir sind alsBauunternehmen jaoft auch Mitaufsteller– oder ein sogenann-ter Erfüllungsgehilfeist unser Aufsteller.Auch wir müssen vielöfter Mängel feststel-len als früher. Es istdeshalb sehr sinnvoll,wenn ein zweiterFachmann, ein Unab-hängiger, kontrolliert,nicht nur, weil oft sehrjunge und unerfahreneIngenieure auf denBaustellen das Sagenhaben, sondern ebenauch, weil die Kom-plexität der Normenimmer größer wird.Die Computergläu-bigkeit der jungen Ingenieure ist außerordentlich aus-geprägt, sie sollten wieder lernen, eine Plausibilitäts-kontrolle durchzuführen.

Odoj:Wir vermissen in Deutschland, das die Prüfin-

genieure zu wenig eigene Entscheidungsfreiheit ha-ben. Wir haben überall Normen und Gesetze und oftwird nicht genügend differenziert. Es gibt Prüfinge-nieure, die machen – Pardon! – aus jeder Mücke ei-nen Elefanten. Eine Sache, die vollkommen ne-bensächlich ist, wird genauso geprüft wie eine Sache,die man wirklich prüfen muss. Da müsste man alsPrüfingenieur mehr differenzieren können.

Halbach:Ein weiterer Aspekt der Ursachenforschung

könnte die europäische Gesetzgebung sein, die zu-nehmend harmonisiert wird. Sind dadurch auch diehohen deutschen Standards tangiert? Anders gefragt:Führt die Harmonisierung der europäischen Gesetz-gebung zu einem Qualitätsverlust?

Nußbaumer:Ich meine: ja! Ich halte die Normenflut, die

von der EU-Kommission ausgelöst worden, zum Teilaber auch von uns selbst initiiert und zu verantwor-

Prof. Dr.-Ing. E. h. ManfredNußbaumer M.Sc., Vizepräsi-dent des Hauptverbandes derDeutschen Bauindustrie undVorsitzender des Vorstandesdes Deutschen Beton- undBautechnik-Vereins

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PODIUMSDISKUSSION SICHERHEIT

21Der Prüfingenieur April 2009

ten ist, schlussendlich für einen Nachteil für dieQualität.

Ein zweites großes Problem ist die Liberalisie-rung, die mit der Bauproduktenrichtlinie vorgesehenist und einhergehen wird. Nach ihr müssen in Zu-kunft Prüfmaßnahmen vorgenommen werden, die vorallem für kleine Unternehmen nur sehr schwer zudurchschauen sind. Bei quasi jeder Lieferung auf derBaustelle muss man prüfen, welche Firma gelieferthat, was die für einen Standard hat und was die für ei-ne Prüfung vorgenommen hat.

Im Hauptverband der Deutschen Bauindustriesind wir dagegen, dass man hier liberalisiert. Wir ha-ben uns auch bis zu EU-Industriekommissar GüntherVerheugen dagegen gewehrt, das Thema ist also nochnicht vom Tisch.

Ludes:Diese Entwicklung bereitet natürlich auch uns

Probleme, weil die Vorgaben, die aus Brüssel kom-men, sehr generell gefasst sind. Das heißt: Diejenigen,die kontrollieren müssen, haben ein Gesetzeswerk,das sehr viel Interpretationsspielraum lässt. Das hatVorteile für denjenigen, der sehr phantasievoll damitumgeht, und Nachteile für den konservativen Kontrol-leur, der eigentlich immer genaue Vorgaben braucht.Diese Spielräume bieten aber auch Chancen, weil wirdie Betriebe bei unseren Kontrollen nicht 1:1 neben-einanderstellen können. Wir kontrollieren, wenn dortLebensmittel verkauft werden, den Zeitungskiosk ge-nauso wie den Schlachthof, in dem 10.000 Schweineam Tag geschlachtet werden. Das heißt aber, dass wirin diesen sehr verschiedenen Kontrollobjekten natür-lich auch sehr verschiedene Maßstäbe anzulegen ha-ben, insofern ist dieses grobe Grundraster der EUrichtig. Wir versuchen nun intern, das lässt das EU-Recht zu, die Kontrollintensität, die Kontrolldichteund die Kontrollfrequenz für die Betriebe nach denentsprechenden Risikobewertungen der EU durchVerwaltungsvorschriften einzurichten.

Es kommt noch etwas Gutes hinzu, aus meinerSicht zumindest. Jeder Betrieb, der am Lebensmittel-verkehr teilnimmt und tierische Lebensmittel in Ver-kehr bringt, braucht neuerdings eine Zulassung. Ab2010 muss danach zum Beispiel jede Metzgerei, dieselber schlachtet, eine Zulassung haben. Früher mus-sten nur die Betriebe eine Zulassung haben, die amgrenzüberschreitenden Lebensmittelverkehr teilneh-men wollten. Das waren die sogenannten EU-Betrie-be, die EU-weit ihr Fleisch verkaufen und ausliefernkonnten. Heute muss jeder Betrieb zugelassen wer-den, und zwar, weil Hygiene grundsätzlich nicht teil-bar ist.

Halbach:

Herr Professor Odoj, sind Sie auch der Mei-nung, dass deutsche Standards in Brüssel verteidigtwerden müssen?

Odoj:Ja und nein. Für die Endlagerung und für die

Behandlung von Abfällen gibt es, zum Schutze desMenschen, Normen in Bezug auf den Strahlenschutz.Es gibt keine Norm dafür, was mit dem Abfall passie-ren soll oder darf. Die Franzosen haben zum Beispielin der Champagne ein oberflächennahes Lager, eineBaugrube, die mit Beton ausgekleidet wurde. Dortwird, direkt in die Biosphäre, der schwachaktive Ab-fall eingebracht. Also Abfall, der frei ist von langlebi-gen alphahaltigen Abfällen. Die Franzosen haben dasGefahrenpotenzial direkt im Grundwasser liegen, daswir in der Asse II 500 bis 700 Meter tief gelagert ha-ben. Das heißt also: Jeder EU-Staat begräbt seinenAbfall so, wie er das möchte. Es gibt nirgendwo inEuropa, in Amerika oder auch in China Normendafür, was mit dem Abfall geschehen muss.

Halbach:Sie sagen also: Defizite in Brüssel?

Odoj: Ja, auf jeden Fall.

Halbach:Herr Wolter, werden Sie in Brüssel gehört? Ha-

ben Sie überhaupt die Möglichkeit, sich zu Wort zumelden? Haben Sie die Chance der Partizipation? IstIhre Branche überhaupt in der Lage, wichtige Dinge,die auf europäischer Ebene gelöst werden müssten,auch dort vorzubringen?

Wolter:Ja, das ist schon der Fall. Für Medizinproduk-

te geschieht, was die Normen und Richtlinien be-trifft, das meiste mittlerweile über die EU. Und dorthaben wir aus deutscher Sicht auch einen gewissenEinfluss.

Ich würde aber gern auf einen anderen Punktnoch eingehen, der hier schon öfter angesprochenwurde, nämlich auf das Thema Prüfung. Wir haben

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PODIUMSDISKUSSION SICHERHEIT

22Der Prüfingenieur April 2009

bei uns das Problem, dass ein Leistungserbringer,wenn er einen Vertrag unterschreibt, sich damit zugewissen Standards bekennt. Deshalb müsste manmeinen, es liefe alles entsprechend dem Vertrag unddeshalb auch mit rechten Dingen ab.

Das Problem ist allerdings, dass keine Kontrol-le vorgenommen wird. Eigentlich müsste der Kundeoder Patient die Einhaltung von vertraglichen Stan-dards ja am besten überprüfen können, indem er,wenn er schlecht versorgt wurde, den Leistungser-bringer wechselt. Da er das aber neuerdings nichtmehr kann, wie ich vorhin schon erläutert habe, müs-ste die Kontrolle den Krankenkassen obliegen. Dieaber hat daran kein Interesse, weil solche Kontrolleneinfach zu teuer sind. Wenn die Krankenkassen dieVertragstreue eines jeden Leistungserbringers über-prüfen müssten, indem sie beispielsweise Testkäufeinitiieren und durchführten, würden die Kostenein-sparungen, die sie mit den vorhin erläuterten Aus-schreibungen realisieren sollen, wegfallen. Eine Kon-trolle der Vertragsinhalte findet in der Praxis de factoalso nicht statt.

Halbach:Über die Ursachenforschung für den Qualitäts-

verlust haben wir gesprochen, über ökonomischeZwänge und über die europäische Gesetzgebung. Einweiterer Aspekt ist die Globalisierung, und zwar auszweierlei Hinsicht: einmal hinsichtlich der Baupro-duktenrichtlinie, da spreche ich jetzt den Baufach-mann an, aber auch hinsichtlich des freien Verkehrsvon Arbeitnehmern, der ja offenbar auch ein riesigesProblem der deutschen Bauwirtschaft ist. Dazu etwasStatistik: Seit 1995 hat sich die Zahl der Mitarbeiterim deutschen Bauwesen mehr als halbiert, dieser Ver-lust wurde aufgefangen durch ungelernte Leute ausdem Ausland. Ist die Globalisierung – und damit zu-sammenhängend – das Personal und sind die Baupro-dukte ein weiteres Problem im Zusammenhang mitdem Qualitätsverlust?

Nußbaumer:Ja. Sie sprechen da einen wichtigen und rich-

tigen Punkt an. Alle großen Baufirmen mussten vorzwölf oder fünfzehn Jahren aus Wettbewerbsgrün-den Personal entlassen, und zwar Fachpersonal, dasin die Frühpensionierung geschickt worden ist. DieFirmen haben dann Werklohnunternehmer aus Ost-europa oder Südosteuropa engagiert; die aber wa-ren verglichen mit den heimischen eigenen bisheri-gen Fachkräften von sehr unterschiedlicher Qua-lität. Wer keinen guten Werklohnunternehmer hatte,der hat zwangsläufig sehr viel Ausschuss produ-

ziert, das muss man schon zugeben. Diese Entwick-lung hat der deutschen Bauwirtschaft sehr gescha-det.

Halbach:Pragmatische Lösungen ohne Kontrolle, dafür

plädiert Professor Nußbaumer. Welcher Meinungsind sie, Herr Professor Odoj?

Odoj:Ich bin der Meinung, wir laufen Gefahr, dass

wir überreguliert werden, dass wir zu viele Papiereproduzieren, und dass es deshalb auch nicht besserwerden wird. Ich komme heute als Qualitätskon-trolleur in viele Labors, auch in chemische Labors.Das erste, was dort gezeigt wird, ist die Akkredi-tierungsurkunde: „Nach DIN ISO 9000 zertifi-ziert“.

Solche Labors sind tatsächlich der Ansicht,nun müssten sie nichts mehr tun, weil sie ja „qualifi-ziert“ seien. Und weil sie qualifiziert und zertifiziertseien, so meinen sie, komme die qualifizierte Arbeit,die richtige Analyse von ganz allein und von selbst.Dass die Arbeit, die Analyseergebnisse, nicht bessersein können als vorher, das ist klar, wird aber gerneübersehen.

Man darf sich also auf solche Urkunden nichtverlassen. Wir sind vielmehr darauf angewiesen, Per-sonal mit Gewissen und mit Fachwissen zu haben,wir sollten die Menschen ordentlich ausbilden undnicht jeden ungeeigneten Studierenden unter demDruck einer scheinbaren moralischen Verpflichtungannehmen und bis oben durchschleppen.

HalbachAls Problemlösung hat die BVPI erkannt, dass

Verhaltenskodizes überaus wichtig seien, um sich derVerantwortung bewusst zu werden. Eine Möglichkeitder Problemlösung könnten vielleicht aber auch här-tere Strafen sein. Wäre das, Herr Professor Odoj, eineMöglichkeit?

Odoj:Da will ich, bezogen auf den Straßenverkehr,

aber auch zu unserem Thema passend, wie ich finde,nur einen Satz sagen: Höhere Strafgebühren führennicht zum vorgeschriebenen Verhalten, sondern er-höhen nur die Gefahr, erwischt zu werden.

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PODIUMSDISKUSSION SICHERHEIT

23Der Prüfingenieur April 2009

Halbach

Wäre es denn hilfreich, Melderegister für ein-zelne Bereiche einzurichten? Beispielsweise einenInternetpranger, der eine Selbstreinigung der einzel-nen Branchen aus sich selbst heraus bewirken soll?

Odoj: Wir haben so etwas eingeführt, aber nicht als

Veröffentlichung, sondern als Bonus- und Malus-Regelung. Wenn ich als Prüfer irgendwo hinkommeund der Geprüfte hat beispielsweise falsche radioak-tive Abfallgebinde deklariert, dann wird beim näch-sten Mal der Prüfaufwand erhöht. Wenn aber alles inOrdnung war, bekommt er einen Bonus, mit dem erbeim nächsten Mal nicht mehr so intensiv geprüftwird. Es liegt also am eigenen Verhalten des Ge-prüften, ob er mehr oder weniger geprüft wird, wirkönnen da die Norm selbst variieren, das finde ichsehr gut.

NußbaumerIch glaube auch nicht, dass höhere Strafen zu

etwas führen können, wenn es darum geht, Kontrol-len zu verstärken. Wir im Bau haben, bei großen Bau-stellen, eine Bauaufsicht. Trotzdem müssen wir im-mer wieder feststellen, dass weiter Fehler vorkom-men. Wichtig ist, dass die Leute gut ausgebildet sind,dann wird die Zahl der Fehler reduziert.

WolterIch finde es schwierig, die schwarzen Schafe

an den Pranger zu stellen, weil das natürlich auch dieGefahr des Missbrauchs in sich trägt. Was wir ma-chen sollten, das ist genau das Gegenteil. Wir solltennicht die schwarzen Schafe an den Pranger stellen,sondern die weißen Schafe aus der Masse heraushe-ben. Wir haben dafür in der Medizintechnik ein Qua-litätssiegel eingeführt, aus dem hervorgeht, an wenman sich wenden kann, wenn man als Patient unzu-frieden ist, wo man sich darüber informieren kann,wo man gut versorgt wird. Ich glaube, das ist einbesserer Weg, als der Pranger für die schwarzenSchafe.

HalbachVoraussetzung für Eigenverantwortung ist der

mündige Bauherr, der mündige Verbraucher. Der aberhat oft gar nicht die Information, die er braucht, ummündig sein zu können. Müssen sich da die Medien

an die Nase fassen? Müssen die PR-Leute und Öf-fentlichkeitsarbeiter wirksamer tätig werden? Wasmeinen Sie dazu, Herr Professor Odoj? Übertreibenwir zu viel und informieren wir zu wenig?

Odoj:Nein, das glaube ich nicht. Eigenverantwor-

tung ist heute als Anspruch an den Endverbraucher zustellen. Der Endverbraucher ist sehr oft viel zu trägeund vor allem einem umfassenden Anspruchsdenkenverhaftet. Ich meine, der Endverbraucher muss sichselbst informieren, er muss selbst mehr tun. Auch derBauherr übrigens. Der Endverbraucher darf nicht an-nehmen, wie das eine Zeit lang üblich war, dass ersich, wenn er sich ein Fertighaus gekauft hat, umnichts mehr kümmern muss. Nein, er muss sich auchFachzeitschriften kaufen, sich auch selbst informie-ren. Außerdem muss er den Bauherrn oder den Unter-nehmer fragen, welche Referenzen er hat, vielleichtmal die Nachbarn ausfragen. Kurz gesagt: Man mussauch an sich selbst arbeiten, ehe man die Eigenver-antwortung tragen kann.

Wolter:Ich glaube, dass der Endverbraucher zuneh-

mend überfordert wird. Um alles muss er sich selbstkümmern: Für die Rente muss er selbst vorsorgen,zusatzversichern muss er sich, für Berufsunfähigkeit,Krankenversicherung etc. Wir in der Medizintechnikhaben, wie ich gerade schon sagte, mit relativ hohemAufwand und viel Mühe ein Gütesiegel aufgebaut,das sich weiter verbreiten wird, auch, um dem Ver-braucher die Möglichkeit zu geben, sich unabhängigzu informieren. Er muss wissen und herausfindenkönnen, wo er gut versorgt wird. Solange er etwasaus eigener Tasche kauft, kann er sich ausreichend in-formieren und in dasjenige Geschäft gehen, in dem erdas jeweilige Produkt erwerben möchte. Gegenüberden Leistungen der Krankenkasse aber ist der Ver-braucher oder der Patient völlig entrechtet. Er kannnicht frei entscheiden, weil die Krankenkasse ihmdiese Entscheidung vorschreibt. Und er hat auchüberhaupt keinen Überblick über das, was ihm fürLeistungen zustehen. Die Verträge, die zwischen denKrankenkassen und den Leistungserbringern ausge-handelt werden, die sieht er nicht. Der Versicherte hatalso keine Ahnung, welchen Anspruch er hat, und erkann auch gar nicht prüfen, welche Verträge zwi-schen seiner Krankenkasse und den Leistungserbrin-gern geschlossen wurden – für ihn, den Patienten, ge-schlossen wurden. Es ist politisch auch gar nicht ge-wollt, dass der Patient darüber etwas weiß. Es ist pa-radox: Auf der einen Seite wird der mündige Bürgerpropagiert und erwartet, und auf der anderen Seite

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24Der Prüfingenieur April 2009

werden ihm jedwede Information bewusst vorenthal-ten und ihm auch die Möglichkeit verweigert, sichfrei zu entscheiden.

Halbach:Nochmal zum Thema Öffentlichkeitsarbeit.

Herr Dr. Ludes, sehen Sie da Defizite auf beiden Sei-ten, aufseiten der Medien aber auch aufseiten derVerbände? Arbeiten die vielleicht nicht professionellgenug?

Ludes:Wir müssen in die Öffentlichkeit gehen, wenn

der Verbraucher wirklich gefährdet, vielleicht sogareine gesundheitliche Gefährdung vorhanden ist.Dann werden auch Ross und Reiter genannt, dannwird im Radio und im Fernsehen auch darüber be-richtet.

Halbach:Als letzten Bereich dieses Gesprächs möchte

ich die Verzahnung der Kontrollen in verschiedenenFachbereichen ansprechen. Herr Dr. Ludes, Sie arbei-ten in der Futtermittelproduktion, der Fleischproduk-tion und der Lebensmittelproduktion. Funktioniertdas fachübergreifend in dem Sinne, dass die einzel-nen Fachbereiche sich austauschen?

Ludes:Das funktioniert jedenfalls besser als vor

zehn Jahren, als wir noch kein Gesamtkonzept aufdiesem Gebiet hatten. Damals hatten wir bei derBewertung von Tierkörpern nach der Schlachtungdarauf zu achten, dass keine Tuberkuloseherdemehr vorhanden waren. Heute haben wir die Tier-körperbeurteilung am Schlachtband, und die Bean-standungen liegen weit unter einem Prozent. Aufder anderen Seite ist heute beispielsweise jedesfünfte Schwein ein Träger von Salmonellen, euro-paweit, aber die Salmonellen sieht der Kontrolleurnicht, die sähe er auch dann nicht, wenn er Tierme-dizin studiert hätte. Wir müssen ganz andere Ver-fahren anwenden, um wirklich effizient kontrollie-ren zu können. Wir brauchen intelligente neue Kon-trollsysteme, die das Gesamtkonzept ergänzen. Wirsind dabei, diese Kontrollintegration zu optimieren,insbesondere auch unter Einbeziehung der Futter-mittel, deren Abgabe in der Regel von den Land-wirten kontrolliert wird, und unter Einbeziehungvon Kontrollgängen in den landwirtschaftlichen

Betrieben, wo, vom Düngemittel über die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie bis zur Verabreichung vonArzneimitteln, alles geprüft wird. Solche Kontrol-len sind zeitraubend und kosten auch sehr vielGeld, aber sie bringen einen großen Teil mehr Si-cherheit, und deswegen werden wir diesen Wegauch konsequent weiter gehen.

Halbach:Herr Professor Nußbaumer, vielleicht kann ich

Ihnen dann doch noch mal das Ja dazu abringen, dasssie bestätigen: „Ohne staatliche Kontrolle geht esnicht!“

Nußbaumer:Das habe ich nie bestritten. Wenn wir heute ein

Einkaufszentrum bauen, haben wir die Tragwerkspla-nung, den Prüfingenieur als Kontrolleur, die Feuersi-cherheit, in der Regel die Feuerwehr, die ja auch eineamtliche Stelle ist, und wir haben jede Menge Bauab-nahmen. Wir haben also ein riesiges Aufgebot anKontrolleuren, die unser Produkt überwachen und amSchluss abnehmen. Außerdem haben wir auch eineArt Management, das das Ganze dort kontrolliert undkoordiniert, wo etwas miteinander verzahnt wird. Dasist notwendig und damit können wir leben. All’ dasist eigentlich in guten Händen, meine ich.

Halbach:Dieses Jahr hatten wir keine fachspezifische,

sondern eine mehr gesellschaftspolitische Diskussi-on. Dennoch möchte ich das Thema Ethik und Moralnoch einmal ansprechen und aus dem Editorial zitie-ren, das der Präsident Ihrer Bundesvereinigung, Dr.Hans-Peter Andrä, als „Appell für eine bessere Bau-kultur in Europa“ im aktuellen Heft des Prüfinge-nieurs veröffentlicht hat. Sie werden es sicher alle ge-lesen haben, aber zum Nachdenken möchte ich die-sen Satz noch mal zitieren:

„Das Menschenbild von heute wird nicht ausdem Bewusstsein der verantwortlichen Mitglied-schaft in einer Gesellschaft heraus verstanden, son-dern vielmehr als wettbewerbsorientierter Individua-lismus, der sich bei entsprechender Durchsetzungs-kraft Natur und Kultur schrankenlos nutzbar machendarf und keiner gesellschaftlichen und sozialen Rah-menbedingungen bedarf.“

Das ist eine, meine ich, abschließend, in gewis-ser Weise provokante These, gibt aber durchaus sehrviel Anlass zum Nachdenken.

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HOLZBAU

25Der Prüfingenieur April 2009

1 Einführung

Die Ausgabe DIN 1052:2004-08 wurde über-arbeitet. Statt einer Ausgabe A/1, die nur die Ände-rungen enthält, wurde eine konsolidierte Fassung mitdem Datum 2008-12 herausgegeben. Diese Fassungenthält alle vorgenommenen Änderungen. Die Ände-rungen sind mit Seitenstrichen versehen, sodass einschneller Überblick gegeben ist. Allerdings müssender Text und die Formeln genau gelesen werden, damanchmal nur eine Bezeichnung oder ein halber Satzgeändert wurden.

Wegen des verspäteten Erscheinens der Neu-fassung, wohl aber auch wegen der inhaltlichen Än-derungen wurde die Koexistenzphase der NormenDIN 1052:1988-04 – in einigen Bundesländern auchdie dort eingeführte DIN 1052:2004-08 – verlängert.Sie endet am 31. 06. 2009. Danach gilt als einzige na-tionale Norm DIN 1052:2008-12.

2 Grundsätzliches

Mit der Neufassung der DIN 1052 wird die Be-messung der Holzbaunorm vom deterministischen Si-cherheitssystem mit den charakteristischen Lastenund den zulässigen Spannungen auf das semiprobali-stische Sicherheitssystem mit den Teilsicherheitsbei-werten auf der Last- und der Materialseite umgestellt.Weitere wesentliche Neuerungen der Norm sind:■ Die Berechnungsverfahren (zumindest teilweise,

z. B.: mittragende Breite, Knicken, Brettschicht-holzträger mit schrägen Rändern).

■ Die Festigkeiten schräg zur Faserrichtung desHolzes sind nunmehr auch von der Schubfestig-keit und nicht nur von der Druck- bzw. Zugfestig-keit abhängig. Dies ist z. B. bei Versätzen, schrägangeschnittenen Rändern und dgl. der Fall.

■ Die Tragfähigkeit der Verbindungsmittel wird ge-nauer in Abhängigkeit von den Festigkeiten desHolzes bzw. des Holzwerkstoffes und des Verbin-

Welche Veränderungensind in der DIN 1052vorgenommen worden?Ein Überblick über die Abweichungenin den Abschnitten 1 bis 10 imVergleich zu der Fassung 1988-04

Die neue Fassung der DIN 1052 „Entwurf, Be-rechnung und Bemessung von Holzbauwerken –Allgemeine Bemessungsregeln und Bemessungs-regeln für den Hochbau“, deren Überarbeitungwegen der europäischen Harmonisierung von Pro-duktnormen und Bemessungsregeln notwendiggeworden war, enthält einige grundlegend neueRegelungen. Vor allem die Bemessung erfolgtnicht mehr auf der Grundlage zulässiger Span-nung, sondern nach den Grenzzuständen derTragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit. Inder folgenden Ausarbeitung werden die wich-tigsten Änderungen in dieser Norm im Vergleichzu der alten Fassung (1988-04 bzw. A/1:1996-10)dargelegt und kommentiert.

ist Beratender Ingenieur VBIund war von 1976 bis März2008 Prüfingenieur für Bau-statik VPI; er ist öffentlichbestellter und vereidigter Sach-verständiger für das Zimmer-handwerk, für KonstruktivenIngenieurbau und für Holzleim-bau in Ettlingen und seit densiebziger Jahren zunächst Lehr-

beauftragter später Honorarprofessor für das Lehr-gebiet Ingenieurholzbau der Fachhochschule Karls-ruhe

Prof. Dipl.-Ing. Dieter Steinmetz

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26Der Prüfingenieur April 2009

HOLZBAU

dungsmittels bestimmt (Definition der Ver-sagensarten).

■ Ergänzung des Spaltens des Holzes bei Be-anspruchung durch stiftförmige Verbin-dungsmittel.

■ Die Wand-, Dach- und Deckentafeln(-scheiben) sind neu geregelt.

■ Bisher in der Literatur behandelte Verfah-ren sind in die Norm aufgenommen (z. B.:unten angehängte Lasten, eingeklebte Ge-windebolzen, Flächentragwerke).

■ Beim Nachweis der Gebrauchstauglichkeitsind unterschiedliche Kriterien angegeben,die das zeitabhängige Verhalten des Holzes(Kriechen) beschreiben; es kommt dasSchwingungsverhalten von Deckenbalkenunter Wohnräumen hinzu.

Der Bemessungswert der Festigkeit wird ausdem charakteristischen Wert ermittelt. Beim WerkstoffHolz ist, außer der Streuung des Materials, auch derEinfluss der Feuchtigkeit und der Lasteinwirkungsdau-er zu berücksichtigen. Die Grundgleichung lautet:

DIN 1052:2008-12 Gl (3)

kmod = Modifikationsbeiwert, der den Einfluss derNutzungsklasse und der Lasteinwirkungs-dauer auf die Festigkeit berücksichtigt

Xd = Bemessungswert einer Festigkeitseigen-schaft

Xk = charakteristischer Wert einer Festigkeitsei-genschaft

γM = Teilsicherheitsbeiwert für die Festigkeitsei-genschaft

Mit der Einführung des Faktors kmod und denKombinationsregeln nach DIN 1055-100 entfallenpraktisch alle Erhöhungs- und Abminderungsfakto-ren der DIN 1052:1988/1996.

Zum Beispiel Erhöhungen:1,25 für den Lastfall HZ,1,50 für Spannungen bei Transport- und Montagezu-ständen,1,25 für Verbindungsmittel bei Transport- und Mon-tagezuständen,2,00 waagerechte Stoßlasten und Erdbeben.

Zum Beispiel Abminderungen:0,83 für Bauteile im Freien,0,67 für Bauteile im Wasser,0,80 für Zugspannungen im Bereich von Nagelver-bindungen.

Abb. 1 zeigt schematisch den Einfluss derLasteinwirkungsdauer und der Feuchtigkeit auf dieFestigkeit von Holz. Es ist deutlich erkennbar, dass

die Festigkeit mit zunehmender Lasteinwirkungsdau-er und Feuchtigkeit abnimmt.

Der Einfluss der Feuchtigkeit wird durch dieNutzungsklasse beschrieben. In DIN 1052:2008-12sind drei Nutzungsklassen definiert. Für die einzelnenKlassen sind die Temperatur und die relative Luft-feuchtigkeit angegeben, die im Laufe des Jahres nur inwenigen Wochen überschritten werden (Tabelle 1).

M

kmodd

XkX

γ⋅

=

Abb. 1: Schematische Darstellung des Einflusses der Einwirkungs-zeit und der Feuchtigkeit auf die Festigkeit von Holz (Nutzungs-klassen 1/2 und 3) sowie OSB-Platten (Nutzungsklassen 1 und 2)

Nutzungs- Gleichgewichts- Umgebungs- Beispielklasse feuchte des klima

Holzes u [%] 1 5 – 15 % 20 °C und 65 % Allseitig ge-

rel. Luftfeuchte, schlossenedie nur für einige und beheizte Wochen pro Jahr Bauwerkeüberschritten wird

2 10 – 20 % 20 °C und 85 % Überdachte,rel. Luftfeuchte, offene die nur für einige BauwerkeWochen pro Jahrüberschritten wird

3 12 – 24 % Klimabedingun- Konstruktio-gen, die zu höhe- nen, die der ren Holzfeuchten Witterungführen als in ausgesetzt Nutzungsklasse 2 sind

Tabelle 1: Einteilung der Nutzungsklassen nach DIN1052:2008-12

Grob vereinfacht, aber für die praktische An-wendung ausreichend, gilt:Nutzungsklasse 1: beheizte Gebäude, Nutzungsklasse 2: unbeheizte Gebäude (Hallen, Dä-

cher),Nutzungsklasse 3: Bauteile im Freien.

Es ist jedoch bei jeder Anwendung zu prüfen,ob die Bedingungen zutreffen. Dies gilt insbesonderefür überdachte Bauteile, die u. U. der Nutzungsklasse3 zuzuordnen sind.

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27Der Prüfingenieur April 2009

HOLZBAU

Fall 1: Nur die Einwirkung aus der LagerflächeKLED „lang“ berücksichtigt:

Ed,1 = ∑ γG,i · Gk,i + 1,5 · Q1 = 1,35 · (7 + 18) + 1,5· 75 = 146,25 kN

Fall 2: Alle veränderlichen EinwirkungenKLED „kurz“ berücksichtigt:

Ed = ∑ γG,i · Gk,i + 1,5 · Qk,1 + 1,5 · ψ0,2 · Qk,S = 1,35 ·(7 + 18) + 1,5 · 75 + 1,5 · 0,5 · 15 = 157,5 kN

Für die Kombination „kurz“/“lang“ ergibtsich aus Tabelle 2 für Vollholz in der Nut-zungsklasse 2 ein Grenzfaktor von 1,29 ⇒, dieLastkombination mit KLED „lang“ ist maßge-bend.

Bei allen schweren Dächern (z. B. mit Begrü-nung) und geringen Schnee- oder Windlasten wirdmeist der Lastfall ständige Last maßgebend. FürHolzwerkstoffplatten, z. B. Spanplatten beträgt derGrenzwertfaktor (kurz/ständig) 2,83. Das heißt, erstwenn die Gesamtlast mehr als das 2,83-fache derständigen Last beträgt, wird die Lastkombinationmit allen Lasten maßgebend.

Die Klasse der Lasteinwirkungen sind in DIN1052:2008-12 Tabelle 3 definiert.

Zur besseren Anwendung gibt die Tabelle 4der DIN 1052:2008-12 die Einteilung der Einwirkun-gen nach DIN 1055-1 und DIN 1055-3, DIN 1055-5,DIN 1055-9, DIN 1055-10 und DIN 1055-100 inKlassen der Lasteinwirkungsdauer an. So sind z. B.lotrechte Nutzlasten für Spitzböden, Wohn- und Auf-enthaltsräume in die Klasse „mittel“ einzuordnen.

Aus der Klasse der Lasteinwirkungsdauer undder Nutzungsklasse wird mit DIN 1052:2008-12 An-hang F Tabelle F.1 der Modifikationsbeiwert kmod be-stimmt. Bei unterschiedlichen KLED gilt die kürze-ste Einwirkung; zum Beispiel: Bei einer Stütze in ei-nem Wohnhaus, die durch ständige Lasten, Nutzlas-ten, Wind- und Schneelasten beansprucht wird, istKLED „kurz“ einzusetzen (DIN 1052:2008-12, Ta-belle 4, Zeile 6 Wind „kurz“).

Bei der Anwendung der Kombinationsregelnnach DIN 1055-100 oder den vereinfachten Regelnnach DIN 1052:2008-12 Gl (1) und (2) ist zu beach-ten, dass die Bemessungswerte der Festigkeit überden Modifikationsbeiwert kmod von der Klasse derLasteinwirkung abhängen. Daher ist nicht immer dergrößte Zahlenwert einer Einwirkungskombinationauch für die Bemessung maßgebend.

Die Betrachtung ist im Holzbau nicht neu. Dortwar bei Dachtragwerken die Unterscheidung zwi-schen dem Lastfall H (Summe der Hauptlasten) unddem Lastfall HZ (Summe der Haupt- und Zusatzlas-ten) zu treffen. Im Lastfall HZ waren alle zulässigen

Tabelle 2: Grenzwertfaktoren Ed,2/Ed,1 zur Bestimmung der maß-gebenden Lastfallkombination für Vollholz, Brett-, Balken-, Fur-nierschichtholz und Sperrholz für die Nutzungsklassen 1 und 2;für Span, Faser-, OSB- und Gipskartonplatten für die Nutzungs-klasse 1

Kombination lang mittel kurz

ständig 1,17 1,33 1,50

lang – 1,14 1,29

mittel – – 1,13

Kombination lang mittel kurz

ständig 1,50 2,17 2,83

lang - 1,44 1,89

mittel – – 1,31

Kombination lang mittel kurz

ständig 1,25 1,75 2,25

lang – 1,40 1,80

mittel – – 1,29

Kombination lang mittel kurz

ständig 2,00 3,00 4,00

lang – 1,50 2,00

mittel – – 1,33

VollholzBrett-, Balken-Furnierschichtholz

Brettsperr-, Sperrholzkunstharz- undzementgebundeneSpanplattenFaserplatten HB.HLA2

OSB-PlattenOSB/2 OSB/3und OSB/4nach DIN EN 300

Faserplatten MBH.LA2Gipskartonplatten

Spannungen und die zulässigen Kräfte der Verbin-dungsmittel um 25 Prozent höher als im Lastfall H.In der Neufassung der Norm wurde dieses früher all-gemeine Prinzip verfeinert.

Beispiel 1: maßgebende Kombination für dieStütze einer Lagerhalle:

Die Außenstütze einer Lagerhalle wird durchdie Einwirkungen aus ständiger Last, Schnee und La-gergut auf der Decke belastet. Das System und dieLasten sind in Abb. 2 dargestellt.

Abb. 2: System und Belastung einer Außenstütze einerLagerhalle

29,108,125,146

5,157

E

Eentspricht

„lang“ KLED

„kurz“ KLED

d,1

d,2 <==

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28Der Prüfingenieur April 2009

HOLZBAU

DIN 1052:2008-12 gibt zwei Näherungsfor-meln zur Ermittlung der maßgebenden Einwirkungenan:

– wenn nur die ungünstigste veränderlicheEinwirkung berücksichtigt wird:

DIN 1052:2008-12 Gl (1) und

– wenn sämtliche ungünstigen veränderlichenEinwirkungen berücksichtigt werden:

DIN 1052:2008-12 Gl (2)

Der jeweils ungünstigere Wert ist maßgebend.Der „ungünstigere“ Wert ist dabei unter Berücksichti-gung des Modifikationsbeiwertes zu bestimmen. DieAnwendung dieser Formeln auf das Beispiel 1 ergibtnur vernachlässigbar abweichende Ergebnisse.

3 Werkstoffe

In der DIN 1052:2008-12 werden sowohlWerkstoffe behandelt, für die eine Produktnorm vor-liegt, als auch Werkstoffe, deren Kennwerte in bauauf-sichtlichen Zulassungen geregelt sind. Die in Produkt-normen festgelegten Kennwerte sind im Anhang F inden Tabellen F. 5 bis F.21 aufgenommen. Produkte,die nicht in den Tabellen oder in Zulassungen angege-ben sind, dürfen nicht für tragende Zwecke verwendetwerden. Als Beispiele seien hier OSB/1 und Spanplat-ten der Festigkeitsklasse P1 – P3 genannt.

Bei Nadelhölzern gibt es keine Einschränkun-gen der Verwendung von Hölzern der Festigkeitsklas-se C16 (S7, GKL III) und C30 (S13, GKL I) mehr.

Sie können entsprechend ihrer Tragfähigkeit einge-setzt werden. Bei der Anwendung ist zu beachten,dass bei der Sortierung der Hölzer Baumkanten undVerdrehungen zugelassen werden, die nicht für jedenFall geeignet sind.

Grundsätzlich neu geregelt sind die Laubhöl-zer. Die Tabelle F.7 gibt Rechenwerte für die Festig-keitsklasse D30 – D70 an. Die früher übliche Be-zeichnung der mittleren Güte ist entfallen. Die Zu-ordnung der Laubholzarten nach Herkunft und Sor-tierklasse nach DIN 4074-5:2003 in die Festigkeits-klasse ist in Tabelle F.8 getroffen.

Die Brettschichthölzer sind neben den Festig-keitsklassen GL24 – GL36 (entsprechend BS 11–BS18) homogenes (h) und kombiniertes Brett-schichtholz (c) geregelt (Tabelle 4).

Sortierklasse nach DIN 4074-1:2003-06 Festigkeitsklassen

Sortierung DIN 1052:2008-12visuell maschinell

S7, S7K C16M C16S10, S10K C24M C24S13, S13K C30M C30

C35M C35C40M C40

⊕⋅γ= ∑=1j

k,1Jk,Gjd Q5,1GEE

⊕γ= ∑ ∑= ≥1j 1j

jk,jk,jG,d Q·35,1G·EE

Tabelle 3: Zuordnung der Sortierklassen nach DIN 4074-1in Festigkeitsklassen nach DIN 1052:2008-12

Festigkeitsklasse

DIN 1052-1/A1:

1986-10

BS11 GL24h

BS14 GL28h

BS16 GL32h

BS18 GL36h

BS11 GL24c

BS14 GL28c

BS16 GL32c

BS18 GL36c

Tabelle 4: Aufbau und Einteilung von Brettschichtholznach DIN 1052:1988-04 und DIN 1052:2008-12

DIN 1052:2008-12

hom

ogen

kom

bini

ert

Beispiele für den Querschnitts-aufbau

für Biegeträger gelten weiter-gehende Differenzierungen

GL32h

homogen

alle Lamellen C35

GL32k

kombiniert

1/6 der Höhe C35

C30

1/6 der Höhe C35

Holzwerkstoff Anforderung charaktist. Nutzungs-nach Werte klasse

Balkenschichtholz BAZ BAZ 1 und 2

Furnierschichtholz BAZ BAZ 1)

Brettsperrholz BAZ BAZ 1)

Sperrholz DIN EN 636 F.11, F.12 1 – 32)

OSB-Platten DIN EN 300 F.13, F.14 1 – 23)

kunstharzgebundeneSpanplatten DIN EN 312 F.15 - F.18 1 – 24)

zementgebundeneSpanplatten DIN EN 634 F.19 1 – 3

Faserplatten DIN EN 622 F.20 1 – 25)

Gipskartonplatten DIN 181801) siehe Zulassung2) in technischen Klassen festgelegt3) OSB/2 nur in Nutzungsklasse 14) Klassen P4 und P6 in Nutzungsklasse 1

Klassen P5 und P7 in Nutzungsklassen 1 und 25) Klasse MBH.LA2 in Nutzungsklasse 1

Klasse HB.HLA2 in Nutzungsklasse 1 und 2

Tabelle 5: Holzwerkstoffe, Anforderungen, Quelle der cha-rakteristischen Werte und mögliche Nutzungsklassen nachDIN 1052:1988-04 und DIN 1052:2008-12

In Tabelle 3 steht der Buchstabe C für Nadel-holz, die Zahl gibt die charakteristische Biegefestig-keit an.

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29Der Prüfingenieur April 2009

HOLZBAU

Die Norm erlaubt auch die Berechnung vonBrettschichtholzträgern als Verbundträger. Die er-forderlichen Kennwerte der einzelnen Lamellensind in DIN 1052:2008-12 Anhang F Tabelle F.5enthalten.

Die Tabelle 5 enthält eine Zusammenstellungder Holzwerkstoffe mit der Bezeichnung der Anfor-derungen, der Herkunft der charakteristischen Werteund der möglichen Nutzungsklasse. Bei der Anwen-dung der Werkstoffe sind gegebenenfalls die NormenDIN EN 13986:2005-03, Holzwerkstoffe zur Ver-wendung im Bauwesen – Eigenschaften, Bewertungder Konformität und Kennzeichnung sowie die NormDIN V 20001-1, Anwendung von Bauprodukten inBauwerken – Teil 1 Holzwerkstoffe zu beachten.

Die Beanspruchbarkeiten nach den Normenkönnen nur näherungsweise verglichen werden, daden Beanspruchungen – Biegung, Druck, Zug undSchub – unterschiedliche Sicherheitsbeiwerte zu-grunde liegen (Tabelle 6).

Aus einem Teilsicherheitsbeiwert γF = 1,45(ca. 35 % Anteil ständiger Last) und dem Teilsicher-heitsbeiwert γM = 1,3 lässt sich für die KLED „mit-tel“ (LF H) und KLED „kurz“ (bei Windbeanspru-chung Lastfall HZ) – ein globaler Sicherheitsbeiwertbestimmen, der zum Vergleich der Beanspruchbar-keiten geeignet ist.

Setzt man die mit γF multiplizierte zulässigeSpannung gleich dem Designwert einer Festigkeit, sokann aus dem Verhältnis der beiden Werte der globaleSicherheitsbeiwert γglobal bestimmt werden.

mit γF = 1,45 und γM = 1,3 wird

für KLED „mittel“ kmod = 0,8 γGlobal =

für KLED „kurz“ kmod = 0,9 γGlobal =

Die in DIN 1052 A/1:1996-10 aufgeführtenKlassen MS 7 – MS13 werden nach der Neufassungder DIN 4074:2003 direkt in die Festigkeitsklassen Csortiert. Somit ist für diese Sortierung kein Vergleichmöglich.

Nach DIN 1052 A/1:1996-10 dürfen kombi-nierte Brettschichtholzträger als Biegeträger einge-setzt werden. Damit können die Vergleichswerte derTabelle 7 herangezogen werden, da sowohl für diehomogenen als auch die kombinierten Brettschicht-holzträger die Biegefestigkeiten und die Schubfestig-keiten gleich sind.

;kózul

f

mod

MFglobal

x

dx, γ⋅γ=γ=

35,28,0

3,145,1 ≈⋅

1,29,0

3,145,1 =⋅

Beanspruchung Bau- Rechen-stoffe werte

neu alt fk zul σ kmod = kmod =0,8 0,9

Biegung

C16 S7

16 7 0,97 1,09

Zug 10 0 – –

Druck parallel 17 6 1,21 1,35

Schub 2 0,9 0,95 1,06

Biegung

C24 S10

24 10 1,02 1,14

Zug 14 7 0,85 0,95

Druck parallel 21 8,5 1,05 1,18

Schub 2 0,9 0,95 1,06

Biegung

C30 S13

30 13 0,98 1,10

Zug 18 9 0,85 0,95

Druck parallel 23 11 0,75 1,00

Schub 2 0,9 0,95 1,06

Tabelle 6: Vergleich der Beanspruchbarkeiten von Nadelvoll-holz nach DIN 1052:1988-04/A1:1996-10 und DIN1052:2008-12 (nach Milbrandt)

Tabelle 7: Vergleich der Beanspruchbarkeiten von Brett-schichtholz nach DIN 1052:1988-04/A1:1996-10 und DIN1052:2008-12 (nach Milbrandt)

Beanspruchung Bau- Rechen-stoffe werte

neu alt fk zul σ kmod = kmod =0,8 0,9

Biegung

GL24h BS11

24 11 0,93 1,04

Zug 16,5 8,5 0,83 0,92

Druck parallel 24 8,5 0,93 1,34

Schub 2,5 1,2 0,89 0,99

Biegung

GL28h BS14

24 14 0,73 0,82

Zug 19,5 10,5 0,85 0,88

Druck parallel 26,5 11 0,79 1,15

Schub 2,5 1,2 0,89 0,99

Biegung

GL32h BS16

32 16 0,85 0,95

Zug 22,5 11 087 0,97

Druck parallel 29 11,5 1,07 2,52

Schub 2,5 1,3 0,82 0,92

Biegung

GL36h BS18

36 18 0,85 0,95

Zug 26 13 0,85 0,95

Druck parallel 31 13 1,01 1,14

Schub 2,5 1,3 0,82 0,92

alt

neuGlobalk

zul

ózul

zul

/f

σ=

σγ

Die Verhältniswerte der Tabellen 6 und 7 sindfür kmod = 0,8 mit 1 zu vergleichen. Wird der nachalter Norm geltende Lastfall HZ berücksichtigt, sosind in diesem Fall die Werte für kmod = 0,9 mit 1,25zu vergleichen. Die Auswertung ergibt, dass durchdie genauere Berechnung in der Praxis keine Mate-rialeinsparung möglich ist. Im Gegenteil: es werdenkünftig größere Querschnitte erforderlich.

alt

neuGlobalk

zul

ózul

zul

/f

σ=

σγ

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30Der Prüfingenieur April 2009

HOLZBAU

4 Schnittgrößenund Verformungen

In diesem Abschnitt der Norm sind allgemeineRegelungen, Vereinfachungen und Näherungen zurErmittlung der Schnittgrößen und Verformungen an-gegeben. An dieser Stelle können nur die wesentli-chen Änderungen gegenüber der bisherigen Berech-nungsmethode genannt werden.

4.1 Allgemeines

Der Einfluss des nichtlinearen Verhaltens unddes Baugrundes darf vernachlässigt werden, wennsich die Schnittkräfte nicht mehr als 10 Prozent än-dern. In Grenzfällen ist durch Berechnung nachTheorie 2. Ordnung unter Einbeziehung der Bau-grundverformungen zu überprüfen, ob die Bedingungeingehalten ist.

Die aus linear-elastischem Verhalten ermitteltenBiegemomente von Stabwerken dürfen um maximal 10Prozent ihres Größtwertes umgelagert werden. Das Ge-samtgleichgewicht des Systems muss gewährleistetsein. Diese Regelung ersetzt und verallgemeinert dieErhöhung der zulässigen Biegespannung über den In-nenstutzen von Durchlaufträgern. Der Einfluss der Um-lagerung auf die Schnittkräfte des Systems ist zu verfol-gen. Dies gilt insbesondere für die Bemessung der Bie-gung und der Querkraft sowie der Verbindungen.

Weiterhin sind Angaben über Bauteile ausmehreren nebeneinanderliegenden Bauteilen (Flä-chentragwerke) enthalten, die durch kontinuierlicheLastverteilungssysteme miteinander verbunden sind.Die Bemessungswerte der Festigkeit können um10 % erhöht werden. Der Nachweis der Lastvertei-lungssysteme darf bei einer kurzen Lasteinwirkungs-dauer mit dem Teilsicherheitsbeiwert γM = 1 geführtwerden.

4.2 Steifigkeitskennwerte

Für Nachweise im Grenzzustand der Ge-brauchstauglichkeit sind die Mittelwerte Emean, Gmeanund die Verschiebungswerte Kser zu verwenden.

Beim Nachweis im Grenzzustand der Trag-fähigkeit sind die Steifigkeitskennwerte durch denTeilsicherheitsbeiwert γM zu dividieren.

DIN 1052:2008-12 Gl (4)

DIN 1052:2008-12 Gl (4)

M

meanu,

M

mean

M

mean KK;

GG;

EE

γ=

γ=

γ=

sermeanu, K3

2K ⋅=

Diese Regelung ersetzt bei statisch unbe-stimmten Tragwerken eine Grenzwertbetrachtung.Die unteren Quantilwerte sind mit E05, G05 in den Ta-bellen angegeben. Die oberen Quantilwerte sind nichtdefiniert.

Die Steifigkeitskennwerte E05, G05 werden beiden Stabilitätsnachweisen (Knicken, Kippen) be-nötigt. Dort ist der untere Grenzwert der Steifigkeitvon Bedeutung.

4.3 Zeitabhängige Verformungen

Die zeitabhängigen Verformungen (Kriechen)sind in DIN 1052:2008-12 (DIN 1052:2004-8) völligneu geregelt. In der alten Fassung der Norm wurdeder Einfluss weit unterschätzt. Im Gegensatz zu DIN1052:1988/1996 ist der Einfluss des lastabhängigenKriechens nunmehr für den Eigenlastanteil unabhän-gig von seinem Anteil an der Gesamtlast zu berück-sichtigen (Abb. 3).

Abb. 3: Kriechverformungen von Balken aus unterschied-lichen Holzwerkstoffen bei einer Dauerbeanspruchungvon 20 N/mm2 gemessen über 8 Jahre (aus [6]- Lagerungim Freien unter Dach)1: Vollholz Fichte; 2: Brettschichtholz; 3 Furnierschicht-holz; 4: Holzwerkstoffträger Doppel-T-Profil

Die Gesamtverformung ergibt sich aus der ela-stischen Verformung winst und der Kriechverformungkdef · winst. Die Werte kdef sind vom Werkstoff unddem Umgebungsklima (Nutzungsklasse) abhängig.Sie sind der Tabelle F.2 zu entnehmen.

Unter den ständigen Einwirkungen, die in voll-er Höhe kriecherzeugend sind, ergibt sich damit:

wG,fin = wG,inst · (1+kdef) DIN 1052:2008-12 Gl (6)

Bei den veränderlichen Einwirkungen ist nurder quasi-ständige Anteil kriecherzeugend. Dieser istin DIN 1055-100:2001-03 Tabelle A.2 mit dem Fak-tor ψ2 angegeben. Die entsprechenden Formeln wer-den beim Nachweis der Gebrauchstauglichkeit erläu-tert.

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31Der Prüfingenieur April 2009

4.4. Linearelastische Berechnung von Einzel-stäben

Die Berechnung nach dem Ersatzstabverfahren(früher ω-Verfahren) ist bei den Nachweisen imGrenzzustand der Tragfähigkeit angegeben.

Die Norm gibt nun eine Mindeststeifigkeit vonEinzelabstützungen zur Unterteilung der Knicklängean.

DIN 1052:2008-12 Gl (10)

E0,mean · I ist dabei die Biegesteifigkeit des Stabes.

Die Mindeststeifigkeit der Abstützung ist un-abhängig von der Belastung des Stabes. Sie gilt daherauch für sehr gering beanspruchte Bauteile.

Die durch Imperfektionen entstehenden Er-satzlasten

für Vollholz und BalkenschichtholzDIN 1052:2008-12 Gl (11)

für Brett- und FurnierschichtholzDIN 1052:2008-12 Gl (12)

Nd = Normalkraft im Stab

sind mit dem Knickbeiwert kc verknüpft. Nichtknickgefährdete Bauteile (kc = 1) geben keine Seiten-last ab.

Neu aufgenommen ist eine vereinfachte Be-rechnung des Torsionsmomentes an der Gabel desAuflagers eines Biegeträgers.

Mtor,d = Md/80 DIN 1052:2008-12 Gl (14)

Das Torsionsmoment ergibt sich aus einer seit-lichen Auslenkung des Trägers. Die Gabellagerungdes Trägers ist für dieses Moment auszulegen.

Die Berechnung der Seitenlasten qd (früher qs)wurde einheitlicher gestaltet.

Bei der Seitenlast aus dem Biegemoment wirddie Normalkraft aus dem Biegemoment bestimmt.

DIN 1052:2008-12 Gl (15)

km ist der Kippbeiwert des nicht ausgesteiften Trä-gersMd ist der Bemessungswert des größten Biegemo-mentes im Träger

3mean0,

2

meanu,a

IE4K

⋅⋅π⋅=

)k1(50

NF c

dd −⋅=

)k1(80

NF c

dd −⋅=

h

M)k1(N d

md ⋅−=

4.5 Nichtlineare elastische Berechnung(Theorie 2. Ordnung)

Die Berechnung nach Theorie 2. Ordnung istgegenüber der alten Fassung der Norm stark verein-facht. Die Lasterhöhungsbeiwerte γ1 = 2,0 und γ2 =3,0 sind entfallen. Die Berechnung erfolgt nach DIN1055-100 mit den Teilsicherheitsbeiwerten γG und γQsowie den Beiwerten ψ.

Für in der Berechnung anzusetzende Vorver-krümmung und Vorverdrehung gelten gegenüber deralten Fassung etwas andere Werte.

4.6 Biege- und Druckbeanspruchungen vonVerbundträgern und Tafeln

Im Abschnitt Allgemeines sind grundlegendeRegelungen für die Verbundträger – auch Holz-Be-ton-Verbund – angegeben.

Die mitwirkende Breite ist in DIN 1052:2008-12, Tabelle 5, unter Berücksichtigung der Schubver-formung und des Ausbeulens angegeben.

Unter Ziffer 8.6.1 (14) sind Angaben überAussparungen in mittragenden Beplankungen ge-macht, die ohne weitere Nachweise angeordnet wer-den dürfen.

4.7 Verbundbauteile aus nachgiebig miteinan-der verbundenen Bauteilen

Das γ-Verfahren für nachgiebig verbundeneBauteile wurde beibehalten. Damit ergeben sich indiesem Teil nur unwesentliche Änderungen.

Die Verschiebungsmoduln der einzelnen Ver-bindungsmittel sind in der Tabelle G.1 allgemein ge-regelt. Sie sind von der Rohdichte und dem Durch-messer der Verbindungsmittel abhängig.

Für den Nachweis im Grenzzustand der Trag-fähigkeit sind die Werte

siehe DIN 1052:2008-12 Gl (4)

zu verwenden. Für den Nachweis im Grenzzustandder Gebrauchstauglichkeit sind die Werte Kser einzu-setzen.

4.8 Vereinfachte Berechnung von scheibenartigbeanspruchten Tafeln

Die Nachweise für Scheiben sind gegenüberder DIN 1052:1988-04 völlig neu geregelt. Die Norm

serM

ser

M

meanu, K5,0K

3

2KK ⋅=

γ⋅=

γ=

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HOLZBAU

32Der Prüfingenieur April 2009

gibt eine vereinfachte Berechnung für Decken- undWandtafeln (-scheiben) an.

Die Tafeln bestehen aus Rippen und einer Be-plankung. Es dürfen alle in der Norm angegebenenHolzwerkstoffe verwendet werden, sofern die für dieNachweise erforderlichen Kennwerte (fh,k – charakte-ristischer Wert der Lochleibungsfestigkeit des Ver-bindungsmittels, fv,k – charakteristische Schubfestig-keit und fc,0,d – charakteristische Druckfestigkeit)vorliegen. Dies gilt damit auch für Gipskartonplatten.Vor einer allgemeinen Anwendung dieser Scheibenwird jedoch gewarnt, da die Gipskartonplatten beiden Bauherren, den Architekten und dem Ausbauge-werbe (Sanitär, Elektrik) nicht als tragende Bauteilebekannt sind.

Anstelle der Beplankung kann auch eine dia-gonal verlegte Schalung verwendet werden. Die An-ordnung der Schalung ist in der Norm angegeben.

Die Deckentafeln dürfen dabei als frei auflie-gende Träger oder Kragträger berechnet werden. DieRippen dürfen in Lastrichtung oder senkrecht dazuverlaufen. In der Norm sind die Verbindungen derPlatten untereinander und mit den Rippen geregelt.Unter bestimmten Bedingungen dürfen bei Deckenta-feln auch nicht unterstützte Stöße (schwebendeStöße) der Beplankungen vorhanden sein.

Die Beplankung darf auch bei Wandscheibeneinmal in der Höhe gestoßen werden. Die Stöße müs-sen in diesem Fall unterstützt werden.

Der Einfluss der Stöße, der Lasteinleitung usw.wird in dem vereinfachten Nachweis durch Abminde-rungsfaktoren erfasst.

Werden bei den Wandelementen die lotrechtenLasten über die Rippen und die Beplankungen abge-leitet – vertikale Scheibenbeanspruchung –, so darfder Einfluss der Imperfektionen in Form einerSchrägstellung durch eine horizontale Ersatzlast Fdberücksichtigt werden.

DIN 1052:2008-12 Gl (39)

qd = Linienlast am Kopf der Wandtafel, = Länge der Wandtafel

Die Schrägstellung ist mit 1/70 der Tafelhöheangesetzt. Bei einer 2,80 m hohen Wandtafel ent-spricht diese Schrägstellung einer horizontalen Aus-lenkung von 4 cm (Abb. 4).

Die Ersatzlast ist, dem Normtext zufolge, nurdann anzuwenden, wenn die vertikalen Lasten so-wohl über die Rippen als auch über die Beplankun-

Abb. 4: Schrägstellung der Wände und die hieraus entste-henden Umlenkkräfte Fd (qd = Σ Fc,d /,)

70

qF d

d

l⋅=

gen abgetragen werden. Für die in der Praxis üblicheBetrachtung – lotrechte Lasten nur über die Rippen,horizontale Lasten über die Beplanunkungen und dieRippen – ist keine Angabe gemacht. Andererseitssind die Schrägstellungen von dem Berechnungsmo-dell unabhängig, sodass die Ersatzlast bei gleichemAnsatz der Imperfektionen nach Meinung des Verfas-sers auch für diese Bauweise gilt.

4.9 Stabtragwerke

Bei der Ermittlung der Schnittkräfte und derBeanspruchungen in den Verbindungen von Stabwer-ken sind die Verformungen der Stäbe und Verbindun-gen (Nachgiebigkeit), der Einfluss der Auflageraus-mitten sowie die Steifigkeit der Unterkonstruktion zuberücksichtigen (DIN 1052:2008-12 8.8.1 (1)).

Diese Regelung gilt für alle Stabwerke, mitAusnahme von Fachwerken, die den nachfolgendenBedingungen genügen (DIN 1052:2008-12 Ziffer8.8.2):■ ein Teil der Auflagerfläche liegt unterhalb des

Auflagerknotenpunktes;■ die Höhe des Fachwerkträgers in Feldmitte ist

größer als 15 % seiner Spannweite und größer alsdas 7-fache der größten Gurthöhe;

■ der kleinste Winkel einer Verbindung zwischenOber- und Untergurt beträgt mindestens 15°.

In diesem Abschnitt sind die Verbindungen derStäbe direkt und indirekt (über Verbindungselemen-te) definiert. Weiterhin sind Regelungen über die Ab-bildung von Exzentrizitäten der Stabachsen sowie derAnschlüsse für das Rechenprogramm angegeben.

Im Bereich der Auflager und von Anschlüssendarf der Momentenverlauf durchlaufender Gurte ent-

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HOLZBAU

33Der Prüfingenieur April 2009

sprechend der Annahme einer konstanten Querlastparabelförmig abgerundet werden (DIN 1052:2008-12 8.8.3 (1)). Mit dieser Regelung wird die gegen-über der alten Norm entfallene Erhöhung der zulässi-gen Biegespannung etwas ausgeglichen.

Weitere Regelungen in diesem Abschnitt be-treffen die Nachweise der Schubspannungen undQuerzugbeanspruchungen in den Stäben.

4.10 Flächentragwerke

Die Flächentragwerke können in ihrer Ebeneals Scheiben oder rechtwinklig dazu als Platten belas-tet werden. Die Berechnung erfolgt nach der Ver-bundtheorie und der Schubanalogie. Die Formelnsind im Anhang D angegeben.

Bei der Berechnung der Flächentragwerke(z. B. aus Brettern und Bohlen in Form von Brett-stapeln oder Brettsperrholzelementen) ist die Über-tragung der Schubkraft zu beachten (Rollschub). Diecharakteristischen Rollschubfestigkeiten fR,k sind inden Tabellen F.5 Nadelholz und F.9 Brettschichtholzangegeben.

Für Flächen aus lotrecht stehenden Nadelholz-lamellen enthält die Tabelle F.23 mittlere Steifigkeits-werte (Ey,Ex; Gxz/Ex, Gxy/Ex und Gyz/ Gxz) für gena-gelte, vorgespannte und geklebte Lamellen.

5 Nachweise im Grenzzustandder Gebrauchstauglichkeit

5.1 Allgemeines

Die Gebrauchstauglichkeit eines Gebäudesoder eines Bauteils wird nach DIN 1052:2008-12über die Begrenzungen der Verformungen und/oderder Schwingungen geregelt. Die Grenzwerte sind alsEmpfehlungen angegeben. Sie können je nach Nut-zung des Gebäudes unterschritten, aber auch über-schritten werden. Sie sind aber zivilrechtlich gefor-dert und sollten, falls keine Vereinbarungen getroffenwurden, eingehalten werden.

Der Einfluss einer ungewollten Laststeigerungbzw. einer Überlastung spielt keine Rolle, daher wirdmit den Sicherheitsfaktoren γG = γQ = 1 gerechnet.Dafür wird das Kriechen des Holzes für die quasi-ständige Belastung berücksichtigt.

Bei der Berechnung der Verformungen werdendie Mittelwerte Emean und die Verschiebungsmodulnder Verbindungsmittel Kser verwendet.

Dies bedeutet, dass die Berechnungen getrenntjeweils für den Nachweis im Grenzzustand der Ge-brauchstauglichkeit und der Tragfähigkeit durchge-führt werden müssen.

Abb. 5: Bezeichnungen der Durchbiegungen nach DIN1052:2008-12

5.2 Durchbiegungen

Die Durchbiegungen sind für die einzelnenEinwirkungen (ständige Last; Schnee-, Wind-, Nutz-last) getrennt zu ermitteln (Abb. 5) und nach denKombinationsregeln der DIN 1055-100 zu überlagern.

Nach den 1052:2008-12 sind zwei Nachweisedes Grenzzustandes der Gebrauchstauglichkeit zuführen.

1. Nachweis in der charakteristischen (selte-nen) Bemessungssituation:

Die Begrenzung in dieser Bemessungssituationsoll Schäden an Trennwänden, Installationen, Beklei-dungen oder dgl. vermeiden.

Begrenzung der Verformung (Durchbiegung)unter variablen Einwirkungen wQ,inst ≤ ,/300 (Krag-träger ,k/150)

wQ,inst = wQ,1 + ∑ψ0,i · wQ,i

Begrenzung der Verformungen unter variablenEinwirkungen und den Kriechverformungen wfin –wG,inst ≤ ,/200 (Kragträger ,k/100)

wfin = (1+kdef) · wG,inst + (1+ψ2,1 · kdef) · w Q,1+ ∑ (ψ0,i + ψ2,i · kdef) · wQ,i

2. Nachweis in der quasi-ständigen Bemes-sungssituation:

Die Begrenzung in der quasi-ständigen Situati-on soll die allgemeine Benutzbarkeit und das Er-scheinungsbild gewährleisten.

wfin – w0 = (1 + kdef) · wG,inst + ∑ ψ2,i · (1 + kdef)· wQ,i – w0

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HOLZBAU

34Der Prüfingenieur April 2009

Die Überhöhung w0 eines Bauteils geht damitnur beim Nachweis in der quasi-ständigen Bemes-sungssituation ein.

5.3 Schwingungsnachweis

Die Angaben in DIN 1052:2008-12 9.3 geltennur für Wohnungstrenndecken. Für Decken unter bei-spielsweise Turn-, Sport- oder Tanzräumen sind be-sondere Untersuchungen durchzuführen.

Holzbalkendecken können schon durch einenormale Nutzung zu Schwingungen angeregt werden,die als unangenehm empfunden werden. Zur Vermei-dung dieser Schwingungen soll die Durchbiegung un-ter der quasi-ständigen Einwirkung nicht mehr alsw = 6 mm betragen. Diese Forderung entspricht einerEigenfrequenz von 7,3 Hertz. Die Eigenfrequenz istdamit niedriger als im Eurocode gefordert. Dies wirdmit den in Deutschland üblichen Deckenauflagen be-gründet.

Die Durchbiegungen sind am ideellen Einfeld-träger zu ermitteln. Bei durchlaufenden Systemen istdie Untersuchung am Teilstück mit der größten Feld-länge durchzuführen. Die elastischen Einspannungenin die Nachbarfelder dürfen berücksichtigt werden.Dies kann entweder durch eine federnde Einspan-nung der Ränder oder nach Abb. 6 durch die Lastan-ordnung erfolgen.

Abb. 6: Lastansatz zur Ermittlung der Durchbiegung beimMehrfeldträger

Die Trennwände sind in Abb. 6 näherungswei-se als ständige Lasten angesetzt. Bei genauer Berech-nung sind das Gewicht und die Stellung der Trenn-wände zu beachten.

Die Erläuterungen zu DIN 1052:2004-08 [1]enthalten weitergehende Berechnungsverfahren undHinweise.

6 Nachweise im Grenzzustandder Tragfähigkeit

6.1 Allgemeines

Beim Nachweisen im Grenzzustand der Trag-fähigkeit wird der Bemessungswert der Einwirkungdem Bemessungswert der Festigkeit (Tragfähigkeit)gegenübergestellt.

Die Norm enthält vereinfachte Nachweise fürdruck- und biegebeanspruchte Bauteile (Ersatzstab-verfahren).

Im Folgenden sind nur die gegenüber der Fas-sung 1988/1996 geänderten Nachweise aufgeführt.

6.2 Zug unter einem Winkel α

Zugbeanspruchungen schräg zur Faserrichtungsind nur für Sperrholz, Brettsperrholz. OSB-Plattenund Furnierschichtholz mit Querlagen geregelt. DerBemessungswert der Festigkeit in Faserrichtung wirddurch den Faktor kα abgemindert.

DIN 1052:2008-12 Gl (45)

Schräg zur Faserrichtung auf Zug beanspruch-te Bauteile aus Nadelvollholz und für Brettschicht-holz sind damit nicht geregelt.

6.3 Druck rechtwinklig zur Faserrichtung

Die folgende Bedingung muss erfüllt sein:

DIN 1052:2008-12 Gl (47) und (48)

Beim Druck senkrecht zur Faserrichtung darfdas Maß der tatsächlichen Aufstandsfläche ,ef in Fa-

α+αα+α⋅=α

2

dv,

dt,0,2

dt,90,

dt,0, coscos·sin·f

fsin

f

f1

k

ef

dc,90,dc,90,

dc,90,c,90

dc,90,

A

Fmit1

f·k=σ≤

σ

Abb. 7: Maßgebende Breite ,ef bei Querdruckbeanspru-chung

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HOLZBAU

35Der Prüfingenieur April 2009

serrichtung des Holzes an jedem Rand um 30 mm, je-doch nicht mehr als , verlängert werden (Abb. 7).

Aef = ,ef · d = wirksame Querdruckfläche,

Der Faktor kc,90 ist vom Material und von derArt der Druckbeanspruchung abhängig. DIN 1052:2008-12 unterscheidet zwischen dem Schwellen-druck (Abb. 8) und dem Auflagerdruck (Abb. 9) .

6.4 Druck unter einem Winkel α

Beim Druck unter einem Winkel α muss fol-gende Bedingung erfüllt sein:

DIN 1052:2008-12 Gl (49) und (50)

kc,α = 1 + (kc,90 – 1) · sin αDIN 1052:2008-12 Gl (51)

DIN 1052:2008-12 Gl (52)

Dabei darf für Nadelvollholz, Brettschichtholzund Balkenschichtholz der Bemessungswert der

Abb. 8: Schwellendruck (DIN 1052:2008-12, Bild 19)

Abb. 9: Auflagerdruck (DIN 1052:2008-12 Bild 19)

ef

d,,cd,,c

d,,c,c

d,,c

A

Fmit1

f·kα

ααα

α =σ≤σ

α+

αα+

α

4

2

dv,

dc,0,

2

2

cc,90,

dc,0,

c,0dd,,c

coscos·sin·f·1,5

fsin·

f

f

ff

Schubfestigkeit fv,d in Gl (52) um 40 Prozent erhöhtwerden (DIN 1052:2008-12 10.2.4).

Das Bild 20 der Norm gibt die Berechnung dereffektiven Auflagerlängen ,ef für Druck unter einemWinkel α an.

6.5 Biegung

Beim Nachweis der Biegung um zwei Achsen(Doppelbiegung) darf ein Momentenanteil reduziertwerden.

Es gilt

DIN 1052:2008-12 Gl (53)

DIN 1052:2008-12 Gl (53) und (54)

kred = 0,7 für Rechteckquerschnitte mit h/b ≤ 4 ausVollholz, Brett- und Balkenschichtholz

Die Bemessungswerte der Biegefestigkeit fm,y,dund fm,z,d können unterschiedliche Werte aufweisen.Z. B. bei homogenem Brettschichtholz mit mehr als 4Lamellen und Höhe h kleiner 600 mm (siehe Fußno-ten DIN 1052:2008-12 Tabelle F.9)

6.6 Biegung und Druck

Bei Biegung und Druck ohne Stabilitätsgefahrdarf der Druckanteil verringert werden.

DIN 1052:2008-12 Gl (57)

DIN 1052:2008-12 Gl (58)

6.7 Schub aus Querkraft

Die maßgebende Querkraft darf – bei Belas-tung von oben und Stützung von unten – im Abstandh (Trägerhöhe über der Auflagermitte) vom Aufla-gerrand angenommen werden (früher h/2).

Bei Einzellasten darf der Nachweis bei diesenTrägern mit einer reduzierten Querkraft Vred =V·e/(2,5·h) für e ≤ 2,5· h geführt werden (früher 2·h)

Neu aufgenommen ist der Nachweis derSchubbeanspruchung bei Doppelbiegung.

0,1f

·kf dz,m,

dz,m,red

dy,m,

dy,m, ≤σ

0,1ff

·kunddz,m,

dz,m,

dy,m,

dy,m,red ≤

σ+

σ

1f

·kff dz,m,

dz,m,red

dy,m,

dy,m,

2

dc,0,

dc,0, ≤σ

+

σ

1ff

·kf

unddz,m,

dz,m,

dy,m,

dy,m,red

2

dc,0,

dc,0, ≤σ

+

σ

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HOLZBAU

36Der Prüfingenieur April 2009

1f

2

dv,

dz,

2

dv,

dy, ≤

τ+

τf

DIN 1052:2008-12 Gl (60)

6.8 Schub aus Querkraft und Torsion

Bei der Kombination muss folgende Bedin-gung erfüllt sein:

DIN 1052:2008-12 Gl (62)

Die Festigkeiten für Schub und Torsion sindgleich.

6.9 Druckstäbe mit planmäßig mittigem Druck(Ersatzstabverfahren)

Der ω-Wert der Fassung 1988/996 wird durchden Knickbeiwert kc ersetzt.

Der Knickbeiwert wird über den bezogenenSchlankheitsgrad λrel,c ermittelt. In die Formel gehtdie Schlankheit (Knicklänge ,ef, Querschnittshöheoder Breite), der charakteristische Wert der Druckfes-tigkeit in Faserrichtung und der 5 % Quantilwert desElastizitätsmoduls ein.

6.10 Biegestäbe ohne Druckkraft

Biegestäbe müssen am Auflager gegen Ver-drehen gesichert sein (siehe DIN 1052:2008-12 Gl(14))

Die folgende Bedingung muss erfüllt sein:

DIN 1052:2008-12 Gl (67)

Der Beiwert km entspricht dem früheren Bei-wert kb. Der Faktor 1,1 in DIN 1052:1988-04Gl (47) ist entfallen.

Der Beiwert km wird über den bezogenenKippschlankheitsgrad λrel,m berechnet. In diesemWert gehen neben den geometrischen Größen diecharakteristische Biegefestigkeit und die 5 % Quan-tilwerte des Elastizitäts- und Schubmoduls ein.

Bei Biegestäben aus Brettschichtholz darf dasProdukt der 5 % Quantilen E0,05 · G05 mit dem Faktor1,4 multipliziert werden (DIN 1052:2008-12 10.3.2(4)).

1ff

2

dv,

dz,

2

dv,

dy,

dv,

dtor, ≤

τ+

τ+

τf

1f·k dy,m,m

dy,m, ≤σ

Die bezogene Kippschlankheit ist in der DIN1052:2008-12 für alle Querschnitte definiert. FürRechteckquerschnitte ist die allgemeine Formel aus-gewertet.

Neu aufgenommen in der Norm ist die folgen-de Vereinfachung.

Für Biegestäbe mit Rechteckquerschnitten und

darf km = 1 gesetzt werden.

Dabei ist: ,ef = Stützweite bei gabelgelagerten Einfeldträgern,

ansonsten nach DIN 1052:2004, Anhang E,b = Trägerbreite,h = Trägerhöhe.

In der Praxis bedeutet dies, dass der Kippnach-weis in den meisten Fällen entfallen kann. Er wirdnur bei höheren Brettschichtträgern maßgebend.

6.11 Stäbe mit Biegung und Druck(Ersatzstabverfahren)

Die folgenden Bedingungen müssen erfüllt sein:

DIN 1052:2008-12 Gl (71)

DIN 1052:2008-12 Gl (72)

kred = 0,7 für Rechteckquerschnitte h/b ≤ 4 und 1,00für alle anderen Querschnitte

Mit dieser Bedingung wird der Nachweise ge-genüber der DIN 1052:1988-04 wesentlich geändert.

Während früher beim Stabilitätsnachweis dergrößere ω-Wert einzusetzen war, wird nun eine diffe-renzierte Betrachtung angestellt.

6.12 Nachweise bei Pultdach, Satteldach- und ge-krümmte Träger

Diese Bauarten werden in der Regel in Brett-schichtholz ausgeführt.

Wesentlich geändert wurden die Nachweise anden schräg zur Faserrichtung verlaufenden Rändernund der Zugspannungen senkrecht zur Faser am First.Der Nachweis der Beanspruchung an den schrägenRändern wird mit Beiwerten geführt, die den Einflussder gleichzeitig auftretenden Längs-, Schub- undQuerspannungen berücksichtigen.

140b

h·2

ef ≤l

1f

·kf·kf·k dz,m,

dz,m,red

dy,m,m

dy,m,

dc,0,yc,

dc,0, ≤σ

1ff·k

·kf·k

unddz,m,

dz,m,

dy,m,m

dy,m,red

dc,0,zc,

dc,0, ≤σ

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HOLZBAU

37Der Prüfingenieur April 2009

α+

αα+

α

4

2

dv,

m.d

2

2

dc,90,

dm,

c,

coscos·sin·f

fsin·

f

f

1k

DIN 1052:2008-12 Gl (82)

In der Fassung 2008-12 sind gegenüber derFassung 2004-08 für die Schubfestigkeit fv,k Er-höhungsfaktoren für einzelne Holz- und Holzwerk-stoffe angegeben.

Beim Nachweis der Beanspruchung am Firstgeht neben der Zugfestigkeit unter einem Winkel von90° der Einfluss der Spannungsverteilung in Träger-längsrichtung (kdis) das Höhenverhältnis ein.

DIN 1052:2008-12 Gl (85)

Die Regelungen zur Bestimmung der Zugspan-nungen senkrecht zur Faserrichtung σt,90,d wurdenbeibehalten.

Neu aufgenommen wurde die Forderung, dassdie Querschnitte konstruktiv verstärkt werden müs-sen, wenn der Bemessungswert der Zugfestigkeitft,90,d mehr als 60 % überschritten wird.

6.13 Nachweise für zusammengesetzte Bauteile(Verbundbauweisen)

Die Nachweise der Beanspruchungen wurdenangepasst und präzisiert. Für die Stegträger sindGrenzwerte der Tragfähigkeit auf Querkraft in Ab-hängigkeit von der Trägergeometrie angegeben. BeiEinhaltung der Werte kann ein Beulnachweis entfal-len.

6.14 Aus Holz- und Holzwerkstoffen zusammen-gesetzte Druckstäbe mit nachgiebigemVerbund und doppelsymmetrischem Quer-schnitt

Die Nachweise für die Rahmenstäbe wurdender neuen Schreibweise angepasst, sonst aber im We-sentlichen belassen.

6.15 Nachweise der Scheibenbeanspruchungenvon Tafeln

Dieser Abschnitt der DIN 1052:2008-12 wurdevöllig neu gefasst. Er enthält die Nachweise der Be-plankung von Tafeln. Es gilt z. B.:

1f

f·h

h·k

2

dv,

d

dt,90,

3,0

ap

0dis

dt,90, ≤

τ+

σ

DIN 1052:2008-12 Gl (123)

fv,0,d = Bemessungswert der längenbezogenen Schub-festigkeit der Beplankung unter Berücksichti-gung der Tragfähigkeit der Verbindung undder Platten und des Beulens,

kv1 = Faktor zur Berücksichtigung der Verbindungder Plattenränder mit den Rippen

kv2 = Beiwert zur Berücksichtigung der Zusatzbe-anspruchung, (Einfluss der Einzellasten undder Exzentrizität der Plattenfläche und derMittellinien der Rippen)

Rd = Bemessungswert der Tragfähigkeit der Ver-bindungsmittel

av = Abstand der Verbindungsmittel,

fv,d = Bemessungswert der Schubfestigkeit derPlatten,

t = Dicke der Beplankung.

Beispiel 2: Nachweis einer Deckenscheibe (Abb. 10)

Nachweis einer Deckenscheibe über einemBürogebäude

=

r2

vdv2v1

dv,v2v1

vdv1

dv,0,

/at35·f·k·k

t·f·kk

/aR·k

minf

Abb. 10: System und Belastung der Deckenscheibe

Vorgaben: Nutzungsklasse 2; KLED „kurz“; Nadel-holz der Festigkeitsklasse C24;Beplankung: OSB/3 nach DIN EN 13986;Bemessungswert der Tragfähigkeit der Nägel Rd =436 N; Nagelabstand: av = 75 mm. Die Tafelhöhe beträgt hTafel = 6,25 m.

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HOLZBAU

38Der Prüfingenieur April 2009

Die Bedingungen für die Ausführung von nicht unter-stützen Stößen senkrecht zu den Deckenbalken undfür den Ansatz der vollen Tafelhöhe sind eingehalten.

Schubfluss zwischen den Rippen (Balken) undder Beplankung:

kN/m15,325,6

69,19

25,6·2

50,12·)1,2·5,1(

h

maxVs

Tafel

dv,0 ====

=

Beulen/at·35·f·k·k

pruchungSchubbeans·tf·k·k

smittelVerbindung/aR·k

min

r2

dv,v2v1

dv,v2v1

vdv1

,0, dvf

=

==

=

N/mm61,21625/22·35·3,66·0,33·0,66

N/mm17,5422·3,66·0,33·0,66

N/mm84,375/436·66,0

2

erfülltNachweis182,084,3

15,3

,0,

,0, <==dv

dv

f

s

8 Literatur

kv1 = 0,66 für freie Plattenränder (schwebende Stöße)kv2 = 0,33 für einseitige Beplankung

7 Schlussbemerkung

In dieser Ausarbeitung konnte nur ein Teil derNorm vorgestellt und die Änderungen der Norm ge-genüber der Fassung 1988-04 bzw. A/1:1996-10 dar-gelegt und kommentiert werden. Die Ausarbeitungenthält nur einen allgemeinen Überblick. Bei der An-wendung ist die Originalnorm, Kommentare, Praxis-handbücher und dgl. hinzuzuziehen.

[1] Felkel, A.; Hemmer, K.; Lißner, K.; Radovic, B.; Rug, W.;Steinmetz, D.: DIN 1052 Praxishandbuch Holzbau (BDZ.,Hrsg), Beuth- und WEKA-Verlag, Berlin/Augsburg 2005

[2] Blaß, H.; Ehlbeck, J.; Kreuzinger, H.; Steck, G.: Erläuterun-gen zu DIN 1052:2004-08, DGfH, 2. Auflage München 2005

[3] Lißner, K.; Rug, W.; Steinmetz, D.: DIN 1052:2008-12 NeueGrundlagen für Entwurf, Berechnung und Bemessung vonHolzbauwerken, Teil 1: Material- und Werkstoffverhalten;In: Bautechnik 84 (2007) H. 8, S. 544- 558

[4] Lißner, K.; Rug, W.; Steinmetz, D.: DIN 1052:2008-12 NeueGrundlagen für Entwurf, Berechnung und Bemessung vonHolzbauwerken, Teil 2: Anwendungsbereich und holz-bauspezifische Grundlagen des neuen Sicherheitskonzeptes:In: Bautechnik 85 (2008) H. 1 Seite 1 - 17

[5] Lißner, K.; Rug, W.; Steinmetz, D.: DIN 1052:2004- NeueGrundlagen für Entwurf, Berechnung und Bemessung vonHolzbauwerken, Teil 3: Bemessung von einteiligen Holzbau-teilen: In: Bautechnik 85 (2008) H. 4 Seite 258 - 276

[6] Martensson, A.: Short and longterm Deformations of Timberstructures In: Thelandersson, S.; Larsen H.-J.: Timber En-gineering, WILEY, West Sussex; 2003

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MASSIVBAU

39Der Prüfingenieur April 2009

1 Einführung

Grundsätzliches Ziel einer Tragwerksplanungist es, gebrauchstaugliche und standsichere Konstruk-tionen zu planen. Dies gilt sowohl für das gesamteTragwerk als auch für einzelne Bauteile (Abb. 1). Zurüblichen Vorgehensweise gehört es, die Schnitt-größen der einzelnen Bauteile eines Tragwerks ge-trennt zu ermitteln, die Querschnittbemessung mitdiesen Schnittgrößen durchzuführen und die kon-struktive Durchbildung auf Einflüsse des Gesamt-tragwerks abzustimmen.

Das Zerlegen in Bauteile führt zu einfachenstatischen Systemen wie Durchlaufträgern oder Ein-zeldruckgliedern (Abb. 2). Hierbei werden Schnitt-größen wie etwa Einspannmomente am Ende einesDurchlaufträgers bei der Schnittgrößenermittlungdurch Wahl eines Einspanngrades abgeschätzt, oderes werden die nicht erfassten Tragwirkungen bei derkonstruktiven Durchbildung und Einbindung ins Ge-samttragwerk konstruktiv abgedeckt. Mit zunehmen-der Leistungsfähigkeit der am Markt verfügbaren Fi-nite-Elemente-Programme werden die statischen Sy-steme immer aufwendiger modelliert. Das einfacheBeispiel aus Abb. 2 wird so zum Rahmentragwerkmit biegesteifen Knoten zwischen Stützen und Riegelauf einer elastischen Bettung (Abb. 3). Durch die Ab-bildung des Bodens hat jetzt die Boden-Bauwerk-In-

Der Einfluss von Zwang,Rissbildung und Kriechenauf SchnittgrößenWie sich elastisch berechneteSchnittgrößen ändern und dieAuswirkungen auf die Bemessung

Tragwerke aus Konstruktionsbeton sind einerVielzahl von Einwirkungen und Beanspruchun-gen ausgesetzt. In der Tragwerksplanung sind die-se Einflüsse zu berücksichtigen, ihre Erfassungstellt allerdings auch unter Einsatz von Compu-terprogrammen einen enormen Aufwand dar.Praxisübliche Software mit linearelastischen Ma-terialansätzen bildet diese Effekte grundsätzlichnicht zutreffend ab. Dieser Beitrag soll zeigen, wiesich Kriechen, Schwinden, Rissbildung, Zwangund Umlagerungen auf die bemessungsrelevantenSchnittgrößen auswirken und wie diese Einflüsseim Rahmen der Tragwerksplanung behandeltwerden können.

machte 1979 sein Diplom ander Rheinisch-WestfälischenTechnischen Hochschule in Aa-chen (RWTH), 1985 folgte diePromotion in Braunschweig;von 1985 bis 1993 war er beider Philipp Holzmann AG tätig,seit 1993 ist er Inhaber desLehrstuhls für Massivbau derRWTH Aachen

Prof. Dr.-Ing. Josef Hegger

machte 2000 sein Diplom ander Rheinisch-WestfälischenTechnischen Hochschule in Aa-chen; von 2000 bis Ende 2005war er Mitarbeiter im Ingeni-eurbüro Hegger und Partner inAachen und seit Anfang 2006ist er wissenschaftlicher Mitar-beiter am Institut für Massiv-bau der RWTH Aachen

Dipl.-Ing. Guido Bertram

Abb. 1: Vereinfachtes Ablaufschema der Tragwerksplanung

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40Der Prüfingenieur April 2009

MASSIVBAU

teraktion einen erheblichen Einfluss auf die Vertei-lung der Schnittgrößen im gesamten Tragwerk.Durch die sich einstellende Bettungsmulde werdendie rechnerischen Stützmomente verringert und dieFeldmomente vergrößert. Bei entsprechend weicherLagerung können die rechnerischen Stützmomentesogar ganz verschwinden.

Die Schnittgrößenermittlung nach klassischerZerlegemethodik steht der moderneren FE-Methodikgegenüber. Planer stellen sich immer wieder die Fra-ge: Welche dieser Vorgehensweisen ist zutreffender?Für welche Schnittgrößen ist zu bemessen und wel-cher Aufwand ist bei der Schnittgrößenermittlung ge-rechtfertigt bzw. erforderlich? Um diese Fragen zubeantworten, müssen im Wesentlichen drei Themen-bereiche betrachtet werden:■ Schnittgrößen infolge Zwang- und Eigenspannun-

gen,■ Umlagerung der Schnittgrößen infolge Rissbil-

dung und■ Änderung der Zwangschnittgrößen infolge zeitab-

hängigen Materialverhaltens.

2 Zwang- und Eigen-spannungen

2.1 Unterscheidung zwischen Zwang- undEigenspannungen

2.1.1 Zwangspannungen

Zwangspannungen treten nur in statisch unbe-stimmten Systemen auf. In Abb. 4 ist der Zusammen-hang zwischen dem statischen System und der Bil-dung von Zwangschnittgrößen am Beispiel eines ein-gespannten Stabes unter Temperaturänderungen er-läutert. Statisch bestimmte Systeme ermöglichen einezwängungsfreie Verformung (Abb. 4, oben). Bei kon-stanter Temperaturänderung über den Querschnittstellt sich eine Längenänderung ∆L und bei einer ver-änderlichen Temperaturverteilung eine entsprechendeKrümmung κ ein. Momente oder Normalkräfte infol-ge Zwang werden nicht aufgebaut. Wird der gleicheStab hingegen statisch unbestimmt gelagert (Abb. 4,unten), werden die Verformungen behindert undZwangschnittgrößen bzw. Zwangspannungen tretenauf.

Zwangschnittgrößen sind bei der Bauteilbe-messung zu berücksichtigen. Sie beeinflussen dieRissbreitenbeschränkung und die erforderliche Men-ge der Mindestbewehrung. Allerdings darf der Abbauder Zwangschnittgrößen durch eine Rissbildungberücksichtigt werden. Nach Abschnitt 5.3.3 (3) inDIN 1045-1 [1] kann hierzu entweder der Teilsicher-heitsbeiwert für den Zwang auf 1,0 reduziert oder derZwang für eine reduzierte Steifigkeit bestimmt wer-den. Weitere Abminderungen sind nur bei genauerennichtlinearen Berechnungen möglich.

Abb. 2: Beispielhafte Zerlegung in Bauteile

Abb. 3: Einfluss der Bettung auf Systemschnittgrößen

Abb. 4: Bauteilverhalten bei Zwang infolge Temperaturbei statisch bestimmter (oben) und statisch unbestimmterLagerung (unten)

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MASSIVBAU

2.1.2 Eigenspannungen

Eigenspannungen entstehen, wenn im Bauteileine nichtlineare Beanspruchung infolge Temperaturoder Schwindens vorliegt. Schwinden beispielsweisedie äußeren Fasern eines Querschnitts schneller alsdie inneren, so wird die Verkürzung der äußeren Fa-sern durch die inneren Querschnittsbereiche behin-dert. Hierdurch werden außen Zug- und innen Druck-spannungen erzeugt. Abb. 5 zeigt einen eingespann-ten Stab mit nichtlinearer Temperaturbeanspruchunginfolge abfließender Hydratationswärme. Stellt sichin der frühen Erhärtungsphase ein Temperaturunter-schied von 25°C zwischen Kern und Oberfläche ein,entstehen entsprechend große Eigenspannungen undverursachen Risse mit größerer Rissbreite, allerdingsmit geringer Risstiefe. Ist nach mehreren Tagen dieTemperaturdifferenz nahezu abgeklungen, sind auchdie Eigenspannungen deutlich vermindert, und es isteine deutliche Abnahme der Rissbreiten zu beobach-ten.

Im Gegensatz zu Zwangschnittgrößen tretenEigenspannungen sowohl an statisch bestimmten alsauch an statisch unbestimmten Systemen auf. Siesind nicht bemessungsrelevant bei der Ermittlung derMindestbewehrung oder der Rissbreitenbeschrän-kung. Allerdings darf für die Risse an der Bauteil-oberfläche die mittlere Zugfestigkeit des Betons beimNachweis der Rissbreitenbeschränkung nach DIN1045-1 [1] um 20 bis 50 % reduziert werden, was zueiner wirtschaftlicheren Bemessung führt.

2.2 Direkter und indirekter Zwang

Man unterscheidet direkten und indirektenZwang. In Abb. 6 ist der Unterschied anhand von ty-pischen Zwangursachen im Hochbau dargestellt. DieSchwindverkürzungen der Deckenplatten werdendurch die beiden Kerne behindert. In den Decken ent-stehen dadurch Zwangnormalkräfte. Durch dasSchwindverhalten stellt das Bauteil selbst die Ursa-che für die Zwangbeanspruchung dar. Man bezeich-net dies daher als direkten oder inneren Zwang. Die

Stützensenkung ∆shingegen ist ein äuße-rer Einfluss und wirdauch als äußerer oderindirekter Zwang be-zeichnet.

2.3 Last-Verfor-mungs-Verhaltenunter Zwang

Während sichunter konstanten Last-beanspruchungen mitjeder Rissbildung einegrößere Verformungeinstellt ohne Abnah-me der Lastschnitt-

größe, ist bei steigender Zwangdehnung ein grund-sätzlich anderes Verhalten zu erkennen (Abb. 7). Mitdem ersten Riss fällt die Zwangzugkraft eines beidsei-tig eingespannten Stabes unter Temperaturbeanspru-chung ab, weil die Steifigkeit durch die Rissbildungreduziert wird. Steigt die Zwangdehnung weiter an,

Abb. 5: Eigenspannungen infolge abfließender Hydratati-onswärme

Abb. 6: Beispiele zu direktemund indirektem Zwang

Abb. 7; Last-Verformungs-Verhalten bei Zug und Biegunginfolge Zwang

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dann steigt die Zwangkraft entsprechend der reduzier-ten Dehnsteifigkeit des Zugstabes flacher an, bis derzweite Riss wieder mit einem Abfall der Zwangkraftentsteht. Dieser Vorgang wiederholt sich solange, bisentweder innerhalb der Stablänge alle möglichen Ris-se entstanden sind oder keine weitere Zunahme derZwangdehnung auftritt. Unter Biegezwang ist dasVerhalten grundsätzlich vergleichbar. Darüber hinauswerden die Zwangspannungen durch das zeitabhängi-ge Betonverhalten vermindert. Der Abbau von Zwangdurch Kriechen ist im jungen Betonalter besondersausgeprägt.

3 Zeitabhängige Verformungen– Kriechen und Schwinden

Zeitabhängige Verformungen stellen sich erstim Laufe der Zeit ein. Diese Verformungen könnenlastunabhängig oder lastabhängig sein. Zu den lastun-abhängigen Verformungen gehören das Schwindenund das Quellen, die vorrangig durch den Wasserver-lust bei Austrocknung, oder durch Wasseraufnahmebestimmt werden. Die lastabhängigen Verformungenwerden als Kriechen bezeichnet. Hierunter wird diezeitliche Zunahme der durch eine äußere Belastungausgelösten Dehnung abzüglich der lastunabhängi-gen Dehnung verstanden.

Abb. 8 erläutert den qualitativen Verlauf derlastabhängigen Dehnungen εcc (Kriechen) und derlastunabhängigen εcs (Schwinden). Aus äußeren Las-ten, Zwängungen und Vorspannung resultierende Be-tonspannungen führen zunächst zu kurzzeitig eintre-tenden elastischen Formänderungen εci, einem verzö-gert elastischen Anteil εcip und einem mit der Zeit zu-nehmenden Anteil. Wird das Bauteil zu einem Zeit-punkt te wieder entlastet, bildet sich der elastischeVerformungsanteil sofort und der verzögert elastischeallmählich zurück.

Die Gesamtverformungen εc(t) eines mit einerkonstanten einachsigen Spannung belasteten Betonszum Zeitpunkt t ergibt sich zu:

Kriechen und Schwinden des Betons hängenmaßgeblich von der Umgebungsfeuchte, den Abmes-sungen des Bauteils und der Zusammensetzung des Be-tons ab. Das Kriechen wird zusätzlich vom Reifegraddes Betons beim Aufbringen der Belastung sowie vonder Dauer und Größe der Belastung beeinflusst. DieKriechdehnung des Betons zum Zeitpunkt t = ∞ ergibtsich bei konstanter kriecherzeugender Spannung zu:

mit ϕ(∞,t0) Endkriechzahl Ec0 Elastizitätsmodul des Betons als Tangen-

te im Ursprung der Spannungs-Deh-nungslinie nach 28 Tagen; Vereinfa-chung: Ec0 = 1,1 · Ecm

Ecm mittlerer Sekantenmodul des Betonsnach DIN 1045-1, Tabelle 9 oder 10

σc kriecherzeugende Betonspannungt0 Betonalter bei Belastungsbeginn in Tagen

Die Kriechfähigkeit von jungem Beton ist zu-dem deutlich höher als mit zunehmendem Betonalter.Der Kriechbeiwert ist daher eine Funktion des Belas-tungszeitpunktes t0, des betrachteten Zeitpunktes t,der Betonfestigkeitsklasse, der Zementart und derUmgebungsbedingungen. Auf eine detaillierte Her-leitung der Kriechzahlen wird hier verzichtet. DieEndkriechzahl kann in DIN 1045-1 Kap. 9.1.4 [1]durch Diagrammablesung bestimmt werden. Kriech-und Schwindverformungen für beliebige Zeitpunktekönnen z. B. mit dem Verfahren nach Model Code 90bestimmt werden [2]. Die ermittelten Kriechzahlenϕ(∞,t0) sind als zu erwartende Mittelwerte mit einemmittleren Variationskoeffizienten von 30 % anzuse-hen. Für gegenüber Kriechverformungen empfindli-che Tragwerke kann es sinnvoll sein, eine möglicheStreuung der Werte zu berücksichtigen. Bei hohenDruckspannungen (> 0,45 fc) vergrößern sich die Ver-formungen durch nichtlineares Kriechen.

4 Veränderung vonBemessungsschnittgrößenan Beispielen

4.1 Allgemeines

Das zeitabhängige Materialverhalten hat im We-sentlichen zwei Auswirkungen für die nach Elastizi-

43421

48476

444 3444 21

48476876

ngiglastunabhä

Schwinden

iglastabhäng

Kriechen

0

elastisch

0 ),(),()()( scscccic tttttt ε+ε+ε=ε

000 ),(),(

c

ccc E

ttσ

⋅∞ϕ=∞ε

Abb. 8: Kriech- und Schwindverhalten schematisch amBeispiel eines Stahlbeton-Druckgliedes

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tätstheorie ermittelten Schnittgrößen von statisch unbe-stimmten Systemen. Bei Zwang werden durch Krie-chen ebenso wie bei einer Rissbildung die Zwang-schnittgrößen abgebaut. Bei einer Systemänderung(z. B. zwei Einfeldträger bilden nach Verguss einenZweifeldträger) oder bei einer hybriden Konstruktionaus kriechfähigen und nicht kriechfähigen Tragelemen-ten (z. B. Stahlstützen und ein Stahlbetonbalken bildeneinen Rahmen) stellt sich infolge Kriechens eine Um-lagerung der elastischen Schnittgrößen aus äußerer Be-lastung ein. Wie bei einer Schnittgrößenumlagerunginfolge Rissbildung bleibt aus Gleichgewichtsgründendie Summe der Schnittgrößen erhalten, d. h. dieSchnittgrößen werden vom Feld- zum Stützbereichoder umgekehrt umgelagert. Daneben treten durch zeit-abhängiges Materialverhalten Spannungsumlagerun-gen innerhalb eines Querschnitts ein, wenn z. B. in ei-ner Stahlbetonstütze die Betonspannungen infolgeäußerer Belastung durch Kriechen und Schwinden ab-nehmen und sich die Betonstahlspannungen entspre-chend vergrößern. Die Auswirkungen des zeitab-hängigen Verhaltens auf die Schnittgrößen werdennachfolgend an ausgewählten Beispielen erläutert.

4.2 Indirekter Zwang aus Stützensenkung

Im Lastfall Stützensenkung ist grundsätzlichwie bei anderen Zwangeinwirkungen zu unterschei-den zwischen einem plötzlichen (wenige Stunden biseinen Tag wirkend) und einem langsamen (Monatebis mehrere Jahre dauernd) Eintreten der Einwirkung.Bei einer plötzlichen Stützensenkung wird der Zwangmit der Zeit weitgehend abgebaut und bei einerlangsamen Stützensenkung erst langsam aufgebaut,allerdings nicht in vollem Umfang.

In Abb. 9 ist die zeitliche Entwicklung des Bie-gemomentes am Auflager B für die Stützensenkungam Mittelauflager des Zweifeldträgers in logarithmi-schem Maßstab aufgetragen. Tritt die Stützensenkungplötzlich ein, werden zu Anfang die elastischenZwangschnittgrößen hervorgerufen (MB,el, gestrichel-te rote Linie). Das Stützmoment MB infolge ∆s wird

durch Kriechverformungen innerhalb kurzer Zeitstark abgebaut. Im Beispiel hat sich die Zwangschnitt-größe bereits nach einem Tag auf nahezu die Hälftereduziert. Verlauf und Endwert der im Bauwerk ver-bleibenden Zwangbeanspruchung wird durch denKriechbeiwert ϕ(t0,t) gesteuert (Kapitel 3).

Die Berechnung der zeitabhängigen Schnitt-größen wird nachfolgend an dem Zweifeldträger inAbb. 10 demonstriert. Die Berechnungsschritte wer-den exemplarisch für ϕ(t0,t) = 0,3, 1,0 und 3,0 ge-führt.

Zuerst wird das elastische Moment MB infolgeStützensenkung mit den bekannten Methoden derElastostatik durch Freischneiden der statisch Über-zähligen bestimmt (Abb. 10). Im Beispiel wird dieAuflagerkraft B freigeschnitten, sodass die Weggrößeδ10 mit der Stützensenkung ∆s übereinstimmt.

Die Elastizitätsgleichung lautet

Die Lösung der Integrale kann Tabellenwerkenentnommen werden, z. B. Schneider Bautabellen [3],wobei δ10 gemäß Vorgabe der Auflagersenkung ∆sentspricht. Daraus ergibt sich die statisch unbestimm-te Auflagerkraft Bel und aus der Gleichgewichtsbe-trachtung das Moment MB,el zu

Die Verträglichkeitsbedingung fordert, dass dieelastischen (χ1) und die zeitabhängigen Anteile (χ1ϕ)die zeitabhängige Kraftgröße χ1(t) ergeben.

Abb. 9: Schnittgrößenentwicklung bei langsamer undschneller Stützensenkung

Abb. 10: Freischneiden der statisch Überzähligen

.mit0 1011110 sel ∆=δδ⋅χ+δ=

∆=δ

δδ

−=χ

1

1111

1

1010

11

101

1

1

dsMMEI

sdsMMEI

el

.2

,12

,3

lBM

l

EIsB elB

⋅=⋅⋅∆=

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χ1(t) = χ1 + χϕ

Durch Erweiterung der Elastizitätsgleichungum die zeitabhängigen Anteile aus Kriechen erhältman nach [4] [5]

Die Lösung der Gleichung ergibt sich durchdie Betrachtung zweier Zeitpunkte. Zu Anfang tretendie elastischen Schnittgrößen in voller Größe auf.

Daher gilt weiterhin . Damit ergibt sich die

zeitliche Veränderung zu

Die von der Zeit abhängige Zwangschnittgrößebeträgt dann

Der Relaxationskennwert χ hängt vom zeitli-chen Verlauf der Dehnungen ab und kann nach DIN1045-1 [1] zu 0,8 angenommen werden. Setzt mannun in diese Gleichung beispielhaft Kriechzahlen fürunterschiedliche Zeitpunkte t ein, ergeben sich fol-gende Werte:

Die Werte sind in Abb. 9 durch rote Punktemarkiert. Die gewählten ϕ(t0,t) sind exemplarischeKriechbeiwerte für Zeitpunkte nach wenigen Stun-den, zehn Tagen und unendlich unter üblichen Umge-bungsbedingungen.

Die blauen Kurven in Abb. 9 stellen dieSchnittgrößenentwicklung bei einer langsamen Stüt-zensenkung dar. Für den rechnerischen Ansatz wirdvereinfachend angenommen, dass die Auflagerver-schiebung affin zur Kriechverformung ist.

Zum Zeitpunkt t = 0 ist noch keine Lagerver-schiebung und daher auch keine statisch unbestimmte

Schnittgröße vorhanden. Die Verträglichkeit lässt sichmit dem Ansatz χ1(t) = χ1ϕ beschreiben. Aus der mitdem Kriechansatz erweiterten Elastizitätsgleichung

und δ10 = ∆s(t) folgt

Aufgrund der zeitabhängigen Lagerverschie-bung bauen sich im Vergleich zur plötzlichen Stüt-zensenkung die elastischen Schnittgrößen erst lang-sam auf (Abb. 9, gestrichelte Linie). Dementspre-chend steht zum Abbau infolge Kriechen wenigerZeit zur Verfügung, sodass die im Bauteil verbleiben-den Schnittgrößen nach einer großen Zeitspanne(t > 1000 d) größer sind als bei einer plötzlichenStützensenkung. Die blauen Punkte in Abb. 9 mar-kieren die rechnerischen Beispielwerte.

4.3 Direkter Zwang infolge abfließenderHydratationswärme

Da die freiwerdende Hydratationswärme desBetons relativ langsam abfließt, heizt er sich währendder Erhärtung auf. Dieser Effekt ist um so ausgepräg-ter, je massiger das Bauteil, je größer der Zementge-halt und je größer die Hydratationswärme des Ze-ments ist.

( ) ( )),(1),(10 0111011110 tttt ϕ⋅χ+⋅δ⋅χ+ϕ+⋅δ⋅χ+δ= ϕ

11

101 δ

δ−=χel

),(1

),(

0

011 tt

ttelastisch

ϕ⋅χ+ϕ

χ−=χ ϕ

ϕ⋅χ+ϕ

−χ=χ),(1

),(1)(

0

011 tt

ttt elastisch

76,03,08,01

3,01)( 111 ⋅χ=

⋅+−χ=χ elastischelastischt

44,00,18,01

0,11)( 111 ⋅χ=

⋅+−χ=χ elastischelastischt

12,00,38,01

0,31)( 111 ⋅χ=

⋅+−χ=χ elastischelastischt

),(),(

)()( 0

0

ttt

sts ϕ⋅

∞ϕ∞∆

=∆

( ) ( )),(1),(10 0111011110 tttt ϕ⋅χ+⋅δ⋅χ+ϕ+⋅δ⋅χ+δ= ϕ

),(1

1)(

),(1

1

),(

),()()(

01

00

0

111 tt

tttt

ttst el

ϕ⋅χ+⋅χ=

ϕ⋅χ+⋅

∞ϕϕ

⋅δ

∞∆=χ ϕ

81,0)(3,08,01

1)()( 111 ⋅χ=

⋅+⋅χ=χ ϕ ttt elastischelastisch

55,0)(0,18,01

1)()( 111 ⋅χ=

⋅+⋅χ=χ ϕ ttt elastischelastisch

29,0)(0,38,01

1)()( 111 ⋅χ

⋅+⋅χ=χ ϕ ttt elastischelastisch

Abb. 11: Entwicklung von Spannung und Dehnung infolgeabfließender Hydratationswärme in einer Bodenplatte

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Wird die Ausdehnung eines Bauteils bei Er-wärmung behindert, so entstehen Druckspannungen.Bei Abkühlung bilden sich entsprechend Zugspan-nungen. Bleibt während dieser Phase der Tempera-turänderung der Elastizitätsmodul des Bauteils unver-ändert, wird nach Erwärmung und Abkühlung auf dieAusgangstemperatur wieder ein spannungsfreier Zu-stand erreicht. Bei einem viskoelastischen Materialmit zeitlich veränderlichem Elastizitätsmodul, wieerhärtendem Beton, stellt sich dagegen nach Ab-schluss der Temperaturbeanspruchung ein andererSpannungszustand ein. Die Entwicklung der Zwang-spannungen infolge Erwärmung während der Hydra-tation und anschließender Abkühlung wird inAbb. 11 deutlich.

Dabei können fünf Stadien unterschieden wer-den [6]:I: Die Betontemperatur bleibt unverändert, da sich

die Hydratation in der Ruhephase befindet.II: Der Beton erwärmt sich infolge Hydratation. Da

er noch vollkommen plastisch verformbar ist, ent-stehen keine Betonspannungen.

III: Im Alter von etwa drei bis sechs Stunden bauensich mit zunehmendem Temperaturanstieg undanwachsendem Elastizitätsmodul Druckspannun-gen auf, die jedoch noch zu einem erheblichenTeil relaxieren.

IV: Nach Überschreiten des Temperaturmaximumswerden die noch vorhandenen Druckspannungenrasch bis auf null abgebaut (2. Nullspan-nungstemperatur T02). Das Relaxationsvermögenist in diesem Alter noch groß, allerdings ist derElastizitätsmodul gegenüber dem Stadium IIIschon deutlich angewachsen. Daher ist zum Ab-bau der Spannung eine kleinere Temperaturdiffe-renz notwendig als zuvor zum Aufbau einerSpannung von derselben Größe bei geringeremE-Modul.

V: Bei weiterer Abkühlung entstehen schließlichZugspannungen. Auch diese Zugspannungen wer-den durch Relaxation teilweise abgebaut, aller-dings wegen des fortgeschrittenen Alters deutlichlangsamer und in einem geringeren Umfang. Er-reichen die Zugspannungen dann die Zugfestig-keit des Betons, kommt es zur Rissbildung. Umeine rissauslösende Zugspannung zu vermeiden,können geeignete Maßnahmen ergriffen werden.Hierzu zählen unter anderen die Wahl eines Be-tons/Zements mit geringer Wärmeentwicklung,Nachbehandlung des Betons und im Fall der Bo-denplatte die Verminderung der Reibung durchUnterlegen einer zweilagigen PE-Folie.

Die Auswirkungen auf die Zwangspannungenwährend der Phasen I bis V werden in Abb. 11 amBeispiel einer Bodenplatte erläutert. Zum ZeitpunktTmax herrschen die größten Druckspannungen, da die

Plattenausdehnung infolge Temperaturanstiegs durchdie Bodenreibung behindert wird. Durch die Abküh-lung wird zum Zeitpunkt T02 der spannungsfreie Zu-stand erreicht. Danach treten zunehmend Zugspan-nungen auf, da die Plattenverkürzung wiederum durchReibung behindert wird. Die Zugfestigkeit des Betonswird zuerst in der Plattenmitte überschritten und führtdort zur Erstrissbildung. Bei ausreichender Beweh-rung zur Rissbreitenbeschränkung entstehen weitereRisse mit geringen Rissbreiten in kleinen Abständen.Die Zugspannung bleibt dabei teilweise erhalten.

4.4 Zwang infolge Umgebungstemperatur

Bei Bauwerken im Freien entstehen Tempera-turänderungen durch die täglichen und jahreszeitli-chen Schwankungen der Umgebungstemperatur undder Sonneneinstrahlung. Besonders große Tempera-tursprünge können infolge unperiodisch auftretenderWetteränderung (Gewitterregen im Hochsommer)entstehen. Temperaturänderungen können aber auchinfolge anderer Ursachen auftreten, z. B. während derBauausführung (Aufbringen von bituminösen Heiß-mischbelägen) oder aus dem Betrieb des Bauwerks(Kühlhaus, Silo mit heißem Schüttgut).

Die Temperaturverteilung wird von zahlrei-chen Parametern beeinflusst, wie z. B. Art der Bau-stoffe, Oberflächenbeschaffenheit, Querschnittsgeo-metrie. Eine realistische Abschätzung wirklichkeits-naher Temperaturzustände im Bauteilinneren ist mei-stens nur mit großem Aufwand möglich, weil der Ta-gesgang der Lufttemperatur, die Konvektion und dieStrahlungsbilanz dafür sorgen, dass die Temperatur-verteilung im Bauteil meist nichtlinear ist. Aus denOberflächentemperaturen kann bei solchen insta-tionären Temperaturzuständen nicht unmittelbar aufden Temperaturverlauf im Bauteilquerschnitt ge-schlossen werden. Die in den Normen angegebenenGrenztemperaturen stellen nur Anhaltswerte dar. So-fern weitergehende Temperaturbeanspruchungen vor-liegen, sollten Auslegungstemperaturen, die demTragwerksentwurf zugrunde zu legen sind, mit demAuftraggeber und dem Anlagenbetreiber abgestimmtwerden.

Am Beispiel einer dreigeschossigen Tiefgaragein Düsseldorf kann die Größe der Temperaturschwan-kungen aufgezeigt werden. Seit Sommer 1989 wur-den über einen langen Zeitraum Temperaturmessun-gen vorgenommen [7]. Abb. 12 zeigt die bisher er-reichten Grenzzustände. Da die Grundwassertempe-ratur im Jahresverlauf annähernd konstant ist, erge-ben sich für die im Grundwasser gelagerte Boden-platte sehr geringe Temperaturbeanspruchungen. Da-gegen unterliegen die Zwischendecken in Tiefgara-gen einer größeren Temperaturschwankung. Für dieZwangbeanspruchung infolge Temperatur in der Zwi-

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schendecke ist die Temperaturdifferenz zu den umge-benden Bauteilen maßgebend, die das Ausdehnenund Verkürzen der Decke verhindern. Im Winter istdie mittlere Temperatur der Decke um 3°C niedrigerals die der Bodenplatte sodass für die Zugbeanspru-chung aus Abkühlung der Decke eine Temperaturän-derung ∆T = -3K anzusetzen ist. Im Sommer wird dieAusdehnung der Decke durch die kühlere Bodenplat-te eingeschränkt, sodass eine Temperaturänderungvon ∆T = +6K maßgebend wird.

4.5 Hybrider Rahmen aus Stahlstützen undBetonriegel

Für statisch unbestimmte Systeme aus Werk-stoffen mit unterschiedlichen Kriecheigenschaftenkann aus der Verträglichkeitsbeziehung ebenfalls einvon den Kriecheigenschaften abhängiger Ansatz fürdie Schnittgrößenermittlung abgeleitet werden. Fürdie detaillierte Herleitung wird auf Kapitel 4.7.4 in[8] verwiesen. Hier soll eine vereinfachte Anwen-dung durch Reduktion des effektiven E-Moduls und

dessen Auswirkungen auf die Schnittgrößengezeigt werden. Der Rahmen in Abb. 13 be-steht aus einem kriechfähigen Stahlbetonrie-gel und Stahlstützen, die nicht kriechen. DasSystem mit biegesteifen Rahmenecken undgelenkigen Fußpunkten ist einfach statischunbestimmt. Die Berechnung erfolgt mit ei-nem Stabwerkprogramm jeweils mit linearela-stischen Materialeigenschaften. Im erstenSchritt wird der Stahlbetonriegel als ungeris-sen mit einem E-Modul von 25.000 N/mm²angenommen. Das Feldmoment ist dann etwa

50 % größer als das negative Moment der Rah-menecke (37 kNm, -23 kNm). Um eine wirklichkeits-nähere Schnittgrößenermittlung durchzuführen, darfz. B. der Steifigkeitsverlust des Stahlbetons infolgeRissbildung berücksichtigt werden. Nach einer Ab-minderung des E-Moduls auf 12.000 N/mm² ist be-reits ein Teil der Feldmomente auf die Rahmeneckenumgelagert. Kriechen tritt hauptsächlich in derDruckzone auf, also an der Riegeloberseite in Feld-mitte und an den Rahmeninnenecken (blaue Bereichein Abb. 13). Durch weitere Reduktion des E-Modulsauf 5.000 N/mm² in diesen Bereichen hat sich dasVerhältnis der Momentenverteilung mehr als umge-kehrt. Besitzen Stützen und Riegel die gleichenKriecheigenschaften und vergleichbare Rissbildung,kommt es, anders als in diesem Beispiel, zu keinerUmlagerung, jedoch nehmen die Verformungen in-folge Kriechen erheblich zu.

Das einfache Beispiel verdeutlicht, wie großder Einfluss auf die Schnittgrößenverteilung seinkann. Hilfsmittel zur genauen Bestimmung des E-Moduls, der angenommen Steifigkeit und der Kriech-beiwerte werden in [2] [4] [8] [9] [10] bereitgestellt.

4.6 Umlagerung der Schnittgrößen infolgeäußerer Last durch Rissbildung

Durch die Rissbildung infolge Biegebeanspru-chung wird die Biegesteifigkeit von Stahlbetonbau-teilen lokal vermindert (Abb. 14). Besonders ausge-prägt ist der Steifigkeitsabfall über den Mittelstützen

Abb. 12: Zwangursache Umgebungstemperatur, Grenzzustände [7]

Abb. 13: Umlagerung der Momente infolge Rissbildungund Kriechen bei unterschiedlichem Riss- und Kriechver-halten Abb. 14: Prinzip der Momentenumlagerung nach [1]

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47Der Prüfingenieur April 2009

von Mehrfeldträgern. Nach DIN 1045-1 [1] dürfendie Stützmomente eines Durchlaufträgers bei Ver-wendung von hochduktilem Betonstahl um bis zu δ =30 % abgemindert oder vergrößert werden, wenn diezugehörigen Feldmomente entsprechend den Gleich-gewichtsbedingungen angepasst werden. Zudem istdie Rotationsfähigkeit der Querschnitte nachzuwei-sen.

Das Verfahren gibt die Schnittgrößen nicht nurrealistischer wieder, sondern es hat auch wirtschaftli-che Vorteile, wenn mehrere Lastfälle nachzuweisensind. Für den Mehrfeldträger in Abb. 15 wurden dieMomentenverläufe der drei zu betrachtenden Lastfäl-le gegenübergestellt. Sind die Stützmomente ermit-telt, können die Feldbereiche durch Einhängen vonql²/8-Kurven jeweils bestimmt werden. Nachdem dasStützmoment in Lastfall 3 am Auflager B um δ abge-mindert wurde, ergeben sich dadurch gleichzeitig

größere Feldmomente für Lastfall 3 in den Nachbar-feldern. Die Feldmomente aus den Lastfällen 2 und 3sind allerdings weiterhin größer, sodass die Vergröße-rung in Lastfall 3 nicht maßgebend wird. Es kann al-so in diesem Beispiel ein Teil der Stützbewehrungüber Auflager B eingespart werden, ohne dass dieFeldbewehrung in Feld 1 und 2 vergrößert werdenmuss.

4.7 Systemumlagerung durch nachträglichesVergießen von zwei Einfeldträgern

Als Beispiel soll hier die Verbindung von zweiEinfeldträgern mit gleichem Kriechverhalten zu ei-nem Durchlaufträger untersucht werden (Abb. 16).Die beiden Träger werden zunächst getrennt herge-stellt (Ortbeton oder Fertigteil), sodass sich zum Zeit-punkt t0 die Schnittgrößen für Eigengewicht am Ein-feldsystem ermitteln lassen. Danach erfolgt der Ver-guss der Einfeldträger zu einem Zweifeldträger. Da

die jetzt mit der Zeit im Feld auftretenden Verfor-mungen infolge Kriechen durch die biegesteife Ver-bindung über dem Mittelauflager behindert werden,baut sich mit der Zeit ein Stützmoment infolge Ei-gengewicht auf. Um das Stützmoment zu berechnen,wird eine statisch Überzählige freigeschnitten undein Gelenk über dem Mittelauflager eingefügt. Diestatisch Unbestimmte χ1 (Stützmoment) setzt sichaus einem zeitabhängigen und einem zeitunabhängi-gen Anteil zusammen. Da in diesem Beispiel zu An-fang kein Stützmoment vorhanden ist, ergibt sichχ1

t=0 = 0, und die statisch Unbestimmte besteht alleinaus dem zeitabhängigen Anteil.

Die Verträglichkeitsbedingung kann durchUmformen nach dem zeitabhängigen Stützmomentχ1ϕ freigestellt werden. Die Bestimmungsgleichungbesteht dann aus dem elastischen Moment χ1

el., dasmit einem Faktor für das Kriechen multipliziert wird.

Abb. 15: Beispiel für die Momentenumlagerung an Mehr-feldträgern nach [1]

Abb. 16: Umlagerung der Momente in einem nachträglichverbundenen Zweifeldträger

ϕ= χ+χ=χ 1

011t

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48Der Prüfingenieur April 2009

Der Bruch ist stets kleiner 1. Je größer hier dieKriechzahl ϕ(t,t0) ist, desto mehr nähert sich derBruch dem Wert 1,0. Setzt man beispielsweise ϕ(t,t0)= 3,0 ein, wird 88 % des elastischen Stützmomentesaufgebaut (Momentenverläufe in Abb. 16). Die Sys-temumlagerung infolge Kriechen führt also dazu,dass nahezu das volle elastische Stützmoment desDurchlaufträgers erreicht wird.

4.8 Querschnittsumlagerung eines Druck-gliedes

Die Querschnittsumlagerung infolge Kriechenund Schwinden (Abb. 17) wird beispielhaft an einerzentrisch gedrückten quadratischen Stütze ausC30/37 mit 25 cm Kantenlänge und 4Ø25 Beton-

stahlbewehrung berechnet. Zum Zeitpunkt t = t0 wirdeine äußere Kraft F = 1000 kN aufgebracht. Die ent-stehende Schnittkraft verteilt sich entsprechend derDehnsteifigkeit E · A auf die Materialien Beton undStahl. Die Aufteilung bei diesem innerlich statischunbestimmten System lässt sich aus der Verträglich-keitsbedingung

und der Gleichgewichtsbedingung Σ V = 0 ableiten

F = Fc + Fs

Im vorliegenden Beispiel teilt sich die äußereBelastung von 1000 kN zum Zeitpunkt t0 auf eine Be-ton- (Fc) und Stahlkraft (Fs) auf:

Durch Kriechen und Schwinden verkürzt sichder Beton, sodass die Kontinuitätsbedingung zwi-schen Beton und Stahl verletzt wird. Zur Einhaltungder Verträglichkeit wird daher der Schnittkraftanteil∆Fc = ∆Fs vom Beton auf den Betonstahl umgelagert.

Die zeitabhängige Kontinuitätsbedingung fürden Betonstahl lautet:

εs,t = εcs + εcc – εcϕ

Unter Ausnutzung der Gleichgewichtsbedin-gungen des Eigenspannungszustands (∆FC = ∆Fs),einer freien Schwindverformung εcs = 0,15 ‰ und ei-nem Kriechbeiwert ϕ(t,t0) = 3,0 ergibt sich die zeit-abhängige Änderung der Betonstahlkraft zu ∆F(t) =334 kN.

Fs(t) = 169 + 334 = 503kN

Fc(t) = 831 – 334 = 497kN

Das Beispiel zeigt anschaulich, dass durch daszeitabhängige Verhalten des Betons ein großer Anteilder Schnittgrößen vom Beton auf den Stahl umgela-gert wird. Die wesentlichen Einflussfaktoren sind dasSchwindmaß, die Endkriechzahl, die Höhe der Be-tondruckspannungen aber auch der Bewehrungsgrad(Abb. 18). Da der Betonstahl bei einer elastischenQuerschnittsbemessung rechnerisch ausgenutzt wird,kann die Umlagerung bereits unter Gebrauchslastenzum Plastizieren des Betonstahls führen. Die Parame-ter des Beispiels wurden so gewählt, dass der Beweh-rungsstahl auch nach der Umlagerung noch im linear-

( )),(1),(),(0 01110110

1010 tttttt t ϕ⋅χ+⋅δ⋅χ+ϕ⋅δ⋅χ+ϕ⋅δ= ϕ=

00 01 =χ= =twegen

{( ) ( )),(1

),(

),(1

),(

0

0.1

0

0

tStützmomenselastische

11

101 tt

tt

tt

tt el

ϕ⋅χ+ϕ

⋅χ=ϕ⋅χ+

ϕ⋅

δδ

=χ ϕ

Abb. 17: Umlagerung der Schnittkraftverteilung in einerStahlbetonstütze

ss

s

cc

csece A

E

F

AE

F⋅=

⋅ε=ε ;

kN

AE

AEF

F

cc

ssc 831

6056,19

31900200000

1

1000

1=

⋅+=

+=

kNFAE

AEF c

cc

sss 169831

605

6,19

31900

200000=⋅⋅=⋅=

{[ ]

444 3444 21

44 844 76

nmlagerungeSpannungsuinfolgeDehnungen

0

chenfreiesKrie

00

Schwinden

),(1),()()(

ϕε

ε

ϕ⋅χ+⋅⋅

∆−ϕ⋅

⋅+ε=

⋅∆

c

cc

ttAE

Ftt

AE

tF

AE

tF

cc

c

cc

ccs

ss

s

[ ]),(11

),()(

)(

0

00

ttAE

AE

ttAE

AEtFAE

tF

cc

sS

cc

sScsscs

s

ϕ⋅χ+⋅+

ϕ⋅⋅+⋅⋅ε=∆

kNtFs 334]0,38,01[

6053190

6,19200001

0,36053190

6,19200008316,192000000015,0

)( =⋅+⋅

⋅⋅+

⋅⋅⋅⋅+⋅⋅

=∆

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MASSIVBAU

49Der Prüfingenieur April 2009

elastischen Bereich unterhalb der Streckgrenze ist.Im Fall eines Plastizierens des Betonstahls müsstezusätzlich das nichtlineare Materialverhalten im An-satz für εs(t) berücksichtigt werden.

5 Schlussfolgerungen

Die nichtlinearen Eigenschaften des Betonsbeeinflussen die Schnittgrößenverläufe in Bauteilenund im Gesamtsystem. Die Relevanz bei der Bauteil-bemessung ist jedoch unterschiedlich.

■ Eigenspannungen sind lediglich temporär und ab-gesehen von der Mindestbewehrung nicht bemes-sungsrelevant.

■ Zwangschnittgrößen müssen bei der Bemessungzwar berücksichtigt werden, werden jedochgrößtenteils durch Kriechen mit der Zeit abge-baut.

■ Lastschnittgrößen werden durch Rissbildung um-gelagert, werden jedoch nicht abgebaut. Auf dieEinhaltung der Gleichgewichtsbedingungen ist zuachten.

Für das Beispiel in Abb. 1 und Abb. 2 bedeu-tet dies, dass die überlagerten Zwangmomente infol-ge der sich einstellenden Bettungsmulde durch Krie-chen und übliche Rissbildung weitestgehend abge-baut werden und somit die Stützmomente wieder er-höht werden. Nach Ausnutzung der Umlagerungs-fähigkeit sollte also nahezu das um δ abgeminderteStützmoment des Durchlaufträgers mit Bewehrungabgedeckt werden. Zusätzliche Einspannmomentez. B. in die Randstützen werden hingegen vom Ge-samtsystem besser erfasst. Demnach müssen sowohldie nach klassischer als auch die nach moderner Me-thodik ermittelten Schnittgrößen mithilfe der Erfah-rung des Ingenieurs und dessen Wissen um die nicht-linearen Eigenschaften des Betons richtig eingeord-net werden.

Abb. 18: Umlagerung der Schnittkraftverteilung bei Stahl-betonstützen mit hohem und niedrigem Bewehrungsgrad

6 Literatur

[1] DIN 1045-1 (07.01): Tragwerke aus Beton, Stahlbeton undSpannbeton, Teil 1: Bemessung und Konstruktion; Teil 2. Be-ton-Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität;Teil 3: Bauausführung. Berlin - Köln, Beuth-Verlag, Juli2001.

[2] CEB-FIP Model Code 1990, Design Code, Bulletin d´Infor-mation, Lausanne 1990

[3] Schneider Bautabellen für Ingenieure mit Berechnungshin-weisen und Beispielen, 17. Auflage, Neuwied, 2008

[4] Trost, H.: Auswirkungen des Superpositionsprinzips aufKriech- und Relaxationsprobleme bei Beton und Spannbeton.Beton- und Stahlbetonbau 63, 230 - 238, 261 - 269, Berlin,1967

[5] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 525: Erläuterun-gen zu DIN 1045-1, Berlin, 2003

[6] Breitenbücher, R.: Zwangspannungen und Rissbildung in-folge Hydratationswärme; Dissertation; TU München,1989.

[7] Harder, C.; Hegger, J.; Schnell, J.: Rissbreitenbeschränkungund Mindestbewehrung im Stahlbetonbau; Teil 1-3, Techni-sche Nachrichten der Philipp Holzmann AG; Frankfurt;1991/92.

[8] Vorlesungsumdruck des Instituts für Massivbau der RWTHAachen: Massivbau III, Teil 1, Ausgabe 2008

[9] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 240: Hilfsmittelzur Berechnung der Schnittgrößen und Formänderung vonStahlbetontragwerken, Berlin 1991

[10] DIN ENV 1992-1-1 (Eurocode 2): Planung von Stahlbeton-und Spannbetontragwerken, Berlin 1992

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50Der Prüfingenieur April 2009

BAUEN IM BESTAND

1 Einführung

Im vorliegenden Beitrag wird für die BaustoffeBeton und Betonstahl eine entsprechende Zuordnungder früheren Normfestlegungen zu den aktuellen Ma-terialklassen vorgestellt. Die Ergebnisse wurden imRahmen des Forschungsprojekts „Anwendung vonTeilsicherheitsbeiwerten auf Bestandsbauten imHochbau“ [1] gewonnen, welches dankenswerterwei-se mit Mitteln des Bundesamts für Bauwesen undRaumordnung BBR sowie Unternehmen der Bauin-dustrie gefördert wurde.

Bei der Zuordnung der verwendeten Baustoffezu aktuell genormten Materialeigenschaften wird vonder Annahme ausgegangen, dass die mechanischenWerkstoffkennwerte der verbauten Materialien denAnforderungen der zum damaligen Zeitpunkt gülti-gen Normen entsprechen (Abb. 1). Werkstoffkenn-werte stellen keine physikalisch bedingten Absolut-werte dar. Die Messergebnisse hängen entscheidendvon der Versuchsdurchführung ab. Dies bedingt einenVergleich zwischen den damaligen Prüfbedingungenund den aktuell gültigen anhand der jeweiligen Prüf-normen. Auf der Basis von Umrechnungsfaktorenwerden die Werkstoffkennwerte an die aktuellen Be-zugswerte angepasst.

Das aktuelle, semiprobabilistische Sicherheits-konzept setzt voraus, dass ein Werkstoffkennwert als

Umrechnung historischerBaustoffkennwerte aufcharakteristische WerteWie können historische Eigenschaftenvon Beton und Betonstahl auf heutigeNormen transponiert werden?

Die Standsicherheit bestehender Tragwerke istneu zu bewerten, wenn diese zusätzlich bean-sprucht werden sollen. Häufig liegt jedoch für eineVorbemessung keine Bestandsaufnahme mit aus-reichender Probeentnahme vor. Da die Neube-rechnung jedoch nach heutigen Normen zu erfol-gen hat, fehlen dann charakteristische Festigkei-ten nach neuer Normengeneration. Stehen aberstatische Berechnungen und/oder Ausführungs-pläne für den Ursprungszustand und für spätereUmbauten zur Verfügung, können auf dieser Basisdie in den historischen Normen verwendeten Ma-terialeigenschaften in charakteristische Baustoff-kennwerte nach aktuellem Normenwerk umbe-wertet werden.

Leiter des FachgebietesMassivbau und Baukon-struktion der TU Kaisers-lautern

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Schnell

Wissenschaftlicher Mitarbeiterim Fachgebiet Massivbauund Baukonstruktion derTU Kaiserslautern

Dipl.-Ing. Markus Loch

Abb. 1: Umnutzung alter Kasernengebäude als Büro-flächen

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51Der Prüfingenieur April 2009

BAUEN IM BESTAND

charakteristische Kenngröße vorliegt. Sie ist nachDIN EN 1990:2002-10 [2] definiert als „Wert einerBaustoffeigenschaft ... mit bestimmter Auftretens-wahrscheinlichkeit bei unbegrenzter Probenzahl. Die-ser Wert entspricht i. d. R. einer bestimmten Fraktile[= Quantile] der statistischen Verteilung ...“.

Die in diesem Artikel vorgenommene Bestim-mung von Quantilwerten historischer Baustoffe be-ruht in erster Linie auf der Auswertung von statisti-schen Kenngrößen aus Literaturquellen für die Werk-stoffe Beton und Betonstahl. Für den Werkstoff Be-tonstahl konnten zudem noch statistische Kenn-größen aus Überwachungsprotokollen verschiedenerBetonstahlhersteller aus den 1970er Jahren berück-sichtigt werden, die freundlicherweise vom Deut-schen Institut für Bautechnik (DIBt) in anonymisier-ter Form zur Verfügung gestellt wurden. Direkte An-fragen bei Produzenten bezüglich alter Produktions-daten verliefen erfolglos, da entsprechende Auskünf-te entweder mit Verweis auf das Werksgeheimnis ver-weigert wurden oder entsprechende Daten aus derVergangenheit nicht mehr vorlagen.

2 Beton

Die Druckfestigkeit des Betons stellt den wich-tigsten Werkstoffkennwert für die Bemessung vonTragwerken aus Beton und Stahlbeton dar, da sie denAusgangswert für alle weiteren Nachweise im Grenz-zustand der Tragfähigkeit bildet und sich aus ihr zu-mindest für eine Vorbemessung die weiteren benötig-ten Kennwerte E-Modul und Zugfestigkeit ableitenlassen.

Die charakteristische Betondruckfestigkeit fckbezieht sich nach DIN 1045-1:2008-08 [3] auf diecharakteristische Mindestdruckfestigkeit von Zylin-dern fck, cyl, wie sie in den Festigkeitsklassen nachDIN EN 206-1:2001-07 [4] und DIN 1045-2:2008-08[5] definiert sind. Sie entspricht dem erwarteten Fest-igkeitswert nach 28 Tagen bei feuchter Lagerung, un-ter den 5 % der Grundgesamtheit aller möglichenFestigkeitswerte der Menge des betrachteten Betonsfallen (5%-Quantil). Es werden Zylinder mit einemDurchmesser von 150 mm und einer Länge von 300mm verwendet. Die Herstellung und Lagerung derProbekörper regelt DIN EN 12390-2:2001-06 [6].Die anschließende Druckprüfung erfolgt gemäß DINEN 12390-3:2004-04 [7] (Abb. 2).

2.1 Umrechnungsfaktoren

Der Vergleich zwischen den zurzeit gültigenPrüfbedingungen ([6], [7]) mit den Bestimmungenzur Festlegung der Betoneigenschaften von 1904 bis

heute zeigt, dass ab 1916 von einer Vergleichbarkeitder Ergebnisse von Druckversuchen an Probekörpernaus Beton mit heutigen Prüfergebnissen ausgegangenwerden kann. Dabei sind lediglich Umrechnungsfak-toren zur Berücksichtigung der unterschiedlichenPrüfkörperformen und der Prüfkörperlagerung not-wendig. Entsprechende Übersichten zu den wichtig-sten Vorschriften zur Prüfung der Materialeigen-schaften und -güte von Beton und Betonstahl sowiezur Bemessung von Beton- und Stahlbetonbauteilensind im Betonkalender 2009 [8] und in [1] gegeben,wobei [1] auch zusätzliche Übersichten zum Stahl-und Mauerwerksbau enthält.

2.1.1 Probekörperform

Die bevorzugte Referenzform der Probekörperzur Ermittlung der Betondruckfestigkeit war im letz-ten Jahrhundert die Würfelform. Sie wurde 1916 inden Bestimmungen des Deutschen Ausschusses fürEisenbeton [9] mit einer Kantenlänge von 300 mmfür Beton und 200 mm für Eisenbeton festgelegt. Seitder Einführung der DIN 1048:1925-09 [10] und de-ren nachfolgenden Bestimmungen betrug die gefor-derte Kantenlänge 200 mm. Ausgenommen davon istder Zeitraum von 1980 bis 1990 im Geltungsbereichder ehemaligen Deutschen Demokratischen Repu-blik, in welchem eine Kantenlänge von 150 mm nachTGL 33433/04:1979-06 [11] gefordert wurde.

Anhand der Untersuchungen von Gehler ([12],[13]) und Bonzel [14] sowie den Festlegungen inDIN 1045:1988-07 [4], [15] werden folgende Um-rechnungsfaktoren für die Probekörperformen ge-wählt (Abb. 3):

■ Umrechnungsfaktor k150/200 für die Umrechnungzwischen Würfelproben mit 200 mm Kantenlängeund Würfelproben mit 150 mm Kantenlänge:

Abb. 2: Druckfestigkeitsprüfung an Betonzylindern

.05,1,

, == 150/200200cubec

150cubec kf

f(1)

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52Der Prüfingenieur April 2009

BAUEN IM BESTAND

■ Umrechnungsfaktor kcyl/cube zwischen Würfelpro-ben mit Kantenlänge 150 mm und Zylinderprobenmit 150 mm Durchmesser und 300 mm Höhe:

Mit:fc, cube 150 Betondruckfestigkeit eines Würfels mit

150 mm Kantenlänge,fc, cube 200 Betondruckfestigkeit eines Würfels mit

200 mm Kantenlänge,fc, cyl Betondruckfestigkeit eines Zylinders

(d/h = 150/300 mm).

2.1.2 Lagerungsbedingungen

Wie bereits erläutert, gilt gemäß [4] und [5] dieLagerung der Probekörper im Wasser als Referenzla-gerung. Da in Deutschland die Wasserlagerung je-doch nicht als Standardlagerung vorherrscht, kanngemäß nationalem Anhang in [6] auch eine„Trockenlagerung“ erfolgen.

Gemäß den Regelungen für eine „Trockenlage-rung“ sind die Probekörper nach der Herstellung für24 h in den Formen bei einer Lufttemperatur von 15

°C bis 22 °C in einem geschlossenen Raum vor Zug-luft geschützt zu lagern und gegen Austrocknen zuschützen. Im Anschluss erfolgt die Lagerung für 6Tage auf Rosten in einem Wasserbad mit Leitungs-wasser von 20 °C (Abb. 4). Alternativ können dieProbekörper auch 6 Tage auf einem Lattenrost in ei-ner Feuchtekammer mit 20 °C und > 95 % rel. Luft-feuchtigkeit gelagert werden. Im Alter von 7 Tagennach der Herstellung werden die Probekörper ausdem Wasserbad oder der Feuchtekammer entnommenund bis zur Prüfung in einem geschlossenen Raumbei einer Temperatur von 15 °C bis 22 °C auf einemLattenrost gelagert.

Diese Lagerungsbedingungen entsprechen denRegelungen der DIN 1048-5:1991-06 [16] und wer-den bereits weitgehend seit 1916 in [9] gefordert undstimmen grundsätzlich seit Einführung der DIN1048:1944-04 [17] und deren nachfolgenden Bestim-mungen mit [16] überein. Somit kann der in [5] fest-gelegte Umrechnungsfaktor zur Berücksichtigungunterschiedlicher Lagerungsbedingungen von Probe-körpern aus Normalbeton auch für Betone verwendetwerden, die ab 1916 hergestellt wurden:

fc, cube = 0,92 · fc, dry (3)

Mit:fc, cube: Betondruckfestigkeit eines Würfels mit

150 mm Kantenlänge bei Referenzlage-rung,

fc, dry: Betondruckfestigkeit eines Würfels mit150 mm Kantenlänge bei „Trockenlage-rung“.

2.2 Statistische Kenngrößen der Betondruck-festigkeit

Zur Umrechnung der bis 1972 gefordertenmittleren Druckfestigkeiten von Betongüten und-klassen in die geforderten 5%-Quantile der aktuel-len Normen sind diese anhand von Verteilungsfunk-tionen und den dazugehörigen Streuungsmaßen(Standardabweichung, Variationskoeffizient) zu be-schreiben.

Die Untersuchungen von Rüsch et al. [18] zei-gen, dass die Festigkeitswerte von Prüfkörpern zumgrößten Teil als Normalverteilung vorliegen. DesWeiteren wird die logarithmische Normalverteilungals sinnvolle Annahme bei niedrigen Betongüten ge-nannt. Die gleichen Verteilungsfunktionen werdenebenso von König et al. [19] zur Beschreibung derBetondruckfestigkeit vorgeschlagen.

Die Standardabweichung und der Variations-koeffizient der Betondruckfestigkeit werden in dervorliegenden Arbeit in Abhängigkeit von einer ange-

Abb. 3: Druckfestigkeitsprüfung am Betonwürfel

.80,0/,

, == cubecyl150cubec

cylc kf

f(2)

Abb. 4: In Wasser gelagerter Probekörper

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53Der Prüfingenieur April 2009

BAUEN IM BESTAND

nommen Produktionsqualität gewählt. Grundlagehierfür sind die Vorschläge in [18] und von Spaethe[20] zur Abschätzung der zu erwartenden Standard-abweichung (vgl. Tabelle 1 und Tabelle 2).

Die Abschätzung der Standardabweichung inTabelle 1 repräsentiert das Streuungsniveau der Be-tondruckfestigkeit in den 1950er Jahren, da sie sichzum vorwiegenden Teil aus Kennwerten von Baustel-len dieser Zeitperiode ableitet (Abb. 5).

Etwas engere Bereiche für die Standardabwei-chung nennt [20], jedoch sind diese keiner genauerenZeitperiode zugeordnet.

Abb. 5: Beispiel für mangelhaft verdichteten Beton inStahlbetonrippendecken

Urteil Standardabweichung von Würfelproben N/mm2

sehr gut 5 4 3

gut 6 5 4

annehmbar 8 6,5 5

nachlässig 9 8 7

Sorgfalt bei derÜberwachung

Kleine Baustelle,keine Betonproben,Zumessung nach Volumen,Überwachung durch Polier

Mittlere Baustelle,3 - 10 Betonproben, Zumessung nach Volumen oder Gewicht,Überwachung durch Polier

Großbaustelle,30 und mehr Betonproben, Zumessung nach Gewicht,Überwachung durch Betoningenieur

Tab. 1: Vorschlag für die Abschätzung der Standardabweichung der Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit von der Aus-führungsqualität [18]

Ausführungsqualität Variationskoeffizient für Beton Standardabweichung für Betonmit einer mittleren mit einer mittleren

Druckfestigkeit < 20 N/mm2 Druckfestigkeit ≥ 20 N/mm2

Betonwerke mit guten Ausgangsstoffen,geschultem Personal und ν = 0,125...0,20 s = 2,5...4,0einwandfreier Fertigungskontrolle 0,15 3,0Größere Baustellen und Transportbeton mit normalen Fertigungs- und ν = 0,20...0,275 s = 4,0...5,5Kontrollbedingungen 0,225 4,5Kleinere Baustellen mitHerstellung des Betons auf ν = 0,275....0,35 s = 5,5...7,0der Baustelle 0,30 6,0

Tab. 2: Vorschlag für die Abschätzung von Variationskoeffizient und Standardabweichung der Betondruckfestigkeit in Ab-hängigkeit von der Ausführungsqualität [20]

2.3 Charakteristische Eigenschaften von Betonen

Wie in [1] näher erläutert, kann von der An-nahme ausgegangen werden, dass die Ergebnisse vonDruckversuchen an Probekörpern aus Beton seit 1916als vergleichbar mit aktuellen Prüfergebnissen be-trachtet werden können. Dies ist grundlegende Vor-aussetzung für eine Umrechnung der mittleren Be-tondruckfestigkeit auf das 5%-Quantil der Beton-druckfestigkeit.

Die Wahl der Verteilungsfunktion zur Umrech-nung der Betondruckfestigkeit erfolgt nach dem Vor-schlag von Fischer [21] über den Variationskoeffizi-enten ν bei Stichprobenumfängen von mehr als 30Proben mit:

ν ≤ 0,20 Normalverteilung (NV),ν > 0,20 logarithmische Normalverteilung (LNV).

Für den Zeitraum von 1916 bis 1972 werdendie Ergebnisse von [18] als Annahme der Standard-abweichung σ der Grundgesamtheit für unterschiedli-che Qualitätsniveaus genutzt. Bei mittleren Druckfe-stigkeiten < 20 N/mm2 wird ein konstanter Variati-onskoeffizient gemäß der Empfehlung von [20] ver-wendet.

Die Abschätzung der charakteristischenDruckfestigkeiten für Betone erfolgt für einen Qua-

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54Der Prüfingenieur April 2009

BAUEN IM BESTAND

litätsbereich der Herstellung und Fertigung, der fol-gende Grenzen aufweist:

– Untere Grenze der charakteristischen Betondruck-festigkeit fck

u:Kleinere Baustellen mit annehmbarer bis guterÜberwachung und Herstellung des Betons auf derBaustelle ohne Probeentnahmen:

ν = 0,35 für fcm, cube 200 < 20 N/mm2

σ = 7,0 N/mm2 für fcm, cube 200 ≥ 20 N/mm2

– Obere Grenze der charakteristischen Betondruck-festigkeit fck

o:Mittlere Baustelle mit sehr guter Überwachung(3-10 Betonproben) oder Großbaustelle mit guterÜberwachung (mehr als 30 Betonproben bei derHerstellung):

ν = 0,20 für fcm, cube < 20 N/mm2

σ = 4,0 N/mm2 für fcm, cube ≥ 20 N/mm2

Aus der Umkehrfunktion der zweiparametri-schen logarithmischen Normalverteilung ergibt sichdie charakteristische Betondruckfestigkeit für Betonemit mittleren Druckfestigkeiten < 20 N/mm2 unterBerücksichtigung obiger Umrechnungsfaktoren zu:

Nach Gleichung (4) ergeben sich auch die cha-rakteristischen Druckfestigkeiten für mittlere Beton-druckfestigkeiten ≥ 20 N/mm2 und Variationskoeffi-zienten ν > 0,20.

Für mittlere Betondruckfestigkeiten ≥ 20N/mm2 und Variationskoeffizienten ≤ 0,20 erhält manaus der Umkehrfunktion der Normalverteilung undden oben genannten Umrechnungsfaktoren die cha-rakteristische Druckfestigkeit zu:

fck = (fcm, cube 200 – 1,645 · σ) · k150/200· kcyl/cube · kL (NV) (5)

Wie Tabelle 3 zeigt, erreichen Betongütenbzw. -klassen von 1916 bis 1972 mit den statisti-schen Kennwerten von kleinen Baustellen mit an-nehmbarer bis guter Überwachung erst mit einemB 225 die Zuordnung in die unterste Festigkeits-klasse nach DIN EN 206-1 [4]. Auch Betone, dieunter der Annahme einer sehr guten Überwachungauf einer mittleren Baustelle bzw. einer gutenÜberwachung auf einer Großbaustelle hergestelltsind, erreichen erst ab B 225 eine Festigkeitsklassevon C12/15.

Für Betonfestigkeitsklassen von 1972 bis 2001sind nur die Umrechnungsfaktoren für die unter-schiedliche Probeform und die unterschiedliche La-gerung zu berücksichtigen, da die Nenndruckfestig-keit βWN ab DIN 1045:1972-01 [22] als 5%-Quantilder Grundgesamtheit definiert ist (= fck, cube 200):

fck = fck, cube 200 · k150/200 · kcyl/cube · kL (6)

Für Betonfestigkeitsklassen von 1980 bis 1990nach TGL 33411/01:1979-06 [23] ist die Normwür-feldruckfestigkeit Rn als 5%-Quantile des 150-mm-Würfels definiert (fck, cube 150). Somit ergibt sich fürdie Umrechnung:

fck = fck, cube 150 · kcyl/cube · kL (7)

(LNV)

)(1,6451

/

2

2

200,

Lcubecyl150/200

cubecmck

kkk

llnf

lnexpf

⋅⋅⋅

ν+⋅−

ν+=

(4)

Zeitraum Betonfestigkeitsgüte/ untere obere fcku ; fck

o

bzw. -klasse Grenze fcku Grenze fck

o nach aktueller[N/mm2] [N/mm2] Festigkeitsklasse

(DIN EN 206-1[4])

1916-1925 W28=150 kg/cm2 6,3 8,5 - ; C8/10

W28=180 kg/cm2 7,5 10,2 - ; C8/10

1925-1932 Wb28=100 kg/cm2 4,2 5,7 - ; -

Wb28=130 kg/cm2 5,4 7,4 - ; -

Wb28=180 kg/cm2 7,5 10,2 - ; C8/10

1932-1943 Wb28=120 kg/cm2 5,0 6,8 - ; -

Wb28=160 kg/cm2 6,7 9,1 - ; C8/10

Wb28=210 kg/cm2 9,0 11,1 - ; C8/10

1943-1972 B 120 5,0 6,2 - ; -(DDR bis1980) B 160 6,7 8,3 - ; C8/10

B 225 10,1 12,3 C8/10 ; C12/15

B 300 15,5 18,0 ~C16/20 ; C16/20

Tab. 3: Zuordnung der Druckfestigkeiten verschiedener Betongüten und -klassen von 1916 bis 1972 (bzw. 1980 DDR) indie Druckfestigkeitsklassen nach DIN EN 206-1 [4]

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BAUEN IM BESTAND

55Der Prüfingenieur April 2009

Angemerkt sei, dass die Zuordnung der Festig-keitsklassen nach Tabelle 4 nicht mit der Zuordnungdes DIBts aus dem Jahr 2002 [24] verglichen werdenkann. Die dort gestellten Festlegungen gelten nur fürden Fall, dass ein Beton mit Betonfestigkeitsklassenach früherem Normenwerk bestellt wurde (zum Bei-spiel B 35) und gemäß der Betonfestigkeitsklassenach neuerem Normenwerk geliefert werden soll(C30/37).

Wie bereits in [8] erläutert wurde, weisen dieZuordnungen des DBV-Merkblatts „Beton und Be-tonstahl“ [25] den historischen Betondruckfestigkei-ten vor 1972 höhere charakteristische Druckfestigkei-ten zu, als in diesem Beitrag vorgestellt. So wird z. B.die charakteristische Druckfestigkeit eines zwischen1943 und 1972 produzierten B 225 um 30 % (16N/mm2) höher eingestuft als die obere Grenze fck

o derTabelle 3. In [25] werden die historisch zulässigenBetondruckspannungen mit den heutigen Bemes-sungswerten der Druckfestigkeit gleichgesetzt. Dabeiwird angenommen, dass die Einflüsse aus Dauerbela-stung, der Unterschied zwischen Prüfkörpern/Bau-werk und die damals erwarteten Streuungen der Bau-qualität in den reduzierten zulässigen Spannungenabgebildet waren. Nach Gleichung (5) ergäbe sich für

Zeitraum Betonfestig- fck Festigkeitsklassekeitsklasse [N/mm2] nach

DIN EN 206-1 [4]

1972-1978 Bn 50 3,9 –

Bn 100 7,7 ~C8/10

Bn 150 11,6 ~C12/15

Bn 250 19,3 C16/20

Bn 350 27,1 C25/30

Bn 450 34,8 ~C35/40

Bn 550 42,5 C40/50

1978-2001 B 5 3,9 –

B 10 7,7 ~C8/10

B 15 11,6 ~C12/15

B 25 19,3 C16/20

B 35 27,1 C25/30

B 45 34,8 ~C35/45

B 55 42,5 C40/50

1980-1990 Bk 5 3,7 –(DDR) Bk 7,5 5,5 –

Bk 10 7,4 ~C8/10

Bk 15 11,0 ~C12/15

Bk 20 14,7 ~C12/15

Bk 25 18,4 C16/20

Bk 35 25,8 C25/30

Bk 45 33,1 C30/37

Bk 55 40,5 C40/50

Tab. 4: Zuordnung der Betonfestigkeit für verschiedeneBetonklassen von 1972 bis 2001 in die Druckfestigkeits-klassen nach DIN EN 206-1 [4]

den bereits erwähnten B 225 unter Vernachlässigungdes Umrechnungsfaktors kL für unterschiedliche La-gerungsbedingungen eine Standardabweichung vonlediglich 2,10 N/mm2, was das Niveau einer Groß-baustelle mit sehr guter Überwachung nach [18]übertrifft. Inwiefern die tatsächlichen Streuungen derdamaligen Bauqualität in [25] unterschätzt werdenoder ob die vorliegend getroffenen Annahmen als zukonservativ einzustufen sind, kann nur durch weitereUntersuchungen geklärt werden.

Unumstritten ist jedoch die Tatsache, dass dieFestlegung der charakteristischen Betondruckfestig-keiten bei der tatsächlichen Bewertung der Standsi-cherheit einer baulichen Anlage nur anhand der imvorliegenden Beitrag oder in [25] beschriebenen Zu-ordnungen keinesfalls ausreicht. Die angegebenencharakteristischen Werkstoffkennwerte sind durch ei-ne qualifizierte Bestandsaufnahme zu verifizieren –ungeprüft können sie nur der Vorbemessung dienen.

3 Betonstahl

Die folgende Betrachtung von Betonstählen(Abb. 6) aus verschiedenen Zeitperioden des letztenJahrhunderts beschränkt sich auf deren mechanischeEigenschaften. Für weitere Informationen über inDeutschland verwendete Betonstähle (Erscheinungs-bild, Schweißeignung, etc.) wird auf die umfassendeDatensammlung von Bindseil und Schmitt [26] undauf Bargmann [27] verwiesen.

Abb. 6: Drillwulst-Stahl von 1937, aus [26]

Der für die Bemessung von Stahlbetonbautei-len maßgebende Wert stellt die Streckgrenze fy dar,deren charakteristischer Wert fyk als 5%-Quantilefestgelegt ist [3]. Daneben werden über das Verhält-nis von Zugfestigkeit/Streckgrenze ft /fy und der Deh-nung unter Höchstlast Agt (jeweils als 10%-Quantile)die Anforderungen an die Duktilität geregelt [3].

3.1 Vergleich der Prüfbedingungen

Wie der Vergleich in [1] zwischen den früherenund den aktuellen Prüfbedingungen für Betonstab-stähle und Betonstahlmatten (DIN EN ISO 15630-1[28], DIN EN ISO 15630-2 [29] und DIN EN 10002-1 [30]) zeigt, können sie seit 1936 mit Einführung derDIN 1605 Blatt 2 [31] und deren Nachfolgern als ver-

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gleichbar betrachtet werden. Hinsichtlich der Prüfbe-dingungen ist eine Umrechnung der mechanischenKennwerte mittels Umrechnungsfaktoren nicht not-wendig. Einen Sonderfall stellt jedoch die geforderteDehnung bei Höchstlast Agt [3] zur Beurteilung derDuktilität dar, weil frühere Normenwerke nur Rege-lungen bezüglich der Bruchdehnung enthielten.

3.2 Beurteilung der Duktilität historischerBetonstähle

Wie Rußwurm [32] berichtet, sollen bis zurbauaufsichtlichen Einführung einer neuen DIN 488Übergangsregeln zur Zuordnung von Betonstählen indie Duktilitätsklassen A und B gelten, um die fehlen-den Regelungen der zurzeit noch gültigen DIN 488Teil 1 von 1984 [33] zu kompensieren (Tabelle 5).Diese seit 2003 angewandten Übergangsregeln beur-teilen die Duktilität von Betonstählen wie folgt:

Für hochgerippte Betonstahlmatten nach DIN488 Teil 4 [34] von 1986 kann keine eindeutige Ein-stufung in eine Duktilitätsklasse erfolgen, da diesenicht einmal die Anforderungen an die Duktilitäts-klasse A (normalduktil) erfüllen [32]. Untersuchun-gen an entsprechenden Matten ergaben für die zu-grunde gelegten 10%-Quantile der Kenngrößen derDuktilität Werte, die in Tabelle 6 den Anforderungender Duktilitätsklasse A gegenübergestellt sind.

Wie auch schon in [8] angemerkt, bedeutetdies bei der Nachrechnung (nach [3]) eines Bestands-gebäudes, welches mit entsprechenden hochgeripptenBetonstahlmatten ausgeführt wurde, dass nur die li-near-elastischen Berechnungsverfahren zur Schnitt-größenermittlung ohne Einschränkungen angewendetwerden können. Die linear-elastischen Berechnungenmit Umlagerung könnten zumindest wie für Beton-stähle mit normaler Duktilität herangezogen werden,

da sie bereits in früheren Fassungen der DIN 1045 ei-ne Umlagerung der Stützmomente um bis zu 15 %ohne entsprechende Duktilitätsanforderungen zu-ließen. Des Weiteren sollte bei der Biegebemessungmit diesen und älteren Betonstahlmatten im Grenzzu-stand der Tragfähigkeit die Stahldehnung auf maxi-mal εsu = 1,5 % begrenzt sowie auf die Ausnutzungdes ansteigenden Astes der Spannungs-Dehnungs-Li-nie nach Erreichen der Streckgrenze verzichtet wer-den.

Weitere Untersuchungen von Rußwurm [35]an schweißbaren Betonstabstählen gemäß [33] liefernfolgenden Zusammenhang zwischen der einst gefor-derten Bruchdehnung des langen ProportionalstabsA10 und der Gleichmaßdehnung Ag nach der Herstel-lungsart der Stähle (Tabelle 7).

Die kaltverformten und warmgewalzten, unbe-handelten Betonstähle gemäß [33] unterscheiden sichim Wesentlichen nur in ihrer chemischen Zusammen-setzung von den Betonstählen der Gruppe III K undIII U nach DIN 488 Blatt 1 [36] von 1972. Diese Ver-änderung wurde nur zur Sicherstellung der Schweiß-eignung vorgenommen (Kapitel „Erläuterungen“ in[33]). Die Nennwerte der Festigkeitseigenschaftenblieben unverändert. Daher wird hier davon ausge-gangen, dass die Verhältniswerte der Tabelle 7 auchfür Betonstähle gemäß [36] verwendet werden kön-nen.

Normalduktil (A) Hochduktil (B)BSt 500 M – BSt 500 S –Betonstahlmatte tiefgerippt Betonstabstahl

BSt 500 KR – Betonstahl BSt 500 WR –im Ring, kaltgerippt Betonstahl im Ring, warmgerippt

Tab. 5: Seit 2003 eingeführte Einstufung von Betonstählenin Duktilitätsklassen A/B nach [32]

Anforderung BSt 500 M BSt 500 M (A)(hochgerippt) nach nachDIN 488-4:198 [34] DIN 1045-1:2008 [3]

Verhältnis von Zugfestigkeitzu Streckgrenze 1,032 1,05(ft /fy)k

Dehnung unterHöchstlast Agt 1,67 % 2,5 %

Tab. 6: Vergleich Eigenschaften der Betonstahlmatten [32]

Herstellungsart A10/Ag

kaltgewalzter Betonstahl 2,25

warmgewalzter, aus der Walzhitzewärmebehandelter Betonstahl 1,65

warmgewalzter, unbehandelter Betonstahl 1,55

Tab. 7: Verhältnis von Bruchdehnung A10 und Gleichmaß-dehnung Ag und von schweißgeeigneten Betonstabstählen,nach [35]

Setzt man die in den Ausgaben von 1972 [36]und 1984 [33] der DIN 488 geforderten 5%-Quantileder Bruchdehnung A10 als erfüllt voraus, so ergebensich über die Verhältniswerte nach [35] Gleichmaß-dehnungen Ag, die auf der sicheren Seite liegend mitden in [3] geforderten Gesamtdehnungen unterHöchstkraft verglichen und einer entsprechendenDuktilitätsklasse zugeordnet werden können (Tabel-le 8).

Für geschweißte Betonstahlmatten wird in [35]keine allgemeine Beziehung zwischen BruchdehnungA10 und Gleichmaßdehnung Ag gegeben. Nach [25]ist die Einstufung gemäß der oben stehenden für Be-tonstabstahl in Duktilitätsklasse B auch für ältere na-turharte (nicht kaltverformte oder kaltgereckte) Be-tonstabstähle ohne Einschränkung möglich. Für kalt-

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verformte Betonstähle, die vor 1972 hergestellt wur-den, kann keine allgemeine Einteilung in eine Dukti-litätsklasse bezüglich der Gesamtdehnung unterHöchstkraft erfolgen, da keine Untersuchungen zudiesen Stählen vorliegen.

3.3 Statistische Kennwerte von Betonstahl

Zu Betonstählen, die vor 1972 produziert wur-den, enthält die deutschsprachige Fachliteratur überhistorische Betonstähle ([26], [27] oder [37]) keinestatistischen Kenngrößen bezüglich der oben genann-ten Materialeigenschaften.

Die Richtlinie 805 der Deutschen Bahn„Tragsicherheit bestehender Eisenbahnbrücken“ [38]enthält ebenfalls keine statistischen Kenngrößen derFestigkeitseigenschaften für Betonstähle, gibt aberim Modul 805.0103 Empfehlungen für die Annah-men der charakteristischen Werte (5%-Quantile):

■ Für Betonstähle, die vor 1972 eingebaut wurden,dürfen für die Zugfestigkeit Rm und die Bruchdeh-nung A10 die in den Vorschriften der Produktions-zeit geforderten Mindestwerte als charakteristi-sche Werte zugrunde gelegt werden.

■ Für die charakteristischen Werte der Streckgrenze(bzw. 0,2%-Dehngrenze) fyk sind in Abhängigkeitvom Herstellungsjahr des Tragwerkes und derseinerzeitigen Betonstahlgüte die Werte der Ta-belle 9 anzunehmen.

Herstellungsart Ag bei A10 = 10% Duktilitätsklasse[%] nach

DIN 1045-1 [3]

kaltgewalzterBetonstahl 4,4 A

warmgewalzter, ausder Walzhitze wärme- 6,1 Bbehandelter Betonstahl

warmgewalzter, unbe-handelter Betonstahl 6,5 B

Tab. 8: Gleichmaßdehnung Ag für seit 1972 produzierteBetonstabstähle verschiedener Herstellungsart, ermitteltüber die Bruchdehnung A10 = 10 % nach [35], und Zuord-nung in Duktilitätsklasse nach [3]

Im vorliegenden Beitrag wird von der Annah-me ausgegangen, dass die oben stehende Empfehlun-gen aus [38] bezüglich der charakteristischen Werk-stoffwerte für in Brückenbauwerken verwendeten Be-tonstahl auch für andere Konstruktionen aus Stahlbe-ton angewendet werden können.

Die in Tabelle 9 genannten charakteristischenKennwerte der Streckgrenze für Stahlgüten ab 1948(I, II, III, IV) werden im Folgenden ebenfalls fürBetonstähle, die auf dem Hoheitsgebiet der DDRzwischen 1965 und 1972 nach TGL 101-054 [39]produziert wurden, verwendet. Dabei wird davonausgegangen, dass deren Produktionsqualität min-destens dem Niveau von 1948 entspricht. Ausge-hend von der geforderten Mindeststreckgrenzegemäß [39] werden die warmgewalzten BetonstähleST A-0 und ST A-I der Betonstahlgüte I und derwarmgewalzte Betonstahl ST A-III der Betonstahl-güte II zugeordnet.

Mit den Einführungen der Reihen DIN 488 undTGL 12530 von 1972 werden die mechanischen Ma-terialkennwerte der genormten Betonstähle erstmalsin ganz Deutschland als 5%-Quantile der Grundge-samtheit definiert. Für Betonrippenstähle mit Zulas-sung legte der Arbeitskreis „Betonstähle“ des Länder-Sachverständigenausschusses in den westlichen Bun-desländern bereits im April 1968 das 5%-Quantil derFestigkeitseigenschaften als Anforderungskriteriumin den Vorläufigen Richtlinien für die Güteüberwa-chung von Betonrippenstahl [40] fest. Zuvor warendie Anforderungen als Mindestwerte definiert.

Die Untersuchungen von Rehm und Rußwurm[41] sowie die vom Deutschen Institut für Bautechnikzur Verfügung gestellten anonymisierten Überwa-chungsunterlagen von Betonherstellern zeigen, dassdie in den 1970er Jahren produzierten Betonstähledie gestellten Anforderungen an die Festigkeitswertein der Regel überschreiten. Somit können die in [36]geforderten Nennwerte der Betonstahlsorten auf dersicheren Seite als 5%-Quantile angenommen werden.

Für Betonstähle, die gemäß der Reihe TGL12530 ab 1972 produziert wurden, liegen keine stati-stischen Kennwerte aus der Produktion vor. In der

vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen,dass die eingebauten Betonstähle die geforder-ten 5%-Quantile der Festigkeitseigenschafteneinhalten und somit als charakteristische Werteangesetzt werden können.

3.4 Charakteristische Eigenschaften vonBetonstählen

In den folgenden Tabellen sind die cha-rakteristischen Streckgrenzen bzw. 0,2%-Dehn-

Herstellungsjahr Betonstahlgüte fyk[N/mm2]

vor 1930 – 130

Handelseisen (Anm.: St 37) 210

von 1930 bis 1948 hochwertiger Betonstahl (Anm.: St 52) 260

ab 1948 bis 1972 I 245

II, III, IV 315

ab 1972 es gilt DIN 1045 (Anm.: mit DIN 488)

Tab. 9: Charakteristische Werte fyk der Betonstähle, nach [38]

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grenzen für Betonstähle – geordnet nach ihren Be-zeichnungen – aus verschiedenen Zeitperioden desletzten Jahrhunderts zu entnehmen. Die Gliederungorientiert sich dabei zwar an den Tabellen in [25], dieim vorliegenden Beitrag zugewiesenen charakteristi-schen Streckgrenzen weichen jedoch von den dort ge-gebenen Empfehlungen ab.

Der Grund hierfür liegt in den unterschiedlichgewählten Ansätzen. In [25] werden die charakteristi-schen Werte anhand der einst zulässigen Spannungender Betonstähle in den historischen Stahlbetonbe-stimmungen und mithilfe eines globalen Sicherheits-beiwertes γ = 1,6, der die Streuungen auf Einwir-kungs- und Widerstandsseite abdecken soll, gebildet.

Des Weiteren werden in den folgenden Tabel-len die Betonstabstähle entsprechend den Empfeh-lungen und Erkenntnisse des Abschnitts 3.2 den Duk-tilitätsklassen nach DIN 1045-1 [3] zugeordnet (Ta-belle 10 und Tabelle 11). Für die in verschieden Zeit-perioden produzierten Betonstahlmatten können kei-ne allgemeinen Empfehlungen zur Einstufung in eineDuktilitätsklasse gegeben werden (Tabelle 12).

Da für Betonstähle, die vor 1972 produziertwurden, keine ausreichenden statistischen Kennwertevorliegen, werden die im vorherigen Abschnitt ge-nannten Empfehlungen auf der Grundlage der DB-Richtlinie 805 [38] zur Annahme der charakteristi-schen Streckgrenze übernommen.

Für Betonstähle, die nach 1972 produziertwurden, werden entsprechend den Erläuterungen desvorherigen Abschnitts die geforderten Nennwerte derjeweiligen Normen und Standards als auch der allge-meinen bauaufsichtlichen Zulassungen (bereits ab1968) angenommen (Abb. 7).

Bezeichnung Stahlgüte Verwendung Jahr charakt. [Duktilitätsklasse] Streckgrenze fyk

[N/mm2]

Flusseisen; Flussstahl 1860-1937 – 130(ab 1925: St 00.12) [B]

1860-1972 vor 1943 210

ab 1943 245

Betonstahl I (ab 1943) [B] 1943-1972 1943 245

BSt 220/340 GU (DIN 488) [B] 1972-1984 1972 220

hochwertiger Stahl St 52 [B] 1932-1972 1932 260

Betonstahl IIa (ab 1943) [B] 1943-1972 1943 315

St A-0 (DDR) Betonstahl I [B] 1965-1985 ab 1965 245

ab 1972 220

St A-I (DDR) Betonstahl I[B] 1965-1990 ab 1965 245

ab 1972 240

St B-IV / St B-IV S (DDR) [-] 1970-1990 1972 490

BSt 220/340 RU (I) [B] 220

BSt 420/500 RU (III) [B] 1972-1984 1972 420BSt 420/500 RK (III) [A]

BSt 420 S (III) [B] 420BSt 420 S (III) verwunden [A]

BSt 500 S (IV) [B] seit 1984 1984

BSt 500 S (IV) verwunden [A] 500

St A-III [B] 1965-1990 ab 1965 315

ab 1972 390

St T-III [B] 1972-1985 1972 400

St T-IV (ab 1981) [B]St B-IV RDP [-] 1977-1990 1977 490St B-IV S-RDP [-]

Beton-RippenstahlDIN 488

Beton-Rippenstahl (DDR)TGL 101-054TGL 12530TGL 33403

Flussstahl, Handelseisen(ab 1925: St 37, St 37.12) [B]

glatte Rundstähle

Tab. 10: Charakteristische Streckgrenzen und Duktilitätsklassen von Betonstabstählen verschiedener Zeitperioden

Abb. 7: Betonstahlmatte mit Sonderprofilierung ab 1968mit sechs Rippenreihen, aus [26]

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4 Zusammenfassungund Ausblick

Im vorliegenden Artikel werden Tabellen vor-gestellt, die eine Zuordnung der Materialkennwertevon Beton und Betonstahl aus verschiedenen Zeitpe-rioden des letzen Jahrhunderts in die nach aktuellemNormenwerk geforderten charakteristischen Bau-stoffkennwerte ermöglichen. Für Beton erfolgt eineEinstufung in die aktuellen Druckfestigkeitsklassen

Bezeichnung Stahlgüte Verwendung Jahr charakt.[Duktilitätsklasse] Streckgrenze

fyk [N/mm2]

Isteg-Stahl min. St 37, durch Verwindung 1933-1942 1933 210kaltverfestigt [-]

Drillwulst-Stahl St 52 [B] 1937-1956 1937 260

Betonstahl IIIa [B] 1943 315

Nocken-Stahl St 52 [B] 1937-1962 1937 260

BSt IIa, IIIa, IVa [B] 1943 315

Torstahl St 37 [-] 1938-1960 1938 210

Betonstahl IIIb [-] 1943 315

BSt I [B] 245

BSt IIa [B], III a[B], IV a [A] 1952-1972 1952

BSt IIb; IIIb; IVb [-] 315

QUERI-Stahl Betonstahl IVa [-] 1952-1972 1952

kaltverformter, schräggerippter Betonstahl IIIb, IVb [-] 1956-1962 1956Betonformstahl

Rippen-Torstahl Betonstabstahl IIIb [-] 1959-1972 1959

FILITON-Stahl Betonstahl IIIb [-] 1965-1969 1965

HI-BOND-A-Stahl Betonstahl IIIa [B] 1959-1972 1959 315

NORI-Stahl Betonstahl IIIa, IVa [B] 1960-1972 1960

NORECK-Stahl Betonstahl IIIb [-] 1960-1967 1960

schräggerippter mit Einheitszulassung 1964-1972 1964Betonformstahl BSt IIIa [B]

DIROC-Stahl Betonstahl IIIa [B] 1964-1969 1964

Stahl Becker KG Betonstahl IIIa [B] 1964-1969 1964

GEWI-Stahl BSt 420500 RU (III) [B] seit 1974 1974 420

BSt 500 S (IV) [B] seit 1984 1984 500

Betonformstahl vom Ring BSt 500 WR (IV) [B] seit 1984 1984 500BSt 500 KR (IV) [A]

Betonformstahl BSt 1100 [-] seit 1988 1988 500Kerntechnik

BSt 420/500 RUS [B]BSt 420/500 RTS [B] seit 1977 1977 420

BSt 500/550 RU (IV) [B]BSt 500/550 RK (IV) [A] 1973 -1984 1973 500

BSt 500/550 RUS [B]BSt 500/550 RTS [B] 1976-1984 1976 500

Betonstahl in Ringenmit Sonderrippung BSt 500 WR [A] seit 1991 1991 500

quergerippterBetonformstahl

Betonformstahl

Tab. 11: Charakteristische Streckgrenzen und Duktilitätsklassen von Betonformstählen mit Zulassung verschiedener Zeit-perioden

nach [4]. Die zu wählende Duktilitätsklasse sowie diecharakteristische Streckgrenze nach [3] werden fürBetonstabstahl, Betonformstahl mit Zulassung undBetonstahlmatten (jedoch ohne Duktilitätsklasse) zurVerfügung gestellt.

Die in Tabellenform gegebenen Zuordnungenkönnen jedoch nur der Vorbemessung dienen. Bei dertatsächlichen Bewertung der Standsicherheit einerbaulichen Anlage müssen für die weiteren Planungs-schritte die getroffenen Annahmen durch eine qualifi-zierte Bestandsaufnahme verifiziert werden. Das

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Gleiche gilt auch für die Annahme der weiteren beimStandsicherheitsnachweis benötigten Materialkenn-werte wie zum Beispiel der E-Module oder der Be-tonzugfestigkeit, wenn sie aus anderen Materialkenn-werten abgeleitet oder als Werkstoffkonstante wie derE-Modul des Betonstahls in [3] angenommen wer-den.

Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass dieWahl der Werkstoffkennwerte beim Nachweis derStandsicherheit eines Bestandsgebäudes nach neuemNormenwerk nicht die einzige Herausforderung dar-stellt. Die in [3] beschriebenen Bewehrungs- undKonstruktionsregeln sind bei der Anwendung auf Be-standsgebäude jeweils neu zu interpretieren, da einewortwörtliche Umsetzung ansonsten die Nachweise

der Trag- und Gebrauchsfähigkeit schon im Vorausunmöglich macht. Dies betrifft zum Beispiel alleStahlbetonbauteile, die noch mit glattem Betonstahlbewehrt wurden, da sich die konstruktiven Regeln in[3] alleine auf gerippte Betonstähle beziehen. Umhier dem Praktiker eine nutzbare Hilfe zu geben, wirdzurzeit von den Autoren das Forschungsvorhaben„Bauen im Bestand - Bewertung der Anwendbarkeitaktueller Bewehrungs- und Konstruktionsregeln imStahlbetonbau“ bearbeitet, mit dem Ziel einer Kom-mentierung von DIN 1045-1 [3] für den Anwen-dungsfall „Bauen im Bestand“ zu erstellen. Auch die-ses Forschungsvorhaben wird dankenswerterweisemit Mitteln des Bundesamts für Bauwesen undRaumordnung BBR sowie Unternehmen der Bauin-dustrie gefördert.

charakt.Betonstahlmatten1) Stahlgüte Verwendung Jahr Streckgrenze

fyk [N/mm2]

BaustahlgewebeB.St.G. ST 55 (IVb) 1932-1955 1932 315mit glatten Stäben

– mit ProfilierungN, Q, R-Matten2) 1957-1973 1957

Verbundstahlmatte mitKunststoffknoten Betonstahl IV B 1964-1969 1964 315

– mit Sonderprofilierung 3)

– mit Rippung 1968-1973 1968

– mit glatten Stäben BSt 500/550 GK (IVb) 1972-1984 1972BSt 500 G (IV) seit 1984 1984

– mit profilierten Stäben BSt 500/550 PK (IVb) 1972-1984 1972BSt 500 P (IV) seit 1984 1984

BSt 500/550 RK (IV) 1972-1984 1984

BSt 500 M (IV) seit 1984 1984

BSt 630/700 RK 1977 1977 630

BSt 550 MW 1989 1989 5501) Lagermattenbezeichnung nach Gewebegeometrieab 1955: Q – quadratisch (Q 92 bis Q 377); R – rechteckig (R 92 bis R 884); N – nichtstatisch (N47 bis N 141);ab 1961: A 92, B 131 – Randmattenab 1972: Q – (Q 84 bis Q 513); R – (R 131 bis R589), K – rechteckig (K 664 bis K 884); N – (N 94 und N 141);ab 1984: Q – (Q 131 bis Q 670); R – (R 188 bis R 589); K – (K 664 bis K 884)2) ab 1957 zwei Rippenreihen; ab 1962 drei Rippenreihen3) sechs Rippenreihen

– mit gerippten Stäben

Tab. 12: Charakteristische Streckgrenzen von Betonstahlmatten verschiedener Zeitperioden

5 Literatur

[1] Schnell, J.; Fischer, A.; Loch, M.: Anwendung von Teilsi-cherheitsbeiwerten auf Bestandsbauten im Hochbau. For-schungsbericht, gefördert vom Bundesamt für Bauwesen undRaumordnung (Aktenzeichen: Z 6 – 10.08.18.7-06.8 / II 2-F20-06-019), 2008.

[2] DIN EN 1990:2002-10: Eurocode: Grundlagen der Trag-werksplanung.

[3] DIN 1045-1: 2008-08: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton undSpannbeton – Teil 1: Bemessung und Konstruktion.

[4] DIN EN 206-1:2001-07: Beton – Teil 1: Festlegung, Eigen-schaften, Herstellung und Konformität; Deutsche FassungEN 206-1:2000.

[5] DIN 1045-2:2008-08: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton undSpannbeton – Teil 2: Beton; Festlegung, Eigenschaften, Her-stellung und Konformität; Anwendungsregeln zu DIN EN206-1.

[6] DIN EN 12390-2:2001-06: Prüfung von Festbeton – Teil 2:Herstellung und Lagerung von Probekörpern für Festigkeits-prüfungen; Deutsche Fassung EN 12390-2:2000.

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61Der Prüfingenieur April 2009

[7] DIN EN 12390-3:2002-04: Prüfung von Festbeton – Teil 3:Druckfestigkeit von Probekörpern; Deutsche Fassung EN12390-3:2001.

[8] Fingerloos, F.; Schnell, J.: Tragwerksplanung im Bestand.Betonkalender 2009, Seite 1-51. Berlin: Ernst & Sohn,2009.

[9] Bestimmungen für Ausführungen von Bauwerken aus Be-ton und Eisenbeton. Deutscher Ausschusses für Eisenbeton.Fassung vom 13. Januar 1916.

[10] DIN 1048:1925-09: Bestimmungen des Deutschen Aus-schusses für Eisenbeton – Bestimmungen für Druckversu-che an Würfeln bei Ausführung von Bauwerken aus Betonund Eisenbeton.

[11] TGL 33433/04:1979-06: Prüfung des erhärteten Betons –Bestimmung der Druckfestigkeit.

[12] Gehler, W.: Würfelfestigkeit und Säulenfestigkeit alsGrundlage der Betonprüfung. In Beton und Eisen 1927, Sei-te 141. Berlin: Verlag Ernst, 1927.

[13] Gehler, W.: Erläuterungen zu den Eisenbetonbestimmungen1932. 5. Auflage. Seite 32. Berlin: Verlag Wilhelm Ernst &Sohn, 1932.

[14] Bonzel, J.: Zur Gestaltsabhängigkeit der Betondruckfestig-keit. Beton und Stahlbetonbau, 54. Jahrgang, Heft 9/10.Berlin: Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, 1959.

[15] DIN 1045:1988-07: Beton- und Stahlbetonbau – Bemes-sung und Ausführung.

[16] DIN 1048-5:1991-06: Prüfverfahren für Beton – Festbeton,gesondert hergestellte Probekörper.

[17] DIN 1048:1944-04: Bestimmungen des Deutschen Aus-schusses für Stahlbeton – Teil D. Bestimmungen für Beton-prüfungen bei Ausführung von Bauwerken aus Beton undStahlbeton.

[18] Rüsch, H.; Sell, R.; Rackwitz, R.: Statistische Analyse derBetonfestigkeit. Heft 206 des Deutschen Ausschusses fürStahlbeton. Berlin: Beuth Verlag,, 1969.

[19] König, G.; Soukhov, D.; Jungwirth, D. 1998: Sichere Be-tonproduktion für Stahlbetontragwerke – Schlussbericht –DBV-Nr. 199. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 1998.

[20] Spaethe, G.: Die Sicherheit tragender Baukonstruktionen.2., neu bearbeitete Auflage. Wien: Springer-Verlag, 1992.

[21] Fischer L.: Charakteristische Werte – ihre Bedeutung undBerechnung – Diskussion einiger aktueller Sachverhalte zurneuen Normengeneration. In Bauingenieur Band 78, Seite179 bis 186. Düsseldorf: Springer VDI-Verlag, 2003.

[22] DIN 1045:1972-01: Beton- und Stahlbetonbau – Bemes-sung und Ausführung.

[23] TGL 33411/01: Beton und Leichtbeton – Klassifizierung,Technische Forderungen, Prüfung.

[24] Hartz, U.: Neues Normenwerk im Betonbau. In DIBt-Mit-teilungen 1/2002, Seite 2 bis 6. Berlin: Verlag Ernst &Sohn, 2002.

[25] DBV-Merkblatt „Bauen im Bestand – Beton und Beton-stahl“. Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E. V., Fas-sung Januar 2008.

[26] Bindseil, P.; Schmitt, M.: Betonstähle vom Beginn desStahlbetonbaus bis zur Gegenwart. Berlin: Verlag für Bau-wesen (CD 2002), 2002.

[27] Bargmann, H.: Historische Bautabellen – Normen und Kon-struktionshinweise 1870 bis 1960. 3. Auflage. Düsseldorf:Wernerverlag, 2001.

[28] DIN EN ISO 15630-1:2002-09: Stähle für die Bewehrungund das Vorspannen von Beton – Prüfverfahren – Teil 1: Be-wehrungsstäbe, -walzdraht und -draht (ISO 15630-1:2002)Deutsche Fassung EN ISO 15630-1:2002.

[29] DIN EN ISO 15630-2:2002-09: Stähle für die Bewehrungund das Vorspannen von Beton – Prüfverfahren – Teil 2:Geschweißte Matten (ISO 15630-2:2002) Deutsche Fas-sung EN ISO 15630-2:2002.

[30] DIN EN 10002-1:2001-12: Metallische Werkstoffe – Zug-versuch – Teil 1: Prüfverfahren bei Raumtemperatur; Deut-sche Fassung EN 10002-1:2001.

[31] DIN 1605 Blatt 2: 1936-02: Werkstoffprüfung: Mechani-sche Prüfung der Metalle; Zugversuch bei Zimmertempera-tur (Blatt 2).

[32] Rußwurm, D.: Neue Stahlbetonnorm DIN 1045-1 ohne Be-tonstahl? In Bauingenieur Band 78, Januar 2003. Düssel-dorf: Springer VDI-Verlag, 2003.

[33] DIN 488 Teil 1:1984-09: Betonstahl – Sorten, Eigenschaf-ten, Kennzeichnung.

[34] DIN 488 Teil 4:1986-06: Betonstahl – Betonstahlmattenund Bewehrungsdraht; Aufbau, Maße und Gewichte.

[35] Rußwurm, D.: Gleichmaßdehnung von Betonstählen. InHeft 397 des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton. Berlin:Beuth Verlag, 1988.

[36] DIN 488 Blatt 1:1972-04: Betonstahl – Begriffe, Eigen-schaften, Werkkennzeichen.

[37] Rußwurm, D. 2000: Entwicklung der Betonstähle. Hrsg. In-stitut für Stahlbetonbewehrung e. V. (ISB), München, 2000.

[38] DB-Richtlinie 805: Tragsicherheit bestehender Brücken-bauwerke. Deutsche Bahn, Fassung vom 01. 09. 2002.

[39] TGL 101-054; 1965-08: Betonstähle.

[40] Vorläufige Richtlinie für die Güteüberwachung von Beton-rippenstahl. Fassung April 1968.

[41] Rehm, G.; Rußwurm, D.: Anmerkung zur Güte von Beton-stählen. In Betonwerk + Fertigteil-Technik, Heft 1+2/1977,Seite 28ff und Seite 66ff. Gütersloh: Bauverlag, 1977.

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BRANDSCHUTZ

1 Privatisierung derbautechnischen Prüfung

Auch wenn die Musterbauordnung (MBO) von1960 bis zur Fassung 2002 ständig fortgeschriebenwurde, haben sich die Landesbauordnungen erheb-lich auseinander- und von der Musterbauordnungwegentwickelt, die somit ihre Leitbildfunktion für dieBauordnungen der Länder verloren hat. DieseRechtszersplitterung hat auch vor der bautechnischenPrüfung von Bauvorhaben nicht Halt gemacht. DieEinhaltung der Anforderungen an die Standsicher-heit, den Brand-, Schall-, Wärme- und Erschütte-rungsschutz ist nach den jeweiligen Landesregelun-gen nachzuweisen; die Prüfung beschränkt sich je-doch auf die Nachweise der Standsicherheit und desBrandschutzes und wird in den Ländern von ver-schiedenen Prüfpersonen durchgeführt.

Mit der MBO 2002 wurde der Grundstein füreinen weitestgehenden Rückzug des Staates aus derhoheitlichen Prüfung bautechnischer Nachweise ge-legt, wozu auch die Prüfung der Brandschutznach-weise zählt. Die MBO ist als entwicklungsoffenerRahmen konzipiert, der sowohl die herkömmlichebauaufsichtliche Prüfung einschließlich der Übertra-gung bauaufsichtlicher Prüfaufgaben auf Prüfinge-nieure als beliehene Unternehmer vorsieht, wie auchdie privatrechtliche Prüfung durch Prüfsachverständi-ge. Von diesen Wahlmöglichkeiten haben die LänderGebrauch gemacht. So werden bautechnische Nach-weise derzeit neben dem bekannten Prüfingenieurauch von Prüfsachverständigen und neuerdings imSaarland auch von „Prüfberechtigten“ geprüft.

2 Status des Prüfingenieurs

Die Prüfung der Brandschutznachweise obliegtvom Grundsatz her der Bauaufsichtsbehörde. Bedientsich nun die Bauaufsichtsbehörde zur Erfüllung die-ser öffentlichen Aufgabe der Hilfe anerkannter Prüf-

Der Prüfingenieur fürBrandschutz – eine neueAufgabe für BauingenieureVoraussetzung dafür sind vertiefte fachliche Kenntnisse und einemindestens fünfjährige Berufspraxis

Standsicherheit und Brandschutz konkretisierendas grundgesetzlich garantierte Recht des Men-schen auf Leben und körperliche Unversehrtheit.Die Prüfung und Überwachung dieser Sicher-heitsanforderungen erfolgte bisher auf unter-schiedliche Weise. Während die Gewährleistungder Standsicherheit baulicher Anlagen seit Jahr-zehnten in den Händen von Prüfingenieuren undPrüfämtern für Baustatik liegt, blieb die Prüfungder Brandschutzkonzeptionen lange Zeit den Bau-aufsichtsbehörden vorbehalten. Hier ist in denletzten Jahren ein Wandel eingetreten: Neben demPrüfingenieur für Baustatik ist der Prüfingenieurfür Brandschutz getreten. Das Ziel dieser Vorge-hensweise liegt in der Entlastung der Bauauf-sichtsbehörden. Gleichzeitig eröffnet sich damitauch für die freiberuflich tätigen Bauingenieureein neues Betätigungsfeld.

studierte das Bauingenieurwe-sen an der TU Berlin, ist seit1982 im Berliner Prüfamt fürBaustatik tätig und seit 1994als Baudirektor dessen Leiter;er ist seit mehreren Jahren Vor-sitzender eines länderübergrei-fenden Prüfungsausschusses fürdie Anerkennung von Prüfinge-nieuren für Standsicherheit.

Dr.-Ing. Peter Wagner

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63Der Prüfingenieur April 2009

BRANDSCHUTZ

ingenieure für Brandschutz, so werden die Prüfinge-nieure durch die behördliche Beauftragung in die ho-heitliche Verwaltung einbezogen und stehen in einemöffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis (Belei-hung). Ihre Tätigkeit ist also eine hoheitliche Tätig-keit („beliehener Unternehmer“), die sonst eine staat-liche Behörde ausführen müsste. Die Beauftragungdes Prüfingenieurs durch die Bauaufsichtsbehördeoder durch den Bauherrn entscheidet aber nicht darü-ber, ob der Prüfingenieur hoheitlich (bauaufsichtlich)oder privatrechtlich tätig wird. Auch bei einer durchden Bauherrn veranlassten bautechnischen Prüfungwird der Prüfingenieur als „verlängerter Arm“ derBauaufsichtsbehörde tätig und ist unabhängig ge-genüber dem Bauherrn. Da die Prüfingenieure Be-standteil der (mittelbaren) Staatsverwaltung sind, un-terliegen Sie der Fachaufsicht der obersten Bauauf-sichtsbehörde.

Völlig anders ist dagegen die Rechtsstellungdes Prüfsachverständigen, beispielsweise des Prüf-sachverständigen für Brandschutz. Er prüft und be-scheinigt im Auftrag des Bauherrn oder des sonstigennach Bauordnungsrecht Verantwortlichen die Einhal-tung bauordnungsrechtlicher Brandschutzanforderun-gen und nimmt keine hoheitlichen bauaufsichtlichenPrüfaufgaben wahr. Aufgrund dieser privatrechtli-chen Beauftragung des Prüfsachverständigen ergebensich auch haftungsrechtliche Unterschiede zum Prüf-ingenieur. Beim hoheitlich tätigen Prüfingenieur istein Anspruch aus Pflichtverletzungen nur unter denVoraussetzungen der Amtshaftung nach Art. 34 Satz1 GG in Verbindung mit § 839 BGB gegeben,während der Prüfsachverständige in vollem Umfangfür seine Sachverständigentätigkeit haftet.

3 Anerkennungsvoraus-setzungen

Die Voraussetzungen und das Verfahren für dieAnerkennung als Prüfingenieur sind in den Bautech-nischen Prüfungsverordnungen der Länder geregelt.Die Anerkennung als Prüfingenieur für Brandschutzerfolgt durch die oberste Bauaufsichtsbehörde desLandes, in dem der Bewerber seinen Geschäftssitzhat. Es können nur Personen als Prüfingenieur aner-kannt werden, die nach ihrer Persönlichkeit Gewährdafür bieten, dass sie ihre Aufgaben ordnungsgemäßerfüllen, die Fähigkeit besitzen, öffentliche Ämter zubekleiden, die deutsche Sprache in Wort und Schriftbeherrschen und eigenverantwortlich und unabhängigtätig sind. Unabhängig tätig ist, wer im Zusammen-hang mit seiner Berufstätigkeit weder eigene Produk-tions-, Handels- oder Lieferinteressen hat, noch frem-de Interessen dieser Art vertritt.

Eigenverantwortlich tätig ist, wer seine berufli-che Tätigkeit als einziger Inhaber eines Büros selbst-ständig auf eigene Rechnung und Verantwortung aus-übt oder wer sich mit anderen Architekten oder Ingeni-euren zusammengeschlossen hat und innerhalb diesesZusammenschlusses Vorstand, Geschäftsführer oderpersönlich haftender Gesellschafter in einer rechtlichgesicherten leitenden Stellung ist und seine Aufgabenals Prüfingenieur auf eigene Rechnung und Verantwor-tung und frei von Weisungen ausführen kann. Nebendiesen allgemeinen Voraussetzungen müssen folgendebesondere Voraussetzungen erfüllt sein:

■ erfolgreicher Abschluss eines Studiums an einerdeutschen Hochschule oder eines gleichwertigen Stu-diums an einer ausländischen Hochschule in denFachrichtungen Architektur, Hochbau, Bauingenieur-wesen oder eines Studiengangs mit SchwerpunktBrandschutz oder die Ausbildung mindestens für dengehobenen feuerwehrtechnischen Dienst,

■ danach mindestens fünf Jahre Erfahrung in derbrandschutztechnischen Planung und Ausführungvon Gebäuden, insbesondere von Sonderbauten un-terschiedlicher Art mit höherem brandschutztechni-schem Schwierigkeitsgrad, oder deren Prüfung,

■ Besitz der erforderlichen Kenntnisse im Bereichdes abwehrenden Brandschutzes, des Brandverhal-tens von Bauprodukten und Bauarten, des anlagen-technischen Brandschutzes und der einschlägigenbauordnungsrechtlichen Vorschriften.

4 Prüfungsverfahren

Anerkennungsverfahren für Prüfingenieure fürBrandschutz werden in der Regel einmal jährlichdurchgeführt. Die obersten Bauaufsichtsbehörden derLänder geben die Durchführung eines Anerken-nungsverfahrens in geeigneter Form bekannt; in Ber-lin erfolgt durch die Senatsverwaltung für Stadtent-wicklung eine entsprechende Bekanntmachung imAmtsblatt. Die Prüfung der formalen Anerkennungs-voraussetzungen obliegt der Anerkennungsbehörde(oberste Bauaufsichtsbehörde), die Prüfung der fach-lichen Eignung des Bewerbers erfolgt in einem drei-stufigen Prüfungsverfahren durch einen Prüfungsaus-schuss. Hierzu haben die Länder Berlin, Branden-burg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklen-burg-Vorpommern und das Saarland einen gemeinsa-men Prüfungsausschuss mit Geschäftssitz in Dresdengebildet. In der ersten Stufe des Prüfungsverfahrenswerden der fachliche Werdegang und die Referenz-objekte bewertet, in den Stufen 2 und 3 hat der Be-werber seine fachlichen Kenntnisse schriftlich und

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BRANDSCHUTZ

mündlich darzulegen. Um seine fachliche Eignungnachzuweisen, muss der Bewerber alle drei Stufen er-folgreich durchlaufen.

1. Stufe: Bewertung des fachlichen Werdegangs undder Referenzobjektliste

Der Prüfungsausschuss stellt anhand des fach-lichen Werdegangs und der Referenzobjektliste diemindestens fünfjährige Erfahrung des Bewerbers inder brandschutztechnischen Planung und Ausführungvon Gebäuden oder deren Prüfung fest, insbesonderevon Sonderbauten mit höherem brandschutztechni-schem Schwierigkeitsgrad. Aus der vorgelegten Re-ferenzobjektliste werden vom Prüfungsausschussmindestens drei Brandschutznachweise bzw. Prüfbe-richte ausgewählt und bewertet.

2. Stufe: Schriftliche Prüfung

Der Schwierigkeitsgrad der Prüfungsaufgabenist auf das Niveau von Sonderbauten unterschiedli-cher Art mit höherem brandschutztechnischemSchwierigkeitsgrad abgestellt. Die schriftliche Prü-fung umfasst die vier Bereiche, in denen der Bewer-ber die erforderlichen Kenntnisse besitzen muss: ab-wehrender Brandschutz, Brandverhalten von Baupro-dukten und Bauarten, anlagentechnischer Brand-schutz und einschlägige bauordnungsrechtliche Vor-schriften.

Somit erstreckt sich der Prüfstoff über folgen-de Gebiete:

■ Grundlagen zur Durchführung wirksamer Brand-bekämpfungsmaßnahmen (Zugänge, Zufahrten, Be-wegungsflächen für die Feuerwehr, Versorgung mitLöschwasser, Rettungsgeräte der Feuerwehr),

■ Klassifizierung von Bauprodukten und Bauartennach Prüfverfahren der Bauregelliste A Teil 1,

■ Grundlagen der Brandlehre, des konstruktivenBrandschutzes und der Ingenieurmethoden desBrandschutzes,

■ Anordnung, Anforderungen und Ausbildung vonBrandmeldeanlagen, Rauch- und Wärmeabzugsanla-gen, Anlagen zur Rauchfreihaltung (Differenzdruck-systeme) und Löschanlagen,

■ bauordnungsrechtliche Brandschutzanforderun-gen und eingeführte Technischen Baubestimmungen.

3. Stufe: Mündliche Prüfung

Grundlage der mündlichen Prüfung bilden dieeingereichten Brandschutznachweise bzw. Prüfbe-

richte und die Ergebnisse der Beantwortung derschriftlichen Prüfungsaufgaben.

5 Gegenseitige Anerkennung

In der MBO 2002 wurde die Wahlmöglichkeitzwischen der hoheitlichen (bauaufsichtlichen) Prü-fung durch Prüfingenieure und der privatrechtlichenPrüfung durch Prüfsachverständige verankert. Dem-zufolge gibt es in den Ländern nun Prüfingenieure fürBrandschutz und auch entsprechende Prüfsachver-ständige. Nach den Regelungen der M-PPVO sind dieAnerkennungen als Prüfingenieur und als Prüfsach-verständiger gleichwertig, und es gilt zwischen denLändern die gegenseitige Anerkennung. Die Praxissieht jedoch anders aus.

Einige der Länder, die sich für das hoheitlicheSystem des Prüfingenieurs entschieden haben, akzep-tieren in ihrem Land keine bautechnischen Prüfungendurch Prüfsachverständige. So werden beispielsweisedie staatlich anerkannten Sachverständigen für diePrüfung des Brandschutzes aus Nordrhein-Westfalenvon den sieben Ländern, die am gemeinsamen Prü-fungsausschuss für die Anerkennung von Prüfinge-nieuren und Prüfsachverständigen für Brandschutzbeteiligt sind, nicht anerkannt, da diese Sachverstän-digen aus NRW keine Sonderbauten prüfen dürfen.

Besondere Bedeutung kommt der gegenseiti-gen Anerkennung der Prüfingenieure und Prüfsach-verständigen durch die notwendige Umsetzung derEU-Dienstleistungsrichtlinie bis zum Jahresende2009 zu. Der momentane Gegensatz könnte nichtkrasser sein: Auf der einen Seite haben wir das zu-sammenwachsende Europa mit einer Verlagerungvon Gesetzgebungskompetenzen auf die Europäi-sche Union, auf der anderen Seite leisten wir unsaufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublikden Luxus von 16 Landesauordnungen und einerentsprechenden Vielzahl von Rechtsverordnungendazu.

Zur Umsetzung der von der von der Europäi-schen Union geforderten Dienstleistungsfreiheit wur-de von den Gremien der ARGEBAU die M-PPVOüberarbeitet. Danach wird es auch Personen aus an-deren Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterbestimmten Voraussetzungen ermöglicht, in der Bun-desrepublik bautechnische Prüfungen durchzuführen.Vor diesem Hintergrund erscheint es völlig paradox,wenn die Bundesländer ihre Prüfingenieure und Prüf-sachverständigen nicht gegenseitig anerkennen; mankönnte quasi von einer „Inländerdiskriminierung“sprechen.

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IMPRESSUM

65Der Prüfingenieur April 2009

Herausgeber:Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V.

Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, Kurfürstenstr. 129, 10785 BerlinE-Mail: [email protected], Internet: www.bvpi.de

ISSN 1430-9084

Redaktion:Klaus Werwath, Lahrring 36, 53639 Königswinter

Tel.: 0 22 23/9123 15, Fax: 0 22 23/9 09 80 01E-Mail: [email protected]

Technische Korrespondenten:

Baden-WürttembergDr.-Ing. Frank Breinlinger, Tuttlingen

Bayern:Dr.-Ing. Robert Hertle, Gräfelfing

Berlin:Dipl.-Ing. J.-Eberhard Grunenberg, Berlin

Brandenburg:Prof. Dr.-Ing. Gundolf Pahn, Herzberg

Bremen:Dipl.-Ing. Ralf Scharmann, Bremen

Hamburg:Dipl.-Ing. Horst-Ulrich Ordemann, Hamburg

Hessen:Dipl.-Ing. Bodo Hensel, Kassel

Mecklenburg-Vorpommern:Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Krüger, Wismar

Niedersachsen:Dipl.-Ing. Wolfgang Wienecke, Braunschweig

Nordrhein-Westfalen:Dipl.-Ing. Josef G. Dumsch, Wuppertal

Rheinland-Pfalz:Dipl.-Ing. Günther Freis, Bernkastel-Kues

Saarland:Dipl.-Ing. Gerhard Schaller, Homburg

Sachsen:Prof. Dr. sc.techn. Lothar Schubert, Leipzig

Sachsen-Anhalt:Dipl.-Ing. Undine Klein, Halle

Schleswig-Holstein:Dipl.-Ing. Kai Trebes, Kiel

Thüringen:Dipl.-Ing. Volkmar Frank, Zella-Mehlis

BVPI/DPÜ/BÜV/vpi-EBA:Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann

Druck:Vogel Druck und Medienservice, Leibnizstraße 5, 97204 Höchberg

DTP:Satz-Studio Heimerl

Scherenbergstraße 12 . 97082 Würzburg

Die meisten der in diesem Heft veröffentlichten Fachartikelsind überarbeitete Fassungen der Vorträge, die bei den Arbeitstagungen

der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik gehalten worden sind.

Der Inhalt der veröffentlichten Artikel stellt die Erkenntnisse und Meinungender Autoren und nicht die des Herausgebers dar.

„Der Prüfingenieur“ erscheint mit zwei Ausgaben pro Jahr.

Bestellungen sind an den Herausgeber zu richten.

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