Der verschleierte Völkermord - Rowohlt · Der V orm arsch der A rab er wu rd e für die schw arz...

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Leseprobe aus: Tidiane N'Diaye Der verschleierte Völkermord Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de. Copyright © 2010 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

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Leseprobe aus:

Tidiane N'Diaye

Der verschleierte Völkermord

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Copyright © 2010 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 11

Kapitel iUnterjochungsformen in Afrikavor der arabischen Eroberung 15

Kapitel iiDer Schwarze in der Kollektivvorstellungder arabomuslimischen Völker 43

Kapitel iiiDie arabische Eroberung Afrikas 65

Kapitel ivNach der Eroberung Afrikas: Islamisierungund afrikanische Mittäterschaft 93

Kapitel vAfrikanischer Widerstand 115

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Kapitel viBestialisierung, Razzien und Menschenjagdoder die Erniedrigung Afrikas 131

Kapitel viiDie Schwarzen im arabomuslimischenSklavensystem 151

Kapitel viiiPlanmäßige ethnische Auslöschungdurch Kastrierung 179

Kapitel ixDas «Stockholm-Syndromafrikanischer Art» oder die Amnesieaus religiöser Solidarität 197

Anhang

Koransuren, die die Sklavereivon Nicht-Muslimen durch Muslimebefürworten 225

Der Fluch von Ham 227

Zeugnis von Hayrettin Effendi, letzter Eunuchdes letzten Sultans 229

Zeittafel 233

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Begriffserklärung 237

Bibliogra phie 245

Bildquellen 252

Danksagung 253

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11Vorwort

Vorwort

Die Araber* 1 haben auf ihren Eroberungszügen erst Nordafrikaeingenommen, unterworfen und islamisiert, dann Spanien, wosie eine hochentwickelte Kultur hervorbrachten, die in den Emi-raten und Kalifaten von Córdoba ihren Ausdruck fand. Auf ihremRückzug nach Afrika, der mit einer erneuten Islamisierungswelleder Völker einherging, brachten sie gewaltiges Unheil mit sich.Der Vormarsch der Araber wurde für die schwarzen Völker zueiner regelrechten Überlebensfrage. Millionen Afrikaner wurdenüberfallen, niedergemetzelt, gefangen genommen oder kastriertund unter unmenschlichen Bedingungen karawanenweise querdurch die Sahara oder, von den ostafrikanischen Kontoren fürmenschliche Ware aus, über den Seeweg in die araboislamischeWelt deportiert. Die meisten Araber, die im Zuge der ersten Wellezur Islamisierung der schwarzen Völker nach Nordafrika gelang-ten, gaben sich als Glaubenspfeiler und Vorbild für die Gläubigenaus. Sie zogen oft von Region zu Region, den Koran in der einenHand, in der anderen das Messer, dabei heuchelten sie ein «from-mes Leben» und nahmen in jeder ihrer Äußerungen Bezug aufAllah und die Hadithe* seines Propheten.

In Wahrheit traten die arabischen Sklavenhändler, die Afrikaverheerten, diese schönen und edlen Prinzipien vorsätzlich, sie-

1 Die mit einem Stern versehenen Wörter werden im Anhang erläutert.

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gessicher und voller Verachtung mit Füßen. Denn unter diesemreligiösen Vorwand begingen sie die schändlichsten Verbrechenund die entsetzlichsten Grausamkeiten. Édouard Guillaumetschrieb dazu: «Was für ein Unglückstag für Afrika, als die Araberden Kontinent betraten. Denn sie brachten nicht nur ihre Religi-on, sondern auch ihre Verachtung für den Neger mit . . .»

Mag es aus heutiger Sicht scheinen, dass die Anhänger des so-zial-moralisch und intellektuell integren Propheten Mohammedbei der Islamisierung der afrikanischen Völker in den meistenLändern Kompromisse eingegangen waren und die vorhandenenKulturen und Sprachen weitestgehend wahrten, so ist dies nur einTeil der Wahrheit: Die Geschichte der Araber, die die schwarzenVölker in die Finsternis tauchten, war vor allem die Geschichteerbarmungsloser Grausamkeiten.

Hatte der transatlantische Sklavenhandel vier Jahrhundertegewährt, so haben die Araber dreizehn Jahrhunderte lang denafrikanischen Kontinent südlich der Sahara ununterbrochen ge-plündert. Der größte Teil der Millionen deportierten Afrikanerkam infolge der unmenschlichen Behandlung und der systema-tisch angewandten Kastrierung ums Leben.

Der arabomuslimische Sklavenhandel begann, als der Generalund Emir Abdallah ben Said den Sudanesen im Jahre 652 einenbakht (Vertrag) aufgezwungen hatte, der sie jährlich zur Liefe-rung von Hunderten Sklaven verpflichtete. Die meisten stamm-ten aus den verschiedenen Bevölkerungsgruppen der Darfur-Region. Von hier aus ging ein beispielloser Menschenraub aus,der offiziell erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts sein Ende findensollte.

Dieses schmerzvolle Kapitel der Geschichte der schwarzenVölker ist noch immer nicht abgeschlossen. Unmittelbar nachdem Zweiten Weltkrieg und nachdem der ganze Schrecken derShoah ans Tageslicht kam, erfuhr die Welt das wahre Ausmaß

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der Grausamkeit des Menschen, aber auch seiner Vergänglich-keit. Unter dem Eindruck dieses Schocks erklärte die internatio-nale Gemeinschaft in Form eines berühmten und denkwürdigennever again, dass sie so etwas nie wieder zulassen würde. Denkünftigen Historikern wird dies umso absurder erscheinen, alssich gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Sudan eine eth-nische Säuberungskampagne unter der Bevölkerung des Darfurabspielt.

Bereits im April 1996 verwies der Sondergesandte der Ver-einten Nationen für den Sudan auf eine «erschreckende Zunah-me der Sklaverei, des Sklavenhandels und der Zwangsarbeit imSudan». Im Juni des gleichen Jahres schrieben zwei Journalistender Baltimore Sun, denen die Einreise in den Sudan gelungenwar, in ihrem Artikel «Zwei Zeugen der Sklaverei», dass sie zweijunge Sklavinnen freikaufen konnten. Der Horror im Darfurwährt mittlerweile seit dem 7. Jahrhundert bis hinein ins 21. Jahr-hundert, mit dem Unterschied, dass es nun auch eine ethnischeSäuberung gibt.

Es wäre an der Zeit, dass der araboislamische Sklavenhandel,der einem Völkermord gleichkommt, näher untersucht wirdund gleichermaßen zur Sprache kommt wie der transatlantischeMenschenhandel. Denn obwohl sich Horror und Grausamkeitweder differenzieren noch monopolisieren lassen, kann man mitFug und Recht sagen, dass der von den erbarmungslosen arabo-muslimischen Räubern betriebene Sklavenhandel und der vonihnen geführte Dschihad* weitaus verheerender für Schwarz-afrika war als der transatlantische Sklavenhandel. Und diesesunendliche Gemetzel, dieser Völkermord unter freiem Himmelwährt noch heute vor unser aller Augen.

Tidiane N’Diaye

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15Unterjochungsformen in Afrika

Kapitel i

Unterjochungsformen in Afrikavor der arabischen Eroberung

Die Wahrheit ist, dass der kongolesische Sklaveein zusätzlicher Teil der Familie ist. Er ist in sie hineingeraten.

Ein künstliches Kind, wenn ich es so sagen darf.Doktor Cureau

Im Laufe der Jahrhunderte gab es in allen Gesellschaften welt-weit und in allen historischen Epochen unzählige Menschen, dievon ihresgleichen zu Handelsobjekten herabgewürdigt wurden.So lassen sich in den afrikanischen Gesellschaften bereits in derPharaonenzeit Spuren von Unterjochung nachweisen. Geschicht-lich gesehen machten die Völker Afrikas die gleiche Entwicklungdurch wie die Menschen in nahezu allen anderen Kulturräumen.

An dieser Stelle bietet es sich an, das Rad der Zeit etwas zu-rückdrehen und einen Blick auf die Griechen und Römer zu wer-fen. Stellen wir die Frühphase dieser Epoche in den Hintergrund,in der der Sklave kaum mehr als ein weitverbreitetes Gut war, undwenden uns dem Athen des 4. Jahrhunderts v. Chr. zu: Dort leb-ten mindestens zweihundertfünfzigtausend unfreie Menschen.Das bedeutet, dass jeder Bürger mindestens einen Sklaven besaß.Von Xenophon wissen wir, wie leicht es zu jener Zeit war, sicheinen Sklaven zu beschaffen. Die aus Oberägypten stammendenNubier (die bereits zu den Afrikanern zählten), wurden hier sehrgeschätzt, obwohl es nur wenige von ihnen gab. Auch bei den

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Römern war die Sklaverei gang und gäbe. Im Laufe ihrer zahl-reichen, beispielsweise unter der Regentschaft von Julius Cäsargeführten Eroberungskriege versklavten sie in ihren fernab ge-legenen Kolonien eine beträchtliche Zahl von gefangen genom-menen Aufständischen oder «Entführten», die in der Regel dersogenannten weißen «Rasse*» angehörten. Für die Ausweitungseiner Warenproduktion führte das antike Rom die Sklaverei ingroßem Maßstab ein. So gab es schätzungsweise bis zu drei Mil-lionen Sklaven in Italien, das waren nahezu dreißig Prozent derBevölkerung. Der durch eine Reihe ausgezeichneter Filme über-lieferte Spartacus-Aufstand kostete Zehntausende Sklaven dasLeben. Der Name von General Crassus ging in die Geschichte ein,weil er sechstausend überlebende Sklaven nach den erbittertenKampfhandlungen entlang der von Neapel nach Rom führendenVia Appia kreuzigen ließ. Aber Rom hatte inzwischen seine Füh-rungsrolle eingebüßt, und vier Jahrhunderte später brachten dieschweren Krisen der Stadt das Imperium zu Fall.

Die Völker des Abendlandes, unausgesetzt unter der Gewalt-herrschaft der verschiedensten Eroberer und Opfer von allerleiKriegswirren, waren bis in die Renaissance hinein ihren jewei-ligen « Herren » tributpflichtig. Das ewige Gesetz des Stärkerenmachte allzeit den Besiegten zum Sklaven des Siegers. Denn: Vaevictis! In Europa stellte das Mittelalter eine Blütezeit des Skla-venhandels dar, unter dem zum Teil Arabomuslime und Judenzu leiden hatten. Das Mittelmeer wurde zum «Schlachtfeld», aufdem sich Lateiner und Morgenländer blutige Kämpfe lieferten,in deren Verlauf Hunderttausende gefangen genommen wurden.Bis zur Einnahme von Konstantinopel durch die Türken gab esauf den Sklavenmärkten unzählige «Slawen», so die Bezeichnungder weißen europäischen Gefangenen im arabomuslimischenRaum, deren Schicksal hinlänglich bekannt ist, und die nach undnach durch Afrikaner ersetzt wurden.

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17Unterjochungsformen in Afrika

Auf allen Kontinenten und in allen Kulturräumen stellte dieHerrschaft des Menschen über seinesgleichen ein wesentlichesMerkmal der Geschichte der Menschheit dar. Die Sklaverei istlediglich die markanteste und extremste Ausprägung dieser un-gerechten Machtverhältnisse, bei denen Menschen es sich an-maßen, ihren Willen einer fremden Person uneingeschränkt auf-zuzwingen, und denen zufolge der «Herr» seine Knechte nachGutdünken behandeln darf. In zahlreichen Kulturräumen warenSklaven genau wie andere Güter abtretbar und veräußerbar. Diesist nachgerade die Negierung der ureigensten Merkmale des frei-en Menschen, wie etwa über seine eigene Person zu bestimmenund nach seinem eigenen Willen zu handeln, Vermögen zu besit-zen und darüber frei zu verfügen, arbeiten zu können und seineArbeit frei zu wählen.

Es ist bekannt, dass der Mensch zu allen Zeiten «dem Jochdes Menschen» (Augustinus) unterworfen war: Sklaverei, Leib-eigenschaft*, heutzutage sogar Prostitution und Ausbeutungvon Kindern. Keine Kultur war davor gefeit. Zu behaupten, dieseoder jene Gesellschaft habe Sklaverei betrieben, hieße sich alsRichter über eine vermutlich weltweit verbreitete Abscheulich-keit gerieren zu wollen. Denn Afrikaner, Europäer (Griechen,Römer usw.), Araber, Perser, Chinesen, Indianer aus Mexiko undden Anden praktizierten alle ein System der Sklaverei, wenn auchunterschiedlich in Form und Ausmaß, das unsere moderne Ethikentschieden verurteilt. Dabei bedienten sich Christen und Mus-lime gleichermaßen kaltblütig der Gewalt und der Religion. Zwarersetzt heute der politische und juristische Kampf die Moral,doch gilt nach wie vor das Recht des Stärkeren. Recht bekommt,wer am lautesten schreit, manchmal in einer Art Wettstreit derErinnerungen. Es geht überhaupt nicht darum, die Geschichteoder die Erinnerungskulturen ethnischen Kategorien zuzuord-nen, weil damit der Opferhierarchisierung Tür und Tor geöffnet

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werden würde. Doch übertrafen Sklavenhandel und Versklavungauf dem Schwarzen Kontinent alles, was es jemals vorher gab, anOpferzahlen, Dauer und Schrecken. Und in der Erinnerungsge-schichte dieses Unheils ist der Sklavenhandel historisch geseheneine Erfindung der arabomuslimischen Welt.

Die Tragweite dieser von den Arabern eingeläuteten Tragödieist in sich einzigartig: Sie ist in Bezug auf Intensität, Rechtfer-tigung, Wesensart, vor allem hinsichtlich ihrer Dauer – dreizehnJahrhunderte – und der Vielzahl der Gesellschaften, die sie be-trieben, eine noch nie da gewesene Form der Sklaverei. Diesesgigantische Unternehmen, das einzig vom Drang der arabo-muslimischen Nationen nach Expansion, Menschenhandel undHaussklaven motiviert war, hätte zur völligen Ausrottung derschwarzen Völker auf dem afrikanischen Kontinent führen kön-nen.

Einigen Quellen zufolge gab es im alten Ägypten weder Sklavereinoch Rassismus, in der ägyptischen Sprache nicht einmal einenBegriff für Sklaven. Jeder Diener, heißt es, erhielt einen Lohn undbesaß bestimmte Privilegien. Niemand war uneingeschränkt ab-hängig von einem anderen Menschen, wie es die Definition vonSklaverei will. Obwohl die Analyse der ägyptischen Soziologie zu-nächst keinerlei Unterwerfungspraktiken nachweisen konnte, be-schrieben die Forscher, die sich im Wesentlichen auf griechische,das heißt mündlich überlieferte Quellen stützten, die Untertanender Pharaonen hingegen als ein serviles Volk, das für den Ruhmgrößenwahnsinniger Monarchen mit der Peitsche zum Bau nutz-loser Bauwerke gezwungen wurde. Die Bibelerzählung von derKnechtschaft der Hebräer in Ägypten scheint dies zu bestätigen.An späterer Stelle soll unter Hinzuziehung weiterer Quellen dar-auf erneut eingegangen werden. Doch wenden wir uns zunächstweniger weit zurückliegenden Zeitabschnitten zu.

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19Unterjochungsformen in Afrika

Von Theophrast wissen wir, dass es bei den Griechen, die derHegemonie der Ägypter ein Ende gesetzt hatten, eine Schandewar, keinen Sklaven in seinem Dienst zu haben. Er beschrieb dieLage der nur wenigen und als Kuriosität geltenden schwarzenSklaven und kritisierte deren Zurschaustellung durch selbst-gefällige Herren.

Die Griechen, die zum ersten Mal in Ägypten Schwarzafri-kanern begegnet waren, hielten alle Schwarzen für Äthiopier undbezeichneten sie als aethiops. Im Grunde waren es meistens mitden Nubiern verwandte Kuschiten. Herodot sagte über «dieseMänner mit dem verbrannten Gesicht», dass sie sittsame Wesenseien, deren Geselligkeiten und Festmahle durch Zeus höchst-persönlich geehrt wurden. Und Homer fügte hinzu, dass sich dieBevölkerung dieses Landes in zwei Gruppen teilte: Die eine seimorgenaktiv, die andere beginne nach dem Sonnenuntergang zuleben. Nachdem der Begriff «Äthiopier» zunächst alle Schwar-zen bezeichnet hatte, wurde er schließlich nur für ein ganz be-stimmtes Volk verwendet: die Abessinier, Vorfahren der im heu-tigen Äthiopien* lebenden Völker. In Wirklichkeit beschränktensich die Kenntnisse der alten Griechen auf die Mittelmeerregion.Die geographischen Daten, über die sie verfügten, hatten siemeistens von den Ägyptern und Phöniziern übernommen. Siekannten Afrika nur unter dem Namen Libyen und besaßen ledig-lich eine eher dürftige Vorstellung von der Größe des SchwarzenKontinents. So war Herodot, der sich auf ägyptische Quellenbezog, zwar der Nil bekannt, doch nur bis zu einem vier Monats-märsche von Assuan entfernten Gebiet oberhalb von Khartum,im heutigen Sudan. An dieser Stelle endeten vor 1839 noch dieLandkarten von Afrika.

Die Kenntnisse über diesen Kontinent und die Bezeichnung fürseine Völker erfuhren allerdings erst unter den Römern eine

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