Desanges_Rom und das Innere Afrikas_1989

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ROM UND DAS INNERE AFRIKAS Von Jehan Desanges Rom und das Innere Afrikas ist gewiß ein fesselndes Thema und geeignet, unsere Vor- stellungskraft zu befl ¨ ugeln, aber in Wirklichkeit durch die Quellen sehr ungleichm¨ aßig ausgeleuchtet. Ich habe mich f¨ ur eine Vorgehensweise entschieden, die vielleicht all- zu einfach erscheint. Demnach werde ich nacheinander untersuchen, was die R¨ omer vom Inneren Afrikas gekannt haben, wie die Kenntnis, die sie davon hatten, mit ihren ucken und selbst ihren Unstimmigkeiten das Bild hat formen k ¨ onnen, das sie sich auf dem H ¨ ohepunkt der Kaiserzeit von diesem Kontinent machten, und schließlich, welche tats¨ achlichen und vermuteten wirtschaftlichen Anreize zur Erweiterung ihres Blickfel- des zumindest haben beitragen k¨ onnen. Was diesen dritten und letzten Punkt angeht, so m¨ ochte ich gleich hier noch pr¨ azisieren, daß ich mich in meiner Fragestellung vor allem auf das konzentrieren werde, was am unklarsten ist, n¨ amlich auf die Frage nach der M¨ oglichkeit und dem Charakter eines Transsaharahandels in der Antike. Denn die Bedeutung des Handels mit Ostafrika, die durch den anonymen Periplus Maris Erythraei so eindrucksvoll bezeugt wird, ist allgemein bekannt. Versuchen wir also, zun¨ achst die Grenzen der r¨ omischen Kenntnisse zu bestimmen, indem wir bei der Atlantikk ¨ uste Afrikas beginnen und an seiner Ostk¨ uste aufh ¨ oren. Welches auch immer die so umstrittene Bedeutung der vorr¨ omischen Periplen gewe- sen sein mag, man muß feststellen, daß sie nicht viel zur Information Roms beigetragen haben. Vom atlantischen Afrika wußte es zur Zeit der punischen Kriege fast ¨ uberhaupt nichts. Wahrscheinlich haben die Periplen Scipio Aemilianus zum Teil wenigstens dazu angeregt, dem Historiker Polybios im Sommer des Jahres 146, nach dem Fall Kartha- gos, den Auftrag zu erteilen, die Grenzen Afrikas zu erkunden. Bei dieser Gelegenheit erforschte Polybios ohne Zweifel vor allem die M¨ undung des im S¨ uden des heutigen Marokko liegenden Wadi Massa und des Wadi Draa, die er Masath und Darat nennt. Wenn man den Bericht ¨ uber seine Seereise, die durch Plinius den ¨ Alteren auf uns ge- kommen ist 1 , liest, muß man jedoch annehmen, daß er erheblich weiter gelangt ist, ohne indessen genau sagen zu k¨ onnen, bis wohin. Es scheint mir in der Tat sehr problema- tisch, ¨ uber die Identifizierung des Flusses Banbot(h)um zu spekulieren, der ganz wie der Nil durch das Vorhandensein von Krokodilen und Nilpferden gekennzeichnet wird. Es ist n¨ amlich unklar, ob dies eine realistische Beobachtung ist oder ein Zugest¨ andnis an die Theorien ¨ uber den westlichen Ursprung des Nils in einer Tradition, die nicht direkt von Polybios zu Plinius f ¨ uhrt, sondern vielleicht als Zwischenglied Agrippa zul¨ aßt und einige Interpolationen zu enthalten scheint 2 . Wie dem auch sei, man muß in Erw¨ agung ziehen, daß die von Polybios geleitete Expedition zumindest das Kap Juby gegen¨ uber den Kanarischen Inseln erreicht hat, wovon er allerdings kein Wort sagt. Man hat sich manchmal gefragt, ob der griechische Historiker nicht den Auftrag gehabt hatte, den Seeweg zu finden, der es den Karthagern erlaubt haben soll, sich jahrhundertelang mit 1 Plin., H.N., V, 9-10; vgl. meine Recherches sur l’activité des Méditerranéens aux confins de l’Afrique, Rom, 1978, p. 121-147. 2 Die Erw¨ ahnung von G¨ atulern in V,9 und V,10, kommt vielleicht nicht aus Polybios, vgl. Recherches, p. 125-127, genausowenig wie die Erw¨ ahnung der Ortsnamen am Ende von V,10, die mit der Tradition des Periplus des Hanno verbunden sind; vgl. Recherches, p. 143-145.

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Rom und Afrika südlich der Sahara

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ROM UND DAS INNERE AFRIKAS

Von Jehan Desanges

Rom und das Innere Afrikas ist gewiß ein fesselndes Thema und geeignet, unsere Vor­stellungskraft zu beflugeln, aber in Wirklichkeit durch die Quellen sehr ungleichmaßigausgeleuchtet. Ich habe mich fur eine Vorgehensweise entschieden, die vielleicht all­zu einfach erscheint. Demnach werde ich nacheinander untersuchen, was die Romervom Inneren Afrikas gekannt haben, wie die Kenntnis, die sie davon hatten, mit ihrenLucken und selbst ihren Unstimmigkeiten das Bild hat formen konnen, das sie sich aufdem Hohepunkt der Kaiserzeit von diesem Kontinent machten, und schließlich, welchetatsachlichen und vermuteten wirtschaftlichen Anreize zur Erweiterung ihres Blickfel­des zumindest haben beitragen konnen. Was diesen dritten und letzten Punkt angeht,so mochte ich gleich hier noch prazisieren, daß ich mich in meiner Fragestellung vorallem auf das konzentrieren werde, was am unklarsten ist, namlich auf die Frage nachder Moglichkeit und dem Charakter eines Transsaharahandels in der Antike. Denndie Bedeutung des Handels mit Ostafrika, die durch den anonymen Periplus MarisErythraei so eindrucksvoll bezeugt wird, ist allgemein bekannt.

Versuchen wir also, zunachst die Grenzen der romischen Kenntnisse zu bestimmen,indem wir bei der Atlantikkuste Afrikas beginnen und an seiner Ostkuste aufhoren.

Welches auch immer die so umstrittene Bedeutung der vorromischen Periplen gewe­sen sein mag, man muß feststellen, daß sie nicht viel zur Information Roms beigetragenhaben. Vom atlantischen Afrika wußte es zur Zeit der punischen Kriege fast uberhauptnichts. Wahrscheinlich haben die Periplen Scipio Aemilianus zum Teil wenigstens dazuangeregt, dem Historiker Polybios im Sommer des Jahres 146, nach dem Fall Kartha­gos, den Auftrag zu erteilen, die Grenzen Afrikas zu erkunden. Bei dieser Gelegenheiterforschte Polybios ohne Zweifel vor allem die Mundung des im Suden des heutigenMarokko liegenden Wadi Massa und des Wadi Draa, die er Masath und Darat nennt.Wenn man den Bericht uber seine Seereise, die durch Plinius den Alteren auf uns ge­kommen ist1, liest, muß man jedoch annehmen, daß er erheblich weiter gelangt ist, ohneindessen genau sagen zu konnen, bis wohin. Es scheint mir in der Tat sehr problema­tisch, uber die Identifizierung des Flusses Banbot(h)um zu spekulieren, der ganz wie derNil durch das Vorhandensein von Krokodilen und Nilpferden gekennzeichnet wird. Esist namlich unklar, ob dies eine realistische Beobachtung ist oder ein Zugestandnis andie Theorien uber den westlichen Ursprung des Nils in einer Tradition, die nicht direktvon Polybios zu Plinius fuhrt, sondern vielleicht als Zwischenglied Agrippa zulaßt undeinige Interpolationen zu enthalten scheint2. Wie dem auch sei, man muß in Erwagungziehen, daß die von Polybios geleitete Expedition zumindest das Kap Juby gegenuberden Kanarischen Inseln erreicht hat, wovon er allerdings kein Wort sagt. Man hat sichmanchmal gefragt, ob der griechische Historiker nicht den Auftrag gehabt hatte, denSeeweg zu finden, der es den Karthagern erlaubt haben soll, sich jahrhundertelang mit

1 Plin., H.N., V, 9­10; vgl. meine Recherches sur l’activité des Méditerranéens aux confins de l’Afrique,Rom, 1978, p. 121­147.

2 Die Erwahnung von Gatulern in V,9 und V,10, kommt vielleicht nicht aus Polybios, vgl. Recherches,p. 125­127, genausowenig wie die Erwahnung der Ortsnamen am Ende von V,10, die mit der Traditiondes Periplus des Hanno verbunden sind; vgl. Recherches, p. 143­145.

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kostbaren Produkten aus den Tropen und vor allem mit Gold zu versorgen. In diesemFall kann man vermuten, daß sein Bericht kaum ermutigend war, denn keinerlei Indizerlaubt es, die Existenz eines solchen Handels im letzten Jahrhundert der romischen Re­publik anzunehmen. Es ist in dieser Hinsicht bemerkenswert, daß Sallust3 vom KonigBocchus von Mauretanien hat sagen konnen, daß er (rund vierzig Jahre spater) außerdem Namen vom romischen Volk nichts wußte (praeter nomen cetera ignarus populiRomani). Derselbe Bocchus, den Strabon Bogus nennt4, widersetzte sich dem Vorhabendes Eudoxos von Kyzikos, mit seiner Hilfe zu versuchen, Indien durch eine Fahrt ander Atlantikkuste Mauretaniens entlang zu erreichen, weil er furchtete, daß Fremde mitfeindlichen Absichten auf diese Weise von den Zugangswegen zu seinem KonigreichKenntnis erhalten konnten; was beweist, daß die Romer im Handel mit den WestkustenMauretaniens noch nicht an die Stelle der Punier getreten waren.

Nach der Annexion des Konigreichs Mauretanien durch Caligula ist man geneigtzu glauben, daß die romischen Seefahrten an den Atlantikkusten Afrikas entlang vielzahlreicher geworden sind. Seneca5 behauptet, seit seiner Zeit fuhren die Handelsschiffedie ganze Kuste des Außeren Meeres entlang. Aelius Aristides6 sagt im folgendenJahrhundert das gleiche, aber, da er es im gleichen Kontext tut, der Widerlegung derTheorie des Euthymenes uber den Ursprung des Nils, kann man annehmen, daß diebeiden Zeugnisse in Wirklichkeit nur eines sind. Im Gegensatz dazu hatten sich nachLukrez7, dann nach Pausanias8 die romischen Schiffe gehutet, sich dem Atlas zu sehrzu nahern. Aber auch da ist es sehr wohl moglich, daß der zweite der beiden Autorensich damit begnugt, die Aussagen des ersten zu ubernehmen.

Man muß feststellen, daß an der Atlantikkuste des heutigen Marokko die archaologi­schen Spuren romischer Prasenz ziemlich rasch verschwinden, wenn man nach Sudenfahrt. Erinnern wir uns, daß Rabat (das antike Sala) ungefahr auf der sudlichen Grenzeder romischen Provinz Tingitana liegt. Die lateinische Inschrift von Azemmour unddie epigraphischen Fragmente von Safi9 sind allem Anschein nach ”verirrte Steine“,die anderswoher stammen. Im Gegensatz dazu befand sich auf der Insel Mogador ei­ne romische Nekropole, wo 1958 durchgefuhrte Ausgrabungen ein Epitaph und allerWahrscheinlichkeit nach ein kleines Fragment eines anderen Epitaphs zu Tage geforderthaben10. Die zahlreichen Munzen Konstantins und seiner Sohne, die man an dieser Stel­le gefunden hat11, zeugen von der Fortdauer seiner Besetzung. Die Phonizier waren dortgegen 650 vor Christus angelangt und die Romer fuhren noch gegen 350 unserer Zeitdorthin. Daruber hinaus ist man bis heute auf kein antikes Monument aufmerksamgeworden12, und man kann allenfalls vereinzelte Munzfunde in Betracht ziehen.

Es kann als sicher gelten, daß die Romer die Kanarischen Inseln oder die ”Inseln

3 Sall., Iug., XIC, 7.4 Strab., I1,3,4, (C 100).5 Sen., N.Q., IVa,2,24.6 Aristd.,Or.,XXXVI,91, ed. B. Keil, II, p. 292.7 Lucr., V, 35­36.8 Paus., I, 33, 6.9 Inscriptions antiques du Maroc, 2: Inscriptions latines, Paris, 1982, p. 204­205, No. 339 und 340.

10 Ibid., p. 206, No. 341 und 341 bis.11 A. Jodin , Les établissements du roi Juba II aux îles Purpuraires (Mogador), Tanger, 1967, p. 246­252.12 R. Rebuffat, Vestiges antiques sur la côte occidentale de l’Afrique au sud de Rabat, in: Ant.Afr.,

VIII, 1974, p. 25­49.

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der Glucklichen“ gekannt haben. Vielleicht kannte sie schon Juba II. nicht nur ausBuchern. Jedenfalls hatte er von diesen Inseln zwei große Hunde erhalten, wie es Pliniusder Altere bezeugt, der uns eine ziemlich umfangreiche und genaue Beschreibung desArchipels uberliefert hat13. Als Spuren der romischen Epoche auf den KanarischenInseln kann man nach unserer Kenntnis bis heute auf kaum mehr verweisen als aufmehrere Amphoren, die in den sechziger Jahren von Tauchern vor der Insel La Graciosaund den nordlichen Kusten von Lanzarote entdeckt wurden. Sie gehoren zu Typ 30 und33 von Dressel, was sie auf das 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung datiert14. Wenndie Romer unter Konstantin Sala weiterhin besetzt hielten15, obwohl sie Banasa undVolubilis zu Anfang der Tetrarchie oder kurz davor verlassen hatten, und wenn siezur gleichen Zeit ihre Reisen nach Mogador fortsetzen, dann konnen sie auch nichtaufgehort haben, wahrend des großten Teils des 4. Jahrhunderts mit den Inseln derGlucklichen Handel zu treiben.

Weder Madeira noch die Azoren scheinen den Romern bekannt gewesen zu sein,selbst wenn Sertorius vom ersteren vielleicht gehort hatte. Was die moglichen Bezie­hungen der Punier zu den Azoren betrifft, so erwahnen wir nur, daß die minutioseUntersuchung, die vor kurzem von B. Isserlin in Corvo durchgefuhrt wurde, bis jetzt,wenn nicht vollig negative, so zumindest sehr ratselhafte Ergebnisse geliefert hat16.

An den Westkusten des saharischen und des tropischen Afrika ist das Ergebnisder Untersuchungen enttauschend. Die Ausgrabungen, die im alten Rio de Oro durch­gefuhrt wurden, haben kein Ergebnis gebracht17. Die Insel Herne, in der man gerndas Kerne antiker Texte gesehen hat, wahrend die Geschichte der Kartographie dieFeststellung erlaubt, daß ihr Name englisch ist und ”Insel der Reiher“ bedeutet, istvon Th. Monod minutios erforscht worden18, und er hat dabei keinerlei antike Spurenaufgedeckt. Ebenso gibt es keine antiken Reste auf der Insel Arguin19. Wenn schließlichdie Entdeckung der vierten romischen Munze, die bis heute in Mauretanien bekanntgeworden ist20, wie wir sehen werden, nicht ohne Bedeutung ist, so ist es gegenwartigleider mehr als wahrscheinlich, daß der Fund von 40 kleinen Bronzemunzen mit demBild Konstantins und seiner Sohne in San Pedro an der Elfenbeinkuste, aus dem G.Picard glaubte, Schlusse ziehen zu konnen21, schlicht und einfach ein Schwindel ist.

13 Plin., VI, 203­205.14 M. Pellicer Catalan, Anforas de importaci6n halladas en Canarias, in: Estudios Canarios, XIVXV,

1970, p. 43­56.15 Inscr. ant. du Maroc, 2: Inscr. lat., p. 186­187, No. 304b.16 B. S. J. Isserlin, Un cas douteux d’entreprise maritime carthaginoise: la prétendue trouvaille de

monnaies carthaginoises â Corvo (Açores), in: Bull.Arch.du CTHS, n.s. 19B, 1983, p. 25­28; Id.,Did Carthaginian Mariners reach the Island of Corvo (Azores)?, in: Riv. di St. Fen., XII, 1984, p.31­46 und pl. IIVIII.

17 J. M. J. Gran Aymerich, Prospections archéologiques au Sahara atlantique (Rio de Oro et Seguiet etHamra), in: Ant.Afr., XIII, 1979, p. 7­21.

18 Th. Monod, A propos de l’île Herné (baie de Dakhla, Sahara occidental), in: Bull. Inst. fond. Afr.Noire, XLI, série B, 1979, p. 1­34.

19 Id., L’île d’Arguin (Mauritanie). Essai historique (= Centro de Estudos de Cartografia antiga, sériede Memorias, 23), Lissabon, 1983, 321 p., 48 pl.h.t.

20 R. Mauny et D. Carité, Découverte â Nouakchott (Mauritanie) d’un denier d’Alexandre, in: Journ.des Africanistes, LIII, 1983, p. 181­183.

21 G. Picard, Les Romains en Côte d’Ivoire, in: Archéologia, No. 116, mars 1978, p. 22­27; s. dazu J.Desanges, Le point sur le ”Périple d’Hannon“: controverses et publications récentes, in: Enquêtes et

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Die Kenntnisse der Romer von der Wuste, die Nordafrika vom Rest des Kontinentstrennt, war zur Zeit der Republik sehr begrenzt. Vor Agrippa wurde das bewohnte Afrika(qua colitur) nur bei den Entfernungsschatzungen in Betracht gezogen, und man nahman, daß es sich von Norden nach Suden uber nicht mehr als 250 romische Meilen22, alsoweniger als 375 km, erstreckte, was uns realiter bis zum Sahara­Atlas fuhrt. Im ubrigenhatten weder Griechen noch Romer einen Begriff, mit dem sie die Sahara, die großteWuste, mit der sie in Kontakt standen, bezeichneten. Die Griechen sagten ą IJqgloroder ą ŸqÍlg, wobei sie stillschweigend wýqa erganzten, und sie benutzten so eineinfaches Adjektiv, das sie manchmal im Plural anwandten: tÈ IJqgla oder . Manchmalbenutzten sie aber auch ein Substantiv: ą ŸqglÏa. Was die Romer betrifft, so hieltensie sich an die Vorstellung von einer Mehrzahl wustenartiger Raume, die sie desertaoder solitudines nannten. Die Bedeutung dieser Begriffe war indessen sehr relativ,wenn Cicero23 erwahnt, Marius habe sich in oras Africae desertissimas gefluchtet,obwohl es sich in Wirklichkeit um die Insel Djerba handelt, die heutzutage von denvielen europaischen Touristen besucht wird, und wenn Philostratos24 behauptet, daß vonSÉkgn an, dem heutigen Wadi Bou Regreg, das zwischen den heutigen marokkanischenStadten Salé und Rabat in den Atlantik mundet, ”Libyen ode ist und man dort keineneinzigen Menschen mehr findet.“

Agrippa25 hat als erster die ”Breite“ Afrikas berechnet, indem er zum bewohntenAfrika Wustenflachen bis zum Land der Garamanten hinzurechnete mit Hilfe einerangenommenen Strecke ”soweit man Kenntnis genommen hat“ (deserta ... ad Gara­mantas usque, qua noscebantur, complectens). Die so gewonnene neue ”Breite“ maß910 Meilen, also knapp 1350 km. Die Erwahnung der Garamanten laßt stark vermuten,daß Agrippa in seine Berechnungen die Reiseroute der von dem Prokonsul

L. Cornelius Balbus im Jahr 20 v. Chr. gefuhrten Expedition einbezogen hat. VonSabratha aus zog dieser uber Cidamus (Ghadames) nach Garama (Djerma). Die vonAgrippa angestellte Berechnung impliziert, daß Balbus kaum uber Garama hinausge­kommen ist, denn heutzutage sind es auf der Straße mehr als 500 km von Sabrathanach Ghadames und mindestens 800 km zwischen Ghadames und Djerma. In der Folgebewahrte Garama (erst Zinchecra, dann Djerma) enge, wenngleich manchmal auchsturmische Beziehungen zum romischen Afrika. Die Archaologen haben dort viel Ke­ramik, Fayencen und Glas aus dem romischen Reich des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr.gefunden; außerdem wirkte romischer Einfluß unzweifelhaft im Bereich der Architek­tur, vor allem bei den Mausoleen, die in Djerma und Umgebung zu finden sind26.

Nach dem verlorenen Werk des Marinus von Tyros, das in der Zeit Trajans geschrie­ben wurde, kam anscheinend unter Domitian, jedenfalls nach 76 unserer Zeitrechnung,Septimius Flaccus, wahrscheinlich Legat aus Numidien, zunachst zu den Garaman­ten und gelangte von dort nach dreimonatigem Marsch in Richtung Suden zu den

documents, VI, Nantes, Afrique, Amérique, Nantes (Université), 1981, p. 12­29.22 Plin., VI, 208.23 Cic., Sest., XXII, 50.24 Philostr., V. Ap., V,1.25 Plin., VI, 209; vgl. meine Recherches, p. 189­195.26 M.S. Ayoub, The royal Cemetery at Germa, a preliminary Report, in: Libya Ant., IIIIV, 1966­67,

p. 213­219 und pl. LXXIV; Ch.M. Daniels, Garamantian Excavations: Zinchecra 1965­67, ibid., V,1968, p. 113­194 und pl. LXXIIILXXX; Id., The Garamantes of Southern Libya, Stoughton, 1970,47 p. Zuletzt vgl. C. Ta­gart, Roman Faience from Germa, in: Libyan Studies, XIV, 1983, p. 143­154.

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Aithiopen. Ptolemaios27, der uns die Reise uberliefert hat, unterzieht sie einer kriti­schen Prufung, indem er anmerkt, daß man nicht standig nach Suden marschiert seinkonne, daß Halts und Verzogerungen dazwischen gekommen sein mussen und daßschließlich die Aithiopen, soweit sie die Untertanen des Konigs der Garamanten wa­ren, nicht zu weit von diesen entfernt angesiedelt sein konnten. Danach brach IuliusMaternus, wahrscheinlich ein Kaufmann, von Leptis Magna auf und nutzte die Hilfedes Konigs der Garamanten. Er gelangte in 4 Monaten und 14 Tagen28, nachdem ersich ohne Unterbrechung nach Suden gewandt hatte, nach Agisymba, einem athiopi­schen Land, das Marinus durch das Vorhandensein einer großen Zahl von Nashornerncharakterisiert. Nun kann man feststellen, daß der Diceros bicornis, die kleinste derbeiden afrikanischen Rhinozerosarten, die gleichzeitig am besten an eine relativ großeTrockenheit angepaßt und auch die kampflustigste ist, zum ersten Mal wahrend der Re­gierungszeit Domitians auf Munzen erscheint. Dieses Nashorn wurde damals in Rombei den Spielen im Amphitheater zur Schau gestellt, wie es eindeutige Anspielungendes Liber spectaculorum Martials bezeugen, die M. Rostovtzeff mit tesserae in Bezie­hung bringt, Eintrittstafelchen fur den Zugang zu den Spielen, auf denen dieses Tierin gleicher Weise dargestellt ist29. Da Domitian auf den Munzen mit dem RhinozerosGermanicus genannt wird und eine dieser Munzen, die in Alexandria gepragt wurde,auf die Zeit zwischen September 91 und September 92 datiert werden kann, folgt dar­aus, daß die Expedition des Iulius Maternus zwischen 83 und 92 unserer Zeitrechnungstattgefunden haben muß.

Die Lokalisierung des Landes von Agisymba bleibt sehr hypothetisch. Eine anderePassage bei Ptolemaios30 gibt zu bedenken, daß es sich um ein sehr weites Gebiethandelt, das mehrere Gebirge einschließt. Eines von ihnen hat den Namen BapSttov,was an den Ortsnamen Bardaï in Tibesti denken laßt. Aber diese Art der Annaherung istoft trugerisch. Das Vorhandensein zahlreicher Nashorner wurde eher nach dem Air oderAsbin weisen, denn dort sind diese auf zahlreichen Felszeichnungen dargestellt, wie esvor kurzem V. Beltrami in Erinnerung gerufen hat31 Die Reise des Iulius Maternus stelltauf jeden Fall das tiefste romische Eindringen in die Sahara dar, von dem Erinnerungbis auf uns gekommen ist.

Wenden wir uns nun der naturlichen Einfallschneise in den Kontinent zu, die dasNiltal bildet, einer Schneise jedoch, die durch die Katarakte, die betrachtliche Hinder­nisse darstellen, versperrt ist, besonders durch den zweiten32. Dort haben die Romergleich nach dem Sieg uber Antonius und Kleopatra die Politik des ptolemaischen Agyp­ten wiederaufgenommen, die darin bestand, in mehr oder weniger strenger Weise einGebiet von ziemlich bescheidenen Ausmaßen zu kontrollieren, ein Gebiet, das sich vonSyene (Assuan) bis zum Wadi Maharraqah, uber 12 Schoinoi (daher der Name Dodeka­schoinos), also 120 km erstreckt. Aber unsere Kenntnisse haben in den letzten Jahrendurch die Ausgrabungen von Qasr Ibrim, dem antiken Primis, 225 km flußaufwarts

27 Ptol., I, 8, 4­6; vgl. meine Recherches, p. 197­213.28 Id., I, 11, 4.29 Vgl. meine Recherches, p. 205­207; L. Stork, Die Nashorner, Hamburg, 1977, D. 373­375.30 Ptol., IV, 8, 2, und 3.31 V. Beltrami, Ipotesi Sulla spedizione di Guilio Materno nell’ Agisymba regio illa fine del I secolo,

in: L’Africa romana, V, Sassari, 1988, p. 191.32 C. Vandersleyen, Des obstacles que constituent les cataractes du Nil, in: B.I.F.A.O., LXIX, 1971, p.

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von Syene, also gut hundert Kilometer jenseits der Grenzen des Imperiums, eine Er­weiterung erfahren. Es ist jetzt in der Tat sicher, daß die romische Besetzung diesernaturlichen Mole, die am rechten Ufer uber den Nil hinausragt, nicht, wie man bisherglaubte, auf einige Jahre zu Beginn des Prinzipats des Augustus beschrankt war, son­dern zumindest ein Jahrhundert gedauert hat33, wenn nicht viel langer, dann allerdingswahrscheinlich mit einigen Unterbrechungen.

Die einzige romische Expedition flußaufwarts, die uns bekannt ist, ist der beruhmteErkundungstrupp Neros. Zwischen 61 und 63 unserer Zeit ermittelte eine Abordnungvon Pratorianern mit Genauigkeit die Entfernung von Syene nach Meroe34. In der Haupt­stadt der Aithiopen angekommen, erhielten zwei Centurionen Empfehlungsschreibendes kuschitischen Herrschers, in den Quellen als Konig von Athiopien bezeichnet,fur die Nachbarkonige35, wahrscheinlich seine Vasallen, die sehr zahlreich waren36.Und diese Offiziere konnten so den Nil aufwarts ziehen bis zu unermeßlichen Sump­fen, die durch eine undurchdringliche Wasservegetation versperrt waren37. Der Truppubermittelte nach Rom die fur die Anfertigung einer Karte Athiopiens (Aethiopiaeforma)38 notwendigen Daten sowie zahlreiche Auskunfte uber Fauna39, Flora40 und dieverschiedenen Ressourcen41 dieses Landes.

An der afrikanischen Kuste des Roten Meeres und des Golfs von Aden habendie Seeleute des Imperiums die Stutzpunkte benutzt, die von den Ptolemaiern im 3.Jahrhundert vor unserer Zeit eingerichtet worden waren42. Von Myos Hormos, dessenStandort umstritten bleibt43, oder vom Berenike der Troglodyten (Sikkat Bender an derFoul Bucht) aus durchquerten seit dem Prinzipat des Augustus jahrlich mindestens 120Schiffe den Bab el­Mandeb44. Wir wissen nicht, ob in dieser Zahl auch die enthaltensind, die vom Indischen Ozean an die afrikanische Kuste fuhren. Im ubrigen ist esschwer, genau abzugrenzen, bis wohin sich die Kuste erstreckte, die den Griechen amEnde der Ptolemaierzeit bekannt war. Sie hatten bestimmt das Kap Guardafui und dieInsel Sokotra erreicht45. Gegen 115 v. Chr. entdeckte Eudoxos von Kyzikos, der, alser von Indien zuruckkehrte46, anscheinend von dem nordostlichen Monsunwind aufdie Sudseite des Kaps Guardafui abgetrieben worden war, Eingeborene, die – nachCornelius Nepos – den Gebrauch des Feuers nicht kannten47. Fur die romische Epoche

33 WY. Adams, Primis and the ”Aethiopian Frontier“, in: Journ. of the Amer. Research Center in Egypt,XX, 1983, p. 93­104.

34 Plin., VI, 184.35 Sen. N.Q., VI, 8, 3.36 Plin., VI, 186: reges Aethiopum XLV.37 Sen., ibid.38 Plin., XII, 19.39 Id., VI, 184­185.40 Id., XII, 19, und XIII, 43.41 Id., XXXIII, 112 (minium).42 Vgl. auch den Beitrag von W. Huss in diesem Band.43 M. Reddé et J.­Cl. Golvin, Du Nil â la mer Rouge: documents anciens et nouveaux sur les routes du

désert oriental d’Egypte, in: Karthago, XXI, 1986­1987, p. 59­63.44 Strab., II, 5, 12 (C118).45 Vgl. meine Recherches, p. 298­299. Unter den Ptolemaiern etablierten sich nach Kosmas Indiko­

pleustes, Top.chr., III, 65, griechische Kolonisten in Dioskorides (Sokotra).46 Strab., II, 3, 4, (C99).47 Mela, III, 92; Plin., VI, 188.

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finden wir ein erstes merkliches Anwachsen der Kenntnisse dank dem Periplus MarisErythraei gegen 70 nach Christus, weil dieser die Kuste des Indischen Ozeans bisRhapta (wahrscheinlich in der Bucht von Dar es Salaam) beschreibt48. Spater, unterTrajan, verlangerte Marinus von Tyros als Folge der Fahrt des Dioskoros die Kustebis zum Kap Prason (wahrscheinlich das heutige Kap Delgado)49. Man hat manchmalvermutet50, daß die Vorstellung von einem riesigen sudlichen Gebiet, welches dasostliche Afrika mit Sudostasien verband, den Menschen der Antike durch die direkteoder indirekte Kenntnis der Komoren und Madagaskars suggeriert worden sei. Aberhier sind wir zugegebenermaßen im Bereich reiner Hypothesen.

Die Archaologie hat bis jetzt die Geschichte des romischen Eindringens uber dieKusten des Roten Meeres und des Indischen Ozeans weder bestatigen noch in neuerForm vorbringen konnen. Erinnern wir uns daran, daß man noch immer nicht weiß, woman Ptolemaïs Theron zu lokalisieren hat, das vielleicht in der Gegend von Aqiq, imSuden der sudanesischen Kuste und nicht weit von der Grenze zu Erythrea zu suchenist. Wenn man auch im allgemeinen darin ubereinstimmt, Adoulis am Golf von Zoulazwischen Afta im. Norden und Zoula im Suden51 zu fixieren, so herrscht daruber dochkeineswegs Einstimmigkeit: z. B. will L. Cason52 den Hafen in der Nahe von Massauaansiedeln. Daruber hinaus ist nichts sicher. Wenn man von Munzfunden absieht, derenKontext unsicher und deren Interpretation sehr zweifelhaft ist, ist es unbestreitbar,daß ”romisches“ Material, daß aretinische Keramik und alexandrinisches Glas aus derZeit des Augustus Ende des letzten Jahrhunderts53 und auch noch vor kurzem54 inder Nahe von Hais (10 Grad 50 nordlicher Breite und 46 Grad 54 ostlicher Lange),ungefahr 220 km ostnordostlich von Berbera, gefunden worden sind, und es gibt keinenZweifel, daß es dort eine Handelsniederlassung gab, vielleicht das Emporion Mondoudes Ptolemaios55. Daruber hinaus konnte noch der Ras Hafun an der nordostlichen Seiteder Kuste Somalias, wenn man seine einzigartige Lage und den naturlichen Schutzseiner Buchten bedenkt, einer antiken Station entsprechen. N. Chittick56 hatte dortantike Reste gefunden, die er allerdings nicht hat publizieren konnen57. Schließlich weißman zum Beispiel nicht, ob die Insel Menouthias, die von dem Periplus58 diesseits an

48 Per., 16, in: G.G.M., I, p. 270­271.49 Ptol., I, 9, 3.50 Y. Janvier, La géographie gréco­romaine a­t­elle connu Madagascar?, in: Omaly sy Anio (Tana­

narive), 1­2, 1975, p. 11­41; es ist schwer, der Ansicht von H. von Wissmann, Art. Zangenae, in:R.E., Suppl. XI, 1968, col. 1340­1342, zu folgen, nach der Plinius d.A., VI, 152, sich zum Teil aufMadagaskar und auf die Komoren bezieht.

51 F. Anfray, Deux villes axoumites: Adoulis et Matara, in: IV Congresso intern.di Studi etiopici, I,Rom (Accad.naz.dei Lincei, anno CCCLXXI, quad. No. 191), 1974, p. 749­753.

52 L. Casson, The Location of Adulis (Periplus maris Erythraei 4), in: Coins, Culture and History inthe Ancient World, in Honor of Bluma L. Trell, Detroit, 1981, p. 113­122.

53 G. Révoil , La vallée du Darror, Paris, 1882, p. 276, 278, 293, 300 und pl. p. 289.54 N. Chittick , Early Ports in the Horn of Africa, in: The intern. Journ. of naut. Arch. and Underwater

Explor., VIII/4, 1979, p. 274­275.55 Ptol., IV, 7, 3.56 N. Chittick, ibid., p. 275­276.57 Nach dem, was er mir im Juni 1984, kurz vor seinem Tod anvertraute, war das Material durch den

somalischen Zoll konfisziert worden.58 Per., 15.

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8 Rom und das Innere Afrikas

Rhapta lokalisiert wird, von Ptolemaios59 aber viel weiter entfernt, Pemba oder Sansibarwar. Zuletzt hat sich L. P. Kirwan60 eher fur die zweite Hypothese ausgesprochen,wahrend vor ihm B. A. Datoo61 fur Pemba und B. Struck62 fur Mafia optierte. Man weißin der Tat nicht, wofur man sich entscheiden soll, wenn der Periplus und Ptolemaiosdivergierende Angaben machen und archaologische Befunde fehlen.

Fassen wir zusammen: Wir konnen die Grenze des romischen Vordringens auf denvier Wegen in den afrikanischen Kontinent hinein nur sehr annahernd lokalisieren. Ander atlantischen Kuste sind es das Kap Juby und die kanarischen Inseln; in der Saharawahrscheinlich der Ahaggar, den der Geograph Ptolemaios gekannt zu haben scheint63,der Aır und der Tibesti; im Niltal die Sumpfe von Sudd (Bahr el Ghazal); an der Kustedes Indischen Ozeans schließlich das Kap Delgado, das allerdings nur selten erreichtworden sein konnte, weil die sudarabische und romische Seefahrt im allgemeinen inRhapta endete. Im ubrigen ist in der Zeit nach Polybios keinerlei Fortschritt in derKenntnis der atlantischen Kuste nachweisbar, wahrend die Seefahrer des Imperiumsan den Ufern des Indischen Ozeans zumindest bis zum Prinzipat Trajans weiter undweiter vorgestoßen zu sein scheinen, von der ostlichen Ruckseite Somalias bis an dieGrenzen des heutigen Mozambique. Die Ostkuste Afrikas war also auf eine in dergeographischen Breite sehr viel beachtlichere Distanz bekannt als seine Westkuste;und diese Ungleichheit besteht, wenngleich in viel geringerem Maße, auch in der Tiefedes Vordringens durch die Sahara auf der einen und der durch das Niltal auf der anderenSeite. In der Tat, wenn der Agisymba mit seinen Nashornern der Tibesti ist, ist luliusMaternus ungefahr bis zum 20. Grad nordlicher Breite und wenn es der Aır ist, bis zum18. Grad gelangt, was im Niltal ungefahr dem Breitengrad der Biegung von Dongolaentspricht. Aber die Kundschafter Neros sind wahrscheinlich bis zum 10. oder sogar 9.Grad nordlicher Breite vorgestoßen.

Diese Unterschiedlichkeit in der Weite der Erkundungen und der Genauigkeit derKenntnisse hat nicht wenig dazu beigetragen, das Bild, das sich die Gelehrten der Kai­serzeit von Afrika machten, zu formen. Sich eine Gesamtvorstellung vom Kontinentzu machen, war gewiß nicht leicht. Die Grenzen, die wir soeben recht und schlechtbestimmt haben, sind in vier Schneisen des Eindringens erreicht worden, die oft sehrweit voneinander entfernt liegen und untereinander keine Verbindungen aufweisen.Sie sind das Ergebnis von Unternehmungen, die weder zeitlich noch raumlich in Zu­sammenhang stehen. Die Menschen der Antike mußten dem Gesamtbild von Afrikaaber dennoch irgendeine Konsistenz verleihen und folglich zunachst willkurlich eineArt ”hinterer Linie“ des Kontinents festlegen, die aversa Africae, die in Wirklichkeitunbekannt waren; kurz, sie mußten der verborgenen Seite Afrikas Gestalt geben. Er­innern wir uns an zwei oder drei Ideen, die schon seit langem in der geographischenTradition der Griechen verankert waren, als sich eine romische Geographie zur Zeitdes Augustus64 und im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung entwickelte: Danach

59 Ptol., IV, 8, 1.60 L. P. Kirwa n, Rhapta, Metropolis of Azania, in: Azania, XXI, 1986, p. 101­102.61 B. A. Da to o, Rhapta: the Location and Importance of East Africa’s first Port, ibid., V, 1970, p. 68.62 B. Struck, Rhapta, Prasum, Menuthias; ein Beitrag zur Ptolemaus­Forschung und zur Kulturgeogra­

phie Ostafricas, in: Ztschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 1921, p. 193­194.63 Ptol., IV, 6, 7, vgl. den Kommentar von C. Muller, p. 748a.64 Vgl. dazu das schone Buch von C. Ni coi e t , L’inventaire du monde. Géographie et politique aux

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Rom und das Innere Afrikas 9

ist Afrika einerseits der kleinste unter den bekannten Kontinenten, andererseits ist erwie die anderen Kontinente auch von den Ozeanen umgeben (ausgenommen naturlichdas, was wir die Landenge von Suez nennen). Schließlich, und das ist, wenn manso will, eine Folge des Postulats seiner Kleinheit, hat man seine mediterrane Seite(longitudo) fur betrachtlich langer gehalten als seine Ausdehnung von Norden nachSuden (latitudo). Der Umriß Afrikas ist also manchmal ganz einfach der ungefahr ei­nes Dreiecks, dessen Hypotenuse sich von den Saulen des Herkules (der Meerenge vonGibraltar) bis zum Golf von Aden erstreckt, in nordwest­sudostlicher Richtung also. Sozum Beispiel stellt es sich Juba von Mauretanien vor65. Am haufigsten ist es aber eineArt Viereck, dessen westliche Seite sich im Gegensatz zur wirklichen Richtung dermarokkanischen Kuste schon etwas nach Sudosten neigt und weit weniger entwickeltist, dessen sudliche Seite aber sehr viel langer ist und sich mehr oder weniger vonNordwesten nach Sudosten senkt. Das ganze erweckt den Eindruck, als ob die afrikani­sche Atlantikkuste, die nur auf geringe Distanz bekannt war, der Anziehungskraft derKuste des Roten Meeres und des Indischen Ozeans ausgesetzt sei, deren Bekanntheitviel weitreichender war. Die Auswirkungen dieser Verzerrung machen sich auch fur diedazwischenliegenden Regionen bemerkbar: Ptolemaios hat, um die Ungleichmaßigkeitder Kenntnisse etwas zu kaschieren, die Breitengrade der Sahara uberschatzen und dieim Niltal unterschatzen mussen; dies wieder erlaubte es ihm, die sudliche Seite desihm bekannten Afrika weniger deutlich zu neigen, was man rekonstruieren kann, wennman von den Koordinatenpunkten ausgeht, die er angibt.

Es kam indessen ein Augenblick, wo sich die Dissymetrie zuspitzte und das Bild vonAfrika von Grund auf erneuert werden mußte, bis zu dem Punkt, daß das Postulat, derKontinent sei praktisch eine Insel, in Frage gestellt wurde. Wenn der anonyme Autordes Periplus Maris Erythraei die Ostkuste Afrikas bis nach Rhapta, in der Gegendvon Dar es Salaam, verlangert, so geht er noch davon aus66, daß von da ab der Ozean,der dann weiter ja unerforscht war, eine Biegung macht, um sich mit den westlichenGewassern zu vereinigen. Aber als nach Ptolemaios67 erkannt wurde, daß sich dieKuste jenseits des Kaps Rhapton nach Sudosten wandte, gab man es auf, sich von derSudkuste des Kontinents ein Bild zu machen und Ptolemaios zog es vor, zu erwahnen,daß im Suden von Agisymba ein ”unbekanntes Land“ liege. Bald jedoch fing manan, sich zu fragen, ob Afrika wirklich von den Meeren umgeben sei oder ob nicht imGegenteil der Indische Ozean ein riesiges Binnenmeer sei, das im Suden von einemmysteriosen Kontinent begrenzt werde, der das Kap Prason in Afrika mit dem weitentfernten Kattigara verbinde, das an den sudlichen Pforten Chinas liege68.

So hat die auf Erfahrung beruhende, am weitesten gehende Kenntnis der OstkusteAfrikas die Menschen der Antike zur Konzipierung desjenigen Bildes vom Kontinentgefuhrt, welches das allerfalscheste war, was a contrario den Schluß nahelegt, daß dasrichtigere Bild von Afrika als einer Halbinsel eher aus der Spekulation geboren ist alsaus der Erfahrung, die man im Verlauf archaischer Periplen erworben hatte.

origines de l’Empire romain, Paris, 1988, 345p.65 Plin., VI, 175.66 Per., 18.67 Ptol., I, 17, 5.68 Id., VII, 2, 1, ed. Nobbe, II, p. 161; VII, 3, 6, p. 172. Diese Passagen halt man fur Interpolationen

einer merklich spateren Zeit, vgl. E. Po 1 as c h e k, Art. Ptolemaios als Geograph, in: R.E., Suppl.X, 1965, col. 727­729.

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An dieser Stelle mochte ich unterstreichen, daß zwischen dem West­und dem Ost­teil Afrikas auch die wirtschaftlichen Anreize vollig ungleich waren. Nun versteht essich von selbst, daß das materielle Interesse fur den Forschungsreisenden ein machti­ger Ansporn ist, auch wenn man den leidenschaftlichen Erkenntnisdrang bei den altenGriechen nicht unterschatzen darf. Es ist auf alle Falle klar, daß es der Anreiz war,Gewinn zu machen, der Eudoxos von Kyzikos dazu trieb, das Abenteuer der Monsun­fahrt zu versuchen: lucroque India admota est, schreibt Plinius69 dazu in energischerVerkurzung: ”Der Gewinnanreiz hat Indien nahergebracht“. Nun aber ist das Rote Meerfur Rom das Vorzimmer des Osthandels, und dies umso mehr, als die Feindschaft derParther sehr haufig die Wege dieses Handels zu Lande verlangert, sie weniger rentabelund unsicherer macht. Wir wissen von Plinius dem Alteren70, daß das romische Reichim Jahr 100 Millionen Sesterzen in Indien, im Land der Serer und in Arabien ausgab.Erwahnen wir nebenbei, daß Plinius nichts vom Handel mit dem Land der Troglo­dyten, der Gewurzkuste Afrikas (nordliches Somalia) und mit Azania (afrikanischeSeite des Indischen Ozeans jenseits des Kaps Guardafui) sagt, zweifellos weil er in derHauptsache auf Tauschhandel beruhte. Die Waren, Gewurze, Aromastoffe, Elfenbein,Edelsteine usw., die auf diesem Wege in das romische Reich eingefuhrt wurden, warenbesonders geschatzt, und es ist nicht ohne Interesse festzustellen, daß von der Liste derteuersten Naturprodukte, mit der die Naturalis Historia des Plinius schließt71, gut dieHalfte uber das Rote Meer nach Rom gelangte.

Dieser Tatbestand ist wohl bekannt72 und, anstatt zu lange auf der Bedeutung diesesHandels zu verweilen, von dem ein nicht zu vernachlassigender Teil aus Ostafrika kam,versuchen wir, in einer zwangslaufig knappen Darstellung zu bestimmen, welcher Artdie Handelsbeziehungen zwischen dem romischen Reich auf der einen, dem saharischenund daruber hinaus dem tropischen Afrika des Westens auf der anderen Seite gewesensein konnten.

Vor jeder Schatzung ist es jedoch angebracht, sich kurz die technischen Grenzenmoglicher Seefahrten in diesen Gewassern ins Gedachtnis zu rufen. Selbst wenn die an­tiken Schiffe eher in der Lage waren, gegen den Wind zu segeln, als man noch unlangstglaubte73, so machen doch die Stromungs­ und Windverhaltnisse aus dem AtlantischenOzean jenseits des sudlichen Marokko einen Strom, den man zwar mit Leichtigkeit hin­unterfahrt, gegen den man aber nur mit konstanter Anstrengung zuruckfahren kann74,sei es mit Segel oder mit Ruder, und zwar an einer besonders ungastlichen Kuste ent­lang, wenn man nicht die Route uber die offene See nehmen will, was allerdings ohneKompaß nicht durchzufuhren ist. Wenn man folglich den Seefahrern der Antike dieMoglichkeiten nicht vollig absprechen will, nach Erreichen des heutigen Senegal (wasrelativ leicht war) auch wieder zuruckgekehrt zu sein – und man muß zugeben, daß

69 Plin., VI, 101.70 Id., XII, 84.71 Id., XXXVII, 204.72 Vgl. zuletzt S. S. Sidebotham , Roman economic Policy in the Erythra Thalassa, 30 B.C. A.D. 217,

Leiden, 1986, 226p.73 R. Lonis, Les conditions de la navigation sur la côte atlantique de l’Afrique dans l’Antiquité: le

probleme du ”retour“, in: Afrique Noire et monde méditerranéen dans l’Antiquité, Dakar­Abidjan,1978, p. 147­170.

74 R. Mauny, Les navigations médiévales sur les côtes sahariennes antérieures â la découverte portugaise(1434), Lissabon, 1960, p. 1­22.

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sie geheime Kenntnisse nicht gerne preisgaben , so ist doch sicher, daß eine solcheVerbindung nur außergewohnlich sein konnte75. Die arabischen Seefahrten in der dar­auffolgenden Epoche gingen nicht uber die Mundung des Wadi Noun (oder Noul) imaußersten Suden von Marokko hinaus und erreichten allem Anschein nach nicht einmaldie Kanarischen Inseln76.

Was den transsaharischen Handel angeht, so hat man im letzten Vierteljahrhundertoft angenommen, daß er die Routen benutzt habe, die man romantisch die ”Straßender Wagen“77 genannt hat. In der Tat scheint es heute78, daß fast uberall, wo sich denZeichnern und Graveuren der saharischen Vorgeschichte Felsoberflachen boten, Wa­gen dargestellt worden sind. Es ist deshalb unnutz, Reiserouten in der Weise auf derKarte zu rekonstruieren, daß man sich damit begnugt, die verschiedenen Punkte, woFelsdarstellungen von Wagen gefunden wurden, miteinander zu verbinden. Daruberhinaus haben neue Untersuchungen79 46 gezeigt, daß der Wagen der Sahara so gut wieungeeignet fur Handelstransporte war und daß es sich eher um ein sportliches Prestige­gefahrt handelte, das eventuell fur die Jagd zu gebrauchen war. Man muß also zugeben,daß ein Transsaharahandel von einigem Ausmaß zu romischer Zeit nur von Karawanenmit Dromedaren verwirklicht werden konnte – Tieren, deren Ausbreitungswellen in derantiken Sahara im ubrigen umstritten bleiben – oder vielleicht mit Eseln und Mauleseln.

Was konnten in der Antike die Objekte eines Handels durch die Sahara sein? Dererste Einfall, der einem dazu kommt, ist, ans Gold zu denken, weil dies Veranlassungzu einem wichtigen Handel gegeben hat, der sich wahrend der islamischen Zeit ubermehrere Jahrhunderte hin erstreckte. Leider bleibt die Akte uber Saharagold im romi­schen Kaiserreich leer. Fur die punische Zeit kann man meines Wissens fast nur einenberuhmten Text Herodots80 uber den ”stummen“ Goldhandel in einer Gegend von Li­byen (und nicht von Athiopien) anfuhren, die vage jenseits der Saulen des Herkulesplaziert wird.

Es ist also nicht ausgeschlossen, daß dieser Handel Sudmarokko als Ausgangspunkthatte, wo das Vorhandensein von Goldminen durch die arabischen Geographen wiedurch die Archaologie bezeugt ist. Das romische Reich aber scheint sich in Wirklichkeithauptsachlich zunachst in Spanien, spater in Dakien mit Gold versorgt zu haben.Kurz, ziemlich viele Arbeiten sind in letzter Zeit zu dem Schluß gekommen, daß eseinen Transsaharahandel mit Gold wahrend der romischen Kaiserzeit81 nicht gegebenhat; zumindest musse er vollig unwichtig gewesen sein. Diese Skepsis hat man sogar

75 Vgl. die sehr qualifizierte Ansicht des Admirals A. Teixeira da Mota nach dem Beitrag von R. Lonis,op.cit., p. 166­167.

76 R. Mauny, op.cit., p. 26­33.77 H. Lhote, La route des chars de guerre libyens Tripoli­Gao, in: Archéologia, mars­avril 1966, p.

27­35; M au ny, Les, siecles obscurs de l’Afrique Noire, Paris, 1970, p. 61­65, mit der Karte dertranssaharischen ”routes des chars“, p. 62.

78 Vgl. z.B.: G. Camps, Le cheval et le char dans la préhistoire nordafricaine et saharienne, in: Leschars préhistoriques du Sahara, Aix­en­Provence, 1982, p. 16.

79 J. Spruytte , Etudes expérimentales sur l’attelage, Paris, 1977, p. 77­99.80 Hdt., IV, 196.81 Vgl. unter anderen: J.T. Swanson, The Myth of Trans­Saharan Trade during the Roman Era, in:

Intern. Journ. of Afric. hist. Studies, VIII, 1975, p. 582­600; J. Desanges, Remarques critiques surl’hypothese d’une importation de l’or africain dans le monde phénico­punique, in: Actes du IIeCongres intern. d’étude des cultures de la Méditerranée occid., II, Algier, 1978, p. 52­58, das kurzauch die romische Zeit ins Auge faßt.

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auf die erste Zeit der arabischen Eroberung ausgedehnt82. Cl. Cahen83 schatzt in derTat, daß die Goldzufuhr aus dem subsaharischen Afrika bis zum 8. Jahrhundert sogut wie unbedeutend und bis zum 10. Jahrhundert unserer Zeit schwach war. Umvon da auf das romische Afrika zuruckzukommen: man kann annehmen, daß Romsich nicht damit begnugt hatte, den Provinzen Mauretaniens nur eine prokuratorischeVerwaltung zu gewahren, die wenig kostspielig war, und daß es sich nicht standiggeweigert hatte, dort eine Legion zu stationieren, wie schwer auch immer die Unruhengewesen sein mochten, die im Lande ausbrachen, wenn dorthin ein sehr eintraglicherHandel gefuhrt hatte. Ich fur meinen Teil wurde das Vorhandensein einer bescheidenen,nicht regelmaßigen Einfuhr zugestehen, die allerdings ihren Bestimmungsort nicht inMauretanien, sondern viel eher in den Stadten Tripolitaniens fand84, obwohl der Nameder Garamanten in der Antike zwar manchmal mit Edel­ bzw. Halbedelsteinen, niemalsaber mit Gold in Verbindung gebracht wird.

Vor kurzem hat A.Laronde in einem sehr schonen Buch, das sich mit Kyrene inder hellenistischen Zeit befaßt85, die Hypothese entwickelt, daß Kyrene das fur diePragung seiner Goldmunzen notwendige Metall – und zwischen 330 und 300 v.Chr.war seine Goldpragung besonders reich – seinem Sieg uber die Maken und die Nasa­monen verdankte, den er auf das 3. Viertel des 4. Jahrhunderts vor unserer Zeit datiert.Das Gold von Kyrene ware also nicht vom Gold Alexanders; es kame uber sahari­sche Zwischenhandler aus Schwarzafrika. Doch ist es erstaunlich, daß die Nasamonengewohnlich fur arm86, ja sogar fur mittellos87 gehalten wurden und den Hauptteil ihrerdurftigen Einnahmen aus der Plunderung von Wracks88 gezogen haben sollen. Undwenn sie sich zumindest in einem Fall89 mit dem Edelsteinhandel in Verbindung ge­bracht finden, so bringt sie doch kein einziges Zeugnis mit Gold in Zusammenhang.Wie dem auch sei, die Goldpragung Kyrenes nimmt nach 300 v.Chr. ab, was zu bewei­sen scheint, daß die Kyrenenser nicht mehr in der Lage waren, einen hypothetischenGoldhandel durch die Sahara zu kontrollieren. In einer sehr anregenden Studie nimmtT. F. Garrard90 seinerseits an, daß es vor Diokletian keinen transsaharischen Goldhan­del gegeben habe, sondern daß nach seiner Ansicht das Gold Westafrikas nach einerUbergangszeit in bedeutender Menge erst vom Ende des 4. Jahrhunderts an in dieromische Welt gelangt sei und daß der Zufluß in byzantinischer Zeit noch sehr an­

82 J. Devisse, La question d’Audagust, in: D. und S. Robert, J. Devisse, Tegdaoust I. Recherches surAoudaghost, Paris, 1970, p. 134­136.

83 Cl. Cahen, L’or du Soudan avant les Almoravides: mythe ou réalité?, in: Rev. fr. d’hist. d’outre­mer,LXVI, 1979, p. 169­175.

84 M. Floriani Squarciapino, Sulle antiche fonti riguardanti le relazioni dei Romani con le regionitranssahariane, in età imperiale, in: Quad. di Arch. della Libia, XI, 1980, p. 113­118; A. Di Vita,Gli Emporia di Tripolitania dall’età di Massinissa a Diocleziano: un profilo storico­istituzionale, in:A.N.R.W., II, 10, 2, Berlin/New York, 1982, p. 588­594 (Anhang). A. Di Vita beruft sich dabei aufZeugnisse, die auf das XVII. oder XVIII. Jahrhundert datiert sind und bei denen man sich fragenkann, ob sie im zeitlichen Rahmen der Antike von Bedeutung sind.

85 A. Laronde, Cyrene et la Libye hellénistique. Libykai Historiai, Paris, 1987, p. 207­212.86 Lucan., IX, 458 (pauper).87 Id., IV, 679 (inops).88 Id., IX, 439­444.89 Plin., XXXVII, 104; vgl. 175.90 T. F. Garrard, Myth and Metrology: the Early Trans­Saharan Gold Trade, in: The Journ. of Afric.

Hist., XXIII, 1982, p. 443­461.

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gewachsen sei. Die Kaiserkonstitutionen indessen, auf die er sich zur Untermauerungseiner Theorie beruft91, beziehen sich nicht nur auf die Provinzen Afrikas, und dasschwacht das Argument. Wenn man die Periodisierung, die er vorschlagt, gelten laßt,muß man zu der Meinung gelangen, daß der transsaharische Goldhandel sich wahrendder Zeit entwickelt hat, wahrend der die im Maghreb etablierte Macht, die Roms, derVandalen und schließlich die von Byzanz immer unfahiger wurde, ihren Einfluß amnordlichen Rand der Wuste geltend zu machen.

Das gleiche Schweigen der Quellen im Blick auf einen Sklavenhandel quer durchdie Sahara. Gewiß, man liest in der Expositio totius mundi et gentium92, einer Beschrei­bung der Welt aus der Zeit Constantius’ II., daß Mauretanien sich dem Sklavenhandelwidme. Und auf alle Falle bezeugen die neuen Briefe des Heiligen Augustinus, die J.Divjak entdeckt hat93, ein erneutes Anwachsen der Sklaverei im Nordafrika der Spatan­tike, jedoch ohne irgendeinen Bezug zum Transsaharahandel: Eltern waren durch dieNot gezwungen, ihre Kinder zu verkaufen; Grundbesitzer versuchten, ihre Kolonenund deren Nachkommen in die Sklaverei zu uberfuhren; vor allem Sklavenhandler,haufig Galater, die mangones, verschifften die Afrikaner als Fracht, nachdem sie ausder Aktivitat von Menschenjagern Nutzen gezogen hatten, die in einsamen landlichenGegenden Entfuhrungen inszenierten. Augustinus94 ermahnte die Glaubigen zum Wi­derstand im Namen der romischen Freiheit (pro libertate Romana), denn es handeltesich um romische Burger, die im Imperium fest ansassig waren, und nicht um Schwar­ze, die mit Karawanen gerade aus ihrer weit entfernten Heimat herbeigefuhrt wordenwaren.

Gold und Sklaven des westlichen Afrika haben allenfalls eine unbedeutende undunregelmaßige Einfuhr dargestellt. Es ist wahrscheinlich, daß aus der großen Wustein gleicher Weise Stoßzahne aus Elfenbein, Straußenfedern, Steine, die man damalsals Edelsteine betrachtete, und manchmal sogar, trotz der Transportschwierigkeiten,besonders seltene exotische Tiere ins Imperium gelangt sind, wie es zum Beispielvielleicht mit den Nashornern vom Typ Diceros bicornis der Fall war. Kurz, es war einziemlich eingeschrankter Handel, der in den Hafen der Tripolitania sein Ziel gefundenhaben mußte. Auch darf man nicht vergessen, daß es wilde Tiere und vor allem Panther(Africanae) in allen Regionen Nordafrikas gab, wo die Landwirtschaft nicht sehr dichtwar95, daß der Elefant noch im 2. Jahrhundert n.Chr. in der Mauretania Tingitana gejagtwurde96 und daß der Strauß97 erst am Ende des 19. Jahrhunderts aus Sudtunesien und

91 Die collatio lustralis, die vorher in Gold oder in Silber entrichtet werden konnte, muß ab Juni 399verbindlich in Gold bezahlt werden; dieselbe Entwicklung gibt es ab 429 fur die Grundsteuer, allesnach dem Codex Theodosianus, vgl. T.F. Garrard, op.cit., p. 447­448.

92 Expositio, LX.93 J. Divjak, Sancti Aureli Augustini opera. Epistulae ex duobus codicibus nuper in lucem prolatae,

C.S.E.L., t. 88, Wien, 1981, LXXXIV, 234 p.94 Aug., Ep. 10*, 5, 3, ed. Divjak, p. 49; vgl. Cl. Lepelley, La crise de l’Afrique romaine au début

du V‘ siecle, d’apres les lettres nouvellement découvertes de saint Augustin, in: C.R.A.I., 1981, p.455­462.

95 Eine ganze Sequenz in Diokletians Hochstpreisedikt (301 n. Chr.) fuhrt noch die Uberschrift De ferislibycis, vgl. M. Giacchero, Edictum Diocletiani et Collegarum de pretiis rerum venalium, I, Genua,1974, p. 210­211: 32, 1.

96 Lukian., H. conscr., 28; vgl. M. Euzennat, Grecs et orientaux en Maurétanie Tingitane, in: Ant. Afr.,V, 1971, p. 177­178.

97 H. Camps­Fabrer, La disparition de l’autruche en Afrique du Nord, Algier, 1963, 107p.

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Sudalgerien und noch spater aus Sudmarokko verschwunden ist.Andererseits muß man vielleicht annehmen, daß die Romer Kupfer aus Mauretanien

bezogen haben, genauer aus Akjoujt98, was die Funde romischer Munzen erklarenwurde, die in diesem Gebiet gemacht wurden. Diese Hypothese wird jedoch nochdurch beweiskraftige archaologische Indizien erhartet werden mussen.

Alles in allem haben die Romer von der großen Wuste, der sie nicht einmal einenNamen gegeben haben, niemals einen wirtschaftlichen Anreiz bekommen, wie er ihreSeeleute und Handler nach denen der Ptolemaier an die Kusten Indiens und in ge­ringerem Maße an die Kusten Azanias zog: Allerdings begunstigten der periodischeWechsel der Winde in der sudlichen Halfte des Roten Meeres und das Vorherrschender Monsune im Indischen Ozean die Verbindungen in außergewohnlicher Weise. Wasdann die Araber betrifft, so war es wahrscheinlich ihr monotheistischer Glaube, indem sie am Anfang des 8. Jahrhunderts die zur Durchquerung der Sahara notwendigeAntriebsfeder fanden. Gold und Sklaven wurden ihnen dann als Zugewinn gegeben,gleichsam als gottlicher Lohn.

98 N. Lambert, Medinet Sbat et la protohistoire de Mauritanie occidentale, in: Ant. Afr., IV, 1970,p. 15­62; auf dem neuesten Stand: M. Cornevin, Métallurgie du cuivre et du fer dans le Saharaméridional aux deux derniers millénaires avant l’ere chrétienne, in: L’Universo (Florenz), LXIV/5,sept.oct. 1984, p. 96­102.