Deutscher Studienpreis | 2. Preis Natur- und ... · Geometrie, der Monopol-Antenne. Analog zu den...

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1 Deutscher Studienpreis | 2. Preis Natur- und Technikwissenschaften Die kleinste Lichtquelle der Welt Dr. Markus Parzefall Radio- und Mikrowellen-Antennen sind essenzi- elle Bestandteile unseres täglichen Lebens. Sie senden (und empfangen) Informationen in Form elektromagnetischer Wellen. Meine Doktorar- beit beschäftigt sich mit der Übertragung dieser Funktionsweise auf sichtbares Licht. Denn Licht ist, genauso wie Radio- und Mikrowellen, eine elektromagnetische Welle, mit dem wesentli- chen Unterschied, dass dessen Wellenlänge in etwa eine Million Mal kürzer ist. Entsprechend klein sind die zugehörigen Antennen, welche wir erstmalig mithilfe des quantenmechani- schen Tunneleffektes dazu verwenden, elektri- sche in optische Signale umzuwandeln – auf kleinstem Raum und mit hoher Geschwindig- keit. Dies erlaubt es uns, die kleinste Lichtquelle der Welt zu realisieren, ca. 1000-mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. In zukünftigen Technologien könnten solche elektrisch betriebenen optischen Antennen in integrierten Schaltkreisen und nanoskaligen optischen Sensoren Einsatz finden. Dr. Markus Parzefall promovierte an der ETH Zürich in den Fach- und Spezialgebieten: Informations- und Elektrotechnik sowie Photonik.

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Deutscher Studienpreis | 2. Preis

Natur- und Technikwissenschaften

Die kleinste Lichtquelle der Welt

Dr. Markus Parzefall

Radio- und Mikrowellen-Antennen sind essenzi-

elle Bestandteile unseres täglichen Lebens. Sie

senden (und empfangen) Informationen in Form

elektromagnetischer Wellen. Meine Doktorar-

beit beschäftigt sich mit der Übertragung dieser

Funktionsweise auf sichtbares Licht. Denn Licht

ist, genauso wie Radio- und Mikrowellen, eine

elektromagnetische Welle, mit dem wesentli-

chen Unterschied, dass dessen Wellenlänge in

etwa eine Million Mal kürzer ist. Entsprechend

klein sind die zugehörigen Antennen, welche

wir erstmalig mithilfe des quantenmechani-

schen Tunneleffektes dazu verwenden, elektri-

sche in optische Signale umzuwandeln – auf

kleinstem Raum und mit hoher Geschwindig-

keit. Dies erlaubt es uns, die kleinste Lichtquelle

der Welt zu realisieren, ca. 1000-mal kleiner als

der Durchmesser eines menschlichen Haares. In

zukünftigen Technologien könnten solche

elektrisch betriebenen optischen Antennen in

integrierten Schaltkreisen und nanoskaligen

optischen Sensoren Einsatz finden.

Dr. Markus Parzefall promovierte an der ETH Zürich

in den Fach- und Spezialgebieten: Informations- und Elektrotechnik sowie Photonik.

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Der vorliegende Beitrag wurde beim Deutschen Studienpreis 2018 mit dem 2. Preis in der Sektion

Natur- und Technikwissenschaften ausgezeichnet.

Er beruht auf der 2017 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich eingereichten Dissertation

»Optical antennas driven by quantum tunneling« von Dr. Markus Parzefall.

Antennen sind überall

In der heutigen Welt sind wir stets umgeben

von Technik, die uns auf die eine oder andere

Weise – bestenfalls – das Leben erleichtert. In-

zwischen ist es vollkommen selbstverständlich

geworden, dass wir durch diverse Geräte rund

um die Uhr mit der Welt verbunden sind. Doch

wie ist dies möglich geworden? Ein entscheiden-

der Bestandteil der Vernetzung sind die Schnitt-

stellen zwischen unseren Geräten und dem

Strom an Daten und Information, die sich in

Form elektromagnetischer Wellen durch uns

hindurch und um uns herum fortbewegen, un-

sichtbar für das menschliche Auge. Diese Schnitt-

stelle ist die Antenne.

Die meisten heute lebenden Menschen kön-

nen sich noch an eine Zeit erinnern, in der An-

tennen sichtbar waren und – unter Umständen –

ausgerichtet werden mussten, um ein Signal zu

empfangen. Sie ragten aus Fernsehern, Radios

und den ersten Mobiltelefonen hervor und wa-

ren auf den Dächern von Häusern montiert.

Doch wohin sind diese Antennen größtenteils

verschwunden? Wir sind weiterhin von Anten-

nen umgeben, doch sind sie kleiner, kompakter,

integrierter geworden.

Die Aufgabe einer Antenne ist es, ein lokali-

siertes Signal in propagierende, elektromagneti-

sche (EM) Wellen umzuwandeln – und umge-

kehrt. Die wohl wichtigste Eigenschaft dieser

Wellen ist deren Frequenz, die Anzahl der Wel-

lenoszillationen pro Sekunde. Sie bestimmt auch

die Wellenlänge. Eine kürzere Wellenlänge ent-

spricht hierbei einer höheren Frequenz. Abbil-

dung 1 zeigt einen Teil des EM Spektrums, von

Wellen die mehrere Hundert Meter lang sein

können – den Radiowellen –, zu Wellen, deren

Abb. 1: Das Spektrum der Frequenzbereiche der Elektronik und Photonik sowie typische Antennen-Geometrien. Gezeigt

sind eine lineare Dipol-Antenne, eine Yagi-Uda-Antenne und eine Bowtie-Antenne, von links nach rechts.

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Länge lediglich wenige Nanometer (1 Nanome-

ter = 1 Milliardstel Meter) beträgt, der UV-

Strahlung. Allein dieser Teil des EM Spektrums

überspannt neun Größenordnungen, d.h., die

längste Welle ist eine Billion Mal länger als die

kürzeste. Äquivalentes gilt für die Frequenz: Die

höchste Frequenz ist eine Billion Mal höher als

die niedrigste.

Antennen assoziieren wir für gewöhnlich mit

dem Frequenzbereich der Radio- und Mikrowel-

len – Wellen die wenige Zentimeter, bis zu eini-

gen Metern lang sein können. Dies sind die Fre-

quenzbereiche der Elektronik. Ebenfalls in Ab-

bildung 1 sind mehrere typische Formen von

Antennen abgebildet, denen man unter Umstän-

den schon begegnet ist. Die Anordnung der ver-

schiedenen Elemente beeinflusst die Abstrahl-

richtung, die Form deren Bandbreite und die

Größe den Frequenzbereich. Generell kann man

sagen, dass die Größe der Antenne in etwa der

Wellenlänge der EM Wellen entspricht, die sie

generiert bzw. empfängt.

Antennen im Frequenzbereich der Elektronik

wurden entwickelt, um ein Problem zu lösen:

Wie lassen sich große Entfernungen überbrü-

cken, ohne entsprechende Kabel verlegen zu

müssen? Die Erfindung der Antenne ermöglich-

te den Beginn des Zeitalters der drahtlosen Kom-

munikation – vom Radio zum Highspeed-

Internet.

Das Funktionsprinzip ist in Abbildung 2 dar-

gestellt. Das zu verarbeitende Signal wird zu-

nächst von einer Quelle bzw. einem Generator

erzeugt. Über einen Wellenleiter gelangt das

Signal schließlich zur Antenne, welche das loka-

lisierte Signal in abgestrahlte EM Wellen um-

wandelt, die, zu einem späteren Zeitpunkt, wie-

derum von einer Antenne empfangen werden.

Antennen für Licht

Am anderen Ende des Spektrums in Abbil-

dung 1 finden wir Frequenzbereiche, die wir für

gewöhnlich nicht mit Antennen in Verbindung

bringen. Insbesondere der Bereich des sichtba-

ren Lichts – markiert durch das Farbspektrum –

ist uns wohlbekannt durch unser tägliches Erle-

ben der Welt durch unsere Augen.

Die Wissenschaft, die sich mit der Manipula-

tion von sichtbaren und infraroten Lichtwellen

beschäftigt, ist die Photonik, benannt nach dem

quantenmechanischen Baustein des Lichts, dem

Photon. Doch wenn das Konzept der Antenne

im Radio- und Mikrowellenbereich funktioniert,

sollte es nicht konsequenterweise auch Anten-

nen für sichtbare EM Wellen geben – Antennen

für Licht?

Antennen für Licht, oder auch optische Anten-

nen, werden heute in Laboren auf der ganzen

Welt erforscht. Jedoch war die Erfindung der

optischen Antenne anderweitig motiviert. Die

Auflösung eines normalen Lichtmikroskops ist

beschränkt durch eine fundamentale Eigen-

schaft elektromagnetischer Wellen, das Beu-

gungslimit. Dieses besagt, dass zwei Punkte in

einem Mikroskop nur als solche unterschieden

werden können, wenn sie mindestens einen

Abstand der halben Wellenlänge zueinander

haben. Dies setzt den Möglichkeiten der opti-

schen Mikroskopie strenge Grenzen.

Das Konzept der optischen Antenne wurde

zuerst mit der experimentellen Realisierung des Abb. 2: Funktionsweise einer klassischen Antenne.

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Nahfeld-Mikroskops Ende der 1980er Jahre de-

monstriert. Um das Beugungslimit zu umgehen,

wird in dieser Form der Mikroskopie Licht auf

eine Spitze fokussiert, die über die Oberfläche

einer zu untersuchenden Probe fährt. Diese Spit-

ze, die für gewöhnlich aus einem Edelmetall wie

Gold oder Silber besteht, ermöglicht es, Licht zu

fokussieren, d.h. auf einen kleineren Raum zu

konzentrieren, als es sonst im Rahmen des Beu-

gungslimits möglich wäre. Anstatt der Wellen-

länge ist nun die Größe der Spitze der auflö-

sungslimitierende Faktor. Diese Spitzen bilden

das Äquivalent zur wohl einfachsten Antennen-

Geometrie, der Monopol-Antenne.

Analog zu den Antennen der Elektronik sind

optische Antennen in etwa so groß wie die Wel-

lenlänge der EM Wellen, die sie generieren und

empfangen. Da Wellenlängen im Bereich des

sichtbaren Lichtes lediglich wenige Hundert Na-

nometer betragen, stellt die Fabrikation opti-

scher Antennen eine enorme technische Heraus-

forderung dar, die erst in den letzten 20 Jahren

bewältigt werden konnte.

Doch worin liegen die Unterschiede zwi-

schen klassischen und optischen Antennen? Im

Wesentlichen überwiegen die Gemeinsamkeiten

im Vergleich zu den Unterschieden, mit einer

wichtigen Ausnahme: der Art und Weise, in der

wir sie einsetzen.

Optische Antennen werden dazu benutzt, die

Wechselwirkung von Licht und Materie zu ver-

stärken – wie im Beispiel die Nahfeldmikrosko-

pie durch die stärkere Fokussierung des Lichtes.

Deren Funktionsweise ist konzeptuell in Abbil-

dung 3 dargestellt. Nehmen wir an, wir möch-

ten ein Molekül untersuchen. Dies kann zum

Beispiel durch optische Anregung mit einer be-

stimmten Lichtfrequenz und der darauffolgen-

den Emission von Licht mit einer niedrigeren

Frequenz erfolgen. Diesen Vorgang nennt man

Photolumineszenz. Wenn das zu untersuchende

Molekül mit Licht bestrahlt wird, so interagiert

dieses für gewöhnlich nur sehr schwach mit

dem einfallenden Licht. D.h., nur ein sehr klei-

ner Teil wird absorbiert und dementsprechend

ein noch kleinerer Teil als Photolumineszenz

wieder abgestrahlt. Eine optische Antenne, wie

in Abbildung 3 dargestellt, verstärkt diese

Wechselwirkung. Das Licht wird auf das Mole-

kül fokussiert, sodass mehr Photonen absorbiert

und auch mehr Photonen als Photolumineszenz

reemittiert werden. Zusammenfassend: Eine

optische Antenne agiert als Schnittstelle zwi-

schen Licht und Materie, d.h., die Antenne wird

optisch angeregt sowie ausgelesen.

Die Frage, die sich stellt und mit der sich

meine Dissertation beschäftigt, ist nun die fol-

gende: Ist es möglich, eine optische Antenne

elektrisch anzutreiben?

Lichtquellen für die Nanowelt

»Ist es möglich, Licht durch ein ganzes Netz-

werk von Antennen auszusenden, genauso wie

wir geordnete Netzwerke von Antennen dazu

verwenden, Radiosendungen nach Europa zu

übertragen?« Diese Frage (Originalzitat siehe

Abb. 3: Wechselwirkung von Licht und Materie (Molekül)

ohne (links) und mit (rechts) optischer Antenne.

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rechts) stellte Richard Feynman bereits

im Jahr 1959 in einer Rede auf einer Kon-

ferenz der Amerikanischen Physikali-

schen Gesellschaft – einer Rede, in der er

über potenzielle Konsequenzen und Mög-

lichkeiten, die durch technischen Fort-

schritt ermöglicht werden könnten, spe-

kulierte. Doch was wären die Anwen-

dungsgebiete einer Lichtquelle, die kleiner ist

als die Wellenlänge des Lichtes selbst – einer

Lichtquelle für die Nanowelt?

Die Anzahl der Transistoren – dem essenziel-

len elektronischen Schaltelement der integrier-

ten Schaltkreis-Technologie – auf einem einzi-

gen Chip hat sich im Laufe der letzten 40 Jahre

alle zwei Jahre verdoppelt. Angefangen bei ca.

1000 Transistoren Anfang der 1970er Jahre, be-

läuft sich diese Zahl in modernen Computer-

chips auf mehrere Milliarden Transistoren. Nur

durch die ständige Weiterentwicklung der Fabri-

kationstechniken war es möglich, diesen Ver-

lauf, der auch als Moore’s Law bezeichnet wird,

zu verfolgen. Doch auch dieser technologischen

Entwicklung sind letztlich Grenzen gesetzt –

Grenzen, die zunehmend spürbar werden. Zum

einen sind dies physikalische Grenzen, die es

immer schwieriger machen, die Größe eines

einzelnen Transistors weiter zu verringern. Aber

auch technische Probleme treten auf, wenn

mehr und mehr Komponenten auf kleinstem

Raum integriert werden. Das schwerwiegendste

dieser Probleme ist die Wärme, die bei der Über-

tragung und Verarbeitung elektrischer Signale

entsteht. Ein großer Teil dieser Wärme wird

durch die Übertragung elektrischer Signale ent-

lang metallischer Leiterbahnen verursacht, die

ein unabdingbares Bindeglied zwischen den ein-

zelnen Komponenten darstellen. Eine mögliche

Lösung dieser Problematik stellt die optische

Übertragung dieser Signale dar; dies würde we-

niger Wärme produzieren und die Geschwindig-

keit des Signalübertrags erhöhen. Woran es hier

aber fehlt, ist eine geeignete Schnittstelle, die

auf kleinstem Raum mit anderen elektronischen

Komponenten integriert werden kann. Eine

elektrisch betriebene optische Antenne könnte

in Zukunft genau dieses Element darstellen.

Ein weiterer Aspekt optischer Antennen ist

die Möglichkeit, deren Frequenz durch die Grö-

ße der Antenne zu beeinflussen. Dies bedeutet,

dass die Wellenlänge bzw. Farbe des abgestrahl-

ten Lichtes gesteuert werden kann. Wenn dies

mit einer optischen Empfangsantenne kombi-

niert wird, so entsteht ein Kommunikationspfad

aus Lichtsignalen auf kleinstem Raum. Es wäre

vorstellbar, dass Moleküle, die diesen Kommuni-

kationspfad kreuzen, einen Teil des Lichtes ab-

sorbieren und diese Absorption detektiert wer-

den kann. Das hier beschriebene System stellt

einen nanoskaligen optischen Gas-Sensor dar,

mit verschiedensten Anwendungsmöglichkei-

ten. Luftverschmutzung ist eines der größten

Probleme, mit denen die Menschheit in der heu-

tigen Welt konfrontiert ist. Millionen von Autos

und Fabriken verpesten die Luft der Städte, so-

dass die Gesundheit der dort lebenden Men-

schen gefährdet ist. Nanoskopische optische

Sensoren, die auf kleinste Mengen gesundheits-

schädigender Gase reagieren, könnten in Zu-

kunft in jedem Mobiltelefon integriert sein und

dessen Besitzer informieren, falls bestimmte

Grenzwerte überschritten werden.

Doch ob und in welchem Ausmaß ein neues

technologisches Konzept wie das unsere zu An-

wendungen führt, ist nicht vorherzusagen. Ge-

nau wie den Lauf der Geschichte versteht man

die Entwicklung der Forschung und Technologie

meistens erst in der Retrospektive.

Is it possible […] to emit light from a whole set of antennas, like

we emit radio waves from an organized set of antennas to beam

the radio programs to Europe?

Richard Feynman in »Plenty of Room at the Bottom«, 1959

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Vom Konzept …

Wie lässt sich also das Konzept der elektrisch

betriebenen optischen Antenne in die Realität

umsetzen? Wie bereits angedeutet, hat sich ein

Großteil der Forschung auf dem Gebiet der Pho-

tonik, im Speziellen der Nanophotonik, damit

befasst, optische Antennen zur Verstärkung der

Wechselwirkung von Licht und Materie einzu-

setzen, wie schematisch in Abbildung 3 darge-

stellt. Rufen wir uns im Vergleich dazu noch

einmal die Funktionsweise der klassischen An-

tenne vor Augen, dargestellt in Abbildung 2. Es

stellt sich heraus, dass die fehlende Komponen-

te zur Realisierung dieser Funktionsweise im

Frequenzbereich des sichtbaren und infraroten

Lichts eine geeignete Quelle bzw. ein Generator

ist, welche/r elektrische Signale in optische um-

wandelt, die anschließend von der Antenne ab-

gestrahlt werden. Eine solche Quelle muss meh-

rere Eigenschaften erfüllen. Zum einen muss sie

klein sein, d.h. so klein wie oder kleiner als die

optische Antenne selbst. Zum anderen muss sie

über eine hohe Bandbreite verfügen, d.h., sie

muss schnell sein, um Signale hoher Frequen-

zen im Bereich von mehreren Gigahertz

(mehrere Milliarden Oszillationen pro Sekunde)

übertragen zu können. Die bereits etablierten

Quellen, die elektrische Signale in Licht umwan-

deln, sind lichtemittierende Dioden (LEDs) und

Laser. Während LEDs gut integrierbar sind, ist

ihre Geschwindigkeit in den meisten Fällen

nicht ausreichend für Hochfrequenzanwendun-

gen. Im Gegensatz dazu benötigen Laser zu viel

Platz, sodass eine Integration in hoher Dichte

unwahrscheinlich erscheint.

In meiner Dissertation beschäftige ich mich

mit einer weniger gut erforschten und etablier-

ten Lichtquelle, dem inelastischen Elektronen-

tunneln. Elektronen sind die elementaren Bau-

steine des elektrischen Stroms. Legt man eine

Spannung an ein Stück leitfähiges Metall an, so

kommt ein Strom aus Elektronen ins Fließen,

elektrischer Strom. Tun wir dasselbe für ein

nicht leitfähiges Material, wie zum Beispiel Glas,

Luft oder Plastik, so passiert auf den ersten Blick

nichts, da diese über keine freien Elektronen

verfügen – sie sind Isolatoren. Beim Elektronen-

tunneln handelt es sich um einen Effekt, der

nur mithilfe der Quantenmechanik zu erklären

ist. Wenn wir uns zwei Metalle vorstellen, die

von einer dünnen Schicht isolierenden Materials

getrennt sind, und wir eine Spannung zwischen

den beiden metallischen Leitern anlegen, so

fließt kein Strom, da die isolierende Schicht dies

verhindert. Machen wir nun diese isolierende

Schicht dünner und dünner, so ändert sich aus

der Perspektive der klassischen Physik nichts,

d.h., kein Strom fließt, bis die Schicht komplett

verschwunden ist und die beiden Metalle in Be-

rührung kommen. Tatsächlich ist es aber so,

dass bereits ein kleiner Strom messbar wird,

sobald die isolierende Schicht nur noch wenige

Atome dick ist. Diesen Effekt bezeichnet man

als den quantenmechanischen Tunnel-Effekt,

weil die Elektronen durch den Isolator sozusa-

gen hindurchtunneln. Genauer gesagt handelt

es sich hierbei um elastisches Tunneln, weil die

Elektronen während des Tunnel-Prozesses keine

Energie verlieren.

Mitte der 1970er Jahre entdeckten zwei Wis-

senschaftler, die in den Forschungslaboren des

Autoherstellers Ford in den USA arbeiteten, dass

es unter bestimmten Bedingungen möglich ist,

durch tunnelnde Elektronen Licht zu erzeugen.

Sie nannten diesen Effekt »Licht-Emission durch

inelastisches Elektronentunneln«.1 Obwohl diese

Art der Lichterzeugung weniger gut erforscht

ist, bietet inelastisches Elektronentunneln eini-

ge Vorteile, die es zu einem geeigneten Kandida-

ten machen, um als Antriebsquelle für optische

Antennen zu fungieren. Zum einen können

Lichtquellen, die auf diesem Effekt basieren,

sehr klein sein, da der Isolator zwischen den

metallischen Elektroden nur wenige Atome dick

ist. Des Weiteren wurde bislang angenommen,

wenn auch nicht experimentell nachgewiesen,

dass diese Art der Lichterzeugung äußerst

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schnell ist, da die Zeit, die ein Elektron braucht,

um durch den Isolator zu tunneln, sehr kurz ist

(wenige Femtosekunden (1 Femtosekunde = ein

Millionstel von einem Milliardstel einer Sekun-

de)). Im Rahmen meiner Dissertation konnte ich

nachweisen, dass es tatsächlich möglich ist,

elektrisch angetriebene optische Antennen, ba-

sierend auf inelastischem Elektronentunneln,

zu realisieren. Auch deren Potenzial als Hochfre-

quenz-Schnittstelle haben wir erstmalig er-

forscht.

… zur Realisierung

Die Herstellung elektrisch betriebener opti-

scher Antennen stellt hohe Anforderungen so-

wohl an die Qualität der verwendeten Materia-

lien als auch an die Genauigkeit der zur Herstel-

lung notwendigen Prozesse. Zu den Materialien,

die wir zur Herstellung verwenden, gehört zum

einen Gold, welches den metallischen Anteil der

Tunnelbarriere bildet und sich aufgrund seiner

optischen Eigenschaften hervorragend eignet.

Als Isolator-Materialien verwenden wir hexago-

nales Bornitrid (h-BN), welches zur Klasse der

sogenannten zweidimensionalen Materialien

gehört. Diese Bezeichnung entstammt der Ei-

genschaft dieser Materialien, eine geschichtete

Kristallstruktur zu besitzen, die es erlaubt, sie in

sehr dünner Form herzustellen. Deren promi-

nentestes Beispiel ist Graphen, ein Material, wel-

ches aus hexagonal angeordneten Kohlenstoff-

Atomen besteht und nur ein Atom dick ist. Des-

sen Entdeckung und Erforschung wurde 2010

mit dem Nobelpreis für Physik gewürdigt. Wäh-

rend Graphen zu den (Semi-)Metallen zählt, ist

h-BN ein Isolator von sehr hoher Qualität.

Um die Machbarkeit der elektrisch betriebe-

nen optischen Antenne nachzuweisen, konzi-

pierten wir die in Abbildung 4 dargestellte

Struktur. Das zentrale Element bildet ein h-BN-

Kristall, welcher nur wenige Atome dick ist.

Durch diesen sollen später Elektronen hindurch-

tunneln und Licht erzeugen. Dieser Kristall ist

eingebettet zwischen zwei dünnen Schichten

aus Gold, den Elektroden, an die zur Lichterzeu-

gung eine Spannung Vb angelegt wird. Die

Schicht, welche sich unter dem Kristall befindet,

ist zudem strukturiert. Im rechten Abschnitt der

Abbildung ist ein Elektronenmikroskop-Bild5

einer solchen Elektrode abgebildet. Sie ist in

vier Segmente unterteilt, was es uns erlaubt,

diese getrennt voneinander elektrisch anzusteu-

ern. Drei der vier Elektrodensegmente enthalten

nanoskopische, rechteckige Strukturen, soge-

nannte Slot-Antennen – ein Antennenkonzept

welches wir aus der makroskopischen Radio-

Abb. 4: Schematischer Aufbau des Prototypen. Er besteht aus zwei metallischen Gold-Elektroden, wobei die untere na-

nostrukturiert ist, und einem h-BN-Kristall. Links: Kristallstruktur von h-BN. Rechts: Elektronenmikroskop-Aufnahme

einer solchen Elektrode.

1 Ihre experimentellen Beobachtungen veröffentlichten John Lambe und S. L. McCarthy im Wissenschaftsjournal Physical Review

Letters im Jahr 1976 unter dem Titel »Light Emission from Inelastic Electron Tunneling«.

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und Mikrowellen-Welt übernehmen konnten.

Diese sind 50 Nanometer breit und haben ver-

schiedene Längen. Ein menschliches Haar ist in

etwa 1000-mal breiter. Die Größe der Antennen

bestimmt letztlich deren Frequenz. Um den Ein-

fluss der Antennen genau studieren zu können,

untersuchten wir zum Vergleich ein Segment

ohne jegliche Form von Antennen.

Schließlich gelang es uns, Lichtemission von

allen vier Segmenten nachzuweisen. Im Fall der

Elektrode ohne Antennen war diese sehr

schwach und kaum messbar. Der Grund hierfür

ist, dass Elektronen zwar inelastisch tunneln,

dies aber letztlich nicht zur Lichtgeneration

führt, da Licht in der Abwesenheit der Anten-

nen nicht effizient ausgekoppelt werden kann.

Im Gegensatz dazu beobachteten wir, dass die

Teststrukturen mit Antennen ca. 100-mal mehr

Licht abstrahlen. Diese Feststellung verdeutlicht

die immense Wichtigkeit und Effektivität der

Antennen. Zusätzlich konnten wir nachweisen,

dass die Eigenschaften des erzeugten Lichtes

durch die Antennen bestimmt werden. Dies be-

inhaltet die Richtung, in der das Licht abge-

strahlt wird, dessen Wellenlänge bzw. Frequenz

sowie dessen Polarisation. Somit war es uns

möglich, zum ersten Mal das in Abbildung 3

dargestellte Konzept von Radio und Mikrowel-

len-Antennen auf optische Antennen zu übertra-

gen.

Doch war es uns wichtig, nicht nur die Mach-

barkeit dieses Konzeptes nachzuweisen, sondern

auch zu zeigen, dass das inelastische Elektro-

nentunneln eine gute Ausgangsbasis für Signal-

übertragung im Hochfrequenz-Bereich bietet.

Die Herausforderung bei dieser Demonstration

liegt in der Tatsache, dass in den ersten Prototy-

pen die abgestrahlte Lichtintensität gering war.

Deshalb mussten wir ein spezielles Messverfah-

ren entwickeln, um zu zeigen, dass Signalüber-

tragung bei hohen Frequenzen zumindest theo-

retisch möglich ist. Hierzu fanden wir Inspirati-

on bei einer Messmethode aus der Quantenop-

tik. Das inelastische Tunneln modulierten wir

elektrisch bei Frequenzen bis hin zu einem Gi-

gahertz (1 Gigahertz = 1 Milliarde Oszillationen

pro Sekunde). Diese Modulation konnten wir im

emittierten Licht nachweisen, ein erster Hin-

weis darauf, dass Signalübertragung im Hochfre-

quenz-Bereich im Rahmen des Möglichen liegt.

Letztendlich stellten wir fest, dass nicht die Ge-

schwindigkeit der emittierenden Antennen eine

Begrenzung in unseren Messungen darstellte,

sondern die Limitierung vom Messaufbau selbst

ausging. So bleibt die Frage, wie schnell diese

Form der Lichterzeugung tatsächlich moduliert

werden kann, vorerst unbeantwortet.

Fazit

Unsere Forschung hat es uns nicht nur er-

laubt, die kleinste – elektrisch betriebene –

Lichtquelle der Welt zu realisieren, sondern

auch unser Wissen und Verständnis über den

der Lichterzeugung zugrunde liegenden physi-

kalischen Prozess zu erweitern und zu vertiefen.

So ist es uns heute erstmals möglich, mit theore-

tischen Modellen nachzuvollziehen, welche Ei-

genschaften und Parameter optimiert werden

müssen, um Antennen-Geometrien zu entwi-

ckeln, die auf effizientere Art und Weise elektri-

sche in optische Signale umwandeln. Es ist noch

ein langer Weg, bis optische Antennen, genauso

wie ihre makroskopischen Vorbilder, unsichtbar

für den Benutzer unser tägliches Leben ergän-

zen und erleichtern könnten.