Deutscher Studienpreis | 2. Preis Natur- und ... · Geometrie, der Monopol-Antenne. Analog zu den...
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Deutscher Studienpreis | 2. Preis
Natur- und Technikwissenschaften
Die kleinste Lichtquelle der Welt
Dr. Markus Parzefall
Radio- und Mikrowellen-Antennen sind essenzi-
elle Bestandteile unseres täglichen Lebens. Sie
senden (und empfangen) Informationen in Form
elektromagnetischer Wellen. Meine Doktorar-
beit beschäftigt sich mit der Übertragung dieser
Funktionsweise auf sichtbares Licht. Denn Licht
ist, genauso wie Radio- und Mikrowellen, eine
elektromagnetische Welle, mit dem wesentli-
chen Unterschied, dass dessen Wellenlänge in
etwa eine Million Mal kürzer ist. Entsprechend
klein sind die zugehörigen Antennen, welche
wir erstmalig mithilfe des quantenmechani-
schen Tunneleffektes dazu verwenden, elektri-
sche in optische Signale umzuwandeln – auf
kleinstem Raum und mit hoher Geschwindig-
keit. Dies erlaubt es uns, die kleinste Lichtquelle
der Welt zu realisieren, ca. 1000-mal kleiner als
der Durchmesser eines menschlichen Haares. In
zukünftigen Technologien könnten solche
elektrisch betriebenen optischen Antennen in
integrierten Schaltkreisen und nanoskaligen
optischen Sensoren Einsatz finden.
Dr. Markus Parzefall promovierte an der ETH Zürich
in den Fach- und Spezialgebieten: Informations- und Elektrotechnik sowie Photonik.
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Der vorliegende Beitrag wurde beim Deutschen Studienpreis 2018 mit dem 2. Preis in der Sektion
Natur- und Technikwissenschaften ausgezeichnet.
Er beruht auf der 2017 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich eingereichten Dissertation
»Optical antennas driven by quantum tunneling« von Dr. Markus Parzefall.
Antennen sind überall
In der heutigen Welt sind wir stets umgeben
von Technik, die uns auf die eine oder andere
Weise – bestenfalls – das Leben erleichtert. In-
zwischen ist es vollkommen selbstverständlich
geworden, dass wir durch diverse Geräte rund
um die Uhr mit der Welt verbunden sind. Doch
wie ist dies möglich geworden? Ein entscheiden-
der Bestandteil der Vernetzung sind die Schnitt-
stellen zwischen unseren Geräten und dem
Strom an Daten und Information, die sich in
Form elektromagnetischer Wellen durch uns
hindurch und um uns herum fortbewegen, un-
sichtbar für das menschliche Auge. Diese Schnitt-
stelle ist die Antenne.
Die meisten heute lebenden Menschen kön-
nen sich noch an eine Zeit erinnern, in der An-
tennen sichtbar waren und – unter Umständen –
ausgerichtet werden mussten, um ein Signal zu
empfangen. Sie ragten aus Fernsehern, Radios
und den ersten Mobiltelefonen hervor und wa-
ren auf den Dächern von Häusern montiert.
Doch wohin sind diese Antennen größtenteils
verschwunden? Wir sind weiterhin von Anten-
nen umgeben, doch sind sie kleiner, kompakter,
integrierter geworden.
Die Aufgabe einer Antenne ist es, ein lokali-
siertes Signal in propagierende, elektromagneti-
sche (EM) Wellen umzuwandeln – und umge-
kehrt. Die wohl wichtigste Eigenschaft dieser
Wellen ist deren Frequenz, die Anzahl der Wel-
lenoszillationen pro Sekunde. Sie bestimmt auch
die Wellenlänge. Eine kürzere Wellenlänge ent-
spricht hierbei einer höheren Frequenz. Abbil-
dung 1 zeigt einen Teil des EM Spektrums, von
Wellen die mehrere Hundert Meter lang sein
können – den Radiowellen –, zu Wellen, deren
Abb. 1: Das Spektrum der Frequenzbereiche der Elektronik und Photonik sowie typische Antennen-Geometrien. Gezeigt
sind eine lineare Dipol-Antenne, eine Yagi-Uda-Antenne und eine Bowtie-Antenne, von links nach rechts.
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Länge lediglich wenige Nanometer (1 Nanome-
ter = 1 Milliardstel Meter) beträgt, der UV-
Strahlung. Allein dieser Teil des EM Spektrums
überspannt neun Größenordnungen, d.h., die
längste Welle ist eine Billion Mal länger als die
kürzeste. Äquivalentes gilt für die Frequenz: Die
höchste Frequenz ist eine Billion Mal höher als
die niedrigste.
Antennen assoziieren wir für gewöhnlich mit
dem Frequenzbereich der Radio- und Mikrowel-
len – Wellen die wenige Zentimeter, bis zu eini-
gen Metern lang sein können. Dies sind die Fre-
quenzbereiche der Elektronik. Ebenfalls in Ab-
bildung 1 sind mehrere typische Formen von
Antennen abgebildet, denen man unter Umstän-
den schon begegnet ist. Die Anordnung der ver-
schiedenen Elemente beeinflusst die Abstrahl-
richtung, die Form deren Bandbreite und die
Größe den Frequenzbereich. Generell kann man
sagen, dass die Größe der Antenne in etwa der
Wellenlänge der EM Wellen entspricht, die sie
generiert bzw. empfängt.
Antennen im Frequenzbereich der Elektronik
wurden entwickelt, um ein Problem zu lösen:
Wie lassen sich große Entfernungen überbrü-
cken, ohne entsprechende Kabel verlegen zu
müssen? Die Erfindung der Antenne ermöglich-
te den Beginn des Zeitalters der drahtlosen Kom-
munikation – vom Radio zum Highspeed-
Internet.
Das Funktionsprinzip ist in Abbildung 2 dar-
gestellt. Das zu verarbeitende Signal wird zu-
nächst von einer Quelle bzw. einem Generator
erzeugt. Über einen Wellenleiter gelangt das
Signal schließlich zur Antenne, welche das loka-
lisierte Signal in abgestrahlte EM Wellen um-
wandelt, die, zu einem späteren Zeitpunkt, wie-
derum von einer Antenne empfangen werden.
Antennen für Licht
Am anderen Ende des Spektrums in Abbil-
dung 1 finden wir Frequenzbereiche, die wir für
gewöhnlich nicht mit Antennen in Verbindung
bringen. Insbesondere der Bereich des sichtba-
ren Lichts – markiert durch das Farbspektrum –
ist uns wohlbekannt durch unser tägliches Erle-
ben der Welt durch unsere Augen.
Die Wissenschaft, die sich mit der Manipula-
tion von sichtbaren und infraroten Lichtwellen
beschäftigt, ist die Photonik, benannt nach dem
quantenmechanischen Baustein des Lichts, dem
Photon. Doch wenn das Konzept der Antenne
im Radio- und Mikrowellenbereich funktioniert,
sollte es nicht konsequenterweise auch Anten-
nen für sichtbare EM Wellen geben – Antennen
für Licht?
Antennen für Licht, oder auch optische Anten-
nen, werden heute in Laboren auf der ganzen
Welt erforscht. Jedoch war die Erfindung der
optischen Antenne anderweitig motiviert. Die
Auflösung eines normalen Lichtmikroskops ist
beschränkt durch eine fundamentale Eigen-
schaft elektromagnetischer Wellen, das Beu-
gungslimit. Dieses besagt, dass zwei Punkte in
einem Mikroskop nur als solche unterschieden
werden können, wenn sie mindestens einen
Abstand der halben Wellenlänge zueinander
haben. Dies setzt den Möglichkeiten der opti-
schen Mikroskopie strenge Grenzen.
Das Konzept der optischen Antenne wurde
zuerst mit der experimentellen Realisierung des Abb. 2: Funktionsweise einer klassischen Antenne.
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Nahfeld-Mikroskops Ende der 1980er Jahre de-
monstriert. Um das Beugungslimit zu umgehen,
wird in dieser Form der Mikroskopie Licht auf
eine Spitze fokussiert, die über die Oberfläche
einer zu untersuchenden Probe fährt. Diese Spit-
ze, die für gewöhnlich aus einem Edelmetall wie
Gold oder Silber besteht, ermöglicht es, Licht zu
fokussieren, d.h. auf einen kleineren Raum zu
konzentrieren, als es sonst im Rahmen des Beu-
gungslimits möglich wäre. Anstatt der Wellen-
länge ist nun die Größe der Spitze der auflö-
sungslimitierende Faktor. Diese Spitzen bilden
das Äquivalent zur wohl einfachsten Antennen-
Geometrie, der Monopol-Antenne.
Analog zu den Antennen der Elektronik sind
optische Antennen in etwa so groß wie die Wel-
lenlänge der EM Wellen, die sie generieren und
empfangen. Da Wellenlängen im Bereich des
sichtbaren Lichtes lediglich wenige Hundert Na-
nometer betragen, stellt die Fabrikation opti-
scher Antennen eine enorme technische Heraus-
forderung dar, die erst in den letzten 20 Jahren
bewältigt werden konnte.
Doch worin liegen die Unterschiede zwi-
schen klassischen und optischen Antennen? Im
Wesentlichen überwiegen die Gemeinsamkeiten
im Vergleich zu den Unterschieden, mit einer
wichtigen Ausnahme: der Art und Weise, in der
wir sie einsetzen.
Optische Antennen werden dazu benutzt, die
Wechselwirkung von Licht und Materie zu ver-
stärken – wie im Beispiel die Nahfeldmikrosko-
pie durch die stärkere Fokussierung des Lichtes.
Deren Funktionsweise ist konzeptuell in Abbil-
dung 3 dargestellt. Nehmen wir an, wir möch-
ten ein Molekül untersuchen. Dies kann zum
Beispiel durch optische Anregung mit einer be-
stimmten Lichtfrequenz und der darauffolgen-
den Emission von Licht mit einer niedrigeren
Frequenz erfolgen. Diesen Vorgang nennt man
Photolumineszenz. Wenn das zu untersuchende
Molekül mit Licht bestrahlt wird, so interagiert
dieses für gewöhnlich nur sehr schwach mit
dem einfallenden Licht. D.h., nur ein sehr klei-
ner Teil wird absorbiert und dementsprechend
ein noch kleinerer Teil als Photolumineszenz
wieder abgestrahlt. Eine optische Antenne, wie
in Abbildung 3 dargestellt, verstärkt diese
Wechselwirkung. Das Licht wird auf das Mole-
kül fokussiert, sodass mehr Photonen absorbiert
und auch mehr Photonen als Photolumineszenz
reemittiert werden. Zusammenfassend: Eine
optische Antenne agiert als Schnittstelle zwi-
schen Licht und Materie, d.h., die Antenne wird
optisch angeregt sowie ausgelesen.
Die Frage, die sich stellt und mit der sich
meine Dissertation beschäftigt, ist nun die fol-
gende: Ist es möglich, eine optische Antenne
elektrisch anzutreiben?
Lichtquellen für die Nanowelt
»Ist es möglich, Licht durch ein ganzes Netz-
werk von Antennen auszusenden, genauso wie
wir geordnete Netzwerke von Antennen dazu
verwenden, Radiosendungen nach Europa zu
übertragen?« Diese Frage (Originalzitat siehe
Abb. 3: Wechselwirkung von Licht und Materie (Molekül)
ohne (links) und mit (rechts) optischer Antenne.
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rechts) stellte Richard Feynman bereits
im Jahr 1959 in einer Rede auf einer Kon-
ferenz der Amerikanischen Physikali-
schen Gesellschaft – einer Rede, in der er
über potenzielle Konsequenzen und Mög-
lichkeiten, die durch technischen Fort-
schritt ermöglicht werden könnten, spe-
kulierte. Doch was wären die Anwen-
dungsgebiete einer Lichtquelle, die kleiner ist
als die Wellenlänge des Lichtes selbst – einer
Lichtquelle für die Nanowelt?
Die Anzahl der Transistoren – dem essenziel-
len elektronischen Schaltelement der integrier-
ten Schaltkreis-Technologie – auf einem einzi-
gen Chip hat sich im Laufe der letzten 40 Jahre
alle zwei Jahre verdoppelt. Angefangen bei ca.
1000 Transistoren Anfang der 1970er Jahre, be-
läuft sich diese Zahl in modernen Computer-
chips auf mehrere Milliarden Transistoren. Nur
durch die ständige Weiterentwicklung der Fabri-
kationstechniken war es möglich, diesen Ver-
lauf, der auch als Moore’s Law bezeichnet wird,
zu verfolgen. Doch auch dieser technologischen
Entwicklung sind letztlich Grenzen gesetzt –
Grenzen, die zunehmend spürbar werden. Zum
einen sind dies physikalische Grenzen, die es
immer schwieriger machen, die Größe eines
einzelnen Transistors weiter zu verringern. Aber
auch technische Probleme treten auf, wenn
mehr und mehr Komponenten auf kleinstem
Raum integriert werden. Das schwerwiegendste
dieser Probleme ist die Wärme, die bei der Über-
tragung und Verarbeitung elektrischer Signale
entsteht. Ein großer Teil dieser Wärme wird
durch die Übertragung elektrischer Signale ent-
lang metallischer Leiterbahnen verursacht, die
ein unabdingbares Bindeglied zwischen den ein-
zelnen Komponenten darstellen. Eine mögliche
Lösung dieser Problematik stellt die optische
Übertragung dieser Signale dar; dies würde we-
niger Wärme produzieren und die Geschwindig-
keit des Signalübertrags erhöhen. Woran es hier
aber fehlt, ist eine geeignete Schnittstelle, die
auf kleinstem Raum mit anderen elektronischen
Komponenten integriert werden kann. Eine
elektrisch betriebene optische Antenne könnte
in Zukunft genau dieses Element darstellen.
Ein weiterer Aspekt optischer Antennen ist
die Möglichkeit, deren Frequenz durch die Grö-
ße der Antenne zu beeinflussen. Dies bedeutet,
dass die Wellenlänge bzw. Farbe des abgestrahl-
ten Lichtes gesteuert werden kann. Wenn dies
mit einer optischen Empfangsantenne kombi-
niert wird, so entsteht ein Kommunikationspfad
aus Lichtsignalen auf kleinstem Raum. Es wäre
vorstellbar, dass Moleküle, die diesen Kommuni-
kationspfad kreuzen, einen Teil des Lichtes ab-
sorbieren und diese Absorption detektiert wer-
den kann. Das hier beschriebene System stellt
einen nanoskaligen optischen Gas-Sensor dar,
mit verschiedensten Anwendungsmöglichkei-
ten. Luftverschmutzung ist eines der größten
Probleme, mit denen die Menschheit in der heu-
tigen Welt konfrontiert ist. Millionen von Autos
und Fabriken verpesten die Luft der Städte, so-
dass die Gesundheit der dort lebenden Men-
schen gefährdet ist. Nanoskopische optische
Sensoren, die auf kleinste Mengen gesundheits-
schädigender Gase reagieren, könnten in Zu-
kunft in jedem Mobiltelefon integriert sein und
dessen Besitzer informieren, falls bestimmte
Grenzwerte überschritten werden.
Doch ob und in welchem Ausmaß ein neues
technologisches Konzept wie das unsere zu An-
wendungen führt, ist nicht vorherzusagen. Ge-
nau wie den Lauf der Geschichte versteht man
die Entwicklung der Forschung und Technologie
meistens erst in der Retrospektive.
Is it possible […] to emit light from a whole set of antennas, like
we emit radio waves from an organized set of antennas to beam
the radio programs to Europe?
Richard Feynman in »Plenty of Room at the Bottom«, 1959
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Vom Konzept …
Wie lässt sich also das Konzept der elektrisch
betriebenen optischen Antenne in die Realität
umsetzen? Wie bereits angedeutet, hat sich ein
Großteil der Forschung auf dem Gebiet der Pho-
tonik, im Speziellen der Nanophotonik, damit
befasst, optische Antennen zur Verstärkung der
Wechselwirkung von Licht und Materie einzu-
setzen, wie schematisch in Abbildung 3 darge-
stellt. Rufen wir uns im Vergleich dazu noch
einmal die Funktionsweise der klassischen An-
tenne vor Augen, dargestellt in Abbildung 2. Es
stellt sich heraus, dass die fehlende Komponen-
te zur Realisierung dieser Funktionsweise im
Frequenzbereich des sichtbaren und infraroten
Lichts eine geeignete Quelle bzw. ein Generator
ist, welche/r elektrische Signale in optische um-
wandelt, die anschließend von der Antenne ab-
gestrahlt werden. Eine solche Quelle muss meh-
rere Eigenschaften erfüllen. Zum einen muss sie
klein sein, d.h. so klein wie oder kleiner als die
optische Antenne selbst. Zum anderen muss sie
über eine hohe Bandbreite verfügen, d.h., sie
muss schnell sein, um Signale hoher Frequen-
zen im Bereich von mehreren Gigahertz
(mehrere Milliarden Oszillationen pro Sekunde)
übertragen zu können. Die bereits etablierten
Quellen, die elektrische Signale in Licht umwan-
deln, sind lichtemittierende Dioden (LEDs) und
Laser. Während LEDs gut integrierbar sind, ist
ihre Geschwindigkeit in den meisten Fällen
nicht ausreichend für Hochfrequenzanwendun-
gen. Im Gegensatz dazu benötigen Laser zu viel
Platz, sodass eine Integration in hoher Dichte
unwahrscheinlich erscheint.
In meiner Dissertation beschäftige ich mich
mit einer weniger gut erforschten und etablier-
ten Lichtquelle, dem inelastischen Elektronen-
tunneln. Elektronen sind die elementaren Bau-
steine des elektrischen Stroms. Legt man eine
Spannung an ein Stück leitfähiges Metall an, so
kommt ein Strom aus Elektronen ins Fließen,
elektrischer Strom. Tun wir dasselbe für ein
nicht leitfähiges Material, wie zum Beispiel Glas,
Luft oder Plastik, so passiert auf den ersten Blick
nichts, da diese über keine freien Elektronen
verfügen – sie sind Isolatoren. Beim Elektronen-
tunneln handelt es sich um einen Effekt, der
nur mithilfe der Quantenmechanik zu erklären
ist. Wenn wir uns zwei Metalle vorstellen, die
von einer dünnen Schicht isolierenden Materials
getrennt sind, und wir eine Spannung zwischen
den beiden metallischen Leitern anlegen, so
fließt kein Strom, da die isolierende Schicht dies
verhindert. Machen wir nun diese isolierende
Schicht dünner und dünner, so ändert sich aus
der Perspektive der klassischen Physik nichts,
d.h., kein Strom fließt, bis die Schicht komplett
verschwunden ist und die beiden Metalle in Be-
rührung kommen. Tatsächlich ist es aber so,
dass bereits ein kleiner Strom messbar wird,
sobald die isolierende Schicht nur noch wenige
Atome dick ist. Diesen Effekt bezeichnet man
als den quantenmechanischen Tunnel-Effekt,
weil die Elektronen durch den Isolator sozusa-
gen hindurchtunneln. Genauer gesagt handelt
es sich hierbei um elastisches Tunneln, weil die
Elektronen während des Tunnel-Prozesses keine
Energie verlieren.
Mitte der 1970er Jahre entdeckten zwei Wis-
senschaftler, die in den Forschungslaboren des
Autoherstellers Ford in den USA arbeiteten, dass
es unter bestimmten Bedingungen möglich ist,
durch tunnelnde Elektronen Licht zu erzeugen.
Sie nannten diesen Effekt »Licht-Emission durch
inelastisches Elektronentunneln«.1 Obwohl diese
Art der Lichterzeugung weniger gut erforscht
ist, bietet inelastisches Elektronentunneln eini-
ge Vorteile, die es zu einem geeigneten Kandida-
ten machen, um als Antriebsquelle für optische
Antennen zu fungieren. Zum einen können
Lichtquellen, die auf diesem Effekt basieren,
sehr klein sein, da der Isolator zwischen den
metallischen Elektroden nur wenige Atome dick
ist. Des Weiteren wurde bislang angenommen,
wenn auch nicht experimentell nachgewiesen,
dass diese Art der Lichterzeugung äußerst
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schnell ist, da die Zeit, die ein Elektron braucht,
um durch den Isolator zu tunneln, sehr kurz ist
(wenige Femtosekunden (1 Femtosekunde = ein
Millionstel von einem Milliardstel einer Sekun-
de)). Im Rahmen meiner Dissertation konnte ich
nachweisen, dass es tatsächlich möglich ist,
elektrisch angetriebene optische Antennen, ba-
sierend auf inelastischem Elektronentunneln,
zu realisieren. Auch deren Potenzial als Hochfre-
quenz-Schnittstelle haben wir erstmalig er-
forscht.
… zur Realisierung
Die Herstellung elektrisch betriebener opti-
scher Antennen stellt hohe Anforderungen so-
wohl an die Qualität der verwendeten Materia-
lien als auch an die Genauigkeit der zur Herstel-
lung notwendigen Prozesse. Zu den Materialien,
die wir zur Herstellung verwenden, gehört zum
einen Gold, welches den metallischen Anteil der
Tunnelbarriere bildet und sich aufgrund seiner
optischen Eigenschaften hervorragend eignet.
Als Isolator-Materialien verwenden wir hexago-
nales Bornitrid (h-BN), welches zur Klasse der
sogenannten zweidimensionalen Materialien
gehört. Diese Bezeichnung entstammt der Ei-
genschaft dieser Materialien, eine geschichtete
Kristallstruktur zu besitzen, die es erlaubt, sie in
sehr dünner Form herzustellen. Deren promi-
nentestes Beispiel ist Graphen, ein Material, wel-
ches aus hexagonal angeordneten Kohlenstoff-
Atomen besteht und nur ein Atom dick ist. Des-
sen Entdeckung und Erforschung wurde 2010
mit dem Nobelpreis für Physik gewürdigt. Wäh-
rend Graphen zu den (Semi-)Metallen zählt, ist
h-BN ein Isolator von sehr hoher Qualität.
Um die Machbarkeit der elektrisch betriebe-
nen optischen Antenne nachzuweisen, konzi-
pierten wir die in Abbildung 4 dargestellte
Struktur. Das zentrale Element bildet ein h-BN-
Kristall, welcher nur wenige Atome dick ist.
Durch diesen sollen später Elektronen hindurch-
tunneln und Licht erzeugen. Dieser Kristall ist
eingebettet zwischen zwei dünnen Schichten
aus Gold, den Elektroden, an die zur Lichterzeu-
gung eine Spannung Vb angelegt wird. Die
Schicht, welche sich unter dem Kristall befindet,
ist zudem strukturiert. Im rechten Abschnitt der
Abbildung ist ein Elektronenmikroskop-Bild5
einer solchen Elektrode abgebildet. Sie ist in
vier Segmente unterteilt, was es uns erlaubt,
diese getrennt voneinander elektrisch anzusteu-
ern. Drei der vier Elektrodensegmente enthalten
nanoskopische, rechteckige Strukturen, soge-
nannte Slot-Antennen – ein Antennenkonzept
welches wir aus der makroskopischen Radio-
Abb. 4: Schematischer Aufbau des Prototypen. Er besteht aus zwei metallischen Gold-Elektroden, wobei die untere na-
nostrukturiert ist, und einem h-BN-Kristall. Links: Kristallstruktur von h-BN. Rechts: Elektronenmikroskop-Aufnahme
einer solchen Elektrode.
1 Ihre experimentellen Beobachtungen veröffentlichten John Lambe und S. L. McCarthy im Wissenschaftsjournal Physical Review
Letters im Jahr 1976 unter dem Titel »Light Emission from Inelastic Electron Tunneling«.
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und Mikrowellen-Welt übernehmen konnten.
Diese sind 50 Nanometer breit und haben ver-
schiedene Längen. Ein menschliches Haar ist in
etwa 1000-mal breiter. Die Größe der Antennen
bestimmt letztlich deren Frequenz. Um den Ein-
fluss der Antennen genau studieren zu können,
untersuchten wir zum Vergleich ein Segment
ohne jegliche Form von Antennen.
Schließlich gelang es uns, Lichtemission von
allen vier Segmenten nachzuweisen. Im Fall der
Elektrode ohne Antennen war diese sehr
schwach und kaum messbar. Der Grund hierfür
ist, dass Elektronen zwar inelastisch tunneln,
dies aber letztlich nicht zur Lichtgeneration
führt, da Licht in der Abwesenheit der Anten-
nen nicht effizient ausgekoppelt werden kann.
Im Gegensatz dazu beobachteten wir, dass die
Teststrukturen mit Antennen ca. 100-mal mehr
Licht abstrahlen. Diese Feststellung verdeutlicht
die immense Wichtigkeit und Effektivität der
Antennen. Zusätzlich konnten wir nachweisen,
dass die Eigenschaften des erzeugten Lichtes
durch die Antennen bestimmt werden. Dies be-
inhaltet die Richtung, in der das Licht abge-
strahlt wird, dessen Wellenlänge bzw. Frequenz
sowie dessen Polarisation. Somit war es uns
möglich, zum ersten Mal das in Abbildung 3
dargestellte Konzept von Radio und Mikrowel-
len-Antennen auf optische Antennen zu übertra-
gen.
Doch war es uns wichtig, nicht nur die Mach-
barkeit dieses Konzeptes nachzuweisen, sondern
auch zu zeigen, dass das inelastische Elektro-
nentunneln eine gute Ausgangsbasis für Signal-
übertragung im Hochfrequenz-Bereich bietet.
Die Herausforderung bei dieser Demonstration
liegt in der Tatsache, dass in den ersten Prototy-
pen die abgestrahlte Lichtintensität gering war.
Deshalb mussten wir ein spezielles Messverfah-
ren entwickeln, um zu zeigen, dass Signalüber-
tragung bei hohen Frequenzen zumindest theo-
retisch möglich ist. Hierzu fanden wir Inspirati-
on bei einer Messmethode aus der Quantenop-
tik. Das inelastische Tunneln modulierten wir
elektrisch bei Frequenzen bis hin zu einem Gi-
gahertz (1 Gigahertz = 1 Milliarde Oszillationen
pro Sekunde). Diese Modulation konnten wir im
emittierten Licht nachweisen, ein erster Hin-
weis darauf, dass Signalübertragung im Hochfre-
quenz-Bereich im Rahmen des Möglichen liegt.
Letztendlich stellten wir fest, dass nicht die Ge-
schwindigkeit der emittierenden Antennen eine
Begrenzung in unseren Messungen darstellte,
sondern die Limitierung vom Messaufbau selbst
ausging. So bleibt die Frage, wie schnell diese
Form der Lichterzeugung tatsächlich moduliert
werden kann, vorerst unbeantwortet.
Fazit
Unsere Forschung hat es uns nicht nur er-
laubt, die kleinste – elektrisch betriebene –
Lichtquelle der Welt zu realisieren, sondern
auch unser Wissen und Verständnis über den
der Lichterzeugung zugrunde liegenden physi-
kalischen Prozess zu erweitern und zu vertiefen.
So ist es uns heute erstmals möglich, mit theore-
tischen Modellen nachzuvollziehen, welche Ei-
genschaften und Parameter optimiert werden
müssen, um Antennen-Geometrien zu entwi-
ckeln, die auf effizientere Art und Weise elektri-
sche in optische Signale umwandeln. Es ist noch
ein langer Weg, bis optische Antennen, genauso
wie ihre makroskopischen Vorbilder, unsichtbar
für den Benutzer unser tägliches Leben ergän-
zen und erleichtern könnten.