DGKTJournal für künstlerische Therapieformen e.V.

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DGKT Journal der Deutschen Gesellschaft für künstlerische Therapieformen e.V. 01.2020 Georg Franzen Camille Claudel - Eine kunstpsychologische Betrachtung Brigitte Michels Kunsttherapeutische Interventionen in schwierigen Prüfungssituationen Karl-Heinz Menzen Gedanken im Verlauf eines dreijährigen Arbeitsprozesses Therapie mit Bildern

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DGKTJournal der Deutschen Gesellschaft für künstlerische Therapieformen e.V.

01.2020

Georg Franzen

Camille Claudel - Eine kunstpsychologische Betrachtung

Brigitte Michels

Kunsttherapeutische Interventionen in schwierigen Prüfungssituationen

Karl-Heinz Menzen

Gedanken im Verlauf eines dreijährigen ArbeitsprozessesTherapie mit Bildern

Inhalt

Editorial 3

Camille Claudel- Eine kunstpsychologische Betrachtung 4Georg Franzen

Ich schaff e es !!!Kuns� herapeu� sche Interven� onen in schwierigen Prüfungssitua� onen 15Brigitte Michels

Gedanken im Verlauf eines dreijährigen Arbeitsprozesses - Zu einer Therapie mit Bildern 18Karl-Heinz Menzen

Im Memoriam PETER RECH 1943-2019 († 5.12.2019) 26Karl-Heinz Menzen

VeranstaltungenOnline Tagung: Rezep� ve Kuns� herapie 30Das kü nstlerische Bild im Leidenszusammenhang des Patienten

DGKT Mitgliederversammlung 2020 31

Tagung der DGKT in Koopera� on mit der SFU Wien 2021 31Die Psyche als Ort der Gestaltung – Wenn Bilder zu Bewusstsein kommen

Neuerscheinungen 32

Upgrading zum Master of Arts in Kuns� herapie 33

Impressum 34

Titelbild: Die Meere bergen die Erde – Peter Rech

3 DGKT - JOURNAL 01.2020

Editorial

Liebe Leser*Innen,

viele von uns sind ja auf Grund der Covid-19 Pandemie in den therapeutischen Berufen in den letzten Mo-naten besonders gefordert. Unsicherheiten, Ängste und sorgenvolle Prognosen scheinen oft den individu-ellen Alltag unseres Klienten*innen fest im Griff zu haben, Einsamkeit wird durch den verordneten sozialen Rückzug gesamtgesellschaftlich zu einer spürbaren Belastung. Diejenigen von uns die tagtäglich in der Klinik oder in der Praxis tätig sind, haben erlebt wie manche Therapieprozesse stagnierten oder Symptome sich wieder verstärkten. Sicherheitsabstände müssen eingehalten werden, Hygieneauflagen müssen streng be-achtet werden. Die Nähe zum Patienten, das Anleiten einer kunsttherapeutischen Übung wird immer noch durch die Hygieneauflagen bestimmt.

So gibt es auf allen Ebenen neue Herausforderungen für uns Kunsttherapeuten. Derzeit befinden wir uns inmitten des Übergangs. Auch diese bringen neue und ungewohnte Herausforderung mit sich. Nach der Krise wird vieles anders sein. Wir alle wissen noch nicht genau wie sein wird, aber eines ist ganz gewiss die Kunst und die kunsttherapeutischen Verfahren werden es vielen Menschen ermöglichen das Unsagbare; das erfahrene Leid aber auch die Hoffnung gestalterisch Ausdruck zu verleihen! Dem künstlerischen Werk und dem symbolischen Bildinhalt eine eigenständige therapeutische Ressource zugewiesen, die aus sich heraus Heilkräfte aktiviert und kann dann wie ein homöopathisches Mittel Wirkkräfte entfalten (vgl. Rech 1994, S.110), die einen heilenden Prozess einleiten oder auslösen können.

Peter Rech, einer der bedeutenden deutschen Kunsttherapeuten, hat die Kraft der Kunsttherapie immer wieder hervorgehoben. Er hat auch mit dazu beigetragen, dass mittlerweile fundierte und qualifizierte Aus-bildungsstandards für die Kunsttherapie vorliegen und dass die Kunsttherapeut*Innen sich in einem Dach-verband wie der DGKT organisieren und austauschen können.

Wir bedauern sehr, dass wir von ihm als Menschen Abschied nehmen müssen. Seine wertvollen Gedanken und seine Verdienste werden uns erhalten bleiben. Zwei Beiträge von Karl-Heinz Menzen, Hiltrud Zierl, Rolf Schank u. Claus Richter würdigen seine Persönlichkeit und seine Verdienste.

Ein Artikel „Ich schaffe es“ zur kunsttherapeutischen Praxis von Brigitte Michels und ein Beitrag zur ange-wandten Kunstpsychologie über ,Camille Claudel‘ von Georg Franzen bilden den praktisch-theoretischen Rahmen der vorliegenden Ausgabe.

Hinweise auf Veranstaltungen und Neuerscheinungen finden Sie am Ende des Journals.

Ich wünsche Ihnen eine informative und hilfreiche Lektüre unserer Ausgabe 2020!

Georg Franzen

4 DGKT - JOURNAL 01.2020

Camille Claudel- Eine kunstpsychologische Betrachtung

Georg Franzen 1

1 Prof. Dr. phil. habil. Georg Franzen, Psychologischer Psychotherapeut Anschrift : Bahnhofsplatz 9, D-29221 Celle, www.kunstpsychologie.de, [email protected]

Es geht darum, sich auf den künstlerischen Gegen-stand einzulassen und in der Gruppe das szenische/symbolische Verstehen einzuüben. Emoti onal durch das Zulassen von Assoziati onen am künstlerischen Ausdruck teilzuhaben.

Kunstwerke sind aus ti efenpsychologischer Sicht so-wohl auf manifeste, bewusste Weise wie auch latent und unbewusst organisiert. „Um den unbewussten, latenten Inhalt zu entdecken, müssen wir herausfi n-den, wie er vom manifesten Inhalt angezeigt, sym-bolisiert und indirekt angedeutet ist (Kuhns, 1993, 199).

• Tiefenpsychologie• Ästheti k• Ikonologie

Bei der ti efenpsychologischen Betrachtung geht es um ein ,Sinn-Verstehen´ der unbewussten Bedeu-tung von Kunst. Dieser unbewusste Inhalt gibt dann bei genauer Analyse Aufschlüsse über mögliche Per-sönlichkeitsaspekte des Künstlers und über die psy-chologisch-gesellschaft liche Situati on seiner Zeit.

„Wir sind immer in einem Ermatten,

ob wir rüstig sind oder ruhn,

aber wir haben strahlende Schatten,

welche die ewigen Gesten tun.“

Rainer Maria Rilke

Einleitung

Die Kunstpsychologie ist einerseits Teilgebiet der Psychologie, dessen Aufgabe die psychologische Analyse von Sachverhalten ist, die dem Bereich der Kunst zugeordnet werden. Dazu gehört unter ande-rem die Analyse über das Erleben und Verhalten des Künstlers, Interpreten und Kunstbetrachters. Ande-rerseits kann die Kunstpsychologie auch als ein Teil-gebiet der Kunstwissenschaft verstanden werden, weil sie über die ikonographische und ikonologische Betrachtung hinaus, wichti ge Beiträge zur Psycho-logie des Kunstwerkes und zur psychohistorischen Analyse liefern kann.

Einen psychohistorisch orienti erten Ansatz vertritt der Psychoanalyti ker Heinz Kohut. Für ihn spiegeln künstlerische Werke psychologische Gegebenheiten der Epoche: „Dieser Hypothese zufolge spiegelt das Werk des großen Künstlers die dominierenden psycho-logischen Gegebenheiten seiner Epoche. Der Künstler fungiert gleichsam als Stellvertreter seiner Generati -on: nicht nur der allgemeinen Bevölkerung, sondern sogar der wissenschaft liche Erforscher der sozialpsy-chologischen Szene.“ (Kohut, 1993, S. 279).

Vermitt elt werden können bei der Betrachtung von Kunstwerken folgende Wirkungsweisen:

• Szenisches Verstehens durch die Gruppe• Symbolisches - phänomenologisches Verstehen• Emoti onale Teilhabe• Inszenierung von Lebensentwürfen• Selbstobjektbeziehungen

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In der ästhetischen Kategorie verlangt der Gebrauch des Kunstwerks, der Gebrauch der Symbolik, Prozes-se des symbolischen Verstehens. Das szenische Ver-stehen im Sinne Lorenzers setzt die Einbeziehung eigener Lebensentwürfe voraus und das symboli-sche Verstehen, die Reflektion des künstlerischen Prozesses.

Klaus Matthies (1988, 48) verweist darauf, dass es in den Künsten um sinnliche Erfahrung und ih-ren Ausdruck in sinnlich erfahrbaren Werken geht. „Dass damit Einsicht in die Wirklichkeit und Zusam-menfassung von Wirklichkeitserfahrung und ‚Ent-würfe von Erfahrungshorizonten’ vermittelt werden, macht die Tiefendimension des Künstlerischen aus.“ (Matthies, 1988, 48).

Schließlich spricht Wilhelm Salber (1999, 39) von der „Psychästhetik“ und versteht diesen Begriff als ein globaler Hinweis darauf, dass hier Seelisches und Kunst zusammengebracht werden: sie verdeut-lichen sich gegenseitig, sie haben eine gemeinsame Struktur. „Das Seelische folgt ‚ästhetischen’ Geset-zen – so wie Kunst den gleichen Sinnzusammenhang von Wirklichkeit voraussetzt wie das Seelische. ‚Vor-gestaltliches’, Vages, Komplexes, Verdichtetes sind nicht Mängel, sondern lebenswichtige Wirklichkei-ten; sie sind unumgänglich, wenn wir mit der Vielfalt und dem Werden von Wirklichkeit zurande kommen wollen – wenn wir Leben gestalten wollen.“ (Salber, 1999, 40).

Als dritte Kategorie kommt der Begriff der „synthe-tischen Intuition“, zum Tragen, der durch Panofsky (1980, 43) definiert wurde und auch als eine psy-chologisch-philosophisch kunstwissenschaftliche Methode verstanden werden kann. Panofsky be-zeichnet die „synthetische Intuition“ als das Hand-werkszeug für die ikonologische Interpretation und umschreibt diese mit einer „Vertrautheit mit we-sentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes.“

„Da aber diese, wie jedes von der Intuition abhän-giges Verfahren, subjektiv gefärbt, also von der persönlichen Psychologie und Weltanschauung des Interpreten beeinflusst ist, bedarf es hier besonders dringend eines Korrektivs. Das hat die sogenannte Geschichte kulturelle Symptome zu leisten.“; laut Panofsky ist dies die „Einsicht in die Art und Weise, wie unter wechselnden historischen Bedingungen wesentliche Tendenzen des menschlichen Geistes durch Themen und Vorstellungen ausgedrückt wur-den.“ (Panofsky, 1978, 48, in: P. Schmidt,1989,16).

Symbolisches Verstehen ist in der Gesamtheit mög-lich, wenn die genannten drei Ebenen Tiefenpsy-chologie, Ästhetik und Ikonologie sich vernetzen und verzahnen, damit der manifeste und latente Sinn-Gehalt eines Kunstwerkes erschlossen werden kann. Zugleich ist es dabei notwendig auf eine The-orie der Symbole zurückgreifen zu können.

In der Definition der Neopsychoanalyse und den Konzepten der humanistischen Psychologie, steht das Symbol für etwas, was wir fühlen. Für Erich Fromm (1982, 18) ist die Symbolsprache, die Spra-che, in der wir innere Erfahrungen so zum Ausdruck bringen, als ob es sich dabei um Sinneswahrneh-mungen handelt, um etwas, was wir tun, oder um etwas, was uns in der Welt der Dinge widerfährt. Hinter dem Symbol stehen vielfältige Beziehungs-muster, die stets einen subjektiven-individuellen biographischen Hintergrund haben.

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Die Flehende

Im Rahmen meiner gruppentherapeuti schen Täti g-keit mit Pati ent*Innen einer psychiatrischen Tages-klinik lag es für mich nahe, einmal des Lebenswerk Camille Claudels vorzustellen, da die Künstlerin selbst die letzten dreißig Jahre ihres Lebens unter den schwersten Bedingungen in der Psychiatrie ver-brachte. Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, wo die Psychiatrie in Europa von Reformen noch weit entf ernt war.

Besonders angetan waren die Klient*Innen ,Die Fle-hende´ (Abb. 1). Ohne die Vorgeschichte der Künst-lerin zu kennen, charakterisierten sie diese als einen ,Hilferuf´ ein ,Flehen´ in einer schweren Lebenskrise. Tatsächlich charakterisiert diese Skulptur einen großen Bruch im Leben dieser begabten Künstlerin. Ein letztes ,Flehen´, das ungehört blieb und zu einer psychischen Erkran-kung führte, die letztendlich zum größten Teil aus den persönlichen, sozialen und gesellschaft lichen Bedin-gungen resulti erte, de-nen die Künstlerin unterlag.

Oft bleibt das letzte ,Flehen´ ungehört, auch in un-serem alltäglichen Umgang miteinander, weil die Sensibilität für den oder die andere fehlt. Die Kunst hat diese große Gabe uns diese Brüche vor Augen zu führen und zum Nachdenken anzuregen.

Camille Claudel ist eine der großen Künstlerinnen unseres Jahrhunderts. In ihren Werken vermischen sich verschiedene Ebenen. Hier soll der Versuch unternommen werden, sich ihr von einem kunstan-thropologischen Blickwinkel zu nähern. Gemeint ist ein ti efenhermeneuti scher (Lorenzer 1986) Zugang zum Werk. Unbewusste Bedeutungsinhalte zu ent-decken und diese aber auch mit den bereits unter-nommenen kunsthistorischen Untersuchungen zu vergleichen. Eine kunstpsychologische Deutung soll hier nicht die Künstlerin in Frage stellen, vielmehr Ebenen des symbolischen Verstehens eröff nen.

Hinter jedem Kunstwerk steht ein Künstlerleben, ein komplexer Versuch, ein Ringen um Ausdruck. All das hat bei dem bedeutenden Künstler*Innen letztendlich auch eine seismographische Funkti on (Schelling, 1988, 262), die Ebenen des gesellschaft -lichen Erlebens spiegeln, ebenso wie das individuel-le Leiden an der Zeit.

Ohne mit dem Werk Camille Claudels groß vertraut zu sein, besuchte ich in Düsseldorf eine Ausstellung des bedeutenden französischen Bildhauers Auguste Rodin (1840-1917). Einige wenige Skulpturen schie-nen mir einen ti efen geisti g-seelischen Aspekt zu vermitt eln. Erst beim näheren Hinsehen entdeck-te ich den Unterschied zu den körperlich-eroti sch orienti erten Skulpturen Rodins: Es waren die Wer-ke seiner Schülerin und Geliebten Camille Claudel. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch die Einbeziehung eines geisti g-seelischen Aspektes aus. Sie themati -

einen großen Bruch im Leben dieser begabten Künstlerin. Ein letztes ,Flehen´, das ungehört blieb und zu einer psychischen Erkran-kung führte, die letztendlich zum größten Teil aus den persönlichen, sozialen und gesellschaft lichen Bedin-gungen resulti erte, de-nen die Künstlerin unterlag.

Ebenen des symbolischen Verstehens eröff nen.

Hinter jedem Kunstwerk steht ein Künstlerleben, ein komplexer Versuch, ein Ringen um Ausdruck. All das hat bei dem bedeutenden Künstler*Innen letztendlich auch eine seismographische Funkti on (Schelling, 1988, 262), die Ebenen des gesellschaft -lichen Erlebens spiegeln, ebenso wie das individuel-le Leiden an der Zeit.

Ohne mit dem Werk Camille Claudels groß vertraut zu sein, besuchte ich in Düsseldorf eine Ausstellung des bedeutenden französischen Bildhauers Auguste Rodin (1840-1917). Einige wenige Skulpturen schie-nen mir einen ti efen geisti g-seelischen Aspekt zu vermitt eln. Erst beim näheren Hinsehen entdeck-te ich den Unterschied zu den körperlich-eroti sch orienti erten Skulpturen Rodins: Es waren die Wer-ke seiner Schülerin und Geliebten Camille Claudel. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch die Einbeziehung eines geisti g-seelischen Aspektes aus. Sie themati -

Abb. 1:

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siert zugleich das eigene Leiden und Erleben, der unbewusste Bedeutungsinhalt liegt näher an der Oberfläche als bei Rodin.

Von ihrem wirklichen Talent überzeugt, versucht Camille Claudel durch eine erste Trennung Rodin zu entkommen, „und formt ‚eine kniende Frau mit aus-gestreckten Händen, schön in jeder Bewegung ihres Körpers, mit nach hinten geneigten Oberkörper, das Gesicht erhoben“, die diese Trennung verkörpert, aber auch die Trauer, sich eingestehen zu müssen, dass Rodin ihren Absolutheitsanspruch nicht erwi-dern kann. Diese Figur wird unter dem Titel „Der entflogene Gott oder Die Flehende 1894“ in der SNBA ausgestellt und Camille nimmt das Motiv in ihrem Meisterwerk „Das reife Alter“, einer Allegorie ihres endgültigen Bruchs mit Rodin, wieder auf“ (Ri-vière, 1986, 30).

„In ihrer Suche nach der absoluten Liebe enttäuscht“, arbeitet Camille unterdessen für ihren ersten staat-lichen Auftrag an einer Gruppe, die später „Der Weg des Lebens“ heißen wird. Der resignierte Mann gibt der drängenden alten Frau nach, die ihn mit ihren Armen umfängt, während die junge Frau, flehend, mit ausgestreckten Armen zurückgelassen wird. Der Bruder von Camille, Paul Claudel skizziert die Situa-tion: „Meine Schwester Camille, flehend, erniedrigt, kniend, nackt! Alles zu Ende! Das hat sie uns für im-mer zum Betrachten hinterlassen! Und wissen Sie, was sich ihr, gerade in diesem Moment, von ihren Augen, entreißt, ist ihre Seele! Alles auf einmal, die Seele, das Genie, die Vernunft, die Schönheit, das Leben, ja selbst der Name“ (Rivière, 1986, 44).

Renate Flagmeier (1988, 36) sieht jedoch die Re-zeption von Camille Claudels Werken auf der Basis einer persönlichen Biographie, wie ihr Bruder oder R. M. Paris, die 1984 eine Monographie über Leben und Werk Claudels veröffentlichte als zu einfach an, und sie schreibt: „Meines Erachtens wird die psy-chische Erkrankung Claudels nicht im Sinne eines traditionellen Künstlerbildes gewertet, sondern als rein biographische Problematik.“ (Flagmeier, 1989,

312). Francois Lhermitte und Jean-Francois Allilaire schließen aus, dass der „Fall Camille Claudel“ un-ter heutigen Bedingungen anders verlaufen wäre: „Wir kommen zur gleichen Schlussfolgerung: selbst wenn durch einen glücklichen und unwahrschein-lichen Zufall die Umstände mitgespielt hätten und die Chance (!) eines Vertrauensverhältnisses zu ei-nem Arzt und vielleicht auch die Einnahme von rein sedierenden Medikamenten genutzt worden wäre, hätte Camille, weil der Wahn mit ihr ‚durchging’, sich früher oder später von allem abgeschottet. Ein-halt geboten hätte ihr auch in diesem Fall nur (...) die öffentliche Gewalt“ (Paris, 1987, 182).

Camille Claudel wird 19 Jahre nach der Beendigung ihrer Skulptur „Die Flehende“ am 10. März 1913 in die Nervenheilanstalt Ville-Evrard eingeliefert. Dr. Maurice Ducoste diagnostiziert einen systemati-schen Verfolgungswahn. Die Einweisung erfolgt auf Veranlassung ihres Bruders Paul Claudel. Am 19. September 1913 erscheint ein Artikel in einer Pro-vinzzeitung aus der Heimat der Claudels, L‘Avenir de L‘Aisne, der Camille Claudel als Künstlerin vorstellt und ihre Internierung als unrechtmäßig anklagt (Flagmeier, 1990, 65).

Die Psychiater Lhermitte und Allilaire (1987, 156) sprechen von einer paranoiden Psychose bei Ca-mille Claudel: „Im November 1905 wurde der psy-chotische Zustand offenkundig. Sie berichtet Asselin streng vertraulich, zwei Individuen hätten versucht, ihre Fensterläden aufzubrechen, und sie habe sie identifiziert als zwei italienische Modelle Rodins, der ihnen befohlen habe, sie zu töten. Für sie war die Situation klar: Sie stand Rodin im Wege; also setzte er alles daran, sie beseitigen zu lassen.“ (1987, 161). „Nach außen offenkundig wurde Camilles Wahn 1904. Begonnen hatte er schon früher: schon gegen 1899 oder 1900 waren gewisse Anzeichen erkenn-bar, aber das ist unwichtig“ (1987, 164).

Unwichtig? In der Skulptur „Die Flehende“ scheint mir die Krise, d. h. die Kränkung, schon angedeutet. Es fehlte die Sensibilität ihres Umfelds damit umzu-

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gehen. Wenn noch heute von Psychiatern nur der Ausbruch einer schweren seelischen Krankheit be-deutsam ist, wenn man wie Lhermitt e und Allilaire (1987, 177) psychische Erkrankungen nur persönlich betrachtet, dann soll uns das Drama und Leiden psy-chisch Kranker in unserer heuti gen Zeit nicht wun-dern.

Die Erfahrungen der Sozialpsychiatrie lehren uns et-was anderes: es ist möglich, seelischen Krisen durch Akzeptanz und Verständnis zu begegnen, und den Ausbruch einer psychischen Erkrankung besti mmt nicht nur der Einzelne, sondern das gesellschaft lich-familiäre Umfeld ist dabei in einem großen Maße beteiligt.

Zwei Psychiater scheinen uns Camille Claudel hier vorzuführen als müssten wir trennen zwischen Kunst, Mensch und seelischer Erkrankung. Unabhängig von den sozialen und gesellschaft lichen Verhältnissen sollen wir glauben, dass Camille Claudel letztendlich Opfer ihrer persönlichen Entwicklung war.

Es steht außer Zweifel, dass Camille Claudel seelisch erkrankte, doch die Dimension, die Diagnose, kann in ihrer Heft igkeit und in ihrem Ausmaß angezwei-felt werden.

Diagnose

Bei Camille Claudel wird als Krankheitsform eine paranoide Psychose, d.h. wahnhaft e Störung ange-nommen. Diese Bezeichnung wird heute in der Inter-nati onalen Klassifi kati on psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisati on ICD-10 unter F20-F29 geführt. Dabei wird zwischen Schizophrenie, schizo-type und wahnhaft en Störungen unterschieden. Die Frage, die sich nun im Zusammenhang mit der Dia-gnose des Krankheitszustandes der Künstlerin erge-ben, ist, ob es sich hier wirklich um eine paranoide Psychose gehandelt hat. Diese Gruppe von Störun-gen ist charakterisiert durch die Entwicklung einer einzelnen Wahnidee oder mehrerer aufeinander bezogenen Wahninhalte, die im Allgemeinen lange

andauern und manchmal lebenslang bestehen. Als diagnosti sche Leitlinien sind die Wahnvorstellungen das auff älligste oder einzige klinische Charakteris-ti kum. Sie müssen mindestens seit 3 Monaten be-stehen, eindeuti g auf die Person bezogen und nicht subkulturell bedingt sein.

Viel naheliegender ist es jedoch, von einer paranoi-den Persönlichkeitsstörung zu sprechen. Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung, so C. Rohde-Dachser (1991,107), tendieren zu pro-jekti ven Verarbeitungen vor allem im aggressiven Bereich. Sie sind dauernd auf der Hut vor Angrif-fen, wobei sie dazu neigen, das Verhalten anderer als feindlich oder verächtlich zu missdeuten. „Der Versuch des Gegenübers, diese Wahrnehmung zu korrigieren wird in der Regel als Bestäti gung der ur-sprünglichen Befürchtungen gewertet (paranoider Denksti l). Fanati smus, Querulantentum, pathologi-sche Eifersucht, chronische Streitsucht und Recht-haberei können das Erscheinungsbild prägen. Die ICD-10 Klassifi kati on fi ndet sich unter F 60.0 und meint eine deutliche Unausgeglichenheit in den Ein-stellungen und im Verhalten in mehreren Funkti ons-bereichen wie Aff ekti vität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie in Beziehungen zu anderen. Was einhergeht mit übertriebener Emp-fi ndsamkeit bei Rückschlägen und Zurücksetzung. Hier liegt eine schwere Störung der charakterlichen Konsti tuti on und des Verhaltens vor, die mehrere Bereiche der Persönlichkeit betriff t. Sie geht meis-tens mit persönlichen uns sozialen Beeinträchti gun-gen einher. Persönlichkeitsstörungen treten häufi g erstmals in der Kindheit oder in der Adoleszenz in Erscheinung und manifesti eren sich endgülti g im Er-wachsenenalter (ICD 10).

Dies beinhaltet jedoch auch, sich der Kränkung, die Camille Claudel erlitt , von einem psychologischen Standpunkt zu nähern. Denn Kränkungen erleiden wir alle. Die Dimension und Ausprägung sind un-terschiedlich. Gewiss, psychische Erkrankungen sollten wir aber keinesfalls als eine Ebene von Aus-grenzung, Unfähigkeit etc. begreifen. Leider wird

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dies allzu häufig getan, und macht das Leiden daran um so schwieriger. Der Ausgrenzung von psychisch Kranken begegnen wir täglich, letztendlich scheint dies der Grund auch für Camille Claudels Isolation, welche sie die letzten dreißig Jahre auf allen Ebenen ihres Lebens begleiteten.

Das mangelnde Verständnis für eine schwere see-lische Kränkung und der Umgang damit, der An-gehörigen und der Gesellschaft, scheint mit einem weiteren wichtigen Aspekt, um die Tragödie der Künstlerin zu verstehen. Die Analyse „psychisch krank“ reicht schon aus, um einen gesamten Le-bensentwurf zu zertrümmern, weil der Begriff falsch verstanden wird.

Ein psychisch Kranker „ist ein Mensch, der bei der Lösung seiner Lebensprobleme in eine Sackgasse geraten ist. Diese Sackgasse nennen wir Krankheit, Kränkung, Störung, Leiden oder Abweichung. Sie sind grundsätzlich allgemein-menschliche Möglich-keiten; d. h. sie sind für uns alle unter bestimmten Bedingungen Ausdrucksformen der Situation: ,So geht es nicht mehr weiter´. Daher sind sie grund-sätzlich uns allen innerlich zugänglich und bekannt.“ (Dörner u. a., 1980,10).

Camille Claudel hat einen Lebensmoment tiefster Kränkung in ihrer Skulptur festgehalten, das seeli-sche Drama ist hier Impuls und vermittelt eine ei-gentümliche Spannung, die uns herausfordert. Die Reaktion bei der Betrachtung des Kunstwerks waren sehr impulsiv. Einige Klientinnen und Klienten zeig-ten ihre Wut, ihren Zorn, weil die Skulptur genau ihr eigenes Drama skizzierte: nie gehört zu werden, nicht verstanden zu werden. Als ich ihnen etwas über die Lebensgeschichte Claudels erzählte, ver-stärkten sich die Sympathien für die Künstlerin. Es kamen spontane Vergleiche mit den eigenen Lebens-situationen, besonders wurden partnerschaftliche Beziehungen thematisiert, die an der Entstehung der eigenen Kränkung mitgewirkt hatten.

Psychobiografie

Wenden wir uns jetzt dem Kunstwerk nochmals zu, dann wird deutlich, dass die Geste des ,Flehens´ den gesamten Raum umgreift. Kniend ringt die Künstle-rin um Verständnis, um Akzeptanz ihrer individuellen und gesellschaftlichen Situation. Eine seelische Krise scheint angedeutet.

Hinter diesem Flehen steht zunächst, die Anerken-nung durch die Mutter. Nach der Biografie von An-drea Schwers (1994, S. 148) sind Pflichtgefühl und moralische Strenge die hauptsächlichen Charak-terzüge der Mutter. Ihr Bruder Paul beklagt sich als Erwachsener über fehlende Zärtlichkeit in der Kin-dererziehung, und Camille Claudels herzzerreißende Briefe aus der Anstalt werden noch im hohen Alter um Verständnis und Liebe der Mutter. Für die künst-lerischen Ambitionen ihrer Kinder, der energischen und aus der Rolle fallenden Camille, die schon im Alter von zwölf Jahren umfangreiche hochwertige künstlerische Arbeiten anfertigte und des einsamen und etwas schüchternen Paul, hat sie wenig Ver-ständnis. Camille Claudel beschreibt ein Porträt, das sie von ihrer Mutter gemalt hat: „Die großen Augen, in denen ein geheimer Schmerz zu lesen war, das von Resignation geprägte Gesicht, ihre in völliger Entsa-gung im Schoß gefalteten Hände: als Ausdruck von Bescheidenheit, von übersteigertem Pflichtgefühl.“

Hinter diesem Flehen steht zunächst, die Anerken-nung durch die Mutter. Camille Claudel wurde am 8.12.1864 als älteste von drei Kindern in Villeneuve-sur Fére geboren. „Ihrer Geburt ging der Tod des ers-ten Sohnes voraus, den die Mutter nicht verschmer-zen konnte (Fuchs, 1993, S.101).“ Irmgard Fuchs und Alfred Lévy (1993,101/102) vermuten, dass die Ent-täuschung über den Verlust des ,Stammhalters´, der damit verbundene Prestigeverlust und andere unbe-kannte Faktoren zur Ablehnung der erstgeborenen Tochter nicht unerheblich beigetragen haben.

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Ganz anders der Vater, der als cholerisch, leicht er-regbar, stolz und ungesellig geschildert wird, alles Eigenschaft en, die ihn seiner ältesten Tochter sehr ähnlich machen und zugleich ihr gespaltenes Ver-hältnis erklären- es ist geprägt von Liebe und Ver-ständnis für ihre künstlerische Täti gkeit, aber auch erschütt ert durch Verstöße der Tochter gegen die väterliche Autorität (Schwers, 1995, 148).

In der Familie wird viel gestritt en, wobei sie bei die-sen häuslichen Auseinandersetzungen wahrschein-lich schon früh die Rolle des schwarzen Schafes zu-gewiesen bekam (Schwers, 1995, 149).

Bei der Betrachtung von Camille Claudels Skulptur erinnerte sich eine Klienti n an eine Situati on in ih-rer Kindheit, an die schmerzhaft e Ablehnung durch ihre Mutt er. Auch ihr Flehen um Empathie blieb in der Kindheit unerhört. Das Verstehen hat eben nicht nur Bedeutung für den therapeuti schen Pro-zess, sondern begleitet uns von Kindheit an. Wenn jemand also in einer schweren Krise dieses Nicht-Verstehen verbalisiert, kann ich diesen Prozess am Beispiel von Kunst erläutern.

Marti na Holterhof spricht bei Camille Claudel von einer Rollendiff usion, „die durch die mangelnde Ab-grenzung der Rollen untereinander auft rat. In den Augen Rodins war sie Gehilfi n und Schülerin, Gelieb-te Rodins, Modell, Muse und Bildhauerin in einem, oder einfach: ‚Mädchen für alles’, eine Gehilfi n, die überall zur Stelle war und in ihrer Vielseiti gkeit Ge-nialität aufwies. Ihre vollständige Eingliederung in den Wirkungsbereich Rodin, stellte die Eigenstän-digkeit der Person Claudel in Frage. Unabwendbare Kränkungen waren die Folge für eine Künstlerin, de-ren stärkstes Bestreben die Bestäti gung der eigenen Individualität war.“ (1993, 55/56).

Gerade der Bruch der Beziehung mit Rodin hatt e für Camille Claudel fatale Auswirkungen, durch die Frustrati on notwendiger Selbstobjektbedürfnisse kam es zu einer drohenden Aufl ösung des Selbst.

,Das Flehen´ der Künstlerin, eröff net somit Erfah-rungsräume und hilft aus der visuellen Betrachtung heraus, das eigene subjekti ve Erleben im Umgang mit einer psychischen Erkrankung und das Erleben des sozialen Umfelds zu verbalisieren, wobei in einer späteren Phase dann nach eigenen kreati ven Mög-lichkeiten gesucht wird. Sei es in der Auseinander-setzung mit Literatur, Kunst und Musik oder eigenen gestalterischen Täti gkeiten. Kohut hat insbesonde-re auf das Hervortreten schöpferischer Betäti gun-gen in den Endphasen von Analysen hingewiesen. (Kraft, 1984, S. 249). Dadurch wird es möglich die nun freigesetzten schöpferischen Energien in einen sozialen Bezug einzufügen.

Wie Benedetti (1975, S. 17) formuliert kann uns das Kunstwerk jener Autoren, die in ihrem Leben an De-pressionen gelitt en haben oder gar an geisteskran-ken Symptomen gelitt en haben, helfen dem inneren Erleben des kranken näher zu kommen. Unter die-sem „inneren Erleben“ versteht Benedetti (1975, S. 18) jene Innenseite des Erlebens, welche sich in den Selbstzeugnissen, die uns zur Verfügung stehen, nicht immer voll ausspricht, sondern erst im Dialog mit ihnen spürbar wird. Camille Claudel beschreibt von ihrem Kunstwerk aus der psychologischen Situ-ati on, d. h. die Leiden ihrer Zeit.

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Sozialpsychologische Szene

Camille Claudel musste sich besonders auch als Frau in einer von Männern beherrschten Künstlerwelt behaupten. Die Kunsthistorikerin Renate Flagmei-er, die sich umfassend mit dem Werk der Künstlerin auseinandergesetzt hat, folgert richtungsweisend, dass die Kränkung, welche Camille Claudel erlitt, nicht nur auf ihre unverarbeiteten Gefühle gegen-über Rodin zurückzuführen sind, sondern „ihre Stellung zwischen den Geschlechtern und vor allem zwischen den kulturpolitischen Fronten, spielen eine ebenso wichtige, wenn nicht entscheidende Rolle.“ (Flagmeier, 1988, 42). „Im Kampf um ihre künst-lerische Identität musste sich Claudel nicht nur als Frau in einem von Männern dominierten Metier behaupten, sondern auch als Schülerin eines bedeu-tenden Bildhauers. Rodin hat um seine Durchset-zung zwar lange und hart kämpfen müssen, spielte aber ab 1880 in der kulturellen Auseinandersetzung eine immer einflussreichere Rolle. Um 1900 hatte er schließlich den Rang eines unbestrittenen, nati-onal und international gefeierten Staatskünstlers erreicht. Für die Bildhauer/-innen seiner Zeit wur-de es zunehmend schwieriger und fast unmöglich, sich neben seiner dominanten Persönlichkeit Gel-tung zu verschaffen. Claudel war besonders davon betroffen. Bekannt nicht nur als Schülerin, sondern als Geliebte des Künstlers wurde die Unterstellung, als Frau zu keinen eigenständigen Leistungen fähig zu sein, noch verstärkt. Auch wenn einige Skulptu-ren als originale Schöpfungen angesehen wurden, musste sie bei den meisten ihrer Arbeiten ständig di-rekte oder indirekte Plagiatsvorwürfe hinnehmen.“ (Flagmeier, 1988, 431).

Darüber hinaus beinhaltet meines Erachtens das Werk Camille Claudels einen weiteren Aspekt, der die gesamte historische Epoche umgreift. „Die fort-schreitende Individuation des Menschen erzeugte neue Formen subjektiven Leidens. (...) Die Bemühun-gen des Einzelnen um die Formung seiner Persön-lichkeit und die Rücksicht auf das Urteil der anderen mündeten in Unzufriedenheit, ja, in Selbstvernei-

nung; am Ende stand das Gefühl des Ungenügens.“ (Corbin, 1992, 579).

Renate Flagmeier beschreibt die gesellschaftliche Dimension und den Widerspruch, indem sich Camil-le Claudel befand, aus verschiedenen Perspektiven. „Camille Claudel war wie die meisten Künstlerinnen gezwungen, sich mit dem gesellschaftlich behaup-teten Widerspruch zwischen ihrem Geschlecht und ihrer Existenz als Künstlerin auseinander zu setzen. Das Genie wurde männlich gedacht. Einer Frau wur-de Genialität nur in Verleugnung ihrer Weiblichkeit zugestanden.“ (1988, 42), und: „sie war als Künst-lerin ständig mit dem Widerspruch konfrontiert, gleichzeitig kunstproduzierendes Subjekt zu sein wie auch als Darstellungsobjekt zu dienen (konkret für Rodin aber auch durch die Funktion des weiblichen Körpers in der Kunst überhaupt). Die Künstlerin hat gegen dieses Zerrissenwerden gearbeitet, hat in der ‚Clotho’ den Widerspruch von Subjekt- und Objekt-Sein gestaltet.“ (Flagmeier, 1988, 311).

In dem Gespräch über die Skulptur mit psychisch Kranken, kann insbesondere die spätere Themati-sierung der epochalkulturellen Bedeutung und der sozialen Situation neue Erfahrungsräume öffnen. Für Klaus Matthies (1988, S.83) liegt es nahe, „die Gefühlswelten, die alle Künste enthalten (von de-nen die Künste ausgehen, auf die sie sich beziehen) mit den Gefühlswelten des täglichen Lebens, wie sie besonders in therapeutischer Sicht und Absicht bedeutsam sind, in Beziehung zu setzen.“ „Darüber hinaus bestimmt er eine doppelte Bedeutung der Katharsis, da sie daran beteiligt ist, dass „ästheti-scher Genuss (ästhetisches Erleben) einen substan-ziellen geistigen Anteil hat. (...) In diesem Sinne ist Katharsis ein wichtiger „purgierender“ Vorgang: Prozess der Aufarbeitung, Reinigung, Erneuerung“ (Matthies 1988, S. 90).

In einem Kunstwerk sind tatsächlich alle Emotions-erfahrungen angelegt- und es finden immer auch diejenigen von ihnen den Weg zum Betrachter, die ihm vielleicht am Fernsten liegen (Hecht 2014, S.7).

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„Kunstwerke sind aufgrund ihrer Vielschichti gkeit in der Lage, eine reichhalti ge Palett e an Assoziati onen und Reakti onen für Pati ent*Innen zur Verfügung zu stellen“ (Sarbia 2015, S.193).

Hierüber ist dann auch eine Annäherung an die psy-chohistorische Bedeutung möglich. Denn Michelle Perrot (1992, 285) weist darauf hin, dass es meh-rere Beispiele für den Missbrauch der Medizin gab. Es gab Fälle in denen medizinische Autorität miss-braucht und abweichende Verhaltensweisen unbe-rechti gt in ‚Verrücktheit’ umdefi niert wurden.

„Ähnlich verhielt es sich bei Hersilie Rouy, die 1854 auf Betreiben ihres Halbbruders, der auf ihr Erbe spekulierte, ‚freiwillig interniert‘ wurde; unter dem Vorwand, ihre exzentrische Lebensführung – sie war eine unverheiratete Künstlerin und versuchte, unab-hängig und allein zu leben, sei Ausdruck einer ‚aku-ten Manomanie’, stellte ein gewisser Dr. Pelletan eine Bescheinigung aus, die ihr vierzehn Jahre An-stalt eintrug. (...) In jüngster Zeit wurde man auf die Persönlichkeiten wie Adèle Hugo oder Camille Clau-

del wieder aufmerksam, die off ensichtlich aufgrund einer willkürlichen Familienentscheidung interniert wurden, weil man den Ruf der ‚großen Männer’ ret-ten wollte.“ (Perrot, 1992, 286).Klaus Dörner und Ursula Plog (1980) fordern zu ei-ner Übung auf, die obwohl in keiner Weise bezogen auf Camille Claudel, uns auf einen zentralen Kern hinweisen: „Denken Sie gemeinsam darüber nach, was in unserer Gesellschaft um 1900 passiert sein muss, dass man plötzlich Spalten, Zerreißen, Tren-nen, Sich-Unverfügbar-Machen so scharf wahrnahm (so bedrohlich fand), dass man die Krankheitseinheit ‚Schizophrenie’ erfand, obwohl es vorher genauso viele ‚schizophrene’ Menschen gab, für die man sich bis dahin mit den Diagnosen ‚Manie’ oder ‚Depressi-on’ begnügte.“ (1980, 121).

Camille Claudel kämpft e mit einer immensen Ener-gie um die Anerkennung als Künstlerin gegen die be-stehenden sozialen und gesellschaft lichen Ressenti -ments. Diese Energie spiegelt sich in ihrem Werk ,Die Flehende´, zugleich aber auch der Widerspruch der sich widerstreitenden Kräft e. Die Künstlerin skizziert

Abb. 2:

13 DGKT - JOURNAL 01.2020

sich selbst in der Skulptur und genau das bleibt un-erkannt. Ein letzter Versuch, die letzte Energie wird gebunden, um die seelische Krise darzustellen.

Renate Flagmeier kommt zu dem Schluss, dass Clau-del zwar in ihrer Arbeit bestätigt wurde, aber nicht in ihrer Eigenständigkeit anerkannt wurde (Flag-meier, 1988, 43).

Diese Feststellung erscheint mir von besonderer Be-deutung, wenn wir uns dem Werk von einem umfas-senden Aspekt nähern wollen. „Nicht die Deutung, sondern der ganze Zusammenhang von Vorausset-zungen, Vorgang, demonstrativer Evokation im Le-bensprozess ist wichtig.“ (Matthies, 1990, 38).

Das Kunstwerk ,Die Flehende´ scheint mir nun Aus-druck für eine solche Sackgasse, wie Dörner und Plog sie umschreiben.Was Klaus Matthies für die ästhetische Erziehung definiert, „dass die Wahrnehmung isolierter künst-lerischer Werke der Rückbindung in die Alltagswelt und -wahrnehmung bedarf.“ (Matthies, 1987, 34), ist auch eine grundsätzliche Möglichkeit der Arbeit mit Kunst im psychosozialen Bereich. Wenn ein Kunst-werk Gefühle auslöst, d. h. eine Lebenssituation re-flektiert, die schon an der Oberfläche nachvollzogen werden kann, dann ist eine wichtige Funktion von Kunst erfüllt: „An ihnen, den künstlerischen Men-schen und den künstlerischen Werken haben wir nichts als die Herausforderung. Das ist alles. Und das ist sehr viel. Wo sonst im Leben begegnet uns diese Herausforderung in dieser Intensität: selbst und gera-de da, wo wir sie nicht gleich verstehen, nicht verste-hen wollen oder dürfen.“ (Matthies, 1988, 34).

Wie Rudolf zur Lippe ausführt, ist das Ästhetische in vielfältiger Weise eine Funktion des Seelischen. „Es ist abhängig von ihm, etwa indem es ihm zum Aus-druck wird. Umgekehrt hat das Ästhetische selbst entscheidende Bedeutung indem von ihm Wirkun-gen, Anregungen, Aufforderungen an das Seelische ausgehen.“ (zur Lippe, 1987, 235).Claudels ,Die Flehende´ symbolisiert einen Verlust,

eine tiefe Kränkung, die wir bei uns bis in die tiefs-ten Schichten verfolgen können.

Wie oben schon angeführt, bestimmt natürlich das gesamte sozial-gesellschaftliche Umfeld die Ent-wicklung mit. „So sehr es stimmt, dass der Mensch den Forderungen der Gesellschaft, in der er lebt, gerecht wird, sosehr stimmt es auch, dass die Ge-sellschaft so konstruiert und strukturiert sein muss, dass sie den Bedürfnissen des Menschen gerecht wird.“ (Fromm, 1992, 108).

Dies gilt zum einen für die gesellschaftliche Situati-on der Künstlerin, zum anderen für die soziale Ak-zeptanz von psychischen Erkrankungen.

Camille Claudel beschreibt von ihrem Kunstwerk aus, die psychologische Situation, d. h. die Leiden ihrer Zeit. Dies führt uns zurück in unsere Zeit und die Frage nach der Bedeutung und dem Interesse an dem Werk Camille Claudels. Das Gefühl des Ungenügens ist gerade in unseren Tagen bedeutsam. Die Reiz-überflutung durch die digitalen Medien, die Aus-grenzung derjenigen, die dem Leistungsdruck nicht standhalten können, Orientierungslosigkeit sind Themen unserer Zeit.

Camille Claudels Skulptur ,Die Flehende´ bringt eine seelische Krise zum Ausdruck, die in einem hohen Maße neben dem persönlichen Aspekt aus den gesell-schaftlichen und sozialen Ressentiments resultiert.

Camille Claudel muss in ihrer Zeit um die Akzeptanz als Künstlerin und Frau hart kämpfen. Hinzu kommt das Abhängigkeitsverhältnis zu Rodin, der ihre An-sprüche und Erwartungen nicht erfüllen kann. Die Trennung von Rodin schränkt Camille Claudel in ih-rer Entwicklungsfähigkeit als Künstlerin deutlich ein.Die Tiefendimension ihrer Skulptur ,Die Flehende´ wird von ihrem Umfeld nicht verstanden. Dies führt in den folgenden Jahren zu einer seelischen Erkran-kung, die einen ungerechtfertigten lebenslangen Psychiatrieaufenthalt zur Folge hat.

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15 DGKT - JOURNAL 01.2020

Ariane kommt in die Praxis, nachdem sie zweimal bei der Heilpraktikerprüfung durchfallen ist.Sie ist seit 25 Jahren Lehrerin an einer Fachschule. Im Ge-spräch wird klar, sie hatte ausreichend gelernt und noch nie vorher in einer Prüfung versagt. So bot ich ihr an, in einer Früherinnerung altes biographisches Erleben zu spüren. Ich führte sie in einer Meditation in Kind- oder Jugendjahre zurück und bat sie einfach zu zulassen, was kommt.

Als sie die Augen wieder aufmachte, stößt sie den Satz aus: „Das steht dir nicht zu!“ Sie schreibt ihn auf. Sie schaut erschrocken. Dann erzählt sie mir, dass sie nach dem Abitur gerne Medizin studiert hätte, doch ihre Mutter verbot es.

Als Kunsttherapeutin nutze ich täglich Bilder in mei-ner Arbeit. Dadurch sind neue Zugänge möglich. Wir kennen es alle aus unserer Arbeit, die Klienten kommen unter großem Druck.

Klienten, die ihre Situation schildern, verlieren sich oft in emotionsgeladenen Themen: Diese bringen den Prozess zum Stocken, denn je mehr die Klienten uns erzählen, umso diffuser wird es. Lange Schilde-rungen bringen keine Klarheit, sie vernebeln eher. Hier ist es hilfreich, von der verbalen in die nonver-bale Ebene zu wechseln.

Das schreit förmlich nach dem Bild!

Dabei setze ich bildnerische Mittel ein und gebe den Auftrag, die Prüfungssituation konkret zu malen, so-wohl de verpatzte Situation wie die Angst vor der Prüfung. Die Aufgabe an die Klienten lautet nach einer kurzen Meditation, die sie in Kontakt bringt mit dem Erleben der Prüfungssituation: ,,skizzieren Sie ihre Prüfungssituation ganz konkret.“ Und um es niederschwellig zu halten, sage ich dazu, es dürfen Strichmännchen sein. Als Material bietet sich ein DIN A 4 oder DIN A5 Blatt an und ein kräftiger Filz-stift.

Hier entsteht das Bild - als lnitialbild. Es zeigt die Prüfungssituation und lässt sich besprechen. Oft zeigen die Bilder eine ungleiche Situation: der klei-ne Prüfling und übermächtigen Prüfer. Im Gespräch erkennt die Klienten, das Prüfer und Situation i.d.R. freundlich waren, so dass die Frage kommt: Was ist der Grund für das Versagen. Wenn dann noch beim Abfragen der Lernstrategien keine Auffälligkeiten sind, wenden wir den Blick auf die Lebensgeschich-te und die frühen Aufträge an das damalige Kind

Ich schaffe es !!!Kunsttherapeutische Interventionen in schwierigen Prüfungssituationen

Brigitte Michels

Bild 1:

Prüfungssituation

Bild 2:

Prüfungssituation

16 DGKT - JOURNAL 01.2020

„Das steht dir nicht zu!“ Sie solle Pädagogik studie-ren oder etwas Kaufmännisches machen. Als sie erkannte, dass die Heilprakti kerin wie der Arzt, hei-lend täti g werden darf, straff t sie die Schultern. „Ich schaff e es!“ Der Rest war einfach, ein halbes Jahr später hat sie es geschaff t.

Bei Kathrin war es ähnlich. Sie ist gut vorbereitet und kann die Prüfungsthemati k sicher erklären. Trotzdem hat sie große Angst. Ich bitt e sie, sich die kommende Situati on vorzustellen und dieses innere Bild in einer kleinen Skizze festzuhalten. Es dauert nur wenige Momente. Dann bitt e ich sie, sich selber als Holzfi gur ins Bild zu stellen. 5ie wählt die kleinste Holzfi gur für sich aus und stellt sie in die Prüfungs-situati on, um sie herum fünf riesige Prüfer. Die kom-mende Prüfung ist für sie eine Horrorvorstellung. So beschreibt sie es.

Es gibt eine Diskrepanz zwischen ihrer Sicherheit in der Materie und ihrer Angst. Das deutet auf bio-grafi sche Muster und ich bitt e sie, ihre Ursprungs-familie aufzustellen. Wieder auf einem kleinen Blatt , Sie ist wieder die Kleinste. Dabei erinnert sie sich an den Satz des Vaters: ,,Mädchen sind hübsch und dumm.“ ,,Gilt der Satz noch heute? „ Sie ist erschrocken über dieses abwertende Urteil des Va-ters und merkt, dass es immer noch wirksam ist.

Ich bitt e sie das Prüfungsgeschehen, das bisher passiert ist, auf einer Zeit- und Entwicklung Linie zu legen. Da kommt zuerst das Bild in der Ursprungs-familie. Und wir legen die biografi schen Blockaden daneben. Sie wirken bis heute.

Der nächste Auft rag lautet: ,,Wie soll es sein in der nächsten Prüfung. Gilt der Satz noch heute? Sie ist erschrocken über dieses abwertende Urteil des Vaters und merkt, dass es immer noch wirksam ist. Dann schütt elt sie den Kopf. ,,Nein.“, sagt sie. Schnell nimmt sie einen dicken roten Sti ft , streicht das Prüfungsbild durch und schreibt drüber: ,,Vor-bei!“ Kathrins Sti mme ist klar und fest, sie straff t die Schultern.

Der nächste Auft rag lautet: ,,Wie soll es sein in der Prüfung?“ Sie stellt eine große rote Figur auf ein Blatt und sagt: ,,Ich schaff e es!“

Kathrin bekommt den Auft rag, die Bilder als Bilder-geschichte auf der Zeit und Entwicklungslinie zu platzieren. Die Ursprungsfamilie ist links vom Initi al-bild, das Blatt mit der großen Figur und der Zielsatz „Ich schaff e es!“ liegt rechts. Das ist die Zukunft für Kathrin. Kathrin spürt sich wieder als erwachsene Frau. Um den Prozess zu festi gen, schlage ich ihr vor, zu dieser Bildergeschichte ein Märchen zu erzählen und gebe den Einsatz: „…es war einmal…“

Bild 3:

Kathrins Prüfungscoaching als

Bildergeschichte

…es war einmal ein kleines Mädchen, das durfte sei-ne bunten Schmetterlingsfl ügel nicht zeigen.

Und wenn die Anderen die bunten Flügel erkannten, dann wurde sie noch mehr „zer – drückt“.

Eines Tages, als sie größer war, beschloss sie, ihre bunten Flügel zu leben, denn ein Schmetterling ist etwas Besonderes.

Seit dem geht sie guten Mutes durch ihr Leben.

17 DGKT - JOURNAL 01.2020

Kathrin erzählt das Märchen, sie schlägt den Bogen von dem kleinen Mädchen zur erwachsenen Frau. Sie besteht die Prüfung.

Sie fotografiert ihre Reihe und geht an die nächste Prüfung, die sie besteht.

Wirkung der Lebensgeschichte auf den Konflikt

Ein Konflikt, der im Heute passiert und noch nicht gelöst ist, blockiert weitere Entwicklung in Richtung Zukunft. So zeigt das Initalbild den Konflikt und hat auf dem Feld Konflikt seinen Platz. Viele Konflikte werden gespeist aus der vertikalen Linie, das sind die alten Muster, Einschärfungen, Aufträge, Glau-

benssätze usw. aus der Kindheit. Sie sind oft schon in vorsprachlicher Zeit entstanden. Das macht sie schwer zugänglich. Sie bleiben meist unbewusst, aber sie sind wirksam. Erst wenn wir einen Zugang dazu bekommen, ist der Weg zur Lösung leichter geworden. Eine Möglichkeit, die alten Muster zu erkennen, ist das Aufstellen der Ursprungsfamilie. Auf einer separaten DIN-A5-Karte gestellt, gehört es links neben das Konfliktbild, da es eine frühere Situation zeigt. Mit diesem zeitlichen Anordnen der Bilder - erst die Ursprungsfamilie, dann die Konflikt-

geschichte, entsteht eine Bildergeschichte des Kon-fliktes. Hier erkennen Klienten oft schon Analogien zum aktuellen Geschehen, Zugänge, die wir nutzen können, um eine Lösung zu erarbeiten.

Das entstandene Bild über die Konfliktsituation enthält mehr Informationen, als über Sprache transportiert wird. Die Erweiterung mit dem Bild fokussiert den Konflikt und gibt neue Klarheit. Da-durch werden Denken und Handeln in Bezug auf die Konfliktsituation flexibel.

FAZIT

Bilder fördern Lösungen, denn Malen bringt das „in-nere“ Bild vom Konflikt in die äußere Welt• das Geschehene wird klarer• es kann bearbeitet werden,• aus passiver Ohnmacht führt malen ins • Handeln und damit zu Veränderung.

KONFLIKT

Aktualgeschichte Lösungdes Klienten

Zeit- und Entwicklungslinie

Lebensgeschichte des Klienten•Erfahrungen•Muster•Denk- und Handlungsmodelle

Bild 4:

Wirkung der Lebensgeschichte

auf den Konflikt

18 DGKT - JOURNAL 01.2020

Gedanken im Verlauf eines dreijährigen Arbeitsprozesses - Zu einer Therapie mit Bildern

Karl-Heinz Menzen 1

1

Die Geschichte jener Bewegung, an der ich schrieb, eines Faches, das wir ‚Kunstt herapie‘ nennen und dem wir uns verpfl ichtet fühlen, ist tatsächlich ein Vorgang, in dem die menschliche Natur sich un-aufh örlich preisgibt. Es ist die Geschichte eines Vorgangs, in dem Menschen, die in physischer und psychischer Not sind, Einblicke in ihr alltägliches Leben geben, uns diese Blicke tun lassen, im Ver-trauen, dass wir nicht so schnell mit unseren Wor-ten kommenti erend dabei sind. Wie oft war ich mit Menschen zusammen, die am Rande ihrer Existenz standen; und wie oft zeigten sie mir ihre Bilder in dem mit der Zeit erlangten Wissen, dass ich diese nicht kommenti eren würde. Sie wussten, und sie hatt en dies in der Regel aus der sich selbst angeeig-

neten psychotherapeuti schen Literatur erfahren, dass Kommentare hier

nicht am Platz, eher hinder-lich waren. Und so suchten

sie meine Mimiken wie meine Gesten zu er-

gründen, meine Kör-perhaltungen abzu-suchen nach dem, was die Sprachfor-schung als „Konno-tati on“, als etwas bezeichnet, das

man umschreibend hinterfragen könnte

nach dem, ‚was-es-denn-noch-bedeute‘? Die Ant-

wortlosigkeit, das wussten sie, würde nicht Bedeutungslosigkeit

heißen. Würde eher bedeuten, in einen

Es ist noch nicht lange her, da suchte ich nach Bil-dern, die mein Buch Heil-Kunst (2017) illustrieren sollten. Und es fi el mir dieses Bild in die Hände, welches Jacob Eberhard Gailer 1839 gleichermaßen zur Illustrati on für sein Buch „Neuer Orbis Pictus“ verwenden sollte. In seinem Unterti tel stand sozu-sagen dessen Verwendungszweck: „Für die Jugend oder Schauplatz der Natur, der Kunst und des Men-schenlebens“. Ob ich wollte oder nicht, ich musste darüber nachdenken, zu welchem Zweck ich per-sönlich schreibe. Und die Antwort, ich weiß nicht, ob sie mir gefi el, war schnell zur Hand, – zunächst einmal für mich selbst, musste ich gestehen. „Schau-platz der Natur“, quasi eine Zuschreibung, der ich in der Absicht meines Schreibens gerne folgen woll-te. Das, was uns in den Bildern zufällt, die unsere Pati ent*Innen vor uns hinlegen, um zu warten, was uns dazu einfällt, – das war ich gerade dabei zu be-schreiben.1

1 [email protected]

neten psychotherapeuti schen Literatur erfahren, dass Kommentare hier

nicht am Platz, eher hinder-lich waren. Und so suchten

sie meine Mimiken wie

nach dem, ‚was-es-denn-noch-bedeute‘? Die Ant-

wortlosigkeit, das wussten sie, würde nicht Bedeutungslosigkeit

Abb. 1:

Jacob Eberhard Gailer,

Ausschnitt , 1839; aus:

Neuer Orbis Pictus

für die Jugend oder

Schauplatz der Natur,

der Kunst und des Men-

schenlebens. Reutlingen:

J. C. Mäcken.

19 DGKT - JOURNAL 01.2020

Zustand von Regressivität, in den Zustand der wiss-begierigen aber nicht zufrieden gestellten Ratlosig-keit eines orientierungslosen Menschen versetzt zu werden. Und gerade das wollten sie doch nicht; sie wollten Aufklärung, wollten Einsicht, wollten Rat, wie mit der Situation umzugehen wäre. Und gera-de ich, der Therapeut, sollte doch auch wollen, dass sie, mitunter sehr in ihrem Selbstwert geschädigt, wieder „zu sich selbst“ kämen.

Die Psychoanalytikerin Melanie Klein hat diesen Zu-stand jenes noch kleinen Kindes – an diesem Bei-spiel exerzierte sie ihre Erkenntnis – als Frustration bezeichnet, die dann entsteht, wenn ein Bedürfnis nicht unmittelbar befriedet wird. Und sie hat den für mich gleichermaßen frustrierenden Satz ge-prägt, dass das Kind im Anfang seiner Fragen an die Welt, und das ist zu seinem Beginn die Mutter, not-wendigerweise frustriert werden müsse. „Typisch Therapeutin“, habe ich immer wieder gedacht und beklagt, dass sie es nicht fertigbrächte, unmittel-bar auf die vorgebrachten Bedürfnisse, zumal von Erwachsenen einzugehen. Im Verlauf meiner Be-gegnungen mit vielen Patienten habe ich jedoch ge-lernt, was der Psychotherapeut Jacques Lacan „das Kreisen um die leere Spur“ genannt hat; dass wir zu warten hätten auf das, was wir in keiner Weise wis-sen könnten, was die Patientin bald uns offenbaren würde – Freud hatte es ‚das Unbewusste‘ genannt. Ich habe aber auch im Verlauf dieser Begegnungen das gelernt, was der englische Psychoanalytiker Th. O. Ogden in gespannter Erwartung seiner Patientin offenbart hatte, – die Erfahrung, dass die Einblicke in die Natur meines Gegenübers mich bald, ohne es vielleicht zu wollen, in irgendeine Art von gefühls-mäßiger Beziehung verwickeln würde.

Er schreibt in seltener Offenlegung, was ihn beunru-higte: Zum einen in eine sehr fest umrissene Bezie-hung, die er noch nicht kannte, hinein gezogen zu sein; zum anderen von jetzt auf gleich wie in einer von Franz Kafka ausführlich beschriebenen Situa-tion äußerster Nähe, wie mit einer Lupe, aber aus einer Art wissenschaftlich-biologischer Distanz wie

ein zu erforschender unbekannter Käfer betrachtet zu werden. Diese Spannung von Nähe und Distanz war für ihn, schreibt er, in den Erstgesprächen mit seinen Patient*Innen durchweg immer unauflösbar, aber auch fruchtbar zugleich. Und dann schildert er den Ausweg aus dieser Situation: Sie eröffnete in ihm jedenfalls eine Möglichkeit, ihr zu entgehen, indem er innerlich den oder die vor ihm sitzenden Patient*Innen versuchte, so genau d.h. detailliert wie möglich diagnostisch einzuschätzen.2

Die Geschichte der „Heil-Kunst. Entwicklungsge-schichte der Kunst-therapie“, die ich schrieb, ende-te aber anders als erwartet, nämlich: diagnostisch eben nicht alles im Blick behalten zu können, in einem bemerkenswerten Satz, den ich hier wieder-holen möchte: „Konzentriert man die Aufmerksam-keit von einem nahen Standpunkt auf einen kleinen Ausschnitt eines realistischen Gemäldes, wird dieser sich in bedeutungslose Zeichen auflösen Der Wahr-nehmende muss einen Schlüssel zur Gesamtheit des Vorstellungsbildes besitzen.“3 Auch wenn ich das Buch mit einiger Zufriedenheit beendete, ging mir dieser letzte Satz nach. Und in einem meiner nächsten Bücher machte ich mich daran, nach je-mandem zu suchen, der in seinem Schlüsselbund eben den genannten Schlüssel zur Gesamtheit des Vorstellungsbildes besitzen würde.

2 Als ich mich daran machte, „Das Symptom als Bild. Neuropathologie der Wahrnehmung von A bis Z“ (2018) zu schreiben, machte ich es ähnlich wie bei dem oben beschriebenen: Ich überließ mich mit einem Stoßseufzer zum heiligen Antonius, der für solche Suche zuständig ist, meinem schweifenden Blick über die Literatur, die ich angesammelt habe und sah, was ich suchte: Ludwig Wittgensteins „Be-merkungen über die Philosophie der Psychologie“

2 Ogden 2006, 174 f.3 Wittgenstein 1984, Paragraf 869.

20 DGKT - JOURNAL 01.2020

(1984). Und das, was ich gut kann, klappte sofort: Ich schlug das Werk auf und fand den Satz, ‚dass uns ein Zeichen nur zu einem Bild führe, wenn ihm ein Inhalt, eine Gestalt, zuweilen ein Merkmalskomplex, sprachspielhaft , d.h. spielerisch zufalle‘.4

Und nachdem ich eine ziemliche Zeit lang die hin-tergründigen Sprach- und Zeichenspiele Witt gen-steins mit Lust auf der Suche nach einem theoreti -schen Hinweis auf das, was er mit ‚Zeichen‘ meinte, durchgeblätt ert hatt e, schrieb ich folgenden Satz: Dass solche Spiele besonders dann lustvoll seien, wenn uns per Zeichen nicht nur ‚ein unbesti mmtes Signal (Ikon)‘, wenn uns auch nicht zeichenhaft ‚zu-sammengesetzte Signale (Indices)‘, sondern solche Informati onen zugespielt würden, die wir ‚Symbo-le‘ nennen. Und um den Begriff des Symbols etwas genauer umschreiben zu können, blätt erte ich in ei-nem Buch des Bildtheoreti kers Mitchell, in dem er den Freud‘ schen Umgang mit dem Bild als eine Art ‚fort-da-Spiel‘, also als etwas beschreibt, hinter dem immer etwas zu vermuten ist und deswegen weg oder aufgeklärt wieder herangezogen gehört, bis irgendetwas erscheint.5 Selbstredend war ich belus-ti gt über die Metapher, aber unbefriedigt darüber, dass ich in einem so ernsten Zusammenhang wie in dem Zusammensein mit meinen Pati enten und Pa-ti enti nnen noch immer nicht zwischen den Zeichen und Symbolen, die sie mir in ihren Bildern lieferten, zu unterscheiden wusste. Nun ja, so ein bisschen wusste ich das schon, aber konnte es nicht genau defi nieren.

In diesem Moment fi el mir in die Hände das wun-derbare Buch von Uexküll, Geigges und Plassmann, „Integrierte Medizin“ (2002). Und dort fand ich zunehmend, was ich suchte. In diesem Augenblick wusste ich natürlich noch nicht, dass ich die nächs-ten zwei Jahre ganz in diese Themati k der Zeichen und Symbole versinken würde.

4 Mitchell 2005, 91.5 Jacobi 1945, 44.

Thure von Uexküll, der berühmte Psychosomati ker und Leiter einer Freiburger Klinik hatt e seine 16 ihm unterstellten Fachkollegen danach gefragt, wie sie mit den Zeichen, den Signalen, ggfs. auch den Symbolen ihrer Pati ent*Innen umgingen – im Falle einer Psychose, einer Demenz, eines Alkoholdelirs, einer Essstörung usw.? Er hatt e es mit dem Hinter-sinn eines Fragenden darauf abgesehen, wie die Si-gnale dieser Pati enten wohl von ihrer unmitt elbaren Umgebung aufgenommen würden, – wie sie wohl bei seinen Fach- Kolleg*Innen mit ihren Bedürfnis-sen ankämen? Er hatt e dafür das Wort ,Passung‘ von seinem Vater Jakob von Uexküll, dem Biologen, übernommen. Etwas technisch ausgedrückt hieß das: Wie passt die Botschaft des Senders mit dem, was er dem Empfänger zukommen lassen möchte, zusammen? Und im Kontext hieß seine Anfrage: Sind die Signale des Pati enten

• eher ikonische, d.h. unbesti mmt-sinneshaft e oder – aff ekti ve,

• indexikalische, d.h. in ihrer Zusammensetzung in Beziehung stehende und entsprechend zu le-sende, oder sind sie eher

• symbolische, das heißt erst durch eine In-Ver-hältnis-Setzung mit anderen noch unbekannten Signalen zu verstehen?

Das was mir an der Fragestellung Thure von Uexkülls gefi el war, dass er vielleicht etwas anders als Th. Og-den auf die – nicht nur sprachliche – Form achtete, in der die Bedürfnisse seiner Pati enten vorgebracht wurden. Endlich hatt e ich jemand entdeckt, der die Formen des Ausdrucks nicht alle gleichsetzte, der z.B. Worte und Bilder voneinander unterschied, sie ggfs. sogar als gegensätzlich zu lesen vermochte.

Und so machte ich mich in meinem Buch „Das Symp-tom als Bild“ daran, mir in einem großen Kapitel die gesamte „Neuropathologie der Wahrnehmung von A bis Z‘, so der Unterti tel, daraufh in anzuschauen, welche Botschaft en, welche Signale die sinnes- und körperbehinderten, dementi ell-erkrankten, psych-iatrisierten und schließlich persönlichkeitsgestör-

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ten Menschen uns vermittelten. Das Kapitel wurde schließlich eine Art Diagnose-Kapitel für die meisten der uns bekannten psychischen Krankheiten, in dem nahezu alle uns bekannten Beeinträchtigungen so-zusagen auf den Punkt gebracht waren.

Im Anschluss an dieses Kapitel formulierte ich das, was bei mir zu wenig zur Geltung gekommen war. Und so beschrieb ich in einem Kapitel „Von dem Versuch, das Vor- und noch-nicht-Bewusste wahr-zunehmen“, was Thure von Uexküll am meisten interessiert hatte: Wie Patient*Innen in einem ih-nen vorbewussten, d.h. bewusst nicht zugänglichen Status verharren können, – und der Therapeut die mühevolle Aufgabe hat, selbst in die Rolle des Ent-schlüsselnden zu geraten; und zu erleben, wie er vom Patienten in diese Rolle hinein gezogen zu wer-den droht. Für mich, den hier im Rückblick Berich-tenden, wurde die Frage nach dem Unbewussten immer dringlicher.

Je mehr ich mich in meiner Bibliothek umsah, was ich wohl zur Beantwortung dieser Frage würde er-arbeiten müssen, stieß ich immer wieder auf eine Gruppe von Physikern der Zwanzigerjahre, auf Wer-ner Heisenberg und Wolfgang Pauli. Beide waren für ihre Forschungen mit dem Nobelpreis ausgestattet worden. Und beide waren fast gleichzeitig auf die-ses Phänomen des sog. Unbewussten gestoßen, wie es ausgerechnet der Analytische Tiefenpsychologe C.G. Jung und dessen Mitarbeiter Erich Neumann erforscht hatten. Ich konnte noch nicht ahnen, dass die Beschäftigung mit den Hauptwerken dieser bei-den Forscher und Therapeuten all das, was mir bis-her vertraut war, auf den Kopf stellen würde. Und so tat ich recherchierend das, was mir vertraut war, – ich schrieb.

3Am Ende meines Schreibens würde ich in zwei Bü-chern die Kontakte der beiden Quantenphysiker mit den beiden Analytischen Tiefen- psychologen auf-

gearbeitet haben. Und ich würde herausgefunden haben, was den Konsens von moderner Physik und Psychoanalyse ausmachen würde.

Zwei Bücher waren es, die mich in den nächsten anderthalb Jahren so beschäftigten, dass ich an die Grenzen all meiner Kapazitäten kam: In dem ersten Buch „Drei auf einer Bank. Ein Neurologe, ein Kunst-und ein Quantentheoretiker im Gespräch über Funk-tion und Wirkung der Bilder und über ein Fach, das Neuro-Ästhetik heißt“ (2019) lernte ich die andere Seite dessen kennen, was ich in der theoretischen und klinischen Psychologie von der ‚Gestalt‘ und in meiner praktisch ambulatorischen, fast 30-jährigen Arbeit mit behinderten Menschen erfahren hatte. Ich erfuhr, dass ich trotz siebenjähriger Psychoana-lyse fast durchweg die Aspekte des sog. Unbewuss-ten ausgeklammert hatte. Etwas beschämt über diese Erkenntnis und darüber, dass ausgerechnet empirisch orientierte Naturwissenschaftler mich darauf hinweisen mussten, stellte ich alles, was ich bis jetzt geschrieben hatte, auf den Prüfstand. Das Buch „Drei auf einer Bank“ zeugt davon.

Ich lernte, dass die Sinneinheiten unserer Wahr-nehmung nicht nur aus Sehen-Hören-Tasten-Körpe-rempfinden-Bewegen bestehen, dass wir sie ggfs. neuronal nur synchronisieren müssen, um Gestal-ten zu erleben; ich lernte, dass alles, was uns in die-sem Augenblick bewusst wird, vordem unbewusst war. Und ich begann, all das, was ich mir angeeig-net hatte in meinem bisherigen Leben, noch einmal unter diesem Aspekt durch zu deklinieren – die Sin-nesphysiologie, die Neuropsychologie, die Gestalt-theorie, die Kunstpsychologie und Ästhetik, schließ-lich die Erkenntnistheorie des Systemischen und des Konstruktivismus. Immer hatte ich ein Bild vor Au-gen – jenes Bild, das der Psychotherapeut Jacques Lacan mir mit dem „Kreisen um die leere Spur“ ver-mittelt hatte. Dieses Bild sagt uns, dass ,ES‘, das gro-ße Unbekannte, sich uns schon vor-stellt, wenn wir darauf warten. Und tatsächlich, in der Recherche an diesem Buch lernte ich, was die Quantenphysiker uns sagen wollen: dass es sehr kleine Informations-

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einheiten gibt, die wir gewohnt sind mit dem Wort ,Elementarteilchen‘ zu benennen, deren Bezeich-nung ,Quanten‘ wir gewöhnlich nicht gebrauchen. Dabei sind es eben diese Teilchen, die als und in Form von Wellenstrukturen (Licht, Schall, Wärme, Laser, Strahlen) so klein sind, dass wir sie schon lan-ge nicht mehr bemerken.

Wenn mir, dem hier Schreibenden, jemand gesagt hätt e, dass alle unsere Wahrnehmungs-, speziell Bildgestalten von diesen Teilchen und Wellen ge-formt werden, hätt e ich kaum darüber nachge-dacht. Aber auf einmal erlebe ich die ganze Welt um mich herum von diesen Wellenstrukturen gestaltet, die Wälder und Wiesen, wenn ich aus dem Fenster schaue, die Eichhörnchen und Bundspechte, denen ich unter den Gauben dieser Fenster Futt er hin lege, die mich nicht nur zum Fressen besuchen, sondern sich angewöhnt haben, mich in diesem Vorgang so lange anzuschauen, bis ich ihnen zu nicke. Und dann lese ich, wie die Blätt er der Bäume dahinten am Waldesrand sich erst über die Lichtenergie der Elementarteilchen per Fotosynthese reproduzieren; und dann lese ich, wie das Rotkehlchen, das mich jeden Tag besucht, seinen Orienti erungssinn über die energeti sch geladenen quanti schen Informati o-nen seines Auges (Netzhaut) ausrichtet; und dann lese ich, wie selbst die Chromosomen meiner Zellen so etwas wie halbleiter-analoge Quantenpunkte be-sitzen, dieseswegs meine Zellen beeinfl ussen. Und während ich alles, was ich darüber recherchieren konnte, niederschrieb, entdeckte ich, dass die inne-ren Bilder, die wir uns machen, wenn wir mit unse-ren Pati enten zusammensitzen, einen langen Weg zurücklegen, bis sie bewusst werden. Und dann wurde es immer wichti ger für mich zu erfahren, was vor diesem Bewusst- Werden liegt, was das Vor- und Unbewusste ist. Darüber schrieb ich mein nächstes Buch, eigentlich nicht mehr als das Dokument mei-ner Recherche.

In dem zweiten der Bücher, von denen ich sprach, griff ich dieses Thema auf. �Das Vor-und Unbe-wusste. Im Zentrum der inneren Bilder� (2019). Ich

tat das, was ich schon immer hatt e tun wollen: ich versetzte mich mitt en in den heft igen, bis heute andauernden Diskurs, der psychoanalyti sche und analyti sch-ti efenpsychologische Theoriebildung seit ihrem Beginn in Atem hält. Mir war aufgefallen, wel-che Schwierigkeiten Sigmund Freud damit hat, die Bilder seiner Pati enten in Worte zu übersetzen. Und natürlich stellte sich mir die Frage, ob es wirklich ei-nes weiteren Ausdrucksmitt els bedürfe, um Bilder, besonders Traumbilder von Pati enten zu verstehen? Warum war es ihm nicht möglich, die Bilder in ihrer Anordnung so stehen zu lassen, wie sie sich darbie-ten? Selber nach einer Antwort suchend, las ich ei-nen Satz des Quantenphysikers Werner Heisenberg, dass das Unbewusste sich immer in einer Ordnung, er sagt: Anordnung seiner Elemente zeige, - die, wie wir als Träumer alle wissen, alle einen Wandel, eine Transformati on durchmachen können. Und nach ei-ner kurzen Recherche las ich bei dem Entwicklungs-psychologen Jean Piaget, dass schon Kinder von 4-6 Jahren spielerisch lernen, wenn sie zum Beispiel mit ihren vielen Bauklötzchen spielen, Wahrnehmungs-muster zu verändern, zu transformieren.

Als ich anschließend las, dass Carl Gustav Jung ihm zusti mme, dass die Muster unserer Wahrnehmung von Elementen gebildet werden, die zum Teil von weit her kommen, heißt: die bis zu ihrem bewusst- Werden eine lange Vorgeschichte haben und ggfs. im Traum neu zusammengesetzt werden; als ich las, dass diese Art von inner- bildhaft er, -vorstellungs-haft er Transformati on nicht nur psychisch, sondern auch neurophysisch, genauer: physikalisch erklär-bar sei, und ich darüberhinaus las, wie C.G. Jung darin mit Werner Heisenberg und seinem Freund Wolfgang Pauli übereinsti mmte, war ich mehr als überrascht.

Ich hatt e endlich Hinweise darauf gefunden, wie das Unbewusste nicht nur etwas Nebulöses, geis-ti g schwer Fassbares sei, sondern dass der Grund-satz der modernen Physik, dass das Unbewusste als bedeutungsgeladene Informati on durchaus phy-sikalisch erklärbar sei, dass das Unbewusste eine

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völlig neue Sicht auf unsere nicht nur körperliche, sondern wesentlich geistige Verfassung zu eröffnen vermochte.

Und dann las ich es, was Erich Neumann, der Jungi-aner, dazu sagt: Wie er den Physiker Werner Heisen-berg von den Urformen, den Urbildern, den Grund-mustern der Erfahrung reden hört und es spürt, was damit gemeint ist, - es ist das, was nicht rational fassbar ist, was nur irrational, dennoch rhythmisch-gestalthaft wie melodisch geordnet erfahrbar ist, was in Mythen, Archetypen, Symbolen und musi-kalischer Setzung ahnbar ist: Er weiss es aus seiner Feld-Arbeit, aus der Ethnologie: dass Ausdrucks- und Erzählformen nicht bloße Erfindungen sind, nicht phantasievolle Narrative, sondern dass sie an Bewusstseinsformen anknüpfen, die kulturpsy-chologisch bei vielen indigenen Völkern zwar noch gepflegt, aber uns fremd geworden sind, – dass sie dennoch tief in uns verwurzelt sind.

Und ich las, wie Jolande Jacobi, Lehranalysandin und Mitarbeiterin C.G. Jungs in ihrem Buch „Psy-chologische Betrachtungen“ (1945) diese von weit herkommenden Erzählformen, die auch uns geprägt haben, ‚Archetypen‘ genannt hat und von ihr wie folgt beschrieben werden: „Archetypen sind wie Flussbetten, die das Wasser verlassen hat, die es aber nach unbestimmt langer Zeit wieder auffinden kann. Ein Archetypus ist etwas wie ein alter Strom-lauf, in welchem die Wasser des Lebens lange flos-sen und sich tief eingegraben haben. Und je länger sie diese Richtung behielten, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie früher oder später wieder dorthin zurückkehren.“6

Carl-Gustav Jungs Erklärung, der diese alten Wahr-nehmungs- und Erfahrungsformen als ‚apriorisch- und formal-apperzeptiv‘-bedingt, schließlich wie ein „formal unbestimmbares Gebilde“ sieht, dem jedoch „die Möglichkeit zukomme, vermöge der Projektion in bestimmten Formen zu erscheinen“, -

6 Jung, zit. in: Jacobi 1957, 37; 52; 56.

diese Erklärung war für mich so lange allzu theore-tisch, bis ich bei ihm und seinem Freund Erich Neu-mann las, dass beide in den Archetypen „pattern of behaviour“6 sahen, Muster, die unser Erkennen, Wahrnehmen und Fühlen, wie Jolande Jacobi sagt, immer wieder heimsuchen.

Im Verlaufe des Schreibens an diesem Buch über „Das Vor- und Unbewusste“ hatte ich also erfahren, dass es, wie C.G. Jung sagt, unbewusste Vorstellun-gen gibt, die im Laufe der Jahrtausende bis in unsere Jetztzeit einen Wandel durchlaufen, bewusst wer-den und uns auf deren vormaliges Unbewusstsein immer dann hinweisen, wenn wir ihren background aktiv-imaginativ oder professionell- analytisch zu erforschen versuchen. Der Hinweis der modernen Physik, dass dieser background in uns chromosomal oder neuronal nachweisbar sei, war verlockend ge-nug, um in eine Recherche darüber einzutreten.

Ich schrieb in meinem Buch ein großes Kapitel, in dem ich zunächst knapp und verständlich die Quan-tentheorie zusammenzufassen versuchte: „Von der grundlegend physikalisch-informationellen Bedingt-heit der Welt auch des psychisch Unbewussten – Anmerkungen der Quantentheorie im Konsens mit der Jungianischen Theorie“. Ein Abschnitt in die-sem großen Kapitel hieß: „Das Unbewusste – Was die Seele unbewusst schon immer besessen hat“. Ich merkte zu meinem eigenen Erstaunen, dass ich mich dem beiderseitigen Konsens von Jungianischer Tiefenanalyse und Physik anschloss.

4Nach Abschluss meines Buches über das Vor-und Unbewusste kam nur eines infrage, darüber nach-zudenken, welchen Bewusstseinsformen wir an-hängen; zu recherchieren, auf welchen Bewusst-seinsebenen wir uns fühlen und verhalten. Wenn ich vordem gelernt hatte, tiefenanalytische Psy-chologen und Physiker daraufhin zu befragen, wie Elementarteilchen sich mit mentalen Bedeutungen

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liieren, so dass diese komplex erfahrbar werden, lernte ich nun, ti efenanalyti sche Psychologen und Ethnologen daraufh in zu befragen, wo die verschie-denen Bewusstseinsformen, die wir pfl egen, kul-turhistorisch und individualpsychologisch zu veror-ten sind. Die Psychoethnologie erwies sich als das Fach, in dem diese Fragen gestellt und beantwortet werden. Ich erfuhr, dass ich unterscheiden müsse, - zwischen animisti schen, mythischen, religiösen, träumerischen, hierbei durchgehend symbolischen Bewusstseinsformen, die durchaus refl exiv-wissen-schaft lich erarbeitet werden könnten. Ich schrieb „Die Archäologie der Kunstt herapie. Modelle der psychischen Rekonstrukti on in der bildnerischen Ar-beit mit Pati ent*Innen“ (2020)“, ein Buch, das noch im Druck ist.

Ich erfuhr von einer erstaunlichen Breite dessen, was wir gemeinhin ‚bewusst‘ nennen. Und erst auf diesem Wege erfuhr ich, wie Carl Gustav Jung und Erich Neumann darin Recht haben, das, was uns be-wusst wird, immer und jeweils auf seine Herkunft zu befragen. Ganz nebenbei nahm ich wahr, dass das Symbol sich als Bewusstseinsform von dem ab-grenzt, was nicht mehr unbewusst, aber auch noch nicht bewusst ist, es bezeichnet den Übergang zu dem, was wir als das Ich bezeichnen.7 Von Erich Neumann stammte dieser Satz, dass … im Symbol die Grundmerkmale der Ursprungssituati on des Un-bewussten wieder (kehren). Rati onale und irrati o-nale, bewusste und unbewusste, der Innen- und der Außenwelt entstammte Elemente fallen in ihm nicht nur zusammen, wie der Terminus Symbol besagt, sondern erscheinen in ihm auch in einer ursprüng-lichen und natürlichen Einheit“ 8, - sagte er, der Eth-nologe und Anthropologe, der wie kaum ein anderer für den Nachvollzug, die Wissenschaft lichkeit dieser Aussage zu garanti eren schien. Mir war klar, dass er mit einer solchen Aussage alle meine bisherigen Anschauungen über den Haufen werfen würde.

7 Neumann 1985, 30.8 Neumann 1985, 30 f.

Und ergänzend, eher Resümee ziehend wiederum Neumann: „Die symbolische Bildrepräsentati on durch das Unbewusste ist der schöpferische Quell des symbolischen Geistes in allen seinen Verwirkli-chungen. Nicht nur das Bewusstsein und die Begriff e entstammen dem Symbol, sondern ebenso Religion, Ritus und Kult, Kunst und Brauchtum. Durch das Symbol erhebt sich die Menschheit aus der Früh-phase der Gestaltlosigkeit, mit der Bildlichkeit und Blindheit einer nur unbewussten Psyche, zur Phase der Gestaltung, deren Bildhaft igkeit eine wesentli-che Voraus-setzung für die Entstehung und Entwick-lung des Bewusstseins ist.“ 9 Der Psychoanalyti ker, Ethnologe und Forscher ließ mich diesen Dreier-schritt tun, vom Unbewussten, seiner alle Elemente des Symbolischen noch umgreifenden Form, einer ursprungssituati v noch nicht gewahr werdenden, aber nunmehr erscheinenden Gestaltung, eben: zu deren symbolischen Bildrepräsentati on, in der das Symbol die Voraussetzung für das bietet, was wir das ‚Bewusstsein‘ nennen.

Erich Neumann lehrte mich in den vergangenen Monaten, dass das archetypische Symbolbild hier-nach von den Anfängen her dazu dienen kann, nicht nur den die Welt auf irrati onale, rituelle, auf animisti sche, auf mythische oder religiöse Weise apperzipierenden Frühmenschen zu verstehen; es dient dazu, im Symbol die Grundmerkmale der Ur-sprungssituati on des Unbewussten in seiner Einheit zu begreifen, - und dem dient es noch bis in unsere Tage, falls wir gewillt sind, in archäologisch-ethnolo-gischer Manier seinen Bild-Hinweisen zu folgen.

Ich begriff , und ich befi nde mich noch in diesem Vorgang, dass ich Symbole nicht mehr wie Zeichen lesen darf, dass ich den Umfang dessen, was mir Pa-ti enten in ihren Symbolen präsenti eren, nur bedingt erfassen kann – und mich in Zukunft anhalten wer-de, nicht zu schnell die Deutungsbreite der Bilder begreifen zu wollen. Werner Heisenberg vermochte diese Einsicht aus der ganz anderen Sicht des Phy-

9 Heisenberg 2017, 97.

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sikers zu bestätigen: Es ist „mehr ein künstlerisches Schauen, ein halbbewusstes Ahnen als ein verstan-desmäßiges Erkennen“, - so W. Heisenberg.10

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Peter Rech, wie wir ihn kennen, in all seiner Off en-heit aber auch Ver-schlossenheit, wenn es um allzu Privates ging, – er ist gestorben. Auch wenn er nicht mehr wie gewohnt unter uns weilt, - in einem ca. 6 Wochen zurück-liegenden Frühstücksgespräch wa-ren wir beide fest davon überzeugt, dass wir in einer anderen als in der gewohnten Form nach unserem Tod weiterleben würden.

Peter Rech war ein liebenswürdiger und fürsorglicher Mensch, aber auch ein sti ller, zurückgezogener. Peter, zwischen ausein-anderliegenden, extremen Hinsichten, die er pfl egte, die er gleichzeiti g zusammen zu bringen suchte: hier männlich, da weiblich, – Positi onierungen, an denen er ständig arbeitete, und die er aufzulösen und in Bü-chern und Arti keln zu erarbeiten versuchte. So auch seine Schreibweise: Oben-Unten-Mitt e, - eines scheint von vornherein klar zu sein, wo die Phrase, wo die Paraphrase hingehört. Und dann setzt er das Gehör-te, dass Erfahrene ein, - oben, unten oder mitti g. Er bringt es zusammen, er bringt es auf den Punkt in einer minuti ösen und fast skrupulösen Art. Für die einen, die dieses lesen, fast unlesbar, weil sie den Weg zu gehen, den er vorgibt, nicht willens sind zu gehen. Für die Anderen, die wie er nach den Treff - und Schnitt punkten des Lebens suchen, hoch erkenntnisbringend. Die ex-tremen Formulierungen, die ihn selbst überraschten, suchten die Schnitt -stelle, den Punkt, wo es etwas Neues zu entde-cken gibt. Für diese Art des schreibenden Erkundens erhielt er in Berlin den Poetrie-Preis (Tom Toys). Aber, um das noch ein-mal zu betonen, Peter war eher jemand,

Im Memoriam PETER RECH 1943-2019 († 5.12. 2019)

Karl-Heinz Menzen

der die erfahrenen Dinge des Lebens um- und neu zu platzieren wusste, der sie aber nicht poeti sch erfand. Erstaunlich, wenn er wie in den Bildern Paul Klees, in der dieser seine scheinbar willkürlich auseinander geschnitt enen und wieder zusammen-gesetzten Bild-Szenen, d.h. alles was er gesehen hatt e, genau nach diesem Verfahren, wie von anderer Hand gelenkt, neu collagierte.

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Der Künstler Peter Rech, ja auch den gab es natür-lich, ja, diese seine Seite ist hier in gleicher Weise und fast in der Folge Paul Klees hervorzuheben: Wenn Peter, über seine riesigen Leinwänden ge-beugt, stehend malte, dann ergab es sich, dann flossen die Linien zu Figuren zusammen. Dann entstand Leben auf der Leinwand, wie sie vordem nicht konzipiert war. Da war Liebe zum Menschen zu spüren, - wenn man vor ihnen stand, da in sei-ner kleinen Kapelle, die er vom Kölner Erzbistum übernommen hatte.

Peter Rech war als Schüler von Josef Beuys – ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich dies sage: diesem ähnlich in dessen Art, die Dinge des Le-bens in ihren Widersprüchen und Zusammenhän-gen zu sehen und darauf zu warten, dass sie mitei-nander in Beziehung traten. Es klingt nur auf den ersten Blick etwas un-angemessen: Dieses in sich gekehrte „JA,JA,JA - NÄ,NÄ,NÄ“ von Josef Beuys spiegelt eine stetig reflektierende Wartestellung, die auch Peter an sich hatte. Und in dieser Warte-stellung habe ich ihn oft vor Augen gehabt, - dies wenn er malte, dies wenn er kunst- und erzie-hungswissenschaftliche Texte verfasste. Als Laca-nianischer Psychotherapeut, der er war, wusste er, dass eine Regel Lacans unumstösslich ist - um die leere Spur des Gesagten und Geschriebenen zu kreisen, bis sich die Gestalt ergibt. Peter hat tatsächlich das gelebt, wovon er überzeugt war. Wenn dies nicht immer so positioniert zum Aus-druck kam, dann hing dies mit dieser In-Warte-Stellung zusammen. Und das hat die Einen ange-zogen, hat aber auch Andere eher verständnislos gemacht, weil sie auf das Statement warteten. Die Letzteren haben dann gesagt: ‚Den versteht niemand, wie der seine Sätze zusammensetzt, schreibt und kompiliert; was er eigentlich meint‘ Die Anderen wussten, welche Schätze er mit sich herumtrug. Selbst ein Kardinal Meissner, den er alljährlich zur Fastnacht traf, wusste dies wohl und begegnete ihm sehr freundschaftlich, ihn an-lässlich des ‚Karnevalls der Künstler‘ sehend und lachend rüberrufend: „Tach, Herr Räch!“.

Das machte wohl auch seine Beliebtheit bei den Studenten aus: Peter war bereit, alles infrage zu stellen. In der Kunst-Therapie-Ausbildung die Phasen des eigenen Lebens in Mandalas malen zu lassen - und in der nachfolgenden Stille, d.h. für ihn: im Warten auf die sich einstellende Erkennt-nis fast bis zur Unerträglichkeit zu verharren.

Als wir im November 1984 in dem gestaltthera-peutischen Institut Hilarion Petzolds in Beversee mit sieben Kollegen/-innen zusammensassen und die Deutsche Gesellschaft für Kunsttherapie DGKT e.V. gründeten – ein Vorhaben, das ganz wesent-lich auf ihn und eine sich um ihn scharende Kölner Gruppe von Studierenden zurückging, - als wir zu-sammensassen und um den geschichts-trächtigen Augenblick dessen, was wir da taten, kaum wuss-ten, war er eine wesentlich treibende Kraft. Eine Kraft, die mit bildnerischen Mitteln das festhalten wollte, was mit wissenschaftlichem Blick kaum zusammenfassbar war; und dennoch: Da war ein Peter Rech, der uns mit seinen erziehungs-, kunst- und psychologiewissenschaftlichen Kennt-nissen half, das was im Augenblick kaum sichtbar war, sichtbar werden zu lassen; was ohne die the-rapiegeschichtlichen Verweise auf das in Kunst, Psychologie und Erziehung hineinreichende und erst zu erfahrene Unbewusste kaum begreifbar war. Fortan war er in der jetzt zunächst angedach-ten, schliesslich gegründeten Zeitschrift „Kunst & Therapie“ von Claus Richter zu vernehmen. Und wieder waren da jene erwähnten Schätze, die er mit sich herumtrug – und die in vielen Veröffent-lichungen nachzulesen waren.

Eine dieser seiner inneren Kräfte, die ihn beweg-ten, war seine Nähe zur Natur.

Wenn Peter uns im Schwarzwald besuchte, war man auf einmal verwundert, wenn er einen un-serer grossen und ehrwürdigen Eschen-Bäume umarmte oder wenn die sonst scheue Katze ihn sofort begrüsste und nicht mehr von ihm weg wollte. Diese Nähe zur Natur, von manchem Be-

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obachter als eher sonderlich wahrgenommen, war Teil seiner alle Lebewesen umfassenden Spi-ritualität, einer Achtung vor der Natur, die man nicht erwähnen müsste, wenn sie nicht so ausser-gewöhnlich wie bei ihm gewesen wäre.

Da war aber auch und immer wieder jener rati-onale und auf Wissen-schaftlichkeit bedachte Peter Rech, der die Dinge des Lebens bis auf die Spitze treiben konnte, um sie dann noch lange in der Schwebe zu halten. Denn eines traf mit Si-cherheit auf seine Person zu: Entscheidung oder Positionierung war eigentlich für Peter etwas, das er lange hinaus schob, wie seine Texte, an denen er schrieb. Da war er fast schon katholisch-skru-pulös in seiner Genauigkeit, bis er an eben jenen Schnittstellen des Gesagten war, die Neues ver-hießen. Aber da war auch etwas, das unverbrüch-lich und nicht hinterfragt ihn ausmachte – seine Spiritualität, und damit der Auftrag an ihn, den Ausbildenden.

Ich vergesse nie, wie wir die Wiener Stephans-kirche betreten, Peter mit beiden Knien auf der Erde und den Kopf tief verneigend. Ich habe we-nig Menschen erlebt, die ihre tiefste Spirituali-tät so spontan auszudrücken vermochten. Hier war wieder ein Moment, der seine Studierenden so anzog; da war ein Moment, in dem ein tiefes Wissen die Schwere der Erkenntnis aufhob. Jene Szene im Zug, als wir in Richtung einer Tagung wa-ren, kann durchaus neben der gerade beschrie-benen in eben der oben geschilderten Ambigu-ität stehen: Wir sitzen, um das Wesentliche der Kunsttherapie ringend, im Nichtraucherabteil; ich gehe, mich erholend, eine Weile in den Gang nach draußen, komme zurück, - und da sitzt Peter, mit der schönsten aller schönen Mädchen paffend, so dass man die Beiden kaum noch sieht, die mich grinsend anschauen und fragen: ‚Na, is watt?‘ …

Nur ein paar Wochen ist es her: Peter und ich re-den bei unserem letzten Frühstück, als ich ihn be-suche, über den Anfang der Welt, über den Quan-

tenstaub, der noch in uns allen steckt. Und wir schauen hinaus in seinen kleinen Garten, in den die Vögel, die er liebte, hinein und hinaus fliegen. Und wir reden am Ende unseres Treffens darü-ber, was Teilhard de Chardin so ungefähr gesagt hat: ‚Der Mensch bestehe aus Sternenstaub, in dem der Kosmos begonnen habe, über sich selbst nachzudenken.‘

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Liebe Verbandsmitglieder,

mit großer Bestürzung geben wir davon Kunde, dass

Peter Rech

am 5. Dezember 2019 gestorben ist. Er hat die Kölner Schu-le gegründet, lange Jahre geleitet und maßgeblich geformt. Neben seiner Täti gkeit als Hochschullehrer, die auch immer mit kunstt herapeuti schen Themen verknüpft war, hat er zu diesem Thema in zahlreichen Veröff entlichungen und Auf-sätzen beigetragen, jeweils in unvergleichlicher Weise. Peter Rech war Mitbegründer der DGKT und ihr langjähriger Vor-sitzender; er war einer der wirkungsvollen Gestalter des Ver-bandes. Anfang der 80iger Jahre gründete er die Zeitschrift ‚Kunst & Therapie. Zeitschrift zu Fragen der ästheti schen Erziehung‘. Es war die erste deutschsprachige wissenschaft -liche Zeitschrift , die sich mit dem Wechselspiel zwischen Kunst und Therapie auseinandersetzte. Diese mündete im Jahr 2000 in der Zeitschrift ‚Kunst & Therapie. Zeitschrift für bildnerische Therapien‘, die vor allem das Praxisfeld be-leuchtet und zur Berufsfeldarbeit der Kunstt herapeut*Innen beträgt. Nicht nur als Lehrender und Literat, sondern auch in seiner freien künstlerischen Arbeit hat Peter Rech das Ansehen und den Stellenwert der Kunstt herapie gefördert. Seine Prägung der Kölner Schule für Kunstt herapie wirkt bis heute nach, und zwar sowohl zum Stellenwert des Bildes als Faktum, als Stoffl ichkeit und auch als dritt er Partner in der Therapie. Auch ein Geist der Vielfalt und Großzügigkeit be-sti mmen den Geist der Kölner Schule bis heute. Wir sind sehr traurig über seinen Tod.

Hiltrud Zierl, Rolf Schanko, Claus Richter

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Online Tagung: Rezepti ve Kunstt herapieDas kü nstlerische Bild im Leidenszusammenhang des Pati enten

16. – 17. Oktober 2020

Wissenschaft liche Leitung Univ.-Prof. Dr. Georg Franzen Univ.-Prof. Dr. Karl-Heinz Menzen

Anmeldung offi [email protected]

Im Fokus der kunstt herapeuti sch-klinischen Praxis und Forschung steht die Frage, wie das kü nstlerische Bild im Leidenszusammenhang des Pati enten wirkt.

Die Tagung lenkt den Blick aller beteiligten Interessierten, der Pati ent*innen, der bild- therapeuti sch Tä ti gen einschließlich der professionellen Rehabilitati onsbegleiter*innen auf den wesentlichen Akt der rehabilitati -ven Einfl ussnahme: Warum und wozu hat sich d* Therapeut*in fü r die Bild-Vorlage entschlossen; das Bild-Thema, das ausgestellte Bild-Exponat ausgewä hlt? Was hat ihn*sie dazu bewegt? Was war sein*ihr Moti v, zu dieser Bild-Interventi on zu greifen? Und was erfä hrt, erlebt er*sie im Verlauf dieses interventi onisti schen Aktes? Wie und warum reagiert d* Pati ent*in? Welche Zuschreibungs-, Identi fi kati onsprozesse werden in den Pati ent*innen angestoßen? Welche Ü bertragungs-/Gegenü bertragungsprozesse werden initi iert? Und welche Mö glichkeiten haben Bild-, Kunstt herapeut*innen, auf diese einzugehen?

Es geht allen Beteiligten darum, Bilder erlebnishaft zugä nglich zu machen und die Wahrnehmungsfä higkeit anzuregen. Im Vordergrund des kunstt herapeuti schen Vorgehens steht das, was Peter Rech (1994) mit dem Wort „ikonographisch“ bezeichnete, womit er auszudrü cken suchte, dass dem kü nstlerischen Werk und des-sen symbolischen Bildinhalt eine eigenstä ndige therapeuti sche Ressource zukomme. Er wies uns darauf hin, dass dieser Heilkrä ft e eigen sind, dass aus dieser homö opathische Wirkkrä ft e erwachsen kö nnen, die einen heilenden Prozess einleiten kö nnen. Die Erfahrung der letzten 35 Jahre in diesem Fach zeigt, wie in der Ar-beit mit den kü nstlerischen Produkten eine Form der indirekten Kommunikati on angeregt wird, in der ü ber den emoti onal hoch besetzten bildnerisch-symbolischen Ausdruck in der Auseinandersetzung nicht nur eine Verä nderung auf der Symbol- sondern auch auf der Gefü hlsebene stattf indet. Was sich psychisch-energe-ti sch in diesem kunstt herapeuti schen Rezepti onsvorgang vollzieht, lä sst im Endeff ekt bewusst werden, was ansonsten unbewusst und dem therapeuti schen Vorgang nicht verfü gbar bliebe.

Die prakti sch-kunstt herapeuti sch arbeitenden Expert*innen werden in der Tagung anhand der Pati ent*innen-Bilder in die initi ierten Bildprozesse einfü hren. Werden zeigen, wie und an welchen Stellen in diesen Bild-Verarbeitungsverlä ufen die ü blichen Algorithmen der Wahrnehmung außer Kraft gesetzt oder aber umgeleitet werden. Und diese Experten werden kommenti erend sowohl neurologische Einfü hrungen in den wahrneh-menden und bearbeitenden Bild-Entstehungsprozess geben, um das Verstä ndnis fü r die Bild-In-Blick-Nahme der Pati ent*innen zu schä rfen; werden aber auch kunsthistorisch-analyti sche Ü berblicke vorstellen, die den ‚hand-werklichen‘ Umgang mit den Bildern kommunizieren helfen; und schließlich Bild-Interventi onen anhand von Beispielen geben.

31 DGKT - JOURNAL 01.2020

VERANSTALTUNGEN

Die Tagung richtet sich an die Patient*innen, Therapeut*innen und klinische wie inklusionäre Begleiter*innen in diesen Prozessen.

Direkt im Anschluss an die Tagung:

DGKT Mitgliederversammlung 2020

17. Oktober 2020 um 18 Uhr (per Zoom)

Zugangsdaten, Einladung und Tagesordnung kommen separat per Email/Post.

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Tagung der DGKT in Kooperation mit der SFU Wien 2021

Die Psyche als Ort der Gestaltung – Wenn Bilder zu Bewusstsein kommen

11. – 12. Juni 2021 an der SFU-Wien

Tagungsleitung Univ.-Prof. Dr. Karl-Heinz Menzen Univ.-Prof. Dr. Georg Franzen

Anmeldung [email protected]

Das Tagungsthema wurde abgleitet von einem Begriff des bekannten Psychoanalytikers Erich Neumann (1905-1960), der seine Ausbildung bei C.G. Jung erhielt. Die Psyche erfasst im Sinne der Analytischen Psy-chologie nach Erich Neumann die innere ebenso wie die sogenannte äußere Welt in Bildern: „Dieses Phä-nomen enthält bereits ein grundlegendes Gestaltungs-moment. Jeder Archetyp, jedes Symbol, ist als Bild Gewordenes bereits psychische Gestaltung, ein Sichtbemächtigen der Welt durch die gestaltende Psyche.“ Der Psychoanalytiker und Ethnologe Erich Neumann sagt es: „Die symbolische Bildrepräsentation durch das Unbewusste ist der schöpferische Quell des symbolischen Geistes in allen seinen Verwirklichungen. Nicht nur das Bewusstsein und die Begriffe … entstammen dem Symbol, sondern ebenso Religion, Ritus und Kult, Kunst und Brauchtum. … Durch das Symbol erhebt sich die Menschheit aus der Frühphase der Gestaltlo-sigkeit, mit der Bildlichkeit und Blindheit einer nur unbewussten Psyche, zur Phase der Gestaltung, deren Bildhaftigkeit eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung des Bewusstseins ist.“

In Vorträgen und Workshops wird die Arbeit mit Bildern und Symbolen, sowie Begrifflichkeiten von ,Psychi-scher Gestaltung‘ und ,Kreativität‘ in den unterschiedlichen kunsttherapeutischen Ansätzen erörtert und dargestellt.

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Zur Psychodynamik kreativen Gestaltens Künstlerische Therapien in klinischen und psychosozialenArbeitsfeldern

Kultur - Kunst - Therapie Band 4

von Georg Franzen / Ruth Hampe / Monika Wigger (Hrsg.)erschienen im Karl Alber Verlag

376 Seiten, Hardcover, 29,- €ISBN 978-3-495-49137-9

Die Archäologie der Kunsttherapie Modelle der psychischen Rekonstrukti on in der bildnerischen Arbeit mit Pati ent*innen

von Karl-Heinz Menzen erschienen im Pabst-Verlag

195 Seiten, Soft cover, 20,- €ISBN 978-3-95853-628-9

auch als e-book erhältlich, für 10,- €ISBN 978-3-95853-629-6

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NEUERSCHEINUNGEN

Zeitschrift „Musik-, Tanz- & Kunsttherapie“ erscheint zweimal jährlich mit je 120 DIN A4-Seiten.

Inhalte und Zusammenfassungen sehen Sie aufwww.psychologie-aktuell.com/mtk.

Der Pabst-Verlag bietet den Mitgliedern der DGKT Abo-Sonderkonditi onen. Das normale Privatabonnement der gedruckten Ausgabe beträgt 80,- € p.a.. Mitglieder der DGKT erhalten 50% Rabatt , bei einem online-Abonnement beträgt der Jahrespreis 20,- €.

TIPP: Wer ab 2020 abonniert, erhält den Jahrgang 2019 un-entgeltlich online. Eine Kündigung des Abos ist jederzeit zum Jahresende möglich.

Kontakt: [email protected]

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Upgrading zum Master of Arts in Kunstt herapie

Der dreisemestrige berufsbegleitende Lehrgang mit dem Ziel: Upgrading zum Masterabschluss/Master of Arts, richtet sich an alle ferti g ausgebildeten Kunstt herapeut*innen sowie approbierte Ärzt*innen, Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychothera-

peut* innen, die sich im Bereich der künstlerischen Therapien weiterqualifi zieren möchten.

„Upgrade zum Master of Arts in Kunstt herapie | SFU Berlin“

www.ptw.sfu-berlin.de/de/studienangebot-psychotherapiewissenschaft /universitaetslehrgaenge-ptw/universitaetslehrgang-kunstt herapie/angebot-upgrading-zum-m-a/

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Impressum DGKT-Journal

ISSN 2510-3539

Herausgeber DGKT - Deutsche Gesellschaft für Künstlerische Therapieformen e. V.

1. Vorsitzender Univ.-Prof. Dr. Georg Franzen

2. Vorsitzender Univ.-Prof. Dr. Karl-Heinz Menzen

Geschäft sstelle Röpkestraße 16, D-42115 Wuppertal

Tel.: 0202 2988960 Fax: 0202 2988962 [email protected]

Gestaltung Anika Vogel, www.vogel-layout.de

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ISSN 2510-3539