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Kultur veranstaltungen aus Mittel- und Ost Europa in Berlin-Brandenburg www.moe-kultur.de AUSGABE 85 EIN PROJEKT VON JOE - PLATTFORM BERLIN E.V. DEZ 2012 / JAN 2013 REDAKTIONSSCHLUSS 14-12-2012 • Termine • Partner • Impressum • Veranstaltungsadressen unter www.moe-kultur.de Unsere Partner: Wissenschaftlich relevante Veranstaltungshinweise finden Sie im Berlin-Brandenburger Forum Osteuropa http://www.gesis.org/Kooperation/Information/Osteuropa/newslist.htm DGO InformationsZentrum Sozialwissenschaften Abt. Informationstransfer Osteuropa Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. SÜDOSTEUROPA- GESELLSCHAFT e.V. Zweigstelle Berlin DGO 1 MOE- KULTUR. DE

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Kulturveranstaltungen aus Mittel- und Ost Europa in Berlin-Brandenburg

www.moe-kultur.de

AUSGABE 85

EIN PROJEKT VON JOE - PLATTFORM BERLIN E.V.

DEZ 2012 / JAN 2013REDAKTIONSSCHLUSS 14-12-2012

• Termine• Partner

• Impressum • Veranstaltungsadressen

unter www.moe-kultur.de

Unsere Partner: Wissenschaftlich relevante Veranstaltungshinweise finden Sie im Berlin-Brandenburger Forum Osteuropa http://www.gesis.org/Kooperation/Information/Osteuropa/newslist.htm

DGOInformationsZentrumSozialwissenschaftenAbt. Informationstransfer Osteuropa Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V.

SÜDOSTEUROPA-GESELLSCHAFT e.V.Zweigstelle Berlin

DGO

1

MOE- KULTUR. DE

Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag

DEZ-JAN 2012/13

SEITE 2MOE DEZ-JAN 2012/13

MOE- KULTUR. DE

IMPRESSUM

MOE - Kultur- Newsletterein Projekt der JOE-Plattform Berlin e.V.www.joe-plattform.de

REDAKTIONEwa Strózczynska-Wille (Gesamtredaktion)Angelika BucheltMichael KleineidamAgnieszka Mikolajewicz Iwona Uberman Natalie WassermanMario SchneiderSteffen Prieser (Layout)

Weitere Informationen:www.moe-kultur.de (auch Veranstaltungsadressen)[email protected]

INHALT

Kalendarium

>>Kulturkalender Dez-Jan 2012/13 (S. 4 - 8)Ausstellungen – Diskussionen – Film – Literatur – Performance – Musik – Tanz – Theater – Vortrag

>>Notabene>>

>> Aufgepasst!!! (S. 9 - 11)besondere Termine – Hintergrundinformationen

- RusImport – Aktuelle Kunst aus RusslandBericht: Ewa Strozczynska-Wille, Michael Kleineidam

- Weiterleben- Die Revolution, eine Glühbirne der Geschichte- Der Kranich fliegt- Zu weit gegangen (u.a.)

>> Reihe: Profile (S. 12 - 14)- Deutsch-Russisches Forum und Petersburger Dialog

Angelika Buchelt im Gespräch mit Martin Hoffmann

>> Nachtrag (S. 15 - 18)- Ein Gastauftritt in Antwerpen, die Sowjetzeit im Gepäck

Peter Krüger- Im Garten, wo der Zimt wächst

Michael Kleineidam- „Höre die Wahrheit, wer sie auch spricht“

Angelika Buchelt

>> MOE-aktuell (S. 18)- Mit Postkarten und Plätzchen gegen Rassismus

Oleksandra Bienert

>> Lesetipp (S. 18 – 19)- Oberschlesien – was ist das?

Michael Kleineidam

>> Besondere Orte – einzigartige Geschichten (S. 20 - 24)- Weihnachten mit Mohn und Pilzen

Malgorzata Bielinska- Wie ein Phönix aus der Asche

Michael Kleineidam- Bukarest – Architektur und Städtebau im 20. Jahrhundert

Arne Franke

>> Kurz notiert (S.24 - 25) - wichtige Hinweise - Termine - Ausschreibungen und einiges mehr

>> Unsere Partner:Osteuropa Zentrum Berlin Verlag (S. 18) Newsletter des Deutschen Kulturforums östliches Europa (S. 25)

Frohe Weihnachten und ein glückliches Jahr 2013wünscht Ihnen die Redaktion MOE-Kultur-Newsletter und JOE-Plattform Berlin

bis 15.12.

Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag

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SEITE 4MOE

Kunstbüro BerlinUhlandstr. 162

AusstellungPerspektiven Imre Kinszki und Martin ZellerBindeglied zwischen den Künstlern ist die Suche nach ungewohntenPerspektiven. Imre Kinszki (1901 – 1945) gilt als einer der ungarischenKünstler, die am konsequentesten die Neue Sachlichkeit vertraten. MartinZeller tauchte für Diagonal Mirror in die Stadt Hong Kong ein. Sowohl inChinas Malerei als auch in den Städten lässt das Fehlen von Horizont wieFluchtpunkt eine künstliche Räumlichkeit entstehen.

• H / CHN A

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bis 20.12.

Freies Museum Potsdamer Str. 91

Ausstellung „MoMA SPACE & Tate Modern Corner“Stano MasárDer postkonzeptuelle Künstler bringt Fragmente der höchst angesehenenInstitutionen der Welt – des Museums fur moderne Kunst in New York undTate Modern nach Berlin.

• SK A

bis 31.12.

RumänischesKulturinstitut BerlinKönigsallee 20 A

AusstellungRaul Cio - Ausstellung „La Mare/Am Meer“Bei diesem Ausnahmetalent vereint sich Intuition und Inspiration. Raul Cioist ein Visionär, bildender Kunstler, Choreograph und arbeitet mit denunterschiedlichsten Medien. Der Kunstler zeigt großformatigeGraphitzeichnungen auf handgeschöpften Buttenpapieren Die Sehnsuchteines Tropfens nach der Vereinigung mit dem Meer wird thematisiert.

• RUM A

bis 31.12.

Pigasus Polish PosterGalleryDanziger Str. 52

Ausstellung Roslaw SzayboPlakatkünstler, Illustrator, Fotograf. Sein Diplom erwarb er 1961 an derKunsthochschule in Warszawa bei den legendären Professoren HenrykTomaszewski (Plakat) und Wojciech Fangor (Malerei). Szaybo entwarf u.a. die Covers für die "kultige" Schallplattenreihe "PolishJazz". Er gilt als einer der Mitgründer der s.g. Polnischen Plakatschule. Seit1966 lebt und arbeitet Szaybo auch in London.

• PL A

bis 04.01.

TschechischesZentrumWilhelmstraße 44 Eingang Mohrenstraße

Ausstellung One after Another / Die Klugen glauben an DesignAbsolventen des Ateliers Design III an der Akademie für Kunst, Architekturund Design Prag stellen ihre Entwürfe im Tschechischen Zentrum Berlin vor.

• CZ A

bis 11.01.

Galerie desSlowakischenInstituts BerlinZimmerstr. 27

Ausstellung„Continuum“ Vincent Hložník, Ľubo Zelina, Zuzana HložníkováhDie Ausstellung gibt einen tieferen Einblick in das kreative Schaffen vondrei kunstlerisch, gestalterisch und nicht zuletzt auch verwandtschaftlichverbundenen bildenden Kunstlern.

• SK A

MOE- KULTUR. DE

Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag

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SEITE 5MOE DEZ-JAN 2012/13

MOE- KULTUR. DE

bis 12.01.

Galerie SandmanTaubenstr. 20 – 22Am Gendarmenmarkt

Ausstellung "Moskau-St. Petersburg-Berlin-St. Petersburg-Moskau -Junge Kunst"

• RUS A

bis 12.01.

ŻAK | BRANICKALindenstr. 35

Józef Robakowski - Der Linie nachŻAK | BRANICKA ist hocherfreut, eine Ausstellung des legendären Gründersder experimentellen Avantgarde-Filmkunst der sechziger und siebzigerJahre des 20. Jahrhunderts zu präsentieren: Józef Robakowski.Hauptthema der Ausstellung ist die Linie, eines der einfachsten und radi-kalsten Motive, das seit den siebziger Jahren wiederholt in das Schaffendes Künstlers zurückkehrt.

• PL A

bis 08.02.

Polnisches InstitutBerlinBurgstr. 27

AusstellungPaweł Książek - Skulptur-MalereiIn seinen Malereizyklen stellt Paweł Książek assoziative Bezüge her unddefiniert die künstlerischen Zwischenräume zwischen Malerei, Bildhauereiund Videoart neu. Er arbeitet mit Archiven, mit der Zeit und der Erinnerungund bezieht Bildhauerei mittels Film mit ein. In seinen neuesten Arbeitenspielt Paweł Książek mit Wahrnehmung und Malerei. Er fokussiert das Motivder Hände und symbolische Schöpfungsgesten.

• PL A

bis 20.01.

CollegiumHungaricum BerlinDorotheenstr. 12

AusstellungHotel Berlin von Krisztián BócsiStudio der Moholy-Nagy GalerieDie Fotoausstellung realisiert eine Idee des ehemaligen Kurators desMonats der Fotografie Berlin, Thomas Friedrich. Er wollte den BerlinerKessel der Kreativität in einer Ausstellung sichtbar machen. Dieser beson-dere Ort wird durch seine Bewohner bereichert, die wiederum durch dieStadt selbst zum Schaffen inspiriert werden. Krisztián Bócsi machtFriedrichs Idee anhand von Porträts von Musikern, Tänzern, BildendenKünstlern, Schauspielern, Architekten, Literaten und Wissenschaftler, aberauch Studenten sowie Szenefotos von Berlin sichtbar.

• H A

bis 27.01.

CollegiumHungaricum BerlinDorotheenstr. 12

AusstellungSchwindel der FreiheitMoholy-Nagy Galeriey Was bedeutet Freiheit für Künstler nach dem Kalten Krieg? In derPartnerausstellung des .CHB zur XXX. Europaratsausstellung VerführungFreiheit. Kunst in Europa seit 1945 im DHM wird die dunkle Seite derFreiheit beleuchtet. Künstler der Ausstellung: JAKUP FERRI (Kosovo/NL),RAPHAËL GRISEY (FR/D), ION GRIGORESCU (RO), JAROSLAV KYSA (SK),IMRE LEPSÉNYI (HU), SOCIÉTÉ RÉALISTE (HU/FR), TAMÁS ST.TURBA (HU),ULRICH VOGL (D).

• H A

Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag

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SEITE 6MOE

15.12. 19.00 Uhr

Russisches KulturhausFriedrichstrasse:176-180

Berliner Premiere des bulgarischen Spielfilms “Harte Opas“KomödiePremieren-Gast: Regisseur Ivaylo PenchevDarsteller: Vasil Banov, Ivan Samokovliev, Ivan Djambazov, NadyaKonakchieva, Ivanka ShekerovaRegie: Plamen Maslarov, Ivaylo Penchev

• BG F

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MOE- KULTUR. DE

15.12. 21.37 Uhr

Club der Polnischen VersagerAckerstrasse 168-170

"Adam Gusowski und Piotr Mordel Leutnant-Show" Satire des CPVDiesmal: "Polnische Weihnacht und der katholische Albtraum"

• PL P

17.12. 20.00 Uhr

Hackesche Höfe KinoRosenthaler Straße 40/41

filmPOLSKA reloadedSekret / Das GeheimnisPL 2012, OmdU, 82 min, R/B: Przemysław Wojcieszek, K: JakubKijowski, S: Daniel Zioła, M: Krzystof Prętkiewicz, D: TomaszTyndyk, Agnieszka Podsiadlik, Marek KępińskiDer 30-jährige Ksawery ist schwul und verdient sein Geld als Drag Queen.Zusammen mit seiner jüdischen Agentin macht er sich auf den Weg, seinenGroßvater zu besuchen. Bald wird die Liebe und der Respekt für diesenauf die Probe gestellt, als Jans dunkles Geheimnis aus der Zeit desHolocaust ans Licht kommt. War der Großvater Täter oder Opfer?

• PL F

19.12. 19.00 Uhr

BulgarischesKulturinstitutLeipziger Straße 114-115

Recital von Sonia Marinova (Sopran) & Rostislav Yovchev (Klavier)Im Programm: Arien, Lieder und Klavierstucke von italienischen, deut-schen und bulgarischen Komponisten.

• BG M

20.12. 20.00 Uhr

Konzerthaus BerlinGendarmenmarkt Großer Saal

Konzert

Philharmonisches Kammerorchester Berlin e.V. Staatskapelle Stettin Chor der Staatsoper Stettin Amos Talmon

Evelina Dobraceva Sopran, Vanessa Barkowski Alt, Andréas ConradTenor, Christian Oldenburg Bass, Andrej Baranov Violine

Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 mit Schlusschorüber Schillers Ode "An die Freude" Pjotr Tschaikowsky Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35

• MOE M

21.12. 22.00 Uhr

Radio: 96,3 / 103,3oder www.funkhauseuropa.de

Auf Polnisch:"Gaulojzes Golana" Satiresendung des Clubs der PolnischenVersager auf Funkhaus Europa im Polski Magazyn Radiowy

• PL L/P

Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag

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SEITE 7MOE DEZ-JAN 2012/13

MOE- KULTUR. DE

23.12. 20.00 Uhr

Konzerthaus BerlinGendarmenmarkt Großer Saal

Winter in St. Petersburg

Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg Juri Gilbo Leitung Michael Barenboim Violine Michail Glinka Ouvertüre zur Oper "Ruslan und Ludmila" Pjotr Tschaikowsky Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35;Melodienauswahl aus dem Ballett "Schwanensee" op. 20; Melodienauswahlaus dem Ballett "Der Nußknacker" op. 71; Polonaise aus der Oper "EugenOnegin" op. 24 Alexander Borodin "Polowetzer Tänze" aus der Oper "Fürst Igor"

• RUS M

29.12. 20.00 Uhr

Konzerthaus BerlinGendarmenmarkt Großer Saal

Tschechische Symphoniker Prag Prager Opernchor Petr Chromczák Monika Brychtová Sopran, Dita Steiskalová Alt, Michal Vojta Tenor,Jakub Tolas Bariton Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 mit Schlusschorüber Schillers Ode "An die Freude" Carl Orff "Carmina Burana" - Cantiones profanae für Soli, Chor undOrchester

• CZ M

06.01. 19.00 Uhr

Konzerthaus BerlinGendarmenmarkt Kleiner Saal

Weisen aus dem MorgenlandOrthodoxes WeihnachtskonzertJulia Novikova Sopran, Josef Drechny Bass, Maria Shalgina Violine, BeatriceNicholas KlavierLieder, Opernarien und Kantaten von Antonio Vivaldi, Wolfgang AmadeusMozart, Franz Schubert, Gioacchino Rossini, Giuseppe Verdi, ModestMussorgsky, Sergej Rachmaninow und anderen sowie Werke für Violinesolo von Johann Sebastian Bach, Niccolò Paganini und Sergej Prokofjew

• MOE M

10.01. 19.00 Uhr

SophiensäleSophienstraße 18 (Festsaal)

Im Rahmen der Tanztage 2013Marzena Krzemińska „5-7-5 HAIKU“Choreografie/Tanz/Performance: Marzena KrzemińskaKomponist: Patryk LichotaDieses Solo stellt sich die Frage: Wie können Form und Struktur dasPublikum emotional ansprechen? Marzena Krzemińska, absolvierte die SNDO (Amsterdam) und dieTheaterakademie in Warschau. Ein Schwerpunkt in Marzenas Arbeit ist einhohes Energieniveau. Spannung und Energieausbrüche sind wichtigeInstrumente für Bilder, Stereotypen und Klischées unsererVorstellungskraft.

• PL T

Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag

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SEITE 8MOE

31.01. 20.00 Uhr

Konzerthaus BerlinGendarmenmarkt Kleiner Saal

MusikLutosławski Quartett Aus Anlass des 100. Geburtstages von WitoldLutosławski

Jakub Jakowicz (g1), Marcin Markowicz (g2), Artur Rozmysłowicz(va), Maciej Młodawski (clo) Das Lutosławski Quartett spielt Musik des 20. und 21. Jahrhunderts undkonzentriert sich dabei überwiegend auf polnische Werke . Das Ensemblebesteht aus vielseitige und für variationsreiche Musikinspirationen bekannteKünstler, denen es gelingt Gegenwartsrepertoire mit Klassik-, Romantik-und Jazzkompositionen zu verbinden.Weitere Informationen: www.lutoslawskiquartet.com

• PL M

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MOE- KULTUR. DE

18. - 23.01.

Kino AcudAlternativer KunstvereinACUD e.V.Veteranenstraße 21

Czech On Tour

Filmreihe mit einer Auswahl von neun tschechischen Filmem mit deutschenUntertiteln in mehr als funfzehn deutschen Kinos. Gezeigt werden Spiel-und Dokumentarfilme, sowie Filme, die bereits vom internationalenFestivalpublikum „abgesegnet“ wurden (Občan Havel/Burger Havel, Přílišmladá noc/Neujahrsnacht), aber auch Filme, die dem breiten deutschenPublikum auf diesem Weg erstmals vorgestellt werden (Občanskýprůkaz/Der Personalausweis), einen Schwarz- Weiß-Film (...a budehůř/...und es kommt noch schlimmer), minimalistisch erzahlte Filme(Osmdesát dopisů/80 Briefe), aber auch epische Historienfilme (Lidice),Werke erfahrener Regisseure wie Petr Nikolaev, Helena Trestikova undDavid Ondricek genauso wie Debutfilme der jungen Regisseure OlmoOmerzu und Vaclav Kadrnka.

Weitere Informationen:http://berlin.czechcentres.cz/programm/reisen/czech-on-tour/

• CZ F

Aufgepasst!!!

bis 20.01.LABOR BerlinEine Plattform für internationale Künstler, die Berlin als tem-poräre kreative und experimentelle Basis wählen.Drifting ist eine Hommage an die Vielfalt der zeitgenössi-schen Bildenden Künstlergemeinschaft. Zehn Kuratoren prä-sentieren eine Gruppenschau mit 39 künstlerischenPositionen aus 27 Ländern. Darunter Arbeiten von: RadekDabrowski (*PL) - Anastasia Khoroshilova (*RU) - KristinaLeko (*HR) - Sladjan Nedeljkovic (*YU) - Tímea AnitaOravecz (*HU) - Tanja Ostoji (*YU)Ort: Haus der Kulturen der WeltInformationen/ weitere Künstler: www.hkw.de

04. - 14.01. TanzTanztage Berlinpräsentieren (u.a.) das Austauschprogramm mit StaryBrowar NowyTaniec aus Poznan mit Arbeiten junger polni-scher Choreographen: Marzena Krzeminska - MarysuaZimpel - Magdalena Ptasznik Informationen: www.sophiensaele.com

17.1. – 19.1. Konzert10 Jahre RotFrontEmigrantski Raggamuffin WochenendeRotFront Spezial + VisaFree DJs Unitedmit Yuriy Gurzhy – Matzaa - MalandroInformationen: www.kaffeeburger.de

19.1., 20 Uhr Konzert CantioMusiktheater von Vykintas BaltakasLithuanian Ensemble Network Musikalische Leitung: Vykintas Baltakas Ort: Konzerthaus Berlin, Werner-Otto-SaalInformtionen: www.konzerthaus-berlin. de

31.1., 20 Uhr Kleiner SaalEröffnungskonzert des Lutoslawski-JahresLutoslawski QuartetIm Programm: Witold Lutoslawski: Streichquartett - KarolSzymanowski: Streichquartett Nr. 2 op. 56 - Pawel Mykietyn:Streichquartett Nr. 2 - Marcin Markowicz: Streichquartett Nr. 3Ort: Konzerthaus Berlin, Kleiner SaalInformationen: www.konzerthaus-berlin.de

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MOE- KULTUR. DE

NOTABENE

>> <<RusImport- Aktuelle Kunst aus Russland

Nach vorne gehen, nach hinten schauenPressekonferenz, 28.12.2012

Mit den Moskauer Darstellerinnen der „Drei Schwestern“Galina Tjunina, Polina und Xenia Kutjopowa sowie derKuratorin Andrea Tatjana Wigger stellte der Intendant derBerliner Festspiele Thomas Oberender dieVeranstaltungsreihe Russimport vor, die im Rahmen des„Deutsch-Russischen Jahres“ initiiert wurde. Das Programmmit Beiträgen aus Kunst, Film, Theater und Gesprächen legtden Fokus auf Moskau und St. Petersburg und will diegegenwärtigen Entwicklungen in der russischen Kunst zurDiskussion stellen.

„Dem russischen Theater geht es gut, es sind insgesamtwohlhabende Theater, finanziell und technisch gut ausge-stattet, die Häuser vorwiegend ausverkauft und das bei denvergleichsweise hohen Eintrittspreisen.“ Es wurden nach derWende auch einige gut ausgestattete private Theatergegründet. Doch die Inszenierungen, ihre Ästhetik wirkeninsgesamt altmodischer als das deutsche Theater. Der Schauspieler in Russland hat nach wie vor einen beson-deren Status, sein Auftrag ist, zwischen dem Volk und demStaat, also der Macht zu vermitteln. Es gibt dort ein sehrausdifferenziertes System der Schauspielerlaufbahn, ver-knüpft mit vielen Auszeichnungen. Einer der höchstenEhrungen ist der „verdiente Schauspieler“, vergleichbardem Rang des „Kammerschauspielers“ am Burgtheater. Diedrei Schauspielerinnen, die in der Eröffnungsaufführung dieFiguren der drei Schwestern spielen, haben bereits diesenStatus. (Thomas Oberender)

Die Inszenierung von „Drei Schwestern“ stammt von demvor Kurzen verstorbenen legendären Theatermacher PiotrFomenko.„Er hat uns die Freude am Dasein vermittelt. Er war offen,gegen jegliche Systeme und Regeln. Nicht wie man geht ist

wichtig, sondern, dass man geht, war seine Maxime. Dieses„Vermächtnis“ versuchen wir in unserer Arbeit weiter zu tra-gen und zu leben“ konstatierte Galina Tjunina.

So ist in der Inszenierung die vielbeschworene russischeProvinz zunächst kein konkreter Ort, sondern beschreibt dieBefindlichkeit der Figuren, den Zustand ihrer Seele. In demwiederholten Ruf „nach Moskau“ wird die Sehnsucht derFiguren vermittelt, durch ein Handeln eine Veränderung her-beizuführen, sich aus der eigenen Enge zu befreien. „Nach Moskau“, eine Verheißung, ein Ausbruch oder dochnur ein (Lebens)Traum?

Ewa Strozczynska-Wille und Michael Kleineidambesuchten einige der Veranstaltungen und machten sichNotizen.

Weiterleben

Die Inszenierung des Moskauer Fomenko-Studio „DreiSchwestern“ von Anton Tschechow war als sensationell undin Russland heftig umjubelt angekündigt worden.Zugegeben, verglichen mit dem, was in Berliner Theaternhäufig zu sehen ist, war an dieser Aufführung vieles unge-wöhnlich. So fehlte manches, was hierzulande für einengesteigerten Unterhaltungswert unentbehrlich zu seinscheint. Kein akrobatisches Turnen, keine aktualisierendenKalauer, keine Grimassen, kein Schreien, obwohl es in demStück mancherlei Anlass zu lautem Geschrei gäbe. DieKostüme mit Rüschen und Schulterstücken entsprachen der

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NOTABENE

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MOE- KULTUR. DE

Mode der damaligen Zeit und durften während des gesam-ten Stückes anbehalten werden, sogar von den Frauen. DerRegisseur wollte nicht klüger sein, als es der Autor seiner-zeit war, und vermied es, sich als dümmer zu erweisen undzu blamieren. Ganz ungewöhnlich: Der Text von Tschechowwurde so gespielt, wie wir ihn aus dem Reclamheft kennen.Man kann so etwas eine konservative Inszenierung nennen.

Entsprechend subtil zurückhaltend spielten Galina Tjunina(Olga), Polina Kutjopowa (Mascha) und Xenia Kutjopowa diedrei Schwestern, die es aus Moskau in die trostlose Provinzmit all dem Überdruss, den großen Sehnsüchten,Liebesenttäuschungen und Resignationen verschlagen hat.Die so sympathisch fortschrittlich klingenden Philosophiendes Werschinin (Rustem Juskajew) sind nur hohle Phrasenund so wurden sie auch vorgetragen. Alle sind unfähig, ihreeigenen Ideale und Prinzipien in die Tat umzusetzen. DerMilitärarzt Tschebutykin (Iwan Werchowych) hat sich schonvöllig der Resignation und dem Suff ergeben. Nur Natalja(Madlen Dshabrailowa) ist eine Entwicklung vergönnt - dieeines schüchternen Mädchens zu einer durch EinheiratEmporgekommenen, die sich als Herrin aufspielt.

Als eine Schwäche der Inszenierung kann nach erstemEindruck angesehen werden, dass Fomenko seine Figurennicht wirkliche Dialoge führen lässt. Sie reden mit sichselbst, übereinander, aneinander vorbei oder deklamierenins Publikum. Selten jedoch reden oder agieren sie mitein-ander. Dies mag aber auch die Absicht des Regisseurs gewe-sen sein. Bei Fomenko sind Tschechows Personen vor allemmit sich selbst beschäftigt. Die Gemeinschaft wird vielbeschworen aber nicht gelebt.

Einen Zusatz zum Originaltext erlaubte sich Fomenko: Erbrachte Tschechow mit schwarzem Hut und Kneifer persön-lich auf die Bühne, ließ ihn Regieanweisungen geben undsich seinen Text von mit ihrer Rolle unzufriedenen Akteurenum die Ohren schlagen. Dieser Einfall überzeugt jedochnicht, bei George Tabori hat man ihn schon charmanter aus-geführt gesehen. Tschechow hat sein Stück eine Komödiegenannt. Oder ist es nicht doch eher, wie oft angemerkt,eine Tragödie? – Fomenko beantwortet diese Frage pragmatisch, indem erden Schluss belässt, wie bei Tschechow vorgefunden. Olgawird sich als Schulleiterin in einer sie überfordernden Arbeitabquälen, Maschas Liebhaber verabschiedet sich und Irinaskünftiger Mann wird im Duell getötet. Aber „unser Leben istnoch nicht zu Ende. Wir werden leben“ versichern sich diedrei Schwestern. Einfach nur weiterleben, was so altmodischaus der Welt gefallen schien, erhielt unerwartet aktuelleBezüge.

Pjotr Fomenko war der wohl bedeutendste Schüler der rus-sischen Regielegende Jewgeni Wachtangow, der wiederumfür Bertolt Brecht eine wichtige Figur der russischenTheaterszene darstellte. Fomonko galt als ein begnadeterTheaterpädagoge und es war ein Privileg, bei ihm studierenzu dürfen. Das von ihm gegründete und nach ihm benannteTheater, dessen Kern die Absolventen seines Schauspiel-und Regiestudios bildeten, war bald das beliebteste Theaterder russischen Hauptstadt und erhielt im Juli 1993 aufAnordnung des Bürgermeisters ein eigenes Gebäude. InRussland gab es in den letzten zwanzig Jahren kaum einenTheatermacher, der mehr verehrt wurde als Pjotr Fomenko.Er starb im August dieses Jahres im Alter von 80 Jahren inMoskau, in Berlin wurden seine „Drei Schwestern“ zu einerunbeabsichtigten Verbeugung vor dem großenTheatermacher. mk

Gorki – 10 von Dmitri Krymow ist eine Aufführung derMoskauer „Schule der dramatischen Kunst“, gegründet Endeder 80er Jahre von dem renommierten russischenTheaterregisseur Anatolij Wassiljew als einen Ort, an demneue Formen des Theaterspiels und Inszenierens gelehrtund ausprobieren sein sollten. Dmitri Krymow war zunächst Bühnenbildner und bildenderKünstler. Unter seiner Regie entstanden in den letztenJahren einige der eigenwilligsten Inszenierungen in Moskau.

„Gorki – 10“ ist eine surreale Zeitreise durch die ideologi-schen, historischen und literarischen Topois der Sowjetunion, seine Mythen und Alltagskalamitäten.Krymows Metapher und Symbole verdichten sich zu scharfpointierten Bildern über die verstörenden Abgründe, aberauch die tragikomischen Absurditäten dieses Weltreiches.

Die Revolution, eine Glühbirne der Geschichte

Die Zuschauertribünen sind auf der Bühne der Festspieleaufgebaut. Im vorderen Bühnenbereich Fragment einer wei-ßen Hausfassade mit einer großen, holzverkleidetenFensterfront im Kinoleinwandformat. Nachdem dieFensterverkleidung entfernt wurde, sehen wir ein Zimmer -dort ein Sofa, ein Sessel, ein Tisch, ein Schrank. DieRückwand besteht ebenso aus einer Fensterfront, dahintererstreckt sich ein graues Industriepanorama mit qualmen-den Schornsteinen, eine Landschaft des 19. Jahrhunderts.

Lenin, zunächst vertieft in einer Zeitung, fummelt plötzlichetwas verkrampft in den Blättern, macht dabei skurrileHandbewegungen und Verrenkungen. Das Resultat ist einaus der Zeitung angefertigter Scherenschnitt mit vage zuerkennenden Silhouetten von Hochhäusern und Türmen,den er stolz und sichtlich selbstzufrieden präsentiert. Ja, so entstehen Ideen, Visionen, der Entwurf einer „neuen“Welt. Jetzt sollen Experten sich dran machen und LeninsSowjetimperium zum Leuchten bringen. Der ehrgeizigeJahrhundertplan, die Elektrifizierung der gesamtenSowjetunionsoll Wirklichkeit werden.

Ein Experte (offenbar nicht freiwillig, Blutspuren im Gesichtund Kleidung) und Professor Sabalin werden zitiert undunter Androhung von Gewalt gezwungen, dieses Vorhabendurchzuführen. Wohin die (anfängliche) Weigerung und dieBedenken des Professors über die Schwierigkeiten desVorhabens führen können, wird unmissverständlich demon-striert. Von einem der Experte, der offenbar wagte, ähnlicheBedenken zu äußern, ist nur noch ein Bündel mit seinemPersonalausweis und seinem Gebiss übrig geblieben. DiesesArgument ist natürlich schwer zu ignorieren. Sabalin willigtein. Die brachialen Droh- und Gewaltgebärden sind jeweilsder Part von Felix Dzershinskij, Lenin ist der Intellektuelle,der Visionär und der Poet. Diese Szene ist eine Art Scharnier und wird noch zweimalwiederholt. Allerdings wechselt jeweils das Motiv hinter derFensterfront: eine idyllische, helle Industrielandschaft mitmodernen Fabriktürmen und Gebäuden (Sozrealismus pur),dann ein Himmelsuniversum mit einem strahlenden rotenStern. Der Fortschritt lässt grüßen, die Eroberung desWeltalls zeichnet sich am Horizont.

Die Inszenierung bewegt sich in einer Balance zwischen derpathetischen Geste und dem großem Auftritt, einem düste-ren Ernst bis hin zur Groteske. Doch diese Balance ist fragil,kann jeden Augenblick in einen dunklen Abgrund kippen,mit unberechenbaren Folgen. So auch in der Schlussszene.

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NOTABENE

SEITE 11MOE DEZ-JAN 2012/13

MOE- KULTUR. DE

Auf die Bühne werden nochmals einige Figuren versammelt,Inszenierungssujets aufgenommen: der heldenhafteKämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg, sowjetischeFamilienidylle, aber auch eine bunte Ansammlung von über-großen Trickfilmfiguren aus dem Disneyland hält Einzug.Eine sichtlich betrunkene Zuschauerin stolpert auf dieBühne und beschwert sich, dass ihr in der Theaterpause dieGeldtasche gestohlen wurde. Der Theaterdirektor ordnet dieDurchsuchung aller Anwesenden. Bei jedem einzelnenwähnt die Bestohlene ihre Geldtasche gefunden zu haben,woraufhin der Theaterdirektor den vermeintlichen Dieb undsomit alle Anwesenden nacheinander erschießt. DerVerdachtsmoment wird kurzerhand zum Todesurteil. Nachdem alle Verdächtigen abgeknallt, die Geldtasche aberimmer noch nicht gefunden wurde, kommt nur noch derDirektor persönlich als Dieb in Frage. Er zieht kurzerhanddie Konsequenz, also den Revolver und erschießt auch sich.Die Vorgänge lassen die alkoholisierte Frau scheinbar unbe-teiligt. Während sie über die herumliegenden Leichen stol-pert, greift sie beiläufig in ihre Jackentasche und entdecktdort verwundert ihre vermisste Geldtasche. Ende gut, allesgut.e.sw.

Der Kranich fliegt

Eine satirische Sicht auf Russlands Tagesaktualitäten bot diekabarettistische Polit-Show „Unser bestes Stück“ einer kre-ativen Troika bestehend aus Dmitrij Bykow, MichailJefremow und Andrej Wassiljew, die erstmals inDeutschland auftraten. Es war quasi ein Heimspiel, da andiesem Abend Russisch alleinige Sprache war und die russi-sche Community Berlins weitgehend unter sich blieb.

Die Aufgabenverteilung in dem Trio ist klar geregelt.Wassiljew, ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung„Kommersant“, übernimmt die Rolle des Conférenciers undder Schauspieler Jefremow trägt die Texte über die politi-sche Situation in Russland vor, die der Schriftsteller, Kritikerund Journalist Bykow oftmals nach klassischen Vorbildernverfasst hat. So gibt es für das Publikum ein vergnüglichesWiedererkennen von Puschkin, Brodsky, Majakowski,Jewtuschenko oder Alexander Rosenbaum. Es sind dies Mini-Theaterstücke, in denen das Trio, unterstützt von einemMultiinstrumentalisten mit dem Spitznamen Petunja, derlive auf Saxofon, Bajan und Gitarre improvisiert, zuvorgezeigte Videoclips kommentiert. Wenn Jefremow zwischenden Szenen von den Maskenbildnerinnen hinter einerLeuchtwand in eine neue Figur verwandelt wird, kann dieseVerwandlung als ein optisch reizvolles Schattenspiel vomPublikum verfolgt werden.

Es war zu erwarten, dass Präsident Putin Hauptobjekt derSatireshow sein würde. Dabei ist es sicherlich nicht einfach,die Realsatire seiner Selbstdarstellung als omnipotenterPolitiker auf der Bühne zu übertreffen. In einem Videoclipwird beispielsweise gezeigt, wie Putin in einem Hängegleitermit Kranichen um die Wette fliegt. Jefremow trägt dazu einGedicht vor- in einer Hand Putin, in der anderen einenKranich als Puppe- in dem Putin den Vogel überredet, zuregieren, während er fliegen werde. Glückliches Russland.Putin wird es schwer haben, diese Satire zu toppen, alsDichter ist er bisher nicht hervorgetreten. Zum Abschlussdes Abends trug Bykow die Gedichte vor, die er während derVorstellung auf vom Publikum zu Beginn vorgeschlageneThemen verfasst hat. Applaus über Applaus.mk

Zu weit gegangen

Die Filmkunst gilt als eine besonders geeignete Form, dieSituation eines Land und seiner Kultur bildhaft wiederzuge-ben. Zudem lässt sie erkennen, mit welchem Blick dieKünstlerInnen ihr Land wahrnehmen und darstellen. ImMoment ist dies in Russland ein besonders unromantischer,sehr nüchterner Blick. Der Film „Vodka Factory“ von JerzySladkowski (2010) befasste sich desillusionierend mit denTräumen russischer Frauen in der Provinz. „Jelena“ vonAndrej Swjaginzew (2011), der im Rahmen von RusImportgezeigt wurde, spielt in einem anderen Milieu. Schon dieersten Einstellungen zeigen: Hier herrscht keine Armut. Derältere, wohlhabende Wladimir (Andrej Smirnov) hält sich ineiner großen und komfortablen Wohnung im MoskauerStadtteil Ostoschenka die ehemalige KrankenschwesterJelena (Nadezhda Markina) als Ehefrau. Während er sich ineinem Studio fit hält, erledigt sie die Hausarbeit. Er fährt eingroßes Auto, sie nimmt die Bahn, um in einer abgelegenen„Schlafstadt“ ihren arbeitslosen und alkoholabhängigenSohn und seine Familie aufzusuchen und sie von ihrem eige-nem Geld finanziell zu unterstützen. Bis hierhin ist es einealltägliche Geschichte.

Als ihr Mann es aus Prinzip ablehnt, Geld für ein Studiumdes Enkelsohns herauszurücken und ihn vor demArmeedienst zu bewahren, gerät die sonst fügsame Jelenain Verzweiflung. Darüber hinaus teilt Wladimir ihr nacheinem überlebten Herzanfall mit, dass er ein Testament auf-setzen wolle, in dem er seiner Tochter aus erster Ehe dasgesamte Vermögen vermacht. Jelena sieht die Zukunft ihrerFamilie in Gefahr und fasst einen Entschluss. Später ist sieerstmals in einem Taxi zu sehen. Unterstützt durch eineminimalistische Kameraführung (Michail Kritschman) gelingtes Swjaginzew die Geschichte, die eigentlich ein Kriminalfallist, ohne besondere Thrillereffekte zu erzählen und sie so ineiner normalen Alltagswelt zu verorten. Es ist dies keineübermäßig freundliche Welt.

„Jelena“ erhielt 2011 in Cannes einen Sonderpreis der Jury,beim Internationalen Filmfestival in Durban (RepublikSüdafrika) Preise in den drei Kategorien beste Regie, besteweibliche Darstellerin und beste Kameraleistung. InDeutschland hat er bisher noch keinen Verleih gefunden.mk

Randnotiz

Außerhalb des Festivals RusImport, aber in zeitlicher Näheund nicht ohne inhaltlichen Bezug zu ihm, hatte dasInternationale Literaturfestival Berlin zu einer weltweitenSolidaritätslesung für Pussy Riot aufgerufen, die am 12. 12.2012 im Berliner Martin Gropius Bau stattfand.Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hatte hierfür dasPunkgebet von Pussy Riot auf Deutsch eingesprochen,Schauspielerinnen lasen aus den Schlussplädoyers derSängerinnen. Der Martin-Gropius-Bau ist eine Spielstätteder Berliner Festspiele.

Räume verbinden -Angelika Buchelt im Gespräch mit Martin Hoffmann (M.H:)

Beim literarisch-historischen Abend in der Lindenkirchebegann Dr. h. c. Lothar de Maizière mit den einleitendenWorten zu formulieren, was die Bedeutung bei derEinführung des Petersburger Dialogs für die deutsch-russi-schen Beziehungen darstellt."Die Idee war, dafür zu sorgen, dass die Beziehungen nichtnur durch Öl und Gas bestimmt sind, sondern, dass wir denRaum weiten, für die Dinge, die zwischen Deutschland undRussland wichtig sind." Was war Ihre Motivation, diesesVorhaben mit ins Leben zu rufen?M. H.: Dieses Vorhaben ist ja ins Leben gerufen worden vomrussischen Präsidenten und der Bundeskanzlerin. DieVorarbeit, die Basis der Zivilgesellschaft, hat ja schon dasDeutsch-Russische Forum gelegt, das schon seit vielenJahren in diesem Bereich tätig ist.Ich arbeite nun schon fast zwanzig Jahre in dem Bereich derdeutsch-russischen Beziehungen und immer war es meine,unsere Motivation, den politischen und wirtschaftlichenKontakten, die Kontakte der Bürger nicht nur hinzuzufügen,sondern die Wechselwirkung dieser Dinge miteinander deut-lich zu machen. Häufig existieren diese Dinge - Wirtschaft,Politik und Kultur in separaten Räumen. Der PetersburgerDialog und das Deutsch-Russische Forum hat die Aufgabe,die Räume zu verbinden. Weil nur in Verbindung aller dieserRäume die ganze Kraft der Zusammenarbeit zwischenDeutschland und Russland, aber auch zwischen Europa, ichwürde sagen, in der ganzen Welt sich darstellen lässt.

Das wären sozusagen die acht Arbeitsgruppen, die für denPetersburger Dialog tätig sind.M. H.: Das sind die acht Arbeitsgruppen, die für denPetersburger Dialog tätig sind, das sind die einzelnenHauptakteure. Es gibt sicher noch andere, aber das sind diewichtigsten Akteure. Die spiegeln sich im Grunde genom-men auch in der Arbeit des Deutsch-Russischen Forums wie-der. Dort sind es dann keine Arbeitsgruppen, sondern ein-zelne Konferenzen, Partnerschaften zu den Young LeaderSeminaren, wo sich die jungen Leute treffen.

Das Kuratorium des Deutsch-Russischen Forums setzt sichvorwiegend aus Persönlichkeiten der Wirtschaft zusammen.Eine Frau, Journalistin, ist unter ihnen zu finden. Das istkeine neue Erkenntnis, aber warum ist diesesUngleichgewicht bis heute erhalten geblieben?M. H.: Das ist tatsächlich eine Schwierigkeit des Deutsch-Russischen Forums. Das Deutsch-Russische Forum ist natür-lich ein Spiegel der Zivilgesellschaft, auch wie die der gesell-schaftlichen Zusammenarbeit, und die Verhältnisse wie siein Deutschland sind. Das spielt sicherlich eine Rolle, wie siees gerade schon benannt haben, dass es hier noch viel zutun gibt. Es ist aber so, dass das Forum zum einen tatsäch-lich Repräsentanten aus der Wirtschaft wählt. Da wird sichjetzt sicher noch einiges tun, denn man möchte, dass sichjetzt in der Wirtschaft die Frauen stärker anFührungsgremien beteiligen. Es gibt schon viele Frauen inFührungspositionen, aber die sind dann auch zu 100%Frauen in Führungspositionen. Das Ehrenamt ist immer eineetwas schwierige Sache. Wir haben auch weiterhin sehrviele Leute, die im Ehrenamt tätig sind. Das sind Leute, diedanach Karriere machen. Die kommende Generation derFrauen wird immer stark sein, und die wird sich dann auchehrenamtlich engagieren.

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PROFILEMenschen Orte Projekte

Deutsch-Russisches Forum und der PetersburgerDialog Angelika Buchelt

Das Deutsch-Russische Forum wurde 1993 gegründet, vor-wiegend mit der Unterstützung der deutschen Wirtschaft.Ein bilateraler Dialog und Austausch, Zusammenarbeit undgemeinsame Fortbildung sollten von nun an Stützpfeilerzwischen Deutschland und Russland sein. Das emotionalabgekühlte Verhältnis der beiden Staaten untereinanderkonnte durch diese Plattform somit die Möglichkeit eröff-nen, Menschen miteinander zu verbinden und Kontakte invielfältiger Weise herstellen. Den Vorsitz hat seit 2003 Dr.Ernst-Jörg von Studnitz.Deutsch-russische Städtepartnerschaften finden schon seit1989 im Zweijahresrhythmus statt, jeweils im Wechsel zwi-schen Russland und Deutschland. Ein angestrebtes Ziel istes, einen Rahmen und Perspektiven für eine intensivereZusammenarbeit auf regionaler und kommunaler Ebene zuentwickeln. Ansprechpartner und Beteiligte sindBürgermeister und Vertreter der Städte, die in Kooperationmit Nichtregierungsorganisationen und Kommunen tretensollen.Unter vielen Angeboten im Sinne des Deutsch-RussischenForums, wird auch ein Journalistenpraktikum zur Verfügunggestellt. Es soll jungen Journalisten eine Weiterqualifikationanbieten, um ein erweitertes Wissen in der deutschenMedienlandschaft zu erhalten und dieses dann in die russi-sche Gesellschaft mit einzubringen und Meinungsvielfalt zuermöglichen. Information und Austausch sollen bei derÜberwindung von Stereotypen behilflich sein.

Im Jahr 2001 wurde das Deutsch-Russische Forum durchden Petersburger Dialog erweitert. Der ehemalige deutscheBundeskanzler Gerhard Schröder und der russischePräsident Wladimir Putin haben dieses Projekt erschaffen,um ein weiteres zivilgesellschaftliches Diskussionsforumzwischen Deutschland und Russland zu ermöglichen.Als wichtigste Veranstaltung wird der "Petersburger Dialog"verstanden, der im jährlichen Wechsel der beiden Länderstattfindet. Ungefähr 300 ausgewählte Experten aus unter-schiedlichen Bereichen der Gesellschaft nehmen daran teil.Die Schirmherrschaft über diese Veranstaltung hat derjeweils amtierende Bundeskanzler/in und der jeweils amtie-rende russische Präsident.

Seit 2005 hat Dr. h. c. Lothar de Maizière den Vorsitz desdeutschen Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs.Lothar de Maizière (CDU)war der erste freigewählteMinisterpräsident der DDR. Er bereitete 1990 den Beitrittder DDR zur Bundesrepublik Deutschland vor. 1991 zog ersich aus der Politik zurück.Der Vorsitz im Lenkungsausschuss steht vor großenHerausforderungen. Um diese Aufgabe imLenkungsausschuss des Petersburger Dialogs zu erfüllen,braucht es Kompetenz, Einfühlungsvermögen und Einblickin die acht bestehenden Arbeitsgruppen:Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Bildung, Wissenschaftund Gesundheitsvorsorge, Kultur, Medien, Zukunftswerk-statt und Kirchen in Europa.Martin Hoffmann ist geschäftsführendes Vorstandsmit-glied des "Petersburger Dialogs". Seit 1995 übernimmt erdie Geschäftsführung beim Deutsch-Russischen Forum e.V.. Seit Beginn, im Jahr 2000, wurde er mit dem Aufbauund der Organisation des "Petersburger Dialogs" vertrautgemacht. Ab 2001 wird er als geschäftsführendes Mitgliedin den Vorstand gewählt.

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Wer ist der Entscheidungsträger bei der Aufnahme insKuratorium?M. H.: Der Vorstand ist zuständig, anschließend wird allesim Kuratorium besprochen.

Welche Aufgaben hat der deutsche Lenkungsausschuss vomPetersburger Dialog zu erfüllen, und wie setzt er sichzusammen?M. H.: Der Lenkungsausschuss ist ein Gremium, das sichinhaltlich, konzeptionell und zum Teil auch personell mit derZusammensetzung des Petersburger Dialogs in den großenVeranstaltungen und in den Veranstaltungen zwischen denJahren beschäftigt. Die großen Veranstaltungen, das sinddie bekannten, wo Frau Merkel und Herr Putin mit dabeisind, zumindest partiell. Zwischen den Jahren tagen dieArbeitsgruppen und bringen Dinge voran. Das ist dieAufgabe des Kuratoriums und des Lenkungsausschussesund natürlich beschließt man auch das Budget.Im Petersburger Dialog befinden sich ungefähr 340Mitglieder. Im Lenkungsausschuss befinden sich 20 von denMitgliedern, da muss man dann auch eine repräsentativeAuswahl treffen. Es sind zum Beispiel nur zwei Stiftungendabei, obwohl es alle Stiftungen sein könnten.

Der russische Lenkungsausschuss begann erst im Jahr 2007zu wirken. Gab es keine Möglichkeit gemeinsam zu begin-nen?M. H.: Doch, doch, das ist vielleicht nicht ganz transparentausgedrückt. Von Anfang an gibt es zweiLenkungsausschüsse. Von Beginn an gab es einen russi-schen Lenkungsausschuss, der war auch so verfasst, aberes ist so, dass der deutsche Lenkungsausschuss stärkerkonzeptionell tätig war. Das hat vielerlei Gründe, die im rus-sischen Alltag und in russischen Überlegungen verankertsind. Deswegen kann ich das gut verstehen, dass manmanchmal den Eindruck gewinnt, die russische Seite hätteerst später begonnen. Das ist aber nicht so.In der öffentlichen Wahrnehmung wird oftmals das Deutsch-Russische Forum und der Petersburger Dialog nicht ausein-ander gehalten. Die Idee war, dass das Deutsch-RussischeForum damals eine Organisation war, die von Deutschlandaus gewirkt hat und man wollte eben jetzt eine zusätzlicheStruktur haben, die darüber hinaus geht.

War die Motivation bei dem ehemaligen BundeskanzlerGerhard Schröder und dem russischen Präsidenten Putingleich groß?M. H.: Die Motivation war gleich groß, aber sie war vielleichtein bisschen eine andere. Es war eine besonders gute undtiefe Beziehung zwischen dem damaligen Bundeskanzlerund dem Präsidenten. Sie sollte eine Plattform erhalten, woman das noch einmal zum Ausdruck bringen kann. Zu ver-stehen als ein besonderes Symbol. Bei der Bundeskanzlerinhat sich das Zusammengehen mit den Russen etwas geän-dert. Es ist zu einer Plattform geworden, wo man die offe-nen Fragen stärker in den Vordergrund stellt. Wo nicht dersymbolhafte Charakter allein die guten Beziehungen auf-zeigt, sondern wo man auch mittlerweile Mut gefasst hat,die strittigen Fragen mit anzusprechen.

Der diesjährige Petersburger Dialog in Moskau stand unterdem Thema "Russland und Deutschland - dieInformationsgesellschaft vor den Herausforderungen des21. Jahrhunderts".Seitens der Bundeskanzlerin Angela Merkel gab es Kritikgegenüber Putin, wegen seines Umgangs mitRegimekritikern und Gegnern. Einige Wirtschaftsexpertenmeinten, Kritik gegenüber Russland stehe Deutschland nichtan. Wirtschaftliche Interessen vor Menschenrechte?

M. H.: Das sind zwei unterschiedliche Punkte. Ich bin Ihnensehr dankbar für die Frage. Der Petersburger Dialog ist keinOrgan der Wirtschaft, sondern der Zivilgesellschaft. Ichglaube, es ist sehr wichtig, dass wir in einer Gesellschaftdiese sehr unterschiedlichen Bereiche sehen, auch im Sinne,dass dort auch unterschiedliche Funktionen vorhanden sind.Ich sagte, auf der einen Seite müssen sie zusammenwirken,aber es ist schon klar, dass die Politik und die Wirtschaftklare Interessen verbinden. Das heißt, wenn dieseInteressen den jeweiligen Ländern nicht so gespiegelt wer-den, wie sie das sollten, dann müssen wir auch Klartextreden. Die Zivilgesellschaft ist aber eine Veranstaltung derBürger, die mit Russland in Verbindung tritt. Ich verfolge dasseit zwanzig Jahren und bin davon sehr beeindruckt. Genaudie richtigen Punkte der Zusammenarbeit werden getroffen.Das hat nichts mit Politik vor Zivilgesellschaft oderWirtschaft vor Menschenrechte oder sonst so etwas zu tun,sondern die Bürger sollten nicht in eine geheime Funktionder Politik gebracht werden. Die Bürger gehen ihren Wegmit einem großen Engagement und Begeisterung, und siefinden Wege, viel häufiger als die Politik. Die Bürger stehenim Zentrum, dafür sind wir auch sehr dankbar, aber ohnePolitik kann es nicht funktionieren.Nehmen wir einmal die Visafrage. Wir können alsZivilgesellschaft immer wieder Wege finden, mit der jetzigenVisafrage fertig zu werden. Ebenso in Städtepartnerschaftenund im Jugendaustausch. Trotzdem sind wir auf die Politikangewiesen, die Politik muss es umsetzen. Es ist keines-wegs ein Verschweigen strittiger Punkte, sondern es ist eineganz andere Verpflichtung. Es ist eine Notwendigkeit, dassdas Deutsch-Russische Forum und der Petersburger Dialogso gestaltet wird, dass der Bürger sozusagen "Schusterbleib bei deinen Leisten" wahrnimmt. Er soll das tun, was ermit einem ehrenamtlichen Engagement hinbekommenkann.

Der baden-württembergische Ministerpräsident WinfriedKretschmann (Grüne) hat es abgelehnt im kommenden Jahrden "Deutsch-Russischen Petersburger Dialog" auszurich-ten. Die Begründung ist die verschlechterteMenschenrechtslage in Russland und die Lagerhaft für dieAktivisten von Pussy Riot. Verstehen Sie seine Haltung?M. H.: Ich weiß gar nicht genau, ob er das so begründet hat.Ich kann mir das kaum vorstellen. Ich halte ihn für einenklugen Mann. In vielerlei Hinsicht hat er dies auch schonbewiesen. Ich glaube, eine solche Begründung wäre sehrbefremdlich. Sie ist auch gar nicht aktuell, weil derPetersburger Dialog aus den Gründen, die ich geradegenannt habe, gar keine eigene Wahl treffen kann. Wirsagen, wir würden gerne in ein bestimmtes Bundeslandgehen. Baden-Baden ist für uns eine wunderbare Stadt, dieuns auch schon häufig aufgenommen hat, Baden-Württemberg auch. Aber letztendlich hängt viel davon ab,wo die Regierungskonsultationen stattfinden.

Wurde der Ministerpräsident Winfried Kretschmann schondaraufhin angesprochen?M. H.: Er wurde angesprochen, ob er das machen könnte,aber es wäre in dem Sinne, dass er sich hätte bewerbenmüssen. Er wurde auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht,dass sich Baden-Württemberg für dieRegierungskonsultation, nicht für den Petersburger Dialog,bewerben könnte.Und da hat Herr Kretschmann offensichtlich gesagt, daranwäre er nicht interessiert.Es sind im Grunde Themen, die jetzt noch nicht anstehen.Man weiß auch noch nicht genau, wann sie stattfinden sol-len, wahrscheinlich nicht vor den Wahlen.

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Ich will aber gerne, nachdem ich gesagt habe, dass daseigentlich keine Relevanz hat, auf die eigentliche Thematikvon Pussy Riot eingehen. Mich hat die Diskussion sehrbefremdet in vielerlei Hinsicht. Sie hat mich befremdet, weilwir hier in eine Situation gekommen sind, die sehr häufigstattfindet. Dass wir aus unserer Sicht, Geschichte,Tradition, aus unserer Rechtsprechung in einer Deutlichkeit,und meines Erachtens in einer nicht Angemessenheit, eineLösung suchen. Bei uns spielt die Religion eine ganzbestimmte Rolle, in Russland spielt sie eine andere.Russland ist ein Land, was unter der Zerstörung der Kirchen,die Kirchen wurden zu Traktorengaragen degradiert, litt.Das dort eine ganz andere Empfindlichkeit ist, das ist daseine. Das zweite müsste auch berücksichtigt werden, wennwir uns über die Unterschiedlichkeit des Strafmaßes unter-halten. Frau Merkel hat ja zum Beispiel gesagt, das warzwar Unrecht, aber das Strafmaß wäre zu hoch. Dann dürf-ten wir mit Herrn Obama gar nicht mehr reden. UnseresErachtens ist ja die Todesstrafe eine durchaus übertriebeneStrafe für Schwerverbrecher und mit Erlaub gesagt, wennman Pussy Riot noch begnadigen darf, können wir den, derzum Tode verurteilt wurde, nicht mehr begnadigen. Wirmüssten in jedem Land die ganze Gesetzgebung durchge-hen und sagen, das ist angemessen, das ist nicht angemes-sen. Im Grundsatz, denke ich, führt solch eine Diskussionnicht voran. Wir können sicher sein, dass dieZivilgesellschaft das russische System alleine lösen kann.Das heißt nicht, dass wir nicht im offenen Dialog und imMeinungsaustausch sind. Dass wir nicht sagen wie wir sol-che Dinge empfinden, aber damit muss es auch gut sein.

Einer Ihrer Schwerpunkte ist der Austausch und die Arbeitmit russischen und deutschen Journalisten undJournalistenpraktika zu vermitteln. Sind Sie mit dem bishe-rigen Ergebnis zufrieden?M. H.: Ja, das bin ich. Der Journalistenaustausch ist einesvon den Dingen, über das ich sehr glücklich bin. Weil siegenau eben das tun oder zeigen, wie es sein sollte. Daszeigt auf der einen Seite, dass es eine wunderbareMöglichkeit ist für junge Journalisten zu sehen, wie bei unsMedienarbeit funktioniert. Die jungen Journalisten, die guk-ken sich das an, sind zum Teil begeistert und werden vielesdavon in ihre Arbeit mit einbringen, aber die russische medi-ale Arbeit wird sich immer von der deutschen unterschei-den. Die jungen Leute werden sofort erkennen, dass diesesSystem nicht eins zu eins auf Russland übertragen werdenkann. Die Russen planen jetzt eine Art öffentlich-rechtlichesSystem. Natürlich wird ein öffentlich-rechtliches System inRussland völlig anders aussehen als in Deutschland. Die rus-sische Bevölkerung wird nicht bereit sein und auch nicht inder Lage sein, extra Beiträge zu zahlen, wie es bei unsgemacht wird. Es wird sicher eine andere Form von Stiftunggeben. Es wird auch eine andere Ausrichtung geben. DieKunst ist es, im Austausch Dinge aufzunehmen und die inseinem eigenen Land umzusetzen. Und deshalb glaube ich,ist es extrem wichtig, dass dieser Austausch stattfindet.Zwischen Europa und Russland eben, Russland ist ein Teilvon Europa und ein Teil Asiens. Dieser Austausch ermöglichtDinge aus Russland zu erfahren, ich kann sie zum Teil hierumsetzen und so können es die Russen auch. Das ist dieZielsetzung eines Deutsch-Russischen Forums und desPetersburger Dialog.

Wenn Sie zurückblicken, Sie sind seit Beginn immer mitdabei gewesen. Was würden Sie gerne verändern, andersmachen, oder ist es gut so wie es ist?M. H.: Natürlich möchte ich oft Dinge anders machen, würdeDinge gerne anders haben. Ich würde mir zum Beispiel wün-schen, dass die Verteilung der Aktivitäten etwas ausge-glichener wäre. Es ist sozusagen so, dass die deutsche Seitemehr kreative Aktivität in die Ausgestaltung des Dialogs ein-

bringt. Ich würde mir manchmal wünschen, dass die russi-sche Seite dies auch stärker mit einbringt. Aber, ich will inder Hinsicht nicht klagen. Für mich ist der PetersburgerDialog und das Deutsch-Russische Forum eine großeHerausforderung. Es ist eine Form, Kontakt zwischen denBürgern herzustellen, die einfach großartig ist. Sie musssich weiter wandeln, wird auch noch ganz andere Formenannehmen, aber sie ist getragen von gegenseitigemRespekt, von dem großen Interesse der beiden Völkerzueinander, und ich wäre glücklich, diesen Dialog zu erhal-ten und im Wandel weiter zu begleiten. Sie wird getragenvon den Menschen. Das ist eine Errungenschaft, die wir jetztzum Beispiel auch immer wieder sehen in der ein oder ande-ren Ausstellung. Wie zum Beispiel jetzt in der wunderschö-nen großen Ausstellung "Russen und Deutsche - 1000 Jahrezusammen". Da können sie sehen, wie Deutsche undRussen sich in all diesen Jahren immer wieder ausgetauschthaben. Welche schweren Zeiten, auch der Krieg über unsgebracht hat. Das wir jetzt in einer Situation sind, wo wir inzwei Kriegen so furchtbare Tiefen erlebt haben, dieseVersöhnungsleistung, die übrigens eineVersöhnungsleistung der Russen ist, in besonderer Weiseauch der Sowjetunion. Es ist nicht nur die Leistung vonMichail Gorbatschow, den ich sehr schätze, der das dannauch umgesetzt hat, sondern eine großeVersöhnungsleistung, ohne die Deutschland kein vereinigtesLand wäre. Und dass wir mit diesem Geschenk, das jetzt ineiner vielfältigen Partnerschaft deutsche und russischeMenschen fortsetzen können, das ist unglaublich, und ichbetrachte es mit großer Bewunderung.Ich danke für das Gespräch

Das Album wurde im berühmten P4-Nalepa-Studio produ-ziert. kompakter Sound – Ideenreich – unterschiedlicheStilrichtungen„Calambour“ kommt aus dem Französischen und Russischenund bedeutet Wortspiel und Sinnverdrehung. www.skazka-orchestra.de

“Kalamburage lässt an Karambolage denken, und sie lässtes auch ordentlich krachen – die Skaband “Skazka” ausBerlin, gegründet 2007 von jungen Russen, die es in diedeutsche Hauptstadt verschlagen hat und die sich überderen Grenzen hinaus allmählich einen Namen zu machenbeginnen. Studiert haben die Szenegewächse, die nebenhermit den Berliner Philharmonikern, dem Jugendjazzorchester,der WDR Big Band oder dem Berliner Ensemble zusammen-arbeiten, teilweise an der Musikhochschule “Hanns Eisler”. “Skazka” heißt auf russisch “Märchen”. Es heißt achtgebenauf die Acht von “Skazka”.”Roland Biswurmhttp://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kulturwelt/skazka-orchestra100.html

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MOE-MusiktippNeues Skazka-Orchestra Album !!!"Kalamburage" - Eastblok Music

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same Arbeiten des nächsten Jahres mit DER AUFHALTSAMEAUFSTIEG DES ARTURO UI im Januar und Lew TolstoisKRIEG&FRIEDEN in einer Szenenfolge Erwin Piscators imFrühjahr.Berlin, November 2012Peter Krüger

Im Garten, wo der Zimt wächstDie Welt nach Bruno SchulzMichael Kleineidam

Anfang der neunziger Jahre begeisterte eineTheateradaption der Erzählungen „Die Zimtläden“ vonBruno Schulz durch Andrzej Woron das BerlinerTheaterpublikum im damaligen „Theater Am Ufer" (demheutigen HAU 3). Es war die Geburtsstunde des „TeatrKreatur“. Zwanzig Jahre danach ehrte das Kunst- undKulturzentrum „Brotfabrik“ in Berlin-Weißensee zusammenmit dem Polnischen Institut Berlin den Schriftsteller, Maler,Zeichner und Grafiker Bruno Schulz mit einem mehrtägigenFestival zu dessen 120. Geburtstag (12. Juli) und 70.Todestag (19. November). Ergänzt durch Diskussionen und Gespräche wurden Spiel-Dokumentar-Experimental-und Animationsfilme präsentiert,die durch Bruno Schulz und sein Werk angeregt wurden,dazu kamen ein literarisch-musikalischer Abend sowie eineAufzeichnung der erwähnten Theateraufführung. Die Ideezu dieser großartigen Hommage hatte derProgrammgestalter der „Brotfabrik“ Claus Löser, der KornelMiglus (Film) und Jacek Glaszcz (Theater) vom PolnischenInstitut vom Vorhaben überzeugte und in ihnen engagierteUnterstützer fand.

Bruno Schulz wurde 1892 als Sohn eines jüdischenTextilhändlers in Drohobycz/Galizien geboren. Nach demAbitur wollte er Maler werden, doch aus finanziellenGründen begann er ein Architekturstudium, das er wegender Krankheit des Vaters, seines eigenen schlechtenGesundheitszustands und der wirtschaftlichen Situationabbrach. Er verdingte sich als Zeichenlehrer, arbeitete dane-ben als Maler und Graphiker und begann zu schreiben. Inden Jahren 1934 und 1937 erschienen die beiden Bände mitErzählungen „Die Zimtläden“ (Sklepy cynamonowe) und„Das Sanatorium zur Sanduhr“ (Sanatorium pod klepsydra),die im Wesentlichen sein literarisches Werk ausmachen.Dank ihrer gilt Schulz heute als einer der wichtigsten polni-schen Autoren des 20. Jahrhunderts. Obwohl er als Malerund Zeichner während der deutschen Besetzung im als bru-talen Mörder berüchtigten SS-Hauptscharführer FelixLandau einen „Beschützer und Gönner“ fand, musste Schulz1941 ins Drohobyczer Ghetto übersiedeln. Am 19.November 1942, kurz vor seiner geplanten Flucht aus demGhetto, wurde Schulz auf offener Straße von einem Mitgliedder Gestapo erschossen.

Den Auftakt des Festivals bildete mit „Zimtläden – litera-risch-musikalischer Abend“ ein von dem Schriftsteller undPublizisten Daniel Odija aus kurzen, von Leo Solter gespro-chenen Textfragmenten und live produzierter, elektronischerMusik von Marcin Dymiter und Tomasz Zietek in Szenegesetztes, sinnliches Wort-Klanggebilde über eine glücklicheKindheit. Der Spielfilm „Sanatorium pod klepsydra“ (dt. Verleihtitel:„Sanatorium zur Todesanzeige) von Wojciech Has aus demJahr 1973 zählt heute zu den Klassikern des polnischenKinos. Der junge Jude Jozef fährt mit dem Zug in einSchtetl, um in einem Sanatorium seinen Vater zu besuchen,

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Nachtrag

Ein Gastauftritt in Antwerpen, die Sowjetzeit im

Gepäck

Die inguschetische Regierung lud die Diaspora Kasachstansund Belgiens vom 20.11. bis 25.11. zu grossen Kulturfestennach Almaty und Antwerpen ein. Während eines Gesprächesbat mich der inguschetische Präsident Junus-Bek Evkurov,in Belgien dabei zu sein. Meine Akteure des Brechtabendswären in der Künstlergruppe. Sie kämenen schon am22.11. nach Antwerpen. Also dachte ich, wir könnten in dendrei Tagen unsere Brechtvorstellung Schauspielkollegen,Studenten und Schülern zeigen. Mit großer Mühe gelang es,die notwendigen Verabredungen zu treffen und von deringuschetischen Kulturministerin die notwendige Erlaubnisfür die Schauspieler einzuholen. Zwei Tage vor Beginn der Gastreise wurde den Akteuren aus„Sicherheitsgründen“ jede Aktion außerhalb des offiziellenProgramms verboten. Mir wurde erklärt, es hätteDrohungen von nordkaukasischen Emigranten gegeben, diesich gegen die Propagandashow mit dem Präsidenten ander Spitze wehrten. Ich möchte Verständnis dafür haben. Am Abend vor der Vorstellung traf ich den Präsidentenerneut in seinem Hotel. Sein Auftritt in der Lobby warmakaber. Eingerahmt von 10 oder zwölf Security-Typenbesetzte er die Hotelhalle. Ich schlug ihm vor, im Rahmendes Programms wenigstens zwei bis drei Titel unseresBrechtabends zu zeigen. Die Kulturministerin sträubte sich,er gab aber seinen “Segen“.

Der Tag der Vorstellung im Kulturzentrum ZUIDERKROONwar unsäglich. Nichts schien vorbereitet zu sein. Die Hotelsder Mitwirkenden wurden einen Tag zu früh abbestellt. EinMann der Administration kam mit großen Geldpaketen undbestach die Hotelleitungen. Für über 120 Mitwirkende warnur ein Bus gebucht worden. Fast zu spät mussten Taxiseingesetzt werden u.s.w.u.s.f. Die Bühne war für die vielenTänzer zu klein. Grosses Polizeiaufgebot. Suchhundeschnüffelten unendlich den Saal nach Sprengstoff ab.Taschenkontrollen. Vor mir öffnete die Kulturministerinempört ihren Riesenbeutel und musste den Polizisten darinherumwühlen lassen. Für die Schauspielergruppe war keineVerständigungsprobe möglich. Im Hauptprogramm spieltensie drei lächerlich Farcen aus dem Alltag Inguschetiens.Unsere drei Brechttitel brachten wir nach dem schönenSpiel eines Akkordeonisten unter. Die Show wirkte wie dieAuferstehung verkitschtester Sowjetzeiten. Beweihräucherung von immerforten Auftritte desPräsidenten. Jeder dritte Satz begann mit REPUBLIK INGU-SCHETIEN und wie wunderbar das Leben dort jetzt sei. Über die Hälfte der Reisegruppe waren Funktionäre und„was weiss ich“ Beteiligte. Sie saßen im Zuschauerraum ver-teilt und dienten dem Präsidenten als Claqueure. KleineKinder rannten oder tanzten vor der Bühne hin und her. DieInterpreten reagierten mit giftigen Seitenblicken und„Beinahetritten“. Unendliche Tänze mit goldstrotzend fun-kelnden Frauen im Trippellschritt. Dazwischen sehr gutejunge Tänzer im rasenden Rhythmus. Unser Brecht war erstin der zweiten Hälfte dran. Ich hatte plötzlich schwersteBedenken, ob wir in dem Rummel überhaupt bestehen kön-nen? Es gelang. Der Akkordeon-Virtuose baute uns eineschöne Brücke. Zareta und Selim starteten mit dem vonihnen vertontem Brechtgedicht DIE LIEBENDEN. Es folgtenunsere vier Frauen mit dem Lied der Yvette aus der MutterCourage und DAS LIED VON DER MOLDAU aus „Schweykim Zweiten Weltkrieg“. Ich moderierte. Es ging und kam gutan. Jeden Abend trafen wir uns im freundlichen RestaurantMarrakesch und verabredeten Vorbereitungen für gemein

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der im Sterben liegt oder bereits gestorben ist – in demSanatorium wird die Zeit zurückgedreht, um den Patientenwieder zum Leben zu erwecken. Der Vater existiert nur alsintensiver Tagtraum in der Erinnerung von Jozef. Gezeigtwird eine phantastische Reise durch die jüdischeVergangenheit, Erinnerungen und Fantasien vermischen undverknüpfen sich mit Bildern Polens vor dem ZweitenWeltkrieg.Ein besonderer Höhepunkt der Bruno Schulz-Tage war dieBegegnung mit den „Zimtläden“ in der Inszenierung vonAndrzej Woron und das anschließende Gespräch zwischendem Regisseur, dem Autor und Theaterkritiker RüdigerSchaper und dem Schauspieler Janusz Cichocki, der dem„Teatr Kreatur“ von dessen Beginn an angehörte. Theater isteine sehr flüchtige Kunst. Zum Glück gibt es neben derTheaterfotografie inzwischen auch Filmaufzeichnungen, dieeine Ahnung von dem vermitteln, was einmal auf einerBühne stattfand. Claus Löser ist es mit viel Mühe undAufwand gelungen, vom ZDF eine vorführbareFernsehaufzeichnung des Theaterstückes aus dem Jahr1991 zu bekommen. Andrzej Woron war Maler undBühnenbildner, bevor er mit den „Zimtläden“ seine Visionvon einem „Theater der Bilder“ verwirklichte. „WenigerInhalt, mehr Form“ war die Devise. Nach eigener Aussageverstand er nicht besonders viel von Regie. Da war essicherlich hilfreich, dass zu seinem bunten Ensemble soüberragende SchauspielerInnen wie Dzidek Starczynowski,Zbigniew Papis und Danuta Kisiel gehörten, die auf ihreErfahrungen am Pantomimetheater von HenrykTomaszewski zurückgreifen konnten. Sie zusammen schufenmit den „Zimtläden“ ein sinnenfrohes, vergnügliches undzugleich tieftrauriges Theaterspektakel mit Puppen, Masken,geschminkten Fratzen, selbst gebastelten Maschinen undgroteskem Trödel. Mit diesen Mitteln gelang es Woron die fürdie Prosatexte von Schulz charakteristische, fantastischeund abgründige Poesie auf die Bühne zu zaubern. Unbedingtzu erwähnen ist auch die Musik von Janusz Stoklosa.

Außergewöhnliche, oft der bildenden Kunst angenäherteInterpretationszugriffe von Bruno Schulz und seinem Werkbot eine Reihe Experimental- und Animationsfilmen. VonAlina Skiba, einer Malerin, Regisseurin und Autorin ausWarschau, wurden zwei Kurzfilme, Collagen aus Bildern undTextfragmenten, in polnischer Originalfassung gezeigt: „DerLebenslauf von Bruno S. im Schrank gefunden“ (ZyciorysBruna S. wyciagniety z szafy) und „Terminwarengeschäftemit Tickets“ (Azotaz biletow na czas). Kornel Miglus sprachdie deutsche Übersetzung während der Vorführungen hinzu– so etwas erlebt man nicht allzu oft im Kino. „Niebo bezslonca “ (Himmel ohne Sonne) von dem bedeutenden polni-schen Regisseur und Drehbuchautoren Jan Rybkowski isteine frühe experimentelle Studie (1966) ohne Dialoge überden künstlerischen Kosmos von Bruno Schulz. In „Street ofCorocodiles“ (englischer Titel von „Die Zimtläden) kreierendie US-amerikanischen Animationsfilmer Stephen undTimothy Quay mit Puppen -und Objektanimationen einephantastische und surreale Welt. Der Film wurde 1986 fürdie Goldene Palme auf dem Film Festival in Cannes nomi-niert.Der deutsche Journalist und Filmemacher Matthias Frickelvermisst in seinem Dokumentarfilm „Auf der Suche nach derverlorenen Kindheit - Wer war Bruno Schulz?“ dessenUniversum und geht seiner Wirkungsgeschichte nach, indemer eine Vielzahl von durch Bruno Schulz inspirierte Künstlervor die Kamera holt, u.a. die Filmregisseure Piotr Tomaszuk,Bogdan Koca und Benjamin Geissler, die AutorInnenJonathan Safran Foer und Nadia Terranova, denTheaterregisseur Shir Goldberg, die Illustratorin Ofra Amit,den Fotografen Mariusz Kubielas und Karol Stolarek, denSänger der Rockband „Bruno Schulz“ aus Lodz.Den Abschluss der Veranstaltungsreihe bildete ein Film, der

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bereits während seines Entstehens und seit seinerUraufführung am symbolträchtigen 19. November 2002 inNew York weltweit für Aufsehen sorgte und wesentlich dazubeitrug, dass Bruno Schulz nicht nur unterLiteraturliebhabern zum Gesprächsthema wurde. „Bilder fin-den“, von Benjamin Geissler hat viele Facetten.

Grob gesehen ist es eine Detektivgeschichte über die Suchenach einem verloren geglaubten Kunstschatz. Bruno Schulzhatte 1941/42 in einer von Felix Landau okkupierten Villafür dessen Kinder Wandfresken mit Märchenmotiven gemalt,die nach Ende des Zweiten Weltkriegs trotz intensiverNachforschungen nicht wieder gefunden werden konnten.Auf Betreiben seines Vaters, dem Schriftsteller ChristianGeissler, fuhr Benjamin Geissler Anfang 2001 mit einemFilmteam nach Drohobycz, begab sich auf Spurensuche undentdeckte in der „Landau-Villa“ Reste der zwischenzeitlichmehrfach übermalten Wandfresken. Daraufhin führtenExpertInnen einer polnisch-ukrainischen Kommission ersteRestaurierungsarbeiten durch. Noch während derDreharbeiten wurden im Mai 2001 von Mitarbeitern derHolocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in einer geheimenAktion drei der vier bis dahin freigelegten Fresken aus demMauerwerk herausgelöst und nach Israel verbracht. Die ver-bliebenen insgesamt fünf Bilder entnahmen 2002 ukraini-sche Restauratoren. Die Komposition des ganzen Ensembleswar zerstört und es wird nur schwer möglich sein, sie wie-der zu rekonstruieren. Die Suche nach den Fresken, ihreEntdeckung und die Zeit nach dem „Raub” sind vonBenjamin Geissler genauestens festgehalten worden. AlsSpurensucher fungierte dabei Christian Geissler, der vieleGespräche mit Menschen führte, die auf unterschiedlicheWeise mit der Geschichte von Bruno Schulz verbundenwaren und von denen er sich Auskünfte über die damaligeZeit erhoffte. Diese Bruchstücke der jeweils eigenen, indivi-duellen Geschichten aber auch der gegenwärtigenLebenssituationen montierte Geissler virtuos zu einemaußerordentlich vielschichtigen filmischen Mosaik.Eine weitere Vorarbeit für eine reale Rekonstruktion derWandfresken - träumen sei an dieser Stelle einmal erlaubt-hat Bejamin Geissler mit seiner Installation „DieBilderkammer des Bruno Schulz“, einer maßstabsgetreuenNachbildung des Zimmers mit den virtuellen Wandbildern,geleistet. Nach der Eröffnung in den HamburgerDeichtorhallen im Juni dieses Jahres soll die mobileInstallation unter anderem auch in Polen, der Ukraine undden USA präsentiert werden. Wenn alles gut geht, wird sieim April nächsten Jahres auf dem Bebelplatz in Berlin zusehen sein.

In diesem Zusammenhang:Während das Bruno Schulz-Jubiläumsjahr 2012 inDeutschland kaum Beachtung fand, wird aus Polen übereine regelrechte „Schulzomania“ berichtet, „ganz Polen liestSchulz“. In der Ukraine fertigte der bekannte ukrainischeSchriftsteller Juri Andruchowytsch eine neue ukrainischeÜbersetzung der Prosa von Bruno Schulz. Das dreisprachi-ge, polnisch-deutsch-ukrainische Literatur-Magazin radar(Hrsg.Villa Decius, Kraków) widmete seine neueste Ausgabemit vielen sehr interessanten Beiträgen Bruno Schulz undseinem Werk. Das Magazin ist zu finden in > Berlin beimPolnischen Institut und dem Literarischem Colloquiumsowie der Pigasus- Polish Poster Gallery, in > Leipzig beimPolnischen Institut und im Literaturhaus EDIT, in >Greifswald beim Institut für Fremdsprachliche Philologien.

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"Höre die Wahrheit, wer sie auch spricht"Eröffnung der Akademie des Jüdischen Museums und diePreisverleihung für "Verständigung und Toleranz"Angelika Buchelt

Am 17. November 2012 wurde zum elften Mal der Preis für"Verständigung und Toleranz" des Jüdischen Museums ver-liehen. Jeweils zwei Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kulturund Politik werden geeghrt, die sich für ihr Engagement beider Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismuseinsetzen und ebenso engagiert sind bei der kritischenAufklärung über Antisemitismus und Rassismus in derBundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus ist dieIntegration von Minderheiten und der Dialog zwischen denKulturen und Religionen ein gleichbedeutender Faktor beiden ernannten Personen.In diesem Jahr wurde der Preis an den Bundespräsidentena. D. Richard von Weizsäcker und den IndustriemanagerKlaus Mangold vergeben.Richard von Weizsäcker zeichnet eine besondere Einstellungund Fähigkeit in seinem Umgang mit der nationalsozialisti-schen Vergangenheit aus. In seiner Rede zum 40. Jahrestagdes Endes des zweiten Weltkrieges benannte er den 8. Maieinen "Tag der Befreiung" und forderte, der "geschichtlichenWahrheit" des Mitwissens und der Mitschuld der Deutschenan den Verbrechen des NS-Regimes "ins Auge zu sehen,ohne Beschönigung und ohne Einseitigkeit".Die Laudatio auf Richard von Weizsäcker hielt HeinrichAugust Winkler, Historiker und Essayist.Er erinnerte daran, dass Weizsäcker am 1. September 1939als Angehöriger einer Maschienengewehrkompanie desPotsdamer Infanterieregiments 9 in Polen mit einmarschiertwar.Aus diesen Erfahrungen heraus ist für Richard vonWeizsäcker eine Verständigung und Versöhnung mit Polenund den östlichen Nachbarn zu einer Lebensaufgabe gewor-den.In seiner Ansprache zum 40. Jahrestag der deutschenKapitulation am 8. Mai 1985 vor dem Bundestag, sprach eraus, was an Aktualität nichts verloren hat:"Hitler habe stets damit gearbeitet, Vorurteile,Feindschaften und Hass zu schüren." Er verband dieseFeststellung mit einer "Bitte an die jungen Menschen"."Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hassgegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner,gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oderKonservative, gegen Schwarz oder Weiß. Lernen Sie, mit-einander zu leben, nicht gegeneinander.""Der Völkermord an den Juden ist beispiellos in derGeschichte. Die Ausführung der Verbrechen lag in der Handweniger. Vor den Augen der Öffentlichkeit wurde es abge-schirmt. Aber jeder Deutsche konnte miterleben, was jüdi-sche Mitbürger erleiden mussten, von kalter Gleichgültigkeitüber verdeckte Intoleranz bis zu offenem Hass. Wer konntearglos bleiben nach Bränden der Synagogen, denPlünderungen, der Stigmatisierung mit dem Judenstern,dem Rechtsentzug, den unaufhörlichen Schändungen dermenschlichen Würde?"Richard von Weizsäcker hat in seinem hohen Alter nicht anKraft und Ausstrahlung verloren, sich für seine Ziele desfriedlichen Miteinanders einzusetzen.

Klaus Mangold, wird als einer der gesellschaftlich engagier-testen deutschen Industriemanger beschrieben.Wirtschaftlicher Austausch ist für ihn ein wesentlicherBeitrag Brücken zwischen Staaten und Kulturen zu schla-gen, Vorurteile abzubauen zwischen Deutschland und seinenNachbarn.

Die Laudatio für Klaus Mangold hielt David Baron deRothschild, Groß-Groß-Großenkel von Mayer AmschelRothschild. U. a. ist David Baron de Rothschild Präsident derFondation pour la Mémoire de la Shoah.Für Klaus Mangold stand die Aussöhnung mit Frankreichanfangs im Vordergrund. Später kam der Dialog mit denStaaten Mittel- und Osteuropas hinzu. Russland widmete ersich im Besonderen. Von 2000 bis 2010 war er Vorsitzenderdes Ost - Ausschusses der deutschen Wirtschaft. DieVertiefung des Austauschs mit den Staaten der Region wareiner seiner Schwerpunkte.Als Vorsitzender des Petersburger Dialogs hat er sich durch-gehend für einen konstruktiven, vorurteilsfreien Austauscheingesetzt.

Die Eröffnung der neuen Akademie des JüdischenMuseums Berlin ist als eine Erweiterung zu verstehen,jedoch mit neuen, spannenden Herausforderungen verbun-den.Die ehemalige Blumengroßmarkthalle, erbaut 1962-1965von dem Architekten Bruno Grimmek (1902-1969), konn-te durch eine umfangreiche Spende von Eric F. Ross (1919-2010), US-amerikanischer Unternehmer mit deutsch-jüdi-schen Wurzeln, vielen privaten Spenden und ausBundesmitteln umgestaltet werden. Nicht nur das JüdischeMuseum hat Eric F. Ross viel zu verdanken, sondern er warauch einer der großzügigsten Spender des HolocaustMuseums in Washington, D.C.. Die Jüdische Akademie wirdnach ihm benannt: Der "Eric F. Ross Bau". Die Schenkungan das Jüdische Museum hat er seiner Frau gewidmet, die1942 in Auschwitz ermordet wurde. Daniel Libeskind, inter-nationaler angesehener Architekt, übernahm dieUmgestaltung. An der Außenfassade der Akademie ist dasLeitmotiv in fünf Sprachen angebracht: "Höre die Wahrheit,wer sie auch spricht"Ein Zitat des mittelalterlichen Philosophen, Rechtsgelehrtenund Arztes Moses Maimonides (1135/38-1204). Dieses Zitatsoll unseren Verstand und unser Herz öffnen für dieUniversalität der Wahrheit und des Lernens gegenüberengen und orthodoxen Sichtweisen.

Die Akademie bietet viel Raum für die zukunftsträchtigenAktivitäten und Visionen. Intensiviert soll dieAuseinandersetzung mit den politischen, sozialen und kultu-rellen Bedingungen für eine erfolgreiche Zuwanderungs-und Integrationspolitik werden. Ein breites Spektrum vonpädagogischen Programmen, Dialoge, Kolloquien, Seminareusw., sollen Menschen aus unterschiedlichen Bereichen mit-einander ins Gespräch bringen. Einige Projekte sind schon gestartet. BesondereAufmerksamkeit verdient das Projekt der Schulpatenschaft,welches das Jüdische Museum zu Beginn des neuenSchuljahres begonnen hat.Auf vier Jahre ist die Patenschaft mit der IntegriertenSekundarschule Skalitzer Straße (8. ISS) in Berlin-Kreuzberg beschlossen worden. Die Schulleitung ist eng indie Zusammenarbeit mit eingebunden. Lehrer und Elternwerden mit einbezogen. Die Schülerschaft setzt sich aus340 Schülern, welche aus 20 Nationen stammen, zusam-men. Ein muslimischer Hintergrund gilt für einen großen Teilder Schülerschaft. Das bedeutet, dass sie die deutscheSprache nicht als Muttersprache erlernt haben. Auch sozia-le Benachteiligungen müssen viele Schüler erfahren. Diegenannten Tatsachen, die Nähe der Schule zum JüdischenMuseum, und die Begeisterung der Schüler, Lehrer undSchulleitung waren ausschlaggebend für die Auswahl. DasLeitbild der Schule ist auf gegenseitige Akzeptanz und aufeine Kultur der Wertschätzung ausgerichtet.

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Im Februar wird innerhalb der Akademie der Garten derDiaspora entstehen. Schüler werden bei der Bepflanzungund Pflege miteinbezogen. Die Gestaltung wird sich u. a. amjüdischen Leben, Persönlichkeiten, jüdischen Feiertagen undBräuchen orientieren.Ein gutes Gelingen ist allen Beteiligten bei den vielfältigenAufgaben zu wünschen.

Wissenschaftlicher Förderpreis des Botschafters derRepublik Polen 2012

Am 12. Dezember fand an der Martin-Luther-UniversitätHalle-Wittenberg im Rahmen der von der Botschaft derRepublik Polen, dem Zentrum für Historische ForschungBerlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften und derStiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit gemeinsamorganisierten Festveranstaltung neben der feierlichenVertragsunterzeichnung zur Gründung des Aleksander-Brückner-Zentrums für Polenstudien die feierlicheVerleihung des Wissenschaftlichen Förderpreises desBotschafters der Republik Polen statt.

Das Zentrum für Historische Forschung Berlin der PolnischenAkademie der Wissenschaften und die Botschaft derRepublik Polen loben diesen Preis zum fünften Mal in Folgefür herausragende Dissertationen und Masterarbeiten ausdem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften zur pol-nischen Geschichte und Kultur sowie zu den deutsch-polni-schen Beziehungen aus. Die mit insgesamt 4.000 Eurodotierten Preise dienen der Förderung des wissenschaft-lichen Nachwuchses, dem gegenseitigen Dialog und derBeschäftigung mit deutsch-polnischen Themen. Eingereichtwer durften Arbeiten, die an Hochschulen in Berlin,Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen,Sachsen-Anhalt und Thüringen verfasst wurden.

Für den diesjährigen Wettbewerb des WissenschaftlichenFörderpreises des Botschafters der den Republik Polen wur-den insgesamt 21 Arbeiten. Die Preisträger sind:- Wissenschaftliche Förderpreis des Botschafters derRepublik Polen 2012/ : Kategorie Dissertation: Agnes Arndt(Freie Universität Berlin): „Rote Bürger. Eine Milieu- undBeziehungsgeschichte linker Dissidenz in Polen (1956-1976)“- Wissenschaftliche Förderpreis des Botschafters derRepublik Polen 2012/ Kategorie Abschlussarbeiten: AnnaFuchs (Universität Leipzig): „Die Bedeutung der Trümmer.Die Große Synagoge und der Plac Bankowy im WarschauerWiederaufbauprozess 1945-1991“- Sonderpreis der Stiftung für deutsch-polnischeZusammenarbeit: Jeannine Harder (Universität Leipzig)/Magisterarbeit „Bunte Fenster nach Polen – PolnischePlakate 1945-1960 in der ausländischen Rezeption“

Darüber hinaus vergab die Jury des WissenschaftlichenFörderpreises des Botschafters der Republik Polen 2012 fol-gende Auszeichnungen: - Kategorie Dissertation: Andrea Rudorff (TechnischeUniversität Berlin): „Frauen in den Außenlagern desKonzentrationslagers Groß-Rosen“ - Kategorie Abschlussarbeiten: Clara Frysztacka (FreieUniversität Berlin):„Die Polnische Geschichtsschreibungüber die Akcja Wisla nach 1989: Historiographischer undpolitischer Kontext“.

MOE-aktuell

„Mit Postkarten und Plätzchen gegen Rassismus:Wärme teilen am zweiten Advent!“ war das Motto einerAktion, die am 9. Dezember vor dem Brandenburger Torstattgefunden hat. An der Aktion nahmen bekannte ukrainische, deutsche undbelarussische Aktivisten teil. Sie schrieben Weihnachtspostkarten an ein Opfer eines ras-sistischen Angriffs in der Ukraine.Olaolu Sunkanmi Femi ist ein Student aus Nigeria, der imostukrainischen Luhansk seit 2007 studierte. Im November2011 wurden er und sein Freund von vier Angreiferngeschlagen. Olaolu hat versucht sich gegen die Angreifer zuwehren, verteidigte sich und verletzte dabei einen derAngreifer. Seit über einem Jahr sitzt er nun inUntersuchungshaft: ihm wird Mordversuch vorgeworfen,wofür er bis zu lebenslänglich bekommen kann. Mehrere ukrainische Menschenrechtsorganisationen habensich des Falles angenommen.

Ukrainische Künstlerin Ewgenija Belorusez: "Wir beobach-ten, wie in der Ukraine ständig eine Zahl - und nicht nur dieZahl - derjenigen wächst, die die rechtspopulistische Partei"Swoboda" ("Freiheit") unterstützen. Es finden immer mehrFälle der rassistischen Gewalt statt. Die Straße, ein öffent-licher Raum, die ein Raum des Zivilbewusstseins sein sollte,tritt immer mehr in den Hintergrund. Der Fall Olaolu Femimacht allen diesen Prozess deutlich und macht ebensosichtbar einen Zusammenhang zwischen der Xenophobie aufden Straßen und dem Staat. Die Notwendigkeit sich derBestrafung von Olaolu zu widersetzen, einer Bestrafung voneiner unschuldigen Person, ist die Notwendigkeit desVerstandes, die langsam sowohl aus unseren Nachrichten,als auch aus dem öffentlichen Raum ukrainischer Stadt ver-schwindet."Ukrainischer Aktivist Aleksander Wolodarskij sieht in demGerichtsfall ebenso eine Wiederspiegelung der gegenwärti-gen Prozessen in der ukrainischen Gesellschaft: "Darin kannman gut viele Krankheiten ukrainischer Gesellschaft sehen:Rassismus, Korruption, kein neutrales Gerichtssystem,besondere Stellung von Mitarbeitern derSicherheitsbehörden und deren Familien.

Informationen/Englisch und Deutsch: http://en.hr-acti-vists.net/events/lets-support-olaolu-femiBericht: Oleksandra Bienert

Lesetipp

Unsere Partner

- Brücken nach Osteuropa -www.oezb-verlag.de

Im Programm (u.a.)

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Ute Becker: ErschütterungenDer Versuch eines LebensISBN 978-3-940452-31-3

Ute Becker wurde im August 1942, mitten im ZweitenWeltkrieg, in das bombardierte Berlin hinein geboren. Nebenkünstlerischen Studien und Ausbildungen führte ihr beweg-tes und bewegendes Leben nach West- und Südosteuropa,und später in die Umwelt-Politik in Westberlin.

Oberschlesien – was ist das?Michael Kleineidam

Im politischen und kulturellen Leben Polens erfahren dieRegionen seit geraumer Zeit eine Art Renaissance. DasDeutsche Polen Institut in Darmstadt trug dieserEntwicklung Rechnung und hat sein diesjähriges Jahrbuchden polnischen Regionen gewidmet. Mit einem frei vonnationalen Komplexen und einem europäisch ausgerichtetenBlick hat sich dieses Themas nun auch die Wissenschaftangenommen.

Oberschlesien, eine Gegend, in der über Jahrhunderte hin-weg ein Kultur-, Wissens- und Ideenaustausch zwischendem europäischen Westen und Osten stattfand, ist einbesonders gut geeignetes Objekt derart historischerForschungen. Robert Traba, Direktor des Zentrums für HistorischeForschung Berlin der Polnischen Akademie derWissenschaften (PAN) präsentierte kürzlich das Ergebniseiner solchen Zusammenarbeit von Wissenschaftlern ver-schiedener Fachrichtungen aus Polen, Tschechien undDeutschland in Form des Buches „Historia Górnego Slaska.Polityka, gospodarka i kultura europejskiego regionu(Geschichte Oberschlesiens. Politik, Wirtschaft und Kultureiner europäischen Region)“, das voriges Jahr in Gliwice(Gleiwitz) erschienen ist. Beteiligt an diesem Projekt, dasbeinah zehn Jahre in Anspruch nahm, waren ca. fünfzigWissenschaftler der Universitäten Opava, Katowice undStuttgart. Den Anstoß hierzu gab Thaddaeus Schaep, derinzwischen verstorbene Direktor des „Haus der deutsch-pol-nischen Zusammenarbeit“ (HDPZ) in Gliwice. In den Händendes HDPZ lag auch die Koordination des Projektes.

Was ist Oberschlesien? Wie die Wissenschaftler - neben Historikern waren es auchKunsthistoriker, Literaturwissenschaftler und andereKulturwissenschaftler - dieser Frage nachgingen und dieErgebnisse ihrer Forschungen zu einer populärwissenschaft-lichen Synthese zusammenfügten, erläuterten in kurzenVorträgen zwei der Herausgeber des Buches, RyszardKaczmarek aus Katowice und Dan Gawrecki aus Opava. Dieanschließenden Diskussionen moderierte Robert Traba. Im ersten Teil des Buches werden in drei Beiträgen die geo-grafische Abgrenzung des Raumes, die Zusammensetzungder Bevölkerung und die Ausbildung von Identitäten imWandel der Jahrhunderte beschrieben und damit dieGrundlagen für das Verständnis der folgenden Artikel gelegt.Im zweiten Teil werden in chronologischer Form die politi-schen Entwicklungen und die Wirtschafts- undKulturgeschichte der Region abgehandelt. Im dritten undletzten Teil unter dem Titel „Historische Kontroversen“, wer-den ausgewählte Debatten vorgestellt, in denen politisch-gesellschaftliche Konflikte und andere Differenzen ausgetra-gen wurden.Welche Wissenschaftler welche Themenfelder erforschten,richtete sich vor allem nach den Sprachen, in denen die

Mehrzahl der Quellen dieses Themenfeldes verfasst ist,berichtete Ryszard Kaczmarek. So lag die Beschreibung derfrühen Geschichte Oberschlesiens bis zum späten Mittealterin Händen der tschechischen Wissenschaftler Rudolf Zacekund Martin Capsky, die deutschen ForscherInnen Christian-Frederik Felskau, Christine van Eickels, Andreas Kossert undSlawomir Puk behandelten die Zeit vom DreißigjährigenKrieg und die letzte Periode der Herrschaft der Habsburger,Mark Masnyk und Maria W. Wanatowicz aus Polen beschrie-ben die Zwischenkriegszeit. So ist in jahrelangenBemühungen eine wichtige Publikation entstanden, die dashistorische Wissen über die Region Oberschlesien aus unter-schiedlichen Perspektiven frei von nationalen Komplexenzusammenführt und dabei auch konfliktbeladene Themennicht ausspart. Besonders gefordert war an diesem Abend dieSimultandolmetscherin Agnieszka Grzybkowska, die gleichfür alle drei Herren auf dem Podium zuständig war und dieseschwierige Aufgabe auf bewundernswert entspannte Weisemeisterte.

Hinweis:> Joachim Bahlcke/ Dan Gawrecki/ RyszardKaczmarek (Hg.):Historia Górnego Slaska. Polityka, gospodarka i kultu-ra europejskiego regionu;Verlag: Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit,Gliwice 2011Eine Herausgabe des Buches in deutsche Übersetzung durchdas „Bundesinstitut für Kultur und Geschichte derDeutschen im östlichen Europa“ in Oldenburg ist für 2014vorgesehen.

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Polen_Analysen Nr. 118Das polnische „Aviation Valley“Rzeszów und das „Aviation Valley“ – Perspektiven für einedynamische Wirtschaftsentwicklung in Südostpolen:Sebastian Kinder (Tübingen), Lech Suwala (Berlin)Die Polen-Analysen erscheinen am 1. und 3. Dienstag imMonat als E-Mail-Dienst. Sie werden gemeinsam vomDeutschen Polen-Institut Darmstadt, von der BremerForschungsstelle Osteuropa und der DeutschenGesellschaft für Osteuropakunde herausgegeben.

www.deusches-polen-institut.de

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Besondere Orte – einzigartige Geschichten

Weihnachten mit Mohn und PilzenMalgorzata Bielinska geht alten Weihnachtsbräuchennach...

Weihnachten auf Suwalszczyzna (Suwalkenland im nordöst-lichen Polen) bedeutet ein Mix aus polnischen, litauischen,deutschen – genauer ostpreußischen – und einigen belarus-sischen und orthodoxen Traditionen. Dabei dürfen Mohn undPilze nicht fehlen, da sie laut Überlieferung magische Kräftebesitzen, die in der Weihnachtszeit besonders zur Geltungkommen. Und Zauber und Geister umwittern dieses Fest,besonders aber an Heiligabend.

Heiligabend in SuwalkenEs begann mit der Vorbereitung und Ausschmückung desHauses. Einer der traditionellen Dekorationselemente warendie Weihnachtsspinnen, angefertigt aus Bohnen, Linsen undStroh, die an den Deckenbalken angebracht besondereLichteffekte erzeugten. Die Weihnachtsspinnen wurdenallerdings seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend durchden Weihnachtsbaum, eine Tradition der deutschenProtestanten, ersetzt. Verschiedene Prophezeiungen bestimmten den Heiligabend.So galten an diesem Tag zahlreiche Gebote, aber auchVerbote, und es war durchaus ratsam, diese zu befolgen.Ein frühes Aufstehen half auch im neuen Jahr, immer gutaus dem Bett zu kommen. Der Gesundheit wegen sollte ein Bad in einem Fluss odereinem Bach genommen werden.Um das Glück festzuhalten, sollte dem Nachbar nichts gelie-hen werden. Doch ein Diebstahl an diesem Tag könnte demGlück sogar entgegen kommen. Kinder wurden zum Gehorsam ermahnt. Eine Bestrafung anjenem Tag kommt das ganze Jahr hinweg zum Tragen. Wer als Erster am Morgen des Heiligabends zu Besuchkommt - ist es eine Frau oder ein Mann – gibt Auskunft dar-über, ob die Kuh ein männliches oder ein weibliches Kalb zurWelt bringt. Ein heller Tag und ein klarer Himmel bedeuten, dass dieHühner viele Eier legen werden, ein verhangener Himmelverspricht viel Milch und Tau am Heiligabend bringt eine rei-che Ernte.

Die Nacht des Heiligabends war den Geistern und demJenseits vorbehalten

So sollte das Ofenfeuer die ganze Nacht brennen, damit sichdie Besucher aus dem Jenseits aufwärmen können. Nebendem Ofen stand eine Sitzbank, darauf wurde etwas Sandgestreut, um nach der Art der Spuren zu wissen, wer vonden Verstorbenen in der Nacht zu Gast war. Aus denAbendmahlsresten wurden Speisen für die Geister zuberei-tet. Es wurde auch darauf geachtet, dass draußen keineWäsche hängen geblieben ist, weil sich sonst die Geisterdarin verheddern könnten. Um Mitternacht sind die Bauern zu ihren Tieren gegangenund haben das Abendmahl mit ihnen geteilt. Es gab denfesten Glauben, dass Tiere, die im Stall von Bethlehem zurStelle waren (Kühe, Schafe, Hunde), in dieser Nacht imBesitz der menschlichen Stimme sind. Gott gab ihnen dieseGabe als ein Zeichen der Dankbarkeit, dass sie mit ihrenKörpern und dem warmen Atem das Christkind vor Kältebeschützt haben. Der Tisch am Heiligabend wurde mit einem weißen Tuchgedeckt. Unter die Tischdecke streute man Heu. DieOrthodoxen streuten Heu auch unter dem Tisch und legtendarauf verschiedene Metallgegenstände, denen eine magi-sche Schutzkraft zugeschrieben wurde.

Die Zahl der Speisen bei der katholischen Bevölkerung mus-ste einer ungeraden Zahl entsprechen, in der Regel fünfoder sieben. Sie sollten jeweils aus dem Garten, von derWiese, dem Wald und dem Wasser stammen. Darunterwaren gedünstete Erbsen, Kartoffeln, Pilze, Fisch, Birnen-oder Apfelkompott, Götterspeise aus Haferflocken u.a. Zuden traditionellen Speisen gehörte in der Gegend vonPodlasie (Podlachien) auch Kutia, eine Mohn-Weizenkörner-Honig-Süßspeise, später kamen noch Bakalien wie Rosinen,Mandeln und Nüsse hinzu.

Das Abendmahl wurde von verschiedenen Bräuchen beglei-tet. Für eine reiche Ernte wurde Stroh an die Decke geworfen.Je mehr Strohhalme an den Balken hängen blieben, destoreicher wurde die kommende Ernte. Es wurden Heuhalme,die sich unter der weißen Tischdecke befanden, rausgepicktund gedeutet, ob eine Heirat im Hause ansteht. DieseProphezeiung bezog sich auf die Jungfrauen, die Form desBrennholzes gab wiederum Auskunft über dieHeiratschancen der Junggesellen. Hunde wurden zum Bellenanimiert und aus der Richtung, aus dem das Bellen zu hörenwar, sollte der zukünftige Bräutigam kommen. Die Kinder wurden traditionell mit Äpfeln und Nüssenbeschert. Nach dem Abendmahl gingen alle in dieMitternachtsmesse.

Bei den Orthodoxen war das weiße Tischtuch mit einer ganzbestimmten Stickerei (perebor) versehen. Auf dem Tischstand ein mit Körnern gefülltes Gefäß, darin steckte eineWachskerze mit etwas Honig. Vor dem Abendmahl wurdedas Gebet „Vater unser“ gesprochen. Das Abendmahl bestand in der Regel aus sieben Speisen ineiner festgelegten Reihenfolge. Zuerst gab es Kutia. Davonnahm der Hausherr drei Löffel, erst danach, ebenso jeweilsdrei Löffel, waren die weiteren Familienmitglieder an derReihe. Dann Barszcz (Rotebeetesuppe mit getrocknetenPilzen), Salzheringe, eingelegt in Zwiebeln und Öl,Hafergrütze, Salzerbsen, gebratene Teigtaschen, gefüllt mitMohn, Birnen oder Beeren (koladnyki). Getrunken wurdeKompott aus Rohobst. Abschließend wurde wieder Kutiagereicht. Der Tisch durfte bis zum nächsten Morgen nichtabgeräumt werden, die Speisereste waren für dieVerstorbenen bestimmt, die man auf diese Art willkommenhieß.Auch die Tiere und das Geflügel wurden mit Körnern ver-sorgt. Bis spät in die Nacht wurden Weihnachtslieder (kole-dy) gesungen. Um zwei Uhr nachts pilgerten alle zur Kirche(orthodox: cerkwia) in die Nachtmesse „Wsianoczna“. Dabeirichtete man den Blick aufmerksam nach oben, da ein ster-nenklarer Himmel eine reiche Beeren- und Pilzernte ver-sprach.

Wesolych Swiat Bozego Narodzenia!

P.S. Heute werden diese Sitten und Bräuche immer seltenerpraktiziert. Es sind eigentlich nur Rudimente, die in unserein Zeit überliefert wurden und in unserem Leben einen Platzhaben. So ist der Geist dieser vergangenen Zeiten spürbar in denvielen und regional unterschiedlichen Weihnachtsliedern,den begleitenden Instrumenten, aber auch dem traditionel-len Kirchengang um Mitternacht und natürlich besonders andem reich gedeckten Tisch am Heiligabend.

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Wroclaw / BreslauGesichter einer Stadt (4)Die polnische Stadt Wroclaw, das ehemalige Breslau, wird2016 Kulturhauptstadt Europas sein. MOE hat sich deshalbvorgenommen, in loser Folge Personen des kulturellen undwissenschaftlichen Lebens dieser Stadt mit ihrer tausend-jährigen Geschichte vorzustellen. Dieses Mal erinnert Michael Kleineidam an Marg undOskar Moll.

Wie ein Phoenix aus der Asche

Es war ein sensationeller Fund, der vor zwei Jahren beiAusgrabungsarbeiten vor dem Berliner Roten Rathausgemacht wurde. Fast siebzig Jahre waren die als „entarteteKunst“ verfemten elf Skulpturen in einem bislang unbe-kannten Depot des Propagandaministeriums in derKönigstraße (heutige Rathausstraße) verwahrt gewesen undwährend des Krieges verschüttet worden. Teil dieses Fundesund am wenigsten versehrt war eine kleine, kubistisch gear-beitete Messingskulptur einer tanzenden Frau von derBildhauerin Marg Moll. Die Tänzerin begeisterte dieKunstwelt und war Mittelpunkt einer Ausstellung im NeuenMuseum in Berlin. Wer war diese Marg Moll?

Als die im Elsass geborene Margarethe Haeffner 1906 denzehn Jahre älteren, in Brieg nahe Breslau geborenen, ver-mögenden Sohn eines Lederfabrikanten, Oskar Moll heirate-te, war sie gerade 22 Jahre alt. Oskar Moll war ihr frühererZeichenlehrer am Städelschen Kunstinstitut inFrankfurt/Main gewesen. Nach der Heirat entschied sie sichfür die Bildhauerei, denn ein bekannter Maler war ja bereitsihr Mann und sie strebte eine eigenständige künstlerischeEntwicklung an. Nach einem kurzen Abstecher in Berlin, woMarg bei Lovis Corinth Unterricht nahm, zog das Paar 1907nach Paris, dem Mittelpunkt der damaligen Kunstwelt. OskarMoll sah sich in einer künstlerischen Sackgasse und wolltevon seinen Vorbildern, den französischen Impressionistenneue Impulse erhalten. Das Paar machte die Bekanntschaftmit der Sammlerin Gertrude Stein und freundete sich mitHenri Matisse an. Marg nahm bei Matisse Unterricht inBildhauerei, er malte in dieser Zeit ein sehr schönes Porträtvon ihr, das heute in der National Gallery in London zu sehenist. Zusammen mit Max Purrmann und Rudolf Levy gründe-ten sie 1908 die Académie Matisse, in der bis 1912 zahlrei-che Maler ausgebildet wurden. Als sie nach Berlin zurük-kkehrten, hatten sie die Koffer voller Bilder von Malern, diein Deutschland weitgehend unbekannt waren: Cezanne,Picasso, Braque, Matisse. Sie waren dann noch öfters inParis, mit Matisse blieben sie weiterhin in engem Kontakt.Die „Französlinge“ wurden sie in Berliner Kunstkreisenabschätzig genannt, es war die Zeit der deutsch-französi-schen „Erbfeindschaft“ vor dem Ersten Weltkrieg.

1919 wurde Oskar Moll als Professor an die StaatlicheAkademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau berufen,die aus der Königlichen Kunst- und Gewerbeschule hervor-gegangen war und dessen erster Direktor Hans PoelzigBreslau zu einem Zentrum der architektonischen Modernemachte. Als Nachfolger des verstorbenen August Endellwurde Oskar Moll 1925 Direktor der Akademie, die unterseiner Leitung eines der wichtigsten Kulturzentren derWeimarer Republik wurde, auch durch die Berufung u.a. vonden Architekten Hans Scharoun und Karl Rading, den MalernGeorg Muche und Oskar Schlemmer sowie den GraphikerJohannes Molzahn nach Breslau. Moll leitete die BreslauerKunstakademie mit viel Engagement, aber auch mit großerGelassenheit und leichter Hand, ließ andere als gleichrangiggelten, vermochte die unvermeidlichen Differenzen auszu-gleichen und so einen einzigartigen Künstlerkreis um sich zu

versammeln und zusammenzuhalten. Gerade dieVerschiedenheit der Lehrkräfte regte die Schüler zurEntfaltung ihrer eigenen Kräfte an und verhinderte einfa-ches Nachahmen, was zur Sterilität jeder Schule führenkann.

Derweilen ging Marg Moll unbeirrt ihrer Berufung nach undverfolgte ihr Ziel, sich als eigenständige Künstlerin zu ver-vollkommnen. Sie richtete sich in ihrer Breslauer Wohnungein Atelier ein, brach allein oder zusammen mit ihrem Mannimmer wieder zu Studienreisen quer durch Europa auf undtraf sich mit Bildhauern wie Constantin Brancusi, AlexanderArchipenko, und Ossip Zadkine. Besonders die Arbeiten desrumänischen Bildhauers Brancusi beeindruckten sie starkund beeinflussten ihre Arbeit als Bildhauerin nachhaltig. Sieexperimentierte nicht nur mit der Form, sondern auch mitden Materialien Bronze, Holz oder Messing. In dieser Zeit,etwa 1930, entstand auch die Tänzerin, die wie ein Phönixaus der Asche dem Kriegsschutt und märkischem Sand inBerlin entstiegen war. Marg und Oskar Moll waren keine Bohemiens oderRevolutionäre. Aber mit ihnen kamen weitere Facettenmoderner Kunst nach Breslau. Sie führten einen bürgerlich-kultivierten Haushalt, waren gern besuchte Gastgeber,gaben Musikabende mit vielen Gästen. Ihre Wohnung amSchloßplatz 4 mit den eigens von August Endell gefertigtenJugendstilmöbeln beherbergte neben eigenen Werken einekostbare Sammlung damals aktueller Künstler, daruntermehr als zwanzig Gemälde von Matisse und mindestensneun Bilder von Lovis Corinth, hinzu kamen Werke vonRousseau, Picasso, Braque, Ferdinand Léger und EdwardMunch.

Dieser so erfolgreiche Lebensabschnitt des Ehepaars Mollfand ein abruptes Ende. Am 1. April 1932 wurde infolge der2. Preußischen Notverordnung die Staatliche Akademie fürKunst und Kunstgewerbe „aus Gründen der Sparsamkeit“geschlossen. Vierzehn Jahre Aufbauarbeit waren dahin,Oskar Moll hat dieses plötzliche Aus nie verwunden. Es warjedoch nur der Vorbote kommenden Unheils. Zunächstübernahm Oskar Moll noch eine Meisterklasse an derStaatlichen Akademie in Düsseldorf, wo Paul Klee ein Jahrzuvor eine Professur angetreten hatte. Wie dieser wurde er1933 als „Entarteter“ aus dem Staatsdienst entlassen, fürdie Molls begann eine Zeit der inneren Emigration. Marg Mollarbeitete in der Düsseldorfer Zeit bildhauerisch weiter, 1935hatte sie zusammen mit ihrem Mann anlässlich seines 60.Geburtstags eine Ausstellung im Kunstverein Düsseldorf.Daraufhin stand im „Stürmer“: „Kunstbolschewist OskarMoll stellt wieder aus“. Sie erhielten Berufs- undAusstellungsverbot, Werke von ihnen wurden in derAusstellung „Entartete Kunst“ gezeigt, darunter die aus demSchlesischen Museum in Breslau konfiszierte „Tänzerin“. DieEmigration nach England war in dieser Zeit eine Überlegung,doch die Molls blieben und gingen 1936 nach Berlin. Dortentwarf und baute der befreundete Hans Scharoun ihnen einHaus, in dem sie abgeschieden lebten und weiter arbeiteten.1943 wurde das Haus und mit ihm alle eigenen Werke unddie gesamte Kunstsammlung durch einen Bombenangriffzerstört. Oskar Moll starb kurz nach Kriegsende 1947 inBerlin. Marg Moll ging 1949 für drei Jahre nach England, trafdort Henry Moore, der ebenfalls von Brancusi beeinflusstworden war. Sie kehrte nach Deutschland zurück und warbis zu ihrem Tod 1977 bildhauerisch, in ihrer Spätphase mitexpressiven Holzarbeiten, tätig. Die Grabstätten von Margund Oskar Moll befinden sich auf dem Zehlendorfer Friedhofin Berlin.Wie viele der in der NS-Zeit verfemten und ver-folgten KünstlerInnen, die umkamen, flohen oder in dieinnere Emigration gingen, gerieten Marg und Oskar Mollnach dem Krieg weitgehend in Vergessenheit. Es ist Zeit sichihrer wieder zu erinnern.

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Bukarest – Architektur und Städtebau im 20.JahrhundertArne Franke

Den Namen der rumänischen, heute etwa 1,7 MillionenEinwohner umfassenden Hauptstadt Bukarest, die in derZwischenkriegszeit als „Paris des Ostens“ oder, gerne auchvon den Bukarestern selbst, „Klein-Paris“ (rum. „Parismicul“) genannt wurde, hörte man nach dem Sturz desCeaucescu-Regimes im Dezember 1989 vor allem imZusammenhang mit balkanischem Chaos, verelendeten undklebstoff-schnüffelnden Straßenkindern, tausenden vonstreunenden Straßenhunden und katastrophalen Zuständenin Krankenhäusern und Kinderheimen. Dachte man an dasStadtbild, so erinnerte man sich fast ausschließlich desmonströs-architektonischen Vermächtnisses des DiktatorsCeaucescu, der große Teile der historischen Stadt zugunsteneiner megalomanen Stadtplanung opferte – und an dieStelle des abgeräumten alten Zentrums einen titanischenPalast platzierte, der, ursprünglich ironisch-euphemistischals „Haus des Volkes“ tituliert, gleichsam als architektoni-sche Metapher für die Jahrzehnte lange Unterdrückung undAusbeutung der rumänischen Bevölkerung steht.Heute – nahezu sechs Jahre nach dem Beitritt Rumänienszur Europäischen Union ist Bukarest nach wie vor weitdavon entfernt, Ziel von Kulturtouristen zu sein. Zwar steu-ern diese die Hauptstadt an, doch nur, um sich vomFlughafen Otopeni in die reizvollen LandesteileSiebenbürgen oder die Maramuresch, zu denMoldauklöstern oder an die Schwarzmeerküste bringen zulassen. Dabei hat die Stadt fast unendlich viele architekto-nische Reize – und wenn man durch die noch historischerhaltenen Quartiere spaziert, allen voran das Handels- oderLipscaniviertel, benannt nach der Leipziger Straße (str.Lipscani), die an die Handelbeziehungen zur sächsischenMessestadt erinnert, so erscheinen doch große Teile desStadtbildes der rumänischen Metropole Bukarest mitteleu-ropäisch verankert – und damit dem Betrachter durchausvertraut.

Dieses westliche Erscheinungsbild der Stadt liegt in derEntwicklung des modernen rumänischen Staates begründet,zu dem sich 1861 zunächst die Donaufürstentümer Moldauund Walachei unter der Führung des Fürsten Alexandru IoanCuza (1820-1873) zusammenschlossen. Nach der erzwun-genen Abdankung des später in Heidelberg gestorbenenFürsten zugunsten des Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen 1866 und seiner Krönung als König Carol I. vonRumänien 1881 wurde Bukarest als Haupt- undResidenzstadt planmäßig ausgebaut. Dabei unterlag dieStadtplanung stark französischen Einflüssen, insbesonderedurch die familiären Kontakte zu Napoleon III, dessen NeffeKönig Carol war. durch den Präfekten und Planer Georges-Eugène Haussmann. So wurden in Bukarest um den unre-gelmäßigen Altstadtkern strahlenförmig verlaufende Alleenangelegt, die miteinander durch kreisrunde Plätze verknüpftwurden. In diese wurde als eine der Hauptachsen die nachNorden führende Ausfallsstraße, die 1878 nach demUnabhängigkeitskrieg gegen die Osmanen „Siegesweg“(Calea Victoriei) genannt wurde, eingebunden. Weiterhinwurde 1871 der von der Altstadt nach Westen führendeBulevardul Regina Elisabeta angelegt, der sogleich mitrepräsentativen Verwaltungsbauten und großen Villenbesetzt wurde und dessen nördliche Begrenzung der schonim späten 18. Jahrhundert geschaffene Cismigiu-Park bilde-te. Um 1900 entstand im Norden die Piaţa Romană alsKnotenpunkt für den west-östlich verlaufenden Lascar-Catargiu-Bulevardul, der ein nobles Wohnviertel mit zumTeil heute noch erhaltenen Villen des Historismus erschloss,

mit dem parallel zur Calea Victoriei von Nord nach Süd ver-laufenden Bulevardul Magheru.In der Altstadt, insbesondere im Bankenviertel, wie in denneu erschlossenen Stadterweiterungen errichtete man nunVerwaltungs- und Wohnbauten in historistischen Formen.Bevorzugt wurden wiederum französische Architekten, wiebeispielsweise der 1843 geborene Paul Gottereau, der u. a.die heute noch erhaltenen Gebäude der 1891 bis 1895gebauten Zentralbibliothek an der Piata Revolutiei sowie die1900 vollendete Spar- und Depositenkasse schuf. Seinkaum weniger bedeutender Landsmann Albert Galleron(1846-1930) vollendete neben der ab 1883 errichtetenNationalbank 1895 das „Athenäum“ – eine doppelgeschossi-ge Konzerthalle mit ausgezeichneter Akustik – Spielstätteder rumänischen Staatsphilharmonie, die längst Weltgeltungerreicht hat. Zunehmend kamen rumänische Architektenhinzu, die an der École des Beaux Arts in Paris studiert hat-ten, wie Alexandru Savulescu (1847-1902), der ab 1894 dasmonumentale neoklassizistische Postpalais, das heutigeHistorische Museum entstehen ließ oder Petre Antonescu(1873-1965), der wenig später das eklektisch-überborden-de Cretulescu-Palais, seit 1972 UNESCO-Zentrum fürHochschulbildung, fertig stellte. Ebenfalls aus dieserEntwicklungslinie stammt Ion Berindei (1871-1928), der ab1902 das üppig – zum Teil bereits in Formen des ArtNouveau – dekorierte Palais für die BojarenfamilieCantacuzino entwarf, das heute als Gheorge-Enescu-Museum öffentlich zugänglich ist. Noch im ersten Drittel deszwanzigsten Jahrhunderts kulminierte der Historismus inForm des Königsschlosses (Palatul Regal), dem heutigenMuzeul National de Arta al României, dessen Umbau 1927bis 1937 in neoklassizistischen Formen nach Entwürfen desArchitekten Nicolae Nenciulescu (1879-1973) realisiertwurde.

Daneben lebte der als explizit rumänische Entwicklung nachdem walachischen Fürsten Constantin Brâncoveanu (1688-1714) benannte Brâncoveanu-Stil wieder auf, der exempla-risch 1892 durch den später für seinen romantischenHistorismus bekannten Ioan Mincu (1852-1912) mit demursprünglich für die Pariser Weltausstellung konzipierten„Büffet am Promenadenweg“ (rum. „Bufetul din ȘoseauaKiseleff“), dem heutigen Restaurant Doina, initiiert wurde.Schon bald begannen sich zahlreiche Architekten vom west-europäisch orientierten Historismus zu lösen und diesenationalkonservative Bauweise weiter zu entwickeln, derenBlüte insbesondere mit der Vereinigung von Siebenbürgen,der Bukowina und Bessarabien 1918 zu einemGroßrumänien begann. Mit dieser historischen Entwicklung,die dem Land einen erheblichen Landgewinn bescherte,erfuhr auch die Hauptstadt Bukarest einen bedeutendenEntwicklungsschub. So vergrößerte sich die Metropole in derZwischenkriegszeit von einer Fläche von 5.600 auf 7.800Hektar – die Bevölkerung stieg von knapp 400.000 auf870.000 Einwohner. Auf die nun notwendig gewordenen Verwaltungsgroßbautenwurden häufig die verspielten Formen des Neo-Brâncoveanu-Stil – auch als Neo-Rumänischer Stil bezeich-net – übertragen, u. a. zu sehen am 1906 von PetreAntonescu errichteten Ministerium für öffentliche Arbeiten,dem heutigen Rathaus, dessen Fassade ebenso mit Loggien,rundbogigen Fenstergruppen und reichem Putzdekor geglie-dert ist, wie auch das 1912 bis 1927 geschaffeneFlügelgebäude der Architekturfakultät der heutigen Ion-Mincu-Universität oder der fast zeitgleichen ehemaligenMarmaroschbank. Zahlreiche neue Quartiere entstanden, die wiederum mitbreiten Straßenzügen erschlossen wurden. So wurde zwi-schen 1936 und 1940 der heute nach dem rumänischenFreiheitskämpfer General Gheorghe Magheru benannte

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Boulevard nach dem Vorbild der Pariser Avenue Henri Martinausgebaut – als parallel zur Achse der Calea Victoriei ver-laufende Verbindung zwischen der Piaţa Romana und derPiata Sf. Gheorghe. An dieser Prachtstraße reihen sich heutedie Inkunabeln der rumänischen Moderne aneinander. Hiererbaute der Vorreiter des Funktionalismus Horia Creanga(1892-1943), der im Frühjahr dieses Jahres mit einer gro-ßen Retrospektive in Bukarest gewürdigt wurde, zwischen1929 bis 1931 das „Patria“ genannte Gebäude der ARO-Versicherung. Dies war der erste Komplex, der mit seinemelfgeschossigen Eckbau die Stadtsilhouette entscheidendveränderte und damit auch die stilistischen Vorgaben derweiteren Gestaltung eines der bemerkenswertestenStraßenzüge der Hauptstadt bestimmte. Vier Jahre späterfolgte in Sichtweite das heute durch Umbauten entstellteBurileanu-Malaxa-Apartmenthaus (Bulevardul Balcescu 35).Sein Auftraggeber war der Großindustrielle Nicolae Malaxa,dessen Schwerindustrie- und Rüstungsimperium vor allemdurch den Lokomotivbau bekannt wurde und für denCreangă an der Bukarester Peripherie einen gewaltigenIndustriekomplex entwarf.

Zu den großen rumänischen Architekten-Persönlichkeitenzählte auch George Matei Cantacuzino (1899-1960), dessenbaugeschichtliche Bedeutung jüngst in einer von DanTeodorovici vorgelegten Dissertation an der UniversitätStuttgart präzise herausgearbeitet wurde. Der in Wiengeborene Cantacuzino, der, wie auch Creanga in Paris stu-diert hatte und sich in Rumänien in den 1920er Jahrenzunächst um die Restaurierung der im NordwestenBukarests liegenden Fürstenresidenz Mogoşoaia verdientgemacht hatte, wurde vor allem durch seine Entwürfe fürHotels und Villen an der Schwarzmeerküste bekannt. SeinOeuvre in Bukarest, in dem er zwischen Neopalladianismusund Funktionalismus schwankt, umfasste neben mehrerenApartmenthäusern das zwischen 1932 und 1934 als höch-stes Gebäude der Stadt entstandene Carlton-Haus, dessenEinsturz während des großen Erdbebens 1940 zahlreicheMenschen mit in den Tod riss.

Ein weiterer Wegbereiter der rumänischen Moderne ist derArchitekt Marcel Iancu (1895-1984), der in Zürich studierteund als einer der Mitbegründer des Dadaismus gilt, da er1916 mit Hans Arp und weiteren Künstlern das berühmteCabaret Voltaire eröffnete. Neben der Herausgabe desMagazins „Contimpuranul“, einem der wichtigsten rumäni-schen Sprachorgane für zeitgenössische Kunst, konzipierteer in der Hauptstadt zahlreiche Villen und kleinereApartmenthäuser, bis er 1941, getrieben durch die zuneh-mend-antisemitische Stimmung in Rumänien, nach Israelauswanderte. Auch ein bedeutender deutscher Architekt darf imZusammenhang mit der Moderne in Bukarest nicht verges-sen werden – der aus Oberschlesien stammende RudolfFraenkel (1901-1974), der mit seinem Frühwerk, derErrichtung der Gartenstadt Atlantic in Berlin im Verein mitdem weltberühmten Kino „Lichtburg“ europaweit Beachtungfand. Als jüdischer Bürger emigrierte er 1933 nach Bukarestund setzte dort seinen Erfolg als innovativer Architekt fort.Dort konnte er kurz nach seiner Ankunft bereits dieEntwürfe für ein zehngeschossiges Versicherungshochhausder „Adriatica Asigurarea“ realisieren – zwischen 1935 und1937 entstand neben etlichen Fabrikgebäuden und Villendas Kino Scala (Bulevardul Magheru), das in der abgerun-deten Linienführung Reminiszenzen an Bauten seinesLehrers Erich Mendelssohn erkennen lässt. Neben der Blockrandbebauung der großen Boulevards mitfunktionalistischen Großbauten entwickelten sich inBukarest zudem geschlossene Stadtviertel mit Ein- und

Zweifamilienhäusern des neuen Bauens, ganz ähnlich, wieder Deutsche Werkbund sie in Stuttgart 1927 oder Breslau1929, die tschechische Sektion 1928 in Brünn oder 1932 inPrag initiiert hatten, allerdings weitgehend ohne experimen-tellen Charakter. Eine dieser Siedlungen befindet sich imnordöstlichen Stadtteil Vatra Luminoasă. Hier wurde zwi-schen 1933 und 1939 eine Beamtensiedlung mit 190 Ein-und Mehrfamilienhäusern angelegt, von denen heute nochetliche ihr historisches Erscheinungsbild bewahrt haben.

Mit dem Erstarken konservativer Kräfte in der rumänischenRegierung und dem Beginn der Königsdiktatur, verbundenmit dem Aufstieg des Generals und späteren „Conducator“(Führer) Ion Antonescu kam es in den späten 1930er Jahrenin der Architektur bald zur völligen Abkehr vomFunktionalismus zu einem erneut national geprägtenNeoklassizismus – so realisiert im heutigen Regierungssitzan der Piata Victoriei, der 1937 bis 1944 von Duiliu Marcu(1885-1966) mit einer monumentalen Säulenhalle alsAußenministerium geplant wurde oder der ebenfalls von ihm1937 an der Piata Eroilor konzipierten Militärakademie.

Die Zäsur des Kriegsendes war für das Baugeschehen in derHauptstadt ohne größere Bedeutung. Allerdings wurden nundie sowjetischen Einflüsse schnell sichtbar, deren stalinisti-scher „Zuckerbäckerstil“, oder besser "SozialistischerRealismus“ auch hier Einzug hielt. So entstand, gewisser-maßen als sowjetisch-ideologisches Vermächtnis, das 1956von Horia Maicu (1905-1975) vollendete Pressezentrum(Casa Presei Libere), mit dem stilistisch auf den 1947begonnenen Bau der Lomonossow-Universtität in Moskaureagiert wurde und so mit ähnlichen Danaergeschenken inanderen sozialistischen Staaten vergleichbar ist, wie bei-spielsweise dem Kulturpalast in Warschau (1952-1956) oderdem Hotel Druzba (1952-1954), dem heutigen „CrownePlaza“ in Prag. Bereits in den 1960er Jahren begann die Architektur, sichwieder der Sachlichkeit, dem Internationalen Stil anzunä-hern. Als spektakuläre öffentliche Bauten entstanden bei-spielsweise der zentrale Ausstellungspavillon der heutigenROMExpo an der Piata Presei Libere, 1960 bis 1963 nachEntwürfen des Architektenkollektivs Ascanio Damian, MirceaEnescu u. a. erbaut, die kühn geschwungene Kuppel des1960 fertiggestellten Staatszirkus von Nicolae Porumbescu(1919-1999) und Kollegen, sowie auch die an denKönigspalast im gleichen Jahr angebaute Kongresshalle(Sala Palatului) von Horia Maicu, Tiberiu Ricci und IgnaceSerban.

Rumänien, das sich nach dem Tod des sowjetuniontreuenGheorghiu-Dej unter dem neuen Regierungschef NicolaeCeausescu zunehmend vom Sozialismus sowjetischerPrägung abgrenzte, einen eigenen politischen Weg ging undin der Anfangszeit noch viel Anerkennung im Westen ernte-te, entwickelte auch seine Architektur in westlicherAusrichtung weiter. Ein im Stadtbild weithin sichtbarerIndikator dafür ist das ab 1968 von einer Architektengruppeum Dinu Hariton begonnene, mit 20 Stockwerken höchsteGebäude der Stadt, das Hotel Intercontinental, das mit demvier Jahre zuvor erbauten Nationaltheater ein heterogen-modernes Ensemble bildet.Eine katastrophale städtebauliche Zäsur setzte das großeErdbeben vom 4. März 1977, das nicht nur viele Menschentötete und 35 Gebäude der Innenstadt zusammenbrechenließ, sondern gewissermaßen Initialzündung für einen radi-kalen Stadtumbau war. Dieser wurde als sogenannte„Systematisierung“ (rum. Sistematizire) durchgeführt,einem 1974 durch das Parlament verabschiedetenProgramm, mit dem in den landwirtschaftlich geprägten

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Regionen des Landes dörfliche Strukturen und traditionelleWohnformen beseitigt werden – und statt dessen neueagro-industrielle Zentren mit großen Wohnblockquartierenentstehen sollten. In der Hauptstadt wurde dieses Prinziperstmals umgesetzt, indem rund ein Fünftel der histori-schen, vom Erdbeben weitgehend unversehrten Altstadtbeseitigt und mehr als 40.000 Bewohner zwangsumgesie-delt wurden. Diese radikale Stadtsanierung ging einher mitdem Abbruch zahlreicher bedeutender Baudenkmale, wiedem befestigten Mihai-Vodă-Kloster des 16. Jahrhunderts,von dem lediglich die translozierte Kirche erhalten blieb,weiteren Klöstern, Kirchen, Synagogen sowie demMilitärmuseum und dem Nationalarchiv.Errichtet wurde hier das gigantische „Haus des Volkes“(Casa poporului), der heutige Parlamentspalast, der mitmehr als 300.000 Quadratmetern Nutzfläche als zweitgröß-tes Gebäude nach dem Pentagon in Washington gilt. Der1983 begonnene neoklassizistische Koloss entstand unterder Leitung der Hauptarchitektin Anca Petrescu, die ein Heervon etwa 700 weiteren Architekten, Bauingenieuren undStatikern sowie etwa 20.000 Bauarbeiter koordinierte. Dermonströse Baukomplex, von dem bis heute große Teileungenutzt sind, ist zudem architektonischer Auftakt für diehistorische Stadtquartiere rücksichtslos zerschneidende,rund vier Kilometer lange Straßenachse des „Boulevard desSieges des Sozialismus“ – heute „Boulevard der Einheit“(Bulevardul Unirii). Diese orientierte sich in ihrerAusdehnung an den Pariser „Avenue Champs Elysees“, waraber rund zwei Kilometer länger und um einen halben Meterbreiter als diese konzipiert. An ihren Flanken wurde eine biszu achtgeschossige, durch abgerundete Eckpavillons akzen-tuierte Blockrandbebauung mit postmodernen Fassadenkonzipiert, die Heim für Tausende vonRegierungsangehörigen werden sollte. Heute werden dierealisierten Wohneinheiten des westlichen, knapp 1,5Kilometer langen Straßenabschnitts zunehmend als teureEigentumswohnungen privatisiert. Hinter den Wohnblöckenjedoch befinden sich großflächige Geländebrachen, stehenleerstehende Halbruinen älterer Bebauung, ins Nichts lau-fende Straßenfragmente, die an die ursprünglicheStraßenführung der beseitigten Quartiere erinnern – undeinige denkmalgeschützte Baudenkmale, die wie hineinge-schobene Kulissenbauten die Wunden dieses katastrophalenStadtumbaues ein wenig kompensieren.

Nach 1989 entwickelte sich die Stadt fast ohne größereUnterbrechung weiter, wobei im Zentrum und angrenzendenBereichen viele Baugrundstücke freigeräumt wurden. Esentstanden etliche innovative Neubauten, die den raschenAnschluss der Architektur an internationale Entwicklungenzeigen. Eines der interessantesten realisierten Projekte istvielleicht das Hochhaus des rumänischenArchitektenverbandes (UAR) am Rande der Piata Revoluiei,das in die Ruine einer in den Revolutionswirren am 22.Dezember 1989 gänzlich ausgebrannten eklektizistischenVilla integriert wurde. Heute wächst aus diesem konservier-ten Mahnmal eine etwa dreißig Meter hohe prismatischeStahl-Glas-Konstruktion, die das geschundene Bauwerk mitden heutigen Zeitströmungen eindrucksvoll vereint. Leider gibt es aber auch zunehmend weniger glücklicheNeubauvorhaben, insbesondere seitdem derWirtschaftsdruck auf Stadtplaner und Denkmalschützer inder Metropole beständig wächst. Nach wie vor beherrschenpolitische Ränkespiele und Korruption auch dieStadtentwicklung – nur so ist beispielsweise die Errichtungdes 19-geschossigen „Cathedral-Plaza“-Bürohochhausesunmittelbar neben der vom Wiener Architekten Friedrichvon Schmidt (1825-1891) erbauten katholischen Kathedralezu verstehen. Zunehmend werden auch Grundstücke zur

Neubebauung freigegeben, auf denen nach wie vor einge-tragene Baudenkmale stehen – eine Studie der „RomanianPresidential Commission for Natural and HistoricalPatrimony“ weist nach, dass die neueren Zerstörungen anhistorischer Bausubstanz bereits die Vernichtung anBaudenkmälern während des Ceauşescu-Regimes übertref-fen. Allen zuletzt beschriebenen Bausünden und den historischenBrüchen zum Trotz ist Bukarest nicht nur aus architektoni-scher Sicht, eine der faszinierendsten und schillerndstenMetropolen Südosteuropas, die weit mehr Aufmerksamkeitverdient hätte, als sie bis heute erhält.

In diesem Zusammenhang:Eine auch für kulturinteressierte „Nichtarchitekten” offeneStädtereise der Berliner Architektenkammer. Neben demBesichtigungsprogramm zu den oben erwähnten Bauten,Straßen und Plätzen werden interessante Begegnungen mitrumänischen Architekten und Wissenschaftlern dasProgramm bereichern.Leitung: Arne Franke, Kunsthistoriker und DenkmalpflegerWeitere Informationen: Architektenkammer Berlin, Referat Aus- und FortbildungFax: (030) 29 33 07-16mail: [email protected]: http://www.ak-berlin.de

Kurz notiert

Erste DAAD-Dozentur für deutsche Forschung in derSlowakeiAm Institut für Germanistik, Niederlandistik undSkandinavistik der Comenius Universität inBratislava/Pressburg wurde erst im Herbst 2012 eine neueDozentur für germanistische Medien undKommunikationswissenschaften eingerichtet.

EUROPEAN ASSOCIATION FOR THEATRE CULTUREAKT-ZENT INTERNATIONALES THEATERZENTRUMInternational Directors’ and Trainers’ ColloquiumEthik und Theater von Stanislawskij bis heute/ Leitung: Dr.Jurij AlschitzBerlin: 3. – 8.1. Informationen/ Bewerbungen: www.theatreculture.org

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SIBIRIEN REISEN 2013

Neben der 4-tägigen Kreuzfahrt auf dem Baikalsee (u.a.)

führt die Altaireise diesmal auch zum Südufer des

Telezker Sees mit seinen bizarren Felsformationen und

den berühmten skythischen Kultstätten.

www.baikal-altai.de

Reisen 2013BUKAREST23.4. – 27.4.

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NOTABENE

Ausschreibung -Poesie verbindet – mein LieblingsgedichtZum zweiten Mal fragen die Literaturwerkstatt Berlin unddie EVENS-Stiftung Kinder und Jugendliche nach ihremLieblingsgedicht und nach den Geschichten, die dahinterstehen. Die schönsten Geschichten werden verfilmt. DerWettbewerb findet parallel auch in Polen und Bulgarien statt. Adressaten: Schüler im Alter von 8-19 Jahren Einsendeschluss ist 21.1.2013Geplant ist auch ein Kurzfilm über die Gewinner: ihrenAlltag und ihre Träume.„Poesie verbindet“ ist ein Projekt der EVENS-Stiftung undhatte seinen Ursprung 2006 in Polen. Informationen/ Bewerbungsmodalitäten: www.literaturwerkstatt.orgwww.evensfoundation.be

Ausschreibung -Projektförderung 2013durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg/Fachbereich Kultur und GeschichteDie Förderung dient der weiteren Ausprägung von kulturel-ler Vielfalt im Bezirk sowie der Stärkung der interkulturellenKulturarbeit, wobei soziokulturelle Projekte mit den Mittelnder Kunst in besonderer Weise Berücksichtigung finden.Adressaten sind Spielstätten, soziokulturelle Zentren,Projekträume und Museen im Bezirk in Kooperation mitKünstler/innen und freien Gruppen und umgekehrt.Künstler/innen und freie Gruppen werden ausdrücklich auf-gefordert, mit den Kultureinrichtungen zu koope- rieren.Der Durchführungszeitraum beantragter Projekte umfasstMärz bis Dezember 2013. Bewerbungsfrist: 15.1.2013Informationen/ Bewerbungsmodalitäten: www.kulturamt-friedrichshain-kreuzberg.de

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Newsletter des Deutschen Kulturforums östliches EuropaDas Deutsche Kulturforum östliches Europa engagiert sich für eine kritische und zukunftsorientierteAuseinandersetzung mit der Geschichte jener Gebiete im östlichen Europa, in denen früher Deutsche gelebt habenbzw. heute noch leben. Im Dialog mit Partnern aus Mittel- und Osteuropa will das Kulturforum die Geschichte dieserRegionen als verbindendes Erbe der Deutschen und ihrer östlichen Nachbarn entdecken und einem breiten Publikumanschaulich vermitteln. Der Newsletter informiert Sie über neue Beiträge auf der Website des Kulturforums, insbesondere zum Arbeitsgebietdes Kulturforums www.kulturforum.info: • redaktionelle BeiträgeBerichte aus Wissenschaft und Forschung, Essays, Pressestimmen, Reportagen, Rezensionen, Veranstaltungsberichte,Vortragsmanuskripte und anderes mehr• VeranstaltungenInformationen über Veranstaltungen zum Arbeitsgebiet des Kulturforums• TV/Radio-TippsInformationen zu Fernseh- und Radiosendungen deutschsprachiger Sendeanstalten • NeuerscheinungenNeue Publikationen des Kulturforums/ Buchtipps zur Neuerscheinungen Anmeldung zum Newsletter unter:http://www.dkf-moe.de/x/FMPro?-db=dkf01.fp5&-format=formmailer.html&-view

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