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Tintling: Herr Professor Lelley, Sie sind Inhaber und Geschäftsführer der GAMU. Wofür steht das Kürzel GAMU? Lelley: Das Kürzel GAMU steht für „Gesellschaft für angewandte Mykologie und Umweltstudien“ Tintling: Wie lange gibt es die GAMU schon? Lelley: Die Gesellschaft wurde im August 1993 gegründet, 1997 erfolgte die Übernahme der Ver- suchsanstalt für Pilzanbau der Landwirtschafts- kammer Rheinland. Tintling: Was genau macht die GAMU? Lelley: In der heutigen Funktion ist es ein deut- sches Kompetenzzentrum für angewandte Myko- logie (Pilzkunde) mit Schwerpunkt Großpilze (Makromyceten). Tintling: Mit welchen Aufgaben und Zielen? Lelley: Wissen auf dem Feld der ange- wandten Mykologie zu generieren, zu re- cherchieren, zu sichten, zu verdichten und zu kommunizieren. Tintling: Wie würden Sie stichpunktartig Ihre aktuelle Tätigkeit umreißen? Lelley: Entwicklung, Erzeugung und Ver- trieb von Nahrungsergänzungsmitteln auf der Grundlage von Pilzkomponenten. Entwicklung der Kulturtechnologie von Nutzpil- zen, Erzeugung und Vertrieb von Pilzbrut. Unterhaltung einer Pilzkulturensammlung, Ver- trieb von Pilzreinkulturen. Durchführung von Informationsveranstaltungen und Seminaren. Tintling: Wieviele Leute arbeiten in Ihrem Team? Lelley: Mit und für die GAMU arbeiten zurzeit 10 Personen. Tintling: Welcher Trend zeichnet sich in der Welt der Kulturspeisepilze ab? Haben Champignons immer noch einen Löwenanteil von 90% oder holen die anderen kultivierbaren Pilzarten auf? Lelley: Es zeichnen sich klar folgende Entwick- lungen ab: Die Anzahl der kultivierten Speisepil- ze nimmt zu. Die Bedeutung des Kulturchampig- nons nimmt weltweit relativ ab, die des Shii-take und des Austernpilzes nimmt zu. Großpilze werden zunehmend auch für andere Zwecke als für den Verzehr kultiviert. Der Schwerpunkt der Pilzkultivierung aber auch die der Pilzfor- schung verlagert sich aus der westlichen Hemisphäre nach Asien, insbesondere nach Osta- sien, ganz speziell nach China. Tintling: Hätten Sie ein paar aktuelle Werte pa- rat? 3 (2006) Seite 24 Dialog mit Prof. Dr. Jan I. Lelley Betriebsstätte der GAMU in Krefeld, Großhüttenhof Mehr darüber auf der Homepage www.gamu.de Fotos: GAMU

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Tintling: Herr Professor Lelley, Sie sind Inhaberund Geschäftsführer der GAMU. Wofür steht dasKürzel GAMU? Lelley: Das Kürzel GAMU steht für „Gesellschaftfür angewandte Mykologie und Umweltstudien“ Tintling: Wie lange gibt es die GAMU schon? Lelley: Die Gesellschaft wurde im August 1993gegründet, 1997 erfolgte die Übernahme der Ver-suchsanstalt für Pilzanbau der Landwirtschafts-kammer Rheinland. Tintling: Was genau macht die GAMU? Lelley: In der heutigen Funktion ist es ein deut-sches Kompetenzzentrum für angewandte Myko-logie (Pilzkunde) mit Schwerpunkt Großpilze(Makromyceten). Tintling: Mit welchen Aufgaben und Zielen? Lelley: Wissen auf dem Feld der ange-wandten Mykologie zu generieren, zu re-cherchieren, zu sichten, zu verdichtenund zu kommunizieren.Tintling: Wie würden Sie stichpunktartigIhre aktuelle Tätigkeit umreißen? Lelley: Entwicklung, Erzeugung und Ver-

trieb von Nahrungsergänzungsmitteln auf derGrundlage von Pilzkomponenten. Entwicklung der Kulturtechnologie von Nutzpil-zen, Erzeugung und Vertrieb von Pilzbrut. Unterhaltung einer Pilzkulturensammlung, Ver-trieb von Pilzreinkulturen. Durchführung von Informationsveranstaltungenund Seminaren. Tintling: Wieviele Leute arbeiten in Ihrem Team? Lelley: Mit und für die GAMU arbeiten zurzeit 10Personen. Tintling: Welcher Trend zeichnet sich in der Weltder Kulturspeisepilze ab? Haben Champignonsimmer noch einen Löwenanteil von 90% oderholen die anderen kultivierbaren Pilzarten auf? Lelley: Es zeichnen sich klar folgende Entwick-lungen ab: Die Anzahl der kultivierten Speisepil-ze nimmt zu. Die Bedeutung des Kulturchampig-nons nimmt weltweit relativ ab, die des Shii-takeund des Austernpilzes nimmt zu. Großpilze werden zunehmend auch für andereZwecke als für den Verzehr kultiviert. Der Schwerpunkt der Pilzkultivierung aber auch

die der Pilzfor-schung verlagert

sich aus der westlichenHemisphäre nach Asien,insbesondere nach Osta-sien, ganz speziell nachChina. Tintling: Hätten Sie einpaar aktuelle Werte pa-rat?

3 (2006) Seite 24

Dialog mit Prof. Dr. Jan I. Lelley

Betriebsstätteder GAMU in

Krefeld,GroßhüttenhofMehr darüber

auf der Homepage

www.gamu.de Fotos: GAMU

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Lelley: Ja, hier einige Zahlen aus China: 46

Tintling: Sie verwenden die Begriffe„Großpilze“ und "Nutzpilze". Was ist dar-unter zu verstehen? Lelley: Großpilze (Makromyceten) werdennach dem bekannten Mykologen, ProfessorS.T. Chang, ehemaliger Direktor des De-partment of Biology der Chinesischen Uni-versität von Hong Kong,wie folgt charakterisiert:Großpilze besitzen einenklar differenzierten Frucht-körper, der groß genug ist,um ihn mit bloßen Augenzu sehen und mit derHand zu pflücken. Siegehören der Abteilung derBasidiomyceten und derAscomyceten an. IhreFruchtkörper bilden Groß-pilze oberirdisch oder un-terirdisch aus, wobei der Fruchtkör-per fleischig oder dünn, essbar, un-genießbar, sogar auch giftig seinkann. Die Gruppe der Großpilze bildetsomit keine systematische Einheit.Ihre Definition ist vielmehr • gren-zübergreifend • an bestimmtenäußeren Merkmalen orientiert und• von der Zielsetzung einer wirtschaftlichen Ver-wertbarkeit geprägt. Nun bin ich der Auffassung,dass wir noch einen Schritt weiter gehen müssen.Nicht jeder Großpilz ist für uns von Interesse,sondern hauptsächlich solche, die für die Men-schen nützlich sind oder nutzbar gemacht wer-den könnten. Es sind die Nutzpilze unter denGroßpilzen. Tintling: Wie würden Sie den Begriff „Nutzpilz“definieren? Lelley: Den Begriff „Nutzpilz“ habe ich zur Er-gänzung des Begriffs „Großpilz“ formuliert unddazu ist folgendes zu sagen: Großpilze, die ganzoder in Teilen (Myzel, Fruchtkörper oder beide)einem wirtschaftlichen oder gesellschaftlichenNutzen zugeführt werden können, gelten alsNutzpilze. Nutzpilze sind alle kultivierten Groß-pilze und einige Wildpilze von wirtschaftlicherBedeutung. Tintling: Welche Möglichkeiten bieten „Nutzpil-ze“? Lelley: Die bereits erkannten und teilweise aucherforschten Nutzungsmöglichkeiten der Großpil-

ze sind:Die Um-wandlungland- undforstwirt-schaftlichenReststoffe(Biokonver-sion) zwecksNahrungs-

und Futtermittelerzeugung Bei Waldschutzmaßnahmenund Einzelbaumbehandlung(Ektomykorrhiza). Für dieKrankheitsvorbeugung undTherapie. In der Umwelt-technik. Nutzpilze sind dem-nach solche Großpilze, die

dem Menschen undder Umwelt Vorteilebringen (vgl. Nutz-pflanzen, Nutztie-re). Um die Mög-lichkeiten, die unsNutzpilze bieten,ausschöpfen zukönnen, ist die vor-dringlichste Aufga-be der angewandtenMykologie den An-

bau, die Kultivierung oder Vermehrung der Nutz-pilze zu erforschen, zu entwickeln und die Tech-nologien zu etablieren. Tintling: Sind die mühsam erforschten optimalenZusammensetzungen eines Kultursubstrates eingut gehütetes Betriebsgeheimnis? Lelley: Es ist in der Tat so, wenn jemand über ei-ne gut funktionierende Substratrezeptur für einenseltener kultivierten Nutzpilz verfügt, dann wirddiese Rezeptur als Geheimnis gehütet. Dies trifftaber nicht für den Champignon zu. Beim Kul-turchampignon ist weniger die Substratrezepturdas Spannende als die Art und Weise des Fer-mentationsprozesses, womit das Substrat opti-miert wird. Eine gut funktionierende Rezeptur fürden Kräuterseitling (Pleurotus eryngii) würde mananderen dagegen nicht verraten. Tintling: So manche saprobiontisch lebende Pilz-art widersetzt sich bislang beharrlich allen Kulti-vierungsversuchen, wie z.B. der RauchblättrigeSchwefelkopf. Auch der Eichhase ziert sich nochetwas. Wie verhalten sich die beiden denn bei Ih-nen?

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Lelley: Mit der Kultivierung des RauchblättrigenSchwelkopfs und des Eichhasen habe ich michbisher nicht beschäftigt. Soweit mir bekannt ist,zählt der Schwefelkopf zu den obligaten Sapro-phyten. Deshalb halte ich es für möglich, dassman diesen Pilz in einer Sterilkultur, bestehendaus Nadelholzsägemehl und z.B. Weizenkleie alsZuschlagstoff, zum Wachsen bringen könnte.

Beim Eichhasen, der sowohl als Parasit als auchals Saprophyt gilt, sehe ich mehr Probleme, ähn-lich wie beim Hallimasch. Tintling: Dann frage ich mal andersherum: Vonwelchen widerspenstigen Arten werden Sie dennherausgefordert? Lelley: Zuletzt wurden wir vom Klapper-schwamm (Grifola frondosa) herausgefordert.Dank auch der Unterstützung der Zeitschrift „DerTintling“ gelang es uns eine größere Anzahl Iso-late von Grifola frondosa zu gewinnen. Hinzugekommen sind noch einige Isolate aus Ungarnund den USA. Mit insgesamt 25 Isolaten habenwir Kultivierungsversuche durchgeführt und da-bei auch recht ertragreiche Isolate gefunden. Mo-mentan arbeiten wir mit Ganoderma pfeifferi undAgaricus brasiliensis und versuchen diese für be-

stimmte Therapiemaßnahmenwertvollen Pilze zu kultivieren. Tintling: Kultivieren Sie auch Ar-ten der Gattung Macrocybe? Lelley: Nein, „Macrocybe“ istbei uns kein Thema. Tintling: Welchen Forschungs-aufwand betreiben Sie heute? Lelley: Nach der Schließung derVersuchsanstalt für Pilzanbauund Übernahme der Einrichtungdurch die GAMU, blieb uns kei-ne andere Wahl, als unsere For-schungsbemühungen wegender fehlenden Finanzen dra-stisch zu reduzieren. Forschungist teuer und alles was wir in For-schung investieren, müssen wirzuerst verdienen. Wir unterhal-ten das Institut ausschließlich

aus unseren Einnahmen. Wie schwierig es ist, auf unserem Sektor Geldzu verdienen, möchte ich an dieser Stelle nichtnäher erörtern. Ich erinnere mich jedoch an ei-nen Beitrag in „Der Tintling“, in dem meine

Bemühungen, Pilze als Heilmittel zu etablieren,ziemlich verrissen wurden. Fakt ist, dass wir heu-te mit Abmahngesellschaften und auch mitBehörden zu kämpfen haben, die derartige Akti-vitäten – mit abnehmender Tendenz - zu verhin-dern suchen. Im Laufe der Jahre wurden deshalbmanche Gerichtsprozesse durchgefochten. Tintling: Warum und mit welcher Konsequenz?

Blick in die Laborräume der GAMU. Links Laborleiterin Astrid May

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Lelley: Wir haben eingroßes Problem mitden so genannten„Medizinalpilzen“.Ich benutze mittler-weile nicht einmaldas Wort „Heilpilz“,sondern spreche vonPilzen, die auch Heilkraft haben. Ähnlich wie To-mate, Knoblauch, Spargel etc. Behörden und Ab-mahngesellschaften haben sich in letzter Zeit aufdiese Pilze gestürzt und es hagelt nur so von Ab-mahnungen, einstweiligen Verfügungen und Ver-boten. Für Abmahngesellschaften ist das Themaein gutes Geschäft. Andere Gegner werden – wiemir eine Abgeordnete des Europäischen Parla-ments, die mit dem Thema befasst ist und es wis-sen müsste, versicherte – von der Lobby der Phar-maindustrie gesteuert. Entweder wird unterstellt,dass man verbotener Weise mit nicht zugelasse-nen Arzneimitteln hantiert, oder – wie beim Ga-noderma lucidum – wird behauptet, er sei NovelFood, also vor dem 15. Mai 1997 in der EU un-bekannt. Tintling: Ganoderma lucidum als „Novel Food“..Na dann Guten Appetit... Lelley: Fakt ist, dass in Zusammenhang mit denPilzen mit Heilwirkung keine therapeutischenAussagen gemacht werden dürfen, wenn man siein der Kategorie „Lebensmittel“ ansiedeln will.Unabhängig davon ist ebenfalls Fakt, dass es kei-ne internationale wissenschaftliche Veranstaltungüber Nutzpilze stattfindet, wo nicht das Themamedicinal mushrooms einen breiten Raum ein-nehmen würde. Seit 2001 finden alle zwei Jahreinternationale Konferenzen speziell zum Themamedicinal mushrooms statt. Seit Ende der 90erJahre gibt es eine in New York publizierte Zeit-schrift mit dem Titel „International Journal of Me-dicinal Mushrooms“ .Das Thema ist also nicht mehr zu ersticken odertotzuschweigen. Tintling: Wie gehen Sie selbst und Ihre Fachkol-

legen mit den drohenden Abmahnungen um? Lelley: Heute werden Pilze wie Lentinula edodes,Ganoderma lucidum, Grifola frondosa, Hericiumerinaceus u.a. nicht mehr als Heilpilze definiert,sondern als Nahrungsmittel mit Heilkraft – ähn-lich wie Knoblauch, Spargel, Tomate u.a. Die La-ge klärt sich, die Emotionen beruhigen sich undwir geraten in ruhiges Fahrwasser. Tintling: Könnten Sie uns Ihren persönlichenStandpunkt zum Thema „Medizinalpilze“ erläu-tern? Lelley: Über die antikarzinogene Wirkung desShii-take haben Japanische Forscher bereits Endeder 60-er Jahre publiziert. Als ich 1974 zu eineminternationalen Kongress in Japan war, haben wirdort viele Informationen zu diesem Thema erhal-ten. Inzwischen wies man auch bei anderen Pil-zen (Grifola frondosa, Agaricus brasiliensis, Gan-oderma lucidum, Agaricus bisporus) eine solcheWirkung nach. Fast wöchentlich erscheinen inder wissenschaftlichen Fachliteratur weitere ein-schlägige Publikationen. Es handelt sich hierbeijedoch nicht um eine direkte Wirkung auf dieKrebszellen! Es handelt sich um eine Immunmo-dulierende Wirkung. Mit anderen Worten, be-stimmte Inhaltstoffe der Pilze – es sind primär diePolysacharide – nachweislich das körpereigeneAbwehrsystem aktivieren, worauf hin die Patien-ten den oft sehr drastischen, immunsupressivenEffekt einer Chemotherapie besser vertragen. Inmanchen Fällen ist auch eine Rückbildung vonKrebs oder eine Nichtverbreitung von Metastasender Aktivität dieser Polysachariden zugeschrie-ben worden. Tintling: Wie hoch wäre die erforderliche Dosis

Der Mandelegerling(Agaricus blazei)wird neuerdings

nach denUntersuchungen

von Solomon Was-ser Agaricus brasili-

ensis genannt.Fotos: GAMU

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oder wie wäre die Darreichungsform? Lelley: In der TCM (traditionelle chinesische Me-dizin), die verschiedene Pilze einsetzt, werdenTagesdosen von 6-9 g Trockenpilze genannt. AufFrischgewicht umgerechnet sind es ca. 60-90 gFrischpilze. Wenn jemand an die positive Wir-kung der Pilzinhaltstoffe glaubt, müsste täglich60-90 g Pilze, und zwar für Monate, verzehren.Das ist niemanden zuzumuten. Deshalb ist es nurfolgerichtig, dass die gewünschten Pilze getrock-net, gemahlen, in Tabletten gepresst zur Verfü-gung gestellt werden, um den Verzehr der tägli-chen Pilznahrung zu erleichtern. In akuten Fäl-len, wenn es besondere auf die immunaktivie-

rende Wirkung der Pilzpolysacharide ankommt,ist es vorteilhaft, die Pilzextrakte einzunehmen,die meistens in Kapseln angeboten werden. Die-se Produkte bestehen zu 25-35 % aus den Poly-sachariden, wobei das Verhältnis Frischpilz zuPilzextrakt im Durchschnitt 100 : 1 beträgt. EineKapsel enthält in der Regel 250 mg Pilzextrakt,eine Menge, die sonst in ca. 25 g Frischpilzenenthalten ist. Tintling: Gibt es Pilzarten, die Sie forciert kulti-vieren? Lelley: Wir kultivieren keine Pilze forciert, son-dern erledigen Untersuchungs- und Forschungs-aufträge Dritter. Momentan kultivieren wir ver-

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Anfrage an die Leser des „Tintling“

Der Glänzende Lackporling (Ganoderma luci-dum) geriet in Deutschland als vermeintlicheArzneidroge immer mehr in den Mittelpunkt desInteresses. Fußend auf Überlieferungen aus dertraditionellen chinesischen Medizin (TCM), aberauch auf wissenschaftlichen Untersuchungen,werden Zubereitungen aus dem GlänzendenLackporling von Ärzten, Heilpraktikern undSelbsthilfegruppen zur Krankheitsvorbeugungund Therapie eingesetzt. Der Rohstoff für dieseZubereitungen wird überwiegend aus Ostasienimportiert. Bekanntlich kommt der Glänzende Lackporlingauch in Deutschland vor. Edmund Michael be-schrieb ihn in seinem Werk “Führer für Pilzfreun-de“, Band 3 als Lack-Porling (Fomes lúcidus) be-reits im Jahre 1905. Die Autoren fast aller späte-ren Pilzführer gehen auf ihn ein. Vor wenigen Jahren haben wir, mit Unterstützungvom „Tintling“, eine Sammelaktion für den Glän-zenden Lackporling mit dem Ziel durchgeführt,von möglichst vielen Orten Fruchtkörper zu er-halten. Die Fruchtkörper dienten der Anlage vonReinkulturen auf Nährmedium, der Vermehrungdes Myzels und der Durchführung von Kultivie-rungsexperimenten. Uns interessiert die Frage,ob es Unterschiede in den physiologischen undkulturtechnischen Eigenschaften zwischen denPilzisolaten von verschiedenen Herkünften gibt.Solche Unterschiede haben wir bereits feststellenkönnen. Leider erhielten wir damals insgesamt nur vierFruchtkörper, aus denen wir Reinkulturen her-stellen konnten. Sofern war unser Ausgangsmate-rial recht bescheiden. Aus diesem Grund möch-ten wir diese Sammelaktion wiederholen. Heute bitte ich Sie – liebe Pilzfreunde – erneut,halten Sie Ausschau nach Fruchtkörpern des

Glänzenden Lackporlings und schicken Sie unsmit der Post die gefundenen Fruchtkörper zwecksUntersuchung zu. Wenn der Glänzende Lack-porling einmal so wertvoll für unsere Gesundheitist, wovon ich übrigens persönlich überzeugt bin,dann könnten wir den Rohstoff auch hierzulan-de, aus deutschen Lackporlingen produzieren,vorausgesetzt, dass es uns gelingt, einen wüchsi-gen, ertragreichen Stamm zu isolieren und zuvermehren. Wenn Sie uns in diesem Bemühen helfen wollen,dann senden Sie bitte Ihren Pilzfund an folgendeAnschrift: GAMU, Institut für Pilzforschung,z.Hd. Prof. Dr. Jan I. Lelley, Hüttenallee 241,47800 Krefeld Schicken Sie bitte mit dem Pilzfund unbedingtfolgende Angaben mit: Datum des Fundes, Stan-dort, Wirtsbaum Vergessen Sie bitte nicht Ihren Namen und Ihregenaue Anschrift anzugeben, da wir für jede Ein-sendung als kleine Entschädigung für Mühe undKosten 35,- € vergüten. Außer möglichst vielen Glänzenden LackporlingFruchtkörpern bitte ich alle Mykologen um Un-terstützung bei der Klärung folgender Fragen: =Gibt es Informationen darüber, ob man in

Deutschland den Glänzenden Lackporling(oder Flachen Lackporling) früher in der Volks-heilkunde oder als Arzneidroge verwendet hat?

=Gibt es Informationen darüber, ob man inDeutschland (oder sonst in Europa) den Glän-zenden Lackporling als Grundlage oder Be-standteil von irgendeinem Nahrungsmittel oderGenussmittel (z.B. Tee, Kräuterlikör etc.) ver-wendet?

Ihre Unterstützung ist mir sehr wertvoll und ichfreue mich auf zahlreiche Antworten.

Mit freundlichen Grüßen, Prof. Dr. Jan I. Lelley

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schiedene Isolate von Agaricus blazei (A brasiliensis) und Coprinuscomatus im Auftrage einer ausländischen Interessengruppe. Ferner

kultivieren wir Ganoderma pfeifferi für Untersuchungen an derUniversität Greifswald. Alle drei Arten gelten als Pilze mit hoch-interessanten Heilwirkungen und diese zu studieren ist auch dasZiel unserer Aufraggeber. Einige Kulturen von Ganoderma lucidum halten wir, weil siesehr dekorativ sein können. Tintling: Kultivieren Sie auch Kernkeulen (Cordyceps)? Lelley: Cordyceps kultivieren wir nicht. C. sinensis, der unsinteressiert, ist ein insektenpathogener Pilz, der in der Naturdie Larven von verschiedenen Wurzelbohrern parasitiert. Die Sklerotien werden mühsam und unter großer Anstren-gung gesammelt. Deshalb sind C. sinensis- Sklerotien so teu-er, bis zu 3.000 Dollar/kg. Eine gewöhnliche Kultivierungscheint nicht möglich zu sein, obwohl es auch Informationen

gibt, wonach jedenfalls nahe Verwandte des C. sinensis auf derGrundlage von Getreidekör-nern kultiviert werden könnte.Jedenfalls wird das Myzel vonC. sinensis in Flüssigkulturenim Labor kultiviert. Damit be-schäftigen wir uns aber nicht. Tintling: Und mit dem Birken-porling? Dem soll man dochmagenfreundliche Eigen-schaften zuschreiben. Lelley: Auch mit dem Birken-porling arbeiten wir z. Z.nicht, hatten uns aber vor ca.12-14 Jahren mit ihm befasst,als noch die Versuchsanstaltder Landwirtschaftskammer

Im-pressio-

neneiner

bemerkens-werten Pilz-art: Ganoder-ma lucidum,der Glänzende

Lackporling,auch Reishi oderLing-Zi genannt. In

der chinesischenHeilkunde spielt ereine große Rolle,

aber hierzulande ist esproblematisch ihn als

Heilpilz zubezeichnen.

Fotos: Jan Lelley

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existierte. Tintling: Mit welchem Ergebnis? Konnten Sie indiesem Pilz medizinisch wirksame Inhaltsstoffenachweisen? Lelley: Wir haben uns mit der Erzeugung von My-zelbiomasse des Birkenporling beschäftigt. Diestaten wir im Auftrage von Frau Prof. Lindequist,von der Universität Greifswald. Welche Resultatesie mit dem Myzel erzielte, entzieht sich meinerKenntnis. Tintling: Kann man bei Ihnen beimpfte Substrat-ballen, Reinkulturen oder sonstige Bedarfsmittel

für die Pilzkultur beziehen? Lelley: Ja, wir bieten unsere Produkte über das In-ternet an. Wir haben einen Internetshop, wo alleProdukte beschrieben und erhältlich sind. Darü-ber hinaus verschicken wir eine Produktliste, neh-men wir auf Messen, Ausstellungen teil usw. Pilz-brut, Pilzkulturen, Nahrungsergänzungsmittel,Trockenpilze, Wellnessprodukte alle stehen imShop. Wenn man auf die Bilder klickt, gelangman tiefer, zu einer etwas ausführlicheren Be-schreibung der Produkte. Tintling: Ich habe mich daraufhin mal auf Ihrer

Website umgeschaut: Ihre Reinkultu-ren kosten € 55.-, die gleichen Ar-ten/Stämme anderer Anbietermanchmal kaum mehr als €15.- Wasist an den Ihren so besonders, dasden mehr als dreifachen Preis recht-fertigt? Lelley: Wie andere Pilz-Reinkulturenfür 15 € anbieten, kann ich mir nicht

Der Kupferrote Lackporling (Gan-oderma pfeifferi) wird in der

GAMU derzeit im Auftrag der Uni-versität Greifswald kultiviert. Foto

dieser Besonderheit: GAMUDie gleiche (seltene) Art, am natür-lichen Standort an einer Buche. Fo-

to: Günter Heck

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erklären. Wir unterhalten eine größere Sammlungvon Reinkulturen verschiedener Pilze. Von man-chen Arten haben wir auch noch eine größere An-zahl von Isolaten unterschiedlichen Ursprungs.Wenn eine Bestellung für eine Reinkultur einge-ht, muss unsere Laborleiterin, Frau May, den an-gefragten Pilzstamm zunächst aus der Sammlungholen und auf frische Petrischalen, mit Nährme-dium, übertragen. Dann werden diese Subkultu-ren inkubiert, bis mindestens die Hälfte der Petri-schale besiedelt ist. Dann werden zwei Petrischa-len (oder auf Wunsch Kulturröhrchen) mit demPilzstamm verpackt und versendet. Dies alles ko-stet Zeit, Material und Energie. Abgesehen davon,dass die Anlage, Unterhaltung, Pflege und Vor-haltung der Reinkulturensammlung auch Zeit,Material und Energie kostet. Unter diesen Um-ständen halte ich unseren Preis von 55,- € für ei-ne Reinkultur nicht fürüberhöht. Tintling: Überzeugt! Esmacht ja auch einen ge-waltigen Unterschied, obein wissenschaftlichesInstitut ein professionel-les Produkt erzeugt oderob - drastisch ausge-drückt - ein Hobbybast-ler in der WaschkücheMalzagar kocht, den mit irgend-was beimpft und das Ganze alsPilzkultur bei Ebay offeriert.Sind diese Pilzzüchter eigent-lich eine Konkurrenz für Sie? Lelley: Sie meinen vermutlichdie Pilzanbauer. Züchten tuthierzulande niemand. Die An-bauer sind für uns keine Kon-kurrenz, im Gegenteil, viele vonihnen versorgen wir mit Inoku-lum für die Beimpfung ihrerPilzkulturen. Dieses Inokulumbesteht aus der Reinkultur einerPilzart, die anstatt auf Agarme-dium auf Holzstäbchen oderGetreidekörnern als Trägerstoff

herangezogen wird. So kann man das Inokulumleicht verarbeiten, in das Holz einbringen oderins Stroh einmischen. Tintling: Wie sind Ihre Erfahrungen im Zusam-menhang mit Schädlingen; welcher von ihnen istder Gefürchtetste? Lelley: Mit Schädlingen haben wir nicht allzu vie-le schlechte Erfahrungen gemacht, mit Ausnahmevon Schnecken, die zum größten Feind der Frei-land-Pilzkulturen avanciert sind. Tintling: Und wenn ich einen mit Perigord-Trüf-feln mykorrhizierten Eichensämling bei Ihnenkaufen möchte, um ihn, in Erwartung schmack-hafter Knollen auf meinem saarländischen Karreezu pflanzen, dann sagen Sie mir ehrlicherweise,dass ich mein Geld genau so gut zum Fensterrauswerfen kann, nicht wahr? Lelley: Einen Eichensämling mit Perigord Trüffel

würde ich Ihnen nicht verkau-fen. Selbst, als wir noch mit ei-ner ansehnlicher ArbeitsgruppeMykorrhizaforschung betriebenhaben, hat uns die Trüffel nicht

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“Nahrungsmittel mitHeilkraft“. 5 Shii-Take (Lenti-

nus edodes) und 4Klapperschwamm (Grifola

frondosa). Fotos: Jan I. Lelley

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beschäftigt. Tintling: Sondern? Lelley: Das Thema Mykorrhiza hat uns aussch-ließlich aus der Sicht der Waldschadensbekämp-fung interessiert. Wir haben in umfangreichen Ar-beiten viele Arten und Isolate getestet – alleinvom Paxillus involutus hatten wir 50 Isolate - mitdem Ziel, solche zu selektieren, deren Säuretole-ranz, Schwermetalltoleranz, Durchsetzungsver-mögen gegen bodenbürtige Konkurrenten über-durchschnittlich war. Wir hatten solche Isolateauch gewonnen (Paxillus involutus W-50 war ei-ner der besten überhaupt) und mit ihnen zum Teilspektakuläre Erfolge erzielt. Tintling: Sie reden in der Vergangenheitsform... Lelley: Die Arbeiten liefen im Auftrage der Forst-verwaltung des Landes NRW. In diesem Zusam-menhang kann ich uns als „vereinigungsgeschä-digt“ bezeichnen. Nach 1990 gab es keine Mittelmehr für die Mykorrhizaforschung. Die verfüg-baren Gelder der Forstverwaltung wurden nachBrandenburg umgeleitet. Ich bin heute der Meinung, dass unsere Arbeits-gruppe damals zum Teil außergewöhnliche Er-gebnisse erzielte, wie z.B. die Möglichkeit derSanierung von alten liebeswerten Solitärbäumenmit Mykorrhiza. Mein Lieblingsprojekt ist dieüber 650 Jahre alte „Bäreneiche“ in Oberholzka-lu, im Siegerland. Tintling: Wie weit ist man inzwischen mit der Kul-tivierung von Morcheln? Lelley: Die dies bezüglichen Probleme sind seit1989 gelöst, die Kultivierung ist aber schwer,langwierig und die Ergebnisse schwanken stark.Es gibt weltweit eine Handvoll Leute, die sich da-mit kommerziell befassen. Tintling: So ein Hinterzimmerchen, auf dessen

Tür der Begriff "Psilogezücht" steht, gibt es inIhrem Haus sicher nicht, oder? Lelley: Wir befassen uns nur mit Nutzpilzen, dienur für den Konsum kultiviert werden. Mit hallu-zinogenen Pilzen haben wir uns niemals be-schäftigt. Tintling: Sie haben einige Kooperationspartner inUngarn. Was verbindet Sie gerade mit Ungarn?Lelley: Ich habe dort 22 Jahre meines Lebens ver-bracht. Ich geriet 1945, nach dem Krieg, aus derTschechoslowakei nach Ungarn, wo wir festge-halten wurden und weder weiter nach Öster-reich, noch zurück konnten. Geboren bin ich inNeutra (Nitra) heute Slowakische Republik. InUngarn wuchs ich auf, besuchte die Schulen unddie Universität und habe als Phytopathologe aneinem Forschungsinstitut gearbeitet. Im Jahre1967 bin ich in die Bundesrepublik ausgesiedeltund hier als Volksdeutscher anerkannt worden.Auch jetzt habe ich noch zahlreiche Berufskolle-gen und Verbindungen in Ungarn. Tintling: Essen Sie Pilze, und, gehen Sie auch inden Wald, um welche zu suchen? Lelley: In den Wald gehe ich selten Pilze suchen,ich esse sie aber gerne und setze mich für derenWert als Nahrungsmittel ein. Tintling: Haben Sie Familie? Lelley: Ich bin verheiratet, habe einen Sohn, derjedoch einen ganz anderen Beruf hat als ich. Erist Rechtsanwalt und als solcher sehr fleißig underfolgreich. Tintling: Was erfreut Sie? Lelley: Mich erfreut Musik, mich interessiert Ar-chäologie aber die Pilze sind mein Leben, seitinsgesamt mehr als 45 Jahren. Tintling: Was ärgert Sie? Lelley: Mich ärgert Bürokratie und das Unvermö-

gen vieler Menschen in diesem Lan-de zu begreifen, dass es Schluss istmit lustig (frei nach Peter Hahne). Tintling: Haben Sie ein Lebensmot-to? Lelley: Mein Lebensmotto ist: DasGlas ist nie halb leer, sondern höch-stens halb voll. Tintling: Herr Professor Lelley, ichdanke Ihnen für dieses Gespräch.

Im Auftrag der Universität Greifs-wald wurde von der GAMU Myzel-biomasse des Birkenporlings (Pipto-porus betulinus) erzeugt. Foto: F. Kasparek

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