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Die antibiotische Therapie in der Tierarztpraxis LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Info 07/2006 Seite 1 Prinzregentenstraße 3 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 09 71 /72 02 0 • Fax: 09 71 /68 54 6 • www. laboklin.de Nach dem Grundsatz der Antibiotika-Leitlinien, aber auch zur Einleitung einer optimalen Therapie und zur Vermeidung unnötiger Kosten sollte der Einsatz von Antibiotika auf einer exak- ten Diagnosestellung basieren; weiterführende Laboruntersuchungen, Kenntnis um den Immun- status des Tieres und weitere epidemiologische Aspekte können hilfreich bei der Auswahl des für das spezielle Individuum am besten geeigneten Antibiotikums sein. Bei der Anwendung von Wirkstoffen auf der Grundlage eines Resistenztest sollten sowohl die klinische Situation als auch die pharmakokinetischen Eigenschaften des Wirkstoffes berücksichtigt werden, d.h. inwieweit der Wirkstoff überhaupt das Zielgewebe erreichen kann, wie hoch die zu erwartende Wirkstoffkonzentration ist usw. Vor Behandlungsbeginn empfiehlt sich eine Erregeridentifizierung. In all den Fällen, in denen das klinische Krankheitsbild auf keinen definier- ten Keim mit bekannter Resistenzlage schließen lässt, ist dann die Anfertigung eines Antibio- gramms angezeigt. Der Erfolg einer Antibiose hängt nicht zuletzt von der ausreichend hohen und langen Dosierung des Wirkstoffes ab. Generell sollte bei bakteriostatischen Chemo- therapeutika ein kontinuierlicher Wirkstoff- spiegel zwei bis drei Tage über das Abklingen der Symtome hinaus erreicht werden. Der Einsatz dieser Wirkstoffe reicht in der Regel aus, wenn Patienten mit intakter Phagozytosefähigkeit vor- liegen. Insbesondere bei Infektionen mit gramne- gativen Bakterien ist bakteriostatischen Chemo- therapeutika der Vorzug zu geben, da die Verwendung bakterizider Antibiotika durch Abtöten der Keime und nachfolgende Endotoxinfreisetzung zu gravierenden Krank- heitsbildern führen kann. Bei bakteriziden Chemotherapeutika muss zu Beginn ein wesentlich höherer Wirkstoffspiegel erzielt werden; später ebenfalls ein kontinuierli- cher. Der Einsatz dieser Substanzen ist besonders dann angezeigt, wenn akute und lebensbedrohen- de Infektionen vorliegen. In den meisten Fällen erhält man durch das Antibiogramm mehrere als sensibel eingestufte Wirkstoffe. Nun muss genau überlegt werden welcher Wirkstoff am besten geeignet ist. Grundsätzlich sollte er gut verträglich sein, eine hohe Anreicherung im Zielgewebe haben, gerin- ge Tendenz zur Resistenzbildung besitzen und ein enges Wirkspektrum aufweisen, um lediglich primär pathogene Erreger zu erreichen und um evtl. bei ausbleibendem Erfolg der Behandlung auf einen anderen Wirkstoff zurückgreifen zu können. Trotz Erregerbestimmung und Resistenztest vor Therapiebeginn kommt es im Verlauf der Behandlung bakteriell induzierter Erkrankungen bisweilen zu der Situation, dass das ausgewählte Antibiotikum/ Chemotherapeutikum nicht den gewünschten Erfolgt bringt. Dies liegt begründet in einer komplexen Wechselbeziehung zwischen Tier (Immunstatus und Pharmakokinetik), Anti- biotikum (antimikrobielle Wirkung und Toxizität) und Erreger (Virulenz und Resistenz) und ist leider nicht vermeidbar. Im folgendem sind die veterinärmedizinisch üblichen Antibiotikagruppen aufgeführt, jeweils mit Wirktyp, einigen Beispielen der Anwendungsgebiete, wichtigsten Gegenan- zeigen und Nebenwirkungen und dem Wirkstoffnamen. Hinter den Wirkstoffnamen sind die Handelsnamen exemplarisch und ohne Bewertung gelistet.

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Die antibiotische Therapie in der Tierarztpraxis

LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Info 07/2006 Seite 1Prinzregentenstraße 3 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971/72020 • Fax: 0971/68546 • www. laboklin.de

Nach dem Grundsatz der Antibiotika-Leitlinien,aber auch zur Einleitung einer optimalenTherapie und zur Vermeidung unnötiger Kostensollte der Einsatz von Antibiotika auf einer exak-ten Diagnosestellung basieren; weiterführendeLaboruntersuchungen, Kenntnis um den Immun-status des Tieres und weitere epidemiologischeAspekte können hilfreich bei der Auswahl des fürdas spezielle Individuum am besten geeignetenAntibiotikums sein. Bei der Anwendung vonWirkstoffen auf der Grundlage einesResistenztest sollten sowohl die klinischeSituation als auch die pharmakokinetischenEigenschaften des Wirkstoffes berücksichtigtwerden, d.h. inwieweit der Wirkstoff überhauptdas Zielgewebe erreichen kann, wie hoch die zuerwartende Wirkstoffkonzentration ist usw.

Vor Behandlungsbeginn empfiehlt sich eineErregeridentifizierung. In all den Fällen, in denendas klinische Krankheitsbild auf keinen definier-ten Keim mit bekannter Resistenzlage schließenlässt, ist dann die Anfertigung eines Antibio-gramms angezeigt.

Der Erfolg einer Antibiose hängt nicht zuletztvon der ausreichend hohen und langen Dosierungdes Wirkstoffes ab. Generell sollte bei bakteriostatischen Chemo-therapeutika ein kontinuierlicher Wirkstoff-spiegel zwei bis drei Tage über das Abklingen derSymtome hinaus erreicht werden. Der Einsatzdieser Wirkstoffe reicht in der Regel aus, wennPatienten mit intakter Phagozytosefähigkeit vor-liegen. Insbesondere bei Infektionen mit gramne-gativen Bakterien ist bakteriostatischen Chemo-therapeutika der Vorzug zu geben, da dieVerwendung bakterizider Antibiotika durchAbtöten der Keime und nachfolgendeEndotoxinfreisetzung zu gravierenden Krank-heitsbildern führen kann.

Bei bakteriziden Chemotherapeutika muss zuBeginn ein wesentlich höherer Wirkstoffspiegelerzielt werden; später ebenfalls ein kontinuierli-cher. Der Einsatz dieser Substanzen ist besondersdann angezeigt, wenn akute und lebensbedrohen-de Infektionen vorliegen. In den meisten Fällen erhält man durch dasAntibiogramm mehrere als sensibel eingestufteWirkstoffe. Nun muss genau überlegt werdenwelcher Wirkstoff am besten geeignet ist.Grundsätzlich sollte er gut verträglich sein, einehohe Anreicherung im Zielgewebe haben, gerin-ge Tendenz zur Resistenzbildung besitzen undein enges Wirkspektrum aufweisen, um lediglichprimär pathogene Erreger zu erreichen und umevtl. bei ausbleibendem Erfolg der Behandlungauf einen anderen Wirkstoff zurückgreifen zukönnen.

Trotz Erregerbestimmung und Resistenztest vorTherapiebeginn kommt es im Verlauf derBehandlung bakteriell induzierter Erkrankungenbisweilen zu der Situation, dass das ausgewählteAntibiotikum/ Chemotherapeutikum nicht dengewünschten Erfolgt bringt. Dies liegt begründetin einer komplexen Wechselbeziehung zwischenTier (Immunstatus und Pharmakokinetik), Anti-biotikum (antimikrobielle Wirkung undToxizität) und Erreger (Virulenz und Resistenz)und ist leider nicht vermeidbar.

Im folgendem sind die veterinärmedizinischüblichen Antibiotikagruppen aufgeführt, jeweilsmit Wirktyp, einigen Beispielen derAnwendungsgebiete, wichtigsten Gegenan-zeigen und Nebenwirkungen und demWirkstoffnamen. Hinter den Wirkstoffnamensind die Handelsnamen exemplarisch und ohneBewertung gelistet.

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Wirkstoffgruppe Wirktyp AnwendungGegenanzeichen,Nebenwirkungen

Produktbeispiele

Polypeptide bakterizid Infektion des Magen-und Darmtraktes, lokaleInfektion der Augen und Ohren mitPseudomonaden

Nierenfunktionsstörungen,in Kombination mitpotentiell nephrotoxi-schen, neurotoxischenund muskelrelaxierendenSubstanzen hohe syste-mische Toxizität: neuro-toxisch und nephroto-xisch, deshalb lokale und oraleAnwendung

Polymyxin B (Stoparin,Surolan)Polymyxin E / Colistin(Colistin)

Makrolide bakteriostatisch; bes.grampositive Keime,intrazelluläre Keime

Infektion desRespirations- undUrogenitaltraktes, desKnochenmarkes, derHaut; Mykoplasmen-infektion

Hepatopathie,lokal reizend

Erythromycin(Erythromycin,Erythrocin Mittel derWahl beiKatzenschnupfen)Spiramycin (Suanatem =Kombination mitMetronidazol, beiInfekten der Maulhöhleund des Magens)Tilmicosin (Micotil)

Lincosamide bakteriostatisch; engesWirkungsspektrum, bes.grampositiv, z.T.Mycoplasmen

Infektion der Haut undKnochen, Arthritiden

Pferd, Kaninchen undHamster: KolitidenMögl. Nebenwirkungen:Enterokolitis, lokal rei-zend

Lincomycin (Albiotic;2xtgl. Appl.)Clindamycin(Cleorobe, Mittel derWahl bei Neosporose inKombination mitSufonamid/Trimethoprim)

Gyrasehemmer/Fluochinolone

bakterizid;Breitbandantibiotika,wirksam gegen alle intra-zellulären Bakterien;Gute Kombinierbarkeitmit ß-Lactam-Antibiotikaund Metronidazol

Harnwegs-, Knochen-,Gelenks- undAtemwegsinfektion,Chlamydieninfektionen

Jungtiere: potentielleGelenkschädigungMögl. Nebenwirkungen:ZNS-Schädigungen,Knorpelschäden,Retinadystrophie beiKatzen

Enrofloxacin (Baytril)Marbofloxacin(Marbocyl)Difloxacin (Dicural)Ibafloxacin (Ibaflin)Danofloxacin(Advocid)

Fenicole bakteriostatisch;Breitbandantibiotikum

Infektionen mitChlamydien,Mykoplasmen, Rikettsienund Bacteroides,Meningoencephalitiden

Neugeborene Tiere:eingeschränkteGlukuronidierungMögl. Nebenwirkungen:Erbrechen und Durchfall,dosisabhängige und rever-sible Knochenmarks-depression

Chloramphenicol(Chloramphenicol,Chloromycetin-Palmitat,Chlorasel, Ibemycin)Florfenicol (Nuflor)

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Wirkstoffgruppe Wirktyp AnwendungGegenanzeichen,Nebenwirkungen

Produktbeispiele

Peniciline bakterizid; gut bei gram-positiven Keimen, mäßigbis schlecht beiAnaerobieren und gram-negativen Keimen

lokale und systemischeInfektion, z.B. Haut,Respirationstrakt undHarnwege; OP-Prophylaxe,Wundtherapie, guteKombinationsmöglichkeitmit Aminoglykosiden

Nicht anwenden beiNagern undHasenartigen,Mögl. Nebenwirkungen:Anaphylaxie, ulzerativeKolitis, allg. geringeToxizität

Penicillin (Penicillin G)Oxa- und Cloxacillin(Stapenor H.M.)Nafcillin (Nafpenzal T)Ampicillin (Ampisan 20)Amoxicillin (Clamoxyl)Amoxicillin/Clavulansäure(Synulox)

Cephalosporine bakterizid;Generation I Wirksamkeitwie Synulox,Generation II bessereWirksamkeit gegen gram-negative Keime,Generation III und IVgute Wirksamkeit gegengrampositive und -negativeKeime und Anaerobier.

Infektionen derHarnwege und der Haut,Septikämie

nicht anwenden beiNagern undHasenartigen; potentiellnephrotoxischMögl. Nebenwirkungen:Erbrechen, Durchfall undInjektionsschmerz, paren-teral gute lokaleVerträglichkeit

Cephaclor (Panoral)Cephalexin (Cobaxim,Rilexine) Cephoperazon (Peracef,Cefobis)Cefquinom (Cobactan 2,5%)Ceftiofur (Exenell) Cefacetril (Vetimast)

Tetracycline bakteriostatisch; echtesBreitbandantibiotikum

lokale und systemischeInfektionen, Mittel derWahl bei Ehrlichiose,Hämobartonellose,Borreliose, Infektionenmit Chlamydien,Mykoplasmen u.Campylobacter, chron.Bronchitis undPneumonie, da inTracheobronchialsekrethoher Gewebespiegelerreichbar

Jungtiere: Verfärbung derZähne, schlechtegastrointestinaleVerträglichkeitMögl. Nebenwirkungen:Allergie, Gastroenteritis,Hepato-, Nephropathie,Photosensibilisierung

Tetracyclin(Tetracyclin,Terramycin;Großtier)Oxytetracyclin(Terramycin; Großtier)Doxycyclin (Doxycyclin,Ronaxan, Kleintier, bes-sere Resistenzlage alsTetracyclin)

Aminoglykoside bakterizid; breitesSepktrum gegen grampo-sitive und -negativeKeime

lokale und systemischeInfektionen

Dosisabhängig: ototo-xisch, nephrotoxisch,neuromuskuläreBlockaden

Gentamicin (Gentamicin,Gentovet, bes. gramnega-tiv, Mycoplasmen u.Chlamydien)Streptomycin(Streptomycin,schlechteResistenzage, evtl.LeptospirosetherapieHund)Neomycin (Neomycin,schlechte Resistenzlage,topische Anwendung)Kanamycin (Kanamycin,Kreuzresistenz zuNeomycin, auch parente-rale Anwendung) Spectinomycin (Spectam)Amikacin (wie Gentamycin,teuer, i.m., i.a.)Apramycin ( Apralan G,Apramycin Doser)

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Wirkstoffgruppe Wirktyp AnwendungGegenanzeichen,Nebenwirkungen

Produktbeispiele

Sulfonamide bakteriostatisch/bakterizid

Anwendungsgebiet:Infektionen mitChlamydien, Kokzidienu. Toxoplasmen

Gegenanzeigen:Leber- undNierenfunktionsstörungen,Schädigung des hämato-poetischen Systems, ver-minderteFlüssigkeitsaufnahme undFlüssigkeitsverluste, Über-empfindlichkeit gegenüberSulfonamidenMögl. Nebenwirkungen:Hepatopathie,Keratokonjunktivitis sicca,Nephropathie

Sulfonamid u.Trimethoprim(Trimethoprim-Sulfonamid, Eusaprim,Bactrim, Borgal,Tribrissen)Sulfmethoxazol(Sulfmethoxazol)

Nitrofurane bakteriostatisch/bakterizid

Harnwegsinfektionen undProphylaxe bei rezidivie-rendenHarnwegsinfektionen

Trächtige Tiere (mutagen),NiereninsuffizienzMögl. Nebenwirkungen:Neurotoxizität,Hepatotoxizität,Komplikationen imRespirationstrakt,Erbrechen und Diarrhoe

Nitrofurantoin(Kombinationspräparate:Urofur, Urospasmon,Uroclear)

Imipenem sehr gute Wirksamkeitgegen gramnegativeKeime wiePseudomonaden,Klebsiellen

Bei Sepsis, mehrmals tgl.i.v., teuer

Allergie, TrächtigkeitMögl. Nebenwirkungen:gastrointestinaleBeschwerden, Exanthem

Imipenem (Zinam)

Nitroimidazole gut gegen Anaerobier undGiardien

Kombinationen mitGyrasehemmern oderAminoglykosiden beiSepsis, Peritonitis,Verletzungen imVerdauungskanal,Dysenterie der Schweine,gelber Knopf der Tauben

TrächtigkeitMögl. Nebenwirkungen:hohe Toxizität, evtl. muta-gen, Erbrechen, Störungenin der Spermatogenese

Metronidazol(Suanatem)