Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7...

23
Jörg Dräger | Christina Tillmann | Frank Frick Nomos Wie politische Ideen Wirklichkeit werden Der ReformKompass Ein Lehr- und Praxisbuch

Transcript of Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7...

Page 1: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Jörg Dräger | Christina Tillmann | Frank Frick

Nomos

Drä

ger |

Till

man

n | F

rick

Wie

pol

itisc

he Id

een

Wirk

lichk

eit w

erde

n

Wie politische Ideen Wirklichkeit werden

Der ReformKompassEin Lehr- und Praxisbuch

ISBN 978-3-8487-1613-5

Der ReformKompass ist ein praxisnahes Strategiemodell für den öffentlichen Sektor. Er führt Studierende und Praktiker in die Komplexität politischer Reformprozesse ein, zeigt zentrale Kriterien erfolgreicher Reformen auf und veranschaulicht diese anhand praxisnaher Fallbeispiele.

Die Autoren:Dr. Jörg Dräger ist seit 2008 Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung für die Bereiche Bildung, Integration und Demokratie sowie Geschäftsführer des gemeinnützigen CHE – Centrum für Hoch-schulentwicklung.Christina Tillmann arbeitet seit 2008 für die Bertelsmann Stiftung zu den Themen Bürgerbeteiligung, strategische Steuerung, politische Strategie und Wahlforschung.Frank Frick beschäftigt sich seit 1994 für die Bertelsmann Stiftung mit unterschiedlichen Reform-prozessen zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, zur besseren Regulierung und dem Normenkontroll-rat, der Bürgerbeteiligung sowie zu Aus- und Weiterbildungsthemen.

BUC_Draeger_1613-5_13cm Klappe.indd 1 19.09.14 10:01

Page 2: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Der ReformKompass

Ein Lehr- und Praxisbuch

Wie politische Ideen Wirklichkeit werden

Nomos

Jörg Dräger | Christina Tillmann | Frank Frick

BUT_Draeger_1613-5.indd 3 29.08.14 09:52

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 3: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Titelbild: Markus Diekmann, Bielefeld

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8487-1613-5 (Print)ISBN 978-3-8452-5655-9 (ePDF)

Redaktion: Silke Reinhardt, Ralph Müller-EiseltRecherche: Silke ReinhardtGrafiken: Markus Diekmann, Bielefeld

1. Auflage 2014© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2014. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Über-setzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

BUT_Draeger_1613-5.indd 4 29.08.14 09:52

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 4: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis 7

Tabellenverzeichnis 8

Verzeichnis der Infoboxen 9

Über das „Wie“ und nicht nur das „Was“ von ReformenVorwort: 11

Ohne Strategiefähigkeit geht nichtsKapitel 1: 15

Politik braucht Strategie. Strategie braucht Modelle.1.1 16Der ReformKompass: Ein ganzheitliches Strategiemodell fürpolitische Reformprozesse

1.219

Der ReformKompass in AktionKapitel 2: 43

Erfolgskriterium Kompetenz: Die Einführung desElterngelds

2.144

Erfolgskriterium Kommunikation: Das kommunikativeScheitern der Hartz-Reformen

2.258

Erfolgskriterium Kraft zur Durchsetzung: Der politischeKampf für die Frauenquote

2.377

Wie die strategische Kerngruppe eine Reform zum Erfolgführt

Kapitel 3:91

Die strategische Kerngruppe: Machtzentrum und Motor derReform

3.191

Ziele und Aufgaben der strategischen Kerngruppe3.2 97Ohne den Bürger geht nichts mehr: Auch nicht dieReformpolitik der strategischen Kerngruppe.

3.3101

5

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 5: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Eine Reform von A bis Z planen: Die Einführung desNationalen Bildungsrats

Kapitel 4:109

Agenda Setting4.1 117Formulierung und Entscheidung4.2 120Umsetzung4.3 124Fortlaufende Erfolgskontrolle4.4 127Die strategische Kerngruppe4.5 128

Dank 133

Literaturverzeichnis 135

Liste der Publikationen der Bertelsmann Stiftung zurStrategiefähigkeit von Politik 139

Die Autoren 141

Inhaltsverzeichnis

6

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 6: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Elemente des ReformKompass: Die strategischeKerngruppe 20

Abbildung 2: Elemente des ReformKompass: Die vier Phasen 22

Abbildung 3: Elemente des ReformKompass: Gesamtdarstellung 23

Abbildung 4: Ziele und Aufgaben in der Phase Agenda Setting 29

Abbildung 5: Ziele und Aufgaben in der Phase Formulierung undEntscheidung 31

Abbildung 6: Ziele und Aufgaben in der Phase Umsetzung 34

Abbildung 7: Ziele und Aufgaben in der Phase fortlaufendeErfolgskontrolle 37

Abbildung 8: Ziele und Aufgaben der strategischen Kerngruppe 39

Abbildung 9: Verschiebung des Handlungsbedarfs während desReformprozesses 95

Abbildung 10: Ziele und Aufgaben der strategischen Kerngruppe 98

Abbildung 11: Stakeholder-Matrix für den Nationalen Bildungsrat 115

Abbildung 12: Strategische Kerngruppe für den NationalenBildungsrat 131

7

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 7: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ziele, Aufgaben und Fragen für das ErfolgskriteriumKompetenz 56

Tabelle 2: Ziele, Aufgaben und Fragen für das ErfolgskriteriumKommunikation 75

Tabelle 3: Ziele, Aufgaben und Fragen für das ErfolgskriteriumKraft zur Durchsetzung 88

Tabelle 4: Ziele, Aufgaben und Fragen der strategischenKerngruppe 105

8

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 8: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Verzeichnis der Infoboxen

Infobox 1: Der 8-Stufen-Prozess zur Umsetzung tiefgreifendenWandels nach Kotter 16

Infobox 2: Die Kraft der positiven Formulierung 25

Infobox 3: Wirkungsmessung im öffentlichen Sektor 35

Infobox 4: Die Elterngeldreform im Detail 45

Infobox 5: Agenda 2010 und Hartz I-IV in Kürze 60

Infobox 6: Die Frauenquote – Zentrale politische Akteure und ihrePositionen im Überblick 80

Infobox 7: Kaum inhaltliche Unterschiede – Die zwei Vorschlägezur Frauenquote im Vergleich 86

Infobox 8: Werkzeuge des Projektmanagements 95

Infobox 9: Bürger beteiligen – aber mit welchen Formaten? 101

Infobox 10: Warum Bürgerbeteiligung Teil eines strategischenProzesses sein sollte 104

Infobox 11: Der föderale Grundsatz des deutschenBildungssystems 110

Infobox 12: Der Wissenschaftsrat 111

Infobox 13: Stakeholder-Analyse 115

9

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 9: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Über das „Wie“ und nicht nur das „Was“ von Reformen

Politische Reformen sind anspruchsvoll. Das war uns bewusst – und trotz-dem waren wir enttäuscht, als wir – wieder einmal – mit einem Vorschlagan der politischen Realität scheiterten. Dabei hatten wir die bestehendenProbleme gründlich analysiert, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse ein-bezogen, das neueste Verfassungsgerichtsurteil aufgegriffen, ja selbst Fi-nanzierungs- und Verwaltungsfragen berücksichtigt. Und jetzt hieß es lapi-dar: „Das lässt sich nicht durchsetzen.“ Wie bitte? Gerne wollten wir zu-rückfragen: „Sind Sie und Ihre Partei nicht an der Regierung? Haben Sienicht immer und überall gesagt, dass es so nicht bleiben könne, dass Re-formbedarf bestünde? Und überhaupt: Was heißt ‚nicht durchsetzbar‘? Beiwem denn nicht?“

Die Antwort, die dann folgte, überraschte uns. Denn sie ging überhauptnicht auf den Inhalt unseres Vorschlags ein: Wenn man das Thema jetztanginge, eröffne das dem politischen Gegner eine Profilierungschance, hießes. Die Reform sei der Bevölkerung schwer zu vermitteln, es gäbe damitkaum Lorbeeren zu ernten. Außerdem habe man einer bestimmten Gruppeinnerhalb der Partei in den letzten Jahren schon genug zugemutet, der Kon-flikthaushalt sei ausgereizt.

Was war passiert? Hatten wir vielleicht die richtige Idee – nur zur falschenZeit? Oder fehlte in unserem Konzept ein wichtiger Aspekt? Was ist nebender wissenschaftlichen Evidenz noch zu berücksichtigen, damit eine guteLösung auch gute Umsetzungschancen hat? Welche „politische Rationali-tät“ muss bei Reformvorschlägen beachtet werden? Auf den Punkt gebracht:Warum gelingen manche Reformen, während andere scheitern?

Politische Reformen folgen offensichtlich keiner einfachen Sachlogik.Das „Wie“ der Reform, also das Verfahren, hat eine mindestens ebenso gro-ße Bedeutung wie das „Was“, der Inhalt.

Solche Fragen und Erfahrungen waren 2006 der Ausgangspunkt einerReihe von Studien, Workshops und Gesprächen, die wiederum in Büchern,Broschüren, Vorträgen und Seminaren mündeten.1 Wir wollten verstehen,wie Reformpolitik gelingt und welche Logik und Systematik erfolgreiche

Vorwort:

1 Eine Liste der in diesem Zusammenhang entstandenen Publikationen der BertelsmannStiftung finden Sie im Anschluss an das Literaturverzeichnis.

11

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 10: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

politische Reformen teilen. Dabei begegnete uns durchaus Skepsis. GeradeAkteure in Politik und Verwaltung empfanden Reformen als kaum planbar.Aufgrund persönlicher Erfahrungen in der Entwicklung von Reformkon-zepten, in der Politikberatung sowie auch in der Regierungsverantwortung,sehen wir das aber anders: Gerade weil politische Reformvorhaben komplexsind, bedarf es einer strukturierten, sorgfältig geplanten und strategischenHerangehensweise. Dazu haben wir ein Modell entwickelt: den Reform-Kompass. Er hilft bei der Orientierung in vielschichtigen Reformumfeldernund bei der Planung und Umsetzung konkreter Maßnahmen.

Wir sind überzeugt, dass man die für erfolgreiche Reformen nötigen Me-thoden und Werkzeuge an Hochschulen lehren und lernen kann – und vorallem auch lehren und lernen sollte. Unser Lehrbuch „Wie politische IdeenWirklichkeit werden“ bietet dafür eine Grundlage: Wir zeigen anhand pra-xisnaher Fallbeispiele, wie man mithilfe des ReformKompass politischeReformen der Vergangenheit besser verstehen und zukünftige Reformenbesser planen kann.

Kapitel 1 erläutert, wodurch sich Veränderungsprozesse im politischen vondenen im privatwirtschaftlichen Umfeld unterscheiden und warum es des-halb Modelle spezifisch für den öffentlichen Sektor braucht: Der Reform-Kompass berücksichtigt die politische Kommunikations- und Machtlogikebenso wie die Notwendigkeit, Reformen immer wieder an sich änderndeRahmenbedingungen anzupassen. Solche Veränderungsprozesse sind nichtlinear, sondern müssen flexibel gehandhabt werden. Dem trägt der Reform-Kompass als systematisches und praxisnahes Strategiemodell Rechnung.

Drei entscheidende Erfolgskriterien stehen im Fokus von Kapitel 2: Kom-petenz, Kommunikation und Kraft zur Durchsetzung. Schlüsselbeispieleveranschaulichen, durch welche inhaltlichen, kommunikativen oder macht-politischen Fallstricke Reformer navigieren müssen. Und was sie beachtensollten, um erfolgreich zu sein. Kapitel 2.1 zeigt am Beispiel der Einführungdes Elterngelds, wie wichtig das Erfolgskriterium Kompetenz – im Kern alsodas notwendige Fach- und Prozesswissen – für den Erfolg von Reformen ist.Kapitel 2.2 veranschaulicht anhand der Hartz-Reformen die Bedeutung vonKommunikation und Dialog für einen Veränderungsprozess. Kapitel 2.3macht am Beispiel der Frauenquote deutlich, wie sich mit der entsprechen-den Kraft zur Durchsetzung auch in einem schwierigen Reformumfeld(Teil-)Erfolge erzielen lassen.

Vorwort: Über das „Wie“ und nicht nur das „Was“ von Reformen

12

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 11: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

In Kapitel 3 wollen wir verstehen, von wem eine gute Reform gesteuertwird: Dazu braucht es Personen, die ein professionelles Management vonReforminhalt, Kommunikation und Machtpolitik sicherstellen. Sie bildendie strategische Kerngruppe, in der sich die zentralen Aufgaben der Planung,Steuerung und Umsetzung bündeln. Wer bringt das notwendige Fachwissenmit? Wen braucht es, um ein Thema auf die politische Agenda zu setzen undwer kann dabei helfen, wichtige Unterstützer zu gewinnen? Das sind zentraleFragen für die Zusammensetzung der strategischen Kerngruppe. Doch ohnedie Bürger am Reformprozess zu beteiligen, wird eine Reform selten gelin-gen. Deswegen betrachten wir am Ende von Kapitel 3, wie Kerngruppe undBürger zusammenarbeiten sollten.

Wie heißt es so schön: Hinterher ist man immer schlauer. Deswegen wol-len wir uns nicht darauf beschränken, das Scheitern oder den Erfolg vonabgeschlossenen oder laufenden Reformen zu verstehen. Wenn Sie (und wir)mit unseren Reformvorschlägen erfolgreich sein wollen, müssen wir in derLage sein, mit der guten Idee auch einen realistischen Umsetzungsvorschlagmitzuliefern. Deswegen blicken wir im abschließenden Kapitel 4 nach vorneund wenden den ReformKompass in der Planung einer zukünftigen Reforman. Am Beispiel des Nationalen Bildungsrats, der für mehr Vergleichbarkeitund Qualität im deutschen Bildungsföderalismus sorgen könnte, durchlau-fen wir den kompletten Prozess des ReformKompass mit all seinen Phasenund Erfolgskriterien – eine ideale Übung, um alle relevanten Konzepte zu„erproben“.

Die Zielgruppe dieses Buches bilden – neben interessierten Studierenden– auch Akteure in Parteien, Verbänden und der Verwaltung. Entsprechendhaben wir einen weniger akademischen als vielmehr anwendungsorientier-ten Stil mit anschaulichen Fallstudien, Abbildungen und Übersichten ge-wählt. In diesem Sinne verzichten wir in dieser Publikation auf eine Ein-ordnung unseres Ansatzes in die wissenschaftliche Debatte. Stattdessen ver-weisen wir an den entsprechenden Stellen auf weiterführende und vertie-fende Literatur.

Vorwort: Über das „Wie“ und nicht nur das „Was“ von Reformen

13

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 12: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Zuletzt ein kleiner Hinweis: Unser Buch erlaubt auch einen „sprunghaften“Gebrauch. Zwar empfehlen wir zur Einführung in das Modell Kapitel 1 inVerbindung mit der Übersichtsgrafik in der Umschlagklappe zu lesen. Dienachfolgenden Kapitel können aber je nach Interessenlage selektiv gelesenwerden. Damit tragen wir unserer Absicht Rechnung, mit diesem Buch dieLehre zu unterstützen, aber auch eine leicht zugängliche und selbsterklä-rende Anregung für den Praktiker zu bieten.

Gütersloh, im August 2014

Dr. Jörg Dräger Christina Tillmann Frank FrickMitglied des Vorstands Projektleiterin ProgrammdirektorBertelsmann Stiftung Bertelsmann Stiftung Bertelsmann Stiftung

Vorwort: Über das „Wie“ und nicht nur das „Was“ von Reformen

14

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 13: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Abbildung 2: Elemente des ReformKompass: Die vier Phasen

Der ReformKompass ist somit kein sequentielles Modell, in dem alle Phasennacheinander durchlaufen werden. Durch die kontinuierliche Erfolgskon-trolle wird aus einem linear-sequentiellen ein dynamisches und anpassungs-fähiges Modell (Abbildung 2).

In der horizontalen Dimension des ReformKompass beleuchten wir dreizentrale Erfolgskriterien für Reformen, die drei Ks: Kompetenz, Kommu-nikation und Kraft zur Durchsetzung. Diese Erfolgskriterien sind in jederPhase (und, wie wir später zeigen werden, auch in der strategischen Kern-gruppe) wichtig. Daher gibt es spezifische Ziele und Aufgaben, die für je-weils ein Erfolgskriterium während einer bestimmten Phase von Bedeutungsind. Der ReformKompass ist also ein zweidimensionales Modell (mankönnte auch sagen eine Matrix), das die für eine gelungene Reform wichti-gen Ziele und Aufgaben anhand von vier Phasen und drei Erfolgskriteriensystematisiert (Abbildung 3).

Kapitel 1: Ohne Strategiefähigkeit geht nichts

22

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 14: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Abbildung 3: Elemente des ReformKompass: Gesamtdarstellung

Die Phasen und Erfolgskriterien des ReformKompass

Um die beiden Dimensionen des ReformKompass besser zu verstehen, be-ginnen wir zunächst mit etwas vertrauterem Terrain: den Phasen, die einReformprozess idealtypisch durchläuft.

Eine Reform beginnt in der Regel mit dem Agenda Setting. Hier geht esdarum, die Dringlichkeit der Reformaufgabe zu verdeutlichen, d.h. ein ge-sellschaftliches Problem zu erkennen, es zu definieren und dann auf die po-litische Tagesordnung zu setzen. Ohne dass Politik, Medien und Bevölke-rung ein Problem auch als solches wahrnehmen, kann eine Reform nichtstarten.

In der nächsten Phase, der Formulierung und Entscheidung, werden ver-schiedene Reformoptionen erarbeitet und unter sachlichen (im Sinne vonproblemlösend) und politischen (im Sinne von durchsetzbar) Aspekten ab-

1.2 Der ReformKompass: Ein ganzheitliches Strategiemodell für polit. Reformprozesse

23

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 15: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

gewogen. Dabei können Interessengruppen, Verwaltung, Politik, Wissen-schaft und Bürger aktiv werden. Idealerweise findet zunächst ein gesamt-gesellschaftlicher Abwägungsprozess der Alternativen statt, bevor im for-malen politischen Verfahren eine Entscheidung getroffen wird.

Schlussendlich kommt es zur Umsetzung: Die politisch beschlossene Re-form wird Realität. Die Umsetzungsakteure spielen hier eine wichtige Rolle.Zu ihnen zählen nicht nur Verwaltungseinheiten, sondern auch beauftragteNGOs oder Unternehmen – sie alle müssen gesteuert werden. Denn ein ver-abschiedetes Gesetz alleine garantiert noch nicht die erfolgreiche Umset-zung einer Reform. Das Beispiel der US-Gesundheitsreform Obamas imJahr 2013 zeigt, wie schon ein technisches Problem in der Umsetzungsphasedie gesamte Reform gefährden kann. Nachdem die Gesundheitsreform nacherbitterten politischen Kämpfen endlich verabschiedet war, scheiterte siebeinahe an einer nicht funktionierenden Website.

Parallel zu den drei Phasen sollte eine fortlaufende Erfolgskontrolle statt-finden. Reformen sollen Probleme lösen oder zumindest einen Beitrag dazuleisten. Ob sie dieses tun oder nicht, kann nur geklärt werden, indem manihre Wirkung überprüft. Doch nicht nur zum Ende der Umsetzungsphase isteine Evaluation wichtig. Schon in den ersten Phasen des Reformprozessesmuss die strategische Kerngruppe nachhalten, ob sie ihre Ziele und Aufga-ben erreicht bzw. erfüllt hat. Ist das nicht der Fall, muss nachgearbeitet wer-den. Es geht darum, möglichst früh zu erkennen, ob die Reform gut umge-setzt und in der Bevölkerung und bei den Medien akzeptiert wird. Gleich-zeitig sollten Reformakteure ständig hinterfragen, ob die Reform an sichnoch richtig und sinnvoll ist oder ob sie an veränderte Rahmenbedingungenangepasst werden muss. Wir unterscheiden hier also zwischen einer prozes-sualen Erfolgskontrolle, die im laufenden Reformprozess geschieht und si-cherstellt, dass die relevanten Aufgaben und Ziele des ReformKompass er-reicht bzw. erfüllt werden, und einer inhaltlichen Erfolgskontrolle, die fest-stellen soll, ob eine Reform tatsächlich die mit ihr intendierten Ergebnisseund Wirkungen hervorbringt.

In jeder der vier Reformphasen sind die drei Erfolgskriterien Kompe-tenz, Kommunikation und Kraft zur Durchsetzung wichtig:

Kompetenz: Jede Reform bedarf einer inhaltlichen Begründung und Her-leitung. Die Kerngruppe muss die Probleme gründlich analysieren, Hand-lungsoptionen abwägen und sicherstellen, dass die beabsichtigte Wirkungerzielt wird. Dazu muss sie das notwendige Sach- und Fachwissen habenbzw. berücksichtigen. Gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse zu be-stimmten Fragen, müssen Studien und Gutachten eingeholt werden. Dieses

Kapitel 1: Ohne Strategiefähigkeit geht nichts

24

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 16: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Wissen muss so aufbereitet sein, dass es im politischen Prozess nutzbar undauch im öffentlichen Raum verständlich ist. Verstärkt bringen auch Bürgerdirekt Kenntnisse ein; Politik, Wissenschaft und Verwaltung haben nichtlänger ein Monopol auf das für eine Reform relevante Wissen und die ent-sprechenden Kompetenzen (so sie es denn je hatten). Wissen und Kompetenzfinden sich nunmehr dezentral bei verschiedenen Akteuren und müssen vonder Kerngruppe strukturiert aufgenommen und verarbeitet werden. Das be-deutet auch, dass Wissen immer in Bezug auf seine Quelle und Herkunfteingeordnet werden muss: Es gibt kaum tatsächlich objektive oder neutraleEvidenz, sondern man spricht immer von „gerichtetem Wissen“, das von derstrategischen Kerngruppe entsprechend eingeordnet und interpretiert wer-den muss. Den eigenen Wissensstand durch Einbeziehung alternativer Sicht-weisen stets zu hinterfragen, ist deshalb ein wichtiger Bestandteil dieses Er-folgskriteriums.

Kommunikation: Die Kerngruppe muss sowohl dialog- als auch vermitt-lungsfähig sein. Der gesamte Reformprozess sollte von verschiedenen Dia-logen mit beteiligten Akteuren begleitet werden: seien es der Runde Tischmit Interessensvertretern, die Treffen mit einem eigens eingerichteten Wis-senschaftlerrat, Bürgerforen oder Koalitionsrunden. Die Beispiele machendeutlich, dass der Dialog nach innen und nach außen geführt werden muss.Daneben braucht es auch die klassische Einweg-Kommunikation über dieMassenmedien. In positiver Reformsprache und anschaulichen Narrativensollten die Kernziele und -botschaften einer Reform vermittelt werden. Esmuss deutlich werden, welches gesellschaftliche Problem eine Reform be-arbeitet und wie der gewählte Reformvorschlag zur Lösung beiträgt. Es gehtalso um Transparenz, Vertrauen und Informationsvermittlung gegenüberverschiedensten Akteuren und Zielgruppen – und nicht um das reine „Ver-kaufen“ einer Reform – auch wenn positive Reformkommunikation wichtigist. Medien können hier eine wichtige Vermittlerfunktion übernehmen, sindaber nur begrenzt steuerbar und ihre Bereitschaft, Kernbotschaften im Sinneder strategischen Kerngruppe in die Öffentlichkeit zu bringen, unvorher-sehbar.

Infobox 2: Die Kraft der positiven FormulierungFormulieren Sie Ihre Reform in positiver Sprache. „Hartz IV“ und „Ein-Euro-Jobs“hätten als Begriffe in Großbritannien nicht einen Tag überlebt, schreibt der PolitologeLord Dahrendorf. Sie sind viel zu negativ: „Die politische Sprache in Deutschland istvoller schlechtgelaunter politischer Begriffe, sodass es am Ende gar kein Wunder ist,wenn das ganze Land tatsächlich schlechte Laune hat.“ Großmeister der politischenKommunikation wie Tony Blair hätten niemals von „Reform“, sondern immer von

1.2 Der ReformKompass: Ein ganzheitliches Strategiemodell für polit. Reformprozesse

25

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 17: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

„Modernisierung“ gesprochen. Statt „Deregulierung“ hätte er „bessere Regulierung“benutzt.Kritiker werden einwenden, dass es sich doch nur um Worte handelt. Für sie hat Dah-rendorf die Rede von Bundespräsident Horst Köhler zur Auflösung des Bundestags2005 in eine positive Sprache umformuliert. Köhler: „Unser Land steht vor gewaltigenAufgaben. Unsere Zukunft und die unserer Kinder stehen auf dem Spiel. … Die Haus-halte des Bundes und der Länder sind in einer nie dagewesenen kritischen Lage. Diebestehende föderale Ordnung ist überholt. …“Dahrendorf formuliert neu: „Unser Land steht vor gewaltigen Aufgaben. Unsere Zu-kunft und die unserer Kinder liegen in unserer Hand. … Die Regierung kann und wirddenen helfen, die sich nicht selbst helfen können; aber wir werden unsere Kinder nichtmit Schulden belasten, um uns ein bequemes Leben zu verschaffen. … Auch in derPolitik gilt es, Entscheidungen dort, wo die Menschen leben, also dezentral, zu treffen;darum werden wir die föderale Ordnung modernisieren.“

Auszug aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20.08.2005

Kraft zur Durchsetzung: Der Erfolg jedes Reformvorhabens ist letztlich da-von abhängig, ob es durchgesetzt werden kann. Damit ist weder Basta-Po-litik noch ein autoritär-direktiver Führungsstil gemeint. Vielmehr geht esdarum, Akteurs- und Machtkonstellationen daraufhin zu analysieren, wiesich Mehrheiten für eine Reform gewinnen lassen. Dabei sind die eigenePartei, die Verwaltung und politische Freunde und Gegner genauso insBlickfeld zu nehmen wie die Wirtschaft, breite Öffentlichkeit und Zivilge-sellschaft. Am Ende muss die Kerngruppe hinreichend viele Stakeholder undpotentielle Vetospieler überzeugt haben. Reforminhalt und Verhandlungs-strategien müssen entsprechend angepasst werden. Doch Vorsicht: Wahler-gebnisse, parteiinterne Positionswechsel oder andere Ereignisse, die zu einerVeränderung der Akteurs- und Machtkonstellationen führen, bedingen eineNeu-Evaluation.

Die strategische Kerngruppe

In Kapitel 3 wird die strategische Kerngruppe ausführlich thematisiert, abereinige Kernmerkmale wollen wir schon an dieser Stelle zusammenfassen:

Jede Reform muss gesteuert werden. Angesichts der dafür nötigen Er-folgskriterien – im Sinne der drei Ks: Kompetenz, Kommunikation und Kraftzur Durchsetzung – kommt diese Aufgabe besser einer Gruppe als einerEinzelperson zu. Diese strategische Kerngruppe bildet das Dach eines jedenReformprozesses und leitet die Reform durch alle Phasen. In ihr finden wirPersonen aus den Ressorts, Institutionen und gesellschaftlichen Bereichen

Kapitel 1: Ohne Strategiefähigkeit geht nichts

26

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 18: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

(Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, etc.), die an einer Reform be-teiligt sind – ob sie sie nun planen, vorbereiten oder umsetzen. Die Ent-scheidung darüber, wer in der Kerngruppe mitarbeitet, trifft der politisch fürdie Reform Verantwortliche, d.h. der Minister oder – bei Reformvorhabenmit besonders hoher politischer Bedeutung – die Bundeskanzlerin. Er odersie wählt die Mitglieder so aus, dass sie in ihrer Gesamtheit alle Ziele undAufgaben des ReformKompass bearbeiten können: Die strategische Kern-gruppe muss also sowohl Kompetenz und Kommunikations-/Dialogfähig-keit mitbringen als auch die notwendige Kraft zur Durchsetzung der Reform.

Ziele und Aufgaben eines erfolgreichen Reformprozesses

Die bisher diskutierten Phasen und Erfolgskriterien haben uns geholfen, dieStruktur und Systematik eines Reformprozesses besser zu greifen – wir ha-ben die Grundstruktur des „Reform-Hauses“ verstanden und können nun dieZimmer „einrichten“. In diesem abschließenden Teil des ersten Kapitelswenden wir uns den Zielen und Aufgaben zu und beginnen, das durch Re-formphasen und Erfolgskriterien aufgebaute Haus (Abbildung 3) inhaltlichzu füllen. Die zusammenfassende Übersicht zu den konkreten Zielen undAufgaben für jede Phase und jedes der drei Ks findet sich in der Übersichts-grafik in der Umschlagklappe.

Phase 1: Agenda Setting

Jede Reform hat eine andere Geschichte. Manche werden den Regierendenvon externen Ereignissen aufgedrängt, wie beispielsweise die Abkehr vonder Kernkraft und die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen nach derKatastrophe von Fukushima. Andere werden von den Regierenden sozusa-gen „von oben herab“ konzipiert, man spricht dann von Inneninitiierung,ohne dass die Dringlichkeit bzw. das Bewusstsein für ein bestimmtes Pro-blem in der Parteibasis und der Öffentlichkeit präsent ist. So brennt eineReform der Verwaltungsstruktur den wenigsten Bürgern unter den Nägeln.Trotzdem mag sie sinnvoll sein – und kann in der Konsequenz auch jedenEinzelnen betreffen, wenn z.B. Kommunen zusammengelegt werden. Man-che Reformen entstehen um der parteipolitischen Profilierung willen oderweil einflussreiche Lobbygruppen erfolgreich waren. Andere, weil sich einGelegenheitsfenster öffnet – sei es durch eine personelle Veränderung, einen

1.2 Der ReformKompass: Ein ganzheitliches Strategiemodell für polit. Reformprozesse

27

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 19: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

bestimmten Wahlausgang oder auch ein unerwartetes (politisches) Ereignis.So wurde die Schuldenbremse, mit der sich Bund und Länder selbst eineObergrenze bei der Verschuldung auferlegt haben, maßgeblich durch dieweltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ermöglicht. Agenda Setting ist aberimmer auch ein politischer Kampf, denn andere Akteure haben möglicher-weise ein Interesse daran zu verhindern, ein bestimmtes Thema in den Vor-dergrund zu rücken. Unabhängig davon, über welchen Weg eine Reformangestoßen wurde: Wir brauchen für jeden Reformprozess ein strategischgeplantes Agenda Setting. Drei Ziele sind in dieser Phase zentral (Abbil-dung 4).

Im Erfolgskriterium Kompetenz geht es darum sicherzustellen, dass zen-trale Zukunftsthemen aufgegriffen und auf die politische Agenda gesetztwerden bzw. dass ein politisch gesetztes Reformprojekt inhaltlich unter-mauert wird. So wird abgesichert, dass gesellschaftlich relevante Themenfrühzeitig identifiziert werden (unabhängig davon, ob es anfangs ein öffent-liches Problembewusstsein gibt) oder dass politisch gesetzte Reformen nichtnur öffentliches Renommee versprechen, sondern auch ein tatsächlichesProblem lösen. Dazu bedarf es einer Analyse des meist vielschichtigen Re-formumfelds, um Probleme zu erkennen und zu beschreiben und die grobeRichtung der Reform festzulegen. Dabei müssen zeitliche, finanzielle undinhaltliche Eckpunkte miteinander in Einklang gebracht werden.

Kapitel 1: Ohne Strategiefähigkeit geht nichts

28

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 20: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Abbildung 4: Ziele (fett) und Aufgaben (mit Aufzählungszeichen) in derPhase Agenda Setting

1.2 Der ReformKompass: Ein ganzheitliches Strategiemodell für polit. Reformprozesse

29

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 21: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Reformbereitschaft zu fördern ist das zentrale Ziel im ErfolgskriteriumKommunikation. Das soll sowohl bei den Akteuren aus Politik und Verwal-tung gelingen als auch in den Medien und der Öffentlichkeit. Grundlage fürReformbereitschaft ist das Bewusstsein, dass ein drängendes bzw. relevantesProblem überhaupt vorliegt. Gerade wenn Reformakteure das Problem sel-ber auf die Agenda setzen, bedingt das in Folge eine Menge Überzeugungs-arbeit, die zu leisten ist. Gelingt es, ein solches Problembewusstsein herzu-stellen, dann kann darauf aufbauend die Deutung des Problems angegangenwerden: Welcher Aspekt wird in den Vordergrund gerückt? Geht es bei derReform des Gesundheitssystems zum Beispiel um Kosteneinsparung oderum Qualitätsverbesserung? Auf diese Weise wird die Grundlage für Leit-ideen der Reform gelegt, über die sich dann Kernbotschaften, Ziele und po-sitive Visionen transportieren lassen. Diese Leitideen sollten kompatibel zuöffentlichen Debatten sein, aber auch die eigenen politischen Wertvorstel-lungen nicht vergessen. All diese Punkte werden in einem umfassendenKommunikations- und Dialogkonzept festgehalten.

Bei dem Erfolgskriterium Kraft zur Durchsetzung sollten die Erfolgsaus-sichten der Reform bereits in dieser frühen Phase kalkuliert werden. Diesehängen von einer Vielzahl an Faktoren ab: Wie stehen potentielle Vetospie-ler zu der Reform? Was denkt die Bevölkerung? Was ist mit dem Koaliti-onspartner machbar? Welche Profilierungschancen bieten sich für wen? Beidiesen Abwägungen muss bedacht werden, welchen inhaltlichen Verhand-lungsspielraum man gewillt ist zu öffnen. Es muss klar sein, was Verhand-lungsmasse ist, um einen ggf. zögerlichen Partner zu überzeugen, und esmuss klar sein, was zum Kern der Reform gehört und deshalb nicht zur De-batte steht. Auf dieser Basis kann in der nächsten Phase verhandelt werden.

Phase 2: Formulierung und Entscheidung

Wie der Begriff Formulierung und Entscheidung zeigt, stehen in dieser Pha-se zwei Themen im Mittelpunkt. Zum einen müssen jetzt aus den bis datoherausgearbeiteten Problemen und Reformrichtungen konkrete Reformvor-schläge entwickelt, diese gegeneinander abgewogen und schließlich die in-terne Entscheidung für ein Konzept gefällt werden. Die Folge der Abwä-gungen kann aber auch „Non-Action“ sein, wenn das Ergebnis nahelegt, einebestimmte Reform nicht weiterzuverfolgen. Hat sich die Kerngruppe auf einReformkonzept geeinigt, so muss dieses zum anderen durch die formalenEntscheidungsprozesse geleitet werden, also z.B. die Gesetzgebungsverfah-

Kapitel 1: Ohne Strategiefähigkeit geht nichts

30

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 22: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

ren in Bundes- und in Landesparlamenten. Auch in dieser Phase wollen wiruns auf drei Ziele konzentrieren – entsprechend unserer Systematisierungnach den drei Ks (Abbildung 5).

Abbildung 5: Ziele (fett) und Aufgaben (mit Aufzählungszeichen) in derPhase Formulierung und Entscheidung

1.2 Der ReformKompass: Ein ganzheitliches Strategiemodell für polit. Reformprozesse

31

http://www.nomos-shop.de/23241

Page 23: Die Autoren: Wie politische Ideen Wirklichkeit werden · Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 7 Tabellenverzeichnis 8 Verzeichnis der Infoboxen 9 Vorwort: Über das „Wie“

Im Bereich der Kompetenz lautet das Ziel, ein Reformkonzept zu formulie-ren. Handlungsoptionen und Reformalternativen werden sondiert, disku-tiert, mit Blick auf ihre Wirksamkeit, sowie mögliche unerwünschte Ne-benwirkungen, analysiert und bewertet. Auf Basis dieser Überlegungen ent-wirft die Kerngruppe konkrete Reformfahrpläne. Hier braucht es Sach-kenntnis aus Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und von Bürgerngleichermaßen, um eine möglichst angemessene Abwägung zu erreichen.Die Verantwortung für die Entscheidung bleibt trotz der Beteiligung Vieleraber immer bei den demokratisch legitimierten Akteuren der Politik.

Die Kommunikation muss in dieser Phase dafür sorgen, Vertrauen in dieReformvorschläge aufzubauen: es ist ebenso wichtig, realistische Erwar-tungen zu erzeugen wie eine positive Reformsprache zu verwenden. Nur sowerden oder bleiben Reformakteure glaubwürdig und werden in der breitenÖffentlichkeit gehört. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Vermittlungeigener Inhalte und Ansichten, sondern zunehmend auch darum, die Türenfür einen Dialog offenzuhalten, sowohl nach innen als auch nach außen (dazumehr in Kapitel 3.3).

Mehrheiten sichern! Das ist das Ziel im Erfolgskriterium Kraft zur Durch-setzung. Angesichts des föderalen Staatsaufbaus und der häufig notwendi-gen Bildung von Regierungskoalitionen ist das ebenso wichtig wie schwierigzu erreichen. Die strategische Kerngruppe muss sich flexibel zwischen kon-flikt-, konsens- und problemorientierten Verhandlungsstrategien bewegenund ggf. die Inhalte der Reform anpassen, um Bündnispartner zu gewinnen.Sie darf dabei aber nicht den Kern der Reform gefährden. Und gleichzeitigmuss sie die Öffentlichkeit von der Reform zu überzeugen. Mit hoher öf-fentlicher Zustimmung können erfahrungsgemäß Reformen rechnen, derenpositive Wirkungen schnell beim Bürger ankommen und die als sozial ge-recht empfunden werden. Oft werden kurzfristig eintretende Reformverlustewesentlich stärker wahrgenommen als langfristig entstehende Gewinne.Über diese Grundregel muss sich jeder Reformer im Klaren sein. Lassen sichgesellschaftliche Veränderungen nur in Verbindung mit solchen kurzfristi-gen Verlusten realisieren, so muss den drohenden Abwehrreaktionen in derÖffentlichkeit durch frühzeitiges Erwartungsmanagement begegnet werden.

Kapitel 1: Ohne Strategiefähigkeit geht nichts

32

http://www.nomos-shop.de/23241