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Math SemesterberDOI 10.1007/s00591-012-0115-4

M AT H E M AT I K I N D E R F O R S C H U N G

Die Berechnung des Integral∫ ∞−∞(

∏nk=1

sin(akx)akx ) · cos(bx)dx

Rolfdieter Frank · Harald Riede

Eingegangen: 12. September 2011 / Angenommen: 26. September 2012© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

Zusammenfassung Das im Titel genannte Integral beantwortet die Frage nach demVolumen des Schnittes eines n-dimensionalen Würfels mit einer Hyperebene. DerArtikel leistet die Umwandlung in eine elementare Schnittformel und gibt Beispielefür ihre Anwendung.

Welcher ebene Schnitt des Einheitswürfels hat den größten Flächeninhalt? – DieseFrage stellte C.S. Ogilvy 1956 in [9]. Die zwar leicht zu erratende, aber dann dochnicht so ganz leicht zu beweisende Antwort gaben A.R. Hyde (s. [8]) und späterauch E. Ehrhardt in [3]: Die maximale Schnittfläche enthält zwei gegenüberliegendeWürfelkanten, ist also ein Rechteck mit Seiten 1 und

√2 und Flächeninhalt 1 · √2.

Bedenkt man zudem, daß der längste Geradenschnitt eines Quadrats zwei gegen-überliegende Quadratecken enthält, so kann man vermuten, daß der volumengrößteHyperebenenschnitt eines vierdimensionalen Würfels zwei gegenüberliegende Wür-felflächen enthält, also ein Prisma ist mit quadratischer Grundfläche, Höhe

√2 und

Volumen 1 · 1 · √2.Die entsprechende Vermutung für den n-dimensionalen Würfel lautet: Der maxi-

male Hyperebenenschnitt enthält zwei gegenüberliegende (n − 2)-dimensionale Flä-chen und hat das (n − 1)-dimensionale Volumen

√2. Sie stammt von D. Hensley

(s. [7]) und wurde 1985 von K. Ball bewiesen (s. [2]). Seinen Beweis gründet Ballauf eine bemerkenswerte Formel für das Volumen des Schnittpolytops:

Satz 1 (Ball 1985) Ist Cn = [−1,1]n ein n-dimensionaler Würfel mit n ≥ 2 undH = {x ∈ Rn|a ◦x = b} mit a = (a1, . . . , an) ∈ (R\{0})n, b ∈ R eine Hyperebene, so

R. Frank (�) · H. RiedeMathematisches Institut, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, 56070 Koblenz,Deutschlande-mail: [email protected]

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R. Frank, H. Riede

gilt

Vol(Cn ∩ H) = |a|π

· 2n−1∫ ∞

−∞

(n∏

k=1

sin(akx)

akx

)· cos(bx)dx.

Um diese Formel herzuleiten, deutet Ball das Volumen Vol(Cn ∩ H) als Dichteder stetigen Zufallsvariablen

∑nk=1 akXk , wobei jede der unabhängigen Zufallsvaria-

blen Xk gleichverteilt auf [−1,1] ist. Dann ist Vol(Cn ∩ H) die Faltung f1 ∗ · · · ∗ fn

der Dichten fk von akXk . Durch eine Fouriertransformation werden die Rechteck-funktionen fk zu sin(akx)

akxund die Faltung wird zum Produkt. Indem er auf dieses

Produkt die inverse Fouriertransformation anwendet, erhält Ball seine Formel fürVol(Cn ∩ H).

Ohne nun den Wert des Integrals zu kennen oder berechnen zu können, gewinntBall über diesen Zusammenhang in trickreicher, zäher Arbeit eine scharfe Abschät-zung für den maximalen Schnittinhalt. Die konkrete Kenntnis des Integralwerts hättevielleicht, so darf man vermuten, einen ganz anderen, einfacheren Zugang erlaubt.Wen wundert’s also, wenn sich dieses Integral in einschlägigen Sammlungen entwe-der gar nicht oder nur für den Fall n = 1 findet, so etwa in [6, S. 121]; die gewichtigeund wohl auf dem aktuellen Stand befindliche Sammlung [5] führt es in der obigenForm immerhin auf, gibt seinen Wert aber nur für einen engen Sonderfall an.1

M. Berger weist dementsprechend in [1, S. 469] diesem Integral eine Schlüssel-rolle zu bei Fragen nach Hyperebenenschnitten des Würfels. Es ist also belangvoll,erweckt aber nicht von ungefähr den Eindruck, nur unter größerer Anstrengung be-rechenbar zu sein. Im Versuch der Verfasser, dem Vol(Cn ∩ H) rechnerisch beizu-kommen, war das erste Bemühen genau hierauf gerichtet – mit Erfolg; es ist unsgelungen, einen elementaren Rechenausdruck für das Integral zu gewinnen. Dieserdirekte, gleichsam „erwartungsgemäße“ Zugang soll hier vorgestellt werden. Späterdann war es uns möglich, die in [1] mit dem Integral verknüpfte wahrscheinlichkeits-theoretische Begründung durch eine geometrische zu ersetzen und darüber hinausdie Berechnung einfacher zu organisieren. So stellt die Darbietung hier also eineAlternative zu dem in [4] verfolgten Weg dar.

Das Ergebnis sei vorweggenommen. Mit den Bezeichnungen

a = (a1, . . . , an) ∈ Rn mit ak = 0 ∀k, b ∈ R, αw =n∏

k=1

wk für w ∈ {−1,1}n,

μw = a ◦ w = a1w1 + · · · + anwn

gilt∫ ∞

−∞

(n∏

k=1

sin(akx)

akx

)· cos(bx)dx

= π

2n(n − 1)!∏nk=1 ak

·∑

w∈{−1,1}nαw(μw + b)n−1 sgn(μw + b). (1)

1S. dort S. 427; es wird a1 >∑n

k=2 |ak | + |b| verlangt (mit dem Ergebnis πa1

für das Integral).

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Die Berechnung des Integral∫ ∞−∞(

∏nk=1

sin(akx)akx ) · cos(bx)dx

1 Umformung des Integrals

Zunächst ist

∫ ∞

−∞

(n∏

k=1

sin(akx)

akx

)· cos(bx)dx = 2∏

k ak

∫ ∞

0

∏k sin(akx)

xn· cos(bx)dx,

weshalb als erstes die Vereinfachung des trigonometrischen Produkts im Integrandenansteht.

2(2i)n cosb∏k

sinak

= 2 cosb∏k

2i sinak

= (eib + e−ib

)(eia1 − e−ia1

)(eia2 − e−ia2

) · . . . · (eian − e−ian)

=∑

w∈{−1,1}neibαwei(a◦w) +

∑w∈{−1,1}n

e−ibαwei(a◦w).

Mit der Bezeichnung μ± = a ◦ w ± b heißt das

2(2i)n cosb∏k

sinak =∑w

αw

(eiμ+ + eiμ−)

und in passender Anwendung dessen auf das Integral wird

∫ ∏sin(akx)

xn· cos(bx)dx = 1

2(2i)n

∑w

αw

∫eiμ+x + eiμ−x

xn. (2)

Mittels wiederholter partieller Integration findet man im Fall n > 1

∫eiμx

xndx = 1

n − 1

(− eiμx

xn−1+ iμ

∫eiμx

xn−1

)

= · · · = − eiμx

xn−1Sμ(x) + (iμ)n−1

(n − 1)!∫

eiμx

x,

wobei

Sμ(x) =n−1∑k=1

(iμx)k−1

k!(n−1k

)

gesetzt wurde.

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Damit läßt sich das Integral in (2) weiter abbauen zu∫ ∏

sin(akx)

xn· cos(bx)dx

= − i

2n+1(n − 1)!∑w

αw

(μn−1+

∫eiμ+x

x+ μn−1−

∫eiμ−x

x

)

− 1

2(2i)n

∑w

αw

(eiμ+x Sμ+

xn−1+ eiμ−x Sμ−

xn−1

). (3)

2 Herleitung der Formel (1)

Wir benötigen von der rechten Seite der (3) natürlich nur den Realteil, der sich fürdie erste Summe ergibt zu

A = 1

2n+1(n − 1)!∑w

αw

(μn−1+

∫sinμ+x

x+ μn−1−

∫sinμ−x

x

). (4)

In Abschn. 3 werden wir zeigen, daß für die zweite Summe B gilt: [B]∞0 = 0. Diesist dann gleichermaßen für ihren Realteil richtig und dementsprechend leistet B inder angestrebten Formel keinen Beitrag. Für den Fall n = 1 gibt (4) zugleich denkompletten Realteil von (2) wieder, so daß sich für beliebiges n ∈ N ergibt

∫ ∞

0

∏sin(akx)

xn· cos(bx)dx

= [A]∞0 = 1

2n+1(n − 1)!∑w

αw

(μn−1+

∫ ∞

0

sinμ+x

x+ μn−1−

∫ ∞

0

sinμ−x

x

)

= 1

2n+1(n − 1)!∑w

αw

(μn−1+

π

2sgn(μ+) + μn−1−

π

2sgn(μ−)

).

Mit w durchläuft auch −w alle Vektoren aus {−1,1}n, womit wir dieses Ergebnisvereinfachen können:∑

w

αwμn−1− sgn(μ−) =∑w

α−w

(a ◦ (−w) − b

)n−1 sgn(a ◦ (−w) − b

)

=∑w

((−1)nαw

)(−1)n−1(a ◦ w + b)n−1(−1) sgn(a ◦ w + b)

=∑w

αwμn−1+ sgnμ+.

Wir erhalten zuletzt∫ ∞

0

∏sin(akx)

xn· cos(bx)dx =

π2

2n(n − 1)!∑w

αwμn−1+ sgnμ+,

woraus sich unmittelbar (1) ableitet.

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Die Berechnung des Integral∫ ∞−∞(

∏nk=1

sin(akx)akx ) · cos(bx)dx

3 Behandlung der Summe B(n ≥ 2)

Für die zweite Summe B in (3) ist [B]∞0 = 0 nachzuweisen. Es genügt, diesenNachweis für

C =∑w

αweiμx Sμ

xn−1, μ = a ◦ w ± b

zu erbringen. Bezüglich der oberen Grenze (x → ∞) ist der Sachverhalt wegenGrad Sμ = n− 2 klar. Wir wenden uns dem Grenzübergang x → 0 zu und betrachten

C =∑w

(αw

∞∑l=0

(iμx)l

l!Sμ

xn−1

)=

∞∑l=0

n−1∑k=1

∑w αwμk+l−1

k!l!(n−1k

) · ik+l−1 xk+l−1

xn−1.

Ist hierin r = k + l − 1 > n, so xk+l−1

xn−1 = xr+1−n → 0. Für den Fall r < n zeigenwir (per Induktion über n ≥ 1), daß

∑w αwμr = 0 ist und folglich der zugehörige

Summand verschwindet. Damit ist geklärt: C → 0.Die Induktion: Ist n = 1, so r = 0 und daher

∑w αwμ0 = 1 + (−1) = 0. Sei nun

n > 1 und w′ = (w1, . . . ,wn−1), a′ = (a1, . . . , an−1), μ′ = a′ ◦ w′ + b und es gelte∑w′∈{−1,1}n−1 αw′(μ′)s = 0 für alle s < n − 1. Dann ist

∑w∈{−1,1}n

αwμr =∑wn=1

αwμr +∑

wn=−1

αwμr

=∑wn=1

αw′(μ′ + an

)r −∑

wn=−1

αw′(μ′ − an

)r

=∑

w′∈{−1,1}n−1

(2αw′

(r

1

)(μ′)r−1

a1n + 2αw′

(r

3

)(μ′)r−3

a3n + · · ·

)

= 2

(r

1

)a1n

∑w′

αw′(μ′)r−1 + 2

(r

3

)a3n

∑w′

αw′(μ′)r−3 + · · · = 0.

4 Einige Anwendungen der Schnittformel

Die folgenden Beispiele sind so gewählt, daß sich die durch unsere Formel (1) gelie-ferten Ergebnisse leicht geometrisch bestätigen lassen. Dabei erhalten wir die Eckenvon Cn ∩ H als Schnittpunkte der Kanten von Cn mit H und Cn ∩ H ist die konvexeHülle dieser Ecken.

Beispiel 1 Ist H in R2 gegeben durch x + y = b mit 0 ≤ b ≤ 2, so ist a1 = a2 = 1und Formel (2) liefert

Vol(C2 ∩ H) =√

2

2

(|1 + 1 + b| − |1 − 1 + b| − |−1 + 1 + b| + |−1 − 1 + b|)

= √2(2 − b)

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Abb. 1 Beispiel 1

− wie entsprechend Abb. 1 zu erwarten.

Beispiel 2 In R3 sei die Ebene H gegeben durch x + y = 0; es ist also a1 = a2 = 1und a3 = b = 0. Wegen a3 = 0 wenden wir Formel (1) mit n = 2 an und multiplizie-ren das Ergebnis mit der Kantenlänge des Würfels, also mit 2. Wir erhalten

Vol(c3 ∩ H) = 2 ·√

2

2

(|2 + 0|−2 · |0 + 0| + |−2 + 0|) = 4√

2.

C3 ∩ H hat die 4 Ecken (1,−1,±1), (−1,1,±1), ist also ein Rechteck mit Seiten-längen 2

√2 und 2. Damit ist das Ergebnis 4

√2 geometrisch bestätigt.

Beispiel 3 In R3 sei die Ebene Hb gegeben durch x+y+z = b, 0 ≤ b ≤ 3 (s. Abb. 2).

Formel (1) liefert Vol(C3 ∩ Hb) =√

34 ((3 + b)2 − 3(1 + b)2 + 3(−1 + b) · |−1 +

b|−(−3 + b)2).Für b = 0 wird dies zu 3

√3. Im Einklang mit Abb. 2 hat C3 ∩ H0 als Ecken die 6

Permutationen (der 3 Komponenten) von (1,0,−1), ist also ein reguläres Sechseckmit Seitenlänge

√2 und hat folglich die vorhergesagte Fläche.

Für b = 1 ergibt sich Vol(C3 ∩ H1) = 2√

3; C3 ∩ H1 hat die Ecken (1,1,−1),(1,−1,1), (−1,1,1), ist also ein gleichseitiges Dreieck mit Seitenlänge 2

√2.

Für b = 3 wird erwartungsgemäß Vol = 0, denn C3 ∩ H3 besteht nur aus demPunkt (1,1,1).

Abb. 2 Beispiel 3

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Die Berechnung des Integral∫ ∞−∞(

∏nk=1

sin(akx)akx ) · cos(bx)dx

Weitere Beispiele (für die Dimensionen 4 und 5) finden sich in [4].

Literatur

1. Berger, M.: Geometry Revealed. Springer, Berlin (2010)2. Ball, K.: Cube slicing in Rn. Proc. Am. Math. Soc. 97(3), 465–473 (1986)3. Ehrhardt, E.: Sections maximales du cube. Rev. Mat. Spéc. 76, 249–251 (1966)4. Frank, R., Riede, H.: Hyperplane sections of the n-dimensional cube. Am. Math. Mon. 119(10) (2012)5. Gradshteyn, I.S., Ryzhik, I.M.: Table of Integrals, Series, and Products. Academic Press, New York

(2006)6. Gröbner, W., Hofreiter, N.: Integraltafel, 2. Teil. Springer, Wien (1973)7. Hensley, D.: Sclicing the cube in Rn and probability. Proc. Am. Math. Soc. 73, 95–100 (1979)8. Hyde, A.R.: Solution to problem E 1201. Am. Math. Mon. 63, 578–579 (1956)9. Ogilvy, C.S.: Problem E 1201. Am. Math. Mon. 63, 120 (1956)