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Die Botanicals des Gins Von Angelika bis Zitrusfrucht

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Die Botanicals des GinsVon Angelika bis Zitrusfrucht

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I. Vorwort

Zum momentanen Zeitpunkt gibt es über 160 verschiedene Gin-Destillerien. Die geographische Verteilung der einzelnen Brennereien ist dabei so vielfältig wie die verwendeten Zutaten der jeweiligen Gins selbst.

Darunter zählen „Gin-Exoten“ wie Lettland oder Belgien, aber auch für Gin bekannte Nationen wie England und USA.

Und auch wenn die Auswahl der verwendeten Zutaten, die mazeriert werden sollen (Beim Gin werden diese Zutaten als Botanicals bezeichnet), unzählbar groß ist, finden bestimmte Botanicals außergewöhnlich oft

ihren Weg in die Mazerationsbehälter der Brennmeister. Zum einen, weil die Definition „Gin“ dies rechtlich verlangt, zum anderen, da sich so manche Zutat aromatisch bewährt hat.

Hervorzuheben ist dabei vor allem Wacholder, dessen Verwendung und Aroma für Gin jeglicher Art essentiell ist. Aus diesem Grund erhalten die Zapfen dieses Zypressengewächses in diesem eBook ein

eigenständiges Kapitel. Auch Kardamom und Koriander zählen viele Brenner mittlerweile schon zu den Standard-Botanicals eines Gins. Vor allem in den letzten Jahren legte man vermehrt Wert auf die

Herstellung von Gins mit deutlichem Zitrusnoten. Und auch wenn seit jeher mit der Mazeration diverser Naturstoffe experimentiert wird, so zeigte sich vor allem in den vergangenen Jahren ein Trend hin zu Gins

mit deutlich individuellem Charakter, geprägt von regionalen Zutaten.

Mit dem folgenden eBook möchte ich dir daher eine Übersicht geben, die dir helfen soll, die Bedeutung und

den aromatischen Hintergrund von Wacholder, Paradieskörnern & Co. in einem Gin zu verstehen.

Ich wünsche dir viel Vergnügen bei der Lektüre!

Philip Reim

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II. Wacholder - Die Basis jeden Gins

Kennt man Gin, so kennt man das Aroma von Wacholder. Seit jeher gilt dieser als unerlässliche Aromenquelle für das Getreidedestillat Gin und verleiht ihm eine unverkennbare Note. Das für mich

Interessante darin ist, dass obwohl man den Geruch deutlich als Wacholder klassifizieren kann, das Aroma nicht auf eine einzige chemische Verbindung zurückzuführen ist.

Wacholder ist eben kein künstliches Aroma, sondern Natur in Reinform. Im folgenden Abschnitt möchte ich daher genauer darauf eingehen, was Wacholder eigentlich ist und warum es so hervorragend als

Aromenquelle für Destillate geeignet ist.

“[...] Gin erhält seinen charakteristischen Geschmack aus der Aromatisierung mit Gewürzen, darunter vor

allem Koriander und Wacholderbeeren[...]“. So lautet die vielzitierte Definition von Gin, die ich in diesem Fall dem entsprechenden Wikipedia-Artikel entnommen habe.

II.1. Gin und die Crux mit den Beeren

Man liest dies aber nicht nur im Web, sondern auch oft in Fachliteratur zum Thema Spirituosen. Prinzipiell ist dies jedoch falsch. Wacholder zählt zu den “Nadelhölzern”, welche keinen Fruchtknoten besitzen und

folglich auch keine Beeren bzw. Früchte ausbilden können. Man bezeichnet diese stattdessen als “Zapfen”. Diese Zapfen liefern schlussendlich den Geschmack, den man mit dem Gin so sehr zu schätzen gelernt hat.

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II.2. Chemische Verbindungen – Vom Wacholder in die Flasche

Wie bei jedem Naturprodukt, vor allem jene die in der Spirituosenherstellung zum Einsatz kommen, lässt

sich das Aroma nicht auf eine bestimmte Substanz zurückführen. Es ist vielmehr das Zusammenspiel diverser chemischer Verbindungen, die wie im Fall des Wacholders, den angenehmen Geruch und

Geschmack erzeugen. Um etwas Licht in die dunklen Zapfen zu bringen, die das Destillat mit Aromen versorgen, möchte ich einige Substanzen charakterisieren, die durch physikochemische Analyseverfahren

in den Wacholderzapfen nachgewiesen wurden.

Über 40 Prozent des Inhalts der Wacholderzapfen besteht aus Zucker und Harz. Letztere setzen sich zum

überwiegenden Teil aus Harzsäuren sowie einem erheblichen Anteil an flüchtigen aromatischen Verbindungen zusammen.

Hauptaromenspender und für die Gin-Produktion von entscheidender Bedeutung ist das enthaltene ätherische Öl. Dieses macht je nach Herkunft 0,2 bis 2,0 Prozent der Inhaltsstoffe aus. Dieses ätherische

Öl setzt sich aus Verbindungen zusammen, die sich alle chemisch sehr ähnlich sind und dieselbe Grundstruktur besitzen. Hierzu zählen u.a. α- und β-Pinen, Terpen-4-ol, Borneol und Geraniol.

Eine weitere wichtige Substanz, die für das Aroma von Wacholder verantwortlich ist, in diesem aber nur in

Spuren vorkommt, wird als Sabinen bezeichnet. Neben seinem Vorkommen in Wacholder konnte Sabinen außerdem im Kubeben-Pfeffer, Limetten, Majoran und Kardamom nachgewiesen werden. Eventuell ist dies

einer der Gründe warum jene Gewürze und Früchte so oft und so gut bei der Gin-Herstellung verwendet

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werden und mit dem Wacholderaroma harmonieren.

Die letzte chemische Verbindung, die ich an dieser Stelle erwähnen möchte, findet unter der Bezeichnung 3-Caren Verwendung. Diese Substanz kommt in diversen Citrus-Arten, Tannen, schwarzem Pfeffer und

eben Wacholder vor und besitzt einen süßlichen Geruch. 3-Caren wird in der Wissenschaft häufig als Ausgangssubstanz für die Synthese von Menthol verwendet.

III. Früchte

✓ Zitrusschale

Viele Leute sehen in Schalen von Zitrusfrüchten nur ein Hindernis, das es zu entfernen gilt, um an das saftige Fruchtfleisch zu gelangen, aus dem man dann köstliche Säfte aus Orangen, Grapefruit, Zitrone,

Limette etc. macht. Für die Herstellung von Gin ist das Fruchtfleisch aber kaum von Bedeutung. Zum einen ist die Konzentration an Aromen für die Mazeration zu gering und des Weiteren würde ein Erhitzen der

eigentlichen Frucht nur dazu führen, dass es ein undefinierbares batziges Etwas wird, das von der Konsistenz her an Marmelade erinnert.

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Viel wichtiger sind dafür für den Gin-Brenner die Schalen jener Zitrusfrüchte. Hochkonzentriert an Terpenen oder ätherischen Ölen wie Polyphenolen lassen diese sich hervorragend mazerieren und sind seit

jeher wichtiger Bestandteil von Gin.

Der wichtigste Vertreter chemischer Substanzen, der sowohl in Zitronen- als auch Orangen- und Limettenschalen die mit Abstand höchste Konzentration von bis zu über 90 % besitzt, ist Limonen. Viele

Vertreter der New Western Dry Gins schreiben sich eben dieses Aroma auf ihre Fahne und bereits beim ersten Öffnen dieser Flaschen wird deutlich, dass die Zitrusschalen bei der Mazeration den

Wacholderzapfen den Rang abgelaufen haben. Zu erwähnen wären hierbei sowohl der Tanqueray Ten als auch sehr markant der Tanqueray Rangpur, der mit seinem Aroma nach Rangpur-Limetten ganz gezielt ein

zitruslastiges Aroma anstrebt.

✓ Liebstöckel

Das für die Gin-Herstellung interessante an dieser krautigen Pflanze ist die Tatsache, dass die gesamte

Pflanze einen aromatischen Geruch und Geschmack versprüht. Hierfür sorgt eine Vielzahl an chemischen Verbindungen wie Angelikasäure, Apfelsäure, Gerbstoffe, Fette, Harze, Invertzucker oder Kampfer.

Im Gegensatz zu anderen Pflanzen, bei denen nur ein bestimmter Teil wie Frucht, Rhizom oder Blätter, für die Gin-Produktion relevant ist, bietet Liebstöckel dem Brennmeister gleich die komplette Bandbreite.

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Sowohl die Früchte, das Rhizom, die Samen und die Blätter können zur Aromatisierung verwendet werden.

Je nachdem welche Geschmacksrichtung gewünscht wird. Charakteristisch für diese Pflanze ist allerdings

der bekannte Maggi-Geschmack, wodurch Liebstöckel oftmals auch als Maggi-Kraut bezeichnet werden.

Wie so viele andere aromatische Pflanzen hat auch Liebstöckel viel medizinische Wirkung zu bieten. So wirkt es zum einen entkrampfend bei Darmbeschwerden oder aber lindert Schmerzen bei der Menstruation.

Aufgrund seiner vielseitigen pharmakologischen Bedeutung wird Frauen während der Schwangerschaft geraten, vom Verzehr von Liebstöckel abzusehen. Sollte es jedoch als Botanical im Gin während der

Schwangerschaft konsumiert werden, denke ich, dass das Liebstöckel das geringste Problem ist.

✓Mandel

Wie bereits beim Wacholder, bei dem die Wacholderzapfen meist fälschlicherweise als Wacholderbeeren

bezeichnet werden, nennt man die Mandelfrucht meist “Nuss”. Im Laufe der Zeit hat sich dies im Volksmund eingebürgert. Die korrekte Bezeichnung wäre wie bei Kirschen und Pfirsichen auch:

“Steinfrucht”.

Es dürfte weitläufig bekannt sein, dass es sowohl Süß- als auch Bittermandeln gibt. Worin liegt jetzt aber

der Unterschied?

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Der prinzipielle Unterschied zwischen Süß- und Bittermandeln liegt im Vorkommen der chemischen Verbindung Amygdalin. Dieses Glykosid kommt ausschließlich in Bittermandeln vor und nicht in

Süßmandeln.

Zerfällt Amygdalin durch diverse chemische Prozesse, entsteht unter anderem Cyanwasserstoff, auch bekannt als Blausäure. Aufgrund der Bildung dieses hoch toxischen Stoffes wird schwangeren Frauen

empfohlen auf den Konsum von Bittermandeln weitestgehend zu verzichten.

Bevor man jetzt aber gleich Bittermandeln verteufelt: Amygdalin kommt ebenso in Pfirsichen, Aprikosen, Kirschen etc. vor. Bei gesunder Verfassung spielen die geringen Mengen dieser Substanz also kaum eine

Rolle.

Mittlerweile werden Mandeln in ganz Europa angebaut. 41 Prozent der globalen Produktion stammen

jedoch aus den U.S.A. und dort wiederum 70 Prozent aus Kalifornien. Die dadurch unterschiedlichen klimatischen Bedingungen von Anbauregion zu Anbauregion verdeutlichen auch gleich die Bedeutung von

Mandeln für den Brenner. Egal ob süß, nussig oder manch anderes Aroma erwünscht ist: Mandel kann es je nach Anbaugebiet liefern.

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IV. Blüten und Rinde

✓ Kamille

Wer kennt ihn nicht? Den Kamillentee. Bei vielen kleinen Erkältungen muss er in so manchem Haushalt als

Arznei herhalten. Und wie auch bei der Gin-Produktion erhält man auch beim Aufbrühen der Kamillenblüten die chemischen Inhaltsstoffe durch Mazeration, nur eben durch heißes Wasser und nicht durch Alkohol.

Von der Kamillepflanze, die zu den Asteraceaen zählt, werden sowohl für Gin und andere Genussmittel als auch für medizinische und Kosmetikartikel die Blüten der Kamille verwendet.

Interessant finde ich, dass diese großteils nur chemische Substanzen enthält, die bereits anderen

Lebensmitteln und Gewürzen ihren aromatischen Wiedererkennungswert verleihen.

Neben Sesquiterpenen spielen dabei vor allem Anissäure, Kaffeesäure, Vanillinsäure und Syringasäure eine

wesentliche Rolle. Die beiden Letztgenannten spielen ebenso eine wichtige geschmackliche Rolle bei der Reifung von Whisky im Holzfass. Für Gin sind Kamillenblüten vor allem dann von Bedeutung, wenn der

Brennmeister seinen Gin mit Aromen von Apfel spicken will.

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✓ Kassia-Rinde

Da die Liste der verwendeten Botanicals meist in englischer Sprache erscheint, liest man häufig “Cassia bark”. Obwohl vielen der Begriff Kassie oder Kassia nicht sonderlich viel sagt, hat diese Pflanze jedoch eine

nahe Verwandtschaft zu einer uns sehr bekannten und beliebten Pflanze bzw. deren Rinde. Betrachte mal den wissenschaftlichen Name der Kassie Cinnamomum aromaticum. Und? Fällt Dir etwas auf? Die Kassie

zählt ebenso wie der uns geläufige Zimt Cinnamomum verum zur Gattung Cinnamomum und wird daher auch häufig als China-Zimt bzw. chinesischer Zimt bezeichnet.

Obwohl die Kultivierung von Kassien im Vergleich zum bekannten Zimt ähnlich abläuft, so gibt es

hinsichtlich Aussehen und Aroma markante Unterschiede. Während echter Zimt einen süßlich-würzigen und mild-brennenden Charakter hat, fehlt Kassia im Gegensatz diese leichte Süße und so zeigt sie sich

aromatisch eher rau und weniger mild.

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V. Rhizom und Wurzel

✓ Ingwer

Blüten oder Früchte bei der einen Pflanze, Wurzeln oder Samen bei der anderen. Jedes Gewächs, das bei der Gin-Herstellung von Bedeutung ist, trägt seine wichtigen Aromastoffe in einem bestimmten

Pflanzenabschnitt. Auch Ingwer tut dies, wenn auch nicht ganz so konventionell.

Für die Zubereitung verschiedener Speisen oder auch der Aromatisierung von Spirituosen wird das

sogenannte Rhizom verwendet. Ein hocharomatisches Organ der Pflanze, das Wurzeln mit Blättern verbindet und dabei Nährstoffe speichert und weiterleitet.

Welche Fülle an Aromen hierbei gespeichert wird, weiß jeder der bereits puren Ingwer probiert hat. Seifig und scharf sind dabei die markantesten Eindrücke. Und während auch beim Ingwer das typische Aroma

durch diverse chemische Verbindungen geschaffen wird, so produzieren nur wenige Substanzen die auffallende Schärfe.

Wichtigste Substanz ist dabei das namensverwandte Gingerol. Diese organische Verbindung soll sowohl einer der Hauptaromastoffe als auch Schmerzauslöser beim Verzehr sein. Sie sehen, die Mazeration von

Ingwer bei der Gin-Produktion kann sehr interessante Ergebnisse liefern, aber auch sehr schnell im Ausguss landen.

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✓ Kalmus

Seine Zweitbezeichnung “deutscher Ingwer” kommt nicht von irgendwo. Wie beim bekannten Ingwer ist

auch beim Kalmus zur Aromatisierung hauptsächlich das Rhizom bedeutend. Aus diesem wird das sogenannte Kalmusöl gewonnen, das sowohl zu medizinischen Zwecken als auch für die Parfüm- und

Genussmittelherstellung verwendet wird. Verschiedene chemische Substanzen sorgen dafür, dass Kalmus seit jeher zur Tee- und Gewürzzubereitung verwendet wird. Sein charakteristischer Geschmack verhalf

Kalmus sogar in die Rezeptur von Coca-Cola. Jedoch sind wie bei vielen aromatischen Heilkräuter bei übermäßigem oder “falschem” Konsum entsprechende Nebenwirkungen zu erkennen. Das Kauen der

Kalmus-Wurzel wirkt beispielsweise stimmungsaufhellend und in höherer Konzentration führt es sogar zu Halluzinationen. Nur gut, dass man im Gin nicht viel davon merkt.

✓ Lakritze

Lakritze ist eine Pflanze, die aus dem Mittelmeerraum bzw. Westasien stammt. Hierzulande wird sie oft

auch als Süßholz bezeichnet. Ich finde die Verwendung dieses Begriff allein deswegen schon besser, da es Verwechselungen mit der Süßigkeit Lakritze ausschließt. Als Botanical zur Gin-Herstellung wird die Wurzel

des Süßholzes benutzt. Sieht man sich einmal die chemische Zusammensetzung dieser Wurzel an, wird auch sehr schnell deutlich, warum sie sich so optimal eignet. Wie der wissenschaftliche Name bereits

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andeutet, enthält die Wurzel das Glycosid Glycyrrhizin. Dieses organische Salz ist ca. 50-fach süßer als Rohrzucker. Hinzu kommen Aromastoffe wie Geraniol oder auch Anethol. Letzteres sorgt neben der Lakritze

auch bei Anis und Fenchel für charakteristische Aromen.

Süßholzwurzel hat, wie so viele andere Kräuter, aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung auch Heilwirkung. Es wird neben der Behandlung von Husten bzw. Atemwegsproblemen unter anderem auch

wegen seiner antibakteriellen Wirkung eingesetzt.

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✓ Schwertlilie

Das auch als Iris bezeichnete Gewächs findet bei der Herstellung von Gin kaum Beachtung. Zumindest nicht Stängel, Blätter und Blüte. Für viele Gin-Rezepte aber unerlässliche Zutat ist die Wurzel der

Schwertlilie (engl.: orris root). Laut Literatur soll sich das Aroma der Wurzel auch deutlich von dem der Blüte unterscheiden und eher an den Duft von Veilchen erinnern. Allerdings muss ich an dieser Stelle

hinzufügen, dass sprachlich bei der Schwertlilie, dasselbe Problem auftritt wie bei Ingwer. Verwendet wird nämlich das Rhizom. Neben der Gin-Herstellung ist aber auch die Parfüm-Industrie sehr an den Rhizomen

der Schwertlilien interessiert. Nicht umsonst ist die Nachfrage an dem “Veilchenwurzelöl”, das in Produkten von u.a. Prada und Yves Saint Laurent die Kunden besser duften lässt, so hoch.

✓ Angelika

Die wissenschaftlich als Angelica archangelica bezeichnete Pflanze bevorzugt für optimales Wachstum

Böden mit hoher Feuchtigkeit. Man trifft sie daher häufig an Ufern von Seen und Flüssen an. Während man sie in Belgien, Frankreich und Deutschland oft kultiviert, erstreckt sich ihr natürlicher Lebensraum vor

allem in den kälteren Breiten von Nord- und Osteuropa, nach Nordamerika und selbst im Himalaya findet man Angelika bzw. Engelwurz.

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Die französische Art dieses Doldengewächses ist in Bezug auf ihre Farbe eher etwas heller, wohingegen der deutsche Typ etwas dunkler ist.

Im Hinblick auf den kulinarischen Einsatz bzw. die Verwendung im Gin sind vor allem drei Bestandteile der Angelika von Bedeutung: Die Samen, das Rhizom und die Wurzel.

Die gelblichen Samen finden ebenso wie das Rhizom und Wurzeln häufig Verwendung bei der Mazeration diverser Gins. Grund hierfür ist die enorme Anzahl an ätherischen Ölen wie ß-Phellandren vor allem im

Bereich des Rhizoms und der Wurzel. Oft liest man nur von Angelika Wurzel bzw. Angelica root als Botanical, allerdings ist dies nur eine vereinfachte Sichtweise. Obwohl Rhizome sich oftmals ebenso wie die

Wurzeln unter der Erde befinden, gehören sie zur Sprossachse und nicht zum Wurzelsystem. Auch in Hinblick auf chemische Aromastoffe gibt es große Unterschiede zwischen Wurzeln und Rhizomen. Aus

kulinarischer Sicht ist das Rhizom des Ingwers, sicherlich das bekannteste.

Obwohl Wurzel und Rhizom vor allem bei der Herstellung von hochwertigen Gins Verwendung finden, ist

der Gebrauch von Angelika Samen für die Gin-Produktion in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Grund ist die gestiegene Nachfrage für die Herstellung von Zahnpasta.

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VI. Samen

✓ Kardamom

Einige Gin-Hersteller machen von Kardamom aufgrund seines markanten und individuellen Geschmacks Gebrauch; aufgrund seines intensiven Geschmacks, aber auch nur in Maßen.

Für die Genussmittelproduktion hat man hierbei die Wahl zwischen mehreren Arten. Der grüne Kardamom, der zu den Ingwergewächsen gezählt wird, unterteilt sich in den hochwertigen Malabarkardamom Elettaria

cardamomum Maton var. cardamomum und den weniger wertvollen Ceylonkardamom Elettaria cardamomum var. major Thwaites. Als dritte Variante steht für die Herstellung von Gin außerdem

schwarzer Kardamom, ebenfalls zu den Ingwergewächsen zugehörig, zur Verfügung, der sich aus aromatischer Sicht durch seinen herben Charakter vom grünen Kardamom unterscheidet.

Jegliche Kardamom-Sorten stammen aus verschiedenen asiatischen Regionen und werden seit jeher für diverse Gerichte oder Gewürzmischungen wie Curry verwendet. Gemein ist allen Kardamom-Sorten, dass

bei der Verwendung in der Lebens- oder Genussmittelherstellung entweder ausschließlich die Samen/Kapseln verwendet werden oder gleich die gesamte Hülsenfrucht.

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✓ Koriander

Ursprünglich aus Südeuropa, Nordafrika und Anatolien stammend, wird Koriander (Coriandrum sativum) heute großflächig in Russland, Polen, Rumänien, Bulgarien und Marokko angebaut. Für die Gin-Produktion

finden in erster Linie die Früchte, das heißt die Samen Verwendung. Die Samen qualitativ hochwertigen Korianders besitzen ein Aroma, das zitronig und orangig wirkt. Aufgrund seines dezenten aber präsenten

Aromas wird es vielerseits als zweitwichtigste Zutat, nach den Wacholderbeeren, gesehen. Das Aroma stammt dabei von chemischen Verbindungen, die in der Natur wahre Allrounder sind. Vor allem Borneol,

Limonen, Linalool und Geraniol spielen hierbei eine wichtige Rolle. Letzteres sorgt neben den Koriander-Samen auch für das Aroma in Lorbeeren und Muskat und ist seit jeher für die Parfümherstellung heiß

begehrt. Außerdem ist Limonen wichtiger Bestandteil der Schalen von Zitrusfrüchten, die ebenso als Botanicals zum Einsatz kommen. Man sollte jedoch im Hinterkopf behalten, dass für die Gin-Produktion

lediglich die Samen von Bedeutung sind. Die nach Wanzen riechenden Blätter wären bei der Mazeration weniger von Vorteil.

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✓ Kubeben-Pfeffer

Ebenfalls aus dem asiatischen Raum stammt die zweite Gin-Ingredienz, die ich dir vorstellen möchte: Kubeben-Pfeffer. Die hauptsächlich aus Sri Lanka und Java stammende Pflanze trägt aufgrund seiner

Herkunft gelegentlich auch den Namen Java-Pfeffer. Im Gegensatz zu vielen anderen Früchten, werden die Samen des Kubeben-Pfeffer bereits grün geerntet und dann in der Sonne getrocknet.

Während der Kubeben-Pfeffer in seiner Heimat noch ein vielverwendetes Küchengewürz ist, so wurde er in

unseren Breiten nach Ende des Mittelalters recht schnell vom Schwarzen Pfeffer verdrängt. Dass Piper cubeba wie Kubeben-Pfeffer mit wissenschaftlich korrektem Namen lautet, geschmacklich doch einiges

drauf hat, beweist er in einer Vielzahl an Gins. Mit seinem anhaltenden und leicht bitteren Aroma ähnelt er sehr anderen Pfefferarten. Zu verdanken hat er diese Aromen, wie soll es auch anders sein, diversen

chemischen Verbindungen. Monoterpene, Sesquiterpene und der nach ihm benannte Alkohol Cubebol spielen dabei eine wichtige sensorische Rolle. Oft wird über Kubeben-Pfeffer geschrieben, dass er neben

der Aromatisierung von Spirituosen, auch zur Aromatisierung von Zigarretten verwendet wurde. Allerdings ist dies nur die halbe Wahrheit. Zwar hat man mit Kubeben-Pfeffer bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts

Zigarretten aufgewertet, allerdings waren dies immer tabaklose Zigarretten, die auf medizinischer Basis gegen Asthmaleiden helfen sollten. Nicht mehr erhältliche Beispiele waren Dr. Kinsman’s Asthma

Cigarettes, R.B. Cubeb Cigarettes und Blosser’s Cigarettes. Dass Kubeben-Pfeffer neben seiner Aromatisierungseigenschaft für Gin noch für diverse andere medizinische Zwecke benutzt wurde und wird,

bewiesen Heilkundige im antiken Indien, die Kubeben-Samen anscheinend erfolgreich gegen Fieber, Mundgeruch und Geschlechtskrankheiten wie Tripper einsetzten.

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✓ Fenchel

Die meisten dürften Fenchel in der ein oder anderen Art bereits probiert haben. Egal, ob bei Speisen oder

in Getränken wie Gin, Absinth oder Pastis, Fenchel findet Verwendung. Während die Knollen in erster Linie bei Speisen wie Salaten oder Fischgerichten eingesetzt werden, so werden die Samen, die geschmacklich

an Anis erinnern, bei der Aromatisierung von Spirituosen eingesetzt.

Positiv zu erwähnen ist außerdem die beruhigende Wirkung der Fenchelbestandteile bei Magen- und Darmbeschwerden. Inwieweit die geringen Konzentrationen der Fenchelverbindungen aber bei Gin eine

heilende Wirkung haben, sei mal dahingestellt.

Wie bei allen Naturprodukten so sind auch bei Fenchel viele chemische Verbindungen am Werk um den

typischen Fenchelgeschmack zu erzeugen. Aber auch viele bekannte Substanzen, die bereits in einer Vielzahl anderer Früchte, Samen etc. vorkommen, tauchen beim Fenchel wieder auf: Estragol (auch in

Estragon, Muskat, Zitronengras, Anis, Basilikum u.v.a vorkommend) oder Limonen (in hohen Konzentrationen in Zitrusfrüchten vorkommend).

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✓ Paradieskörner

Aus Westafrika stammt die Pflanze Aframomum melegueta, die zur Familie der Ingwergewächse zählt. Ihre Körner, die landläufig als Paradieskörner bezeichnet werden, findet man allerdings auch unter

Bezeichnungen wie Guinea Pfeffer, Meleguetapfeffer oder seltener Malagettapfeffer.

Die Bezeichnung Paradieskörner stammt vermutlich von mittelalterlichen Gewürzhändlern des 15.

Jahrhunderts, die durch einen Hauch Religion den Preis künstlich erhöhen wollten. Es wurde die Geschichte verbreitet, dass diese Pfeffersamen im paradiesischen Garten Eden wuchsen und mit den Flüssen in die

Welt hinaus getragen wurden. Fakt ist allerdings, dass sich zur damaligen Zeit Gewürze wie Pfeffer aus Afrika großer Nachfrage erfreuten und Paradieskörner als häufiger Ersatz für schwarzen Pfeffer diente.

Eher nüchtern und wissenschaftlich betrachtet, kann man den würzigen und scharfen Geschmack der Paradieskörner heute auf chemische Substanzen zurückführen, die auch dem Ingwer seine besonderen

Noten verleihen.

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