Die Caprichos von Goya als Anlass, Musik und Bildende ...
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Reitböck-Lehner Marlene
Matr.Nr.: 01591915
Die Caprichos von Goya als Anlass, Musik und Bildende
Kunst im Instrumentalunterricht zu verbinden.
Masterarbeit
Zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts
des Studiums Instrumentalpädagogik, Gitarre
an der
Anton Bruckner Privatuniversität
OÖ
Betreut durch: Univ. Prof. Mag. Dr. Constanze Wimmer
Zweitleserin: Michaela Vaught BA BA BEd
Linz, Oktober 2019
2
Abstract
Im Mittelpunkt der vorliegenden Masterthesis stehen interdisziplinäre
Verbindungsarten zwischen Musik und Bildender Kunst und deren Einsatz in einem
musikpädagogischen Kontext. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Künste
wurden durch eine intensive Literaturrecherche herausgearbeitet und methodisch-
didaktisch aufbereitet, um diese für den Musik- und Instrumentalunterricht nutzen zu
können.
Einen Exkurs stellt die Thematik Synästhesie dar, der in dieser Arbeit Raum gegeben
wird, um Interdisziplinarität zwischen den beiden Künsten fundiert wissenschaftlich
behandeln zu können.
Die Auseinandersetzung mit dem Bildzyklus „Caprichos“ von Goya sowie die
detaillierte Beschreibung des Projekts, in dem musikalisch und bildnerisch mit den
Caprichos gearbeitet wurde, soll eine Möglichkeit aufzeigen, wie
kunstspartenübergreifender Unterricht praktisch umsetzbar ist.
3
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................ 5
1. Einleitung ........................................................................................ 7
1.1. Kunstspartenübergreifender Unterricht ................................................. 8
2. Die Künste im Vergleich .............................................................. 11
2.1. Beziehung zur Wirklichkeit .................................................................... 11
2.2. Ästhetische Erscheinung....................................................................... 15
2.3. Sprache ................................................................................................... 17
2.3.1. Versprachlichung von Bildender Kunst ............................................................... 17
2.3.2. Versprachlichung von Musik .............................................................................. 18
2.3.2.1. Sprechen über Musik im Musik- und Instrumentalunterricht .............. 19
2.3.2.2. Metaphern in der musikalischen Sprache ......................................... 22
2.3.2.3. Der Einsatz von Metaphern beim Sprechen über Musik .................... 24
3. Synästhesie .................................................................................. 26
3.1. Echte Synästhesie .................................................................................. 27
3.2. Intermodale Analogien ........................................................................... 29
3.3. Musikpädagogischer Zusammenhang ................................................. 31
4. Rezeptionsformen zwischen Musik und Bildender Kunst ........ 33
4.1. Musik nach Bildern ................................................................................. 34
4.1.1. Musik nach Bildern in einem musikpädagogischen Kontext ............................... 35
4.2. Bilder nach Musik ................................................................................... 38
4.2.1. Musikalische Grafik - Malen nach Musik in einem musikpädagogischen Kontext
.......................................................................................................................... 38
4.3. Rückübertragungen ............................................................................... 41
4.3.1. Rückübertragungen in einem musikpädagogischen Kontext ............................. 42
4.4. Improvisation in Musik und Bild ........................................................... 43
4.4.1. Improvisation zu Bildern in einem musikpädagogischen Kontext ...................... 44
4.5. Bilder verweisen auf Musik .................................................................... 45
4.5.1. Fuge in Rot ....................................................................................................... 46
4.5.2. Bilder verweisen auf Musik in einem musikpädagogischen Kontext .................. 48
4
4.6. Musik-Bild-Konzeptionen....................................................................... 49
4.7. Grafische Notation ................................................................................. 49
5. Die Caprichos von Goya als Inspirationsquelle in der Musik ... 50
5.1. Francisco de Goya ................................................................................. 51
5.2. Goya in der Musik ................................................................................... 51
5.3. Die Caprichos ......................................................................................... 52
5.3.1. Entstehungsgeschichte der Caprichos ............................................................... 53
5.3.2. Inhalt und Einteilung der Caprichos .................................................................... 54
5.3.3. 24 Caprichos de Goya von Mario Castelnuovo-Tedesco .................................... 55
5.3.4. Caprichos Goyescos - Kompositionsauftrag ....................................................... 59
6. Das Projekt .................................................................................... 61
6.1. Phase 1: Spontanimprovisation ............................................................ 62
6.2. Phase 2: Visuelles wird zu Klang .......................................................... 64
6.3. Phase 3: Storytelling .............................................................................. 66
6.3.1. Charaktere ......................................................................................................... 66
6.3.2. Geschichten erfinden ......................................................................................... 68
6.4. Phase 4: Präsentation ............................................................................ 73
6.5. Phase 5: Vergleich mit den Kompositionen von Mario
Castelnuovo-Tedesco ............................................................................ 75
6.6. Phase 6: Der umgekehrte Prozess ........................................................ 76
6.7. Weiterführungsmöglichkeiten und Fazit .............................................. 79
Schlusswort ...................................................................................... 82
Literaturverzeichnis ......................................................................... 84
Abbildungsverzeichnis .................................................................... 89
Eidesstaatliche Erklärung ................................................................ 93
5
Vorwort
Das Interesse und die Eingrenzung des Themas dieser Masterarbeit stammen aus
meinem pädagogischen Praxisfeld als Instrumentallehrerin in einer Bildungsanstalt
für Elementarpädagogik (kurz BAfEP). Der Gitarrenunterricht findet dort in der Regel
in einer Gruppengröße von fünf Schüler*innen pro Einheit statt. Diese Form des
Instrumentalunterrichts stellt Herausforderungen an die Lehrkraft, bietet aber
gleichzeitig auch Chancen, die im eher üblichen Einzel- beziehungsweise
Partnerunterricht nicht in dieser Weise vorhanden sind. Im Laufe meiner
Unterrichtstätigkeit bin ich immer wieder auf der Suche nach neuen
Unterrichtsmethoden, die es erlauben, den Schüler*innen die Musik ganzheitlich -
und so facettenreich wie die Musik selbst ist - zu vermitteln. Diese Methoden und
Inhalte müssen den Anspruch erfüllen, die Schüler*innen technisch und künstlerisch
weiterzubringen sowie gleichzeitig auch einen Transfer in ihr späteres
pädagogisches Berufsfeld gewährleisten.
Die Beobachtung von Unterrichtssituationen zeigte, dass den Schüler*innen freie
Improvisation mit einem bildhaften Anhaltspunkt leichter fällt. Diese Erkenntnis
weckte mehr und mehr mein Interesse, Musik verbunden mit Bildender Kunst im
Unterricht einzusetzen. Von den Chancen interdisziplinärer Verknüpfungen
begeistert und überzeugt, möchte ich nun in dieser Arbeit dieses Thema auch
wissenschaftlich fundiert bearbeiten. Ein weiterer Aspekt, der die Themenauswahl
begründet, ist, dass Musiker*innen „über den eigenen Tellerrand blicken sollten“. Die
Auseinandersetzung mit anderen Musikrichtungen sowie Disziplinen kann für jede*n
Musiker*in bereichernd sein.
Dass die Wahl des Beispiels auf die Caprichos von Goya fiel, ist auf mein
künstlerisches Hauptfach Gitarre zurückzuführen. Die dazu komponierten Stücke von
Mario Castelnuovo-Tedesco für Gitarre waren mir bekannt und faszinierten mich
bereits seit längerer Zeit. Durch die Musikstücke bin ich wiederum auf die Bilder von
Goya gestoßen. Die Bilder und Musikstücke mit dem Thema dieser Arbeit zu
verbinden und in einen pädagogischen Kontext zu bringen war sowohl naheliegend
als auch reizvoll.
6
An dieser Stelle möchte ich meinen Dank an meine Familie aussprechen, meinen
Partner Federico sowie an meine Kolleg*innen und Freund*innen, die während
meiner gesamten Studienzeit bestärkend an meiner Seite waren und mich durch
zahlreiche Gespräche bei der Verfassung dieser Arbeit vorwärts gebracht haben.
Besonderer Dank gilt meiner Kollegin Mag. Sabina Eisner für die spontane und
kompetente Mitwirkung am für diese Arbeit entstandenen Projekt sowie für Inputs
aus Sicht einer Bildenden Künstlerin. Danke auch an meine Kollegin Mag. Karin
Pramer für das geschärfte Auge einer Germanistin und die aufgewandte Zeit und
Geduld für das Korrekturlesen.
Ein ebenso großes Dankeschön gebührt all meinen Professor*innen an der ABPU,
im Besonderen Univ. Prof. Mag. Martin Schwarz, der die Entwicklung meiner
pädagogischen und künstlerischen Persönlichkeit während meines Masterstudiums
sowohl stärkte als auch prägte, sowie Univ. Prof. Dr. Constanze Wimmer für die
kompetente Betreuung und Unterstützung der vorliegenden Masterarbeit. Bedanken
möchte ich mich auch bei meiner Zweitleserin Michaela Vaught BA BA BEd für ihr
stets offenes Ohr und den maßgeblichen Einfluss an meinem Interesse am
Forschungsthema.
Hiermit sei auch all meinen Schülerinnen der 2b und 3a BAfEP der Kreuzschwestern
Linz gedankt, ohne deren Einsatz, Begeisterungsfähigkeit und Offenheit das
stattgefundene Projekt nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen führen hätte
können. Die interessanten und schönen Musiziermomente, die mit ihnen entstanden
sind, sind all jene Unterrichtssituationen, die mich in meiner Berufswahl bestärken.
7
1. Einleitung
Das Zusammenspiel zwischen Musik und Bildender Kunst wurde in den letzten
Jahrzehnten mehr und mehr zum Interesse der Forschung. Aber nicht nur die
Forschung beschäftigt sich mit interdisziplinären Prozessen und Möglichkeiten,
sondern auch in der Bildnerischen Erziehung und Musikpädagogik werden nach
Zusammenhängen und Gegensätzen gesucht und diese hinterfragt.1
In einem ersten Teil untersucht die vorliegende Masterarbeit Gemeinsamkeiten und
Unterschiede der beiden Künste. Vor allem liegt der Fokus dieses Kapitels auf der
Sprache, also wie man sich verbal über die Künste äußert, da dies für das
entstandene interdisziplinäre Projekt von Relevanz ist. Der zweite große Teil der
Arbeit beleuchtet Verbindungen der beiden Disziplinen in Musik- und
Kunstgeschichte genauer, um daraus interdisziplinäre Möglichkeiten für den
Instrumentalunterricht zu ziehen. Der methodisch-didaktischen Aufbereitung
fächerübergreifender Unterrichtsinhalte wird dabei besondere Beachtung geschenkt.
Ein weiteres Kapitel widmet sich dem in diesem Zusammenhang oft verwendeten
Begriff der Synästhesie und seinem pädagogischen Bezug.
Die sich daraus resultierende Forschungsfrage lautet deshalb: Welche
Verbindungsmöglichkeiten gibt es in der Rezeption von Musik und Bildender Kunst
und wie können Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Künste in einem
musikpädagogischen Zusammenhang fruchtbar gemacht werden?
Diese Frage wird nicht nur theoretisch beantwortet, sondern auch durch ein Beispiel,
die Caprichos von Goya, konkretisiert. Die Caprichos werden zuerst vorgestellt und
ihr Einfluss auf die Musik erläutert. Im letzten Kapitel wird das durchgeführte
interdisziplinäre Projekt mit den Caprichos von Goya detailliert beschrieben, in dem
die zuvor erläuterten Verbindungsmöglichkeiten im Instrumentalunterricht
aufgegriffen wurden. Aus der Projektbeschreibung gehen sowohl eine Analyse als
auch eine Reflexion des Prozesses hervor. Das abschließende Resümee fasst noch
einmal gewonnene Erkenntnisse aus dem theoretischen Teil sowie
Schlussfolgerungen aus dem Projekt zusammen.
1 Vgl. ENSER, Gabriele: Farben und Bilder in der Musikpädagogik.- Mainz: Schott, 2011, S.12f
8
Es sei gesagt, dass der theoretische Teil dieser Arbeit keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erhebt, da der Bereich, in dem sich die beiden Künste berühren und
verschmelzen, sehr komplex und umfangreich ist. Die angeführten Verflechtungen
der beiden Sparten in der Geschichte und die sich daraus ergebenden Impulse für
den Instrumentalunterricht sollen dazu beitragen, Kunst vernetzend zu sehen.
Die im Zuge dieser Arbeit gemachten Überlegungen beziehen sich vorwiegend auf
den Instrumentalunterricht. Dabei soll die Verbindung zur Bildenden Kunst als
Bereicherung für Schüler*innen und Lehrer*innen dienen. Die Intention der
nachstehenden Gedanken ist es nicht, musikalische Ziele und handwerkliche
Fertigkeiten am Instrument zu vernachlässigen, ganz im Gegenteil. Vielmehr sollen
neue Wege aufgezeigt werden, wie Musik und alternative Musizierprozesse in Gang
gesetzt werden können.
1.1. Kunstspartenübergreifender Unterricht
Eine Einbindung der Bildenden Kunst in den Musik- und Instrumentalunterricht zielt
auf eine Veränderung der Sichtweise von Schüler*innen und Lehrkräften ab. Vor
allem in der heutigen Lebenswelt, die von einer steigenden Medialisierung geprägt
ist, gewinnt Interdisziplinarität immer mehr an Bedeutung. Der Einbezug von
Bildender Kunst in den Musik- und Instrumentalunterricht soll Schüler*innen ein
ganzheitliches Erleben von Kunst ermöglichen und mithilfe von Bildender Kunst zu
einem Musikverständnis führen und umgekehrt. Schüler*innen sind heutzutage
permanent umgeben von Klang-Bild-Beziehungen, in Form von Computer- und
Onlinespielen sowie Filmen und Videos und vor allem am Smartphone. Allerdings
können diese unreflektiert in der vorhandenen Fülle zu einer Reizüberflutung führen.
Ein kunstspartenübergreifender Unterricht kann einerseits Orientierung und
Hilfestellungen offerieren und andererseits eine Brücke von bekannten Klang-Bild-
Beziehungen zu anderen Epochen schlagen.2
2 Vgl. SCHILLMÖLLER, Mathias: Musikkunst. Kultur verstehen im Wechselspiel der Künste.
(Lehrerband).- Innsbruck/Esslingen/Bern-Belp: Helbling, 2017, S. 5f
9
Studien aus der Wahrnehmungsforschung zeigen, welche Vorteile sich aus der
Verbindung der beiden Künste in einem pädagogischen Zusammenhang ergeben:
- Der Zugang zu Musik wird freier. Schüler*innen sprechen und denken
enthemmter über Musik, da das Visualisieren von abstrakten musikalischen
Zusammenhängen Verständnis und Einsicht in musikalische Strukturen
schafft.
- Das Fachvokabular wird durch Analogien (siehe 3.2. Intermodale
Analogien, S. 29) und fachübergreifende Verbindungen erweitert.
- Die Wahrnehmung der Schüler*innen wird sensibler, da die Sinne und
Gefühle stärker angesprochen werden.
- Die Verbindung der Künste kann die Motivation anregen und die
Schüler*innen sind mit dem Zusammenspiel von Bild und Klang vertraut.
- Das emotionale Erleben von Musik wird durch synästhetische
Wahrnehmung (siehe 3. Synästhesie, S. 26) gestärkt.
- Die rechte und linke Gehirnhälfte werden stetig aktiviert und so können
nachhaltigere Lernprozesse gefördert werden.3 Die Lernpsychologie zeigt,
dass das Aneignen von Fähigkeiten und Kenntnissen durch das Ansprechen
mehrerer Sinne erleichtert wird. Diese können nicht getrennt voneinander
gesehen werden, zumal sie sich gegenseitig stimulieren und potenzieren.
Bezogen auf die Musik heißt das, dass eine Stimulation der Sinnesorgane,
(nicht nur die des Hörsinnes) musikalisches Können und auch die Freude
daran begünstigt.4
Zusammengefasst ist es das Ziel eines fächerübergreifenden Unterrichts „…den
Zugang zur Musik und zur Kunst direkter und hautnaher zu gestalten.“ 5 Sinn ist es
nicht, die beiden Künste zu vermischen, sondern Besonderheiten, Differenzen sowie
Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und den Blick darauf zu schärfen. Durch das
Vergleichen und Gegenüberstellen der beiden Sparten werden Schüler*innen sowohl
zum Nachdenken über die Künste als auch zum Selbsttätig-Werden angeregt.
3 Vgl. SCHILLMÖLLER 2017, S. 5-7
4 Vgl. MAHLERT, Ulrich: Verbindungen der Künste.- In: ÜBEN UND MUSIZIEREN: Verbindungen der
Künste.- Mainz: Schott, 2003, Heft 4, S. 1 5 SCHILLMÖLLER 2017, S. 6
10
Möglichkeiten der Interdisziplinarität erfordern aber Offenheit und Mut seitens der
Lehrkraft, um Neues auszuprobieren, sich möglicherweise aus ihrer Komfortzone zu
wagen und brauchbare Erkenntnisse daraus zu ziehen.6 Voraussetzung für einen
kunstspartenübergreifenden Unterricht ist es, sich über die Besonderheiten der
Künste im Klaren zu sein und diese zu berücksichtigen. Unter diesen Bedingungen
kann ein kunstspartenübergreifender Unterricht entstehen, in dem ergänzende
Kunstformen geschaffen werden und sich gegenseitig bereichern können.7
Zwar wird in der folgenden Arbeit bei den pädagogischen Überlegungen zur
Einbindung interdisziplinärer Ansätze in den Musik- und Instrumentalunterricht über
Schüler*innen gesprochen, die nachstehend angeführten Verbindungsmöglichkeiten
zwischen Musik und Bildender Kunst können aber auch mit anderen
Personengruppen (Kindergruppen, Erwachsenen, Student*innen, Senioren)
umgesetzt werden. Die Forschungsfrage bezieht sich auf den Instrumentalunterricht
und alle Überlegungen im Rahmen dieser Arbeit wurden auf Schüler*innen bezogen.
Deshalb wird in nachfolgenden Kapiteln nur der Begriff Schüler*innen verwendet, um
den Lesefluss nicht zu stören.
Um den Begriff Schüler*innen noch genauer einzugrenzen, sei gesagt, dass das
durchgeführte Projekt mit den Caprichos von Goya (siehe 6. Projekt, S. 61) für
Instrumentalschüler*innen der Oberstufe im Alter zwischen 15 und 19 Jahren
konzipiert wurde, die in Gruppen mit vier oder fünf Schüler*innen unterrichtet werden.
Die Unterrichtsform, in der ich tätig bin, und das Alter der Zielgruppe hatten
erheblichen Einfluss auf meine didaktisch-methodischen Überlegungen, sollen aber
andere Altersgruppen nicht ausschließen. Es könnte lediglich eine Adaption für
andere Altersgruppen und Sozialformen notwendig sein.
6 Vgl. SCHILLMÖLLER 2017, S. 5-7
7 Vgl. BRANDSTÄTTER, Ursula: Bildende Kunst und Musik im Dialog. Ästhetische, zeichentheoretische
und wahrnehmungspsychologische Überlegungen zu einem kunstspartenübergreifenden Konzept ästhetischer Bildung.- Augsburg: Wißner-Verlag, 2004, S. 13f
11
2. Die Künste im Vergleich
Über die Verbindung der Künste wurde im Laufe der Zeit viel diskutiert und sie wurde
von vielen Seiten kritisch betrachtet, da wegen ihrer Verschiedenartigkeit ihre
Trennung der Künste nach wie vor notwendig sei. Bereits Lessing äußerte sich zu
dem Thema:
„Wenn auch die Poesie ‚oft zu malen oder zu tönen, die bildende Kunst und die
Musik zu dichten versuchen‘, so bleibt die Trennung im Grunde bestehen, obwohl
beide, im Stoff der Nachahmung eine gewisse Verwandtschaft haben, doch durch
die Kunstmittel vollkommen getrennt sind, ja daß durch die Mittel schließlich auch
der Inhalt ein anderer wird.“8
Um genauer zu beleuchten, ob und weshalb eine Trennung der Künste unabdingbar
ist, werden in nachstehendem Kapitel Musik und Bildende Kunst auf folgende
Aspekte hin näher überprüft: Gemeinsamkeiten, Unterschiede, worauf sie Bezug
nehmen, ihre ästhetische Erscheinung und ihre Versprachlichung. Diese
Gegenüberstellung dient dazu, um in späterer Folge Möglichkeiten ihrer Verbindung
aufzuweisen und um Gemeinsamkeiten und Unterschiede interdisziplinär und
musikpädagogisch nutzen zu können.
2.1. Beziehung zur Wirklichkeit
Dafür werden in einem ersten Schritt die beiden Künste aus zeichentheoretischer
Perspektive genauer untersucht. Werden die Künste als Zeichensysteme verstanden,
so können sie als Möglichkeit gesehen werden, die Wirklichkeit durch Zeichen
darzustellen und zu erfassen. Mit Wirklichkeit ist gemeint, was wir mit unseren
Sinnen wahrnehmen. Die Meinung, dass sich die Künste in einer zeichenhaften Form
auf die Wirklichkeit beziehen, ist umstritten. Was soll beispielsweise ein abstraktes
Bild oder abstrakte Musik darstellen? Worauf beziehen sie sich?
Besonders in der Musik gibt es die Auffassung, dass sie auf nichts verweise außer
auf sich selbst. Durch diese Unstimmigkeit entsteht eine „Doppelexistenz“ der
8 LESSING, G. Ephraim: Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. (o.J.) zit. n. FISCHER-
DISKAU, Dietrich: Pigment und Schallwelle.- In: SCHMIERER, Elisabeth u.a. (Hrsg.): Töne Farben Formen. Über Musik und die bildenden Künste.- Laaber: Laaber Verlag, 1995, S. 131
12
Künste. Einerseits sind die Künste durchaus in Beziehung zur Wirklichkeit zu stellen.
Andererseits sind sie trotzdem als Welten für sich anzusehen.9
Um nun genauer darauf einzugehen, worauf die Künste sich beziehen außer auf sich
selbst: die Bildende Kunst kann sich im buchstäblichen Sinne nur auf die visuelle
Welt beziehen (die eine Fülle an Bezugnahmen ermöglicht). Die Musik hingegen
kann sich auf akustische Sinneserfahrungen aus unserem Alltag beziehen, die nur
eine begrenzte Rolle in der Musik spielen. In einem metaphorischen Sinne können
die Künste jedoch weitaus vielfältiger auf Aspekte der Wirklichkeit verweisen. Vor
allem Musik kann Bezug nehmen auf Emotionen, Charaktere, soziale und
gesellschaftliche Verhältnisse, Landschaften, Raum und Zeit, Handlungen,
Personen, persönliche Assoziationen und Erinnerungen. Aber auch abstrakteren
Themen wie Einfachheit, Natürlichkeit oder Religiosität kann in der Musik Bedeutung
gegeben werden.
Diese metaphorische Bezugnahme lässt sich genauso im Bereich der Bildenden
Kunst wiederfinden.10 In den Themen, auf die Bildende Kunst und Musik Bezug
nehmen, kann auch eine Gemeinsamkeit der Künste erkannt werden, wie etwa:
„Alter, Angst, Frieden, Natur, Krankheit, Nacht, Licht und Schatten, Tod, Trennung,
Liebe, Jugend, Abschied, Trost, Vergänglichkeit, Geburt, Feste.“11 Beide Künste
können ähnliche Ideale und Wertvorstellungen transportieren, zum Beispiel
Brüderlichkeit, Frieden und Freiheit.12
Der Unterschied, der dennoch daraus zu erkennen ist, betrifft die Gewichtung von
buchstäblicher und metaphorischer Bezugnahme in der Rezeption durch „Laien“. So
passiert bei der ersten Betrachtung eines Bildenden Kunstwerks meist zuerst eine
buchstäbliche Zuweisung mit der äußeren Wirklichkeit. Der/die Betrachter*in
identifiziert sich mit dem Dargestellten und versucht etwas Erkennbares/Bekanntes
darin zu finden (und ist oftmals dementsprechend enttäuscht, wenn solches nicht
entdeckt wird). Auf einer anderen Ebene, der selbstreflexiven Bedeutungsebene,
findet der Zugang zur Musik statt. Nachdem der Charakter der Musik, die Welt
9 Vgl. BRANDSTÄTTER 2004, S. 83
10 Vgl. BRANDSTÄTTER 2004, S. 113f und HESSELMANN, Daniel: In Metaphern über Musik sprechen.
Grundlagen und Differenzierung metaphorischer Sprache im Musikunterricht.- Köln: Verlag Dohr, 2015, S. 33f 11
SCHILLMÖLLER 2016, S. 18 12
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 9
13
abzubilden, so wenig ausgeprägt ist, wird zunächst gar keine Bezugnahme auf nicht-
musikalische Welten erwartet.
Diese Darstellung wird der tatsächlichen Komplexität der beiden Sparten natürlich
nicht gerecht. Sie soll aber eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber Kunstwerken
aufzeigen und beruht auf einer jahrhundertelangen Tradition des Verständnisses von
Bildender Kunst und Musik.13
Zusammenfassend kann die Besonderheit der Künste in der zuvor genannten
„Doppelexistenz“ gesehen werden. Je nach Sichtweise und Aufmerksamkeitsrichtung
der Betrachter*innen kann ein Kunstwerk in beiderlei Hinsicht interpretiert werden:
als ein auf die Wirklichkeit bezugnehmendes Objekt oder als ein
Kunstwerk/Musikstück für sich.14 Als Veranschaulichung dieser unterschiedlichen
Herangehensweisen für die Kunstrezeption können die Caprichos von Goya als
Beispiel herangezogen werden (Bildbeispiele siehe S. 57 und 58): Einerseits werden
in den Bildern gesellschaftliche Themen der damaligen Zeit verarbeitet, die aus den
Bildern herausgelesen werden können. Andererseits sind die Bilder auch ohne den
gesellschaftlichen Bezug als Kunstwerke anzusehen oder können auch in Beziehung
zueinander gestellt werden.
In der Bildenden Kunst beschäftigten sich Künstler*innen im 20. Jahrhundert mehr
und mehr mit dem Ansatz einer „Wirklichkeit für sich“. Dieser Idee folgte eine
Ablösung von Wirklichkeitsdarstellungen und ermöglichte abstrakte Malerei. Die
abstrakte Malerei hat die Intention, als eigenständige Wirklichkeit angesehen und
verstanden zu werden. Viele Künstler*innen (beispielsweise Wassily Kandinsky)
wandten sich bei diesem Abstraktionsprozess der Musik zu, die aufgrund ihres
abstrakten Charakters sozusagen als Vorbild wirkte.15 Die reproduktive Funktion der
Bildenden Kunst, die Abbildung der Gegenstandswelt, trat in den Hintergrund und
öffnete sich, um kreativ Erfundenes sichtbar zu machen.16 Die reale Welt bestimmte
nicht mehr Formen und Farben in Bildkompositionen. Dieser Loslösungsprozess
13
Vgl. BRANDSTÄTTER 2004, S. 113f und HESSELMANN, Daniel: In Metaphern über Musik sprechen. Grundlagen und Differenzierung metaphorischer Sprache im Musikunterricht.- Köln: Verlag Dohr, 2015, S. 33f 14
Vgl. BRANDSTÄTTER 2004, S. 93f 15
Vgl. BRANDSTÄTTER 2004, S. 93f 16
Vgl. SCHILLMÖLLER, Mathias: Musikkunst. Kultur verstehen im Wechselspiel der Künste. (Schülerband). Innsbruck/Esslingen/Bern-Belp: Helbling, 2016, S. 6
14
bewirkte eine Annäherung zwischen Musik und Bildender Kunst, die Wassily
Kandinsky (1866-1944) so beschrieb:17
„Aber wie ein Musiker seine Empfindungen vom Sonnenaufgang wiedergeben
kann, ohne die Töne eines krähenden Hahnes zu verwenden, so hat der Maler
rein malerische Mittel, um seine Eindrücke des Morgens ‚einzukleiden‘, ohne
dass er einen Hahn malen muss.“18
Kandinsky war auch der Meinung, dass „…alle Künste […] aus der gleichen Wurzel“
kommen. „Aber das Geheimnisvolle und Kostbare ist, daß die aus demselben Stamm
herrührenden ‚Früchte‘ verschieden sind. Die Verschiedenheit entsteht durch die
Mittel jeder einzelnen Kunst – durch die Mittel des Ausdrucks.“19 So sind in Bezug
zur Wirklichkeit gleichzeitig ein Unterschied und eine Gemeinsamkeit der beiden
Kunstarten zu sehen. Auch Theodor W. Adorno, der sich intensiv mit Ästhetik
auseinandersetzte, teilte Kandinskys Meinung über die Verschiedenheit der
Ausdrucksmittel, deren sich die beiden Sparten bedienen. Versuchen von
Künstler*innen, sich kunstspartenübergreifend zu betätigen und die Künste zu
vermischen, stand er kritisch gegenüber:
„Das Gleiche, das die Künste als ihr Was meinen, wird dadurch, wie sie es
meinen, zu einem Anderen. Ihr Gehalt ist das Verhältnis des Was und des
Wie. Kunst werden sie kraft ihres Gehalts. Es bedarf ihres Wie, ihrer
besonderen Sprache; einem Umfassenderen jenseits der Gattung zerginge
er.“20
17
Vgl. HANDSCHICK, Matthias: Musik als „Medium der sich selbst erfahrenden Wahrnehmung“. Möglichkeiten der Vermittlung Neuer Musik unter dem Aspekt der Auflösung und Reflexion von Gestalthaftigkeit.- Hildesheim: Georg Olms Verlag, 2016. (Bd. 3 d. Reihe Schriften der Hochschule für Musik Freiburg, hgg. v. DOERNE, Andreas u.a.), S. 55 18
KANDINSKY, Wassily: Essays über Kunst und Künstler, 1963 zit. n. HANDSCHICK 2016, S. 55 19
KANDINSKY, Wassily zit. n. PHILIPP, Günter: Das Improvisatorische in Musik und Malerei. Ein Aspekt der Beziehungen zwischen beiden Künsten.- In: ÜBEN UND MUSIZIEREN: Carl Orffs „Musik für Kinder“- Mainz: Schott Music, 1995, Heft 4, S. 15f 20
ADORNO, Theodor W.: Die Kunst und die Künste, 1967 zit. n. BRANDSTÄTTER, Ursula: Grundfragen der Ästhetik. Bild-Musik-Sprache-Körper.- Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag, 2008, S. 189
15
2.2. Ästhetische Erscheinung
Einer der markantesten und offensichtlichsten Unterschiede der Künste ist, wie sie
wahrgenommen werden. Während sich Bildende Kunst mit Farben und Formen
ausdrückt und wir sie durch das Auge wahrnehmen, bedient sich die Musik Klängen
und Tönen, die wir über das Ohr aufnehmen.21 Eine ausführliche Behandlung der
zugrundeliegenden visuellen und auditiven Wahrnehmungsprozesse würde
allerdings den Rahmen dieser Thesis sprengen und zu weit von der Forschungsfrage
wegführen. Dafür sei auf Brandstätter 2004 und Brandstätter 2008 verwiesen, worin
die Künste aus wahrnehmungspsychologischer Perspektive dargestellt werden.
Wird die Rezeption der beiden Künste gegenübergestellt, so ergibt sich der
gravierende Unterschied, dass das bildnerische Kunstwerk sich im Raum befindet
und der/die Betrachter*in selbst entscheiden kann, wie lange er/sie es betrachten
möchte. Die Musik hingegen kann nur im Moment selbst erlebt werden. Sie schwankt
stets zwischen vergangenen Klängen und noch nicht Gehörtem.
Bei der Betrachtung und dem Erleben von Musik und Bildender Kunst ergeben sich
klare Differenzen:22
Bildende Kunst Musik
- Bilder können zeitlich rascher
erfasst werden als Musik.
- Ein Musikstück dauert eine
bestimmte Zeit.
- Bildende Kunstwerke sind
greifbar, zum Antasten und
befinden sich real vor uns.
- Musik wird durch Aufnahmen
oder live wahrgenommen, sie ist
jedoch nicht etwas direkt Reales
und kann nicht angegriffen
werden.
- Bilder können aus
unterschiedlichen Perspektiven
betrachtet werden.
- Musik ergibt normalerweise nur
in eine Richtung Sinn.
21
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 7 22
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 8
16
- Bilder erlauben es, den Fokus
auf verschiedene Aspekte zu
legen.
- Musik erlaubt es, den Fokus auf
einen Augenblick oder auf nur
ein musikalisches Merkmal zu
legen.
- Bilder können beliebig lange
betrachtet werden. Es ist Zeit,
Erinnerungen und Bezüge
herzustellen.
- Musik ist fließend und kann
schwer als Ganzes
wahrgenommen werden, da
dem Hörsinn nicht viel Zeit
bleibt, sich zu erinnern.
Der berühmte Künstler Paul Klee war der festen Meinung, dass Bildende Kunst
wie auch die Musik als Zeitkunst anzusehen ist. Gegen die Trennung der Künste
in Raumkunst (Bildende Kunst) und Zeitkunst (Musik), wie es lange Zeit Usus
war, versuchte er anzukämpfen, denn der Raum an sich war für ihn ein zeitliches
Phänomen.23 In einem Tagebucheintrag von 1905 schrieb Klee über die
Verbindung der Künste: 24
„Immer mehr drängen sich mir Parallelen zwischen Musik und bildender Kunst
auf. Doch will keine Analyse gelingen. Sicher sind beide Künste zeitlich, das
liesse sich leicht nachweisen…“25
Hugo von Hofmannsthal formulierte die Verbindung der Künste wiederum so:
„Malerei verwandelt den Raum in Zeit, Musik die Zeit in Raum.“26
Wie die ästhetische Erscheinung der beiden Künste ihre Gegensätze mit sich
bringt, birgt sie auch Übereinstimmungen in sich, wie Klee es beschrieben hat.
Musik und Bildende Kunst sind in der Lage, ähnliche Emotionen auszulösen:
Entzücken, Angst, Melancholie, Empörung, Grauen, etc. Es sind auch
23
Vgl. RUMMENHÖLLER, Peter: Musik unter Tag. Assoziationen vor einem Bild Paul Klees.- In: SCHMIERER, Elisabeth u.a. (Hrsg.): Töne Farben Formen. Über Musik und die bildenden Künste.- Laaber: Laaber Verlag, 1995, S. 135 24
Vgl. BOVEY-STEINER, Ursula: Paul Klee und die Musik. Online im Internet. URL: http://www.epta.ch/files/2006_bern_bovey.pdf, S.3 [Stand 08-09-2019] 25
KLEE, Paul 1905 zit. n. BOVEY-STEINER 2006, S.3 [Online] 26
VON HOFMANNSTHAL, Hugo (o.J.) zit. n. SCHILLMÖLLER 2016, S. 8
17
gemeinsame Gestaltungsprinzipien und Merkmale erkennbar, die für beide Künste
zutreffen: Höhe-Tiefe, Nähe-Distanz, Helligkeit-Dunkelheit usw.27
2.3. Sprache
Die Verschiedenheit der beiden Künste in ihrer ästhetischen Form spiegelt sich auch
in der Art, wie über die Künste gesprochen wird, wider. Im nachfolgenden Kapitel
wird die Sprache über Bildende Kunst der über Musik gegenübergestellt und ein
spezielles Augenmerk auf Konsequenzen für den Instrumentalunterricht gelegt sowie
die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Metaphern gezeigt.
2.3.1. Versprachlichung von Bildender Kunst
Wird nun die Sprache über die Bildenden Künste analysiert, wird zuallererst
deutlich, dass sie sich viel mehr auf greifbar Reales berufen kann. Im Vergleich
zur akustischen Sprache besteht ein hoher Differenzierungsgrad der visuellen
Sprache. Dieser steht in Verbindung mit der Vorrangstellung des Sehsinnes. Die
Ausbildung einer differenzierteren Sprache ist damit offensichtlich. Der Bildenden
Kunst ist es möglich, direkt auf die sinnlich erfahrbare Realität Bezug zu nehmen.
Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Sprache. Betrachtet man die in der
Bildenden Kunst verwendeten Materialien und Farben, finden sich diese auch in
unserem Alltag wieder (wenn auch in anderer Form und in anderen
Zusammenhängen). Anders verhält es sich mit Tönen und Klängen eines
Musikstückes, die in dieser Art und Weise nicht in unserer Alltagswirklichkeit
vorkommen. Konkrete Bildinhalte vieler Werke erleichtern es, eine konkrete
Sprache mit uns bekannten visuellen Begriffen aus dem Alltag zu verwenden. Dies
ermöglicht zunächst den Verzicht auf metaphorische Übertragungen. Damit ist
jedoch nicht gesagt, dass die Bedeutung und Interpretation von bildenden
Kunstwerken mit einer beschreibenden visuellen Alltagssprache auskommen. Es
soll nur verdeutlichen, dass die Bildende Kunst direkt auf die Wirklichkeit Bezug
nimmt.28
Die Versprachlichung von nicht-gegenständlicher Kunst ist eher vergleichbar mit
der von Musik. Wegen nicht eindeutig-identifizierbarer Bildinhalte haben viele
27
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 9 28
Vgl. BRANDSTÄTTER 2004, S. 223
18
Menschen Schwierigkeiten, diese zu verstehen und in einem weiteren Schritt
darüber zu sprechen.29
2.3.2. Versprachlichung von Musik
Im Laufe der Musikgeschichte entwickelte sich eine sehr differenzierte
Fachsprache, die es ermöglicht, Musik sachlich und systemisch zu analysieren
und zu interpretieren. Dennoch sind die Mittel der Sprache beschränkt, um
subjektive Empfindungen, die Wirkung auf das Individuum und ästhetische
Eindrücke zu verbalisieren. Einerseits ist das auf das Medium Musik selbst und
ihren nonverbalen Charakter zurückzuführen. Andererseits muss auch bedacht
werden, dass im Musikunterricht vorwiegend sachbezogene Terminologien gelehrt
werden, nicht aber Ausdrucksmöglichkeiten subjektiver Eindrücke.30
Auch die musikwissenschaftliche Sprache bezieht sich zu einem großen Teil auf
Begriffe anderer Lebensbereiche, die übertragen wurden. Es gibt eine Unzahl an
Begriffen in der musikanalytischen Sprache, die musikfremd sind und Bezüge zu
physischen Erfahrungen, physikalischen Erscheinungen oder visuellen
Wahrnehmungen schaffen (zum Beispiel: Schwerpunkt, Spiegelung, Spannung).31
Ein Grund dafür ist der abstrakte Charakter der Musik, der eine metaphorische
Übertragung erlaubt. Die Besonderheit der Sprache über Musik liegt in ihrem
Personifikationscharakter, der es zulässt, sich mit der Musik zu identifizieren. Es
lassen sich Aussagen bilden wie: „Die Musik spricht uns an, sie erfüllt uns, sie
schwillt an und ab“. Es wird über „aufwühlende Rhythmen“ oder „melancholische
Melodien“ gesprochen.32 Wird Musik als „fröhlich“, „warm“, „traurig“ oder „hell“
beschrieben, so ist dies nur eine Zuweisung in übertragenem Sinne. Denn das
Musikstück selbst kann nicht „fröhlich“ oder „traurig“ sein.33
Wird die Sprache über Musik reflektiert, so ist auch festzustellen, dass diese einen
Bezug zur Bildenden Kunst herstellt, da etliche Begriffe aus der optischen Welt
verwendet werden, um Klänge zu beschreiben. Diese Ausdrucksformen können
29
Vgl. BRANDSTÄTTER 2004, S.165 30
Vgl. STEINCKE, Dietrich: Bildgestaltendes Verstehen von Musik. Entwurf eines Modells einer nonverbal-verbalen Zugangsweise zur Musik als Beitrag zur didaktischen Interpretation.- Würzburg: Verlag Königshausen und Neumann, 2007, S. 12f 31
Vgl. BRANDSTÄTTER 2004, S.163 32
Vgl. BRANDSTÄTTER 2004, S. 222 33
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 32
19
wiederum verschiedenen optischen Bereichen zugeordnet werden, beispielsweise:
Licht (grell, strahlend, schillernd), Bewegung (abgehackt, hetzend, schaukelnd),
Raum (aufstrebend, fallend, absteigend) und Wasser (pulsierend, fließend,
tosend).34
2.3.2.1. Sprechen über Musik im Musik- und Instrumentalunterricht
Über Musik zu sprechen stellt vor allem für Laien, aber auch für Schüler*innen,
eine Herausforderung dar. Das Problem das eben Gehörte zu verbalisieren liegt
darin, dass es sich bei Musik um ein flüchtiges Medium handelt. Sie ist an die
Zeitlichkeit gebunden. Im Musik- beziehungsweise Instrumentalunterricht ist es oft
schwierig, sich über etwas zu unterhalten, das nicht greifbar oder anschaulich ist
und genau genommen schon in der Vergangenheit liegt. So darf das Problem
nicht vorrangig bei den Hörkompetenzen der Schüler*innen gesucht werden,
sondern es sollte vielmehr die Vermittlungsfähigkeit der Sprache an sich in diesem
Zusammenhang hinterfragt werden.
Um der Herausforderung gerecht zu werden, kann die Lehrperson ein
musikalisches Verstehen der Schüler*innen durch aktives Tun zur Musik, sei es
durch Singen, Musizieren oder Bewegen, in Gang setzen.35 Durch die Verbindung
zu Bildern und Bewegungen wird Musik erfahrbar gemacht und die Verbalisierung
wird erleichtert. Durch das Beschreiben der Bilder und Bewegungen kann der
verwendete Wortschatz metaphorisch auf die Musik übertragen werden. Die
Übertragung ermöglicht neue Perspektiven, um Berührungspunkte zu sehen, die
davor nicht sichtbar waren.36
Da die Sprache jedoch eine essentielle Stellung als Mitteilungsform einnimmt,
sollte dennoch Raum im Unterricht geschaffen werden, um mit Schüler*innen
über Musik und die damit verbundenen Empfindungen zu sprechen und diese
nicht nur durch aktives Tun zu ersetzen.
34
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 10 35
Vgl. STEINCKE 2007, S. 9f 36
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 194f
20
Denn die Sprache bietet eine spezielle Form der Wirklichkeitserfahrung und
-gestaltung. Sie erlaubt im Austausch mit anderen, Musik zu verstehen, sie zu
beschreiben, zu erklären und zu deuten.37
Brandstätter äußerte sich zur Bedeutung der Sprache wie folgt:
„Das Ziel besteht darin, einen wechselseitigen Austausch zwischen
begrifflichen und begriffslosen Prozessen anzuregen. Verlässt man sich zu
schnell auf die Sprache, so besteht die Gefahr, dass die Komplexität der
Wahrnehmung zu sehr reduziert wird und dass man auf der Basis gewohnter
Begriffe in gewohnten Wahrnehmungsbahnen verbleibt. Verzichtet man
hingegen auf die Sprache, so läuft man Gefahr, genauso in gewohnten
Bahnen und in der undurchschaubaren Komplexität der einmaligen Situation
verhaftet zu bleiben, ohne Chancen auf differenzierende Weiterentwicklung
der Wahrnehmung und ohne Möglichkeit einer intersubjektiven
Verständigung.38
Als pädagogische Konsequenz sei gesagt, dass somit das Sprechen über Musik
dieselbe bewusste und zielorientierte Vorbereitung und Analyse benötigt wie alle
anderen Unterrichtsaktivitäten, egal ob es einer Analyse, Reflexion oder dem
Austausch von erlebter Musik dient.39 Der*die Musikpädagog*in muss sich im
Klaren sein, welchen Zweck das Sprechen über Musik erfüllen soll. Einerseits
kann musikwissenschaftlich an ein Stück herangegangen werden; Material,
Gestaltung sowie Komponist und Epoche können erforscht werden. Andererseits
kann der Fokus mehr auf die mit Musik gemachte ästhetische Erfahrung gelegt
werden, also die Beziehung zwischen Musik und den erlebenden Personen. Je
nach Zielsetzung muss die Wahl der Sprache angepasst werden.40
Ob das Sprechen über Musik zu einem gelingenden Bestandteil des Musik- und
Instrumentalunterrichts wird, ist aber vor allem abhängig von einer guten
Gesprächsführung der Lehrenden. Der/die Lehrer*in ist nicht nur dafür
37
Vgl. RICHTER, Christoph: Genießen-Erleben-Erkennen-Verstehen. Grundfragen und Grundlagen der Musikvermittlung für erwachsene Laien.- In: Diskussion Musikpädagogik, Hamburg: Hildegard-Junker-Verlag, 2014, Heft 5, S. 48 38
BRANDSTÄTTER 2004, S.241 39
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 187 40
Vgl. RICHTER 2014, S. 51f
21
verantwortlich, eine Atmosphäre zu schaffen, in der geübt werden kann, über
Musik sprachlich zu reflektieren, sondern auch für den Gesprächsverlauf.
Voraussetzung dafür ist ein respektvolles und von Toleranz geprägtes
Unterrichtsklima, in dem sich die Schüler*innen ermutigt fühlen, sich offen über
ihre persönlichen Empfindungen und metaphorischen Assoziationen zur Musik zu
äußern.41
Um den Gesprächsverlauf erfolgreich zu gestalten, sind folgende
Verhaltensweisen wertvoll:
- Die Lehrperson unterstützt die Schüler*innen, indem sie sie motiviert, ihre
Gedanken zur und über Musik zu äußern und diese genauer zu erklären (zum
Beispiel mit Hilfe von Metaphern).
- Die Lehrperson schafft Verknüpfungen zwischen möglichen konträren
Beiträgen und veranlasst die Schüler*innen darüber zu diskutieren.
- Sie bezieht bereits vorhandenes sprachliches und musikalisches Vorwissen
mit ein, um dieses zu nutzen und zu erweitern.
- Sie verwendet unklar ausgedrückte oder „falsch“-wirkende Beiträge, um
gemeinsam die Sprache zu differenzieren.42
- Die Lehrperson sollte ein Gespür für die Gesprächssituation mit in den
Unterricht bringen. Äußerungen über persönliche Empfindungen und
Assoziationen sind mit Sensibilität zu behandeln. Eine Wertung der
Kommentare und eine Unterscheidung in „richtig“ und „falsch“ können für die
Beteiligten hemmend sein und den Gesprächsfluss stören.43
- Der*die Musikpädagog*in sollte aber auch einschätzen können, in welchen
Unterrichtssituationen das Reden über ästhetische Erfahrungen angebracht
ist. Manchmal kann eine Versprachlichung als störend empfunden werden.
Wie bereits erwähnt, kann auch durch aktives Tun Musik verstanden werden.
Je nach Gruppengefüge und Situation kann ein ästhetisches Erlebnis,
Gehörtes und Gesehenes ebenso unkommentiert gelassen werden. Auch
41
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 218 42
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 218 43
Vgl. STEINCKE 2007, S. 147f
22
bloßes Zuhören und Stille sind wichtige Formen des Verstehens im Musik-
und Instrumentalunterricht.44
Dietrich Steincke, Musikpädagoge, gab für das Sprechen über Musik allerdings zu
bedenken, dass subjektiv Erfahrenes nicht mit dem sprachlich Mitgeteilten
gleichgesetzt werden darf:45
„Es besteht eine Diskrepanz zwischen dem eigentlich Wahrgenommenen und
der verbalen Aussage, denn das, was als wahrgenommen festgestellt wird, ist
nicht das Wahrgenommene selbst, sondern nur das, was der
Wahrzunehmende darüber mitzuteilen imstande ist. Das Bild oder die Musik
lassen sich in ihrer Wesensart nie verbal erschließen, sie können sich einzig
und allein selbst mitteilen.“46
Denn ein ästhetisches Zeichensystem wie die Musik bleibt letztendlich
unübersetzbar. Was ein Musikstück aussagt, kann nicht anders mitgeteilt werden,
auch nicht verbal. Musik ist eine symbolhafte Sprache für Gefühle und
Sinnhaftigkeit und kann nicht in gesprochene Sprache übersetzt werden. Somit ist
Musik etwa mit Lyrik zu vergleichen, die nahezu unmöglich in eine andere
Sprache zu übersetzen ist. Ein übersetztes Gedicht verliert demnach nicht nur
den charakteristischen Klang der gewählten Worte, sondern womöglich verändert
sich auch die Bedeutung.47
Diese Diskrepanz gilt es zu berücksichtigen und auch in das Bewusstsein der
Schüler*innen zu rufen.
2.3.2.2. Metaphern in der musikalischen Sprache
Eine essentielle Möglichkeit, sich über Musik auszudrücken, ist die Verwendung
von Metaphern, bei denen Erfahrungen aus anderen Lebensbereichen als
Versprachlichungshilfe herangezogen werden.48
44
Vgl. RICHTER 2014, S. 54 45
Vgl. STEINCKE 2007, S. 12f 46
STEINCKE 2007, S. 13 47
Vgl. WIMMER, Constanze: Musikvermittlung im Kontext. Impulse. Strategien. Berufsfelder.- Regensburg: ConBrio Verlagsgesellschaft, 2010, S. 85f 48
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 193
23
Nach Steincke lassen sich Metaphern folgendermaßen definieren:
„Wenn Worte oder Wortgruppen in einem neuen Bereich Verwendung finden,
der nicht ihrem eigentümlichen Bedeutungszusammenhang entspricht, ohne
dass die notwendige Beziehung zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem
sprachlich angezeigt wird, spricht man von einer Metapher.“49
Das aus dem Griechisch stammende Wort bedeutet übersetzt „Übertragung“. Da
sich die Bedeutung eines Begriffes nicht fixieren lässt und auch ständig verändert,
ist es schwierig, die eigentliche von der übertragenen Verwendung eines
Begriffes zu unterscheiden. Metaphern etablieren sich bei häufiger Verwendung
oftmals auch zu feststehenden Begrifflichkeiten und werden dann als „verblasste
Metaphern“ bezeichnet, so wie Flussbett oder Stuhlbein.50 Wie unter 2.3.2.
beschrieben finden sich auch eine Vielzahl an verblassten Metaphern in der
musikalischen Sprache wieder (siehe S. 18).
Metaphern ermöglichen es, etwas Neues und Fremdes mit bereits Bekanntem zu
vergleichen und zu verknüpfen und so in die eigene Erlebenswelt zu integrieren.
Hat ein Musikstück eine fröhliche, heitere Wirkung auf uns, suchen wir
vergleichend nach etwas Fröhlichem aus unseren Erinnerungen und unserer
Lebenswelt: ein fröhliches Beisammensein, eine heitere Geschichte, ein heiteres
Landschaftsbild.51 Ein lang anhaltender Ton wird als „breit“ oder „fließend“
bezeichnet und kann exemplarisch mit der Vorstellung eines breiten Flusses, den
fließenden Bewegungen einer Tänzerin oder scheinbar endlosen Feldern
verglichen werden.
Werden Metaphern beim Sprechen über Musik eingesetzt, bewirken sie zwei
verschiedenartige Dinge: Einerseits begünstigen Metaphern den Übergang zu
fachlichen Begriffen und führen zu einer Wissenschaftssprache hin. Andererseits
helfen sie individuelles Musikverstehen und -erleben auszudrücken. Beides trägt
auf unterschiedliche Weise zum ganzheitlichen Verstehen von Musik - und auch
anderen Künsten - bei.52
49
STEINCKE 2007, S. 138 50
Vgl. BRANDSTÄTTER 2008, S. 25f 51
Vgl. RICHTER 2014, S. 34 52
Vgl. RICHTER 2014, S. 57
24
Dennoch ist anzumerken, dass die Fähigkeiten von Metaphern nicht überschätzt
werden dürfen. Sie sind dafür zu gebrauchen, schwer Fassbares in Worte zu
fassen. Durch ihre gewisse Unbestimmtheit verharren sie aber des Öfteren an der
Oberfläche und schaffen es nicht, in die Tiefe zu gehen, um einzelne Merkmale
zu konkretisieren.
An dieser Stelle erscheint es auch wichtig den Begriff der „intermodalen
Analogien“ zu erwähnen, da dieser in engem Zusammenhang mit dem der
Metaphern steht. Intermodale Analogien können als Ursprung von Metaphern
gesehen werden und tragen wesentlich zum Verständnis derer bei.53 Genauer
wird auf die Begrifflichkeit „intermodale Analogie“ allerdings im nächsten Kapitel
unter 3.2. Intermodale Analogien (S. 29) eingegangen.
2.3.2.3. Der Einsatz von Metaphern beim Sprechen über Musik
Möglichkeiten, um mit Schüler*innen eine metaphorische Sprache beim Sprechen
über Musik anzuregen, können sein: Transformation in ein anderes Medium (wie
etwa in Bilder), Metaphern absichtlich wörtlich nehmen, übergeneralisieren,
Alternativen und Gegensätze finden, Fachbegriffe reflektieren, Gesagtes in
eigene Worte fassen und vergleichen, Adjektivzirkel und Assoziationen
herausfiltern und beschreiben.54 Auch das Bilden eigener Metaphern kann
Anregung für einen kreativen Umgang mit Sprechen über Musik sein und den
Wortschatz erweitern.55
Um den erfassten und erweiterten Wortschatz zu verdeutlichen und zu
reflektieren, ist es nützlich diesen aufzuschreiben.56 Sinnvoll beim Sprechen über
Musik ist es auch ihre Klänge präsent zu halten und mehrmals anzuhören.57
Die Wirkungskraft metaphorischer Sprache im Unterricht soll durch folgende
Zielformulierungen verdeutlicht werden:
- Metaphern ersetzen fehlende Begriffe oder schaffen neue Wortkreationen
- Metaphern schaffen Anschaulichkeit
53
Vgl. STEINCKE 2007, S. 138f 54
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 196f 55
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 193 56
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 205 57
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 196f
25
- Metaphern stellen einen Bezug zur eigenen Lebenswelt her und bilden somit
eine vertraute Beziehung zur Musik
- Metaphern erweitern und vertiefen die Sichtweise auf eine Sache
- Metaphern zeigen Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen
Wirklichkeiten und Wahrnehmungsweisen auf
- Metaphern helfen, mit eigenen Mitteln und Lebenserfahrungen auf
Hörerlebnisse und Eindrücke zu reagieren
- Metaphern regen an, neue Standpunkte einzunehmen und etwas neu sehen
oder hören zu können
- Metaphern bilden eine Verbindung zwischen dem musikalischen Erleben und
dem anderen (verglichenen) Lebensbereich
All die eben aufgezählten Feinziele sammeln sich in einer übergeordneten
Funktion des metaphorischen Sprechens: Es soll dazu beitragen, eine bestimmte
Sache, die Welt (worauf die Sache Bezug nimmt) und sich selbst zu verstehen.
So kann es für das Verständnis von Musik, das Kommunizieren eigener
Empfindungen, wie auch für das gegenseitige Verstehen gewinnbringend sein.58
58
Vgl. RICHTER 2014, S. 56
26
3. Synästhesie
Um Interdisziplinarität zwischen Musik und Bildender Kunst fundiert wissenschaftlich
behandeln zu können, erscheint es unumgänglich, über den viel verwendeten Begriff
der „Synästhesie“ und die dazugehörigen Termini zu sprechen, bevor Varianten der
Verbindungen abgehandelt werden können. Da in dieser Masterarbeit eine
ausführliche Auseinandersetzung mit dem umfangreichen Gebiet der Synästhesie
nicht stattfinden kann und es nicht Kern der zentralen Forschungsfrage ist, wird in
diesem Kapitel nur ein Überblick gegeben.
Synästhesie kommt aus dem Griechischen und bedeutet wortwörtlich „Zusammen-
Fühlen“ oder „Mitempfinden“. Je nach Fachbereich und Zusammenhang wird der
Begriff sehr unterschiedlich definiert und verwendet. Im psychologischen Sinne wird
Synästhesie als Phänomen definiert, bei dem das Wirken eines Reizes auf ein
Sinnesorgan zu einer anderen Sinneswahrnehmung führt. Die Besonderheit liegt
darin, dass Reize eben nur auf einen Sinn treffen und die Wahrnehmung in einem
anderen Sinnesbereich auslösen.59 Vor allem um die Zeit zwischen 1920 und 1930
hat man sich intensiv mit der Synästhesieforschung auseinandergesetzt.60
Das „coloured hearing“ (auch „audition colorée“ oder „farbiges Hören“ genannt) ist
die häufigste Form der Synästhesie. Dabei wird durch das Hören von Geräuschen,
Musik und Stimmen die Wahrnehmung von Farben und Formen ausgelöst.61 Es
existiert auch das umgekehrte Phänomen, bei dem Töne bei bestimmten Farben
gehört werden.62 Diese sekundären Gehörerlebnisse werden als „Phonismen“
bezeichnet.63 Aber auch zwischen anderen Sinnesbereichen, wie etwa dem
Geruchs- und dem Tastsinn, können synästhetische Prozesse hervorgerufen
werden.64 Das von Synästhetiker*innen Wahrgenommene ist dabei so individuell
unterschiedlich, dass synästhetische Empfindungen nicht absolut sein können und
nicht mit einem absoluten Gehör gleichgesetzt werden können. Das Empfinden dabei
ist subjektiv.65
59
Vgl. ENSER 2011, S. 32ff 60
Vgl. STEINCKE 2007, S. 69 61
Vgl. ENSER 2011, S. 32ff 62
Vgl. ENSER 2011, S. 35 63
Vgl. SIDLER, Natalia: Über die Beziehung von Farbe und Klang. Interdisziplinäre Kunstprojekte für Musiker, Tänzer, Schauspieler und bildende Künstler.- In: ÜBEN UND MUSIZIEREN 2003, S. 44 64
Vgl. ENSER 2011, S. 35 65
Vgl. SIDLER 2003, S. 44
27
Bei dem Versuch, auditive und visuelle Zusammenhänge zu kategorisieren und zu
benennen, wird der Begriff Synästhesie oft als Oberbegriff verschiedenartig
verwendet. Das kann vor allem in interdisziplinären Kontexten sprachliche
Missverständnisse zur Folge haben.66
Deshalb soll im Folgenden exemplarisch auf ausgewählte wichtige Erklärungs- und
Definitionsmodelle eingegangen werden, die in der Synästhesieforschung
entstanden sind und für die Fragestellung von Bedeutung sind.
3.1. Echte Synästhesie
Um eine sogenannte echte (genuine) Synästhesie zu erkennen, formulierte der
Neuropsychologe Richard E. Cytowic folgende Merkmale:
- Synästhesien entstehen durch Reize und finden reflex- und zwangsartig statt
- synästhetische Wahrnehmungen werden körpernahe erlebt und projizieren
sich auf den umgebenden Raum
- Synästhesie ist ein permanentes, abstraktes Phänomen, das eindeutig von
assoziativen Verbindungen auseinandergehalten werden kann
- Synästhesien können leicht in Erinnerung behalten werden
- Synästhesien sind mit starken Gefühlen verbunden und wirken realistisch67
Das Auftreten echter Synästhesien ist allerdings nur sehr selten. Laut Cytowics
Kriterienkatalog, woraus vier von den fünf aufgelisteten Merkmalen zutreffen müssen,
sind drei Synästhetiker*innen unter einer Million Menschen.68
So zählt Filmmusik nicht zu Synästhesie im engeren Sinne, da Reize auf mehrere
Sinnesebenen treffen. Auch Skrjabins Einteilung von Klängen zu Farbspektren oder
seine Farblichtmusik ist nicht synästhetisch.69 Dabei wies der russische Komponist
den zwölf Tönen der Tonleiter jeweils eine konkrete Farbe zu. Ebenso die Tonarten
des Quintenzirkels erhielten eine Farbzuweisung. Diese Zuteilungen setzte er später
in seinem berühmten Orchesterwerk Prometheus praktisch um. Er erfand dafür ein
Farbenklavier, mit dem zur Musik gleichzeitig farbige Lichtprojektionen entstanden.70
66
Vgl. ENSER 2011, S. 35 67
Vgl. ENSER 2011, S. 32ff 68
Vgl. STEINCKE 2007, S. 72 69
Vgl. STEINCKE 2007, S. 69 70
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 25
28
Abbildung 1: Skrjabins Farbzuordnung im Quintenzirkel
Abbildung 2: Farbenklavier nach Skrjabin
Weiter gefasst hat den Begriff Synästhesie - im Gegensatz zu Cytowic - Albert
Wellek, dessen Forschungsergebnisse besonders im 20. Jahrhundert große
Anerkennung fanden. Er bezeichnete diese Form von Doppelempfindungen als
etwas „Allgemeinmenschliches“. Je nach Form des Auftretens des Phänomens
unterteilte er Synästhetiker*innen in vier verschiedene Typen:71
1. Ebene
(z.B. akustisch)
2. Ebene
(z.B. optisch)
A) Doppelempfindung Empfindung Empfindung Beim Hören von Musik
werden real Farben und
Formen gesehen.
B) Folge-Vorstellung Empfindung Vorstellung Beim Hören von Musik
werden Farben und
Formen nur vorgestellt.
C) Folge-Empfindung Vorstellung Empfindung Bei der Vorstellung von
Musik werden real
Farben und Formen
gesehen.
D) Doppelvorstellung Vorstellung Vorstellung Bei der Vorstellung von
Musik werden Farben
und Formen nur
vorgestellt.
Abbildung 3: Vier Typen der Synästhesie von Albert Wellek
71
Vgl. STEINCKE 2007, S. 70
29
Setzt man Welleks Typen der Synästhesie in Beziehung zu Cytowics Auffassungen,
so würden laut Cytowics Definition nur Typ A und C unter echte Synästhetiker*innen
fallen.
Für den Instrumentalunterricht von größter Bedeutung ist Typ B, bei dem Farben und
Formen zu akustischen Ereignissen vorgestellt werden. Typ A stellt eine seltene
Spezialbegabung dar und auch Typ C und D sind bei den meisten Menschen
unrealistisch. Eine Doppelvorstellung, wie in Typ D beschrieben, kann aber dann in
Kraft treten, wenn nach mehrmaligem Hören eines Musikstückes das Gehörte und
die zugehörigen Farben und Formen in der Erinnerung vorgestellt werden können.72
3.2. Intermodale Analogien
Ebenso gehen die sogenannten „Ursynästhesien“ auf Wellek zurück. Er ordnete
akustische und visuelle Empfindungen einander zu, die er in sechs
Grundentsprechungen einteilte. Diese weisen Allgemeingültigkeit auf und müssen
somit auf Grunderfahrungen des Menschen zurückgehen:73
1) a) dünn - dick
b) scharf (spitz) - (stumpf) schwer
= hoch - tief (vom Tone)
= hoch - tief (vom Tone)
2) schnell, beweglich (leicht) -
langsam, schwerfällig (schwer)
= hoch - tief
3) a) hoch - tief (im Raume)
auf (Steigen) - ab (Fallen)
b) Linie
Horizontale
Wellenlinie
= hoch - tief
= höher - tiefer
= Tonfolge
= Tondauer (Tongleichheit)
= Triller (oder Bebung)
4) a) klar - trüb
b) grell (leuchtend), satt -
blass (grau), matt
= hoch - tief
= stark - schwach
72
Vgl. STEINCKE 2007, S. 70f 73
Vgl. STEINCKE 2007, S. 71
30
5) a) hell (weiß) - dunkel (schwarz)
b) warm - kalt (auch von den Farben)
= hoch - tief
= hoch - tief
6) vielfarbig (bunt) – einfarbig (unbunt) = klangvoll – eintönig
Abbildung 4: Ursynästhesien von Albert Wellek
Andere Autoren bezeichnen diese Zusammenhänge unter anderem auch als
archetypische Metaphern, Elementarsymbolik oder intermodale Wahrnehmung.
Diese Zusammenhänge entsprechen also nicht einer genuinen Synästhesie, sondern
sind assoziative Verbindungen hinsichtlich Helligkeit, Intensität, Volumen und Dichte.
Einige dieser Zuordnungen sind auch auf physikalische Gesetze zurückzuführen,
zum Beispiel auf die Schwerkraft: Fällt ein schwerer Gegenstand zu Boden, bewirkt
dieser ein dunkleres Geräusch beim Aufprall, als würde ein leichter fallen. So ist auch
die Zuweisung hell - dunkel = hoch - tief von der Natur abzuleiten. Je näher etwas
dem Sonnenlicht ist (höher), desto heller.74
Was Wellek als „Ursynästhesien“ benannt hat, findet sich auch unter dem Ausdruck
„intermodale Analogien“ wieder. Der Begriff bezeichnet die Verknüpfung
verschiedener Sinne. Anders als bei der genuinen Synästhesie sind diese
Verknüpfungen assoziativ und basieren auf frühkindlichen oder auch später
allmählich erworbenen Erfahrungen. Durch empirische Untersuchungen wurde
festgestellt, dass bei intermodalen Analogien (auch unechte Synästhesien genannt)
die meisten Menschen bestimmte Zuordnungen gleich oder ähnlich erleben (wie
etwa zwischen Farben und Klängen) - so wie es auch Wellek in seinen
Ursynästhesien aufgelistet hat. Selbst wenn die Analogien zweier Menschen durch
individuelle Zuordnungsmuster voneinander abweichen können, so sind sie dennoch
logisch erklärbar und für andere nachvollziehbar.75
74
Vgl. HENNIGFELD, Ursula: Mythos Goya – Überlegungen zu einer transkulturellen und transmedialen Identifikationsfigur. In: HENNIGFELD, Ursula (Hrsg.): Goya im Dialog der Medien, Kulturen und Disziplinen.- Freiburg i.Br./Berlin/Wien: Rombach Verlag KG, 2013, 1. Auflage, Bd. 3, S. 39f 75
Vgl. STEINCKE 2007, S. 74
31
Den Unterschied zwischen (echten) Synästhesien und intermodalen Analogien
verdeutlicht der Synästhesieforscher Klaus-Ernst Behne, für den die Differenzierung
dieser beiden Formen von Bedeutung war:76
„[…] – bei Synästhesien handelt es sich jeweils um eine absolute Zuordnung
(von Reiz und synästhetischem Perzept), die unabhängig vom jeweiligen
Kontext erfolgt und bei der der menschliche Organismus eigentlich nur passiv
reagiert; - intermodale Analogien hingegen sind als eine relative Zuordnung zu
begreifen, deren Relativität sich vor allem aus ihrer Kontextabhängigkeit
ergibt, intermodale Analogien sind das Ergebnis eines jeweils aktuellen,
aktiven Prozesses, an dem ein nach Vergleichsmöglichkeiten suchender,
beziehungsstiftender Geist beteiligt ist.“77
Zum besseren Verständnis soll noch ein Beispiel geben werden: Das Hören eines
bestimmten Klanges bringt die Assoziation mit der Farbe Blau (=unechte
Synästhesie). Das bedeutet aber nicht, dass umgekehrt automatisch bei der Farbe
Blau an diesen Klang gedacht werden muss (=echte Synästhesie).78
3.3. Musikpädagogischer Zusammenhang
Intermodale Analogien sind hingegen den echten Synästhesien bedeutsam für die
Musikpädagogik. Durch das Wissen, dass Analogien immer wieder ähnlich
empfunden werden, können sie helfen, individuelle Empfindungen verständlich zu
machen und anschaulich zu artikulieren. Intermodale Analogien ermöglichen es,
scheinbar räumlich oder zeitlich getrennte Merkmale zu verbinden und so auch eine
bildnerische Versprachlichung entstehen zu lassen.79 Hier sei noch einmal auf den
Zusammenhang zwischen intermodalen Analogien und Metaphern in dem Kapitel
2.3.2.2. Metaphern in der musikalischen Sprache (S. 22) verwiesen.
Das Bilden von Analogien ermöglicht auch, beim Malen nach Musik Musik zu
verstehen. Linien, Farben, Formen und die Verbindung zur Musik können als stimmig
empfunden werden. Den Schüler*innen ist es möglich, einen Zusammenhang
76
Vgl. ENSER 2011, S. 35 77
Vgl. BEHNE 1992 zit. n. ENSER 2011, S. 36 78
Vgl. STEINCKE 2007, S. 77f 79
Vgl. STEINCKE 2007, S. 77ff
32
zwischen Räumlichkeit und Zeitlichkeit (wie etwa zwischen Farbe, Klang und Tönen)
zu entdecken.80
Auch die in 3.2. (S. 29) angeführten Ursynästhesien nach Wellek können im
Instrumentalunterricht Aufschluss über musikalische Entscheidungen bei der
Improvisation nach Bildern geben. Die unterschiedliche musikalische Umsetzung des
Gesehenen kann in Vergleich gestellt und ähnliche Empfindungen können
herausgefiltert werden. Es kann auch der Versuch angestellt werden, ob gewisse
Zuordnungen den Empfindungen aller Mitspieler*innen entsprechen und somit
Gesetzmäßigkeiten innerhalb der Gruppe festgestellt werden können. Durch die
Auseinandersetzung mit Ursynästhesien und intermodalen Analogien, wie etwa hell-
hoch / dunkel-tief, kann das Bewusstsein dafür und das Aufeinanderhören beim
gemeinsamen Musizieren sensibilisiert werden.
80
Vgl. STEINCKE 2007, S. 78f
33
4. Rezeptionsformen zwischen Musik und Bildender Kunst
Anfang des 20. Jahrhunderts lassen sich immer mehr Verbindungen zwischen Bild
und Musik feststellen. Die Möglichkeiten der Verknüpfungen sind reichlich und die
Versuche der Verbindungsarten vielfältig. So beginnen Künstler*innen beide Künste
in Klanginstallationen zu verbinden oder mit und nach Musik zu malen. Andersrum
verwenden Komponist*innen Werke der Bildenden Kunst als Inspirationsquelle ihrer
Musik oder beschäftigen sich mit der Zuweisung von Klängen und Farben.81
Besonders seit den 1980er Jahren wächst die Aufmerksamkeit dafür, nachweisbar
in Form von Publikationen, Symposien, Untersuchungen und Sammelbänden. Es
finden auch vermehrt Ausstellungen zu dem Thema statt, wie etwa 1985 die
Ausstellung Paul Klee und die Musik, um ein Beispiel zu nennen. Auch heute wirkt
die Tendenz des Interesses steigend.82
Die Verbindungsform Musik nach Bildender Kunst erhält schon in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts einen Aufschwung als sich die Programmmusik als eigene
Musikrichtung entwickelt, in der das Instrumentalwerk von einem außermusikalischen
Thema bestimmt oder beeinflusst wird.83 Diese außermusikalischen Themen können
unter anderem Bildvorlagen sein, aber auch Texte.
Je nach Entstehungsprozess und Wahrnehmungsabfolge lassen sich verschiedene
Rezeptionsmöglichkeiten unterscheiden, wie Musik und Bildende Kunst aufeinander
Bezug nehmen.84 Die Rezeptionsformen, die auch später im Projekt vorkommen,
werden hier ausführlicher beschrieben und in weiterer Folge in einen
musikpädagogischen Kontext gesetzt. Andere nicht verwendete Formen werden
trotzdem erwähnt, um das breite Spektrum an Möglichkeiten zwischen den beiden
Künsten aufzuweisen. Sie werden jedoch weniger detailliert behandelt.
81
Vgl. ENSER 2011, S. 74 82
Vgl. JEWANSKI, Jörg/ KETTELER Rolf: Musik und Bildende Kunst, Einführung.- In: MGG Online, hgg. v. LÜTTEKEN Laurenz.- Kassel, Stuttgart, New York, 2016. Online im Internet. URL: www-1mgg-2online-1com-1vmd29ynd0024.han.bruckneruni.at/mgg/stable/11763 [Stand: 08-09-2019] 83
Vgl. ALTENBURG, Detlef: Programmmusik, Zur Ästhetik der Programmmusik: malendes Genre, charakteristische Musik und Programmmusik.- In: MGG Online 2016. Online im Internet. URL: http://www-1mgg-2online-1com-1vmd29ynd0024.han.bruckneruni.at/mgg/stable/15190 [Stand: 08-09-2019] 84
Vgl. ENSER 2011, S. 74
34
4.1. Musik nach Bildern
Dabei entspringen musikalische Ideen aus Bildern, wobei die visuellen Vorstellungen
programmatisch sowie auch unkonkret sein können. Filmmusik, Musik zu bewegten
Bildern kann ebenso diesem Bereich zugeordnet werden.85
Allerdings begannen Komponist*innen erst relativ spät, Bilder als Ausgangspunkt
einer Komposition zu verwenden. Dieser Teilbereich der Programmmusik entstand,
wie bereits erwähnt, im 19. Jahrhundert.86 Diese neue ästhetische Denkweise war
darum bemüht, die Grenzen zwischen den Gattungen aufzuheben.
Einen maßgeblichen Einfluss auf diese Entwicklung hatte Franz Liszt (1811-1886)
mit seinen Symphonischen Dichtungen. Die darin enthaltene Verbindung der
Symphonie mit der Dichtung, aber auch die der Musik und Malerei, kamen Liszts
Absicht die Kunst „umzuwandeln“ nach. Zur Symphonischen Dichtung zählende
Werke, die von Gemälden inspiriert wurden, sind: Die Hunnenschlacht von 1857 und
Von der Wiege bis zum Grabe, entstanden 1881/82.87
Die Verbindungsmöglichkeiten in diesem Bereich sind sehr vielfältig und komplex.
Deshalb ist es auch sehr schwierig, Unterscheidungskategorien zwischen
Verbindungen von Bildvorlage und Musik festzulegen. Bereits der Titel eines Bildes
kann ausschlaggebend für die Idee einer Komposition sein. Es kann aber auch ein
Bildelement Assoziationen zu einem musikalischen Element hervorrufen oder die
Grundstimmung eines Bildes aufgegriffen werden. Genauso kann die Geschichte aus
dem Bild musikalisch erzählt werden. Die unterschiedlichen Einflüsse der
bildnerischen Vorlage können später nur schwer festgemacht werden, da bereits in
der Entstehung der Komposition schwer nachvollziehbare Verbindungsprozesse
stattfinden.88
Der intermediale Bezug von nach Bildern entstandener Musik lässt sich viel schwerer
nachvollziehen als die Bezugnahme von einem Text auf ein Bild. Im Vergleich zu
einem Text, der die Beschreibung eines Bildes beinhalten kann, ist die Verbindung
Bild - Musik meist viel abstrakter und weniger greifbar. So bedarf es Äußerungen der
85
Vgl. ENSER 2011, S. 74f 86
Vgl. JACOBS 2013, S. 255-265 87
Vgl. DE LA MOTTE-HABER, Helga: Musik und Bildende Kunst. Von der Tonmalerei zur Klangskulptur.- Laaber: Laaber Verlag, 1990, S. 80f 88
Vgl. ENSER 2011, S. 77
35
Komponisten zu ihren Stücken und Kompositionsweisen, um ihre Musik angemessen
zu analysieren und zu interpretieren.89
Eines der wohl berühmtesten Werke dieser
Kategorie ist der Klavierzyklus „Bilder einer
Ausstellung“ von Modest Mussorgski. Die
Inspiration für die 1874 entstandene Komposition
entstammt einer Ausstellung im Gedenken an
den Architekten und Maler Victor Hartmann. Die
Bilder wurden dabei nicht direkt in Musik
umgesetzt, sondern dienten als Anlass,
musikalische Bilder zu kreieren. In der
Erstausgabe der Partitur sind Erläuterungen zu
den einzelnen Bildern beziehungsweise Sätzen
zu finden. Ein Bildbeispiel daraus ist die Skizze
eines Stadttors in Kiew.
Paul Klee, der in seinen Werken stark mit der Musik verbunden war und daraus viele
seiner Ideen schöpfte, war wiederum Inspirationsquelle für etliche Musiker im 20.
Jahrhundert. Aber auch Arbeiten von Dürer, Michelangelo Buonarroti, Picasso,
Böcklin und Francisco de Goya wurden vielfach vertont. Häufig darin vorkommende
Themen sind Tod, Melancholie und Krieg.90 Auf die Vertonung Francisco de Goyas
Werken wird unter Punkt 5.2. Goya in der Musik (siehe S. 51) genauer
eingegangen.
4.1.1. Musik nach Bildern in einem musikpädagogischen
Kontext
Es gibt verschiedene Herangehensweisen, wie Musik zu Bildern in einem
pädagogischen Zusammenhang entstehen kann. Für das Vertonen eines Bildes
89
Vgl. JACOBS 2013, S. 255-265 90
Vgl. JEWANSKI, Jörg/ KETTELER, Rolf: Musik und Bildende Kunst, Musiker und Bildende Kunst, Musik nach Bildern.- In: MGG Online 2016. Online im Internet. URL: www-1mgg-2online-1com-1vmd29ynd0024.han.bruckneruni.at/mgg/stable/14940 [Stand: 08-09-2019]
Abbildung 5: Das große Tor von Kiew, Aquarell und Bleistift von Victor Hartmann
36
gab der Musikwissenschaftler und -pädagoge Mathias Schillmöller Anregungen in
folgender Reihenfolge:91
- das Bild betrachten und auf sich wirken lassen, erste Empfindungen und
Eindrücke können aufgeschrieben werden
- Analyse von Farben und Formen, wichtige Elemente herausfiltern und
notieren
- passende Instrumente oder Klänge auswählen und den herausgefilterten
Elementen zuweisen, daraus Melodien und Motive entwickeln
- kreativer Umgang und Einsatz von musikalischen Parametern: Wo ist piano-
forte, hoch-tief, legato-staccato passend?
- die Vorgehensweise organisieren, Aufzeichnungen in Form von Text,
Spielanleitungen oder Notation
- konzentriertes Proben: Aufbau eines Spannungsbogens, Achtung auf Anfang
und Schluss, Vermittlung einer klaren Botschaft
- anschließende Aufführung oder Festhalten durch Video oder Aufnahme
- Feedback und Reflexion
Diese Form der Verbindung bietet aber nicht nur Anreiz, selbst musikalisch tätig
zu werden, sondern Musik nach Bildern kann auch Gelegenheit schaffen, Bilder
mit bereits vorhandenen Kompositionen dazu analytisch zu vergleichen. Wie ein
solches Vergleichen aussehen könnte, ist in Schillmöllers Impulsen für einen
ästhetischen Unterricht zu finden:
1. Allgemeine Beschreibung – Präsentation der beiden Werke
Werk der Bildenden Kunst Werk aus der Musik
Künstler: Künstler:
Epoche: Epoche:
Werktitel: Werktitel:
91
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 15
37
Gattung: Gattung:
Museum/Maße: Besetzung:
Erster Eindruck:
Bildaufbau (kurz): Ton- und Taktart:
Dynamik/Tempo:
Großform:
2. Detailanalysen
Bildende Kunst Musik
Aufbau (im Detail): Aufbau (im Detail):
Klangfarben:
Instrumente:
Pinselstrich:
Rhythmus:
Formen/Linien:
Farbe:
Licht:
Kontraste:
In den Noten zu analysieren:
Artikulation:
Rhythmus:
Melodie:
Harmonik:
Motive und Themen:
Text und dessen Illustration:
3. Kunst-Musik: Die Beziehung der beiden Werke
Bestimmt drei Oberthemen, die in beiden Werken vorkommen (eines kann auch
einen Vergleich der beiden Künstler/Epochen betreffen) und ordnet aus den
Ereignissen von 2. jeweils drei Unterpunkte zu.
Abbildung 6: Vorschlag zur Klang-Bildanalyse von Mathias Schillmöller
38
4.2. Bilder nach Musik
Bei dieser Kunstform existiert zuerst Musik und dazu entstehen Bilder, wobei die
Bilder während der Wahrnehmung von Musik oder danach entwickelt werden
können.92
4.2.1. Musikalische Grafik - Malen nach Musik in einem
musikpädagogischen Kontext
In einem musikpädagogischen Zusammenhang wird bei dieser Sparte von
„musikalischer Grafik“ gesprochen. Sie ist ein Weg, um mit den von der Musik
hervorgerufenen inneren Bildern in Kontakt zu treten, diese zu visualisieren und zu
analysieren. Die hervorgerufenen Bilder nach Musik sind vorwiegend abstrakter
Gestalt. Die persönlichen Assoziationen können durch die bildhafte Darstellung
kognitiv besser erfasst werden. Es erscheint sinnvoll, nach dem Prozess des
Malens (dabei ist auch Zeichnen gemeint) über die hervorgebrachten Emotionen
und Empfindungen zu sprechen.93
Ausdrucksstarkes Bildmaterial zur Musik kann entstehen, wenn der Intuition beim
Malen genügend Platz verschafft wird. Es wird versucht, die Distanz zwischen
Musik, Bild und Hörer*in so klein wie möglich zu halten, indem der Ausdruck der
Musik intuitiv und vorerst unreflektiert in ein Bild umgesetzt wird.94
Durch das Hören von Musik während des Malens wird die innere Vorstellungswelt
angeregt. Durch die zu treffenden Entscheidungen (Material, Farbwahl,
Linienführung) werden die Schüler*innen aufgefordert, sich und ihre
Empfindungen zur Musik nach außen zu tragen und auszudrücken. In diesem
Sinne kann bereits von einem ersten ästhetischen Verstehen gesprochen werden.
Auch wenn noch nicht über die Musik oder das entstandene Bildmaterial
gesprochen wird, hat das Bild selbst Mittteilungscharakter.95 Hans H. Eggebrecht,
der sich mit dem Verstehen von Musik auseinandersetzte, empfand diese erste
92
Vgl. ENSER 2011, S. 74 93
Vgl. ADAM Kamilla, Farbklänge zu Klangfarben in Bewegungsspuren. Neuorientierung in der musikalischen Graphik Oskar Rainers.- Wien: Österreichischer Kunst- und Kulturverlag, 2000 (Bd. 4 d. Reihe Wiederverwertbare Fundstücke der Kunstpädagogik, hgg. v. MARTISCHNIG, Michael), S. 52f 94
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 198 95
Vgl. EGGEBRECHT 1999 zit. n. STEINCKE 2007, S. 83ff
39
Phase, in der die Musik nonverbal wahrgenommen werden kann, als äußerst
wichtig.96
Die subjektiven Empfindungen der Ausführenden werden durch die Bilder
mitgeteilt. Die Bilder bieten sich aber auch an, die gehörte Musik zu
charakterisieren und darüber zu sprechen, das Gehörte im Bild wiederzufinden
und in sich aufzunehmen. Eggebrecht spricht in diesem Zusammenhang von
einem erkennenden Verstehen von Musik.97 Dieses passiert in Form von
Versprachlichung und soll als Bereicherung des begriffslosen Verstehens
dienen.98 Beide Formen des Verstehens von Musik, ästhetisch sowie erkennend,
sind laut Eggebrecht notwendig, um Musik ganzheitlich zu erleben und zu
verstehen.99
Die Gestaltung des Malprozesses zur Musik kann in verschiedenen Varianten und
Settings stattfinden. Nachstehende didaktisch-methodische Überlegungen sind im
Vorfeld zu bedenken:100
- Materialien:
Um die Beteiligten selbst entscheiden lassen zu können, welche
Materialien sie zur Musik als passend erachten, ist es sinnvoll, eine
möglichst große Vielfalt an Materialien (wenn möglich) anzubieten.
- Raum:
Die vorbereitete Malumgebung sollte auch das Weggehen vom Bild
ermöglichen, um das Entstehende auch von der Ferne betrachten zu
können. Ein reizvoller Weg dies umzusetzen ist das Malen auf dem Boden.
Es erzeugt Bewegungsfreiheit und ermöglicht Distanz.101 Um sich auf die
Musik und die bildnerische Umsetzung konzentrieren und einlassen zu
können, ist auch eine gewisse Abgeschiedenheit für jede*n Einzelne*n
erforderlich. Die Raumgegebenheit muss es ermöglichen, äußere Reize
ausblenden zu können. Kontakt und Vergleiche mit Mitschüler*innen
können das Hineinfühlen in die Musik stören. Oft suchen die Schüler*innen
96
Vgl. ENSER 2011, S. 70 97
Vgl. EGGEBRECHT 1999 zit. n. STEINCKE 2007, S. 83ff 98
Vgl. BANDUR 2004 und EGGEBRECHT 2004 zit. n. ENSER 2011, S. 70 99
Vgl. EGGEBRECHT 1999 zit. n. STEINCKE 2007, S. 83ff 100
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 200f 101
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 200f
40
selbst nach Distanz zur Gruppe, um in ihre eigenen Vorstellungen
versinken zu können.102
- Bewegung:
Malen ist mit Bewegung eng verbunden. Die Verbindung kann noch
gestärkt werden, indem beispielsweise Dirigierbewegungen als
Ausgangspunkt für Malbewegungen verwendet und aus dem Dirigieren
entwickelt werden.103
- Musik:
Die Auswahl der Musik ist mit Gespür zu treffen und soll
Assoziationsreichtum, Beweglichkeit und Sinnlichkeit beinhalten.104 Mit
Gespür bedeutet auch, dass die Musik auf ihre Vermittlungsqualitäten hin
hinterfragt wird und die Lehrkraft selbst Erfahrungen mit der Musik machen
sollte, bevor diese zum Bildgestalten in einer Unterrichtssituation
verwendet wird.105
Entscheidend ist auch, ob die Schüler*innen die Musik bereits kennen oder
nicht. Bekannte Musikstücke sind mit Erinnerungen und bereits
vorhandenen Assoziationen gekoppelt. Die Lehrkraft muss auch im Vorfeld
entscheiden, ob das Musikstück zuerst einmal gehört wird oder ob beim
ersten Hören zeitgleich mit dem bildnerischen Tun gestartet wird. Diese
scheinbar kleinen Entscheidungen beeinflussen den Prozess und das
Ergebnis.
- Hemmschwellen überwinden und visuelle Konventionen durchbrechen:
Es gilt Schüler*innen zu ermuntern, um in ein freies, intuitives Malen zu
kommen. Malen nach Musik ist prozess- und weniger ergebnisorientiert.
Der Fokus liegt auf der individuellen Musikwahrnehmung und darauf, diese
bildnerisch darzustellen. Das Ergebnis – ein Kunstwerk zu schaffen – steht
nicht im Vordergrund. Aufforderungen, wie die Augen während des Malens
zu schließen oder die Nicht-Schreibhand zu verwenden, können dafür
anregend wirken. Auch Bewegungsanweisungen können helfen, stark
vorhandene visuelle Konventionen zu blockieren (zum Beispiel langsame,
102
STEINCKE 2007, S. 84 103
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 200f 104
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 200f 105
Vgl. BAACKE 2004 zit. n. STEINCKE 2007, S. 85
41
schnelle, große, kleine, runde, fließende oder eckige Bewegungen; mit viel
oder wenig Druck).106
- Die Rolle der Lehrkraft:
Nicht zuletzt ist es von Bedeutung, in welcher Rolle sich der*die Lehrende
sieht. Die Lehrkraft sollte sich als Vermittler*in zwischen Musik und
Schüler*innen sehen, die begleitend für die notwendigen
Rahmenbedingungen sorgt, aber nicht aktiv versucht, den Schüler*innen
etwas über die Musik beizubringen. Es muss auch gut überlegt sein, ob
Informationen zum Werk oder zum*zur Komponist*in im Vorfeld fördernd
oder eher hinderlich auf den individuellen Gestaltungsprozess wirken.
Informationen im Vorfeld beeinflussen das Ergebnis und lösen
Hörerwartungen aus. Ebenfalls lenkend und eingrenzend können
Höraufgaben sein, die die Schüler*innen die Musik selektiv wahrnehmen
lassen.107
Dieser nonverbale Prozess des Malens kann durch Reflexion zum Sprechen über
Musik führen und die Sprache kann wiederum eine musikgestalterische Sequenz
einleiten108 (zum Beispiel zu den entstandenen Bildern musizieren, siehe unter
4.1.1. Musik nach Bildern in einem pädagogischen Kontext, S. 35). Dabei sei
noch einmal auf das Kapitel 2.3.2. Versprachlichung von Musik (S. 18)
verwiesen.
4.3. Rückübertragungen
Auch sogenannte Rückübertragungen finden sich in der Kunstgeschichte wieder, sie
schaffen eine Brücke zwischen Musik nach Bildern und musikalischer Grafik. Dabei
handelt es sich um Bildende Kunst, die von Musik angeregt wird, die wiederum nach
Bildern entstanden ist. Häufig sind dabei unverkennbare Parallelen zwischen
Ursprungsbild und dem zur Musik entstandenen Bild zu erkennen.109
Die in diesem Kapitel unter 4.1. Musik nach Bildern (S. 34) erwähnten Bilder einer
Ausstellung von Mussorgski sind Beispiele für Rückübertragungen, die für
106
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 200f 107
STEINCKE 2007, S. 85f 108
Vgl. HESSELMANN 2015, S. 207 109
Vgl. SÜNDERMANN Hans/ERNST Berta: Klang-Farbe-Gebärde. Musikalische Graphik.- Wien/München: Anton Schroll & Co, 1981, S. 105
42
nachfolgende Werke sorgten. Einerseits wurden die ursprünglich für Klavier
geschriebenen Kompositionen mehrfach für andere Besetzungen und Instrumente
bearbeitet. Andererseits entstanden Grafiken, Gemälde sowie auch eine
Bühnenkomposition von Kandinsky, bei denen ein Zusammenhang zum Urbild
ersichtlich ist. Auch zu dem Musikstück Das große Tor von Kiew schuf Kandinsky ein
Bild mit gleichnamigem Titel.110
Abbildung 7: Kandinskys Entwurf zu Das große Tor von Kiew (1928)
4.3.1. Rückübertragungen in einem musikpädagogischen
Kontext
Rückübertragungen in einem musikpädagogischen Kontext entstehen zu lassen
ist besonders reizvoll, da eine Betrachtung von beiden Disziplinen ausgehend
möglich ist. Zum einen kann zu den Ursprungsbildern musiziert werden und
anschließend mit der dazu komponierten Musik verglichen werden. Zum anderen
können Rückübertragungen geschaffen werden, indem zur Musik bildnerisch
gestaltet wird.
110
Vgl. DE LA MOTTE-HABER 1990, S. 140ff
43
Die Form der Rückübertragungen wurden auch im Projekt zu den Caprichos von
Goya aufgegriffen, bei dem die Schüler*innen zu Mario Castelnuovo-Tedescos
Musik, die zu den Bildern von Goya entstanden ist, bildnerisch tätig wurden (siehe
6.6. Phase 5: Der umgekehrte Prozess, S. 76).
4.4. Improvisation in Musik und Bild
Das Improvisatorische ist in beiden Kunstrichtungen getrennt voneinander zu finden.
In der Bildenden Kunst kann exemplarisch das Action Painting genannt werden, bei
dem sich unerwartete Muster und Flächen ergeben, indem Farbe an eine Leinwand
geschleudert wird. In der Musik entsteht etwas Neues, nicht Aufgeschriebenes
während des Musizierens, häufig im Jazz aufzufinden.111
Aber auch in der Verbindung der beiden Künste findet Improvisatorisches seine
Anwendung. Durch die größer werdende Fülle an technischen Möglichkeiten gibt es
immer mehr Performances, in denen Musik und Visuals kombiniert werden, wobei
diese Visuals abgestimmt auf die Musik „improvisiert“ und spontan dazu entstehen.
Für ein Bildbeispiel soll noch einmal Wassily Kandinsky genannt werden, der vielen
seiner Bilder den Titel „Improvisation“ gab.
Abbildung 8: Kandinskys Improvisation Nr. 27, Der Garten der Liebe (1912)
111
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 64
44
4.4.1. Improvisation zu Bildern in einem musikpädagogischen
Kontext
Bilder wie die Improvisation Nr. 27 von Kandinsky können dazu anregen, über
Bildelemente, die etwas Improvisatorisches in sich haben, zu sprechen und diese
anschließend zu vertonen.112 Impulsgebend für die Improvisation können
Elemente, Farben und Formen des Bildes sein, zu denen musikalische Formen
oder eine Geschichte erfunden wird.113
Bilder, abstrakt oder gegenständlich, können aber auch Anstoß sein, im
Instrumentalunterricht spontan zu improvisieren, ohne davor auf eine analytische
Ebene zu kommen. So fand es auch in der ersten Phase des Goya-Projekts statt.
Die Schüler*innen improvisierten dabei zu einem Bild von Goya, was unter 6.1.
Phase 1: Spontanimprovisation (siehe S. 62) genauer beschrieben ist.
Auf die Entstehung einer solchen Gruppenimprovisation sei hier nun kurz
eingegangen. Die Improvisation beginnt, indem die Stille durch einen ersten Klang
durchbrochen wird. Die Mitspieler*innen können dann auf verschiedene Weisen
darauf reagieren: Entweder sie steigen spontan in das Geschehen ein und spielen
das, was ihnen als Erstes einfällt. Oder sie gehen mögliche Varianten im Kopf
durch und entscheiden sich für eine. Oder sie warten zuerst ab und lauschen
vorerst den Reaktionen der anderen und bringen sich erst zu einem späteren
Zeitpunkt ein.
Die erstgenannte Möglichkeit kann ein kraftvolles und kurzfristig spannendes
Klangergebnis bringen. Längerfristig aber können interessante
Improvisationsergebnisse entstehen, wenn die Beteiligten sich Zeit nehmen, das
bereits Entstandene konzentriert in sich aufzunehmen und eigene musikalische
Ideen zuerst gedanklich vorzustellen, bevor sie zu spielen beginnen. Wie sich
dieses Aufeinander-Hören und -Reagieren äußert, ist abhängig von dem Konzept
(gibt es eine Geschichte dazu oder nicht, gibt es Vorgaben) und den Vorstellungen
der jeweiligen Mitspieler*innen.
112
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 65 113
Vgl. SCHILLMÖLLER 2017, S. 81
45
Eine musikalische Aktion kann
- imitiert und weitergeführt werden.
- mit anderem Tonmaterial oder in anderer Tonlage übernommen werden.
- mit veränderter Artikulation oder Dynamik wiederholt werden.
- als Echo wie in weiter Ferne noch einmal erklingen.
- eine gegensätzliche Reaktion zur Antwort haben.
- zur Folge haben, dass ein*e Mitspieler*in nur zuhört und abwartet, wie andere
reagieren.
- auch mit Stille beantwortet werden und das Ende der Improvisation sein.
Irrelevant, ob die aufeinander reagierenden Klänge ähnlich oder verschieden
sind, treten die Klangaktionen (und damit auch die Musiker*innen) in Beziehung
zueinander. Um diese Beziehungen herstellen zu können, bedarf es eines
musikalischen Vorstellungsvermögens der Schüler*innen.114
Die Aufgabe der Lehrenden ist es in diesem Prozess beobachtend und wenn
nötig beratend zur Seite zu stehen. Möglichkeiten, wie miteinander improvisiert
werden kann, sei es tonal oder frei, können gemeinsam mit den Schüler*innen
erarbeitet werden. Eine auf die Improvisation folgende Reflexion kann durch
den/die Lehrer*in als Beobachter*in bereichert werden.
4.5. Bilder verweisen auf Musik
Darunter werden Werke aus der Bildenden Kunst verstanden, die auf Musik
verweisen, ohne einen direkten Bezug auf eine bestimmte Komposition zu haben.
Darunter fallen Portraits von Musiker*innen, Instrumentenstillleben und Bilder, auf
denen Musizierende oder Musikunterricht abgebildet sind.115 Auch Fragmente der
Notenschrift können von Bildenden Künstler*innen eingearbeitet und musikalische
Parameter als Ausgangspunkt herangezogen werden, um neue Ausdrucksformen zu
finden.
Zahlreiche Bilder, die Titel tragen wie Symphonie, Komposition, Polyphonie oder
Fuge, sind um 1900 entstanden.116 Im Zuge dessen kann regelrecht von einer
114
Vgl. HANDSCHICK 2016, S. 260ff 115
Vgl. ENSER 2011, S. 74 116
Vgl. JEWANSKI/KETTELER 2016 [Online]
46
„Musikalisierung der Malerei“ gesprochen werden. Denn die Musik diente als Vorbild
gegenstandsloser Kunst. Die eben genannten musikalischen Themen wurden zu
dieser Zeit in Bildern verarbeitet und verhalfen der Malerei zur Abstraktion (siehe
auch 2.1. Beziehung zur Wirklichkeit, S. 13).117
Es sei jedoch erwähnt, dass manche Texte sowie Bildtitel und Kommentare der
Künstler*innen kritisch zu betrachten sind. Es gilt den Grad der musikalischen
Inspiration beim Malen zu untersuchen. Denn ein bloßes „Im-Hintergrund-Musik-
Hören“ während des Malens ist nicht mit einem bildnerischen Werk gleichzusetzen,
das von musikalischen Strukturen und Parametern geprägt ist.118 Philipp Günter,
Pianist und Bildender Künstler, behauptet sogar, dass wirkliche Bezugnahmen
zwischen den Künsten „viel tiefer im Ursprünglichen“ liegen und „sie nicht unmittelbar
ins Auge und Ohr springen“.119
4.5.1. Paul Klees „Fuge in Rot“
Ein sehr bekanntes Bildbeispiel ist Paul Klees „Fuge in Rot“.120
Abbildung 9: Fuge in Rot, Paul Klee
117
Vgl. DÖMLING, Wolfgang: Wiedervereinigung der Künste. Skizzen zur Geschichte einer Idee.- In: SCHMIERER, Elisabeth u.a. (Hrsg.): Töne Farben Formen. Über Musik und die bildenden Künste.- Laaber: Laaber Verlag, 1995, S. 121 118
Vgl. PHILIPP 1995, S. 16 119
PHILIPP 1995, S. 16 120
Vgl. ENSER 2011, S. 74
47
In der 1921 entstandenen Fuge in Rot setzte Paul Klee, der sich sein Leben lang
mit Musik beschäftigte (im Besonderen mit Bach und Mozart) und selbst Musiker
war, die musikalische Form der Fuge bildnerisch um. Seine Intention war sicher
nicht, eine Fuge grafisch zu notieren, sondern vielmehr der Versuch, die
Zeitlichkeit der Musik sichtbar werden zu lassen. Durch die schwebenden
aquarellen Farbformen ist eine Bewegung von links nach rechts im Bild
erkennbar. Die nacheinander folgenden Einsätze sind zur gleichen Zeit im Bild
sichtbar.121 Die Formen wiederholen sich und ändern sich dabei in ihrer Farbe
und Größe.
Durch diese bewegten Formen ist der Zusammenhang zur musikalischen Form
der Fuge erklärbar. Charakteristisch für die Fuge sind Wiederholungen und ihre
polyphone Mehrstimmigkeit. Ein melodisches Motiv wird zeitlich versetzt in
unterschiedlichen Höhen imitiert. Bis die zweite Melodielinie einsetzt, hat sich die
erste Melodielinie schon verändert. Beide Linien funktionieren selbstständig und
spielen doch harmonisch zusammen und sind miteinander verbunden. Sprachlich
stammt das Wort „Fuge“ von fugere (flüchten) oder von fugare (jemanden in die
Flucht schlagen) ab.122
Polyphonie ist in mehreren Werken Klees ein Thema. So bezeichnet er
mehrschichtiges Geschehen im Bild als Polyphonie. Er versteht diesen Begriff in
seiner Kunst nicht nur als Darstellung unterschiedlicher, rhythmisierter Linien
(Stimmen), sondern auch als abwechselnde, unterschiedlich intensive Flächen.
Wie auch in der Fuge in Rot drückt Klee diese Polyphonie in Farbwechsel und in
Abstufungen von Helligkeit aus.123
Besonders in der Kompositionsform der Fuge ist eine strukturelle Gliederung klar
zu erkennen, die Klee als weiteres Verbindungsglied zwischen den beiden
Künsten sah. Aber auch den Rhythmus sah Klee als wichtige Brücke, der es
vermag, die zeitliche Bewegung in Musik und Bildender Kunst hervorzuheben.124
Rhythmus in Bildern ergibt sich durch das Verhältnis zwischen Formen und
121
Vgl. BOVEY-STEINER, Ursula: Paul Klee und die Musik. Online im Internet. URL: http://www.epta.ch/files/2006_bern_bovey.pdf, S.4 [Stand 08-09-2019] 122
Vgl. MÜHLETHALER, Manuela: Paul Klee. Die abstrakte Dimension. Online im Internet. URL: http://textweide.ch/bildbeschreibung-fuge-in-rot-192169/ [Stand 08-09-2019] 123
Vgl. WEBER, Horst: Ein Konzert auf dem Zweig: Über Klee und die Musik. In: SCHMIERER, Elisabeth u.a. (Hrsg.): Töne Farben Formen. Über Musik und die bildenden Künste.- Laaber: Laaber Verlag, 1995, S. 162f 124
Vgl. JEWANSKI, Jörg: Fuge in Rot. Online im Internet. URL: http://www.see-this-sound.at/werke/133.html [Stand 08-09-2019]
48
Farben. Der Rhythmus in der Musik entsteht durch die Abfolge von verschieden
lang klingenden Tönen und Pausen. Rhythmus strukturiert, auch wenn dieser in
Bild und Musik gleichmäßig oder ungleichmäßig sein kann.125
In Klees Schaffen finden sich etliche Werke mit rhythmischen Landschaften und
Farbfeldern. Dass Rhythmus nicht nur ein Begriff der Musik ist, beschreibt er so:
„Wir können den Rhythmus mit drei Sinnen zugleich wahrnehmen: 1.) ihn
hören 2.) sehen 3.) in unseren Muskeln fühlen, das gibt seiner Wirkung auf
unsern ganzen Organismus die Macht.“126
4.5.2. Bilder verweisen auf Musik in einem
musikpädagogischen Kontext
Bilder, die musikalische Prinzipien enthalten, eignen sich gut für die Vertonung
und das Erarbeiten von theoretischem Wissen. So kann Paul Klees Fuge in Rot
Anlass sein, um musikalische Wesenszüge zu formulieren und Charakteristika der
Fuge herauszufinden. Bei der Ermittlung der Fugencharakteristika kann wieder der
Bezug zum Bild hilfreich sein, zum Beispiel kann Flucht im Bild durch den
Farbverlauf der Formen gesehen werden, die Hellen fliehen vor den Dunklen.
Erarbeitete Fugenprinzipien wie Imitation, Kontrapunkt, Verarbeitung, Einsatz von
Themen und Antwort können Bildelementen zugeordnet werden und anregend
wirken, um sie in die eigene Vertonung miteinzubauen.127
125
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 31ff 126
KLEE, Paul (o.J.) zit. n. SCHILLMÖLLER 2016, S. 34 127
Vgl. SCHILLMÖLLER 2017, S. 75ff
49
4.6. Musik-Bild-Konzeptionen
Der Entstehungsprozess von Musik und Bild (oder oft auch Skulpturen) passiert
dabei zur gleichen Zeit und steht in entsprechender Abhängigkeit zueinander.
Klanginstallationen, aber auch manchmal Filmmusik oder Musikvideos, können zu
diesem Bereich gezählt werden.128 Auch Performances, Formen des Musiktheaters,
Tanzperformances, Musicals oder Opern können dazu zählen.129
4.7. Grafische Notation
Eine eindeutige Abgrenzung zwischen Musik und Bild löst sich in grafischer Notation
auf. Diese Rezeptionsform kann je nach Entstehungsprozess einem der oben
genannten Bereiche zugeordnet werden, zum Beispiel Verbildlichungen von
klanglichen Ereignissen (Bild nach Musik), Hörpartitur (Bild nach Musik), graphisch-
bildnerische Rezeptionsnotationen als Ausgangspunkt (Musik nach Bildern).130
Unter grafischer Notation werden allerdings vorwiegend grafische Aufzeichnungen
als Spielanweisung verstanden, also grafische Zeichen, die als Impuls für Musik
dienen und ist somit Punkt 4.1. Musik nach Bildern (S. 34) zuzuordnen.131
Diese Form der Verbindung findet auch Anklang im Instrumentalunterricht.
128
Vgl. ENSER 2011, S. 74 129
Vgl. SCHILLMÖLLER 2016, S. 17 130
Vgl. ENSER 2011, S. 75 131 Vgl. ADAM 2000, S. 53f
50
5. Die Caprichos von Goya als Inspirationsquelle in der
Musik
Das nächste Kapitel befasst sich mit der Grundlage des bereits erwähnten
interdisziplinären Projekts dem Bildzyklus „Caprichos“ von Francisco de Goya. Zuerst
werden der Künstler und sein Einfluss auf die Musik generell behandelt, bevor im
Speziellen auf die Caprichos, ihre Entstehung und ihren Inhalt genauer eingegangen
wird. Ein eigener Unterpunkt wurde den Kompositionen von Mario Castelnuovo-
Tedesco zu den Caprichos gewidmet, da diese auch Gegenstand des Projekts
wurden.
5.1. Francisco de Goya
Francisco José de Goya y Lucientes (1746-1828), spanischer Maler und Zeichner,
zählt zu den bedeutendsten Künstlern der europäischen Kunstgeschichte.132 Zu
Lebzeiten ist er Maler am königlichen Hof, Porträtist und Ehrenmitglied der Akademie
der Künste.133
Heute ist er Repräsentant der Kunst des 18. Jahrhunderts. Aber nicht nur wegen
seiner Werke selbst ist er bis heute noch präsent im Kunstsektor, sondern auch
durch seinen großen Einfluss auf andere Disziplinen wie Literatur, Film und Musik.134
Vor allem für Künstler in Diktaturen ist Goya eine Identifikationsfigur, die Kritik am
herrschenden System ausgeübt hat.135
Mit 27 Jahren heiratet er die Schwester eines angesehenen Künstlers zu Hofe. Durch
seinen Schwager kommt er zu einer Stelle in der königlichen Teppichmanufaktur.
Darauffolgend bekommt er Aufträge von namhaften Familien und Fürsten. Es spricht
sich herum, dass Goya durch sein Gespür für Farben und seine geschickte
Pinselführung besonders lebensgetreue Portraits schafft.
Goya ist dem Denken seiner Zeit voraus. In der Zeit, in der Ratio als treibende Kraft
gelehrt wird, beschäftigt sich Goya mit den Schattenseiten der Vernunft und stellt
diese in seinen Bildern in Frage. Dennoch nimmt er keine klare politische Stellung
132
Vgl. HENNIGFELD S. 7-13 133
Vgl. PIOCH, Jochen: Francisco de Goya. Die Caprichos.- In: Geo Epoche Edition: Die Kunst der Romantik. Europas Maler im Zeitalter der Sehnsucht 1790-1860.- Hamburg: Gruner, 2014, S. 32 134
Vgl. HENNIGFELD 2013, S. 7-13 135
Vgl. HENNIGFELD 2013, S. 7-13
51
ein. Dieser Widerspruch wird auch sichtbar in seiner Karriere. So gehörte er als
königlicher Hofmaler auch gewissermaßen zur Elite. Er bezieht ein gutes Gehalt,
indem er Aufträge vom Adel annimmt, königliche Familien porträtiert und Fresken
und Heiligenbilder für Kirchen malt. Nebenbei fertigt er jene Kunstwerke an, die ohne
Auftrag entstehen. Diese werden zu Zeiten der Revolution und nach seiner
Ertaubung immer grotesker und verstörender.
1824, als sich die politische Lage in Spanien nicht bessert, zieht es Goya nach
Frankreich, um sich der Inquisition zu entziehen. Vier Jahre lebt er in Bordeaux, bis
er den Folgen einer schweren Krankheit erliegt.136
Gorka Hermosa, spanischer Akkordeonist und Komponist, der sich durch Goya
inspirieren ließ, schreibt über ihn:
Goya es uno de los pintores que más admiro por muchas razones. Fue un
adelantado a su época y tenía una tenacidad y una coherencia admirables. Su
pintura desborda personalidad, fuerza, sutileza, grandeza de miras …
Goya ist einer derjenigen Maler, die ich aus zahlreichen Gründen am meisten
bewundere. Er war in seiner Zeit ein Fortschrittlicher, hatte eine bewundernswerte
Hartnäckigkeit und Kohärenz. Seine Malerei verströmt Persönlichkeit, Kraft,
Subtilität, Größe des Blicks …137
5.2. Goya in der Musik
Im 19. Jahrhundert kam das Komponieren zu Bildern auf, wie in Kapitel 4.1. Musik
nach Bildern (S. 34) beschrieben. Zu Goyas Bildern wurde allerdings erst im 20.
Jahrhundert komponiert. Eines der ersten dieser Stücke Goyescas - Los majos
enamorados entstand 1911 von dem spanischen Komponisten Enrique Granados
geschrieben. Fünf Jahre später wandelte Granados die sechssätzige Suite für Klavier
zu einer Niederschrift von Fernando Periquet zu einer Oper namens Goyesca um.138
136
Vgl. PIOCH 2014, S. 32-35 137
JACOBS 2013, S. 265 138
Vgl. JACOBS 2013, S. 255-265
52
In dem Artikel „El sueño de la razón produce composiciones – Kompositionen nach
Francisco de Goya“ von Lukas Christensen ist eine Auflistung aller bisher bekannten
Kompositionen nach Goya ersichtlich. Auch wenn dieses Verzeichnis keiner
Vollständigkeit nachkommen kann, zeigt es, wie viele Komponist*innen Goya
inspirieren konnte. Bis 2013 wurden 120 Goya-inspirierte Werke gefunden.139 Unter
Punkt 5.3.3. (S. 55) wurden einzelne Werke daraus angeführt.
5.3. Die Caprichos
Unumstritten sind die 1799 veröffentlichten Caprichos, eine Folge von 80
Radierungen, eine der wichtigsten Arbeiten von Goya.140
Der Komponist Claes J. Biels schrieb 2007 das Stück Dämonenflug - Nachtstück für
Akkordeon zu Goyas Capricho 64. Er beschrieb die Faszination an den Caprichos
von Goya so:141
„Ganz grundsätzlich einmal fasziniert mich bei Goya der ausgeprägte
Personalstil, der sowohl in Goyas Technik als auch Ästhetik zum Ausdruck
kommt. Stark individuelle künstlerische Ausdrucksformen sind für mich (nicht
nur als Komponist) von großem Interesse; bei Goyas Caprichos ist es vor
allem sein Sinn für das Makabre, der mich anspricht. Dieses Makabre ist oft
sehr feinsinnig umgesetzt, so dass eine subtile, jedoch prägnante Atmosphäre
geschaffen wird.“142
139
Vgl. CHRISTENSEN, Lukas: El sueño de la razón produce composiciones – Kompositionen nach Francisco de Goya. In: HENNIGFELD 2013, S. 289-299 140
Vgl. JACOBS, Helmut C.: Der Schlaf der Vernunft. Goyas Capricho 43 in Bildkunst, Literatur und Musik.- Basel: Schwabe Verlag, 2006, S.13 141
JACOBS, Helmut C.: Claes J.Biehls Dämenflug und Gorka Hermosas Capricho 43 – Goyas Caprichos als Inspirationsquelle zweier aktueller Kompositionen für Akkordeon. In: HENNIGFELD 2013, S. 255-265 142
CLAES B. Präsentation und Interview mit dem Komponisten. In: Akkordeon Magazin Nr. 1 (Februar/März) 2011 zit. n. JACOBS 2013, S. 258
53
In etwa die Hälfte der Kompositionen
zu Goyas Bildern sind angelehnt an die
Caprichos, von denen auf Capricho 43
am meisten Bezug genommen wird.143
Dieser Radierung wurde zu Zeiten
Goyas nicht mehr Aufmerksamkeit
geschenkt als den anderen 79 Blättern
der Sammlung. Erst im Laufe des 20.
Jahrhunderts wurde ihr mehr
Beachtung entgegengebracht.
Ursprünglich sollte Nummer 43 mit dem
Titel El sueño de la razón produce
monstruos (Der Schlaf der Vernunft
gebiert Ungeheuer) das Titelblatt der
Serie werden, welches die Position
eines Künstlers in Spanien zu Goyas
Lebzeiten widerspiegeln soll.144
Das Wort sueño, das im Spanischen für
Schlaf und Traum steht, macht es
schwierig eine eindeutige Botschaft
dahinter zu entschlüsseln. Die Frage, die sich im Blatt Nummer 43 ergibt, ist, ob die
Vernunft schläft und in diesem Moment die Schreckenswesen auftauchen oder ob
diese Monster im Traum entstanden sind.
Es wird vermutet, dass der schlafende Mann des Bildes der Künstler selbst ist, was
wiederum bedeuten könnte, dass sich Goya damit auch einer gewissen Selbstkritik
stellt.145
5.3.1. Entstehungsgeschichte der Caprichos
Goyas Leben erlitt im Jänner 1793 einen starken Einschnitt, als er nach schwerer
Krankheit völlig ertaubt. Drei Jahre später fährt er nach Sanlúcar, wo er für
143
Vgl. JACOBS 2013, S. 255-265 144
Vgl. JACOBS 2013, S. 277 145
Vgl. PIOCH 2014, S. 34f
Abbildung 10: Capricho Nr. 43 „El sueño de la
razón produce monstruos“
54
längere Zeit bleibt. Das Album von Sanlúcar, das erste Skizzenbuch, enthält
sowie das auf der Reise nach Andalusien entstandene Madrider Skizzenbuch
erste zeichnerische Entwürfe für die Caprichos. Etliche Motive werden darin
angekündigt. Wahrscheinlich fängt Goya 1796 oder bereits Ende 1795 an, an
diesen Radierungen zu arbeiten. Zunächst soll die Sammlung unter dem Titel
Sueños (Träume) stehen, Goya weicht allerdings wieder davon ab. Jedoch tragen
einzelne Entwürfe noch den Titel Sueño. Die Version des Zyklus von 1797
beinhaltet nur 72 Blätter mit anderer Reihenfolge. Goya entscheidet sich
dagegen, die Sammlung zu diesem Zeitpunkt bereits zu veröffentlichen und
publiziert sie schließlich im Februar 1799 unter dem Namen Caprichos, mit einer
ersten Auflage von 267 Exemplaren.146 Er annonciert sein Werk in zwei Madrider
Zeitungen, in denen er sie als „Formen und Gebärden“ präsentiert, die bis jetzt
nur „Existenz im Geiste gefunden haben“.147 Auch betont er darin, dass er
jegliche Arbeitsschritte von der Idee bis zum Druck selbst getätigt hat. Der
Verkauf wird wegen der Intervention der Inquisition bereits wenige Tage später
verboten. Erst 1803, durch einen Briefwechsel zwischen Goya und dem Minister
Miguel Cayetano Soler belegt, übergibt er 240 Drucke samt Druckplatten dem
König, der sie schließlich öffentlich verkauft.148
5.3.2. Inhalt und Einteilung der Caprichos
Betrachtet man den satirisch-sozialkritischen Inhalt der Caprichos, so erscheint
der gewählte Titel eher verharmlosend und beschwichtigend. Er verwandelt die
Gattung Capricho mithilfe seiner Fantasie zum mehrdeutigen Ausdrucksmittel.149
Der Begriff Capricho, der im spanischen für „Launen“ steht, weicht bei Goya ab
von dem, was bisher bekannt war unter einem Capricho. Der Zyklus spiegelt eine
Gesellschaft wider, die von Missständen, Eigennutz und Betrug geprägt ist. Auf
den Bildern sind Adelige, Mönche und Richter zu sehen, aber auch Ausgestoßene
und Prostituierte, der Ausdruck der Gesichter ist meist angsterfüllt und
schmerzverzerrt. Fantastisch werden die Bilder durch die etlichen Monster und
Fabelwesen, die auch darin vorkommen.
146
Vgl. JACOBS 2006, S. 23ff 147
Vgl. PIOCH 2014, S. 34 148
Vgl. JACOBS 2006, S. 23ff 149
Vgl. JACOBS 2006, S. 303
55
Wie der Titel Caprichos sind auch die Inschriften eines jeden Blattes provokativ,
sarkastisch, anklagend und oft unerwartet. Ihre Bedeutung, sowie die Botschaften
der Abbildungen selbst sind in mehrfacher Weise zu deuten und lassen
Interpretationsspielraum.150
Einteilen lässt sich die Abfolge der 80 Blätter in zwei Teile: Der erste Teil,
bestehend aus 36 Drucken, behandelt gesellschaftskritische Themen: „ (…) das
Verhältnis von Mann und Frau, die Kindererziehung, Mißbräuche und
Fehlverhalten wie Eitelkeit und Bestechlichkeit.“ 151 Auf den Caprichos 37 bis 42,
die noch zum ersten Teil zählen, wird allgemein verbreitete Dummheit kritisiert, die
Goya in Form von Eselsdarstellungen äußert. Besonders die Arroganz und der
Müßiggang des Adels, ohne positiven Effekt auf die restliche Gesellschaft, werden
angeklagt.
Die Blätter 44 bis 80, der zweite Teil der Caprichos, bilden Hexen, Dämonen und
Gespenster ab. Hier wird das Thema der Träume erneut aufgegriffen. Das
populärste Blatt Nummer 43 hat innerhalb des Zyklus eine wichtige Position, in der
es den Übergang der Eselsdarstellungen zu den fantasiereichen Traumbildern
schafft.152
5.3.3. 24 Caprichos de Goya von Mario Castelnuovo-Tedesco
Zu den berühmtesten Werken, die zu Goyas Bildern geschrieben wurden, zählen
Los Caprichos. Fantasia per orchestra von Hans Werner Henze, 1963, oder El
sueño de la razón produce monstruos von Michael Denhoff, für Violoncello und
Klavier op. 32. Nicht zuletzt gehört auch das Werk für Sologitarre, die 24
Caprichos de Goya op. 195 von Mario Castelnuovo-Tedesco dazu.153
Mario Castelnuovo-Tedesco wird 1895 in Florenz geboren, studiert dort und später
in Bologna Komposition und Klavier. Sein Interesse für Gitarre zu schreiben
beginnt, als er 1932 bei dem Venice International Festival den spanischen
Gitarristen Andrés Segovia kennenlernt. Die Verbindung zu dem Gitarristen ist der
Anstoß für die vielen Werke, die Castelnuovo-Tedesco für Gitarre schreibt. Über
150
Vgl. PIOCH 2014, S. 32-35 151
JACOBS 2006, S. 25 152
Vgl. JACOBS 2006, S. 24f 153
Vgl. JACOBS 2013, S. 255
56
100 Werke schreibt er für das Instrument, davon Konzerte, Kammermusik, viele
Solostücke und einige Duos. 1939 emigriert der italienische Komponist nach
Kalifornien, Beverly Hills, wo 1961 neben Filmmusik und vielen Konzertwerken die
Solostücke zu Goyas Bildern entstehen.154
In dieser Suite nimmt der italienische Komponist Bezug auf 23 der 80 Caprichos,
dazu kommt das unveröffentlichte Blatt Sueño de la mentira y la inconstancia
(Traum von der Lüge und der Unbeständigkeit). Geschrieben hat Castelnuovo-
Tedesco das Werk zwischen 25. Jänner und 18. März 1961. Veröffentlicht wurde
es allerdings erst nach seinem Tod im Jahre 1970.
Gegliedert ist das Werk in vier Teile, zu je sechs Stücken. Auch dem
berühmtesten Blatt Nummer 43 kommt ein Stück zu. Es bildet als 18. Satz das
Ende des dritten Teils. Das Stück mit dem gleichnamigen Titel des Bildes, setzte
Castelnuovo-Tedesco in Form einer Chaconne mit fünf Variationen und Coda um.
Die Wahl der strengen, anspruchsvollen Form ist auf das Motiv der Vernunft
zurückzuführen. Der Satz beginnt zunächst in Thema und den ersten beiden
Variationen friedvoll und wird dramatischer ab Variation drei. Die Unruhe der
Traumvision steigert sich bis hin zur fünften Variation und erst am Schluss kehrt er
wieder zur anfänglichen Ruhe zurück.155
Im Folgenden werden Castelnuovo-Tedescos Auswahl sowie die Anordnung der
Blätter mit Titel und englischer Übersetzung aufgelistet:
154
Vgl. WADE, Graham.- In: ZORAN, Dukic: Mario Castelnuovo-Tedesco. 24 Caprichos de Goya, Op. 195, Deutschland: Naxos, 2009 (CD 8.572252-53), S. 3 155
Vgl. JACOBS 2006, S. 573f
57
Abbildung 11:
1. Satz
Francisco Goya y Lucientes,
Pintor (Francisco Goya y
Lucientes, Painter) Blatt Nr.1
Abbildung 12:
2. Satz
Tal para qual (Two of a kind)
Blatt Nr. 5
Abbildung 13:
3. Satz
Nadie se conoce (Nobody
knows himself) Blatt Nr. 6
Abbildung 14:
4. Satz
Ni asi la distingue (Even so he
cannot make her out) Blatt Nr.
7
Abbildung 15:
5. Satz
Muchachos al avío (The boys
getting ready) Blatt Nr. 11
Abbildung 16:
6. Satz
El amor y la muerte (Love and
death) Blatt Nr. 10
Abbildung 17:
7. Satz
Estan calientes (They are hot)
Blatt Nr. 13
Abbildung 18:
8. Satz
Dios la perdone: Y era su madre (God forgive her: and it was her mother) Blatt Nr. 16
Abbildung 19:
9. Satz
Bien tirada está (It is nicely stretched) Blatt Nr. 17
Abbildung 20:
10. Satz
Al Conde Palatino (To the Count Palatine) Blatt Nr. 33
Abbildung 21:
11. Satz
Y se le quema la casa (And he’s burning down the house)
Blatt Nr. 18
Abbildung 22:
12. Satz
No hubo remedio (Nothing could be done about it) Blatt
Nr. 24
58
Abbildung 23:
13. Satz
¿Quién más rendido? (Which of them is more
overwhelmed?) Blatt Nr. 27
Abbildung 24:
14. Satz
Porque fue sensible (Because she was sensitive) Blatt Nr. 32
Abbildung 25:
15. Satz
¿Si sabrá más el discipulo? (Perhaps the pupil knows
better?) Blatt Nr. 37
Abbildung 26:
16. Satz
¡Brabísimo! (Bravissimo!)
Blatt Nr. 38
Abbildung 27:
17. Satz
¿De que mal morira? (Of what
will he die?) Blatt Nr. 40
Abbildung 28:
18. Satz
El sueño de la razón produce monstruos (The sleep oft he reason produces monsters)
Blatt Nr. 43
Abbildung 29:
19. Satz
Hilan delgado (They spin
finely) Blatt Nr. 44
Abbildung 30:
20. Satz
Obsequio a el maestro (Gift to
the master) Blatt Nr. 47
Abbildung 31:
21. Satz
¡Qué pico de oro! (What a
golden beak!) Blatt Nr. 53
Abbildung 32:
22. Satz
Volaverunt (Off they flew)
Blatt Nr. 61
Abbildung 33:
23. Satz
¡Linda maestra! (Pretty
teacher) Blatt Nr. 68
Abbildung 34:
24. Satz
Sueño de la mentira y inconstancia (Dream of lying
and inconstancy)156
156
WADE 2009, S. 4-27
59
5.3.4. Caprichos Goyescos - Kompositionsauftrag
Die Caprichos Goyescos sind Kompositionen für Gitarre solo, die aufgrund einer
Ausstellung der Caprichos von Goya in der Staatsgalerie Stuttgart seit 2003
entstehen. Die Idee war, im Zuge der Ausstellung ein Konzert zu veranstalten, in
dem Stücke mit Bezug auf die Radierungen von Goya gespielt werden. Dazu
wurde der deutsche Gitarrist und Würzburger Hochschulprofessor Jürgen Ruck
eingeladen, der den Vorschlag auf bereits vorhandene Kompositionen
zurückzugreifen als künstlerisch wenig interessant empfand. Selbst die 24
Kompositionen von Mario Castelnuovo-Tedesco erfüllten nicht den gewünschten
Effekt, die Aktualität und Radikalität in Goyas Bildern darzustellen. So kam es
durch die Anregungen von Jürgen Ruck zu dem offenen Auftrag, neue Stücke zu
den Caprichos zu komponieren. Diese Kompositionen für akustische Gitarre solo
sollten zwischen einer bis drei Minuten lang sein und auf eine der 80 Radierungen
der Caprichos Bezug nehmen. Welche der Radierungen ausgewählt wurden,
stand den Komponist*innen frei.
Die Zweifel, ob das kleine Format der Sologitarre den Herausforderungen der
Caprichos gewachsen sei, verflüchtigten sich rasch durch die Einschätzung, dass
gerade durch die begrenzten Möglichkeiten des Instruments auf die Intensität und
Differenziertheit der Radierungen reagiert werden kann. Den Zuhörenden wird
somit ein konzentrierter, individueller Zugang ermöglicht.
Hans Werner Henze äußerte sich über die bedeutende Rolle der Gitarre für ein
aktives Zuhören wie folgt: 157
„die gitarre, die so sehr zu unserer weit zurückliegenden vergangenheit
gehört, zu unserer geschichte, ein „wissendes“ instrument voller limiten, aber
auch voller ungekannter weiten und tiefen, verfügt über einen klanglichen
reichtum, der alles zu umfassen vermag, was ein modernes instrumentarium
besitzt, man muß nur, um das bemerken zu können, in die stille kommen,
warten, und den lärm gründlich ausschließen.“158
157
Vgl. EWERT, Hansjörg/RUCK, Jörg: Caprichos Goyescos – Kompositorische Bezugnahmen auf Radierungen von Goya- In: CHRISTENSEN, Lukas/FINK, Monika (Hrsg.): Wie Bilder klingen. Tagungsband zum Sypmosium Musik nach Bildern.- Innsbruck/Wien: Lit Verlag, 2012, 2.Auflage, S. 195f 158
EWERT/RUCK 2012, S. 196
60
Mit der Gitarre ist eine Verbindung zu Goyas Lebenswelt hergestellt, historisch
sowie lokal. Die Gitarre kommt in verschiedenen Weisen in seinen Werken vor.
Ihre Eigenart und Besonderheit liegt in dem Offenhalten der Grenzen zwischen
hochkomplexer Kunst und volksnaher Musizierpraxis sowie ästhetischem und
politischem Statement – was wiederum die Verbindung zwischen dem Instrument
und der Druckgrafik schafft.
Das Konzert, in dem Jürgen Ruck 15 neue Kompositionen von 15
Komponist*innen uraufführte, übertraf alle Erwartungen. Die Scans der
dazugehörigen Radierungen wurden jeweils zu dem Stück projiziert. Durch dieses
und weitere Konzerte, wie auch durch eine erste CD-Aufnahme inspiriert,
entstanden insgesamt 44 Kompositionen von 21 Komponist*innen zu 26
verschiedenen Radierungen.159
In etwa die Hälfte der Musikstücke zu Goyas Bildern ist für Gitarre komponiert
worden. Dies geht sicherlich auf das von Ruck initiierte Projekt zurück, das nach
wie vor „work in progress“ darstellt.160
159
Vgl. EWERT/RUCK 2012, S.197ff 160
Vgl. CHRISTENSEN 2013, S. 289f
61
6. Das Projekt
Im Zuge dieser Masterarbeit führte ich ein Projekt mit Schülerinnen durch, mit dem
Ziel, Musik sowie Bildende Kunst anhand der Caprichos von Goya zu vermitteln. Die
Intention des Projektes war, dass sich die Schülerinnen mit den Radierungen
beschäftigen und Visuelles in Auditives umwandeln. Die Bilder dienten als
Inspirationsquelle für Improvisation und sollten helfen, danach über das Improvisierte
zu sprechen. In einem zweiten Teil des Projektes erlebten die Schülerinnen den
umgekehrten Prozess, bei dem sie sich zu ausgewählten Caprichos Goyescos von
Castelnuovo-Tedesco zum Bildnerisch-tätig-Werden anregen lassen sollten, also
Auditives zu Visuellem wurde.
Der Workshop wurde mit ausgewählten Instrumentalgruppen der Bildungsanstalt für
Elementarpädagogik (BAfEP) der Kreuzschwestern Linz durchgeführt, in der ich seit
fünf Jahren als Gitarrenlehrerin tätig bin. Die Gruppen setzten sich aus Mädchen des
zweiten und dritten Jahrgangs im Alter von 16 bis 18 Jahren zu je vier oder fünf
Schülerinnen zusammen.
Mit diesem Projekt wollte ich eine Brücke zwischen dem theoretischen Stand meiner
Forschungen und meiner praktischen Arbeit als Instrumentalpädagogin schaffen. Es
war mir ein Anliegen, Chancen interdisziplinärer Verbindungen zwischen Musik und
Bildender Kunst praktisch auszuprobieren und diese in einen pädagogischen Kontext
zu setzen.
Das Projekt bestand aus drei Teilen: Der erste Teil beschäftigte sich mit dem aktiven
Musizieren und vor allem Improvisieren der Schülerinnen zu den Radierungen von
Goya. Dabei habe ich versucht, den Schülerinnen verschiedene Herangehensweisen
und Impulse anzubieten. Der darauffolgende Teil setzte sich mit den 24 Caprichos de
Goya op. 195 von Mario Castelnuovo-Tedesco auseinander und zielte auf das
Sprechen über Musik ab. Im letzten Teil des Projekts wurde der Fokus auf das
eigene Gestalten gelegt. Die Schülerinnen kreierten selber Bilder zu den
Kompositionen von Castelnuovo-Tedesco.
Nachfolgend werden die einzelnen Projektphasen detaillierter beschrieben und ihre
Feinziele und Ergebnisse erläutert.
62
6.1. Phase 1: Spontanimprovisation
Zu Projektbeginn bekamen die Schülerinnen die 24 Radierungen, die auch Mario
Castelnuovo-Tedesco für seine 24 Kompositionen nach Goya als Inspiration
verwendet hat (siehe 5.3.3. 24 Caprichos de Goya von Mario Castelnuovo-
Tedesco, S.55). Sie sollten sich paarweise intuitiv für ein Bild daraus entscheiden
und dazu improvisieren. Die Auswahl des Bildes trafen sie rein auf das Bildliche
fokussiert, ohne zu wissen, was sie mit diesem Bild in Folge machen sollen. In dieser
ersten Runde gab es keine Vorgaben oder Einschränkungen. Das Ziel war es, ihre
spontanen Einfälle und Assoziationen zu dem Bild auf der Gitarre umzusetzen.
Nach dieser ersten Improvisationsrunde bekamen die Schülerinnen
Hintergrundinformationen zum Künstler und zu seinem Werk. Wichtig bei dieser und
auch bei den folgenden Improvisationsphasen waren die anschließenden
Diskussionsrunden, in denen darüber gesprochen wurde, wie es den Schülerinnen
bei den einzelnen Aufgaben ergangen war. Welche Herausforderungen die Aufgaben
für sie stellten, was einfach und was schwer umzusetzen war und wie zufrieden sie
mit dem Ergebnis waren.
Interessant war, dass in dieser Runde das Ergebnis aller Paare zirka zwischen 50
Sekunden und einer Minute lang war. Das Aussuchen eines Bildes fiel den Paaren
nicht schwer. Festzustellen war dabei, dass tendenziell ähnliche Bilder oder oft auch
die gleichen Bilder ausgewählt wurden. Bilder mit Eselsdarstellungen wurden nicht
ausgewählt. Mehrfach wurde Capricho Nr. 53 „¡Qué pico de oro!“ verwendet, das
auch in späteren Phasen sehr beliebt war. Auf diesem Bild sieht es so aus, als würde
ein Papagei, der auf einer Erhöhung sitzt, zu den vor ihm knienden Menschen
sprechen. Die Gesichter der abgebildeten Personen wirken gequält und
schmerzverzerrt. Ein Mann hat die Hände flehend zusammengeschlagen und in
Richtung des Vogels gerichtet (siehe Abb. 31, S. 58 und Abb. 48, S. 77). Öfter
ausgewählt wurde auch das Selbstportrait Goyas, Capricho Nr. 1. Weitere
ausgewählte Radierungen waren: Nadie se conoce Nr. 6, Ni asi la distingue Nr. 7,
Porque fue sensible Nr. 32.
63
Abbildung 35: Blatt Nr.1, Goyas Selbstportrait am
Anfang des Zyklus
Abbildung 36: Blatt Nr. 6
Abbildung 37: Blatt Nr. 7
Abbildung 38: Blatt Nr. 32
Als schwieriger empfanden es die Schülerinnen, in kurzer Zeit etwas auf der Gitarre
zu erfinden, ohne konkrete Vorgaben zu haben. Bei einigen kam Schamgefühl auf,
das sich bei der Präsentation in Kichern äußerte, andere warfen mir verunsicherte
Blicke zu. Die Aufgabe lockte die Schülerinnen ein wenig aus ihrer Komfortzone.
Bereits vor dem Projekt waren meine Beobachtungen im Instrumentalunterricht, dass
Improvisation anfänglich oft mit einer gewissen Hemmschwelle verbunden ist. Es ist
für viele ein ungewohntes Gefühl, nichts falsch machen und den Freiraum genießen
zu können. Dafür muss diese Schwelle überwunden werden. Als Feedback kamen
Äußerungen wie: „Ich war mir nicht sicher, ob das richtig war, was ich gespielt habe.“
Dabei sei auch erwähnt, dass die teilnehmenden Schülerinnengruppen noch wenige
Berührungspunkte mit freier Improvisation hatten. Ohne jegliche Vorgaben „drauf
loszuspielen“ war für sie etwas Neues. Erfahrungen mit Improvisation, die sie bereits
mitbrachten, waren Melodien mit der Pentatonik oder mit ihnen vertrauten und auf
der Gitarre gut umsetzbaren Tonarten (wie G-, C-, D-, F-Dur) zu erfinden.
Um den Schülerinnen Anhaltspunkte zu geben, wurden anschließend
Improvisationstools auf der Gitarre besprochen, die ihnen zur Verfügung stehen.
Folgende Einfälle kamen von den Mitwirkenden:
- tonale Improvisation: Akkorde (Schlagmuster, Zerlegungen), Melodien
erfinden in I., II., V. und VII. Lage (mit Pentatonik, Durtonleiter)
- atonales Tonmaterial: einzelne Töne, Melodien ohne direkten
harmonischen Zusammenhang
64
- Gitarrenpercussion
- Flageoletttöne
- Geräusche wie etwa: über die Saiten streichen (quer oder der Länge
nach), mit dem Fingernagel an den Saiten „kratzen“, mit der Handfläche
über die Decke wischen
Nach dem Sammeln von Ausdrucksmöglichkeiten auf der Gitarre starteten wir eine
zweite Runde einer Spontanimprovisation. Diesmal sollten die Schülerinnen als
Gesamtgruppe zu je fünf Personen ein Bild auswählen und ohne sich vorher
abzusprechen improvisieren.
Manche Gruppen entschieden sich für ein neues Bild, andere hingegen verwendeten
das Bild, das sie bereits zuvor in der Paarsituation hatten. Das Ergebnis war bei allen
Gruppen tendenziell länger als die Improvisation jeweils zu zweit. Das musikalisch
verwendete Material wirkte durch den Einbau von Percussionelementen und von auf
der Gitarre erzeugten Geräuschen bereits facettenreicher. Diese Improvisationsrunde
wurde von den Schülerinnen als angenehmer beschrieben. Sie konnten bereits auf
Ideen der vorherigen Runde zurückgreifen und auf die Einfälle und Motive mehrerer
Mitspielerinnen reagieren.
6.2. Phase 2: Visuelles wird zu Klang
Das nächste Ziel war, bildnerische, visuelle Parameter aus den Radierungen
herauszufiltern und diese klanglichen Möglichkeiten zuzuordnen. Von der Frage
geleitet, was die Schülerinnen grafisch in den Bildern sehen, betrachteten wir
gemeinsam die Radierungen. Die Schülerinnen sammelten Begriffe, die sie aus den
Bildern herauslesen konnten. Zu den einzelnen Begriffen probierten sie anschließend
auf der Gitarre aus, welche Klangvorstellung dieser Begriff in ihnen auslöste. Sie
spielten sich die unterschiedlichen Zuweisungen auf der Gitarre gegenseitig vor und
brachten diese anschließend zu Papier.
65
Nachfolgend sind hier die Ideen der verschiedenen Gruppen gesammelt:
Strich, gerade Linie mehrmaliges Anschlagen des gleichen Tones, mit dem
Finger gleichmäßig über die Saite streichen, Chromatik
geschwungene Linie Verzerren der Saite, Tonreihe, Akkordzerlegungen
Fläche Akkord, mit der Hand auf der Decke Kreise ziehen
hell hohe Töne, Dur
dunkel tiefe Töne, lange Notenwerte, Moll
grau Ghostnotes, Mollpentatonik, mittleres Register, undefinierte
atonale Melodien
schwarz Mollakkorde, Percussion, dunkler Klang, Basstöne
Punkt kurze Note, einzelner Ton, Flageolett, Ghostnotes
Schattierungen auf die Saiten klopfen, Akkorde mit sanfter
Schlagbegleitung
Auch in dieser Projektphase gab es nach dem anfänglichen Begriffe-Sammeln und
Experimentieren eine weitere Improvisation. Diesmal war es die Aufgabe, in der
Gruppe erneut ein Bild auszuwählen und sich visuelle Elemente wie oben genannt
herauszusuchen und zu vertonen. Als Gruppe sollte sozusagen ein klangliches
Gesamtbild entstehen.
Die Resultate dieses Durchgangs lassen sich als sehr „konkret“ beschreiben. Die
einzelnen Motive und Ideen der Schülerinnen sind auch bei späterem Anhören leicht
Abbildung 39: Schülerinnen ordnen Klänge zu visuellen Begriffen zu
Abbildung 40: Schülerinnen schreiben ihre Ideen auf
66
einem visuellen Begriff zuordenbar. Die Schülerinnen empfanden die
Aufgabenstellung weniger herausfordernd als jene zuvor. Der Anhaltspunkt, sich
Visuelles wie hell oder dunkel im Bild zu suchen, erleichterte die Umsetzung und gab
rasch musikalische Ideen. Allerdings meldeten die Schülerinnen auch zurück, dass
diese Anhaltspunkte einschränkten und sich die musikalischen Ideen für ein Stück
schneller erschöpften.
6.3. Phase 3: Storytelling
6.3.1. Charaktere
Vorbereitend für das Überlegen einer Hintergrundstory zu einem Bild wollte ich
zuerst den Fokus auf die Charaktere in den Bildern legen. Die Schülerinnen
gingen dafür paarweise zusammen, entschieden sich für ein Bild und sprachen
über die Charaktere, Menschen, Figuren, die auf dem Bild abgebildet waren.
Mit folgenden Fragen beschäftigten sie sich:
- Welchen Part spielt dieser Charakter in der Situation, die aus dem Bild
hervorgeht?
- Wie stehen die Charaktere zueinander?
- Was wissen die Charaktere und woran glauben sie?
- Welcher Charakter im Bild spricht mich am meisten an?
- Kann ich mich mit ihm identifizieren?161
Es kam auch vor, dass sich auf dem Bild nur ein Charakter befand oder die
Schülerinnen nur einen Charakter auswählten. Dann veränderten sich die eben
aufgelisteten Fragestellungen wie folgt:
- Welchen Part spielt dieser Charakter in der Situation, die aus dem Bild
hervorgeht?
- Was geht der Figur gerade durch den Kopf?
161
LÓPEZ-IBOR, Sofia: Blue is the Sea (2011) zit. n. VAUGHT, Michaela: Klang und Farbe. Kunstbetrachtung als Ausgangspunkt für Improvisation in Musik und Tanz. Skriptum zur Lehrveranstaltung: Modelle elementarer Musikpädagogik 02 (PMA) an der Anton Bruckner Privatuniversität Oberösterreich, 2017, S. 5f
67
- Wie ist ihre Stimmung?
- Spricht dich der Charakter im Bild an?
- Worauf legt der Charakter Wert?
- Was könnte der Charakter wissen oder woran glauben?
Nachdem jedes Paar diese Fragen diskutiert hatte, versuchten alle den Dialog
zwischen den ausgewählten Charakteren (oder die Stimmung eines einzelnen
Charakters) auf der Gitarre musikalisch darzustellen. Dafür bekamen die
Schülerinnen mehr Zeit als in den Runden zuvor, um sich zu besprechen und
gemeinsam auszuprobieren. Eckpunkte für ihr Stück wurden festgelegt.
Anschließend spielten sich die Paare ihr Stück gegenseitig vor. Erst nach dem
Vorspielen erklärten sie ihre Überlegungen dazu. In der Nachbesprechung
beschrieben die Schülerinnen die Herangehensweise als noch einfacher und
angenehmer, als mit visuellen Parametern zu arbeiten. Assoziationen und
Gedanken über die Charaktere und deren Stimmung fanden sie mühelos. Eine
Geschichte zu den Personen und Figuren ergab sich schnell.
Ein möglicher Erklärungsgrund könnte die bereits angesprochene Komfortzone
und die Konfrontation mit dem Unbekannten sein. Die Schülerinnen haben
aufgrund ihrer Ausbildung zur Kindergartenpädagogin Übung darin, Geschichten
zu Bildern zu erfinden und sich in andere hineinzuversetzen. Spontan zu einem
Abbildung 41 und Abbildung 42: Schülerinnen setzen Charaktere in den Bildern klanglich um
68
Bild auf einem Instrument frei zu improvisieren hingegen war, wie bereits erwähnt,
im zweiten und dritten Jahrgang etwas Neues.
6.3.2. Geschichten erfinden
In einem nächsten Schritt wollte ich vom Experimentierprozess und spontanen
Ausprobieren wegkommen hin zum Konzeptionieren eines Musikstückes zu den
Caprichos von Goya. Dazu bot es sich an, die mitwirkenden Schülerinnen eine
Geschichte zu den Bildern erfinden zu lassen. Das Musikstück sollte nach wie vor
gewisse Freiheiten bieten. Mit Konzeptionieren eines Musikstückes ist also nicht
Komponieren (und Aufschreiben) gemeint, sondern ein Rahmenplan, der die
Abfolge musikalischer Geschehnisse festlegt. Die Schülerinnen sollten
Klangelemente und deren Reihenfolge festlegen. Welche Spielerin kommt wann
an die Reihe, wie schaffen sie einen Spannungsbogen und welches
Notenmaterial wird verwendet. Melodien und Motive waren nach wie vor frei und
konnten auch spontan im Musiziermoment erfunden werden.
Wieder zurück in der Gesamtgruppe entschieden sie sich nun ein letztes Mal für
ein Bild. Gemeinsam verfassten sie unter Einbezug nachstehender Fragen eine
Geschichte:
- Was passiert in dem Bild?
- Erzähle die Geschichte, die du auf dem Bild siehst.
- Welche Rolle spielen die abgebildeten Charaktere in der Geschichte?
- Wie verändert sich das Bild, wenn du am Anfang, in der Mitte oder am Ende
der Geschichte bist?
- Welchen Titel würdest du dem Bild geben?162
Erst als das Gerüst der Geschichte feststand, sprachen wir über den jeweiligen
Titel des Bildes mit der verbundenen Frage: „Wie verändert der Titel des Bildes
deine Geschichte?“ Ausnahmslos alle Gruppen negierten die Veränderung der
Geschichte durch den Titel. Der Titel war oft sehr passend und es ließen sich
leicht Verbindungen zu ihren Geschichten herstellen.
162
LÓPEZ-IBOR 2011 zit. n. VAUGHT 2017, S. 5f
69
Die genannten Fragestellungen zum Storytelling entstammen teils dem
sogenannten „Project Zero“. Sofia López-Ibor hat sich im Zuge dessen Gedanken
über Wege der Kunstbetrachtung gemacht, die sie in ihrem Buch „blue is the sea“
beschreibt. Es werden nicht nur Fragen bezüglich Charaktere und deren
Geschichten gestellt, sondern die Fragen zielen auch auf Vergleiche, Farben,
Formen und Linien ab.163
Das Projekt steht unter der Überschrift „I see, I think, I wonder“ und stellt die drei
Hauptfragen zur Kunstbetrachtung in den Raum:
- What do you see?
- What do you think about what you see?
- What do you wonder about?164
Diese Fragestellungen sollen den Betrachter*innen helfen, ausgehend von dem
Gesehenen eigene Ideen und Interpretationen zu entwickeln. Die Trennung der
ersten beiden Fragen strebt an, den Unterschied zwischen Sichtbarem und
Interpretation für Schüler*innen spürbar zu machen.165
Als Anhaltspunkt für ihre Geschichten bekamen die Mädchen zusätzlich zu den
Fragen auch Themenschlagwörter, die sie in die Geschichte einbauen konnten.
Sie überlegten, ob eines dieser Themen auf ihre Geschichte zutrifft.
Die Themen waren: „…Aberglaube, Armut, Brutalität, Betrug, Missbrauch von
Autorität, Erziehung, Stellung in der Gesellschaft von Mann und Frau.“166 Das
sind genau jene Themen in Spaniens damaliger Gesellschaft, die Goya
veranlassten, diese Radierungen anzufertigen.
163
LÓPEZ-IBOR 2011 zit. n. VAUGHT 2017, S. 5f 164
HARVARD UNIVERSITY: Artful Thinking. Online im Internet. URL: http://pzartfulthinking.org/?page_id=2 [Stand 03-09-2019] 165
Vgl. HARVARD UNIVERSITY: Artful Thinking. [Online] 166
JACOBS 2006, S. 25
70
Abbildung 43: Themenschlagwörter und Fragestellungen als Anhaltspunkte
Sich Gedanken über die Hintergrundgeschichte und die musikalische Umsetzung
zu machen nahm die meiste Zeit des Projekts in Anspruch. Es war den
Schülerinnen überlassen, wie sehr sie sich an den Fragen und Schlagwörtern
orientierten. Wie sich herausstellte, war es für manche sehr nützlich
Orientierungshilfen zu haben. Andere hingegen benötigten kaum Hilfestellungen.
Weiters stand es den Schülerinnen frei, ob sie nur die Gitarren einsetzen wollten
oder auch anderes in der Schule vorhandenes Instrumentarium wie:
Schlaginstrumente, Rasseln, Trommeln, Stabspiele, Bass- und Oktavgitarren.
Eine Geschichte, die in
diesem Prozess
entstanden ist, soll hier
exemplarisch erwähnt
werden und danach wird
auch das dazu
entwickelte Musikstück
klanglich beschrieben.
Abbildung 44: Storytelling
71
Sie entstand zu Capricho Nr. 10 „El amor y la muerte“ – „Die Liebe und der Tod“
(siehe Abb. 16, S. 57) von einer Gruppe der 3a BAfEP:
Es waren einmal ein Ritter und seine Frau. Ihre Liebe reichte bis über die
sieben Berge. Allerdings zog es den Ritter von zuhause fort, um seinem König
im Kampf zu dienen. Lange war er von zuhause weg und in unzähligen
Schlachten setzte er sein Leben aufs Spiel, um sein Land und dessen Leute
zu verteidigen. Aber eines Tages war es so weit und er konnte wieder
nachhause zurück. In seinem Heimatort angekommen erfuhr er, dass seine
Frau in der Zwischenzeit einen Geliebten hatte. Er war zutiefst verletzt und in
seiner Ehre gekränkt. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als um seine Frau
zu kämpfen und den Geliebten seiner Frau zum Duell herauszufordern. Er war
von den letzten Kämpfen geschwächt und so schaffte es sein Gegner, ihn mit
dem Schwert zu verletzen, bevor der Ritter diesen besiegte. Mit letzter Kraft
schleppte er sich nachhause zu seiner Frau, welche von dem Duell nichts
wusste und erzählte ihr, was passiert war. Tiefe Schuldgefühle überkamen die
Frau. Das war das Letzte, was sie gewollt hatte. Sie dachte, ihren Mann nie
wieder zu sehen. Doch bevor sie sich erklären konnte oder ihm sagen konnte,
wie sehr sie ihn doch liebte, erlag er in ihren Armen seinen Verletzungen. Von
Schock, Trauer und Schuld überfallen konnte sie es nicht ertragen. Sie konnte
sich nicht vorstellen, nach alldem weiterzuleben und jemals von diesem
Schmerz loszukommen. Deshalb setzte sie sich das Schwert ihres Mannes an
ihre Brust und nahm sich das Leben.
72
Abbildung 45: Überblick des Handlungsstranges einer Geschichte zu Capricho Nr. 10
Klanglich setzten die Schülerinnen ihre Geschichte folgendermaßen um:
Eingeleitet wird das Stück mit verträumten Melodien in G-Dur und zarter
Begleitung auf der Oktavgitarre, die die große Liebe des Ritters und seiner Frau
darstellt. Die Melodien verklingen langsam und das Weggaloppieren des Ritters
ist in Form einer Cajon zu hören. Die Galoppiergeräusche werden immer leiser
und verschwinden. Nach einer kurzen Pause sind sie erneut leise zu hören. Sie
werden immer lauter und man weiß, der Ritter ist nachhause zurückgekehrt. Die
Schläge auf der Cajon werden noch lauter und schneller, bis sie abrupt aufhören
und Mollakkorde kombiniert mit chromatischen Motiven auf der Bassgitarre
ertönen. Der Kampf der beiden Männer beginnt, indem Streichen über
abgedämpfte Saiten erklingt. Diese werden immer schneller und bedrohlicher, bis
ein Schellenkranz (=Schwert) zu Boden fällt und die Saiten verstummen. Die
Cajon spielt noch einmal, diesmal langsamer und nicht so rhythmisch wie zuvor
(=Ritter schleppt sich nachhause).
Das Wiedersehen des Ritters und seiner Frau vertonten die Jugendlichen mit
Glissandi am Bass kombiniert mit hohen Tönen auf der Oktavgitarre. Sie
untermalten dies mit langsamem Rieseln des Regenmachers. Als die letzten
Herzschläge des Mannes in Form von langsamer werdenden Schlägen auf der
Cajon zu hören waren, verstummte diese Kombination. Als die Frau das Schwert
nahm, um sich das Leben zu nehmen, erklang noch ein letztes Mal der zu Boden
73
fallende Schellenkranz. Auch ihre letzten Herzschläge waren mit den Schlägen
auf der Cajon zu hören, bis schließlich Stille eintrat und somit das Stück zu Ende
war.
Die restlichen Gruppen wählten die Caprichos Nummer 27 und zweimal besetzt
Nummer 53 aus. Zwei Gruppen davon wandelten ihre Stücke in Klanggeschichten
mit Erzählerin um, da sie es wichtig fanden, auch die Hintergrundgeschichte zu
präsentieren. Die anderen beiden Gruppen setzten ihre Geschichte als
Instrumentalstück um.
In der Storytelling-Phase erlebte ich die Schülerinnen enthusiastisch,
selbstständig und selbstbewusster als zu Beginn des Projekts. Es machte den
Anschein, als hätten ihnen die Experimentierphasen zuvor und das Ausloten an
Möglichkeiten genügend Spielraum gegeben, sich entfalten zu können und
klanglich auszudrücken. Eine Geschichte zu den Bildern zu erfinden verschaffte
ihnen eine zusätzliche Ebene, um einen roten Faden und einen klaren
Spannungsbogen in ihr Stück zu bringen. Ausnahmslos waren bei jeder Gruppe
eine musikalische Einleitung, Hauptteil und Schluss zu erkennen. In den Phasen
zuvor waren es oft noch Aneinanderreihungen von klanglichen Geschehnissen
oder auch spontanes Reagieren auf andere.
Das Überlegen einer Geschichte (und natürlich auch die längere
Vorbereitungszeit) verschaffte den Musikstücken Klarheit und Struktur.
6.4. Phase 4: Präsentation
Die erarbeiteten Stücke präsentierten die Gruppen folgendermaßen: Da es aus
zeitlichen Gründen keine Möglichkeit mehr gab, die Stücke öffentlich zu präsentieren,
war es mir dennoch ein Anliegen in der Unterrichtssituation einen
„Aufführungscharakter“ zu schaffen. Die Schülerinnen bekamen Zeit, ihr Stück in
gewisser Weise auch szenisch darzustellen. Sie bekamen den Auftrag, sich
Gedanken darüber zu machen, wie sie sich innerhalb der Gruppe und auch im Raum
positionierten, ob sich Personen während des Stückes bewegten oder auf einem
Platz verharrten. Es war auch der Gruppe überlassen, ob und wie sie die Bildvorlage
von Goya in ihre Präsentation einbaute. Sie sollte entscheiden, ob das Bild bereits zu
74
Beginn ihres Stückes für die Zuseher*innen sichtbar ist oder erst im Laufe des
Stückes an Bedeutung gewinnt. Sie konnten auch das Bild zur Gänze weglassen, um
dem/der Betrachter*in Freiraum für die Entstehung eigener Bilder zu geben.
In diesem Teil war es mir wichtig, die Schülerinnen allein ein Präsentationskonzept
entwickeln und auszuprobieren zu lassen, ohne dass sie das Gefühl hatten, von der
Lehrperson beobachtet zu werden. Ich sah meine Aufgabe darin, für die
Bereitstellung weiterer Utensilien und möglicher Tipps zur Verfügung zu stehen, aber
durchaus auch die Schülerinnen selbstständig arbeiten zu lassen und den Raum für
einen vereinbarten Zeitraum zu verlassen.
Abbildung 46: Präsentation des Musikstückes zu Capricho Nr. 53, ¡Qué pico de oro!
(siehe Abbildung 48)
In der Reflexionsrunde nach der Präsentation ihrer Musikstücke beziehungsweise
Geschichten kamen sehr positive Rückmeldungen. Die Schülerinnen hatten die
Kombination von Bild, Geschichte und Musik als reizvoll erlebt. Sie hätten sich noch
mehr Zeit gewünscht, ihre Ideen weiterzuspinnen und noch detailreicher zu
konzipieren.
75
6.5. Phase 4: Vergleich mit den Kompositionen von
Mario Castelnuovo-Tedesco
Die nächste kürzere Phase bestand darin, das ausgesuchte Bild mit dem dazu
komponierten Stück von Castelnuovo-Tedesco zu verbinden, darüber zu sprechen
und mit dem entstandenen Musikstück zu vergleichen.
In einem ersten Schritt ging es um das Hörerlebnis an sich. Wir hörten uns die
jeweilige Komposition kommentarlos an, wer mochte, mit geschlossenen Augen. In
einem nächsten Schritt hörten die Schülerinnen das Stück noch einmal mit dem Blick
auf die dazu passende Radierung. Die Aufgabe war herauszufinden, welche
Elemente Castelnuovo-Tedesco aufgegriffen haben und wie seine mögliche
Hintergrundgeschichte zu dem Bild sein könnte.
Die Geschmäcker und Meinungen stellten sich bei der anschließenden Diskussion
als sehr unterschiedlich dar. Manche waren enttäuscht von der Komposition. Die
Komposition an sich gefiel ihnen, aber sie konnten keinen eindeutigen
Zusammenhang zwischen dem Bild und der Musik sehen. Andere wiederum sahen
für sich sehr klar, welche Bildelemente aufgegriffen wurden, fanden es somit stimmig.
Einige konnten gar nicht genau beschreiben, wie sie das Musikstück oder die
Verbindung zu den Goya-Bildern empfanden. Hier darf ich auf 2.3.2.
Versprachlichung von Musik (siehe S. 18) verweisen und deren Schwierigkeiten.
Da aber für einen Austausch und Diskussion Begrifflichkeiten notwendig sind, habe
ich eine Beschreibungshilfe aus dem Listening Lab 5 „Musik für Saiteninstrumente,
Schlagzeug und Celesta“ entnommen. Darin werden Wege und Materialien zur
Musikvermittlung aufgezeigt. Die darin vorkommenden Beschreibungskategorien
sollen den Hörer*innen behilflich sein, ihren Wortschatz zu erweitern, um die
hervorgerufenen Empfindungen eines Hörerlebnisses zu artikulieren.167
Die daraus entnommenen Beschreibungsmöglichkeiten, die metaphorisch
verschiedenen Erlebnisbereichen entnommen sind, habe ich erweitert und sie
werden nachstehend angeführt:
167
Vgl. WIMMER, Constanze/ SCHMIDINGER Helmut (Hrsg.): Belá Bártok. Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta.- Wien: Universal Edition, 2016. (Listening Lab Bd. 5), S. 38
76
Mithilfe dieser Adjektivkategorien probierten wir, die Musik-Bild-Zusammenhänge
noch genauer zu erläutern. Bei dem Versuch, Metaphern zur Beschreibung von
Empfindungen heranzuziehen, gingen die Assoziationen der Schülerinnen sehr stark
in die Richtung ihrer Geschichten.
6.6. Phase 5: Der umgekehrte Prozess
Im Zuge des Unterrichtsgegenstandes „Bildnerische Erziehung“ war es den
Schülerinnen möglich, auch den umgekehrten Prozess zu erleben. Unter der Leitung
Bewegung stehend, flirrend, zitternd, pulsierend, schnell, langsam,
abgehackt, weich, außer Kontrolle, verkrampft,
verspielt, schwerfällig, schwebend, natürlich
Raum hohl, leer, offen, geschlossen, groß, klein, schmutzig,
alt, neu, hoch, tief, hallend, beengend, groß, hell, finster
Material hölzern, metallisch, seidig, rau, hart, weich, kaputt,
gläsern, stachelig, biegsam
Emotion mulmig, beängstigend, freundlich, verletzt, verliebt,
wütend, gestresst, erschrocken, stolz, eifersüchtig,
hasserfüllt, gleichgültig, deprimiert, enttäuscht,
ängstlich, besorgt, arrogant, ausgebeutet, schuldig,
düster, aufgeregt, friedvoll
Sprache grummelnd, flüsternd, undeutlich, murmelnd, schrill,
laut, deutlich, fremd, unheimlich, sympathisch, klar
Farbe hell, dunkel, schattig, blau, rot, grün, schwarz, weiß,
grau, verschwommen, klar, kräftig, matt, grell, bunt,
dominant, schlicht
Temperatur warm, kalt, schwül, heiß, regnerisch, stürmisch, eisig,
sonnig, bewölkt
Geschmack herb, süß, bitter, scharf, mild, angenehm,
geschmacklos, intensiv, explosiv
Stimmung fröhlich, melancholisch, düster, aufgedreht, kalt, traurig,
erdrückend, angenehm, nachdenklich
Abbildung 47: Wort.Schatz.Suche für Klänge und ihre Klangfarben
77
Abbildung 48: Capricho Nr. 53, ¡Qué pico de oro! (What a golden beak!)
von Mag. Sabina Eisner gestalteten sie Bilder zu Castelnuovo-Tedescos Musik.
Dafür wurde der 21. Satz „¡Qué pico de oro!“ verwendet, dessen Bild sich zwei der
vier Gruppen zuvor im Gitarrenunterricht zur Improvisation ausgewählt hatten.
Der Mal- und Zeichenunterricht findet mit der
halben Klasse statt. So kam es dazu, dass
darunter auch Schülerinnen waren, die zuvor
keinen Kontakt mit den Blättern von Goya im
Instrumentalunterricht hatten. Einige darunter
hingegen schon.
In einer ersten Einheit stellten die
Schülerinnen ihr Material her. Sie bemalten
weißes A3-Papier flächig mit Wasserfarben,
das sie später zur Musik weiterverarbeiteten.
Farbwahl und -einsatz waren ihnen frei
überlassen.
In der nächsten Doppelstunde verwerteten sie
die selbst angefertigten Buntpapiere zum
Musikstück. Es wurde bewusst nur ein Musikstück aus den 24 Caprichos verwendet,
um auf Details aus der Musik besser eingehen zu können. Mehrere zu verwenden
wäre eine Reizüberflutung gewesen.
Abbildung 49 und Abbildung 50: Schneiden zur Musik
78
Die bunten Papiere wurden auf dem Boden aufgelegt und die Schülerinnen konnten
sich daraus ein für sie ansprechendes Blatt auswählen. Mit Stanleymessern schnitten
sie in das Papier. Es wurden teils eckige und kantige Formen aus dem Papier
geschnitten, aber auch runde, schwungvolle Schnitte schufen Bewegung in den
Bildern. Wie auf Abbildung 52 zu sehen, wurden eingeschnittene Ecken und Fransen
in manchen Bildern umgebogen und aufgestellt. Andere Formen wurden
herausgeschnitten und an anderen Stellen aufgeklebt oder eingeflochten. Die
Schülerinnen setzten Tusche, Eddingstifte und Ölkreiden ein, um beliebig abstrakte
Formen und Linien hineinzuzeichnen. Die bearbeiteten, eingeschnittenen Blätter
konnten danach auf andere geklebt werden, einerseits auf einfarbiges, schwarzes
oder weißes Papier, aber auch auf zuvor selbstbemaltes Papier.
Abbildung 52: Formen werden herausgeschnitten und aufgestellt
Abbildung 51: Mit Ölkreide wird in das Bild gezeichnet
79
Die fertigen Bilder wurden am Ende der Einheit auf dem Boden aufgelegt, um sie
gemeinsam zu betrachten. Das Arbeiten an den Bildern war sehr intensiv und die
Schülerinnen waren konzentriert am Werken. Deshalb war bei dem Betrachten der
Werke nicht viel zu sagen. Die Bilder sprachen für sich.
6.7. Weiterführungsmöglichkeiten und Fazit
Aus zeitlichen Gründen kam es zu Schulschluss nicht mehr dazu, das Entstandene
mit Projektionen der Bilder zu präsentieren. Die entstandenen Musikstücke und
deren Geschichten hätten Potential gehabt, in Form eines Konzerts aufgeführt zu
werden. Es wäre auch interessant gewesen, wie sich die Stücke in den
Vorbereitungen für einen Auftritt noch weiterentwickelt und Details verfeinert hätten.
Das Projekt fächerübergreifend mit anderen Instrumentalgruppen aus den
Gegenständen Klavier, Flöte oder Querflöte durchzuführen hätte auch seinen Reiz
gehabt. Somit wäre den Schülerinnengruppen noch mehr Klangdifferenziertheit
ermöglicht worden. Allerdings wäre dann womöglich der Bezug zu den Gitarre-
Solostücken von Castelnuovo-Tedesco verloren gegangen.
Abbildung 53: Gemeinsame Betrachtung der fertigen Bilder
80
Eine andere interessante Option wäre noch gewesen, dass die Schülerinnen die
Stücke, die sie momentan spielen, in Verbindung mit den Radierungen Goyas
setzen, und auch hier Interpretationsfreiraum zu schaffen.
Eine weitere ergänzende Phase des Projekts hätte das Notieren in grafische
Notation sein können, die entstandenen Musikstücke in Spielanweisungen
aufzuzeichnen. Diese könnten wiederum Impulse zum Musizieren für eine weitere
Gruppe geben.
Generell lässt sich sagen, dass Zeit ein wichtiger Faktor für solch einen Prozess ist.
Genügend Zeit, um stressfrei auszuprobieren, Ideen entwickeln zu lassen, über
bereits Entstandenes zu sprechen und zu reflektieren und gewonnene Erkenntnisse
in die nächste Arbeitsphase miteinzubeziehen. Projektorientierten Unterricht in der
regulären Stundentaktung der Schule durchzuführen ist herausfordernd. In einer
Einheit mit 50 Minuten in die Thematik des Projekts einzutauchen, dann mitten im
Tun die Schüler*innen „herauszureißen“ und eine Woche später wieder anzuknüpfen
unterbricht den Prozess. Eine optimale Rahmenbedingung für projektorientiertes
Arbeiten wären geblockte Einheiten oder gar eine Öffnung der gesamten
Unterrichtsorganisation, wodurch noch intensiver fächerübergreifend gearbeitet
werden kann.
Trotz der begrenzt zur Verfügung stehender Zeit kann abschließend gesagt werden,
dass das Projekt aus Schülerinnen- und Lehrer*innensicht eine sehr positive
Erfahrung war.
Zu Beginn war ich sehr gespannt, wie die Schülerinnen auf die Inhalte, die Aufgaben
und die veränderte Unterrichtsorganisation reagieren würden. Denn es war nicht klar,
welche Reaktionen und Ergebnisse zu erwarten waren. Wie sich letztendlich aber
sehr rasch herausstellte, gingen die Schülerinnen sehr offen und flexibel auf die
neuen Anforderungen heran und die sich daraus ergebene „Ernte“ war sehr
ertragreich.
Die Schülerinnen arbeiteten selbstständiger als zuvor, mussten sich im Paar oder in
der Gruppe eigenständig organisieren, trafen Entscheidungen und lernten im
Prozess voneinander. Der Einbezug von außermusikalischen Gebieten diente auch
einer Stärkung des Selbstbewusstseins. Jede Schülerin konnte ihre besonderen
Fähigkeiten einsetzen und einen wertvollen Teil zu einem gemeinsamen Gesamten
81
beitragen: Eine Schülerin ist besonders gut im Verfassen eines Textes und schrieb
die Geschichte zum Bild ausgeschmückt auf. Eine andere Schülerin ist besonders
fantasievoll und schnell im Finden von Klang-Bild-Assoziationen und Erfinden von
Metaphern, wohingegen ein anderes Mädchen besonders geschickt am Instrument
ist und den Mitschülerinnen verschiedene Spieltechniken auf der Gitarre zeigt. Ein
weiteres Gruppenmitglied ist sehr mutig und experimentierfreudig und entdeckt im
Ausprobieren klangliche Möglichkeiten, die besonders gut zur Geschichte passen.
Und die fünfte Teilnehmerin der Gruppe hat schauspielerisches Talent und
übernimmt die leitende Rolle zur Gestaltung der Präsentation des Musikstückes am
Schluss.
Dieses Sich-gegenseitig-Ergänzen und Voneinander-Lernen waren sehr schön zu
beobachten. Die noch intensivere Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe bewirkte
eine veränderte Position der Lehrkraft, zugunsten des individuellen Lerneffekts der
einzelnen Schülerinnen. Mit dieser veränderten Rolle des*der Pädagog*in gilt es
umgehen zu lernen, auch wenn es sich anfänglich möglicherweise ungewohnt und
merkwürdig anfühlt. Die Lehrkraft muss bereit dazu sein, Kontrolle sowie
Entscheidungen abzugeben und mehr als Begleiter*in beratend und beobachtend zur
Seite zu stehen und auch Gespür dafür entwickeln, wann es notwendig ist, in die
Situation einzugreifen und wenn nicht. Auch für mich als Lehrende war dieses
projektorientierte, kunstspartenübergreifende Arbeiten ein Lernprozess, dessen
Erkenntnisse ich in meiner pädagogischen Tätigkeit weiter einfließen lassen und
ausbauen möchte.
82
Schlusswort
Um die Erkenntnisse der gewonnenen Arbeit reflektierend zusammenfassen zu
können, sei hier noch einmal die zu Beginn gestellte Fragestellung erwähnt: Welche
Verbindungsmöglichkeiten gibt es in der Rezeption von Musik und Bildender Kunst
und wie können Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Künste in einem
musikpädagogischen Zusammenhang fruchtbar gemacht werden?
Die Auseinandersetzung mit interdisziplinären Möglichkeiten zwischen Musik und
Bildender Kunst in dieser Arbeit wurde umfangreich bearbeitet und es wurden stets
Aspekte für einen gelingenden Transfer in das musikpädagogische Feld
aufgewiesen. Die aufgezeigte Fülle an Verbindungsarten und -versuchen der
Disziplinen im Laufe der Kunstgeschichte zeigt, welche Chancen und Möglichkeiten
sich daraus ergeben. Wie aufeinander Bezug genommen wurde und wird ist sehr
vielfältig. Dennoch ist allen Versuchen gleich, dass es stets um eine Übertragung
eines Mediums und seiner Botschaft in ein anderes Medium geht, nicht aber um eine
wörtliche Übersetzung.
Mit dieser Transformation von Medien und Künsten ist auch immer einhergehend ein
Botschaftsgewinn und -verlust. Schlussendlich verfügt das Zielmedium über die
Kontrolle, welcher Inhalt und wie dieser den Rezipienten vermittelt werden. So
bildeten die Radierungen von Goya den Ausgangspunkt für die Kompositionen von
Castelnuovo-Tedesco. Trotz Bezugnahme auf den Inhalt der Bilder (und eventuell
auch auf die Ausgestaltung und Ästhetik dieser) unterliegen die Stücke dennoch
ihren eigenen musikalischen Gesetzmäßigkeiten und den spezifischen Parametern
der Sparte Musik. Genauso verhält es sich bei der umgekehrten Übertragung, bei der
Musik den Ausgangspunkt für ein Bildnerisches Werk darstellt.
Es können lediglich Merkmale der einen Kunstsparte von der anderen übernommen
werden und so zu einer Annäherung führen, so wie auch in dieser Arbeit an
Beispielen wie Wassily Kandinsky und Paul Klee aufgezeigt wurde. An den
Schnittpunkten der Künste, wo Grenzen überschritten werden und Material der einen
Gattung in der anderen verwendet wird, entsteht Neues und auch neue
Kunst(misch)formen.168 Die Problematik, diese Prozesse und die Kunstwerke selbst
168
Vgl. BRANDSTÄTTER 2008, S. 184-187
83
zu verbalisieren, wurde thematisiert und dabei wurde stets versucht, Lösungsansätze
und Hilfestellungen dafür zu bieten.
Aus dem Wettstreit zwischen den Künsten im Laufe der Geschichte zum einen um
die Vorherrschaft, welche Kunst es vermag die Wirklichkeit besser zum Ausdruck zu
bringen, und zum anderen, um die Künste zu vereinen, ging eine zunehmende
Selbstreflexion der Künste hervor. Die Kunstsparten beschäftigen sich mit ihren
eigenen Bedingungen und Möglichkeiten und erforschen damit auch zeitgleich die
Grenzen, überschreiten und hinterfragen sie.169
Diese Auseinandersetzung der Künste mit sich selbst und das Ausloten von Grenzen
gehen aus dieser Arbeit hervor, in der Unterschiede und Gemeinsamkeiten
herausgearbeitet wurden. Das führte zu der Einsicht, dass die Herangehensweisen
an das Fruchtbar-Werden dieser in einem künstlerischen oder pädagogischen Sinne
auf unterschiedlichste Weisen passieren können. In dem beschriebenen Goya-
Projekt wurde sichtbar, wie eine praktische Umsetzung von
kunstspartenübergreifendem Unterricht aussehen kann und wie gewinnbringend die
Vernetzung von Musik und Bildender Kunst für Schüler*innen und Pädagog*innen
sein kann. Denn: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“170
169
Vgl. BRANDSTÄTTER 2008, S. 189f 170
KLEE, Paul (o.J.) zit. n. STEPHAN, Rudolf: Vermischte Aufzeichnungen (aus Notizheften).- In: SCHMIERER, Elisabeth u.a. (Hrsg.): Töne Farben Formen. Über Musik und die bildenden Künste.- Laaber: Laaber Verlag, 1995, S. 114
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Skrjabins Farbzuordnung im Quintenzirkel ........................................ 28
SCHILLMÖLLER 2016, S. 25
Abbildung 2: Farbenklavier nach Skrjabin .............................................................. 28
Online im Internet. URL:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Scriabin_keyboard.svg
Abbildung 3: Vier Typen der Synästhesie von Albert Wellek .................................. 28
Vgl. STEINCKE 2007, S. 70
Abbildung 4: Ursynästhesien von Albert Wellek ..................................................... 30
STEINCKE 2007, S. 71
Abbildung 5: Das große Tor von Kiew, Aquarell und Bleistift von Victor Hartmann 35
Online im Internet. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/
Bilder_einer_Ausstellung#/media/Datei:Hartmann_--
_Plan_for_a_City_Gate.jpg [Stand 23-09-2019]
Abbildung 6: Vorschlag zur Klang-Bildanalyse von Mathias Schillmöller ............. 376f
SCHILLMÖLLER 2017, Arbeitsblatt 5
Abbildung 7: Kandinskys Entwurf zu Das große Tor von Kiew (1928) .................... 42
Online im Internet. URL: http://www.kandinskywassily.de/werk-322.php
[Stand 14-10-2019]
Abbildung 8: Kandinskys Improvisation Nr. 27, Der Garten der Liebe (1912) ......... 43
SCHILLMÖLLER 2016, S. 65
Abbildung 9: Fuge in Rot, Paul Klee ....................................................................... 46
Online im Internet. URL: http://textweide.ch/bildbeschreibung-fuge-in-
rot-192169/ [Stand 08-09-2019]
Abbildung 10: Capricho Nr. 43 „El sueño de la razón produce monstruos“ ............ 53
Online im Internet. URL: https://www.bridgemanimages.de/de/search?
filter_text=Caprichos%20Goya&filter_group=all&filter_region=AUT&sort
=most_popular [Stand 21-05-2019]
Abbildung 11: 1. Satz Francisco Goya y Lucientes, Pintor (Francisco Goya and
Lucientes, Painter) Blatt Nr. 1 ................................................................................... 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 12: 2. Satz Tal para qual (Two of a kind) Blatt Nr. 5 .............................. 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
90
Abbildung 13: 3. Satz Nadie se conoce (Nobody knows himself) Blatt Nr. 6 .......... 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 14: 4. Satz Ni asi la distingue(Even so he cannot make her out) Blatt Nr. 7 ... 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 15: 5. Satz Muchachos al avío (The boys getting ready) Blatt Nr. 11 .... 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 16: 6. Satz El amor y la muerte (Love and death) Blatt Nr. 10 ............... 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 17: 7. Satz Estan calientes (They are hot) Blatt Nr.13 ........................... 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 18: 8. Satz Dios la perdone: Y era su madre (God forgive her: and it was
her mother) Blatt Nr. 16 ............................................................................................ 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 19: 9. Satz Bien tirada está (It is nicely stretched) Blatt Nr. 17 .............. 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 20: 10. Satz Al Conde Palatino (To the Count Palatine) Blatt Nr. 33 ..... 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 21: 11. Satz Y se le quema la casa (And he’s burning down the house)
Blatt Nr. 18 ................................................................................................................ 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 22: 12. Satz No hubo remedio (Nothing could be done about it) Blatt Nr. 24 .. 57
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 23: 13. Satz ¿Quién más rendido? (Which of them is more
overwhelmed?) Blatt Nr. 27 ...................................................................................... 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 24: 14. Satz Porque fue sensible (Because she was sensitive) Blatt Nr. 32 ... 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 25: 15. Satz ¿Si sabrá más el discipulo? (Perhaps the pupil knows
better?) Blatt Nr. 37 .................................................................................................. 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 26: 16. Satz ¡Brabísimo! (Bravissimo!) Blatt Nr. 38 ................................ 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 27: 17. Satz ¿De que mal morira? (Of what will he die?) Blatt Nr. 40 .... 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
91
Abbildung 28: 18. Satz El sueño de la razón produce monstruos (The sleep oft he
reason produces monsters) Blatt Nr. 43 ................................................................... 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 29: 19. Satz Hilan delgado (They spin finely) Blatt Nr. 44 ...................... 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 30: 20. Satz Obsequio a el maestro (Gift to the master) Blatt Nr. 47 ..... 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 31: 21. Satz ¡Qué pico de oro! (What a golden beak!) Blatt Nr. 53 ........ 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 32: 22. Satz Volaverunt (Off they flew) Blatt Nr. 61 ............................... 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 33: 23. Satz ¡Linda maestra! (Pretty teacher) Blatt Nr. 68 ..................... 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 34: 24. Satz Sueño de la mentira y inconstancia (Dream of lying and
inconstancy) ............................................................................................................. 58
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 35: Blatt Nr.1, Goyas Selbstportrait am Anfang des Zyklus ................... 63
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 36: Blatt Nr. 6 ......................................................................................... 63
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 37: Blatt Nr. 7 ......................................................................................... 63
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 38: Blatt Nr. 32 ....................................................................................... 63
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 39: Schülerinnen schreiben ihre Ideen auf ............................................ 65
REITBÖCK-LEHNER, Marlene 2019
Abbildung 40: Schülerinnen ordnen Klänge zu visuellen Begriffen zu .................... 65
REITBÖCK-LEHNER, Marlene 2019
Abbildung 41 und Abbildung 42: Schülerinnen setzen Charaktere in den Bildern
klanglich um .............................................................................................................. 67
REITBÖCK-LEHNER, Marlene 2019
Abbildung 43: Themenschlagwörter und Fragestellungen als Anhaltspunkte ......... 70
REITBÖCK-LEHNER, Marlene 2019
92
Abbildung 44: Storytelling ....................................................................................... 70
REITBÖCK-LEHNER, Marlene 2019
Abbildung 45: Überblick des Handlungsstranges einer Geschichte zu Capricho Nr. 10 .. 72
REITBÖCK-LEHNER, Marlene 2019
Abbildung 46: Präsentation des Musikstückes zu Capricho Nr. 53, ¡Qué pico de oro!
(siehe Abbildung 48) ................................................................................................. 74
REITBÖCK-LEHNER, Marlene 2019
Abbildung 47: Wort.Schatz.Suche für Klänge und ihre Klangfarben ....................... 76
Vgl. WIMMER/ SCHMIDINGER 2016, S. 38
Abbildung 48: Capricho Nr. 53, ¡Qué pico de oro! (What a golden beak!) .............. 77
BRIDGEMAN ART LIBRARY [Online]
Abbildung 49 und Abbildung 50: Schneiden zur Musik ......................................... 77
EISNER, Sabina 2019
Abbildung 51: Mit Ölkreide wird in das Bild gezeichnet .......................................... 78
EISNER 2019
Abbildung 52: Formen werden herausgeschnitten und aufgestellt ......................... 78
EISNER 2019
Abbildung 53: Gemeinsame Betrachtung der fertigen Bilder .................................. 78
EISNER 2019
93
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst habe. Alle Stellen oder Passagen der vorliegenden Arbeit,
die anderen Quellen im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, sind
durch Angaben der Herkunft kenntlich gemacht. Dies gilt auch für die Reproduktion
von Noten, grafische Darstellungen und andere analoge oder digitale Materialien.
Ich räume der Anton Bruckner Privatuniversität das Recht ein, ein von mir verfasstes
Abstract meiner Arbeit auf der Homepage der ABPU zur Einsichtnahme zur
Verfügung zu stellen.
Linz, am
Marlene Reitböck-Lehner