Die Entwicklung der afrovenezolanischen und indigenen Kulturen in Venezuela. Über die Bedeutung...

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    Institut fr Kultur- und Sozialanthropologie der Universitt WienNIG Neues Institutsgebude

    Universittsstrae 7/ IV. Stock

    Die Entwicklung der afrovenezolanischen und indigenen Kulturenin Venezuela.

    ber die Bedeutung der populren Kultur im venezolanischengeographischen Raum.

    Von Zoraida Dairiela Nieto Hrnandez

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    Inhaltsverzeichnis

    Einleitung ... S. 3

    Historischer Teil I . S. 51.1. Historische Bevlkerungsentwicklung in Venezuela ... S. 5Indigene Vlker ... S. 5Afrikaner . S. 81.2. Einfluss der historischen Bevlkerungsentwicklung auf die Kultur imheutigen Venezuela . S. 10

    Historischer Teil II S. 162.1. Die Sklaverei in Venezuela. Der Sklavenhandel . S. 162.2. Der Marronage als berlebensstrategie. Seine Bedeutung fr die Wahrungvon Traditionen ... S. 192.3. Von woher kamen die Sklaven nach Venezuela? S. 222.4. Sklavenaufstnde in Venezuela ... S. 232.5. Leben der Sklaven und Emanzipation . S. 26

    Religiositt . S. 293.1. Die afrikanische Diaspora in der populren Religiositt Venezuelas .. S. 293.2. Indigene Traditionen in der populren Religiositt Venezuelas .. S. 32

    Nationale Identitt und populre Kultur S. 334.1. Tradition und Innovation in der populren Kultur ....... S. 33

    4.2. Die populre Kultur im Widerstand . S. 35Conclusio S. 38

    Bibliografie . S. 41

    Einleitung

    In der folgenden schriftlichen Arbeit wird die Entwicklung der populren Kultur Venezuelas

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    in Vergangenheit und Gegenwart abgehandelt, die ihre Wurzeln in der afroamerikanischenDiaspora und in den Einflssen der indigenen Vlker hat.

    Beide Einflsse stehen in direktem Zusammenhang mit der gesamten populren Kultur, diedie nationale Identitt des venezolanischen Volkes und ihren Lebensmodus prgt und auch

    starken Einfluss auf die Konstituierung der Venezolanitt der hier zu beschreibendenGesellschaftsgruppen hat.

    Globalisierung, neo- und postkoloniale Bedingungen, der neoliberale und kapitalistische Kursbeeinflussen die venezolanische Gesellschaft bis heute. Andererseits ist es derEmanzipationsprozess, eingeleitet durch die bolivarianische Revolution unter der Regierungvon Hugo Rafael Chvez Fras seit 1999, der die Frage nach den Wurzeln und der Identittder VenezolanerInnen aufgeworfen hat. Diese steht direkt im Zusammenhang mit denEreignissen des Jahres 1989, mit den Caracazo, in deren Zuge sich das Volk gegen einWirtschaftsmodell wie das neoliberale erhoben hat, in dem Sinne, dass auch die Frage nachder Kultur wieder belebt wurde.

    Auf Fragen wie, warum die Mehrheit der Bevlkerung an Mechanismen des ethnischen undsozialen Ausschlusses leidet, nach den Wurzeln des sozialen und kulturellen Ausschlussesim unterdrckerischen Rassismus von Seiten der herrschende Oligarchie, die das Land frmehr als 40 Jahre regierte, versuchen die heutigen VenezolanerInnen Antworten zu finden, dieein Handeln ermglichen.

    Die gegenwrtige Frage der VenezolanerInnen: Wer sind wir? ist auch eine Frage nach denWurzeln und der Rolle ihrer Vorfahren in der Geschichte des Landes. Ihr Verlangen nachmehr Wissen ber die eigene Kultur und Identitt, die bewusst die afroamerikanischeDiaspora und die indigenen Vlker inkludiert, fhrt sie zu der Frage nach den Grnden frden Ausschluss, die zum Teil zu beantworten sind mit der Bedeutung des afroamerikanischenund indigenen Widerstandes in der populren Kultur auch nach 513 Jahren.

    Der gegenwrtige Bedarf der Bevlkerung nach mehr Information rund um die eigenenkulturellen Manifestationen und Traditionen ist ein Thema, das in Venezuela eine gewichtigeRolle spielt.

    Dass diese Manifestationen auch weiter vermittelt werden sollen, auch weil sie dasBewusstsein strken, kommt u.a. darin zum Ausdruck, dass die staatlichen Medien zu diesemZweck eingesetzt werden. Die Regierung versteht dies quasi als Aufgabe gegenber der

    Bevlkerung.In der vorliegenden Arbeit werden Fragen wie: Wie sind die Sklaven nach Venezuelagekommen? Welches sind die historischen Hintergrnde ihrer Kultur? Existieren wichtigeDaten ber die Anzahl der Sklaven, Indigenen und pardos auch als mestizos bekannt?aufgeworfen. Auch wird die Frage nach dem Entstehen der populren Kultur durch denMarronage, in den Manifestationen innerhalb religiser Institutionen unter den Sklaven und

    Indigenen gestellt, nach deren Lebensmodus, nach Wegen der Emanzipation und Formen desWiderstands. Besonders der Beitrag afrikanischer und indigener Gruppen in der

    venezolanischen Religiositt wird behandelt.

    So werden wir ein Stck in der kolonialen Epoche zurckgehen, um schlielich wieder in der

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    Gegenwart anzukommen. Das heutige Venezuela erlebt, wie oben erwhnt, einenemanzipatorischen Prozess, in dem die afroamerikanischen Wurzeln ebenso wie jene derindigenen Vlker und die dadurch entstandene populre Kultur eine gewichtige Rolle spielen.Durch den bolivarianischen revolutionren Prozess gewinnen diese Menschengruppen anBedeutung, zum ersten Mal werden die Rechte indigener Vlker in ihrer Gesamtheit

    anerkannt, die Menschenrechte der zum Groteil benachteiligten Mehrheit derVenezolanerInnen in den Mittelpunkt gestellt und Manifestationen der afroamerikanischenDiaspora als Teil des kulturellen Reservoirs Venezuelas anerkannt, was auch in der Verfassungzum Ausdruck kommt, die ihre besonderen Rechte festhlt.

    Vor dem bolivarianischen Prozess litten die erwhnten Menschengruppen am herrschendenkulturellen und sozio-politischen Ausschluss, der auch bedeutete, dass die venezolanischeBevlkerung sich in einer Identittskrise befand. Amilcar Cabral, ein afrikanischer Fhrer inden 1960er Jahren, machte auf dieses Phnomen aufmerksam: Wenn die Vlker politisch

    besiegt werden, leisten sie trotzdem weiter kulturellen Widerstand. Die Identitt der besiegtenVlker ist alles andere als eine neutrale Identitt. ber Indigene und Schwarze zu reden,

    bringt uns sofort auf den Punkt, Stellung zu beziehen. Da schaut keiner weg. Es istunmglich. (Mosonyi 1982: 7-8).

    Die politische und wirtschaftliche Herrschaft manifestiert sich auch als sozio-kulturelleHerrschaft; trotzdem erhebt sich immer wieder die Stimme der unterdrckten Vlker.Ausgehend von ihren Gesellschaftsmodellen die stndig vom Verschwinden bedroht sind stellen sie die Gegenwart und die Zukunft in Frage. Jedoch sind sie immer noch da undkonfrontieren uns mit der eigenen Identitt, die von den Herrschenden geleugnet worden ist.

    Die hier vorgelegte Hausarbeit behandelt in summarischer Form einige der wichtigstenAspekte der Einflsse der afrikanischen Diaspora und der indigenen Vlker in der populrenKultur Venezuelas. Es handelt sich dabei um Einflsse, die die Jahrhunderte whrend undnach der Kolonialzeit berlebten, sich wieder im Jahre 1989 manifestierten und weiterhinunsere Gegenwart sowie unser Handeln stark beeinflussen.

    Die Bibliographie setzt sich aus Werken aus meiner Privatbibliothek und solchen, die in Wienzum Thema existieren, zusammen. In den Jahren 1993, 1998, 2001 und 2004 sammelte ich

    bei meinen Reisen nach Venezuela und Kolumbien wichtiges Material und studierte auchwichtige Dokumente, die aus der Kolonialzeit stammen.

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    Historischer Teil

    1.1. Historische Bevlkerungsentwicklung in Venezuela

    Die venezolanische Kultur ist nachhaltig von drei vllig unterschiedlichen Kulturkreisenbeeinflusst worden, dem der indigenen Vlker, dem afrikanischen und dem europischenKulturkreis. Um das Thema der venezolanischen Kultur behandeln zu knnen, ist esnotwendig, auf die historische Entwicklung Bezug zu nehmen.

    Insbesondere soll auf die eingeborenen und afrikanischen Ethnien eingegangen werden, dieauf heutigem venezolanischem Staatsgebiet angesiedelt waren. Anhand eines Jahreszyklustraditioneller und volkstmlicher Feste soll das Weiterbestehen ihres Einflusses auf die Kulturin Venezuela veranschaulicht werden. Weiters wird der Einfluss der historischenBevlkerungsentwicklung auf die Kultur im heutigen Venezuela behandelt.

    Indigene Vlker

    Nach dem heutigen Stand der Forschung und aus archologischen Funden schliet man, dassdas Gebiet des heutigen Staates Venezuela etwa seit 12.000 Jahren besiedelt ist. Da es sich beiden Vlkern zum Groteil um Nomaden, Jger und Sammler handelte, gibt es wenige Spuren,die es ermglichen, Genaueres ber ihre Lebensweise, Kultur und Religion auszusagen.Schriftliche Dokumentation gibt es erst ab der Entdeckung in Form der Beschreibungen derspanischen Eroberer, deren Beobachtungen aus verschiedenen Grnden als problematischanzusehen sind. Die Diskussion um die Gltigkeit diverser Berichte gehrt aber nicht hierher.

    Die nicht sesshafte Lebensweise der meisten Vlker lsst vermuten, dass ihre Kulturmndlich berliefert wurde und somit seit der fast vollstndigen Ausrottung nicht mehrrekonstruierbar ist. Eine mndliche Tradition ist auch der Transkulturation weit strkerausgesetzt als eine in welcher Form auch immer fixierte, sodass Elemente der Kultur eines

    Nachbarvolkes leicht Eingang finden. Da ber die prhispanischen Migrationen nicht vielbekannt ist, scheint es oft schwierig festzustellen, ob Funde an bestimmten Orten auf ein Volkhinweisen oder auf ein anderes, das mit diesem in Kontakt stand. All diese Probleme der

    prhispanischen Geschichte Venezuelas sind noch nicht vollstndig untersucht, neueForschungen widerlegen oftmals frhere Thesen. ber die heute bestehenden annhernd 33Ethnien gibt es kaum wissenschaftliche Studien im Hinblick auf ihre Kultur, Lebensweise,Sprachen und Einflusse auf die populre Kultur des Landes inmitten ihres berlebenskampfes

    (Halbmeyer 1994:107). Es handelt sich dabei um eine Bevlkerungsgruppe, die nach demZensus von 1992 314.772 Personen umfasst (Kuppe 1994:101).

    Die ltesten bisher bekannten Funde stammen aus El Jobo und wurden auf die Zeit von10.000- 8.000 v. Chr. datiert. Schwierig ist auch festzustellen, wann die ersten sesshaften,Landwirtschaft treibenden Vlker auftreten. Die ersten Maniokbauern lebten um das Jahr2.000 v. Chr. nordwestlich des Sees von Maracaibo. Mehr Daten gibt es ber die Barrancas-Kultur, die sich etwa 1.000 Jahre spter am unteren Orinoco ansiedelte und deren Keramikschon relativ weit entwickelt war. Sie kannte auch den Maniokanbau (Bankhammer 1991: 2).Ein weiteres Volk mit entwickelter Landwirtschaft lebte im Gebiet von Ronquin, amMittellauf des Orinoco, in der Zeit von 700 v. Chr. bis 355 n. Chr. Auer Maniok kannte es

    Bohnen, Krbisse und Baumwolle, der Fund von Mahlsteinen lsst vermuten, dass sie auchMais anbauten.Seite 1

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    Der Maniokanbau drfte sich auch hin zu den Kstengebieten ausgebreitet haben, was denKstenbewohnern der Gegend von Paria die Entwicklung von relativ dicht besiedeltenDrfern wie Cuartel, El Malya, und Puerto Santo ermglichte. Ein Problem fr Forscher stelltdie Tatsache dar, dass die Nutzung von Maniok nicht unbedingt auf Sesshaftigkeit schlieenlsst, da er auch wild gedeiht. Es scheint auch, dass beim Erreichen gewisser Stammesgren,

    die eine ernsthafte Gefhrdung der Versorgung bedeutet htten, keine Umstellung derProduktionsweise, sondern ein Abspalten eines Teils des Stammes erfolgte, der sich in einementfernten Gebiet unter Beibehaltung der traditionellen Lebensweise ansiedelte.

    Ab 1.450 v. Chr. sind im Westen Venezuelas die concheros, die Muschelsammler,dokumentiert. Ihre Namen verdanken sie den riesigen Haufen von Schalen von Meerestieren,die zusammen mit Angelhaken, Halterungen fr Fischernetze und anderen Gerten gefundenwurden.

    Nach geographischen Gesichtspunkten knnen folgende Vlker nachgewiesen werden:

    Karibische Kste: Cumanagotos, Palenques und Caracas, Ciparicotos und Caquetios.

    Die wirtschaftliche Grundlage dieser Vlker waren der Anbau von Mais und Maniok, Jagd,Fischerei und Sammeln. In ihren Drfern lebten oft Tausende, es gab Gemeinschaftsbauten,Tempel und Lagerhuser. Die Huptlinge herrschten ber mehrere Drfer und hoben Tributein. Das Huptlingsamt hing von den kriegerischen Fhigkeiten des einzelnen ab und war imallgemeinem nicht vererbbar.

    Die Webkunst war bekannt, auch wurde anthropomorphe und zoomorphe Keramik gefertigtund Boote und Haushaltsgegenstnde hergestellt. Schdelverformungen wurden durchgefhrt,Schmuck gab es in vielerlei Form. Bei Festen wurden Tabak, Coca und vergorene Getrnkekonsumiert und Ballspiele abgehalten. Musikinstrumente waren Trommeln, Flten undRasseln. Im allgemeinem verwendete man keine Kleidung, auer zur Bedeckung derGeschlechtsteile (Izard 1987:22).

    Im Westen Venezuelas: Arawacos, Caquetios.

    In dieser Region waren noch eine Reihe anderer Vlker oder Stmme angesiedelt, bei denenman aufgrund von Begrbnisriten vermuten kann, dass sie einen hohen Grad an Organisationerreicht hatten (Acosta Saignes 1949:23).

    See von Maracaibo und Goajira: Goajiros mit Arawak-Sprache, auch Cocinas genannt.Diese Zone reicht weiter bis zur Sierra de Perija. ber die aride Gegend der Goajira gibt es

    beinahe keine Aufzeichnungen der Spanier, so vermuten einige Forscher, es habe dort nurFischer, Jger und Sammler gegeben, whrend andere vertreten, es habe auch Landwirtschaftexistiert (Izard 1987:26).

    Im Sdwesten Venezuelas: Pemenos, Bobures und Motilones.

    Die Flsse und der See selbst erleichterten den Kontakt zu anderen Vlkern, vielleicht lief derAustausch zwischen Vlkern im heutigen Kolumbien und dem Inneren Venezuelas ber

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    In den Anden: Timoto-cuicas.

    Die in der gebirgigen Zone lebenden Timoto-cuicas weisen fr die Anden typischeLebensformen auf. Die Hhe des Gebirges die Siedlungen lagen bis zu 3.500 m ber demMeer erforderten die Entwicklung von komplizierten Techniken in der Landwirtschaft; Maisund Kartoffel mussten erst fr diese Hhe akklimatisiert werden. KomplexeBewsserungssysteme wurden angelegt, Lagerhuser errichtet, und es wurde Terrassenfeldbau

    betrieben, um die Erosion an den Steilhngen zu verhindern. Funde von Nadeln lassenvermuten, dass Stoffe zu Kleidungsstcken verarbeitet wurden, wahrscheinlich hatten sieHaustiere (Geflgel), stellten Kautabak, den chimo her, der auch als Tauschmittelverwendet wurde, und bauten in Stein. Die Religion hatte einen weit hherenAbstraktionsgrad als im Rest Venezuelas (Bankhammer 1991:5).

    Am Orinoco: Barrancas-Kultur.

    Inmitten der nicht sesshaften Vlker bestand die Kultur mit der ltesten landwirtschaftlichenTradition in Venezuela, die Barrancas-Kultur. Abgesehen von einigen ethnischen Inseln lebtenim Sden des Orinoco, der Region Guayana, noch Vlker mit eigener Tradition, die jedochkaum erforscht sind (Halbmeyer 1994: 108).

    Die Folgen, die die Ankunft der Spanier fr die eingeborene Bevlkerung hatte, sindausreichend bekannt. In Venezuela wurde die ursprngliche Bevlkerung fast vollstndigausgerottet, der Rest vermischte sich mit den Spaniern und spter auch in geringerem Maemit den Afrikanern. Jngsten Daten zufolge sind 66% der Bevlkerung Mestizen oderMulatten. Die noch bestehenden indigenen Stmme leben in Randgebieten Venezuelas oder inunzugnglichen Regionen, etwa dem Orinocodelta, dem Amazonasurwald, der HalbinselGoajira und am Golf von Paria (Izard 1987:29).

    Wenn der Staat auch versuchte, eine Politik der Nichteinmischung zu betreiben, war daslangfristige Ziel immer die Integration. Das trifft zumindest auf die vergangenen Regierungenzu, die mit teils gewaltsamen Methoden versuchten, die indigenen Vlker zur Aufgabe ihrereigenen Kultur und Identitt zu zwingen. Im heutigen Venezuela spielt sich genau dasGegenteil ab. Es heit nicht: Integration der indigenen Vlker, sondern Recht auf

    Selbstbestimmung, auf ein gerechtes Leben, bei vollem Respekt ihrer Menschenrechte, zudenen laut Verfassung das Recht auf ihr Land ebenso gehrt wie das Recht, ihrenTraditionen gem zu leben zu leben und ihre Identitt zu bewahren.

    Die einzelnen Stmme haben eine gemeinsame Plattform gegrndet, die ihre Interessenvertreten soll. Neben den schlechten Lebensbedingungen ist eines der Probleme das massiveEngagement nordamerikanischer Sekten, vor allem der Nuevas Tribus (New Tribes), denenunter anderem vorgeworfen wird, neben ihrer sich auf moderne Mittel sttzendenMissionsttigkeit auch Prospektion nach Bodenschtzen zu betreiben.

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    Die vergangenen Regierungen behandelten die Situation der Indigenen als ein Problem undversuchten unter dem Titel der Integration, Indigene in das wirtschaftliche Leben, wie sie esverstanden, zu zwngen Das ging Hand in Hand mit der Position der Missionare, die bei den

    indigenen Vlkern viel Schaden angerichtet haben (La politica indigenista en Venezuela 1953:

    3-11).

    Afrikaner

    Die Ursachen des Sklavenhandels knnen als bekannt vorausgesetzt werden. Im folgendenKapitel wird dieser Aspekt genauer behandelt werden. Bis heute wird ber die ursprnglicheHerkunft der afrikanischen Sklaven und ihre Ansiedlung in Venezuela spekuliert. Der heutigeAnteil der Schwarzen rein afrikanischer Abstammung liegt zwischen 8 und 9 % (Pollak-Eltz1972:33). Da in Venezuela bei Volkszhlungen die Rasse nicht erhoben wird, gibt es keinegenauen Zahlen. Auch ist die Definition eines Schwarzen nicht eindeutig. Denn:

    En cambio en los paises sudamericanos slo que tienen caracteristicas muy conspicuas deraza negra son considerados negros . Supongo que por lo menos el 60 % de la poblacinvenezolana tiene sangre africana(Pollak-Eltz 1972:17).

    In Venezuela ist es sehr schwer, vollstndig erhaltene afrikanische Kulturen zu entdecken, wiedies etwa in Brasilien oder Haiti mglich wre. Eher kann man von Spuren und Elementensprechen. Dies ist teilweise darauf zurckzufhren, dass Afrikaner aus demselben Volk berdas ganze Land aufgeteilt wurden, um Rebellionen zu verhindern. Auch wurden den Sklavenkaum Mglichkeiten gegeben, religise Feste selbst unter den Deckmantel des katholischenGlaubens nach ihrer Art zu begehen. Die Gesetzgebung sah dafr nur vier Tage vor, alleRituale mussten daher auf ein Hauptfest beschrnkt werden, zumeist war es die Feier desHeiligen Johannes des Tufers, San Juan Bautista, oder des Heiligen Benito. DieseManahmen frderten eine schnelle Akkulturation. Die Forschungen auf diesem Gebiet, vorallem was eine zahlenmige Erfassung anbelangt, sind mhsam und aufwendig. Diewichtigsten Indizien sind dabei die Nachnamen der Sklaven, die, sofern sie nicht die Namender Besitzer waren oder besondere Eigenschaften beschrieben, hufig den Stamm, das Volkoder Herkunftsland bezeichneten. Diese Namen knnen den Dokumenten der Zeit wieTestamenten, Anzeigen oder Erfassungen und nicht nur solchen von illegal ins Landgekommenen Schwarzen entnommen werden. Ein schwieriges Unterfangen ist es, von diesenteilweise verballhornten und durch die spanische Transkription verflschten Namen aufafrikanische Vlker rckzuschlieen.

    Eine weitere, sehr unvollstndige Quelle ist der Herkunft der Sklavenschiffe, die selbst nachAusklammerung des Schmuggels nur teilweise in den Dokumenten erwhnt wird. InVenezuela kam es noch dazu aufgrund des geringen Anteils von weiblichen afrikanischenSklavinnen zu einer Vermischung mit den ebenfalls auf den Haciendas arbeitendenEingeborenen (Pollak-Eltz 2000:107).

    Die Kinder mit schwarzem Vater und eingeborener Mutter waren frei, die Kinder schwarzerMtter automatisch Sklaven. Um 1800 waren 66 % der Bevlkerung Schwarze oder Mulatten,12 % Indigene und 22 % Weie (Pollak-Eltz 1972:17). Hufig wird die Frage aufgeworfen,warum in Venezuela die Aufhebung der Sklaverei nicht eine soziale Revolution ausgelst

    habe. Eine mgliche Antwort darauf ist, dass die Befreiung stufenweise vor sich ging. Schon

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    im siebzehnten Jahrhundert gab es viele freie Schwarze und Mulatten, die in Stdten undDrfern lebten, Handwerk oder Handel betrieben oder sich als Arbeiter verdingten. Wenn esauch bezglich der Mulatten Einschrnkungen gab sie durften etwa keine ffentlichenmter bekleiden , so ermglichte ein 1795 erlassenes Gesetz reichen Mulatten, sich die

    Rechte und Privilegien der Weien zu erkaufen.

    Die Reihe der Sklavenaufstnde ist lang. Sie beginnen bereits im sechzehnten Jahrhundert undstehen meist unter Fhrung eines brujo (Hexers), verfolgten aber bald soziokonomischeZiele. Von Anfang an gab es auch Siedlungen entflohener Sklaven, die sich teilweise abernicht ausschlielich durch berflle am Leben erhielten und unter der Bezeichnung negroscimarrones gefrchtet waren ein Thema, das genauer im folgenden Kapitel erlutert wird.1810 wurde der Sklavenhandel verboten, 1812 kam es zu Aufstnden in Curiepe und PuertoCabello, 1813 bildeten sich Guerillagruppen heraus, die sich auch aktiv amUnabhngigkeitskrieg beteiligten, 1814 verordnete Simon Bolivar die Befreiung der Sklaven,1819 erlie er das Dekret noch einmal, in beiden Fllen ohne den gewnschten Erfolg. Nach

    einer Reihe von bergangsbestimmungen und Gesetzen, die die Lage der Sklavenverbesserten, wurde die Sklaverei unter dem Prsidenten Jos Gregorio Monagas am 23. Mrz1854 endgltig abgeschafft.

    Den Versuch einer Zusammenstellung der Angehrigen afrikanischer Vlker, die nachVenezuela gebracht wurden, hat der Acosta Saignes unternommen, dessen alphabetischeAuflistung in der den Originaldokumenten entsprechenden Schreibweise mit leichtenKorrekturen hier wiedergegeben wird:

    Anagachi, Angola, Aquel (?), Arar, ArobiBambi, Banon, Barila, Binga, Bemba, BranCachanga, Cafo, Cambindo, Cambuta, Camoanda, Camojunda, Candala, Carabali, Casimba,Catagala, Cataloaqui, Catende, Congo, CuleChalala, CharaEba, EmbuilaFolopo, FuloGanga, Guach, Guaza, Guinea, GuungaJerero, JirLuangoMabala, Malemba, Mandele, Mandinga, Mina, Mobangombe, Mojinga, Monda, Mondongo,Mosanga, Motoangombe, Munguchi

    NagoPopQuibuto, Quinene, Quisongo, QuisuloSape, Soso, Suchi, SundiTacanga, Tar (Acosta Saignes:8).

    Heute leben die Afrovenezolaner ein Terminus, mit dem Pollak-Eltz die Venezolaner mitsehr stark ausgeprgten negroiden Zgen, die negros puros, also die unvermischtenSchwarzen meint vor allem in den folgenden Regionen des Landes:

    An der Kste zwischen Maracaibo und dem Golf von Paria;

    im Bundesstaat Miranda, in der Umgebung von Caracas, Barlovento, Valle del Tuy;in Valle de Aragua, Maracay, Valencia;Seite 5

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    in Yaracuy, vor allem im Gebiet der frheren Bergwerke;im Sden des Sees von Maracaibo, in den Gebieten mit Zuckerrohranbau.in Guayana, wo vor allem Einwanderer aus den Antillen, aus Trinidad und Britisch-Guayanaleben.

    1.2. Der Einfluss der historischen Bevlkerungsentwicklung auf die Kultur im heutigenVenezuela

    Um einerseits dem Thema der Kultur gerecht zu werden und andererseits die Einflsse dereinzelnen ethnischen Gruppen, aus denen die venezolanische Bevlkerung entstanden ist, aneinem Beispiel zu veranschaulichen, wurde eine Reihe von Ausdrucksformen der populrenKultur ausgewhlt, die in Form eines Jahreszyklus dargestellt werden soll.

    Hier soll dem weit weniger bekannten Teil der venezolanische Kultur Raum gegeben werden,ber den auerhalb Venezuelas nicht viel Material zugnglich ist (Bankhammer 1991:10-20).

    Die Zeit vor, um und nach Weihnachten

    In diesen Zeitraum fllt, wie in allen mehrheitlich christlichen Lndern, eine kaum zuberblickende Vielzahl von Festen, Feiern, Vorbereitungen und Bruchen. Besondere Speisenwerden zubereitet, fr diese Zeit vorbehaltene Musik wird auf speziellen Instrumentengespielt.

    Im kulinarischen Bereich werden je nach Region Sspeisen zubereitet, das Symbol aber sinddie Hallacas. In allen Husern werden sie dem Besucher angeboten. Die typische Musikdieser Zeit sind villancicos, aguinaldos und in eigenen Gegenden auch die Gaitas.Insbesondere an der Musik sind die Einflsse der indigenen Vlker und der Afroamerikanerzu erkennen das ist bei anderen Musikrichtungen und bei anderen Anlssen ebenso der Fall.

    In den Husern findet ein Groputz statt, hufig wird um diese Zeit ausgemalt. Meist wirdauch eine Krippe aufgebaut.

    Am 24.12. um Mitternacht werden die Geschenke berreicht und es wird mit der Familiegemeinsam gegessen. Im Gegensatz zum hiesigen Brauch besucht man vorher Freunde undgeht nachher weiterfeiern. Der Silvesterabend und der Jahreswechsel werden hingegenausschlielich mit der Familie verbracht.

    Misas de AguinaldosSie finden von 16. bis 24.12. statt, die bereits erwhnten aguinaldos werden in der Kirchegesungen, nach der Messe gibt es manchmal Feuerwerke, Tanz oder Promenaden.

    Velorio del Nino Jesus

    Wie die meisten religis motivierten Feste wird auch dieses von einer eigens dafr gewhltenBruderschaft vorbereitet, die die erforderlichen Mittel auftreibt und die Kostme herstelltsowie die Tnze, Gesnge und die Musikbegleitung einbt. Meistens ist ein Gelbde der

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    Grund fr die Beteiligung. Die Mitglieder verkleiden sich als Hirten und Hirtinnen,schmcken sich mit bunten Papierstreifen und tanzen vor dem vor der Kirche aufgestelltenBild des Jesuskindes. Diese Art der Verehrung kann keinem bestimmten Kulturkreiszugeordnet werden, es handelt sich um eine Tradition, die in Europa bestand und teilweisenoch besteht, in die aber Elemente afrikanischer oder indigener Herkunft eingeflossen sind,

    etwa in Form der Musik und Art der Instrumente. Veranstaltungen dieser Art finden in derVorweihnachtszeit in einer ganzen Reihe von Orten statt.

    Santos inocentes

    Der 28. 12. ist der Tag der unschuldigen Kinder. Man nutzt die Unschuld der Mitmenschen,um sie zum Narren zu halten. In einigen Gegenden findet man aber auch karnevaleskeElemente. Hier sollen drei Varianten besprochen werden:

    Locos y Locainas: Je nach Ortschaft verkleiden sich die Mnner, manchmal auch Frauen und

    Kinder, und tanzen in den Straen. Manchmal gibt es Umzge nach Messen, die von Musikbegleitet werden knnen. Die Feier dauert den ganzen Tag. Auch kann ein Mann aufLebenszeit fr die Abhaltung und die Wahrung des Reglements des Festes bestellt werden.Wieder handelt es sich um eine Tradition europischen Ursprungs, die um andere Elemente

    bereichert wird.

    Baile del Mono: Dieser Affentanz wird nur in Caicara de Maturin veranstaltet. Das Festbeginnt am frhen Morgen, die Leute statten sich mit Farbe aus, die sie auf Gesicht undKleidung anderer verteilen. Man bildet dabei lange Schlangen und luft auf Kommando durchdie Straen des Dorfes.

    Zaragozas: Im Ort Sanare, Lara hat man eine besondere Art zu feiern. Nach einer Messe wirddas Bild der unschuldigen Kinder in einer Prozession durch den Ort getragen, meist vonLeuten, die ein entsprechendes Gelbde abgelegt haben. Vor allem fr Kinder erbittet underwartet man sich dadurch Gesundheit. Die Beteiligten sind verkleidet und schmcken sichmit Klapperschlangenhuten, die bse Geister abwehren sollen. Die Zeremonie wird von einernur zu diesem Anlass gespielten Musik begleitet.

    San Benito de Palermo: Der Heilige wird je nach Ort an einem der Tage zwischen den 27.und dem 29.12. gefeiert. Organisiert werden die Feierlichkeiten von religisen Logen, hufigaufgrund von Gelbden. Der Heilige wird als sehr frhliche Person gesehen, die gegen

    Alkohol und Tanz nichts einzuwenden hat, weshalb diese Elemente auch in der Prozession, inder man den Heiligen durchs Dorf trgt, nicht fehlen drfen. An einigen Orten wird die Statuein Schnaps gebadet, aufgehngt und an die Anwesenden verteilt. Die ganze Feier hat fast reinafrovenezolanische Zge, von der Musik ber die Tnze bis zum schwarzen Heiligen. DieVasallen des Heilligen, also jene, die Funktionen in der Prozession bernehmen, werden alschimbnguele bezeichnet, ebenso die verwendete Trommel. Das Wort kommt aus demAfrikanischen, seine Bedeutung ist nicht bekannt, obwohl es mglicherweise auf eineBantsprache zurckgeht (Alvarez 1987:50).

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    Bajada de los Reyes: Am 6. 1. finden in vielen Teilen des Landes Feiern zu Ehren derHeiligen Drei Knige statt, etwa in Form von Umzgen.

    Romeria de los Pastores: Man begeht diesen Pilgerzug der Hirten am 5. und 6. 1. in SanMiguel de Bocono, Trujillo. Hier wird die Organisation ebenfalls von einer Loge

    bernommen, die auch die Akteure stellt. Diese sind sehr vielfltig und umfassen die HeiligenDrei Knige, Teufel, komische Figuren, den Bren, die Alten, den Fuchs, den Dummen, etc.Alle diese Figuren tragen ihrer Rolle entsprechende Kleidung und Masken. Schon amVorabend beginnen die religisen Akte, am 6. 1. selbst findet nach der Messe, zu der auchviele Besucher aus den Nachbardrfern kommen, eine Prozession statt. Dabei ist dieAnbetung des Kindes durch die Knige besonders wichtig. Nach dieser Zeremonie findenPantomimen der anderen Figuren statt, Musiker und Snger kommen aus dem Umkreis. Dabeiwerden auch Instrumente indigener Herkunft verwendet, wie etwa die guaruras,Blasinstrumente aus Riesenschnecken.

    Paradura del Nino: Dieser Brauch ist typisch fr die Anden und wird in der Zeit zwischen

    dem 1. 1. und dem 2. 2. ausgebt. Oft besteht der Brauch aus drei Teilen, dem Raub, Robodel Nino, der Suche, Bsqueda, und schlielich der eigentlichen Paradura, bei der dasJesuskind aufgerichtet wird, zum Zeichen, dass es bereits gehen kann.

    Der Brauch wird von den Besitzern einer Krippe organisiert, die Musiker, Snger und diePaten Padrinos bestellen. Wird die Figur des Jesuskindes aus der Krippe geraubt, ruft derBesitzer die Leute zusammen. In einer Prozession zieht man zur Suche aus, wichtige Personensind dabei jene, die die Rollen von Maria, Josef, den Hirten und den Paten bernehmen.Begleitet werden sie von Musik, von Nachbarn und Freunden. Vor dem Haus, in dem dasJesuskind versteckt ist, kommt es dann zu einer gesungenen Auseinandersetzung, nach derschlielich das Kind zurckgegeben und nach Hause getragen wird.

    Wieder zu Hause, kann ein Rosenkranz gebetet werden. Die Paten betten das Jesuskind in einTuch und tragen es in einer Prozession durchs Haus, begleitet von Musik und Gebeten. DieserTeil wird Paseo del Nino genannt. Nach dem Umgang werden Dankeslieder an das Kindgesungen und dieses in die Krippe zurckgelegt. Darauf folgt der Beso del Nino, wobei dieAnwesenden das Jesuskind zum Zeichen ihrer Verehrung kssen. Dann wird das Kind in derKrippe aufgerichtet. Es folgt ein gemeinsames Essen mit typischem Gebck und Getrnken,manchmal noch ein Rosenkranz. Dieser Brauch enthlt vorwiegend europische Elemente undspiegelt unterschiedliche Szenen aus der Bibel wider, wie etwa das Zurckbleiben Jesu imTempel.

    Vasallos de la Candelaria: Am 2. 2., zu Lichtmess, wird das Fest der Virgen de laCandelaria (Maria Lichtmess) begangen. Kerzen und Lichter haben eine zentrale Bedeutung.In Margarita wird nach der Messe eine Kerze verteilt, die das ganze Jahr aufbewahrt wird,weil sie angeblich vor Sturm und Gewittern schtzt und zu einem leichteren Sterben verhilft.Diese Kerzen werden auch von den santiguadores verwendet, Menschen, die die Gabehaben, Verwnschungen oder den bsen Blick durch Gebete aufzuheben. Anders wird dasFest in La Parroquia, Mrida begangen. Dem eigentlichen Feiertag gehen neun Tage desGebets am frhen Abend voraus. Am Vorabend findet ein Umzug um die Kirche mitFeuerwerk statt. Nach einer Messe am nchsten Vormittag geht eine Prozession durch das

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    Dorf, bei der sich die Vasallen in zwei Reihen aufstellen und mittanzen, wobei sie so Arbeitenaus der Landwirtschaft darstellen. Die Abfolge der einzelnen Figuren des Tanzes ist genaufestgelegt, ebenso wie die Kleidung der Tnzer. Diese tragen bunte Pluderhosen,handgestickte Jacken, breite Stoffgrtel und Seidenumhnge, die mit Pailletten bestickt sind.

    Karneval

    In ganz Venezuela wird der Karneval auf verschiedenste Weise gefeiert. Dazu gehrenVerkleidungen, Musik und Tanz, Spiele mit Wasser und einige besondere Bruche, vor allemim Osten des Landes. Zwei Festlichkeiten, die im ganzen Land bekannt sind, sind folgende:

    Diversiones: Diese finden nicht nur in der Karnevalsendzeit, sondern schon ab dem 4. 12.statt. Es handelt sich dabei um kurze Theaterstcke, die im Rahmen von Umzgen dargebotenwerden. Die Akteure tragen typische Kleidung und tanzen zwischen den Vorstellungen. Einesder bekanntesten Stcke ist der Pjaro Guarandol, der Vogel Guarandol, der vermutlichindianischen Ursprungs ist, da bei den Eingeborenen Tnze mit stilisierter Nachahmung von

    Tieren sehr hufig vorkamen. Auch musikalische Elemente lassen diese Vermutung zu(Olivares 1949:73).

    Zu all diesen Diversiones gehren ein stilisiertes Tier, das von Menschen gejagt undgefangen wird, und ein Chor, der diesen Ablauf erklrt und begleitet. Einige Tiere sind zumBeispiel der Esel, der Leguan, verschiedene Fische, der Reiher und andere Vgel. Die Texteund Ablufe sind berliefert und werden nicht abgendert, es variiert nur das Talent derSchauspieler.

    El Entierro de la Sardina: Dieser Brauch Madrider Herkunft hat sich im Dorf Naiguata,Miranda erhalten. Eine Sardine aus Pappmache oder einem anderen Material wird, umgebenvon Frchten und anderen Geschenken, die in frheren Zeiten vermutlich Opfer fr dieFruchtbarkeit der Felder und erfolgreiche Fischerei waren, in einer Prozession durch den Ortgetragen. Dabei gibt es ein buntes Gefolge.

    Die wichtigsten Personen sind die Witwen, die von Mnnern dargestellt werden und den Todder Sardine dramatisch beklagen. Unter den Witwen befindet sich die Knigin, ebenfalls einMann, der am Vortag zu diesem Amt auserkoren wurde und in seiner Rede an das Volk dasLeben einzelner Dorfbewohner unter die Lupe nimmt. Die Witwen geben vor, ohnmchtig zuwerden, Geburten werden simuliert, wobei sich dann der ebenfalls im Gefolge befindlicheArzt um sie kmmert.

    Weitere Figuren sind ein Pfarrer, der die verschiedenen kirchlichen Sakramente, etwaEheschlieungen, parodiert, ein Teufel, der mit einem riesigen Dreispitz den Zuschauern zuLeibe rckt, und Polizisten.

    Fastenzeit, Ostern und Fronleichnam

    Frher waren in allen Stdten Theaterauffhrungen der Passion Christi blich, heutebeschrnken sie sich weitgehend auf den lndlichen Raum. Prgend fr die Bruche dieserZeit und speziell fr die Osterwoche ist die katholische Liturgie. Am Freitag werden diefr den Palmsonntag bentigten Palmwedel geholt. In einigen Orten verbindet sich diese

    Handlung mit einer Prozession. Am Palmsonntag selbst erfolgt die Palmweihe, die geweihten

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    Zweige werden in Kreuzform gebunden und als Schutz vor Bsem in Husern angebracht,aber auch in Brieftaschen getragen. Auch gibt es den Brauch, 33 Knoten in die Palmwedel zuknpfen, dem Alter Christi entsprechend, und pro Knoten ein Credo zu beten, damit sich

    Wnsche erfllen. Die ganze folgende Woche gibt es eine Reihe von Glaubensbungen in denKirchen und Prozessionen. Besonders wichtig sind diese am Mittwoch, dem Tag desNazareners. Aufgrund eines Gelbdes kleiden sich die Menschen in violette Kutten undbeteiligen sich an der Prozession, manche tragen auch Kreuze. Die Bue nimmt aber nichtAusmae wie etwa in Spanien an. Am Grndonnerstag treten in einigen Drfern noch diematracas in Aktion.

    La Quema de Judas: Am Ostersonntag wird eine mit kleinen Feuerwerkskrpern und Strohgestopfte Puppe verbrannt, die den Verrter Judas darstellt. Auch dieser Brauch isteuropischen Ursprungs. Vor der Verbrennung werden, je nach Originalitt der Verfasser,mehr oder weniger geistreiche Anklageschriften verlesen. Danach kommt das eigentlich

    wichtige Dokument, das Testament des Judas. Dieses enthlt teils sehr anzglicheAnspielungen auf Bewohner des Dorfes, bswillige oder komische Legate, die sich durchausauch auf die Regierung oder einzelne Vertreter derselben beziehen knnen (Fundacin Bigott1988: 47).

    Corpus Christi

    Waren in den meisten der bis jetzt beschriebenen Bruche europische Merkmalevorherrschend, so sind die Fronleichnamsfeiern vor allem von afrikanischen Elementengeprgt. Es handelt sich dabei um von Teufeln ausgefhrte Tnze, die in mehreren Ortenstattfinden, etwa in San Francisco de Yare, in Chuao, Ocumare, Cata, Cuyagua, Turiamo undPatanemo.

    Los Diablos Rojos de San Francisco de Yare: Die Teufel von Yare sind sicher diebekanntesten in ganz Venezuela und somit auch Touristen ein Begriff. An den Tnzen drfensich nur Mitglieder der Loge beteiligen, die das Fest organisiert. Neue Mitglieder werden amTag des Festes vom Pfarrer angelobt, wobei ein Gelbde abgelegt wird, eine bestimmte Zeitals Teufel zu tanzen. Die Tnzer kleiden sich in Rot, das Gesicht verdeckt eine Maske ausPappmach, die ein Tiergesicht darstellt. hnliche Masken sind in Afrika weit verbreitet.Angefhrt werden sie von einem Aufseher, dem capataz, dessen Macht ber sie mit einerPeitsche symbolisiert wird. Die musikalische Begleitung beschrnkt sich auf eine Trommel.

    Nach einer Morgenmesse erfolgt ein Umzug durch die Straen, am Nachmittag findet dieProzession des Allerheiligsten statt. Abschluss der Feierlichkeiten stellt ein als Manbabezeichneter Tanz vor dem Haus des Aufsehers zu dessen Ehre und jener seiner Frau statt.

    Die Zeit bis zur Sonnenwende

    Velorios de Cruz: Die Kreuzesanbetung ist im Mai im ganzen Land verbreitet. Sie findetentweder in Privathusern oder auf Dorfpltzen statt. Die Menschen versammeln sich um eingesegnetes Kreuz, bezahlte Musiker und Snger verehren es mit fr diese Zeremonie

    bestimmten Liedern. Dabei wird meist der Text improvisiert, und es kommt oft zu den sogenannten contrapunteos, musikalischen Wettbewerben zwischen zwei Sngern. Die

    musikalische Form ist vorgegeben, der Ausfhrende kann sich aber durch seine

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    Schlagfertigkeit, seine Kreativitt und seine Reime hervortun. Das Publikum bestimmt denSieger. Wenn auch der Inhalt der Lieder hauptschlich religis ist, so sind die Melodien dochsehr vielfltig. Typisch sind die decimas zur Musik des galeron, aber auch andere wie die

    fulias (Ramn / Rivera: 22-25).

    Tamunange: Dieser Brauch findet zu Ehren des Heiligen Antonius von Padua am 13. 6. statt.Es besteht vermutlich ein Zusammenhang mit spanisch-afrikanischen, buerlichen Riten. Er

    besteht aus Einzelteilen, die sich durch Rhythmus und Melodie unterscheiden. Das Eingangs-und Ausgangsstck sind spanischer Herkunft, die Mittelstcke afrikanisch beeinflusst (Ramn/ Rivera: 35).

    San Juan: Der 24. 6., der Tag des Heiligen Johannes des Tufers, ist an der ganzen KsteVenezuelas wohl der wichtigste Feiertag. Viele reisen von weit her an, um mitzumachen oderein Gelbde zu erfllen. Je nach Dorf unterscheiden sich die Feiern etwas voneinander. Da

    das Fest stark afrikanische Zge trgt, hngt es auch oft vom rtlichen Pfarrer ab, wieausgeprgt die Feierlichkeiten sein drfen. Die Art der Durchfhrung des Festes ist vonafrikanischen Sklaven geprgt worden, da dies das einzige Fest war, zu dem sie frei bekamen,und das sie nach eigenem Gutdnken gestalten konnten. Es gibt auch Theorien, dass denBesitzern der Sklaven die sehr sinnlichen Tnze gelegen kamen, weil einerseits Energienverbraucht wurden, die zu einem Aufstand htten fhren knnen, sie andererseits aber auchdie Fruchtbarkeit der Sklaven erhhten (Liscano 1949: 40).

    Das Fest beginnt bereits am Vorabend, wo die Statue des Heiligen, so der Pfarrer es erlaubt, ineiner Prozession aus der Kirche getragen wird, begleitet von der Musik der Trommeln. DieProzession bewegt sich tanzend. Anschlieend gibt es ein Fest im Dorf, bei dem ausgiebiggetrunken und getanzt wird. Manche Gelbde versprechen dem Heiligen, die ganze Nachtohne Pause zu tanzen. Die Musik besteht nur aus verschiedenen Trommeln, was aberaufgrund der Vielfalt dieser Instrumente und der Rhythmen keineswegs eintnig wirkt. Eswechseln ein Vorsnger und die Umstehenden im Gesang ab. Manchmal kam es vor, dass derPfarrer den Auszug der Statue verboten hatte. Von einigen Teilnehmern hrte man dann, dassdadurch keine richtige Stimmung aufkommen konnte, weil das eigentliche Zentrum derFestivitten fehlte, ihnen der Grund entzogen wurde.

    In einigen Orten wird die Statue auch ans Meer getragen, als Segen fr die Fischer;Feuerwerke werden ebenfalls abgehalten, dazu gehrt auch der Sprung ber das Feuer. Die

    Zeit um den 24. 6. ist auch besonders fr allerlei magische Akte gnstig, sowie fr dasVorhersagen der Zukunft durch Orakel. So werden etwa Eier in Wasserflaschen eingelegt undein Jahr darauf die Formen des geronnenen Eiklars interpretiert.

    Nach der Sommersonnenwende

    San Pedro y San Pablo: Diese Feier am 29. 6. trgt in vielen Ortschaften hnliche Zge wieSan Juan. In Guarenas und Guatire kommt noch die Darstellung einer Szene hinzu, die aufeine alte Legende zurckgeht. Es heit, einst habe die Sklavin Maria Ignacia den Heiligen derSklaven, Petrus, um die Heilung ihres Kindes gebeten und zum Dank fr das Wunder fr denHeiligen getanzt, da sie nichts hatte, was sie ihm sonst htte geben knnen.

    Das Fest beginnt mit einer feierlichen Messe. Anschlieend wird die Statue des Apostels im

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    Umzug durch das Dorf getragen. Ein Mann als Maria Ignacia tanzt verkleidet, mit einerPuppe am Arm, vor den Heiligen. Die Statue besucht eine Reihe von Husern und wird dann

    in die Kirche zurckgebracht. Danach geht die Feier frhlich weiter, mit Musik und Tanz, diedem afrikanischen Erbe Venezuelas entstammen.

    Nuestra Senora del Carmen: Am 16. 7. wird der Tag der Heiligen begangen. In Aragua gibtes Prozessionen und Tanz. In Margarita wird die Statue der Jungfrau auf ein festlichgeschmcktes Boot gebracht, das begleitet von anderen Booten, die Bucht durchfhrt. Dazuwird Musik gespielt und ein Feuerwerk veranstaltet. Die Jungfrau gilt als Patronin derFischer.

    Las Turas: Sie finden am 24. 9. in den Bundesstaaten Falcn und Lara statt. Es handelt sichum ein altes Ritual der Ayamanen und Gayonen und symbolisiert die Ernte. Beeindruckend

    sind vor allem die Instrumente, die den Tanz begleiten. Es handelt sich um den Schdel einesHirsches, einschlielich des Geweihs, wobei durch eine okzipitale (i.e. am Hinterhauptliegende) ffnung geblasen wird, um Klnge zu erzeugen. Der Klang ist eher dumpf undmelancholisch. Die Musik weist keine Einflsse anderer Kulturen auf, es ist wohl die amreinsten erhaltene indianische Form in Venezuela.

    Zum Tanz werden zwei lange Reihen gebildet, in denen immer ein Mann und eine Frauabwechseln. Pro Reihe gibt es einen Anfhrer. Diese beiden beginnen den Tanz, wobei sieGesten der Erneuerung und Reinigung mit der in der rechten Hand gehaltenen Rasselausfhren. Whrend dieser Zeremonie bleibt der Cacique, der Huptling, sitzen. Dann

    beginnt der allgemeine Tanz. Die Reihen bewegen sich in verschiedene Richtungen, wobeisie miteinander Figuren formen, die aus der Vogelschau betrachtet Kreise, Halbkreise undSpiralen ergeben, den traditionellen Mustern auf Keramiken nicht unhnlich. Ein einleitendesElement zum Tanz ist die Verlesung eines Reglements, Echo der frher blichen, oft sehrlange dauernden Erzhlungen im Rahmen der Feste der Eingeborenen (Acosta Saignes1948:48).

    Historischer Teil II2.1. Die Sklaverei in Venezuela. Der Sklavenhandel

    Es besteht kein Zweifel, dass die Sklaverei eine der wichtigsten Institutionen fr die

    wirtschaftliche Entwicklung der Kolonien war. Fr die Kirche war der Sklavenhandel schongar nicht in dem Ausma wie jener von Afrika nach Sdamerika und der Karibik nur schwerzu rechtfertigen. Schon Anfang des 16. Jahrhunderts haben sich einige Verteidiger derSchwarzen wie Molina, Sandoval, San Pedro Claver und Avendano hervorgetan, jedoch ohnedie sofortige Abschaffung der Sklaverei auszusprechen. Diese wollten nur das Leben derAfrikaner in der so genannten Neuen Welt verbessern.

    Die Situation der Indigenen sah, zumindest auf formaler Ebene, anders aus als jene derAfrikaner. Einerseits war es streng verboten, Indigene zu versklaven, andererseits waren dieencomiendas eine Methode, um Indigene auszubeuten und zu unterdrcken. Vielleicht lagder schwerwiegende Grund fr das Scheitern der Versklavung von Indigenen nicht einmal in

    der ablehnenden Haltung der Kirche, sondern in der physischen Konstitution der Indigenen,die keine schweren Arbeiten in Minen und auf Plantagen verrichten konnten. In Venezuela

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    haben wir es aber mit einer systematischen Ausrottung der Indigenen zu tun, sie wurdenverjagt und in Gefangenschaft genommen, obwohl sie nicht versklavt werden durften. Die

    Eroberer lieen sich durch die kirchlich geprgten Vorschriften nicht von ihren starkrepressiven Aktionen gegenber Indigenen und in weiterer Folge Schwarzen abbringen.

    In Spanien existierten keine einheitlichen Regelungen die Sklaven betreffend. Fr diespanischen Kolonien galten im 15. Jahrhundert einige Gruppen von Verordnungen, vor allemum die Flucht von Sklaven zu regeln, da schon zu dieser Zeit das Phnomen des marronagevorhanden war. Ein wichtiger Aspekt zum Thema Sklavenhandel ist, dass die Spanier andersals Englnder, Franzosen, Hollnder und Portugiesen keinen aktiven Anteil amSklavenhandel innehatten. Sie kauften nur die von den anderen gehandelten Sklaven. Hufigkamen Sklaven nach Venezuela, die in den Antillen geboren wurden. Andererseits gab es einegroe Vielfalt an afrikanischen Ethnien unter den Schwarzen, die von den Spaniern gekauft

    wurden.

    Die ersten Sklaven unter ihnen nicht nur Schwarze, sondern auch Weie kamen mit denersten Reisenden; sehr schnell aber erfolgte eine brokratische Regelung des Handels. Manmusste licencias (Genehmigungen) fr den Import von afrikanischer Arbeitskraft

    beantragen. Man musste aber bar zahlen, was fr den Kufer meist sehr schwer war, da eskaum Zahlungsmittel gab. Um den Handel zu intensivieren, begann die spanische Regierungmit der Vergabe von Sitzen an auslndische Sklavenhndler, um den Import von Sklaven zuerhhen. Ein Drittel der Sklaven mussten Frauen sein. Eine so genannte Pieza de Indiamusste nicht unbedingt ein Mann, sondern konnte auch eine Frau mit Kind oder zwei Frauensein, die die Strke eines jungen und gesunden Schwarzen ersetzen sollten. Aus diesem Grundgeben die Dokumente, die sich auf Piezas de India beziehen, niemals die genaue Anzahl derimportierten Sklaven an.

    Whrend der gesamten kolonialen Epoche gab es einen Mangel an Sklaven. Die Preisewurden erhht, aufgrund der Tatsache, dass die Kufer Steuern zahlen mussten. Wie gesagt,man musste bar zahlen, man konnte nicht mit Naturalien tauschen. Selbst sehr erfahreneForscher zum Bereich Sklavenhandel, unter ihnen Klein (1986), Knight (1970), Saco(1879) und Vila Vilar (1977), nennen daher niemals eine genauere Zahl der in die spanischenKolonien importierten Sklaven. Die Zahlen pendeln zwischen 1.000.000 und 5.000.000.Rawley (1981) spricht von 1.700.000, was vernnftig klingt. Megenney (1998:61-62) redet

    von Sklaven subsaharianischer Herkunft, die in die spanischen Kolonien gebracht wurden,und dass whrend der drei Hundert Jahre dauernden Zeit des Handels viele aus Senegambiastammten. Im 16. Jahrhundert stammt ein Groteil der Sklaven aus Cabo Verde, dem heutigenAngola. Congo, Biafra und Costa de Oro spielen als Herkunftsorte der Sklaven im 18.Jahrhundert eine wichtige Rolle. Mitte des gleichen Jahrhunderts unterlagen der Import vonSklaven keiner gesetzlichen Regelung, keiner Erlaubnisse und Verbote. Die Hacendadoskonnten mit allen auslndischen Hndlern verhandeln und auch mit natrlichen Produktenzahlen. Der freie Handel hatte aber fr Venezuela weniger Bedeutung. Im Gegensatz dazuwurde etwa in Kuba und Brasilien bis ins 19. Jahrhundert Sklavenhandel betrieben. Daserklrt, warum in beiden Lndern starke Elemente der Yoruba aus Nigeria und der Candomblin Brasilien zu finden sind (Hofbauer 2003:417 -443).

    In Venezuela hat sich im 18. Jahrhundert eine kultivierte und erzogene Klasse aus Pardos

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    (Mulatten und Schwarzen) entwickelt, die eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben derKolonie spielten. Jedoch galt der Terminus Pardo fr alle unreinen Rassen, da in Venezuela

    das Kastensystem vorherrschend war. Man unterschied zwischen in Spanien geborenenSpaniern, Weien Kreolen, Mestizen (Indigene+Weie), Mulatten (Weie+Schwarze),Zambos (Schwarze+Indigene), Indigenen und Schwarzen. Obwohl die Sklaverei von PapstPius II. schon im Jahre 1465 als die Portugiesen anfingen, Sklaven nach Europa zuimportieren ,von Paul III. im 17. Jahrhundert und im Jahre 1741 von Papst Benedikt XIV.verurteilt wurde, existierte der Widerspruch, dass spanische Missionre eigene Sklaven hatten(Brito Figueroa 1973:199). In vielen lateinamerikanischen Lndern grndeten Pfarrer sogenannte cofradias (Laienbruderschaften), zu denen Schwarze zhlten, die frei waren, undSklaven. Oft waren die Mitglieder dieser cofradias Angehrige bzw. Nachkommen ein undderselben afrikanischen Ethnie. Die Grndung dieser cofradias war eine Methode derChristianisierung nicht nur von Schwarzen, sondern auch von Indigenen. Trotz ihres

    Verschwindens im 19. Jahrhundert existieren einige bis heute. Im Rahmen dieserBruderschaften blieben viele afrikanische Traditionen erhalten, wie die Tnze der Teufel inVenezuela. In Caracas existierte eine cofradia von Schwarzen und Pardos, die Mitgliederder Ethnie der Tari gewesen sind. Eine andere organisierte bis vor zwei Jahrhunderten dieTnze der Teufel in Caracas. Im Dorf Chuao an die Kste Araguas existiert weiter einecofradia, die die Tnze der Teufel organisiert. Diese tragen Masken, die an jene erinnern,die die Bapende im Congo fr ihre Zeremonien verwenden (Pollak-Eltz 2000:35).

    Die Versklavung endete in den ehemaligen spanischen Kolonien erst zwischen 1840 und1860, was jedoch auf die Wirtschaft des Landes nicht allzu nennenswerte Auswirkungenhatte. Die Ex-Sklaven blieben meisten in der gleichen ruralen Zone und gehrten dann zurKlasse der Bauern, conuqueros und Arbeiter. In den Stdten versuchten die Pardos berden Weg der besseren Bildung fr ihre Kinder ihren sozialen Status zu verbessern.

    Der Sklavenhandel in Venezuela dauerte vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. DieSklaverei hatte in Venezuela keine gewichtige Bedeutung und war weniger streng als inanderen Lndern. Nach Einschtzungen einiger Experten gab es 50.000 importierte Sklaven,z.B., nach Brito Figueroa (1961:108) 6.596 im 16. Jahrhundert, 10.147 im 17. und 34.099 im18. Jahrhundert. Die Zahlen beziehen sich auf die legalen Importe. Jedoch existierten sowohlillegaler Schmuggel als auch die Migration von Flchtlingen aus den Antillen, so dass manvon 100.000 Sklaven ausgeht. Der Beginn des Sklavenhandels in Venezuela fllt mit der

    ersten Kolonialisierung zusammen. Die indigene Bevlkerung war nicht fr die schwereArbeit in den Minen und im Perlenfang geeignet, welcher das erste Geschft der Spanier inder so genannten Neuen Welt darstellte. Im Jahre 1525 brachte Geronimo de Ortal dieersten 400 Sklaven nach Parias Golf und Diego Caballero bekam eine Genehmigung fr dieVerbringung von Schwarzen nach Cubagua. Die Welser bekam auch eine Genehmigung frden Import von 4.000 Sklaven, aber weniger als die Hlfte von diesen kam in die Kolonie.Zwischen 1572 und 1575 kamen 1.000 Sklaven von Seiten Diego de Mazariegos nach LaGuaira. 1.300 kamen aus Cabo Verde, dem heutigen Angola, fr Grogrundbesitzer in Coro,El Tocuyo, Valencia, Caracas, Caraballeda, Trujillo und Nueva Segovia. Nach Brito Figueroa(1973:182) bekam ein Vorfahr von Simon Bolivar eine Genehmigung fr 3.000 Sklaven, einPlan, der aber nicht zur Gnze erfllt wurde.

    Es besteht kein Zweifel, dass zu Ende des 16. Jahrhunderts die Zahl der schwarzen Einwohner

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    grer als jene der Weien war, da um diese Zeit nur 2.000 Weie im Venezuela wohnten,whrend sich rund 5.000 Sklaven im Land befanden (Rosenblat 1956: I. 58-60, 87-90).Selbstverstndlich bestand die Mehrheit der Einwohner in der Kolonie aus Indigenen, obwohl

    es keine genauen Zahlen gibt. Die Europer hatten nur Kontrolle ber die Kstenregion und inden zentralen Hgeln. Bis Ende des 16. Jahrhunderts war der Handel von individuellenGenehmigungen geregelt. Die Mehrheit kam mit portugiesischen Schiffen. Die Preise warenimmer per Gesetz geregelt. Die Bezahlung erfolgte bar und nicht mit natrlichen Produkten.Aus diesem Grund florierte der Schmuggel aus Curacao. Nach Brito Figueroa (1973: 187-8)gelten fr das 17. Jahrhundert folgende Zahlen: 1610-13: 2.875 Schwarze, 1615-23: 4.825,1624-30: 3.300, 1631-39: 2.575. Der Bedarf an Sklaven erhhte sich im Laufe des 17.Jahrhunderts. Laut Brito Figueroa kamen die Sklaven aus Cartagena und Santa Marta. ZuEnde des 17. Jahrhunderts waren von den geschtzten 370.000 Einwohnern Venezuelas280.000 Indigene, 30.000 Weie, 30.000 Schwarze, 20.000 Mestizen und 10.000 Mulatten(Rosenblat 1956: I. 87-90).

    Ab 1695 wechselten die legalen Sitze an auslndische Hndler, die ihr Geschft an derafrikanischen Kste hatten. Das erste internationale Monopol dieser Art war die Co. Real deCacheu, ein portugiesisches Unternehmen, das fr eine Zeitspanne von sechs Jahren mit demImport von 10.000 Sklaven beauftragt wurde. Das war kein gutes Geschft, da die spanischeKrone aufgrund der Kriege in Europa die Vertrge nicht anerkannte. Im 18. Jahrhundert

    befand sich das Geschft in englischer Hand. Die Brokratie machte die Geschfte schwer.Trotzdem erhhte sich die Zahl der Sklaven im 17. und 18. Jahrhundert aufgrund desWachstums der Landwirtschaft, vor allem in den zentralen Hgeln. Der venezolanische Kakaowar sehr berhmt in Europa und hatte einen hohen Preis. Im Jahre 1765 war derSklavenhandel besonders wichtig. Man kann von einer Globalisierung des Sklavenhandelssprechen.

    Am 28. Februar 1789 wurde der Real Cedula erlassen. Danach konnten die auslndischenSchiffe Sklaven ohne Genehmigungen und Steuerzahlungen importieren. Das hatte wenigerAuswirkungen auf Venezuela, wo es gerade einen Kakaoboom gab, in dessen Zuge sich dieGrogrundbesitzer gemerkt hatten, dass bezahlte Arbeitskraft billiger als der Kauf und dieVerpflegung von Sklaven kam. Langsam entwickelte sich das Sklavenregime zu einemkapitalistisch-feudalen, was auch durch den Anbau von Kaffee und Tabak stimuliert wurde,fr den keine Sklavenarbeit notwendig war. In Venezuela gab es sowohl in den Stdten alsauch auf dem Land gengend gente de color, die frei waren, aber auch akkulturierte

    Indigene, Mestizen, Zambos und Mulatten, die kleine Lndereien besaen. Diese Arbeitskraftstand auch den Latifundistas (Grogrundbesitzern) zur Verfgung (Acosta Saignes1978:222). Man wei, dass die letzten Sklaven um 1800 kamen, da es keine Nachfrage mehrgab. Dieser Staus quo wurde durch das Gesetz zur Abschaffung des Handels im Jahre 1810ratifiziert.

    Whrend im 16. Jahrhundert die Mehrheit der Sklaven in den Kupferminen an der Kste undim Perlenfang in Cubagua arbeitete, waren sie im 17. Jahrhundert mehr in derTropenlandwirtschaft anzutreffen. Die Arbeitskraft der Sklaven wurde vor allem im Indigo-,Zucker- und Kakaoanbau genutzt, und dort vor allem in den zentralen Hgeln und inBarlovento. Mehr als 100 Jahre lang galt der venezolanische Kakao als der beste der Welt.

    Um 1750 arbeiteten 35.000 Sklaven auf den Kakao-Plantagen. Nach Einschtzungen von

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    Humboldt, Codazzi, Manuel Palacio Fajardo und Andrs Bello vermittelt uns Sojo Cardozo(1986: 74-5), dass es im Jahre 1812 800.000 Einwohner gab, von denen noch 62.000 Sklavenwaren. Die Mehrheit der Bevlkerung waren Pardos (Mestizen, Zambos, schwarze

    Mulatten). Nach Acosta Saignes (1955:29) belief sich zu Ende des 18. Jahrhunderts derschwarze Bevlkerungsanteil in den genannten Regionen auf folgende Zahlen:Aragua -12.932,Carabobo -6.903,Cojedes - 4.949,Distrito Federal -13.666,Guarico -11.967,Lara -13.971,Miranda - 23.599 undYaracuy - 4.069.

    Nach Humboldt (1956:150) hatte Venezuela in der zweiten Hlfte des 18. Jahrhunderts900.000 Einwohner, unter ihnen waren 60.000 Schwarze, von denen 40.000 in Caracas,10.000 in Maracaibo, 6.000 in Cumana und 4.000 in Flachland lebten. Um 1800 waren 62%der Bevlkerung Schwarze oder Pardos, 12% Indigene und 13% Weie. Es ist zu verstehen,dass die Mehrheit dieser Pardos Nachfahren von Indigenen und Afrikanern gemischt mitEuropern waren. Diese Zahlen zeigen, dass die Mestizaje (Vermischung) in Venezuela einschneller Prozess und die Anzahl der Sklaven relativ gering waren. In der letzten Dekade des18. Jahrhunderts war insbesondere die Sklavenzucht in La Victoria ein Geschft dieMenschen wurden fr den Verkauf im Flachland und an die orientalische Kste gezchtet.

    2.2. Der Marronage als berlebensstrategie. Seine Bedeutung fr die Wahrungvon TraditionenEs gibt sehr viele historische Quellen, gerade aus dem 16. Jahrhundert, ber Sklaven, die imInneren des sdamerikanischen Kontinents Zuflucht suchten. Die Quellen bezeugen zumeistihr Bestreben, ihr Leben zu regeln und nach ihren Traditionen zu leben. Die berhmten

    brasilianischen Quilombos des 17. Jahrhunderts sind von vielen Autoren beschriebenworden (siehe Minihuber 2003:313-329). Die Sitze der marroms in Surinam und Jamaicaexistieren noch heute. Die marrons, auch bushnegroes genannt, wurden niemals besiegt.Im Gegenteil, die hollndische Regierung musste jhrlich die Granmen (Chefs) bezahlen, umdie Tribus (Stmme) zu beruhigen. In Kolumbien existierten auch Gruppen. Der berhmte

    Palenque von San Basilio in Kolumbien wurde von Friedemann (1979) u.a. beschrieben. Indieser Gemeinschaft berlebte der einzige spanische patois afrikanischen Ursprungs ineinigen Begrbnisriten. An der pazifischen Kste Kolumbiens gibt es heute noch Ex-Sklaven,die in weit entfernten Zonen vom Minenbau und von der Landwirtschaft leben, Seite an Seitemit indigenen Gruppen. Im gesamten spanischen Imperium gab es Gesetze, um dencimarronaje (Marronage) zu bekmpfen, weil die Flucht von Sklaven ein in den Kolonienhufig anzutreffendes Phnomen gewesen ist. Es gab Gesetze, die das genehmigte Ausgehender Sklaven oder Befreiten von der Hacienda oder vom Arbeitsplatz regelten. Vor allemwhrend der Nacht war es verboten, dass sie fern blieben. Wenn ein Sklave ohne Erlaubnisseines Besitzers aufgefunden wurde, musste er bestraft werden. Sklaven durften keine Waffen

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    Seite 16besitzen und auch nicht in Kontakt mit cimarrones stehen. Trotzdem existierten vielePalenques (Sitze) in der Nhe der Haciendas und so gab es immer Kontakt unter ihnen.

    Nach Brito Figueroa (1973:326) gab es zwei Gesetze, eines aus dem Jahr 1571, das andere

    aus dem Jahr 1574, die die Strafen fr geflchtete Sklaven regeln sollten. Fr diejenigen, dieeinen Tag fehlten, gab es 50 Peitschenhiebe als Strafe, auch mussten sie den ganzen Taggefesselt werden. Auf acht Tage Abwesenheit standen 100 Peitschenhiebe. Denjenigen, dienach sechs Monaten aufgefunden wurden, drohte die Todesstrafe, das heit, sie wurdengehngt. Weiters beschreibt der Autor, dass freie Menschen, die cimarrones fanden, diemehr als 4 Monate entflohen waren, diese als ihre eigenen Sklaven behalten oder verkaufenkonnten. Spanier, die mit cimarrones handelten, wurden aus der Kolonie ausgewiesen.Trotzdem versuchten viele Sklaven durch den cimarronaje ihre Freiheit zu erlangen. Soflchteten sie in Landesinnere.

    In Venezuela existierten seit der zweiten Hlfte des 16. Jahrhunderts cumbes, rochelas und

    palenques mit Schwarzen. Schon zu jener Zeit gab es umfassende Gesetze zur Eindmmungvon cimarronaje und Aufstnden. Die Regierung bestrafte alle, die den geflchteten Sklavenhalfen. Oft wurden die cumbes von Sklaven gegrndet, die gegen die Besitzer rebellierthatten. Einige sind einfach von Sklaven gegrndet worden, die die Plantagen verlassen hatten,um ihre Freiheit zu erlangen. Manchmal fand man unter den cumbes auch Weie undPardos, die von der Justiz geflchtet waren oder Indigene, die nicht unter dem Mandat desPfarrers in den Missionen leben wollten. Andere waren auslndische Agenten, die dencimarrones dazu verhalfen, auf die Antillen zu flchten, vor allem mit Curacao.

    Einige Kreolen, die mit nahe gelegenen Siedlungen Handel betrieben, standen mit dencimarrones, den Flchtlingen, in geheimem Kontakt. Diese kauften ihrelandwirtschaftlichen Produkte und verkauften ihnen Textilien, Werkzeuge und Waffen. Diecimarrones lebten niemals vllig isoliert.

    Nach Pollak-Eltz (2000:65) gab es zwei Arten von cumbes:

    1 Festungsartige Orte, die relativ in derNhe der Haciendas standen, woRebellen oft ihre Waffendepots hatten,und von wo aus sie auch die Plantagenangriffen. In diesen Drfern lebten nicht

    viele Frauen und es gab auch keineconucos.Das trifft zum Beispiel aufden Cumbe von Ocoyta in der Nhevon Panaquire zu, beschrieben im Jahre1771. Die cimarrones lebten nichtstndig in diesen Festungen, nur wennsie im Krieg waren.

    2 Die Palenques, die weit entfernt von denbewohnten Zonen und fr die Verfolger auchnicht zugnglich waren. Diese genossen relativeStabilitt. Die Bewohner bebauten das Land undlebten in relativer Ruhe. Aus den conucos

    bezogen sie die notwendigen Lebensmittel,gelegentlich Gewand und andereBeschaffenheiten. Generell wussten die Verfolgervon diesen Drfern, lieen sie aber in Ruhe.

    Wahrscheinlich existierten whrend der kolonialen Epoche cumbes in den Bergen und inder Nhe der Plantagen von Chuao und in Cata an der zentralen Kste, die in sporadischem

    Kontakt mit den in den Haciendas arbeitenden Sklaven standen und die Kreolen waren. Ein

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    Seite 17Dorf, heute Cumbe genannt, in der Nhe des Ro Chico ist vor mehr als 200 Jahren voncimarrones gegrndet worden. Birongo, ein weit entlegenes Dorf in Barlovento, warursprnglich auch ein cumbe. Die Barloventer sagen, dass in Birongo viele Hexer lebten.Das Wort Birongo bedeutet Hexerei in der Bantsprache.

    Der erste Palenque, auf den Historiker aufmerksam wurden, ist das Resultat einesAufstandes in den Minen von Bura im Jahre 1552, unter der Fhrung des Negro Miguel,der gemeinsam mit einer Gruppe Indigener aus die Ethnie Jirajara Barquisimetoattackierte, wo er und seine Mitstreiter dann hingerichtet wurden. Der Knig Miguel lebtweiter in der mndlichen Folklore und als guter Geist im Maria Lionza Kult, der seit dem 19.Jahrhundert in Venezuela sehr bekannt ist (Taussig 1997:2-15).

    Etwa in der gleichen Epoche haben die Negros del Mariscal Castellanos cimarrones undIndigene, die ihre Drfer in La Guajira hatten viel Angst unter der weien Bevlkerungverbreitet, da sie isolierte Plantagen attackierten. Einige dieser cumbes wurden im Jahre

    1583 zerstrt. Der Mariscal Castellanos war kniglicher Kassier in Ro Hacha. Es wirdberichtet, dass dieser im Jahre 1562 Kontakt mit den schwarzen Rebellen hatte.

    Schon im Jahre 1593 gab es cumbes im Valle del Tuy. Auch Francisco de Brea Lezamafindet cumbes im Flachland von Barcelona. An den Ksten von Coro gab es immer wiedercumbes geflchteter Schwarzen aus den Antillen, die auch mit Flchtlingen aus

    benachbarten Plantagen lebten. Am Ende des 17. Jahrhunderts, nach einer kniglichenVerordnung, hatten Missionare die Aufgabe, die cimarrones zu minimieren, da dieAutoritten merkten, dass es keine andere Methode gab, um sie zu beruhigen und weil ihreExistenz eine Gefahr fr die ffentliche Ordnung darstellte. Aus diesem Grund wurden einigecumbes von Schwarzen und Indigenen im Valle del Ro Tocuyo reduziert.

    Die cumbes in der Region vom Ro Yaracuy spielten eine wichtige Rolle im Aufstand vonAndresote im Jahre 1732. Um die sozialen Spannungen in dieser Zone zu minimieren, habendie Missionare Salvador de Cdiz und Thomas Pons eine Gruppe von cimarrones undSchwarzen aus den Antillen in die Region des Mittellaufs des Orinoco gebracht und im Jahre1733 ein Dorf fr sie gegrndet (Acosta Saignes 1978:190). Andere Missionare arbeitetenunter den cimarrones in der Region von Gibraltar sdlich des Sees von Maracaibo. Um diecimarrones zu bekmpfen und ihre cumbes zu zerstren, organisierten die Hacendadosund ihre Helfer in den letzten Dekaden des 18. Jahrhunderts Fronten, die in der Tat einigePalenques in der Nhe von Caracas und Valle del Tuy zerstrten.

    Der Widerstand der cimarrones hrte aber nicht auf. Die Rebellion von Chirinos in Corowurde von cimarrones des Dorfes Santa Mara de la Chapa untersttzt, dessen EinwohnerSchwarze aus Curacao waren.

    Die Bedeutung des cimarronaje (Marronage) fr die Wahrung von Traditionen undLebenszusammenhngen aus der damaligen Zeit, die unsere Identitt als VenezolanerInnen

    betreffen, ist im Jahre 1720 von Jos Olavarriaga besttigt worden, der von 20.000cimarrones auf venezolanischem Territorium ausgeht (Acosta Saignes 1978:178).Mit den Unabhngigkeitskriegen stieg die Anzahl der cumbes, aber zu dieser Zeit waren die

    Autoritten mit wichtigeren Problemen beschftigt. Die Sklaven verlieen die Plantagen undniemand achtete drauf. Der cimarronaje als Phnomen, das den Widerstand der Sklaven und

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    Indigenen gegenber der spanischen Kolonialmacht erkennen lsst, hat tatschlich dasSklavenregime geschwcht. Einige Autoren sehen in diesem Phnomen, dass es dadurch

    weniger Aufstnde gab. In Wirklichkeit ist die Grndung von cumbes eine Form desProtestes gegen das herrschende Sklavenregime gewesen und die Flucht der Sklaven insLandesinnere, wo sie auf unbebaute Landflchen stieen, alles andere als eine leichteAufgabe fr die Betroffenen.

    Im 19. Jahrhundert verwandelten sich die cumbes in Drfer mit kreolischen Bauern und inder Gegenwart bilden sie Bauerndrfer. In einigen Drfern blieben sprachliche berbleibselisoliert erhalten. Bis in die Gegenwart ist das Phnomen der venezolanischen cumbes kaum,wenn berhaupt erforscht worden. Aus diesem Grund wird oft behauptet, dass beinahe keinekulturellen afrikanischen Einflsse erhalten geblieben sind, was in der Praxis nicht stimmt.Die Einflsse der afrikanischen Kulturen haben wie in verschiedenen Manifestationen der

    populren Kultur ersichtlich die Jahrhunderte berlebt und existieren in unterschiedlichenkulturellen Praxen weiter, die unseren Alltag kennzeichnen und die Frage nach unsererIdentitt und unseren Wurzeln beantworten helfen. Somit ist die venezolanische Identitt, fallswir von einer solchen sprechen wollen, in Traditionen verankert, die im vergangenenJahrhundert gefhrdet waren und inmitten des globalen Zeitalters, durch die ueren Einflsseder USA und des Westens, vor der Vernichtung standen (Taussig 1997: 99-116). Im heutigenVenezuela gewinnen Fragen und Diskurse an Bedeutung, die es erlauben, Aufklrung

    bezglich unserer Identitt zu schaffen. Einige davon werden in den Kapiteln zu Religiosittund nationaler Identitt und populrer Kultur genauer behandelt.

    2.3. Von woher kamen die Sklaven nach Venezuela?

    Mit diesem Thema haben sich Acosta Saignes (1978:93), Liscano (1956:77), Ascensio (1984)und Pollak-Eltz (1972:23) auseinandergesetzt. Es gibt trotzdem kaum genauere Quellen zudieser Frage und es ist heute noch schwierig, die Herkunft der Sklaven festzustellen. In denDokumenten werden die Hfen erwhnt, in die die Sklaven aus sehr abgelegenen Regionender Kste bis tief ins Innere des afrikanischen Kontinents gebracht wurden. Manchmal ist essehr schwer, die Stammesgruppen zu identifizieren, weil die Namen sich nicht auf eine Ethnie

    beziehen, sondern auf eine Region, ein Dorf oder einen Huptling. Die Sklaven kamen auchimmer mit auslndischen Schiffen, die Menschen aus verschiedenen Regionen brachten. DerHandel endete in Venezuela kurz vor 1800 und somit wissen die modernen Afrovenezolaner,

    mit wenigen Ausnahmen, nicht, woher ihre Vorfahren stammen. Auerdem wurden dieAngehrigen eines Stammes nach ihrer Ankunft in der Kolonie meistens voneinandergetrennt. So gingen in der Regel die Muttersprachen verloren und modifizierten sich dieTraditionen.

    Reine oder typische Traditionen im eigentlichen Sinne blieben nicht erhalten. Stattdessenfinden sich komplexe kulturelle Praxen, die mit der Herkunft der Sklaven in direktemZusammenhang standen. In Venezuela haben sich weder religise Elemente in Form einesganzen Kultes, wie der Candomble in Brasilien, noch eine Muttersprache erhalten. Jedochgibt es in der venezolanischen populren Kultur ausreichende Bant-Elemente wie z.B. dieCimbangheles-Trommeln, die Feste um San Juan Guaricongo in Curiepe und die Masken

    der Teufel von Chuao. Auch andere kulturelle Elemente stammen von Sklaven aus derWestkste, wie die Mina-Trommeln in Barlovento.

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    Seite 19Nach Venezuela kamen nicht viele Yoruba, weil diese die letzten Sklaven waren. DieMehrheit kam in der zweiten Hlfte des 19. Jahrhunderts aus Amerika. Es gab auch wenigerMandinga und Wolof, weil sie fr die Besitzer zu aggressiv waren. In Caracas lebten viele

    Tar von der Calabarkste, die darber hinaus ihre eigenen cofradia in San Mauricio hatten.In Yaracuy war auch diese Ethnie bekannt. In den Listen Acosta Saignes (1978:106) fr dieRegionen Barquisimeto und Cocorote gibt es viele Congos und Loangos, Angolas undMondongos mit Bant-Abstammung, aus der Region Zaire/Angola.

    Die linguistischen Studien von Megenney (1979-1998) belegen ein hohes Vorkommen vonVokabeln aus Bantsprachen, whrend der sudanesische Beitrag kaum Bedeutung hat. SechsBant-Sprachen aus der Region Zaire/Angola brachten 115 Worte, die in Venezolanischverwendet werden. Um eine Vorstellung von den Stammesgruppen insbesondere derAngehrigen sdsaharianischer Nationen zu gewinnen, die wahrscheinlich nach Venezuelakamen, hat Megenney (1998:47-49) jedes afrikanische Herkunftsland der Sklaven aufgelistet.

    Er nennt mehr als 200 ethnische Gruppen. Die linguistischen Studien knnen aber insgesamtdie Frage der Herkunft der Sklaven nur ungengend beantworten. In seinem Werk nenntMegenney (1998) 136 Worte, die seiner Meinung nach afrikanischen Ursprungs sind, aber erkann nicht versichern, ob ihr jeweiliger Ursprung eine gesprochene Sprache an derBeninkste, im Senegal oder vielleicht Bant aus Angola/Congo ist.

    Aufgrund von bereits existierenden Studien kann man davon ausgehen, dass die Sklaven, dienach Venezuela kamen, von der afrikanischen Westkste und aus Zentralafrika stammen,wobei die Mehrheit wahrscheinlich aus Zaire und Angola kam.

    2.4. Sklavenaufstnde in Venezuela

    Nach Brito Figueroa (1961:41) ist der Kampf der schwarzen Sklaven in der kolonialen Zeiteiner der wichtigsten Aspekte in der sozialen Geschichte Venezuelas. Der Autor beklagt sichber das unentschuldigte Schweigen der Historiker zu diesem Thema und dass diese auchdie Kmpfe der Sklaven nur als vorbergehende Aktionen ohne groe Auswirkungen, sowohlwirtschaftlich wie sozial, darstellen. Der Autor beklagt sich weiters, dass damit dieWissenschafter versuchten, die Bevlkerungsmasse der Sklaven und ihre Nachkommen alsresignierte Akteure darzustellen, die die Institutionen der Sklaverei pazifistisch akzeptierten.In diesem Zusammenhang teilt die Autorin Pollak-Eltz die Meinung von Historikern wieCarlos Felice Cardot (1952) oder Pedro Arcaya (1949), die sowohl ber Aufstnde berichten

    als auch von einem passiven Widerstand ausgehen.Tatsache ist, dass wenige Dokumente ber die Aufstnde der Sklaven existieren, aber es gibteinige, die ber wichtige Rebellionen berichten, die sowohl Menschenleben kosteten als auchmaterielle Verluste brachten. Meistens wurden die Aufstnde in nucleo besiegt und dieFhrer zum Tode verurteilt, wenn sie es nicht schafften, in Palenques im Inneren der KolonieZuflucht zu finden. Die Opposition zum Sklavenregime drckte sich auch nicht unbedingt nurin Rebellionen aus, sondern in der Flucht ins Landesinnere, wobei die cumbes ziemlichsichere Orte waren, die die spanische Armee kaum attackieren konnten.

    Der erste Aufstand der Schwarzen, der historisch dokumentiert ist, ereignete sich in den

    Minen Burias im Jahre 1552 und beschftigte die Autoritten des Ortes drei Jahre lang. Der

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    Seite 20Sklave Miguel, der den Titel eines Knigs annahm, grndete einen Palenque am Fluss SanPedro, der von 200 aus Buria geflchteten Sklaven bewohnt war. Dort lebten auch einigeIndigene aus der Ethnie der Jirajara, die von den Missionen und Encomiendas geflchtet

    waren. Auch andere von Plantagen geflchtete Schwarze gehrten zu den rebellierendencimarrones. Der Schwarze Miguel und seine Gruppe attackierten Drfer von Weien inder Gegend und in Barquisimeto. Aber die Rebellen wurden von der Armee besiegt(Hochmann 1978:82-84; 94-95). Nach Brito Figueroa (1961) muss der Aufstand des KnigsMiguel als eine Bewegung verstanden werden, die aus der Ausbeutung in den Minen und

    jener der Indigenen in den Encomiendas hervorging. Ein anderer bekannter Aufstand wurdevon einer Sklavin im Jahre 1603 organisiert. Es wird erzhlt, sie htte magische Krftegehabt. Der Aufstand ereignete sich auf der Insel Margarita. Die Frau wurde als Knigin derBewegung gefeiert und war spirituelle Heilerin. Am Ende wurde sie gefangen genommen undenthauptet.

    Whrend des 17. Jahrhunderts gab es viele Konfrontationen zwischen der spanischen Armeeund schwarzen Guerillas in der Region Ro Hacha. Trotzdem konnten die cumbes,

    bevlkert von Schwarzen und Indigenen aus der Guajira, nicht zerstrt werden. Aus demJahre 1650 wei man von bedeutenden Gruppen von cimarrones in der Nhe der Drfer LaGuajira, Yare, Charallave, Pariagun und Paracotos. Es wurde eine eigene Armee gegrndet,um die Rebellen zu besiegen. Die Strafen waren streng.

    In der gleichen Epoche gab es im Valle del Tuy Aufstnde von Schwarzen cimarrones, dieauch Auswirkungen auf die Plantagen hatten. Die Armee konnte einige Rebellen festnehmenund die Region unter Kontrolle bringen. Im Jahre 1732 konzentrierte sich die Aufmerksamkeitder kolonialen Autoritten auf Rebellionen im Valle de Yaracuy und in der Region rund umTucacas, wo auf Kakao-Haciendas arbeitende Sklaven sowie freie Schwarze, die nur frsich selber anbauten, lebten. Diese Region konnte nicht unter Kontrolle gebracht werden.

    Bis Ende des 17. Jahrhunderts gab es Proteste gegen die langen Arbeitszeiten,Ungerechtigkeiten und den Mangel an Essen. Die Sklaven wollten ihre Freiheit zumindestaber eine Besserung der Lebensbedingungen und der Arbeitsverhltnisse erlangen. AndereRebellen wollten ihren Traditionen entsprechend leben. Jedoch hatten die Aufstnde des 18.Jahrhunderts sozio-konomische und politische Hintergrnde. In den 30er Jahren des 18.Jahrhunderts fand die berhmte Rebellion von Andresote statt, bei der Sklaven undcimarrones eine bedeutende Rolle spielten, obwohl vordergrndig ein anderer Konflikt im

    Zentrum stand. Zu dieser Zeit monopolisierte die spanische Guipuzcoana-Handelsgesellschaftden interkontinentalen Handel in Venezuela. Die kreolischen Grogrundbesitzer gerieten ineinen Interessenskonflikt mit den spanischen Hndlern, da sie hohe Preise fr importierteGter bezahlen mussten, whrend sie fr ihre eigenen Produkte sehr wenig bekamen. Sohandelten sie mit den hollndischen Schmugglern aus Curacao.

    Zur selben Zeit flchtete der Sklave Andresote von der Plantage seines Besitzers in Yaracuy,fand sofort viele Anhnger unter den Sklaven und cimarrones und grndete eineGuerillagruppe. Die Bande fand die Untersttzung der Hollnder und der kreolischenHndler, die gegen die Monopolisten waren. Es ist mglich, dass die Hollnder die Rebellionuntersttzten, um die Monopolisten zu schwchen. Im Jahre 1731 kmpften die Sklaven mit

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    Seite 21viel Erfolg gegen die Armee von Luis Arias Altamirano, der von der kolonialen Regierungnach Falcn geschickt worden war. Die Sklaven kmpften, bis sie im Jahre 1732 von JuanFuentes und seiner Armee besiegt wurden. Andresote verschwand fr immer in Curacao(Felice Cardot, 1952).

    Im Jahre 1749 entdeckten die kolonialen Autoritten die ersten Spuren einer Konspiration vonSchwarzen aus der zentralen Region, die ihre Freiheit erlangen wollten. Die cumbes undHaciendas im Valle del Tuy waren wichtige Zentren dieser Konspiration, die niemals ineiner echten Rebellion mndete, weil die verantwortlichen Sklaven gefoltert undhingerichtet wurden (Pollak-Eltz 2000:74). Whrend der zweiten Hlfte des 18. Jahrhundertsfanden die Ideale der franzsischen Revolution groen Anklang in Sdamerika. Diese Idealewurden nicht nur von der oberen Schicht angenommen, die von ihrer Unabhngigkeit trumte,sondern auch von den Sklaven, die ber die politischen Ansichten ihrer Besitzer erfuhren. Frdie Oberschicht bedeuteten jedoch die Gesetze der Franzosen auch die Freiheit der Sklaven.

    Im Jahre 1770 besuchte ein brujo negro (schwarzer Hexer) namens Cocofo Plantagen undcumbes in der Gegend von Coro. Er erzhlte den Leuten von einem Dekret, das allenSklaven ihre Freiheit geben sollte, das aber von den Grogrundbesitzern verschwiegen wurde.Die Sklaven, die nicht abwarten wollten bis dieses Dekret wieder aufgefunden und in diePraxis umgesetzt wurde, flchteten in die cumbes in die Serrana von Coro. Zu dieser Zeitgab es aufgrund der schlechten Vertrge, die die Arbeitsbedingungen regelten, Streitigkeitenzwischen den Grogrundbesitzern und den freien Schwarzen, die als jornaleros(Tagelhner) auf ihren Plantagen lebten und arbeiteten. Die Tagelhner, auch conuquerosgenannt, mussten eine Steuer fr die Produkte bezahlen, die sie in Coro verkauften, was vielearme Bauern emprte. Im Jahre 1795 betraten zwei berhmte Persnlichkeiten die Bhne:Jos Leonardo Chirinos, Sohn eines Sklaven mit einer freien Indigenen, und Jos ClaridadGonzlez, ein schwarzer loango, der durch Flucht von Curacao Richtung venezolanischerKste zu seiner Freiheit gelangt war. Die zwei Mnner wussten, was in Haiti passierte undverlangten, dass auch in Venezuela die franzsischen Gesetze angewandt werden sollten, d.h.,sie verlangten nicht mehr und nicht weniger als die Freiheit der Sklaven. Chirinos undGonzlez hatten Anhnger unter Sklaven, freien Schwarzen und cimarrones. DieGuerilleros bereiteten einen Angriff auf die Stadt Coro vor. Aber die Weien erfuhren davonund besiegten die Rebellen, bevor diese die Stadt erreichten. So wurde der erste Aufstand

    politischen Charakters beendet, bevor er noch richtig begonnen hatte.

    Im Jahre 1798 gab es einen anderen Aufstand in der Region zwischen Cariaco und Cumana.

    Die Fhrer dieses Aufstandes waren ebenfalls von den revolutionren franzsischen Ideenbeeinflusst. Sie proklamierten die Freiheit der Sklaven und den Kampf gegen dieUnterdrckung durch die Weien. Der Gouverneur konnte aber die Rebellen festnehmen,

    bevor die Rebellion noch stattfand. Weitere Versuche gab es im Jahre 1799.

    Bei der gesamten Beschreibung drfen Einfluss und Rolle von Indigenen nicht vergessenwerden. Sie lebten in kleinen Gemeinschaften zusammen, was fr sie eine wichtigeberlebensstrategie und eine Mglichkeit erffnete, dem Joch der Weien zu entkommen.

    Dazu kam der Einfluss franzsischer und haitianischer Matrosen, die sich mit ihren Schiffenin den Hfen Maracaibos aufhielten; diese organisierten Treffen mit Pardos, Mulatten,

    Sklaven und freien Schwarzen, um die franzsischen Gesetze zu propagieren. Diese Kontakte

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    mndeten in dem Aufstand der Sklaven und Mulatten von Cartagena. Die Autorittenbekamen Wind davon und bestraften die Rebellen (Pollak-Eltz 2000:75).

    Zwischen 1800 und 1820 gab es wiederholte Male Gerchte ber einen Aufstand inBarlovento, in den zentralen Hgeln und an der Kste. Zu diesen kam es jedoch nie. DieWurzel dieser Gerchte liegt u.a. in der Angst der Weien, dass in Venezuela das Gleiche wiein Haiti geschehen wrde. Allerdings muss fr Venezuela gesagt werden, dass sich dieKonfrontation der venezolanischen Sklaven mit dem Sklavenregime im Lande eher in derFlucht in die cumbes und Palenques manifestierte als in organisierten Aufstnden. Indieser Zeit verlieen bereits viele Sklaven ihre Besitzer, ohne dafr bestraft zu werden. DieTolerierung dieses Zustands war den Besitzern lieber als ein Aufstand. Whrend derUnabhngigkeitskriege folgten viele der bolivarianischen Armee, andere der spanischenArmee. Nach der Flucht oder dem Tod des Grogrundbesitzers verlieen auch viele Sklavendie Plantagen. In der republikanischen Epoche gab es keine Sklavenaufstnde, obwohl

    whrend der Kriege Gruppen von schwarzen Guerilleros in verschiedenen Regionen desLandes bekannt waren. Diese wurden meistens als Schurken angesehen, obwohl es sich vieleher um Sklaven und Ex-Sklaven handelte, die weiterhin im Untergrund lebten und nicht nurum die eigene Existenz kmpfen mussten, sondern auch versuchten, ihre Rechte zu erlangen.Es war damals sehr schwierig, die verschiedenen sozialen Gruppen zu erfassen und ihneneinen alle Rechte umfassenden Status zu gewhren. Fr diese benachteiligtenMenschengruppen gab es keinen emanzipatorischen Sprecher, der ihre Realitten und Kmpfezum Ausdruck bringen konnte. Sie wurden nicht wirklich als Bevlkerungsteil betrachtet, derfr eine Causa kmpfte. Aus diesem Grund ist das Studium der Geschichte Venezuelas aus derPerspektive ihrer Befreiungskmpfer und ihrer Diskurse so zu verstehen, dass die Existenz der

    betroffenen Gruppen in den Kontext einer emanzipatorischen Bewegung gestellt wird.Insbesondere ist dabei die Perspektive auf die Protagonisten als Angehrige einer populrenKultur zentral, die schon von jener Zeit an und bis heute im Widerstand lebten.

    Im 16. und 17. Jahrhundert richteten sich die Rebellionen gegen die herrschendenInstitutionen des Sklavenregimes. Das Ziel der Aufstnde war u.a. die Rekonstruktion dersozialen Bedingungen vor der Versklavung. In der ersten Hlfte des 18. Jahrhunderts nahmendie Kreolen an den Kmpfen gegen die kolonialen Mchte teil, in der Erwartung, zu ihrerFreiheit zu gelangen. Am Ende des 18. Jahrhunderts spielte die Franzsische Revolution einewichtige Ideologie bildende Rolle fr die Rebellen. Die von den Sklaven entfachterevolutionre Flamme wurde whrend der Unabhngigkeitskriege von den kreolischen

    Patrioten weiter getragen, die das Ziel einer befreiten Heimat und im Weiteren das derBeseitigung der spanischen Herrschaft verfolgten. Nach der Unabhngigkeit und bis zurAbschaffung der Sklaverei traten die Aufstnde isoliert und sporadisch auf. Jedoch ist auchPollak-Eltz wie anderen Historikern zu widersprechen, wenn sie in den cumbes nur eineForm passiven Widerstands sieht. Ohne der besagten, von den Sklaven unter Mitwirkungunterdrckter Indigener entzndeten Flamme, ohne ihre Teilnahme und ihren kmpferischenGeist htten wir uns von den Fesseln der spanischen Herrschaft niemals befreit!

    2.5. Leben der Sklaven und Emanzipation

    Es gibt gegenwrtig viele Autoren, die ber das Thema diskutieren, ob in den

    iberoamerikanischen Kolonien die Sklaverei weniger streng organisiert war als im Norden des

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    Kontinents. Aus diesem Grund wird in historischen Quellen zu diesem Thema das Leben derSklaven beschnigend, als eines ohne Ungerechtigkeiten, Folter, Ausbeutung undBarbarismus, beschrieben. Autoren wie Juan Liscano (1946), Sojo Cardozo (1986) und viele

    andere, unter ihnen Humboldt oder Arana (1945) beschreiben das Leben der Sklaven auf dieseArt und Weise. In Wirklichkeit hatten sie nicht nur die schwere Arbeit in der Versklavung zuverrichten, ohne jegliche Rechte und bei schlechter Behandlung, ohne Mglichkeit ihreneigenen Traditionen und ihrem Glauben gem zu leben. Unter unmenschlichen Bedingungenlebten sie unter der Armutsgrenze und war ihre Existenz ein stndiger, vom nacktenberleben geprgter Daseinskampf.

    In den Quellen und Statistiken wird von schwerer Arbeit, Epidemien, fehlender rztlicherHilfe, Klagen ber die aufgeteilten Lebensmittel, Textilien und ber Geburten undBegrbnisse berichtet. Die meisten Todesflle sind laut diesen Quellen durch Geburtenoder Schlangenbisse einzelne Haciendas und Minen (Cocorote im 17. Jahrhundert oder

    Kakaoplantagen in den Chuao-Hgeln) sind dokumentiert, an denen sich letztere zutrugen verursacht worden. Die ersten Sklaven, die nach Venezuela kamen, arbeiteten in den Minen inden zentralen Hgeln und im Perlenfang in Cubagua und Margarita. Im 17. Jahrhundertentwickelten sich die Plantagen entlang der Kste, in den zentralen Hgeln, in Barlovento, imSden des Maracaibosees und in einigen orientalischen Zonen. Im 18. Jahrhundert bekam derKakao- und Indigoanbau eine groe Bedeutung zusammen mit dem Zuckerrohranbau sind

    beides landwirtschaftliche Sektoren, die von der Arbeitskraft der Sklaven abhngig waren.

    In den Stdten arbeiteten viele Sklaven als Hausangestellte. Sie hatten Zugang zu einerMindestausbildung. Viele konnten lesen und schreiben und sahen sich den Plantagenarbeiterngegenber berlegen. Unter diesen Sklaven spielten die Ammen eine wichtige soziale Rolle

    bei der Ausbildung der Kinder der Oberschicht. Es handelte sich bei ihnen um Personen, zudenen man groes Vertrauen hatte, und ihre Beziehungen zu den betreuten Kindern waren oftnher als jene zu den eigenen. Unter den Hausangestellten gab es Kche, Schneidermeister,Kutscher und Grtner.

    Whrend des 18. Jahrhunderts erlernten immer mehr Sklaven in den Stdten einen Beruf. Esgab Tischler, Schuhmeister, Schneidermeister und Zimmermnner. Diese wurden von denBesitzern an andere weitervermittelt, die ihre Dienste brauchten. Die Bezahlung dafr wurdezwischen Besitzern und Sklaven aufgeteilt. Diese Prozesse wurden aber kontrolliert. DieSklaven brauchten eine spezielle Genehmigung, um sich auer Hauses aufzuhalten. Einige

    hatten besondere Kenntnisse bei der Heilung von Krankheiten oder wurden geachtet, weilman daran glaubte, dass sie bernatrliche Krfte htten. Whrend der kolonialen Epochemussten die Sklaven Aufgaben erledigen, die die Weien nicht verrichten wollten. Zu diesengehrte z.B. die Arbeit als Bestatter oder als Henker.

    Historische Quellen berichten sehr genau ber an Sklaven vollzogene Strafen und ber brutaleGrogrundbesitzer, die hart gegen die Sklaven vorgingen. Tatsache ist, dass Sklaven relativ

    jung starben. Grund d