Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Gravitation

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415 I. Im 13. Biiiitlt. der Zeitschrift fur Mathemtltik und Phyaik auf p. 93-104 habe ich gezeigt: Wenn man snnimmt. die bisher unerkliirte Rewegung des Perihels der Merkursbahn von 41” i 11 ciiiem Jahrhundert ruhre von einem Zeitverhrauch bei der riiumlichen Ausbreitung der Gravitation her, so ergibt sich fur ihn ein Wert, der gleich der Geschwindigkeit des Lichtes, der Wiirmestrahlen und der elektrischen Wellen ist. Man beachte, was sich hierin durch Rechnung und Beob- achtung wirklich beweisen liiBt, und was zuniichst ohne Naoh- weis vorausgesetzt wird. Besteht die Gravitation zwischen zwei Massen in einer Wirkung, die sich mit Zeitverlust von der ersten auf die zweite und umgekehrt ubert,ragt, dam findet man, daB dadurch ein Fortrucken des Perihels eines Planeten hervorgebracht werden mul3. Aber man kann nicht beweisen, daB der aus keinerlei Storungen abzuleitende Be- trag der Perihelbewegung des Merkur keinen anderen Ur- sprung als den angenommenen Zcitverlust habe. Ergiibe die 1) Diese Arbeit Gerbers ist als Pmgrammabhandlung des stiidti- when Realgymnaeiums zu stergad i. Pomm. 1902 yedfentlicht warden, naohdem eine gekurzte Darstellung ihres Inhalta in der Zeitachrift tiir &themat& und Physik 43. p. 93-104 im Jahre 1898 ersohienen war. Mit dem Neudruck der schwer zugiinglichen hgramrnabhendlung in den Annalen wird einem Wunsche entaprochen, der mir von versohiedenen Seiten aaliiBlich meines Artikels in diesen Annalen, Bd. 61, p. 119-124. 1916 BepuSert worden ist. - Gerber etellt eine Beziehung zwischen der Iioht- phwindigkeit und der Gravitation her und vermag die Perihelbewegung des Merkur quentitativ zu erkliiren. Ob und wie rich die Theorie Gerbers mit den bekannten elektromagnetieohen Grundgleichungen zu einer ein- heiflichen Theorie verschmelzen IiiBt, ist eine schwierige Rage, die noch der Liisung harrt. E. Gehrcke. 2’1 *

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I. Im 13. Biiiitlt. der Zeitschrift fur Mathemtltik und Phyaik

auf p. 93-104 habe ich gezeigt: Wenn man snnimmt. die bisher unerkliirte Rewegung des Perihels der Merkursbahn von 41” i 11 ciiiem Jahrhundert ruhre von einem Zeitverhrauch bei der riiumlichen Ausbreitung der Gravitation her, so ergibt sich fur ihn ein Wert, der gleich der Geschwindigkeit des Lichtes, der Wiirmestrahlen und der elektrischen Wellen ist. Man beachte, was sich hierin durch Rechnung und Beob- achtung wirklich beweisen liiBt, und was zuniichst ohne Naoh- weis vorausgesetzt wird. Besteht die Gravitation zwischen zwei Massen in einer Wirkung, die sich mit Zeitverlust von der ersten auf die zweite und umgekehrt ubert,ragt, d a m findet man, daB dadurch ein Fortrucken des Perihels eines Planeten hervorgebracht werden mul3. Aber man kann nicht beweisen, daB der aus keinerlei Storungen abzuleitende Be- trag der Perihelbewegung des Merkur keinen anderen Ur- sprung als den angenommenen Zcitverlust habe. Ergiibe die

1) Diese Arbeit G e r b e r s ist als Pmgrammabhandlung des stiidti- when Realgymnaeiums zu stergad i. Pomm. 1902 yedfentlicht warden, naohdem eine gekurzte Darstellung ihres Inhalta in der Zeitachrift tiir &themat& und Physik 43. p. 93-104 im Jahre 1898 ersohienen war. Mit dem Neudruck der schwer zugiinglichen hgramrnabhendlung in den Annalen wird einem Wunsche entaprochen, der mir von versohiedenen Seiten aaliiBlich meines Artikels in diesen Annalen, Bd. 61, p. 119-124. 1916 BepuSert worden ist. - Gerber etellt eine Beziehung zwischen der Iioht- p h w i n d i g k e i t und der Gravitation her und vermag die Perihelbewegung des Merkur quentitativ zu erkliiren. Ob und wie rich die Theorie G e r b e r s mit den bekannten elektromagnetieohen Grundgleichungen zu einer ein- heiflichen Theorie verschmelzen IiiBt, ist eine schwierige Rage, die noch der Liisung harrt. E. Gehrcke.

2’1 *

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Voraussetzung dieses Ursprunges einen von der Liclit geschwin- digkeit verschiedenen Wert fur die fragliche Ausbrtitungszeit, so wiire daher dies von keinem weiteren Belang. Erst die aereinstimmung beider Geschwindigkeiten rechtfertigt jene Voraussetzung und dadurch die Vorstellung von eiiier end- lichen Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Gravitation.

Aber gerade diese Ubereinstimmung ist nicht bloB das Yeue, sondern auch das Unerwartete meiner Ableitung. Denn so sehr man von vornherein glaubte, die Geschwindigkeit der Gravitation wurde sich gleich der Lichtgeschmicdigkeit offenbaren, haben doch alle friiheren exakten Verscche, sie zu bestimmen, zu einem anderen, meist vie1 groBeren Werte gefuhrt; so daB es zum Teil sogar den Anschein gewann, als giibe es uberhaupt keinen Zeitverlust beini Zustandekommen der anziehenden Krilfte zwischen den Massen. Schon Mach hat in der vierten Auflage seines beruhmten Werkes uber die Mechanik in ihrer Entwicklung auf den Gegensatz zwizchen meiner und den alteren Untersuchungen au€merksam gc nincht. Woran liegt es nun, daB auf einmal das seit lange so unwahr- scheinliche Resultat erhalten wird? Ich habe in meinrr Ab- handlung die Antwort darauf nur in ganz fluchtiger And( utung gegeben, um weitlaufige methodische und abnliche Erortcrungen zu vermeiden. Man wird mir indes wohl recht geben, wrnn ich cine ausfuhrlichere Rechenschaft nach dieser Seite hin fur er- forderlich halte.

Folgendes muB vor allem bedacht werden. Nachdem ver- schiedene Ermittelungen der Gravitationsgeschwindigkeit SO

verschiedene Ergebnisse geliefert haben, daB die gefundenen Zahlenwerte zwischen drei Fiinfteln und zehn Millionen der Lichtgeschwindigkeit schwanken, muB man vermuten, daB nicht der Verlauf der Rechnungen oder die Wahl der Beob- achtungen, sondern die zugrunde gelegten Annahmen die groBen Unterschiede verursacht haben. Dies wird sich auch in der Folge bestatigen. Jedenfalls ist es voreilig, jenen Er- gebnissen astronomische Sicherheit zuzuschreiben, wie zu- weilen geschieht. Nachdem meine Untersuchung gezeigt hat, daB gewisse Vorstellungen iiber den Zeitverbrauch bci der Augbreitung der Gravitation zu dem Werte der Lichtgeschwin- digkeit fuhren, kommt es daher nicht in erster Linie in Be- tracht, ob sich die Geschwindigkeit der Gravit.ation an den

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Planetenbewegungen, am Umlauf des Mondes oaer an snderen kosmischen Vorglingen verrat, sondern wie weit sich Grund- vorstellungen uber die F’ragen, was sich im Raume zwischen den Massen ausbreitet, welche MaSzahlen dadurch unmittelbar beeinflufit werden, von welcher Art und Groh der EinfluB in1 einzelnen ist, entwickeln und sicher begriinden lassen. Es wird sich erweisen, daB die alteren Methoden deli hierdurch bedingten Forderungen nicht geniigen. In der Hauptsacht. sehe ich von Wiederholungen des in meiner friiheren Abhand- lung Vorgetragencn ab. Es handelt sich besonders um kritische und historische Erlliuterungen zu grundlegenden Einzelheiten, die dort abpichtlich nur kurz oder gar nicht erledigt worden sind.

11. Drei Hauptpunkte miissen vorsngestcllt werden. Der erste

betrifft den Begriff, den man sich yon dem Raume, worin Gra- vitationsvorglinge stattfinden, bei der Ruhe und bei der Be- wegung der Massen zu machen hat; dcr zweite die Bedeutung des Gravitationspotentials fur die vorliegende Frage ; der dritte den von der Dauer der Fortpflanzung im Raume verschiedenen, doch ihr verwandten Zeitverbrauch zur Mitteilung der Wirkungen an die Massen.

Man stellt sich gegenuber den1 sogenannten Rhtsel der Schwerkraft meist so an, wie wenn es wesentlich gglte, eine mechanische Ursache zu finden, durch die das Gravitieren der Massen bewirkt werde. Die Vorstellung von StoBen oder von Wellenimpulsen steckt haufig im Hintergrunde oder wird offen zur Hilfe genommen, wenn man von einer sukzessiven Fortpflanzung der Gravitation spricht. Es ist aber weder mehr notig noch m@lich, als zu untersuchen, wie weit den Gravitationsvorgangen *die Awnahmestellung, die sie vor allen ubrigen physikalisohen Vorgangen zu hsben soheinen, wirklich zustehe, wie weit dime Stellung rielleicht bloS Gchein sei. D. h. es kommt darauf an, die Gravitation in Zusammenhang mit dem physikalischen Gesamtsystem zu begreifen. Der Nachweis ihrer sukzessiven Fortpflanzung im Raume ist die erste Bedingung, die erfiillt sein mu& wenn ihre Ausmhme- stellung aufhoren soll. Denn es ist ein erheblicher Untemhied, ob man sie von dem einen oder dem anderen Gesichtspunkte aatffaBt. Denkt man sich zwei Massen plotzlieh, wie aus den]

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Nichts, in den Raum versetzt, und in demselben Augenblick sich auch anaiehen, so ist dies alles, was vorgeht, und beruht auf der gleichzeitigen Anwesenheit beider Massen. Denkt man sich aber, die Anziehung beginne erst einige Zeit, nachdem die Massen in den Raum gebracht worden sind, so mu8 sich von jeder aus in die Umgebung ein Zustand verbreiten, den man im Vergleich zu der vorangegangenen Beschaffenheit des Raumes einen Zwangsznstand nennen kann, und der, sobald er die andere Masse erreicht hat, sich durch deren Bewegung kund gibt. Im ersten Palle bleibt um eine Masse, solange sie allein ist, der Raum indifferent, da er es im Grunde auch bei Anwesenheit einer anderen Masse ist und nur den tren- nenden Abstand ermoglicht; im zweiten Falle tritt der Zwangs- zustand in der Umgebung einer einzelnen Masse auch ein, ohne da8 andere Massen zugegen zu sein brauchen.

Man erwiige, daf3 der Zwangsaustand keine emyirische Tatsache bedeutet, sondern rein aus drm Begriffe der suk- zessiven Fortpflaneung folgt und erst durch sie zur Tatsache werden kann. Wo man die Fortpflanzung annimmt, ohne jenen Zustand und die sich aus ihm ergebenden Konsequenzen mit vorzustellen, verwickelt man sich also in Widerspriiche. Wie der Raum um einen elektrisch geladenen Korper als elek- trisches Feld bezeichnet wird, indem man damit ausdriickt, in ihm habe durch die Ladung eine Veriinderung stattgefunden, so muB man auch sagen: Wenn in einen Raum eine Masse ge- bracht wird, entsteht ein Gravitationsfeld, d. h. von der Masse anfangend breitet sich in immer weiterem Umfange eine ge- wisse Veriinderung aus. Worin sie besteht, entzjeht sich ganz unserer Kenntnis; mir gewahren ihr Dasein allein durch die Snziehung, die eine andere in das Gravitationsfeld gebrachte Masse crleidet. Ihr Begriff ist sogar hiermit erschopft; und man wurde sie falsch verstehen, wenn man sie als etwas von den Massen Abgesondertes betrachten und erforschen wollte. BloB riiumliche und zeitliche Beziehungen, die aber uber ihr Wesen, die Anziehung der Massen zu vermitteln, nichts Neues lehren wiirden, konnten in Frage kommen. Eine solche Be- ziehung ist das ' ZeitmaB des riiumlichen Fortschreitens des Zwangszustandes. worauf die Geschwindigkeit der Gravitation beruht.

Sollte dies zu abstrakt erscheinen, so erinnere man sich,

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daS man z. B. auch iiber die Ausbreitung des Lichts nichts weiter aussagen kann. Allerdings liiSt sich zeigen, daD langs pines Lichtstrahles ein periodischer Vorgang stattfinden muS ; dennoch weiB man nicht, was es eigentlich sei, das abwech- selnd anwiichst und abnimmt, selbst wenn man es elektrische oder magnetische Kraft nennt, womit ja ebenfalls, abgesehen ron der sichtbaren oder denkbaren Wirkung auf die in den betreffenden Ort zu bringenden Korper, ein undefinierbarer, im tibrigen auch der Definition nicht bediirftiger Zustand be- zeichnet wird. Aber die Abstraktion, daS die raumliche Aus- breitung der Massenanziehung in der Ausbreitung eines ge- wissen, nicht welter spezialisierten Zwangszustandes des Raumes besteht, ist nicht so leer, daS sie nicht den EinfluS der Gravi- tationsgeschwindigkeit auf die Bewegung der Massen erkennen IieBe. Die Beschrhnkung auf den reinen Begriff schiitzt nur davor, mehr zu folgern, als dcr Sache und der Voraussetzung angemessen ist .

Nun seien zwei Massen, die zur Vereinfaehung an hus- dehnung beliebig klein gedacht werden mogen, und von denen zur Unterscheidung die eine die anziehende, die andere die angezogene heiBe, in einem bestimmten Abstande voneinander in Ruhe. Dann hat der Zwangszustand Zeit, sich von der einen zur anderen und umgekrhrt auszubreiten. Man kann ihn in den verschiedenen Raumelementen rings um die Massen, also auch in den verschiedenen Raumelementen liings des Ab- standes nach einem passenden MaSe gemessen annebmen. Teilt man auf dcm Abstande lauter unendlich dunne Zonen ab, so darf man das MaS des Zustandes innerhalb jeder Zone nls tonstant betrachten. und es trifft z. B. bei der angezogenen Masse die von der anziehenden Masse herriihrende Zone s mit der von der angezogenen Masse herriihrenden Zone 1 au einem kombinierten Zwangszustmde znaammen. Die Be- wegung, die die Massen, sobald sie losgelassen werden, gegen- einander vollfuhren, geschieht erfahrungsmibJ3ig rtacb dem Newtonschen Gesetze. Entsprechend t a t , wenn die an- ziehende Masse um die.Breite von t Zonen und die angezogene urn die Breite von 1 Zone niiher nach der anderen hin liingere Zeit in Buhe erhalten and dann frei gematht wird, bei der angezogenen Masse die von der an5iehenden herriibende Zone s-&-I mit der von der angezogenen herruhrenden

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Zone 1 zusamnieii iind erfolgt die Bew-rgung fur den neuen Abstand ebenfalls nach dem Newt onschen Gesetze. lni cmten wie im zweiten Falle beginnen, nachdem die Bewegung beiderseits angefangen hat, sich die Zwangszustiinde von jeder Masse aus in immer neucr Verteilung im Raume fort- zupflanzen. Wenn aber die Massen aus ihrer Ruhe in der ersten Lage in freier Bewegung zur zweiten Lage ubergehen, langt die angezogene Masse nicht bei der von der anziehenden Massr herruhrenden Zone s-t-1, sondern bei der Zone 8-1 an; denn die von der anziehenden Masse ausgegangenen neuen Anordnungen des Zwangszustandes sind inzwischen noch nicht bis zur angezogenen Massc vorgedrungen und der durch die Anfangslage bedingte Zwangszustand besteht daher hier noch fort. Trotzdem - und dies ist besonders zu beruck- sichtigen - trifft der von der anziehenden Masse hcrruhrende Zwangszustand s-1 nicht mit einem von der angezogenen Masse herruhrenden Zustande 1 zusammen, wodurch der Zwangszustand in der Nahe der angezogenen Masse die Yer- teilung anniihme, die er in der Ruhe der Massen fur pinell im Vergleich zur urspriinglichen Lage um die Breite (liner Zone verringerten Abstand hatte. Denn wahrend sich die angezogene Masse durch die Breite einer Zone bewegt, cut- wickeln sich von ihr aus fortschreitend immer neue Anord- niingen des Zwangszustandes, weshalb, wenn sie am Ende der Zonenbreite angekommen ist, sich in der Breite der fol- genden Zone der Zustand einer ersten Zone erst zu bilden anfiingt und von den in den fruheren Lagen ausgesandten Zustiinden zwar ein Teil der jetzt angrenzenden Zone von dem Zustande einer ersten Zone erfiillt, ein anderer Teil aber von dem Zustande einer zweiten Zone eingenommen wircl.

Man kann sich das letzte anch aus der Unmoglichkeit des Gegenteils klar machen. Wenn namlich in dem Augen- blick, in dem die angezogenc Masse die Breite einer Zone zuruckgelegt hat, die Breite der jetzt angrenzenden Zone, die von der anziehenden Masse her den Zustand der Zone 8-1 enthlilt, zugleich ganz von dem Zustande einer Zone 1 erfiillt sein sollte, mul3te sich in der Zeit, in der die angezogene Masse eine unendhh kleine Strecke zweiter Ordnung durchlauft, der Zwangszustand um eine unendlich kleine Strecka erster Ordnung fortpflamen, d. h. er muSte eine unendlich grol3e Geschwindigkeit.

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haben, was gegen die Voraussetzung ist. Auch wurde pa, 1111

Falle die anziehende Masse ruhen bleibt, mithin sich ihr (fravi- tationsfeld nicht iindert, wenn jene Zonen s-1 und 1 genau aufeinander treffen sollten, einerlei sein mussen, ob mail an- nimmt, das Gravitationsfeld der angezogenen Masse sei fest mit der Masse verbunden und schobe sich mit derselhen (fe- schwindigkeit, die diese hat, durch das GmvitationsfrJld drr anziehenden Masse hin, oder ob man sich vorstellt, die Zoneii des Gravitationsfeldes der angezogenen Masse durchdrlngen. gleichsani losgelost von der Masse, mit einer nnderen Ge- schwindigkrit, als diese befolgt, die Zonen des Gravitations- feldes der ansiehenden Masse, was der Voraussetzung einer endlichen E’ortpflanzungsgeschwindigkeit des Zwangszustandes entsprich t urid eine andere Kombination der bciderseitigen Zonen der Massen und darum eine andere GroSe dei. Anziehung als dic erste Annahme ergibt.

I )it. Bewegung der angezogcnen Masse geschieht also nich t bloB nicht nach dem Newtonschen Gesetze, wie t’s fur den wirklkh vorhandeneii Abstand der Massen in der Huhe gelten wurde, sondern fur die Abweichung von ihm kann auch nicht der Abstand der angezogenen Masse von dem Punkte nial3- gebend sein, den die anziehende Masse einnahm, als der von ihr anlangende Zwangszustand von ihr ausging. I h n die angexogene Masse selbst bestimnit durch ihre Geschwindigkeit zueammen mit der Geschwindigkeit des Zwangszustandes ihr Verhalten in dcr in Rede stehonden Lage mit. Es ist hier nicht wio z. B. bei der Fortpflanzung des Liohtes, wo es sich

anderen gelangt. Vielmehr hangt die Gravitationsbewegung einer Masse von dem Zustande des Raumes in ihrer nachsten Umgebung ab, und dieser wird ebensowohl durch sie selbst wie durch die ubrigen Massen beeinfldt.

Sobald man aber daran geht, die hderung, die danach das Newtonsche Gesetz erleidet, naher zu ermitteln, be- rnerkt man, dal3 es nicht gleichgiiltig ist, ob man das Gesetz selbst in der Form der beschleunigenden &aft oder des Po- tentials zugrunde legt. Man kann nachweisen, daS es uomdg- lich iat.. aHein aus der Kenntnici des Newtonschen Gesetzes und der Annahme einer endlichen Fort-pilanzungsgeschwindig- keif des Zwangszustandes die beschleunigende Kraft bei der

einfach darum handelt, daB das Licht des einen Kijrper, Q ZUlll

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Bewegung der Massen zu finden, daB man unmittelbar nur die Potentiale der Massen aufeinander bestimmen kann.

Weil namlich auBer der Voraussetzung der Geschwindig- keit der Gravitation das Newtonsche Gesetz die einzige zu- grunde liegende Tatsache ist, um die fragliche Anderung fest- zustellen, und weil es um dieser Anderung willen nur fur die Ruhe oder den Ubergang aus der Ruhe zur Bewegung als streng gultig angesehen werden darf, so hat man zur Er- reichung des gesteckten Zieles kein anderes Mittel, als zu zeigen, dalj bei einem gewissen Abstande der Massen in der Bewegung der Gravitationswirkung den nach jenem Gesetze fur einen anderen angebbaren Abstand in der Ruhe geltenden Wert habe; oder genauer, man mulj Abatiinde bei der Bewegung aufsuchen, fur die der Zwangszustand in der N&he der einen oder beider Massen dieselbe Verteilung hat, wie fur andere bestimmte Abstande bei der Ruhe. Dabei versagt aber der Busdruck fur die beschleunigende Kraft. Renn da diese eine gerichtete GriiBe ist und von der Anordnung des Zwangs- zustandes in der Umgebung der bewegten Masse abhangt, ist es nicht fur einerlei zu erachten, ob sich der Zwangszustand bei einer bestimmten Anordnung in einem durch Ruhe der Massen bedingten und eingetreteneri Gleichgewicht oder in einer wegen ihrer Bewegung stetig erfolgenden Veranderung befindet. Im ersten Falle kann nur dcm Zwangszustande an sich eine gerichteto und richtende Wirkung zuteil sein; im zweiten Falle kommen noch die gerichteten und richtenden Wirkungen hinzu, die die betreffende Masse durch ihre Be- wegung und der Zwangszustand durch seine Fortpflanzung ituszuuben imstande sind. Die Ergrundung des Zusammen- hanges dieser drei Wirkungen wurde eine Kenntnis von der Beschaffenheit des Zwangszustandes erfordern, die uber den aus der Annahme einer endlichen Geschwindigkeit der Gravi- tation abgeleiteten Begriff hinausginge und gar nicht zur Dis- kussion gestellt werden kann. Anders liegt die Sache, sobald man sich zum Potential wendet. Dieses ergibt ntach dem Ne wtonschen Ausdruck fur einen bestimmten Abstand von der anziehenden Masse die Arbeit an, die zu leisten ist, wenn die Einheit der angezogenen Masse in unendliche Entfernung geriickt werden soll, sofern die Geschwindigkeit, mit der dies geschieht, nicht in Anrechnung zu kommen braucht, also

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einen beliebig kleinen, sich Null als Grenze niihernden Wert hat. Seine hier in Frage zu ziehende GroSe bei der Bewegung ist die entsprechende Arbeit, wenn die Geschwindigkeit einen merklichen konstanten Betrag erhalt. Seine raumliche cder seine raumliche und zeitliche hderung, multipliziert mit der angezogenen Masse. bestimmt den Zuwacha oder die Abnahme der lebendigen Kraft und der potentiellen Energie der Gravi- tation zwischen den Massen beim Ubergange aus einer in pine andere Lage. Sie bestimmt mithin auch die beschleunigenden Krafte. Das Potential muS daher ebenfalls von dem die Masse, auf die es sich bezieht, umgebenden Zwangszustande abhangen. Aber es ist keine gerichtete GrbBe, weshalb auf seinen Wert nicht die gerichteten und richtenden Wirkungen, die der Zwangs- zustand an sich und durch seine l’ortpflanzung und die Masxe durch ihre Bewegung hervorzubringen vermiigen, von EinfluS sein konnen. D. h. wenn die Verteilungen des Zwangszustandes in der Umgebung einer Masse bei der Ruhe und bei der Be- wegung dieselben sind, mussen auch die Potentiale auf die Masse, die der Zwangszustand zu erzeugen fiihig ist,, gleich sein.

Im letzten Grunde kommt der beschriebene Unterschied darauf hinaus, daS man bloS dem Potential, aber nicht der beschleunigenden Kraft eine Geschwindigkeit zusprechen kann. Ich habe auch in meiner fruheren Abhandlung sogleich mit dem Potential eingesetzt. Im eigentlichen Sinne des Wortrx kann man freilich ebensowenig von Fortpflanzung des Potentials wie von Fortpflanzung der beschleunigenden Kraft reden. Was sich wirklich sukzessiv ausbreitet, ist der Zwangszustand. Da jedoch durch ihn in der nachsten Umgebung einer Masse, mogen sie und die ubrigen Massen in Bewegung oder in Ruhe sein, das Potential bestimmt ist, so darf man sagen, es kommt bei der Masse zugleich mit dem Zwangszustande an. Man kann sogar sagen, es kommt in dem betreffenden Orte an, wenn die Masse dort gar nicht vorhanden ist; denn es hat immer die Tendenz, den sich BUS dem Zwangszustande ergebenden Wert anzunehmen, sobald eine Masse dorthin versetzt wird. Weil dagegen die beschleunigende Kraft zum Teil von einem Zusammenwirken der Orts- und der Bewegungsriohtung des Zwangszustandes mit der Bewegung und Richtung der Masee abhiingen muS, hat sie ohne Bezug auf deren Anwesenheit gar keinen Sinn, und I&& sich daher auch gar kein Begriff

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mit der Aussage verbinden, da13 sir sich im Raume fort- pflanze, d. h. von einer zu einer anderen Masse durch den von Massen freien Raum hindurch iibergehe.

Aber indem man vom Potential diese Aussage macht, entscheidet man noch nicht endgultig uber die Bestimmbar- keit des an der angezogenen Masse sich wirklich betatigenden Wertes des Potentials. Denn man gibt nur an, bis zu welcher Hdhe des Wertes der umgebende Zwangszustand das Poten- tial hervorbringen kann, nicht unter allen Umstlinden auch hervorbringt. Man stelle sich noch einmal vor, die anziehende und die angezogene Masse seien plotzlich in den Raum gebracht. Denkt man sich, ihre Bewegung fange ebenso plotzlich an, sox ist auch das Potential sogleich da. Setzt man jedoch voraus, der Anfang der Bewegung erfolge erst nach einiger Zeit, weil sich der Zwangszustand sukzessiv fortpflanzt, so erhielte man eine Unterbrechung dieser Stetigkeit, we+ man die. Ankunft des Zwangszustandes bei der angezogenen Masse und den Ein- tritt des vollen Wertes des Potentials der anziehenden Masse auf sie gleichzeitig setzte. Wiire auch die Ausdehnung der angezogenen Masse unendlich klein, so wurde doch dann die Fortpflanzung der Wirkung des Zwangszustandes auf sie nicht eine unendlich kleine, sondern gar keine Zeit beanspruchen, mithin wiirde sich die Wirkung ohne jeden Zeitverlust oder in einer unendlich kleinen Zeit hoherer Ordnung uber einen unendlich kleinen Weg erster Ordnung erstrecken und darum dort mit unendlich groBer Geschwindigkeit fortschreiten. Den- noch handelt es sich bei der Entwicklung des Potentials von Null bis zum vollen Werte, da sie an der Masse und nicht in dem von Masse freien Raume geschieht, nicht um die bisherige Fortpflanzung. Das Potential teilt sich nur nicht allen Teilen der Masse auf einmal, sondern nach und nach mit. Wie groB die dam erforderliche Zeit ist, solange die Masse ruht, kann daliingestellt bleiben. Jedenfalls ist sie proportional der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit des Zwangszustandes. D. h. wenn diese aus irgendeiner Veranlassung grolier wurde und doch dasselbe nach dem Newtonschen Gesetze bemessene Potential eintrate, wiirde die fragliche Mitteilungszeit in gleichem Ver- hhltnisse kiirzer ausfallen; sonst muBte man annehmen, daB sich das Potential der anziehenden auf die angezogene Masse erst einige Zeit, nachdem der ankommende Zwangszustand die

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angezogene Masse bereits uberschritten hatte, durch ditl ihnl entsprechende Bewegung kundgeben konnte. Hat nun die an- ziehende Masse eine Geschwindigkeit in Richtung zur angv- eogenen Alasse, SO verbreitet sich der Zwangszustand von ihr aus dorthin um so vie1 schneller als bei der Ruhe der Masse. wie deren Geschwindigkeit betriigt. I ) e m wenn er durch seinr eigene Fortpflanzung in einem Zeitelement die Breite einer Zone durchdringt, mu% er, um dies bei der Bewegung der Masst, zu cweichen, noch um die Strecke, um die die Masse fortschreitet , vorriicken. Konimt aul3erdem dir angezogene Massci den1 Zwangszustande mit einer gewissen Geschwindigkeit entgegen, so gehen beidc mit der Summe ihrer Geschwindigkeit anein- ander voruber. Also verkurzt sicli ini E'alle der Bewegung der Massen die Mitteilungszeit zum Zustandekommen des Potentials im Verhaltnis der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Zwangs- zustandes zur Summe aus ihr und den Geschwindigkeiten der Massen. Das Potential, das sich im Falle der Ruhe hilden wurde, das der Zwangszustand eu vermitteln fiihig ist, hat dann nicht mehr die zu seiner Entwicklung notige Zeit. Den+ gemiil3 mu% sich ein kleineres Potential ergeben.

Wenn hierniit die letzte Gedankenwendung vollfiihrt ist, derrn es bedarf, uni die Ableitung drs Potentials eintbr VOII

zwei gravitierenden Massen auf die anderc bei ihrer Bewegung in der in meiner fruheren Abhandlung aufgestellten Form vorzubereiten, so ist damit zugleich alles dargetan, was mail zur Beurtrilung der iilteren Vrrsuche, die Geschwindigkeit der Gravitation zu berechnen, beriicksichtigen muB. Es wird danach einleuchten, daB der Begriff dieser Geschwindigkeit und ihr EinfluB auf die Massenanziehung dnrchaus keinc dache ist, die sich mit den1 bloBen Begriff der Geschwindig- keit schon erledigt. Es sei aber auch ausdrucklich hervor- gehoben, da% die hier entwickelten Vorstellungen nur Folgen der ursprtinglichen Annahme sind, da% die Gravitation auf. einer Wirkung beruhe, die Zeit brauche, um sich im Raumtb auszubreiten. Die Einmischung hypothetischer Elemente in die Reihe der Uberlegungen ist vollig vermieden. Was sich weiter daraus ergibt, ist also a k i n durch jene Annahme be- dingt ; und alle Rechnungsmethoden, die sich damit nicht in Einklang befinden, miissen als unzureichend betrachtet werden.

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111. Eine ausfuhrliche Ubersicht uber die alteren Versuche zur

Berechnung der Gravitationsgeschwindigkeit ist von Op pen - heim im Jahresberichte des K. K. Akademischen Gymnasiunis in Wien fur das Schuljahr 1894-95 veriiffentlicht worden. Die Abhandlung fuhrt den Titel: Zur Frage nach der Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Gravitation. Sie hat bloS die Absicht, zu berichten, und enthalt sich daher der Kritik der besprochenen Methoden. Sie berichtet aber so vollstandig, daB sie nicht nur die Grundlagen der Rechnungen, sondern die Rechnungen selbst mitteilt. Da hier auf diese an sich nichts ankommt, genugt es, ihretwegen kurz auf die Oppenheimsche Abhandlung zu ver- woisen.

Das Verdienst, die Rage nach der Geschwindigkeit der Gravitation zuerst angeregt zu haben, gebuhrt Laplace. Er tat es 1805 im 4. Bande seines ,,Trait6 de la MBcaniqur c61este" im 7. Kapitel des 10. Buches. Es lag von vornherein nahe, die Spuren der fraglichen Geschwindigkeit an den Bahnen der Planeten und des Mondes aufzusuchen. Daher wandte sich der Blick von selbst auf die Wege zuriick, auf denen man langst die Geschwindigkeit des Lichtes im Weltraume festgestellt hatte. Laplace erkannte aber, daB in einer wichtigen Beziehung ein Unterschied zwischen dem Lichte und der Gravitation besteht. Jenes dringt nicht durch alle Kiirper und kann darum abge- blendot werden, wie es bei der Verfinsterung der Jupiters- monde geschieht. Diese wirkt, nachdem sie einmal vom einen zum anderen Himmelskorper gelangt is t , ununterbrochen, selbst wenn andere Himmelskorper dazwischentreten. Auch heute ist es noch nicht uberfliissig, daran zu erinnern. Der von Zollner im Jahre 1873 gemachte Vorschlag, aus der Verspatung, mit der das Henglersche Horizontalpendel den hochsten Sonnenstand wiihrend des Tages angeben musse, falls sich die Gravitation sukzessiv fortpflanze, deren Ge- schwindigkeit zu ermitteln, ist gelegentlich wieder vorgebracht worden, obgleich er sich nicht befolgen laSt, da die erwartete Verspatung aus dem angefiihrten Grunde ausbleiben muJ3. Jedoch kann auch am Lichte, ohne daJ3 es durch einen Korper an seiner Ausbreitung gehindert wird, die Geschwindigkeit, mit der es sich fortpflanzt, gemessen werden. Dahin gehort die Methode der Aberration. Ein Fixstern erscheint nach der

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Richtung, nach der sich die Erde bewegt, im VerWtnis der Geschwindigkeit dieser Bewegung zur Geschwindigkeit des Lichtes verschoben. Laplace sah darin ein Vorbild, ahn- liches f i i r die Gravitation anzunehmen. Er dachte sich, daS die Anziehung z. B. einen Planeten nioht in der Richtung seiner Verbindungslinie mit der Sonne, sondern nach vor- warts von dieser abweichend trafe, wonach seine Bewegung so erfolgen muBte, wie wenn aufier dem nach der Sonne ge- richteten Antriebe noch eine storende &aft senkrecht zum Radiusvektor vorhanden ware, die man der Bshngeschwindig- keit des Planeten direkt und der Fortpflanzungsgeschwindig- keit der Gravitation umgekehrt proportionB1 zu rechnen hatte. 37ie Anziehung selbst brachte L a place unverlindert dem K ewtonschen Gesetze gemGI3 in Ansatz.

Hierzu ist folgendes zu bemerken. Zwei ihrer Gravitation vollig frei uberlassene, sich mithin zueinander bewegende Massen wurden sich nach Laplace genau so verhalten, wie wenn es gar keine endliche Fortpflanzungsgeschwindigkeit gabe ; was nach den vorigen Betrachtungen falsch ist. Und wenn die fiir einen gewissen Abstand des Planeten von der Sonne nach dem N ewtonschen Gesetze stattfindende Anziehung sich bei diesem Abstande wirklich betiitigte, nur dafi sie es in einer veranderten Richtung tiite, so wurde dies auf eine reine Fern- h a f t deuten, d. h. auf eine Kraft, die zugleich mit dem Ab- stande auftriite ; wobei der Begriff der sukzessiven Fortpflan- zung nicht mehr bestehen kann. Freilich sind es wohl eigent- lich nicht diese Widerspruche, worin Laplace irrt, sondern er stellt sich das Gravitationsfeld der Some relativ ruhend vor und lafit sich als nur von ihm abhangig die Bewegung des Planeten vollziehen. Aber weder ruht die Sonne, weshalb sich ihr Gravitationsfeld immer von neuem von ihr aus bildet, sich nicht, wie bei reiner Fernwirkung und darum unendlich grol3er Fortpflanzungsgeschwhdigkeit, als Ganzes verschiebt ; noch beeinflufit sie den Raum, den der Planet durchmibt, allein, vielmehr setzt sich ihr Gravitationsfeld mit dem ubrigen ebenfalls veranderlichen Gravitationsfelde des Planeten zu- sammen. Daraus erwbhst im La placeschen Falle sogar eine besondere Schwierigkeit. Denn sobald man den EinfluB der Geschwindigkeit der Gravitation in ein allgemeines, das New - t o nsche Gesetz mit umfassendes Bewegungsgesetz aufgehen

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IiiSt, kommt es fur ihn nicht weiter in Betracht, ob unter Umstiinden die Massen noch eine anderswoher, d. h. nicht von der Anziehung stammende, z. B. bei dem Umlaufe der Planeten und der Monde quer gerichtete Bewegung haben; sobald man aber ein solches Gesetz nicht vorweg entwickelt, ist immer irn einzelnen zu untersuchen, wie sich in der raum lichen Umgebung, in die die bewegte Masse gelangt., die von ihr und der anderen Masse ausgegangenen und hervorgerufenen gerichteten WirkungsgriiBen , die dem Zwangszustande ange- horen, mit tler Bewegung und Richtung der Masse selbst kom- hinieren. Gerat Laplace Fchon in Irrtum, indern er die eine jener IVirliungsgioBen, die vom Planeten herruhrt, gar nicht beachtet, so ist es ein fast noch griiljerer Fehler, daB er die von der Sonne kommende WirkungsgroBe fertig als die Anziehung ankommen laBt, die erst beim Zusammentreffen mit den1 Planeten entsteht, ja rigentlich nur entstiinde, falls tler Planet im Augenblicke des Zusammentreffens seine Bewe- gung anfinge. Man begreift ubrigens, wie leicht dieser Fehler ge- iiiacht werden konnte, da L LL place und seine Zeitgenossen daran gewiihnt waren, die fernwirkende Anziehung, sozusagen, als etwas Crreifbares zu verdinglichen. Es wurde daher ubersehen, (la13 sich diese Auffassung niit der Bnnahme einer endlichen Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Gravitation nicht vertriigt.

Etwa 40 Jahre spiiter fiihrte die weitere Ausbildung der Pernwirkungstheorie in der Elektrizitiitslehre zu Clem elektro- tlynnmischen Grundgesetze von We be r. Die darin vorkommende iieue Konstante konnte deni Ursprunge des Gesetzes gemiil3 nichts mit sukzessiver Fortpflanzung der elektrischen An- ziehungen und AbstoBungen zu tun haben. Aber auf eine h r e g u n g von GauB hin versuchte man, aus der Voraus- setzung, dalj eine solche Fortpflanzung existiere, das We ber- sche oder rin anderes Grundgesetz abzuleiten. Dadurch gewann jene Konstante allmiihlich die Bedeutung der betreffenden ~ortpflanzungsgeschwindi~krit. Besonders bemerkenswert sind in dieser Beziehung das Gesetz von R iemann aus dem Jahre 1867 im 131. Bande der Poggendorffschen Annalen und die Untersuchung uber das Webersche Gesetz von C. Neumann in der Schrift uber die Prinzipien der Elektrodynamik voni .Tahre 1868. Als man darauf in Erwiigung zog, wie das Weber- sche Gesetz einc Erweiterung des dem Newt onschen Gravi-

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DiC ~orfpflaii~ungsgesch~i9zdlrJkeit tler Gravitation. 439

tationsgesetze analogen elektrischen Grundgesetzes von C o u - l o m b sei, so konne es vielleicht auch die Bedeutung einer Erweiterung des New tonschen Gesetzes selbst erhalten, fing man an, die elektrodynamischen Grundgesetze auf die Pla- neknbewegungen anzuwenden und zu erproben, ob sich nicht die charakteristische Konstant'e dieser Gesetze als die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Gravitation auffassen lieSe. Den AnstoS dazu gab Ho lzmul l e r 1870 im 15. Bande drr Zeitschrift fur Mathematik und Physik; dann folgten Tisseran t l 1873 im 75. Bande der Comptes rendus, S e r v u s 1885 in seiner Inauguraldissertation und LBv y 1890 im 110.Bande der C'omptes rendus; schlieBlich fuhrte O p p e n h r i m in der schon genannten Ibhandlung eine Rechnung nach dem elekt,rodynamischen Grundgesetze von Claus ius aus.

Uber die GriiSe der etwa vorhandeneri endlichen Geschwin- tligkeit der Gravitation oder uber die Frage, ob es eine solche Geschwindigkeit gebe, ist aus alleii diesen Versuchen nichts herausgekommen. Und zwar aus drei Grunden. Erstens scheint man ubersehen zu haben, daS, wenn auf dem einge- schlagenen Wege eine Obereinstimmung in der riiumlichen Ubertrsgung der Gravitation und der elektrodynamischen Wirkungen konstatiert werden sollte, sich fur die fregliche Konstante nicht, die Lichtgeschwindigkeit selbst, sondern ihr 1 '2faches hiitte ergeben miissen, da wenigstens in dem Weber- schrn Gesetze die Konsta.nte diesen Wert ha t ; SO daS schoii cleswegen die von L 6vy erfundene, ga.nz willkiirliche, weil nicht, zu begriindende Kombimatiori aus dem We berscheri und dem Riemannschen Geset,ze, durch die man mit Hilfo des Wertes der Lichtgeschwindigkeit die unerklarte Perihel- bewegung dcs Merkur den Beobachtungen ent'sprechend tr- halt, hinflllig wird. Zweitens bieten die Abweichungen, dit. man iiii ubrigrn fur die Konstante von der Lichtgeschwindig- keit und von der Konstanteri des Weberschen Gesetzes findet, keinen Snhalt, uni beurteilen zu lassen, ob man wirklich darin die Geschwindigkeit der Gravitation mzuerkennen habe. Drit - tens fehlt es allen Berechnungen an best,immten, aus der Gravi- tation selbst folgenden Vorstellungen, die die Anwendung des pinen oder des anderen der elektrodynarnischen Grundgaetzv mf sie auch nur anniihernd rechtfertigten; im allgemeinc 11

wird die Anwendbarkeit soger eu beanstnnden sein, da Y i d i

Aonalen der Pllgsik. 1V. Folge. b?. "8

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die Massenanziehung von der elektrischen Anziehung und Ab- s t o h n g in mehreren Eigenschaften, z. B. durch diese Doppel- heit ihrer Katur, unterscheidet, wozu noch kommt, daB die Geltung der herangezogenen Gesetze in ihrem eigenen Br- reiche mindestens zweifelhaft ist.

Trotzdem sind die Bemuhungen, die elektrodynamischen Grundgesetze auf die Bewegungen im Sonnensystem anzu- wenden, nicht ganz vergeblich gewesen. Sie haben das seit L a pl a c e durch Jahrzehnte von niemand in Angriff genomnienr Problem erst in rechten FluB gebracht und haben dern Gc- danken Geltung verschafft, dalj sich die sukzessive Fort- pflanzung der Gravitation, wenn es sie gibt, in einem Be- wegungsgesetze der Massen verraten musse, das eine Blodi- fikation des Newtonschen Gesetzes und bei der Ruhe der Massen mit ihm identisch ist. Ihnen hat man es wohl niit zu verdanken, dalj das wichtige Problem wieder auf dem Boden der Gravitation selbst behandelt und ein besseres, wenn auch noch nicht genugendes Fundament zu seiner Lijsung gelegt w u r d ~ ~ .

Dies geschah 1885 durch Lehmann-FilhBs im 110. Bandt> der Astronomischen Xachrichten unter dem Titel: cber die Be- wegung eines Planeten unter der Annahme einer sich iiicht momentan fortpflanzenden Schwerkraft, - und 1888 durcli J . von Hepperger im 97. Bande cler Sitzungsberichtr drr K. K. Akademie in Wien unter den1 Titel: Uber die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Gravitation. Das EndergcbnL von Lehmann-FilhBs ist nur ein negatives und lautet, dafi sich die Perihelbewegung des Merkur aus der aufgestrllten Annahme nicht erklaren lasse. Heppergers Untersuchung zielt darnuf ab, die geringste niit den astronomisclien Tat- sachen vertragliche Gravi t a t ionsgeschwindigkei t zu berec hnexi, und gelangt dahin, dalj diese etwa 500mal so groB \vie die Lichtgeschwindigkeit anzunehmen sei. Beide Forscher gcheii von der Vorstellung aus, dalj ein von der Sonne komniender und rinen Planeten treffender Antrieb zu einer Zeit von dorl abging, zu der der Abstand ein anderer als cler augenblickliche war. Sie bestimnien daher den Antrieb zwar nach dem Ken-- tonschen Gesetze, aber fur den Abstand des Planeten von dem Orte, den die Sonne beim Abgange des Antriebes einnininit. Die Bewegungsgleichungen des Planeten behalten danacli ilircb sich aus dem Newt onschen Gesetze ergebende Form, doc11

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Llic Portpf lanzungsgeschuindigkeit der Gracitation. 431

erscheinen darin die Koordinaten der Sonne nach MaSgabe der Zeit, die die Gravitation braucht, urn die Entfernung zwischen Sonne und Planet zuruckzulegen, und der Geschwin- digkeit, mit der die Sonne im Raume fortschrgitet, vergndert. Entsprechendes gilt dann naturlich fur den vom Planeten her bei der Some anlangenden Antrieb, weshalb in deren Bewegungsgleichungen die Koordinaten des Planeten durch die Werte vertreten werden, die sie hatten, als der Antrieb von ihm ausging.

Ein erheblicher Fortschritt ist hierdurch uber La place hinaus vollzogen. Wiihrend der beruhmte Verfasser der Him- melsmechanik nur die Richtung, nicht die Grofie des den Planeten erreichenden Antriebes durch die snkzessive Fort- pflanzung der Gravitation beeinflufit sein liifit, erkennen Lehmann-FilhBs und Hepperger , daS die Bewegung der Sonne zusamnen mit dem Zeitverbrauch bei der Fortpflanzung dcr Gravitation die auf den Planeten wirkende Anziehung und die Bewegung des Planeten zusammen mit jenem Zeitverbrauch die auf die Sonne wirkende Anziehung gegen ihren Ansfall bei der Ruhe beider Massen verandern. Es bedarf freilich keines Nachweises mehr, dal3 damit die Bewegung der Sonne und des Planeten nicht schon bestimmt sind, obgleich Lehmann- Filhks und Hepperger es annehmen; denn es liegt hier, in den Bezeichnungen der vorangegangenen Betrachtungen gcsprochen, der Fall vor, dafi der von der Sonne herriihrende Zwangszustand s-1 nicht mit einem vom Planeten herruhren- den Zustande 1 zusammentreffen kann, sondern sich teilweise mit einem von ihm stammenden Zustande 1 und teilweise mit einem eben daher gekommenen Zustande 2 vereinigen mufi, und dafi, selbst wenn jene Zustlnde s-1 und 1 mammentriifen, es immer noch mindestens zweifelhaft wiire, ob sie an dem in Bewegung begriffenen Planeten dieselbe beschleunigende Kraft hervorbrlchten, die sie an ihm bewirlien wiirden, falls er und die Sonne bis dahin in Ruhe verharrt hitten und ihre Bewegung erst anfingen. Dennoch mochte ich hier auf diem Ergebnisse der vorigtln Betrachtung nicht nur an sich, son- dern auch deshalb zuruckweisen, weil gerade die von Leh- mann-Fi lhbs und Hepperger angebahnte Auffassung in ihnen erst ihren notwendigen AbschlUB findet. Wem niim- lich die Differenzen zwischen den rechtwinkligen Koordinaten

28 *

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432 P. Gerber.

der Sonne in ihrer augenblicklichen Stellung und des Planeten eu der Zeit, als die jetzt zur Sonne gelangende Wirkung von ihm ausging, xl, y1 und z1 sind und die augenblickliche Ent- fernung der Some von dem Orte, den der Planet zu jener Zeit einnahm, rl betriigt, so sind nach Lehmann-Fi lhes und Hepperger die sich an der Sonne betiitigenden Kraft- komponenten proportional xJrI3, yJr13 und zl/rl und wenn man die Differenzen zwischen den gegenwartigen rechtwinkligen Koordinaten des Planeten und denen, die die Sonne hatte, alv die bei dem Planeten ankommende Wirkung von ihr aus- gesandt wurde, gleich x,, y, und z, setzt und die gegenwiirtige Entfernung des Planeten von jenem fruheren Orte der Sonne r, nennt, so sind die an dem Planeten wirksamen Kraftkom- ponenten in dern gleichen MaBe proportional x2/rZ3, y&,S und z$r,8. Es ist nun leicht einzusehen, daB nicbt

sein kann; denn wenn man dies annlhme, wiirde man durch Quadrieren und Addieren der drei Gleichungen unter Berucksichtigung, daB zlz + yl2 + z12 = r12 und zZ2 + yZ2 + zZ2 = rZ2 ist, rl = r, , mithin xl =-x,, y1 =-y2, zl =-z, und daraus gleiche Wege fur die Sonne und den Planeten erhalten. Also haben nach Lehmann-FilhCs und Hepperger die Kraftkomponenten der Some andere Werte als die des Planeten, d. h. es findet keine Gleichheit von Wir- kung und Gegenwirkung statt; was nicht etwa auf irgend- welche von auBen auf die Sonne und den Planeten ausgeubten Kriifte zuruckzufuhren ist, da die Bruche x1/r13 usw. ihre Be- deutung behalten, auch wenn auBere Krafte nicht existieren. Fur ein freies mechanisches System muB aber jene Gleichheit bestehen, weil sie daraus folgt, daB der Schwerpunkt des Systems entweder ruht oder geradlinig mit konstanter Ge- schwindigkeit fortschreitet. Fragt man nun, warum der Rechen- ansatz von Lehmann-FilhBs und Hepperger dem nicht ge- nugt, so lautet die Bntwort : da fur den den Planeten treffenden Antrieb die Stellung der Sonne und fiir den die Sonne tref- fenden Antrieb die Stellung des Planeten richtig in Anschlag gebracht ist, muB im ersten Falle wohl auch die Bewegung des Planeten und im zweiten Falle die Bewegung der Sonne von EnfluB sein. Dieser SchluB zieht aber die Forderung

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Die FortpflanzungsgeschiLind~gkeit der Gravitatioii. 433

nach sich, die Beschaffenheit und die Veriinderung des die Massen umgebenden Raumes zu erwligen; denn es ware nicht zu verstehen, wie es in einer indifferenten Umgebung einen Unterschied ausmachen sollte, ob ein aus ihr bei einer Masse ankmmender Antrieb diese in grd3erer oder geringerer Be- wegung oder in Ruhe vorfindet. Hierdurch ergeben sich dann die Uberlegungen, die in den beiden ersten in der zweiten Nummer besprochenen Hauptpunkten gipfeln.

Der dritte der dort behandelten Hauptpunkte ist wedeI von Lqdrace noch von Lehmann-FilhBs oder von Hepper- ger beriicksichtigt worden. In den viillig unvermittelten An- wendungen der elektrodynamischen (frundgesetze auf die Planetenbewegungen kann naturlich von einer solchen Be- rucksichtigung ebenfalls keine Rede sein. Man sieht aber, daB auch abgesehen davon die 5ilteren Versuche, die (ie- schwindigkeit der Gravitation zu erweisen und zu berechnen, miBgliickt sind. Die mechanischen Theorien der Gravitation \-on Hooke an, wie sie 1897 von I)rude in dem Referat uber Fernwirkungen fur die 69. Versammlung deutscher Natur- forscher und Arzte zusammengestellt worden sind, und die clektrische Theorie, die 1900 H. A. Lorentz in seinen Be- trachtungen uber die Schwerkraft in den Verbandlungen der K. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam mitgeteilt hat, gehen teils auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Gravi- tation gar nicht ein, teils setzen sie sie von vornherein gleich der Lichtgeschwindigkeit. Sie kommen daher fur die Frage, ob es eine endliche Gravitationsgeschwindigkeit gebe, nicht in Betracht. Eher konnte umgekehrt die Entscheidung dieser Frage fur sie von Bedeutung werden. Z. B. ergibt sich vom Standpdnkte mein& fruheren Abhandlung und der vorliegen- den Untersuchung, daS die Theorie von Lorentz entweder falsch ist oder einer hderung bedarf, ds nach ihr der Zeit- verlust bei Ausbreitung der Gravitation nicht imstande i d , die Perihelbewegung des Merkur hervorzubringen. Ubngens konnen die mechanischen Theorien das Problem der Gravi- tatiomgeschwindigkeit iiberhaupt nicht losen. Sie sind ja nur mechanische Bilder fiir das, was an den Gra~tationsvorg~ngen nicht mechanisch ist, und enthalten daher immer Untatsiich- liches, dessen Tragweite auf die Schlusse am ihnen sich nieinala vollkornmen ermessen Wt. Wiirden sie zu entscheidendm

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Vemuchen und Beobachtungen anregen, so wurden sie sich dadurch als nutzlich bewiihren ; aber das Endergebnis wiire nicht ihnen, sondern den Versuchen und Beobachtungen zu verdanken. Anders sind Theorien wie die Lorentzsche zu beurteilen. Sie bezwecken die Feststellt-ing eines Zusammen- hanges zwischen verschiedenen Arten physikalischer Vorgange, der durchaus rein tatsiichlich sein kann. Doch ist bis jetzt derartiges uber die Gravitation nicht gefunden, geschweige denn, daS auf solchem Wege iiber ihre Geschwindigkeit etwas zu ermitteln gewesen ware.

IV. Es ist nun zu eeigen, wie man durch die in der zweiten

Nummer aufgestellten Hauptpunkte f i i r die Bestimmung des Einflusses der sukzessiven Fortpflanzung der Gravitation auf die Massenbewegung zu dem in meiner fruheren Abhandlung abgeleiteten Potential und der daraus folgenden Modifikation des New tonschen Gesetzes gelangt. Zur Vervollstandigung moge der Gang der RecbqUpg am Merkur in den Grundeugen hinzugefugt werden.

Im Punkte A befinde sich die Masse m und im Punkte B die Masse m', beide von beliebig kleiner Ausdehnung; ihr Ab- stand sei r - A r, wo A r, weil r infolge der Anziehung ab- nimmt, negativ ist. Die Masseii sollen zuniichst ruhen, so daS das Potential von m auf m' gleich '' wird, wenn p'

das Produkt aus m und der Gravitationskonstante bedeutet. Die Masse m' werde auch ferner im Pupkte B festgehalten, die Masse m aber losgelassen, so daS sie im erstes Zeitelement d t gegep w+' hin die Strecke A G' =-d r zuriicklegt. Wir wissen nun: das Gravitationsfeld VOQ m' bleibt unverandert, doch von m aus.wird inzwischen eine neue Anordnung der Zvangs- zustiinde in den Raum hinausgesandt, und deshalb ist der Zwangszustand i s der Umgebung yon m bei der Ankunft in C eiq pqderer, als er wiire, wenn diese Masqe in demselben Punkte in Ruhe yerharrte. Es ist daher unmiiglicb, das Potential, das der Zwangszustand an m hervorzubringes strebt, aqzu- @~pbpn.. AIyr der von beim Anlangen in C ausgesaqdtp Zwangs- zustaqd .bwwt. nach der &it 4 t - d t bei m' an uqd bewirkt hier genau eine solche aygenblickliche Verteilung, wie sich

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Die Il'ortpfla?~zungsgesch~ind~kellkeit der Gradation. 435

dauernd bildete, wenn m in C in Ruhe bliebe. Daher muS das Potential von m auf m', das der Zwangszustand zu cr- zeugen fiihig ist, gleich dem sein, das in der Ruhe fur den Ab- stand r - A r + d r bestehen wurde, d. h. gleich

P' r - A r + d r

Xur der dazu gehorige Abstand zwischen m und m' ist jetzt, (la m von -4 aus, also in der Zeit A t , die Strecke A D =-A r zuriickgelegt hat, ein anderer, niimlich gleich r. AuSerdem aber geht der Zwangszustand nicht wie im Falle der Ruhe von m mit der Geschwindigkeit c, mit der er sich an und fur sich durch den Raum fortpflanzt, sondern noch mit der Geschwin- digkeit - z, die m in C hat, also im ganzen mit der Geschwin-

digkeit c - - an m' voruber. Die Zeit zur Mitteilung des Po- tentials an m' verkurzt sich dadurch ini Verhaltnis von c zu c - =, weshalb das an m' zur Betiitigung kommende Potential, dem gemaiS sich die Masse m' zu bewegen anfinge, falls sie im Augenblick frei wurde, gleich

___-.

d r

d r d t

d r

P' e

ist. I h s Differential hiervon, multipliziert mit m', ergibt die unendlich kleine Zunahme der lebendigen Kraft der Massen im folgenden Zeitelement. Man kann daher au8 dem Produkt jenes Potentials in die Masse m' ebenso wie aus der lebendigen Kraft nttch den Lagrangeschen allgemeinen Bewegnngsgleiohungen die beschleunigende Kraft zwischen m und m' ableiten. Des- halb mu13 das Pofential von m' auf m gleich

p' m' sein, wo p =- m PC

(r - d r + dr)

ist ; denn andernfalls wiirde man eine andere beschleunigende Kraft von m' auf m als yon m auf p' erhalten, wiihrend doch aus dem friiher angegebenen Grunde Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung atattfmden mu&.

Jetat stelle man sich vor, m werde in A festgehalten und m' bewege sich, so ergeben sich dieselben Betraobtungen, mib-

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486 P. Gerber.

hin dieselben Wrrte der Potentiale, nur da13 die Strecken - d r und - A r statt gleich A C und A D gleich B C’ und B D’ au setzen sind. Naturlich ist es in diesem wie in dem vorigen Fall einerlei, wie lange die Mmse m in A oder die Masse m’ in B geruht hat, ehe sie losgelassen wird. Die Reihr der Sohlusse konnte daher sofort mit den Lagen der Massen in D und B oder in A und D’ von neuem anheben und in der- selben Art durchgefuhrt werden. Die gefundenen Ausdrucke der Potentiale gelten mithin fur alle Entfernungen.

Es bleibt bloS noch die k’rage, was herauskommt, wenn beide Massen frei gemacht werden. Die Verteilung des Zwangs- sustandes, die bei alleiniger Bewegung von m‘ in D’ eintritt, stellt sich dann ebenfalls ein, aber D’ selbst liegt etwas naher nach B hin, da der von m kommende Zwangszustand sich urn den Betrag der Geschwindigkeit dieser Masse schneller heran- naht. Das Potential von m auf m’ mu13 deshalb durch den- selben fiir die Ruhe der Massen nach dem Newtonschen Ge- setae geltenden Ausdruck, wie wenn m festgehalten wird, bestimmt sein; d. h. es mu13 sich durch jenes Gesetz nach dem Abstande C C‘ = A B - A C - B C‘ ergeben, woau noch der EinfluB der Geschwindigkeit kommt, mit der der Zwangs- zustand an m’ vorubergeht, und die jetzt gleich der Summe aus den drei Geschwindigkeiten der Gravitation, der Masse nt und der Masse m’ ist. A B kann wie vorhin mit r - d r be- zeichnet werden, wenn A D + B D’ =-A T gesetzt wird; A C + B C‘ ist -a r; und die Summe der Geschwindigkeiten

von m und m’ betriigt -=. Man erhiilt daher fiir das Potential von rn auf m‘ wieder

u‘ c

d r

(r - A r + d r ) c - - ( dd:) - Es bedarf keines weiteren Bewises, daS ebenso fur das Po- tential von rn’ auf rn bei der Bewegung beider Massen

u c

Division des Ziihlers und des Nenners durch c und nach Ab- sonderung von 7 :

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Die Fortpf l a ~ z u n g s g e s c ~ ~ , ~ u ~ k e $ t der Gracitatwn. 437

l h nun die Massen in der Zeit. in der der Zwangszustand die Entfernung r - A r + d r durcheilt, den Weg --A r I d r zurncklegen, mussen sich diese Strecken wie die zugehtirigen (irschwindigkeiten verhalten, d. h. es muB:

1 d r r - A r + d r c d t

sein; worin A r - d r gegen r nur wrschwindend wenig be- tragen kann, weil sich sonst das Iiewtonsche Gesetz an hr- wegten Massen nicht so zu bewahrheiten verm6chte, wit. ( ' 5

dies tu t . Folglich wird:

= - - A r - d r ___.___

I lurch Entwicklung bis zur zweiten Potenz erhalt iiim :

\Vie schon in der zweiten Summer hemerkt wurde, gibt dirse Formel die Arbeit an, die zu leisten wiire, wenn die Ein- hcit der Masse m mit der relativen Geschwindigkeit dr jd t in unendliche Entfernung gebracht werden sollte, und ist dereii mit m mnltiplizierte Anderung bei der Beweguq der Masssii auf dem Wege d r und in der Zeit d t die Zunahme der leben- digen Kraft T. Daher erhiilt man nach den Lagrangescheii allgrmeinen Bewegungqgleichungen fiir die Beschleunigung von m. wenn d rJd t = f gesetzt wird.

1 d T 1 d d T - d V d d V 3 _ _ - _ - _ _ m d r na d t d r ' z - d t d r '

Fur die Berechnung der Perihelbewegung des Merkur kommt die Ausdehnung der Some und des Planeten nicht in Betracht. AuSerdem ist es bequem, den Lauf des Planeten auf die Sonne als Anfangspunkt der Koordinaten zu beziehen. Dann muS p im Verhitltnis der Samme der Sonnen- und der Planetenmasse zur Sonnenmasse vergroBert whrden. Setzt man :

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438 P. Gerber.

so lauten die Bewegungsgleichungen des Planeten :

Durch Multiplikation der ersten Gleichung mit y und der zweiten mit x und durch Subtraktion erhiilt man:

Aus der Ableitung der Planetenbewegung nach dem Newton- schen Gesetze ist bekannt, daB hieraus, wenn 6 der Winkel zwischen dem Radiusvektor und der positiven Abszissen- achse und L eine Konstnate ist,

folgt. Setzt man daher in den Bewegungsgleichungen: r 'd9 d t = - L ?

a r - = C08 8 ,

so lauten sie:

d - dY =- k(1 - P ) s i n @ d @ . d t L

Die Iotegration liefert mit den Konstanten M und N:

Daher wird :

r = L - (Y + s$ PCOB 9 d 3) Bin B + (N + J$.B'8in 9 d 4) coa Y L ,

Dies ist die Gleichung einer Ellipse. Bezeichnet man deren halbe groBe Achse'mit a, die Btdbe kleine Achse mit b, die

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Die Fortpfla?izungsgeschwindigkeit der Gradation. 439

numerische Exzentrizitlit mit E und den Winkel zwischen a und der positiven Abszissenrtohse mit w, so findet man, wenn man die drei Gleichungen fi i r r = a (1 - E ) , r = a (1 + E )

und r =; bildet, b*

.-

Die beiden letzten Gleichungen differenziere man nach 6, b wobei die Unveriinderlichkeit von - zu beachten ist; ferner va

setze man den Wert von L ein und dividiere die eine Gleichung

durch cos 6, die andere durch 9 sin 6. Dann kommt :

E - - - pr----- cosm d o d t s ino d e d t con* d t di? COSY d t d 4 '

sino d o d t - & - - - . coso d e d t F = --- s i n 6 d t dtb sin& d t dB

Aus der Gleichsetzung beider Ausdriicke folgt, indem a = 6 - o eingefuhrt wird :

und daraus: 8 d t d o

cosu d B d t j 7 = - - - ~.

Man kann aber fiir F seiner ursprbgliehen Bedeutung Mit Be- gerniis nooh einen enderen Ausdruek *entoriCkeln.

nutzung der Formeln: d o

fi d t =-&taDgu--,

findet man :

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440 P. Gerber

d t d r t ie d $ - - - -:$ (cos a- - &sin u- + &sin u - d t - d t d t

d t =-$ ( - & c o ~ u t a n g u - - - e s i n u - + + s i n u - d o d 4

d t d t a e r ' . d 4

d t = - b, sinu -

Ilanach ist:

Die sich durch Gleichsetzung dieses und des vorigen Aus- druckes von F ergebende Gleichung fur dwldt lautet nun, in- - - Clem man d t l d 6 durch - ' f i ersetzt,

b V l r

wofur sich nach Einfuhrung von

t = bs und b = u l m a(1 + e COB a)

Page 27: Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Gravitation

Die Fortpf lanzunpgeschwindykeit der Gravitation. 44 1

und nach Division durch 8 r2 1/ i ____

b ~/FCOS II

ergibt : d o d o

df a(1 - e ) o d t - = - B c P - * (1 + ec0su)-

3 e IS - (1 + c COB a)a sina a cos a 0,';s ( I - 6')'h Cy

6 pa/* ___ (1 + & COB u)' cosa u . + a:l(1 - eryse*

Man multipliziere diese Gleichung mit d t und setze in1 zweiten und dritten Gliede der rechten Seite:

Durch passende Ordnung und Division ergibt sich:

Ilividiert man Ziihler und Nenner durch:

3 P = - r U ( I - e*)cx cLd '

ordnet man nach steigenden Yotrnzen von cos a, und setzt iiiiiii

- E cos a + 2 cos2 u -+ S E C O S ~ a = v , 3 E cos a - 2 cos2 a -- 3 E c0s3 a = IL: ,

so wird:

Fiir die Perihelbewegung y wiihrend eines Umlaufes tles Planeten ergibt sich daraus:

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442 1'. Gerber.

Mithin ist:

Wegen der Kleinheit von y verschwindet unt.er der Wurzel das zweite Glied gegen das erste, daher bleibt iibrig:

Wieder kann 2 y gegen 2 m y l ~ , wmachliissigt werden, so daB man erhalt:

c 2 = 6 n P a(1 - 6*)V

Man hat hierin zu setzen, wenn t die Umlaufszeit des Planeten bedeutet :

4n2 cis p = Z y * u = 0,3871 . 149 . 106 l i ~ , E =0,2056, t = 88 Tage, y = 4,789 . lo-'.

Danach kommt heraus : km

c = 305 500 - aec

T'. DaB die verschiedenen Arten von physikalischen T'or-

gangen zu ihrer riiumlichen Ausbreitung Zeit brauchen, ge- hort zu den physikalischen Grunderscheinungen. Denn von dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein und der GroBe des Zeitverbrauches hangt es ab, ob die Vorgange als Fern- oder Nahwirkungen aufzufassen sind, und welches das Medium

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Die Fortpflanzungsgeschwindighd der G'rac-itcrtion. 448

ist, in dem sie sich abspielen. Man wird daher immer danach streben, f i u jede Art von Vorgangen den freglichen Zeitver- brauch an mehreren 4 Betiitigungsgelegenheiten zu zeigen ; auljerdem wird man moglichst einfache, leicht rm iibersehende Falle unter diesen Gelegenheiten auswhhlen. In beiden Be- ziehungen steht e. B. vorlliufig die Lehre von der Fortpflan- sung der elektrischen Schwingungen hinter der von der Fort- pflanzung des Lichtes zuruck. Auch fu die Gravitation leistet das in meiner fruheren Abhandlung und hier Gegebene noch nicht alles, was man zu wunschen berechtigt ist. keilich kann man der raumlichen Ausbreitung der Gravitation nicht ohne Anwendung der mitgeteilten Modifikation des New tonsoben Gesetzes nachspuren. Aber es ist denkbar, dalj es Falle gibt, in denen das allgemeine Gesetz eine einfachere und dann fur die besonderen Umstande leichter ableitbare Form annimmt. Die Kenntnis des allgemeinen Gesetzes kann gerade solche Falle finden helfen.

Auf eins moge noch ausdrucklich hingewiesen werden. Die von mir gegebene Ableitung der allgemeinen Ausdrucke fur das Potential und die beschleunigende &aft bei der Gravi- tationsbewegung gilt, solange die Geschmindigkeit der Massen im Vergleich zur Geschwindigkeit der Gravitation klein ist. Und sie gilt auch, falls jene Geschwindigkeit bei hinreichender Iileinheit durch aul3ere Eingriffe geleitet wird, wenn nur streng oder sehr angeniihert dafur gesorgt ist, dalj dadurch nicht der Schwerpunkt der sich anziehenden Massen in ungleiohformige Bewegung geriit. Diese Bedingung ist z. B. erfullt, sobald man einen Korper gleichrniifiig zur Erde herabliiljt oder ihn ebenso hebt. Hierbei ergeben sich aus dem allgemeinen Gesetze be- sondere Folgerungen, die au entsprechenden Versuchen und Beobachtungen leiten konnen. Nur das eine Bedenken bleibt, ob nicht wegen der betrachtlichen Grd3e der Gravitations- geschwindigkeit die zu erwartenden Wirkungen zu gering aus- fallen, urn sich bemerkbar zu machen.

Sollte aber an dieser Klippe die Hoffnung, die Gravitations- geschwindigkeit noch auf anderem Wege zu ermitteln, scheitern, so ist mit dem vorliegenden Nachweise wenigstens soviel er- reicht, dal3 man das Medium der Massenanziehung als identisch mit dem des Lichtes, der Wiirmestrahlen, der elektrischen und der magnet ischen Anziehung und Abstoljung, der elek-

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14 1 P. Gerber. Die FortpflaiizungsgeJchhwindigkeit der Graz'itatiou.

trischen Wellen usw. ansehen und darauf eine Nahwirkungs- theorie der Gravitation griinden darf, ohne sich dem Vor- wurfe einer zweifelhaften Hypothese auszusetzen. Ich denke selbstverstiindlich nur an eine Theorie, die nicht eine soge- nannte mechanische Erkliirung der Erscheinungen geben mill, sondern zur tatsachenmiibigen Feststellung von Zusammen- hangen der Gravitation mit anderen physikalischen Vorgiingen fiihrt.

S t a r g a r d i. Pomm., den 16. Februar 1902.

(Eingegangen 16. Januar 1917.)

Druck von Metzger & WittJg in Leiprig.