Die gaskinetischen Vorgänge in einem Expansionszylinder

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W. Meipner u. G. Meipner. Die gaskinetischen Vorgange usw. 303 Die gaskinetischern Vorgdrnge in eimem Expansiowsxylinder Vow W a l t h e r Xeipner und Gertrud Heipner (Mitteilung aus dem Laboratorium fur Teyhnische Physik der Technischen Hochschule Munchen) Einleitung In einer Reihe von Arbeiten, die in den letzten Jahren ver- iiffentlicht wurden, ist die Wirkungsgradverschlechterung von Warme- kraftmascliinen behandelt, die vermeintlich bei hohen Kolbengeschwin- digkeiten eintritt l). Die Verfasser scblieBen sich dabei direkt oder indirekt an eine Arbeit von Clausius aus dem Jahre 18572) an, in welcher er den Druck auf einen bewegten Kolben gaskinetisch berechnet. In dieser Arbeit findet sich folgender Satz: ,,Wenn dagegen die Geschwindigkeit w (Kolbengeschwindigkeit) einen gegen u (Molekelgeschwindigkeit) in Betracht kommenden Wert hat, so mu6 auch die (lurch die Bewegung der Wand bedingte Ande- rung des Druckes beriicksichtigt werden, welche im negativen oder positiven Sinne stattfindet, je hachdem w positiv oder negativ ist, d. h., je nachdem das Wandstiick sich nach au6en oder nach innen b ew egt." Wie wir sehen werden, sind die an die vorstehenden Satze ge- kniipften Folgerungen anderer Verfasser, die zur Berechnung von Druckminderungen bis 10 und mehr fiihrten, nicht korrekt, weil bei Clausius nicht das Verteilungsgesetz fur die Molekelgeschwindig- keiten und seine xnderung infolge der bei der Expansion von Ort zu Ort verschiedenen Gasgeschwindigkeit berucksichtigt ist. Clau siu s selbst konnte auf diesen Punkt gar nicht eingehen, da bei iler Ab- fassung seiner Arbeit das Geschwindigkeitsverteilungsgesetz noch nicht bekannt war. 1) K. F. Herzfeld in Miiller-Pouillets Lehrb. d. Phys., 11. Aufl., Braunschweig 1925, Bd. 3/2, insbesondere S. 20; L. Vahl, Forschg. a. d. Geb. d. 1ng.-Wes. 4. S. 31. 1933; M. Paul, Ann. d. Phys. [5] 29. S. 179. 1937; E. Justi u. M. Kohler, Forschg. a. d. Geb. d. 1ng.-Wes. 9. S. 242 u. 310. 1938. 2) R. C 1 a u s i u s, Pogg. Ann. 100. S. 253. 1857; auch abgedruckt in R. Clausius, Die mechan. Warmetbeorie, Bd. 3, die kinetische Theorie d. Gase, herausgegeben von M. P 1 a n c k u. C. P u 1 f r i c h, Braunschweig 1889-91, S. 29-32. 20 *

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W. Meipner u. G. Meipner. Die gaskinetischen Vorgange usw. 303

Die gaskinetischern Vorgdrnge in eimem Expansiowsxylinder

Vow W a l t h e r X e i p n e r und G e r t r u d H e i p n e r (Mitteilung aus dem Laboratorium fur Teyhnische Physik der Technischen

Hochschule Munchen)

Einleitung

I n einer Reihe von Arbeiten, die in den letzten Jahren ver- iiffentlicht wurden, ist die Wirkungsgradverschlechterung von Warme- kraftmascliinen behandelt, die vermeintlich bei hohen Kolbengeschwin- digkeiten eintritt l). Die Verfasser scblieBen sich dabei direkt oder indirekt an eine Arbeit von C laus ius aus dem Jahre 18572) an, in welcher er den Druck auf einen bewegten Kolben gaskinetisch berechnet. In dieser Arbeit findet sich folgender Satz:

,,Wenn dagegen die Geschwindigkeit w (Kolbengeschwindigkeit) einen gegen u (Molekelgeschwindigkeit) in Betracht kommenden Wert hat, so mu6 auch die (lurch die Bewegung der Wand bedingte Ande- rung des Druckes beriicksichtigt werden, welche im negativen oder positiven Sinne stattfindet, j e hachdem w positiv oder negativ ist, d. h., je nachdem das Wandstiick sich nach au6en oder nach innen b ew egt."

Wie wir sehen werden, sind die an die vorstehenden Satze ge- kniipften Folgerungen anderer Verfasser, die zur Berechnung von Druckminderungen bis 10 und mehr fiihrten, nicht korrekt, weil bei C laus ius nicht das Verteilungsgesetz fur die Molekelgeschwindig- keiten und seine xnderung infolge der bei der Expansion von Ort zu Ort verschiedenen Gasgeschwindigkeit berucksichtigt ist. Clau s iu s selbst konnte auf diesen Punkt gar nicht eingehen, da bei iler Ab- fassung seiner Arbeit das Geschwindigkeitsverteilungsgesetz noch nicht bekannt war.

1) K. F. H e r z f e l d in M i i l l e r - P o u i l l e t s Lehrb. d. Phys., 11. Aufl., Braunschweig 1925, Bd. 3/2, insbesondere S. 20; L. Vahl , Forschg. a. d. Geb. d. 1ng.-Wes. 4. S. 31. 1933; M. P a u l , Ann. d. Phys. [5] 29. S. 179. 1937; E. J u s t i u. M. K o h l e r , Forschg. a. d. Geb. d. 1ng.-Wes. 9. S. 242 u. 310. 1938.

2) R. C 1 a u s i u s , Pogg. Ann. 100. S. 253. 1857; auch abgedruckt in R. C l a u s i u s , Die mechan. Warmetbeorie, Bd. 3, die kinetische Theorie d. Gase, herausgegeben von M. P 1 a n c k u. C. P u 1 f r i c h , Braunschweig 1889-91, S. 29-32.

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304 Anlzalen der Physik. 5. Folge. Band 36. 1939

Bol tzmann’) hat nun zwar spater die Frage nach dem Druck auf ein bewegtes Wandstiick, wenn auch nur unter gewissen An- nahmen, schon richtig behandelt, ubrigens ohne auf C l a u s i u s Bezug zu nehmen; jedoch setzt er voraus, daB erfahrungsgemaB der Druck auf ein bewegtes und ein ruhendes Wandstiick nahezu gleich grog ist. Mit Riicksicht auf die neuerdings aufgetauchten Zweifel, die sich auch auf die Giiltigkeit der von der phhomenologischen Thermo- dynamik gelieferten Druckausdriicke beziehen, ist daher im folgenden die fur die Technik wichtige Frage nach den Vorgangen im Expansions- zylinder vom Standpun kt der neueren Forschung am, insbesondere unter Beriicksichtigung der Arbeiten E n s k o g s , nach Moglichkeit streng untersucht.

Man gelangt dabei auch zu einigen wohl noch nicht ausgespro- chenen interessanten Erkenntnissen : Es zeigt sich, daB die phaino- menologische Ausdrucksweise , die Expansionsarbeit werde durch Druck von einem Volumelement auf das andere und schlieBlich auf den Kolben iibertragen, gaskinetisch bedeutet: Es entsteht im ex- pandierenden Gas, ohne da6 ein Temperaturgefalle vorhanden ist, durch die ZusammenstoBe der Molekeln ein auf den Kolben zu gerichteter Strom kinetischer Energie. Dieser wachst nach dem Kolben zu an und entspricht an dessen Oberflache der an den Kolben abgegebenen Arbeitsleistung.

Ferner ergibt sich, daB in nicht statischen Fallen der Tempe- raturbegriff der phanomenologischen Thermodynamik nicht mehr aus- reicht: Ein mit dem expandierenden Gas mitbewegtes sehr diinnes Plattchen mit ideal glatter Oberflache wiirde an ein und derselben Stelle des Gases eine verschiedene Temperatur annehmen, je nach- dem das Plattchen parallel zur Expansionsrichtung oder senkrecht zu ihr gestellt wird. Allerdings sind diese Temperaturunterschiede in allen praktisch denkbaren Fallen zu vernachlassigen.

I. Die gaskinetischen Grundlagen fir die Behandlung des Problems

Wir legen die Behandlung der Gaskinetik durch E n s k o g 2 ) zugrunde, scheiden dabei aber scharf die gaskinetischen Begrifle von denen der plianomenologischen Warmelehre.

Der Einfachheit lialber beschranken wir die Untersuchung zu- nachst auf ein nicht zu stark verdiinntes, einfaches, latomiges Gas, auf das keine auiuBeren Krafte, wie Schwerkraft und dgl., wirken.

1) L B o 1 t z m a n n , Vorlesungen iiher Gastheorie I, S. 147, 149, 185.

2) D. Enskog, Kinetische Theorie der Vorgilnge in mabig verdunnten Leipzig 1896.

Gasen, r, Diss. Uppsala 1917.

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Die von E n s k o g verwandte Statistik ist die klassische, wie sie ja auch vom heutigen Standpunkt aus fiir ein Gas von nicht zu tiefer Temperatur giiltig ist. Sie findet ihren Ausdruck darin, daB die Anzahl der in einem geniigend kleinen Volumelement und Ge- schwindigkeitsbereich enthaltenen Molekeln proportional der zunachst unbekannten Verteilungsfunktion und der GroBe der beiden Bereiche gesetzt wird.

5, y, x, die Koordinaten in einem rechtwinkligen, geradlinigen, im

c, mit den Komponenten crx, cry, c,, die Geschwindigkeit einer

t die Zeit; n die Zahl der Molekeln je cm3; f = f (x, y, z, cr,, cry, cTz, t) die Verteilungsfunktion der Molekel-

1. E s seien:

Raum festen Koordinatensystem;

Molekel in diesem System;

geschwindigkeiten. Dann ist

(1) an = fa 2 a y a x acpx a cr a crz

die Anzahl der Molekeln zur Zeit t, deren Raumkoordinaten zwischen x und x + a x usw. und deren Geschwindigkeitskomponenten zwischen c,, und crZ + d C r C USW. liegen. Mit dc,, dcrY dc,, = d,cT wird

+ m

= J f a 3 c r - 0 0

(2)

+ W

- (3 G1. durch zyklische f C , , ~ , C , = wz Vertauschung von x, y, 2.)

crz = "s Vl

- - m

(3)

+ W

(41 - 0 0

keit als

tn mit den Komponenten wo, wy, w, nennen wir Gasgeschwindig- an der Stelle x, y, x zur Zeit t. Von anderen Autoren wird tn sichtbare Geschwindigkeit, Schwerpunktsgeschwindigkeit und

Setzen wir ahnlich bezeichnet.

(5) c , = m + c , so da8 c die Geschwindigkeit der Molekeln in einem mit der be- trachteten Stelle des Gases mitbewegtem Koordinatensystem ist, so wird

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306 Annalen dcr Physik. 5 . Folge. Band 36. 1939

2. 1st q eine ,,mit den Molekeln mitgefuhrte(' skalare GroBe, der Mittelwert also m oder eine Funktion yon c,.,, cry, crz , und

von sp uber alle Geschwindigkeiten + o o

1 -

sp = ,Jfrpd&., - - M

( 7)

so lautet die ,,'l'ransportgleichung" l)

Darin stellt nach Multiplikation mit d x d y d x d t der erste Sum- mand die in1 Volurnelement in der Zeit d t eintretende Anderung von 'p dar, die durch die Abhangigkeit des cr von der Zeit bedingt ist, der zweite Summand die von dem Ein- und Ausstromen der Molekeln aus dem Volumelement herriihrende hde rung . Der dritte Summand sol1 die durch die ZusammenstoBe der Molekeln bewirkte Anderung bedeuten.

Wenn fur 9 nun a) die Molekelmasse m, b) mcrz oder mer, oder merz, c) rncT2/2 eingesetzt wird, wobei iin @/St gleich Null ist, so erhalt man:

( a) Massengleichung: D e + Q div ia = 0 (Q = mn = Dichte),

~

D t u IU (9) { b) Kraftegleichung: 0 -Dt + grad g (n) = 0 ,

e D e 1 c) Energiegleichung: t - + -,,- div (g c"c) + Q (n) def r~ = 0.

Dabei ist:

(n) ein symmetrischer Tensor init den Komponenten - -.

2 7Czx = c, , nzy = c c USW., x ? /

Dc.! De- = 2 + 111 grade, und entsprechend - - - - = . . . D t a t D t D to, * ein Vektor mit den 3 Komponenten Dt usw. B t

grad(n) ein Vektor mit den 3 Komponenten

usw.,

1) J. Cl. M a x w e l l , On the dynamical theory of gases, Scientific papers 11, S. 56. Cambridge 1890.

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W . M e i p n e r u. ,G. Meipner . D i e gaskinetischen Vorgunge usw. 307

3. Zur Berechnung der Verteilungsfunktion f bei gegebenen auBeren Bedingungen dieut die B o 1 t z m a n n sche Fundamental- gleichung. Beim Fehlen auBerer Krafte lautet sie fur ein ein- faches Gas l):

(10) + m m 2n 1 + J J J( fK - f f f , )gbd,e ,dbdE. -mu 0

Darin sind:

f undf, die Werte der Verteilungsfunktion fur die beiden zusammen-

f ' und fl' die entsprechenden Werte nach dem StoB, g = 1 c, .- c,, I der Betrag der relativen Geschwindigkeit der Molekeln

vor dem StoB, b die kleinste Entfernung PI P, in welche die beiden Molckeln ge-

langt waren, wenn sie sich ohne Wechselwirkung geradlinig und gleichformig fortbewegt hatten,

E der Winkel zwischen zwei Ebenen durch die Richtung der rela- tiven Geschwindigkeit, die einerseits parallel zu P, P, anderer- seits parallel zu einer im Raum festen Qeraden, z. B. parallel zur X-Achse, sind.

In der Fundamentalgleichung (10) stellen nach Multiplikation mit d x d y dx d,c, d t die ersten drei Glieder der rechten Seite, wie man leicht sieht, die xnderungen dar, die die Anzahl der Molekeln im Geschwindigkeitsbereich c, bis c, + d c, im Volum- element in der Zeit dt infolge der Bewegung der Molekeln erfahrt, und das letzte Glied, wie B o l t z m a n n ausfiihrlich beweist, die ent- sprechende Molekelzahlanderung, die durch die ZusammenstoBe der c,,-, cry-, c,,-Molekeln mit den Molekeln aller anderen Geschwindig- keiten entsteht. Bei der Ableitung betrachtet Bol t z m a n n die Molekelu als Kraftzentren von endlichem Wirkungsdurchmesser s. (10) liefert fur den statischen Fall (b iirtlich und zeitlich konstant), wenn man hinzunimmt, dah sich in ihm die Wahrscheinlichkeit des Zustandes zeitlich nicht andert (H-Theorem; -dt d H = 0) die Max-

wellsche Verteilungsfunktion

stohenden Molekeln vor dem StoB,

1) L. B o l t e m a n n , a. a. 0. S. 114.

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308 Annalen der I'hysik. 5. E'olge. B a d 36. 1939

(1 2) enthalt nur die Molekelgeschwindigkeiten in einem mit dem Gas mitbewegten Koordinatensystem. Es Ziegt physikalisch nahe, dup (12) auch aoch bei ortlich veranderlichem tu fur jedes Gasteilchen in dem mit ihm mitbewegten Koordinatensystern in 1. Naherung gelten w i d .

Die genauere Berechnung der Verteilungsfunktion fur den nicht statischen Fal l bestatigt dies. F u r sie setzt E n s k o g mit H i l b e r t l ) zur Losung von (10) f in der Form an

(13) f = -~- + p + i l j i z ) + ~ " ( 3 ) + . . . , worin il eine positive Znhl ist, und schrankt die Mannigfaltigkeit der Funktionen f, die der Fundamentalgleichung genugen, durch die For- derung ein, daB f fur beliebige Werte von ?, der Fundamental- gleichung geniigen soll. Durch diese Forderung betreffs I gelingt es, eine rekurrierende Reihe von Integralgleichungen fur f (O), f'1) usw. aufzustellen. Hinterher wird I = 1 gesetzt, und es wird nachgewiesen, daB dann fro) die f u r den statischen Fall gultige Maxwellsche Ver- teilungsfunktion (1 1) ist. F u r f"' wird ein Ausdruck hergeleitet, wel- cher der Zahigkeit q und der Wairmeleitfahigkeit I entsprechende GroSen enthalt. Daraus 1aDt sich nachweisen, daD f ( l ) < < f ( O ) ist. Die Verteilungsfunktion wird also nach H i l b e r t - E n s k o g durch ein Kaherungsverfahren berechnet. Da6 das Verfahren konvergiert, er- scheint vom physikalischen Standpunkt aus plausibel, ist aber, wie E n s kog hervorhebt, mathematisch noch nicht bewiesen. Rechnungen betreffs einer 3.Naherung hat E n s k o g fur zwei sehr spezielle Falle durchgefiihrt 2). Dabei erweist sich f ( 3 ) < < f(".

Beim Losen der Integralgleichungen treten fiinf von cz, cy, cz unabhangige Groflen auf, von denen sich zeigt, daB sie mit den Mittelwerten (2)-(4) n, w,, wy, wg, cp2 ubereinstimmen. Es wird be- wiesen, daB cliese in allen Naherungen gleich groD sind. Werden die

f (01

-

I) D. H i l b e r t , Begriindung der kinetischen Gastheorie in: Grundziige einer allg. Theorie d. linearen Integralgleichungen, Leipzig 1912. Aueh ab- gedruckt in Math. Ann. 72. S. 562. 1912.

2) D. E n s k o g a. a. O., S. 117-133.

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W . MeilJ'ner u. G. Meiflner. Die gaskinetischen Vovgiinge usw. 309

mit Hilfe von f(0) gebiIdeten MitteIwerte mit < usw. bezeichnet, so ist also :

0

- m - w

-0 - -0 - (15) w, = Crz = c,, usw.; cz = c2 . Beim Liisen der Integralgleichungeri fur f 1 ) , f ( 2 J usw. wird noch die Tatsache herangezogen, da6 die vorkommenden Mittelwerte den gas- kinetischen Grundgleichungen (9) geniigen miissen [En skog (32) und (41)], die unter anderem die Ableitungen von n, w,, wy, w,, 2 nach der Zeit enthalten. Wahrend nun die GroBen selbst, wie eben gesagt wurde, in allen Naherungen denselben Wert haben, zeigt sich, dafl ihre zeitlichen Ableitungen sich von Naherung zu Naherung andern. Enslrog beriicksichtigt dies unter Abanderung des von H i l b e r t urspriinglich vorgeschlagenen Weges.

Der von Enskog so berechnete Wert von j"' ist:

Darin sind x a ( c 2 ) und xb(c2) Funktionen von c2, die von dem Gesetz fur die zwischen den Molekeln wirkende Kraft und eventuell auch noch von n und 2 abhangen. s ist der Wirkungsdurchmesser der Molekeln.

Mit (11) und (16) erhiilt man

0 1. Naherung, 0 -

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310 Annalen der Yhysik. 5. Folye. Band 36. 1939

Dabei ist:

+ m 3e’

Zur Herleitung dienen teils einfache Symmetriebetrachtungen, teils Ubergang von den rechtwinkligen Koordinaten zu Kugelkoordinaten. Von y und v beweist E n s k o g , da8 sie stets positiv sind.

Mit (18) geht (9c) uber in

div (v grad 2) + p (n) def k~ = 0. p Dc’d - __ I (21) 2 D t

TI. Vergleich der Ergebnisse mit denen der ph8nomenologischen Theorie

Durch Vergleichen der gaskinetischen init den hydrodynamischen Qrundgleichungen iibertragen wir die Begriffe Druck, Drucktensor und Temperatur der pliihomenologischen Thermodynainik auf gas- kinetische GroBen.

Es sei: T die absolute Temperatur, p der Druck des Gases, II der Drucktensor,

r j die Zahigkeit, il die Wiirmeleitfahigkeit, R die Gaskonstante/g.

Dann lauten die hydrodynamischen Grundgleichungen fur ein l-ato- miges Gas, auf das keine augeren Krafte wirken,

* + g d i v t v - ~ , D t

0 Dt D m + g r a d j n ) = 0 ,

3 D T - R 2 D t - div ( A grad T ) + (17) def tv = 0.

Die Komponenten des Tensors (n) sind

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W. Meipner u. G. Meipner. Die gnskinetischen Vorgange usw. 311

Wir erhalten unter Berucksichtigung von (18) und (21) fjberein- stimmung mit den gaskinetischen Grundgleichungen (9), wenn wir setzen

1 - p = - (1 c2; (n) = Q (n), (24) 3

Mit (24) und (25) bleibt die Zustandsgleichung der idealen Gase p = 0 R T erfullt.

Aus (26) und (27) ergeben sich mit (19) und (20) Forderungen an die Abhangigkeit der Zahigkeit und Warmeleitfiihigkeit von 0 und T, wobei das Gesetz fur die zwischen den MoIekeln wirkende Kraft eingeht, zu dessen Restimmung heute wohl die Quantentheorie herangezogen werden miifite.

Zu behandeln ist noch die B’xage, ob die im vorstehenden fiir das Gasinnere abgeleiteten Ausdrucke fur Druck uud Drucktensor auch noch an den das Gas einschliefienden und zum Teil bewegten Wanden giiltig sind. Sol1 durch die Reflexion der Molekeln an den Wanden die im Gasinnern herrschende Verteilungsfunktion nicht geandert werden, so muB, wenn n die Normale zum betrachteten Wandstiick in Richtung auf dieses zu ist, sein

28) c,f(c,) dcll(vor Reflexion) = - c,,’f(c,,’)dc,’(nach Reflexion),

da ebenso viele Molekeln reflelrtiert werden wie auftreffen. Das ist, wenn f eine geracle Funktion von c,, ist, unter anderem erfullt fur cn‘ = - c , . In diesem Fall ist der Vorgang adiabatisch. Fu r f ( c J =f( - cn) miifite dagegen - cat dc,’ von cn dc, verschieden sein und immer gerade eine solche GrOBe haben, daB die obige Bedingung erfullt wiire’). Die h d e r u n g von G, bei Reflexion an der Wand miifite dcmnach nuf die im Gasinnern herrschende Geschwindigkeits- verteilung genau abgestimmt sein, eine physikalisch offenbar un- mogliche Forderung. Die Aufdeckung der wahren Verhaltnisse be- durfte einer besonderen Untersuchung. I n dem uns interessierenden Fall eines adiabatisch eingeschlossenen und in der x-Richtung ex- pandierenden Gases ist aber, wie weiter unten gezeigt wird, f eine gerade Funktion von en. I n diesem Fall laBt sich daher mit

I) B o l t z m a n n macht a. a. O., S. 147 diese Annahme.

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31 2 Annalelz der Physik. 5. Folgc. Band 36. 1939

c,' = - c, rechnen uud der Druck auf den Kolben ohne weiteres ableiten.

Weiter fragt sich, was bei Benutzung der 2. Ngherung aus dem Temperaturbegriff wird. Gaskinetisch ist die Temperatur gema6 (25)

Die Phanomenologie aber erschlieht den definiert als T = __

Temperaturbegriff aus dem Warniegleichgewicht : zwei gegen die Umgebung isolierte Rorper haben dieselbe Temperatur, wenn sie, beliebig lange miteinander in Beriihrung gelassen, keine Warme- energie aneinander abgeben. Dieser Forderung geniigt der durch (25) definierte Temperaturbegriff zwar noch in .I. Naherung, wo c;O= c: = ?('= 3c2 ist, aber nicht mehr in 2. N'aherung. Das ist

aus folgendem Gedankenexperiment ersichtlich: Wir denken uns in einem sich in der z-Richtung ausdehnenden Gas an irgendeiner Stelle ein niit ihm mitbewegtes sehr diinnes Plattchen mit ideal glatter Oberflache einmal in der z-Richtung, das andere Ma1 senk- recht dazu. Bei ideal glatter OberAache konnen offenbar nur die zum Plsttchen senkrechten Komponenten der Molekelgeschwindigkeit mit dem Plattchen in Reaktion treten, also den Austausch der Warmeenergie und das Tempernturgleichgewicht bestimmen. Dieses biingt also bei der zur z-Achse senkrechten Lage des Plattchens nur von c,Z und bei der zur z-Achse parallelen Lage nur von 2 und .," ab (die beiden letzteren sind in dem in der z-Richtung ex- pandierenden Gas gleich groB). Nach (18) ist cz2 in 2. Naherung von cz2 verschieden. Wird also die Temperatur durch das Temperatur- gleichgewicht mit dem Pliittchen bestimmt, so ist dem Gas an ein und derselben Stelle in Richtung der z-dchse eine andere Tempe- ratur zuzuschreiben als i n der dam senkrechten Richtung. Der friiher erwahnte, auf den Kolben zu gerichtete Energiestrom, der durch das senkrecht zur z-Richtung gehaltene Plattchen hindurchgehen muB, andert bei geniigend kleiner Dicke desselben an dem Vorstehenden nichts, wie man leicht einsieht. Hat man statt unseres Gases ein Gas mit allgemeinerer Verteilungsfunktion, so werden die Verhaltnisse offenbar komplizierter. Auch bediirfte es einer besonderen Unter- suchung, wie die Dinge im Fall einer nicht ideal glatten Oberflache und eines Plattchens endlicher Dicke liegen. Soviel aber geht wohl schon aus unserer vereinfachten Betrachtung hervor, dap die Gaskinetik in 2. Nuherung grundstitdich eine Erzueiterung des Temperafurbegrijfs der phanomenologischen Themzodynanzik notwendig macht.

Beziiglich der Frage, ob wirklich f ' l ) < < f l o ) wird, sei folgendes bemerkt: Setzt man fur q und 2, experimentell gefundene Werte,

- C2

3 R '

-0 I - . -

-

-

_-

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W . Meipner u. G. Meipner. Dic gaskinetischen Vorgange usw. 313

so kann man die QroBenordnung von x, uud x6, sowie weiter f(l)/yo) fur bestimmte zugrunde gelegte Falle abschatzen. Man findet so fiir

mittlere Werte von c etwa fo = 10-l2.

Die Max we 11 sche Verteilungsfunktion (12) gilt also auch, wenn tu eine Punktion des Odes ist, mi t groper Annuherung fiir das rnit dem betrachteten Gasteilchert nritbewegte Koordinatensystem.

Die Kleinheit von f (I ) / f (O) bewirkt auch, daB der Temperatur- unterschied der oben betrachteten Plattchen unterhalb des MeBbaren bleibt.

f'"

ILL. Berechnung von Energieetrom und Kolbendruck bei konstanter Kolbengeschwindi~keit und Vernachlassigung

der Storung durch die Zylinderwande

Wir setzen voraus, daB durch die Zylinderwand und den Kolben Warme weder zu- noch abgefuhrt wird, und daB die Stromung laminar ist. Um von den Storungen der Molekelgeschwindigkeiten durch die Zylinderwandung absehen zu konnen, betrachten wir die VorgBnge nur in hinreichender Niihe der Zylinderachse. Der Kolben bewege sich mit konstanter Geschwindigkeit w k in der positiven z-Richtung. Zur Zeit t befinde sich die Kolbenoberflache bei z = zk, zur Zeit t = 0 bei zk,. Dann ist

W , = W = o ; Y

Als Anfangsbedingungen zu Zeit t = 0 (Index 0) wahlen wir

Mit (29) lauten die gaskinetischen Grundgleichungen (9)

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314 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 36. 1939

In einern mit dem Gase mitgefiihrten Gasteilchen 0 d x dy d x , das sich zur Zeit t an der Stelle z befindet, wird in der Zeit dt die Energie

frei, da ~ d z fur ein betrachtetes Gasteilchen bei der Expansion konstant bleibt. Diese Energie ist nach (31c) gleich

I a @ C , S 1 + <) 7' 2%. 2 d z d z

Im ganzen Raum voni Boden des Zylinders bis zur Stelle x wird also in der Zeit dt die Energie frei

2

(32 8) A, = a z a y d t +Jp$ 0

Andererseits transportieren die Molekeln an der Stelle z durch das mitbewegte Flachenelenient d x d y in der Zeit dt die Energie

1 __ (32b) A, = + d s a y a t c r x c z = d x a , d t ( ; pl+&t+

Da nun an keiner anderen Stelle des Zylinders als am Kolben Energie abgegeben wird, mu8 A, = A , sein. Daraus folgt bei par- tieller Integration (auch wenn man beriicksichtigt, daW p d x = const. in bezug auf t und daher auch in bezug auf z ist)

a& -- - 0. (33) a.2 Damit wird aus (31b)

D w, -- D t - O . (31V)

Zur Integration von (31) fuhren wir statt x und t als unabhangige Variable zo und t ein und beriicksichtigen, da6

ist, und daB bei der Expansion die gesamte Gasmasse unverandert bleibt. Es ergibt sich u. a.

Die einzelnen Gasteilchen bewegen sich also bei der Expansion mit konstanter Geschwindigkeit. Es entsteht kein Dichte-, Druck- oder Temperaturgradient. Mit (18) liefert (31 c) den Ausdruck fur die

Adiabasie, in 1. Naherung die bekannte Gleichung p T - = const. 3

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W . Meipner u. G. Meipner. Die gaskinetischen Vorgunge usw. 315

Sach (32b) flieBt bei der Expansion durch ein mit dem Gas mitbewegtes Flachenstuck trotz raumlich konstanter Gastemperatur ein auf den Kolben hin gerichteter Energiestroni von der Dichte

(37) (

(35)

P, = m j - JJf..”d3 c - .tJ I J f C z ( - c,)d,c z = o -03 z = - m -m

+m

= m J f c z 2 a , c = Q C z , (f = y o 1 + f‘”) ; \

(37 a)

W . Meipner u. G. Meipner. Die gaskinetischen Vorgunge usw. 315

Sach (32b) flieBt bei der Expansion durch ein mit dem Gas mitbewegtes Flachenstuck trotz raumlich konstanter Gastemperatur ein auf den Kolben hin gerichteter Energiestroni von der Dichte

Die in der + x-Richtung von den Molekeln mitgefiihrte Energie ist also groBer als die in der - x-Richtung mitgefuhrte. Der Energie- strom tritt dann und nur dann auf, wenn d w z l d z von Null ver- schieden ist. Er wird also durch die Veranderlichkeit des wz von Ort zu Ort bedingt. Qualitativ gesprochen ruhrt er daher, daB beim ZusammenstoB einer Molekel mit einer solchen von groBerem w, im Durchschnitt in die - z-Richtung eine kleinere Energie hinein- reflektiert wird als in die + x-Richtung. Die Dichte des Stromes wachst nach den? Kolben hin an und erreicht an diesem den Wert

Mit Warmeleitung hat der Vorgang nichts zu tun; in unserem expan- dierenden Gas tritt wegen grad c? = 0 Rarmeleitung uberhaupt nicht auf.

Der Druck auf den Kolben ergibt sich aus der h d e r u n g der BewegungsgroBe der Molekeln bei der Reflexion an der Kolben- flache. Die Molekelgeschwindigkeit darf dabei relativ gegen den Kolben gemessen werden , da dieser konstante Geschwindigkeit hat. Nach (16) ist die Verteilungsfunktion in unserem Fall eine gerade Funktion von c,. Bei stindig aufrecht erhaltener Temperaturgleich- heit zwischen Gas und Kolben, die fur die vorausgesetzte Adiabasie erforderlich ist, konnen wir daher nach dem S. 311/312 Gesagten c,' = - c, setzen. Die Abnahme der BewegungsgroBe der pro Quadrat- zentimeter und Sekunde auf den Kolben treffenden Molekeln und daher der Druck p,: auf den Kolben ist also

oder mit (18)

(37 a)

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316 Anv,alen der Physilc. 5. Folge. Band 36. 1939

Die zunachst nur fur das Gasinnere gedeuteten GroBen (24) hatten, gedeutet als Druck auf den Kolben, mit DZz = llgz = 0 ergeben p , = nzz = g Qi, also ebenfalls den Wert (37). Ihre Deutung als Druck auf den Kolben ist also zulassig, und die Gaskinetik fuhrt in fjbereinstimmung mit der phanomenologischen Thermodynamik rnit (23) zu dem Wert

p = p - - q p L . 4 18

3 zk (37b) k

Betreffs allgemeinerer Falle vgl. S. 311. Die Abweichung zwischen dem wahren Druck p , und dein

statisch berechneten p ist sehr gering; wenn z. B. wk = 2 - los cm sec-’? p = 5 . lo6 g cm-l set+ - 5 at , Kolbenhub = maximaler Wert von xk = 8 cm, q = 5 * g cm-lsec-’ ist, wird die relative Druck-

1 anderung E k C Z = - -. 10-9. P 3

Die Leistungsminderung infolge hoher Xolbengeschwindigkeit kann also weder ihrem prozentualen Wert nach, noch im Vergleich zu den Verlusten durch die SMrungen an der Zylinderwandung uncl die Unvollkommenheit der Adiabasie praktisch irgendwie ins Gewicht fallen.

IV. Qualitative Aussagen in allgemeineren FZillen

Die bisherigen Darlegungen sollteu unter moglichst verein- fachenden Voraussetzungen das Wesentliche an den gaskinetischen Vorgangen im Expansionszylinder klaren. Im Einzelnen werden die Vorgange durch verschiedene Umstande, wie Einfluf3 der Zylinder- wandung, Abweichung von der laminaren Stromung, Benutzung von Gasgemischen, NinfiuB auBerer Krafte, Mehratomigkeit und, i n extremen Fallen, starke Kompression des Gases modifiziert. Die Einflusse der Zylinderwandung und etwaiger Turbulenz sind der gaskinetischen Berechnung bisher kaum zuganglich geworden. Die Grundlagen fur die Rechnung mit Gasgemischen werden bei E n s k o g, wie bereits bei Maxwell und B o l t z m a n n , und zwar unter Zu- lassung auBerer Krafte, zugleich rnit denen fur einfache Gase ge- geben. Sie sind den letzteren analog und andern die Ergebnisse groBenordnungsma6ig nicht. Ansatze fur die Rechnung mit mehr- atomigen Gasen findeu sich bei Maxwell. Die Mehratomigkeit kann qualitativ an den Ergebnissen nichts andern, da die Krafte zwischen den Molekeln nicht quantitativ gebraucht wurden, und die intra- molekulare Energie im wesentlichen eine Temperaturfunktion ist und daher in die Transportgleichung und die gaskinetischen Grund- gleichungcn in einfacher Weise eingeht. Fur die Rechnung mit stark

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W . A!lei/3izer u. G. Mei/3ner. Die gaskinetischen 'C'orgdnge uszu. 317

komprimierten Gasen hat En s k o g 9 gewisse Grundlagen geschaffen; doch ist im Expansionszylinder in den praktisch vorkommenden Fallen das Gas im Sinne von E n s k o g als ,,maBig verdunnt" an- zusehen. Bei sehr stark verdunnten Gasen gelten unsere Rechnungen nicht mehr.

fiber den EinfluB der Veranderlichkeit der Kolbengeschwindigkeit beim Hin- und Hergehen des Kolbens ist folgendes zu sagen: Wegen der im Gas jetzt auftretenden Massenbeschleunigungen ist die Tem- peratur nicht mehr raumlich konstant; es tritt Warmeleitung und damit eine Wirkungsgradverschlechterung ein. F u r die jeweilige Kolbengeschwindigkeit bleiben trotzdem groBenordnungsmaBig unsere Rechnungen ans Abschn. I11 giiltig. Denn die Xnderuug der Ge- schwindigkeitsverteilung erfolgt in einer Zeit, die vergleichbar ist mit der sogenannten Belaxationszeit, die ihrerseits wieder von gleicher GroBenordnung ist wie die Zeit f iir eine mittlere freie Wjeglange, also jedenfalls auBerordentlich klein ist. Die Anderungen der Gas- geschwindigkeit wahrend einer derartig kleinen Zeit sind in allen praktisch vorkommenden Fallen so gering, daB das Nachhinken der Verteilungsfunktion gegeniiber der in I11 berechneten wohl immer zu vernachlassigen ist.

Zum SchluB sei noch darauf hingewiesen, daW es Falle gibt, in denen trotz rascher Expansion die Maxwellsche Verteilung im mitbewegten System exakt bestehen bleibt. Diese Palle sind ganz allgemein von B o l t z m a n n z, und in durchsichtigerer Form von Haag3) und E n s ko g a) behandelt worden. Das einfachste Beispiel ist eine mit konstanter Geschwindigkeit adiabatisch sich ausdehnende Gaskugel von uberall gleicher Dichte und Temperatur. Bei ihr wurde also der Uruck auf die auBere Begrenzungsfllche genau gleich dem f u r unendlich langsame Expansion sich ergebenden bleiben.

Zusammenfassung

Die gasbinetischenvorgange in einem Expansionszylinder werden insbesondere zur Klarstellung miBverstandener Angaben von C l a u s i u s unter Benutzung der von E n s k o g gegebenen gaskinetischen Grund-

1) I). E n s k o g , Kungliga Svenska Vetenskapacademiens IIandlingar 63.

2) L. R o l t z m a n n , Sitzungsber. d. Wien. Akad. 73,II. S. 538ff. 1876. 3) J. H a a g , Compt. rend. de l'acad. d. scienc. 177. 8. 26-28. 1923; Ann.

4) D. E n s kog , Kungliga Svenska Vetenskapsacadeniiens Handlingar 63.

- - - berechnet E n s k o g versehentlicb

Nr. 4. s. 1. 1922.

de phys., X. Ser., Bd. VI. S. 260-264. 1926.

Nr. 4. S. 27. 1922. Fur & =

den Wert 0, wiihrend der Wert bcliebig sein darf.

aw aw, azu, a y a Z

Aiiiialeri d w Ph) ilk. 5 . Folgz 36. 21

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318 Annalen der Physilc. 5 . Folge. Band 36. 1939

lagen bis zur 2. Naherung behandelt f u r den Fall, daB die Kolben- geschwindigkeit konstant ist und die Expansion adiabatisch und iiberall senkrecht zur ebenen Kolbenflache (in der z-Richtung) erfolgt. Es ergibt sich folgendes: I m Gasinnern entsteht, ohne daB ein Temperaturgefalle oder ein Massenstrom vorhanden ist, durch die ZusammenstOBe der Molekeln in Richtung z ein mit z wachsender Strom kinetischer Energie, der am Kolben der dort abgegebenen Leistung entspricht. Die Berechnung des Druckes auf den Kolben bis zur 2. Naherung ergibt, dai3 er in allen praktisch in Betracht kommenden Fallen bis auf vollig zu vernachlassigende Betrage mit dem Druck bei sehr kleiner Kolbengeschwindigkeit iibereinstimmt. Die Grenzen fur die bisherige Thermodynamik werden an Hand der hohereri gaskinetischen Naherungen beleuchtet. Allgemeinere Falle der Expansion werden quslitativ behandelt.

Miinchen, Jul i 1939.

(Eingegangen 9. Augu8t 1939)