Die heiligen Berge Jerusalems. Erinnerungstr ger dreier ... · Technische Universität Berlin D83...

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Technische Universität Berlin D83 Die heiligen Berge Jerusalems. Erinnerungsträger dreier Weltreligionen vorgelegt von Kerstin Zevallos Padilla von der Fakultät I Geisteswissenschaften der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Dr. phil. genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzende: Professor Dr. Dagmar Thorau Gutachter: Professor Dr. Werner Dahlheim Professor Dr. Wolfgang Radtke Datum der wissenschaftlichen Aussprache: 10. Juni 2008 Berlin 2008

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Technische Universität Berlin

D83

Die heiligen Berge Jerusalems. Erinnerungsträger dreier Weltreligionen

vorgelegt von

Kerstin Zevallos Padilla

von der Fakultät I Geisteswissenschaften

der Technischen Universität Berlin

zur Erlangung des akademischen Grades

Dr. phil.

genehmigte Dissertation

Promotionsausschuss:

Vorsitzende: Professor Dr. Dagmar Thorau

Gutachter: Professor Dr. Werner Dahlheim

Professor Dr. Wolfgang Radtke

Datum der wissenschaftlichen Aussprache: 10. Juni 2008

Berlin 2008

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Abstract

Die heiligen Berge Jerusalems dienen als zentrale Erinnerungsträger der drei

großen monotheistischen Weltreligionen. Judentum, Christentum und Islam

belegen sie bis heute mit einer großen symbolischen Sinndichte. Die heiligen

Berge sind nicht nur Zeugen der Präsenz und des Wirkens Gottes, liturgische

und kultisch bedeutsame Stätten, identitätsstiftende Symbole, sondern gleich-

zeitig auch Kulisse und Ereignisort unzähliger historischer Begebenheiten.

Die Geschichte des jüdischen Volkes ist untrennbar mit dem Tempelberg

und Zion verbunden. So ist in der jüdischen Tradition der Zion nicht nur der

Wohnsitz Gottes und der Ort des jüngsten Gerichts, sondern er steht für die

Idee einer eigenen Staatlichkeit. Der Tempelberg, auf dem einst das Allerhei-

ligste beheimatet war, ist das zentrale Heiligtum jüdischen Glaubens. Die

Christen begreifen die Wirkstätten Jesu als heilige Orte in Jerusalem und ehren

deswegen die Kreuzigungsstätte Golgatha und den Ölberg als erfahrbaren

Raum in der Topographie der heiligen Stadt. Während sie die Zionstheologie in

vielfältiger Weise übernahmen und der Berg Zion im Stadtbild als Erinnerung-

sort der Urgemeinde neu verortet wurde, galt ihnen der Tempelberg nach der

Zerstörung des Heiligtums als Mahnmal der Worte des Gekreuzigten. Anders

als das Christentum eignete sich der Islam nach der Eroberung Jerusalems nur

einen Ort als heilige Stätte an und fand, trotz der Übernahme einer Vielfalt

jüdischer und christlicher Traditionen, einen eigenen Zugriff auf den Berg, den

einst der Tempel gekrönt hatte: die Himmelfahrt des Propheten.

Die Arbeit untersucht die Anfänge der symbolischen Belegung der heiligen

Berge in Jerusalem; die Erinnerungsorte des frühen Christentums stehen dabei

im Mittelpunkt. Eine Betrachtung der jüdischen Überlieferung wird als Grund-

lage vorangestellt, und ein Ausblick auf die islamische Vereinnahmung eines

den drei Religionen gemeinsamen Erinnerungsortes dient in einem abschlie-

ßenden Teil als Vergleich.

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Schlagworte: Jerusalem, Erinnerungsort, Erinnerungen, religiöses Erinnern, Erinne-

rungsträger, Antike, Religionen, altes Israel, frühes Christentum, Ausbreitung des Islam,

Altes Testament, Neues Testament, Evangelien, Koran, Pilger, Pilgerberichte, heilige

Berge, heilige Stätten, Zion, Golgatha, Ölberg, Tempelberg,, Tempel, Grabeskirche, Fel-

sendom, Al-Aqsa Moschee, David, Salomo, Josija, Abraham, Jesus, Paulus, Konstantin,

Helena, Pilger von Bordeaux, Egeria, Omar, Abd al-Malik, Al-Walid

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Abstract

To this day, the holy mountains of Jerusalem are the most important sacred

places for the three monotheistic world religions. For varying reasons, Jews,

Christians and Muslims view them as places, which play an important role in

their belief. In the Jewish tradition, Zion is not only home to Jahwe and the

setting for the Last Judgement, but also symbolizes the idea of a Jewish state-

hood. The Temple Mount, on which the edifices of worship, housing the Holi-

est of Holies, once stood, is the central most sacred place of the Jewish faith.

Christianity, seeing not only the Temple Mount but also the locations of Je-

sus‘s activities as holy places and therefore especially honouring Golgotha as a

space to be experienced in the topography of the holy city, has also taken in the

theology of Zion in various ways. The written tradition of the Jewish religion,

and the idea of the heavenly Jerusalem with a judging God enthroned on mount

Zion, is at the same time established and transcended in Christian belief. Zion

became a concept which, when no longer bound to a real place, could be trans-

ferred to groups of believers and their respective countries.

The Islamic religion also incorporated the holy sites of the older religions

after conquering Jerusalem. Although the youngest of the abrahamitic religions

borrowed many legends and characters from the Jewish tradition, it neverthe-

less created its own myth concerning the mountain which had once been

crowned with the Temple: the ascent of Mohammed to the heavens.

The holy mountains of Jerusalem unite many meanings in themselves. To

this day they survive as spiritual, religious and cultural centres of three relig-

ions; to this day the conflicts survive as well, which result from the diversity of

overlapping traditions of the sacred spaces. This work aims at an examination

of the beginnings of the symbolic charging of the holy mountains in Jerusalem.

While the Christian places of memory are the center point of this study, an

analysis of the Jewish Tradition as religious and historical background will be

put first and a comparison with the Islamic concept of Jerusalm will conclude

it.

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Keywords: Jerusalem, places of memory, memories, religious memory, carrier of mem-

ory, antiquity, religions, ancient Israel, early Christians, Islam, Old Testament, New Tes-

tament, Gospels, Koran, pilgrims, pilgrim itinerary, holy mountains, holy places, Zion,

Golgotha, Mount of Olives, Templemount, Temple, Church of the Holy Sepulchre,

Dome of the Rock, Al-Aqsa Mosque, David, Solomon, Josiah, Abraham, Jesus, Paul,

Constantine, Helena, Bordeaux Pilgrim, Egeria, Omar, Abd al-Malik, Al-Walid

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Danksagung

Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. W. Dahlheim für die Bereitschaft, mich den

Weg zu den Ursprüngen der heiligen Berge Jerusalems gehen zu lassen und die

Geduld und Strenge, mit der er jeden Ausflug meines Geistes wieder auf das

Wesentliche zu lenken wusste.

Für die Übernahme des Zweitgutachtens danke ich Herrn Prof. Dr. W. Radtke,

dessen Zuspruch mir Selbstvertrauen geschenkt hat.

Ein besonderer Dank gilt meiner Korrektorin Sabine Freund, die mit viel Ge-

duld und Feingefühl den Entstehungsprozess dieser Arbeit begleitet hat und

meinem Mann Alejandro, ohne dessen Zuspruch, Anteilnahme und Liebe diese

Dissertation nicht entstanden wäre.

Berlin, November 2008

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„Die auf den HERRN hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben wie der Berg

Zion. Wie um Jerusalem Berge sind, so ist der HERR um sein Volk her von nun an bis

in Ewigkeit.“ Ps 125,1-2

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Inhalt

Abstract ...............................................................................................................2

Abstract ...............................................................................................................4

Danksagung.........................................................................................................6

Inhalt ...................................................................................................................8

Einleitung ..........................................................................................................10

A. Zion ...........................................................................................................15

I. Gründer. David und Salomo..................................................................19 1. Davids Aufstieg.................................................................................23

2. Die Burg Zion – Davids Stadt...........................................................27

3. Die Sesshaftwerdung Gottes .............................................................31

Die Bundeslade .....................................................................................31

Der Weltenschöpfer auf dem Gottesberg..............................................33

4. Das Haus David.................................................................................35

Die Natanverheißung ............................................................................35

Zion und David .....................................................................................39

5. Salomo ..............................................................................................39

6. Der Tempel........................................................................................42

Der Bau des Tempels ............................................................................42

Das Allerheiligste..................................................................................46

Zion und Salomo...................................................................................48

7. Zion – heiliger Berg der Könige .......................................................49

II. Theologen und Visionäre ......................................................................51 1. Abraham. Der Patriarch ....................................................................52

2. Jesaja. Der Prophet............................................................................56

3. Josija. Der König...............................................................................64

4. Zion in den Psalmen..........................................................................68

III. Conclusio...............................................................................................71 B. Zwischen Tempelberg und Schädelstätte..................................................74

I. Die Ausweitung des Heiligen. Jerusalem im Neuen Testament ...........76 1. Der Messias im Tempel ....................................................................81

2. Tempelreinigung und Tempelwort....................................................85

3. Golgatha ............................................................................................90

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Die Kreuzigung .....................................................................................90

Das leere Grab.......................................................................................94

4. Der christliche Zion und das himmlische Jerusalem.........................96

5. Die heiligen Berge der Christen......................................................102

II. Die Entstehung des christlichen Jerusalems........................................105 1. Die Zeit der Verfolgung..................................................................110

2. Der christliche Siegeszug................................................................119

Konstantin und das Christentum .........................................................119

Die Grabeskirche.................................................................................122

3. Die Legende vom Kreuz und der Aufstieg Golgathas ....................129

4. Die christliche Topographie der heiligen Stadt...............................136

Die Etablierung der heiligen Stätten ...................................................136

Der Ölberg...........................................................................................140

Der christliche Zion.............................................................................142

5. Pilger, Kirchenväter und die heilige Stadt ......................................145

Die christliche Wallfahrt .....................................................................145

Der Pilger von Bordeaux.....................................................................146

Egeria ..................................................................................................148

Die Frömmigkeit der Pilger und die Kritik der Kirchenväter .............152

III. Conclusio.............................................................................................156 C. Al-Quds ...................................................................................................160

Anhang ............................................................................................................174

Quellenverzeichnis..........................................................................................174

Literaturverzeichnis.........................................................................................176

Abbildungsnachweise .....................................................................................193

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Einleitung

„Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an

meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse

Jerusalem meine höchste Freude sein.“ Ps 137,5-6

Jerusalem gilt drei Weltreligionen als heiliger Ort und die Berge der im judäi-

schen Hochland gelegenen Stadt bestimmen nicht nur ihren Anblick, sondern

sie dienen Judentum, Christentum und Islam als bedeutungsvolle Kristallisati-

onspunkte religiösen Gedenkens. Zion und Tempelberg, Ölberg und Golgtha,

die heiligen Berge Jerusalems, wurden in der Geschichte dieser besonderen

Stätte zu mächtigen Erinnerungsorten, deren Kraft bis heute anhält.

Erinnerungsorte sind Zeugen und Kulissen vergangener Wirklichkeiten, Or-

te der individuellen Erinnerung einzelner Personen, Orte des kollektiven Ge-

denkens einer Familie, einer Glaubensgemeinschaft oder Nation. Jenseits der

seit der Antike überlieferten mnemotechnischen Wirksamkeit des räumlichen

Erinnerns ist es eine rein menschliche Erfahrung, bedeutende Ereignisse der

Vergangenheit mit der Stätte ihres Geschehens zu verbinden.1 Dem Ort kommt

dabei eine zweifache Funktion zu: Er verkörpert die irdische Realität, die der

vergangenen Wirklichkeit sinnliche Erfahrbarkeit verleiht, und hält durch seine

bloße physische Anwesenheit das zu Erinnernde präsent.

Das religiöse Empfinden des Menschen vermag einzelnen Erinnerungsorten

eine Fülle von Bedeutungen zuzuweisen. Heilige Stätten gelten als Orte göttli-

cher Präsenz, erinnern an Wunder und Offenbarungen oder verweisen auf die

Versprechen einer zukünftigen Heilszeit. Sie werden zu Räumen andächtiger

Anbetung und kultischer Verehrung, zu liturgischen Zentren oder Werkzeugen

in den Händen der Mächtigen, die sich des Heiligen zu bedienen wissen. Dabei

ist es in der alten Welt oft die Natur, sind es Quellen, Haine und besonders

Berge, die den Glauben an Göttliches inspirieren, die Existenz des Jenseitigen

1 Vgl. dazu u.a. Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, 5. Aufl., München 2005, S. 29ff.

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nahe legen und an denen eine Verbindung zu den himmlischen Sphären wie der

Unterwelt verortet wird.2

So kennt auch die biblische Überlieferung den Berg als Ort entscheidender

Ereignisse des Heilsgeschehens, und sowohl die jüdische als auch die christli-

che und islamische Tradition etablierten besonders die Berge Jerusalems als

zentrale, heilige Erinnerungsorte.3 Diese heiligen Berge und das Zustande-

kommen ihrer Wirkmacht als religiöse Erinnerungsorte mit einer außerge-

wöhnlichen, bis heute andauernden Präsenz in den Gedächtnisgemeinschaften

des jüdischen, christlichen und islamischen Glaubens sind der Untersuchungs-

gegenstand dieser Arbeit.

Seit Beginn der Erforschung des kollektiven Gedächtnisses ist immer wie-

der die Kraft einzelner Orte für das menschliche Erinnern untersucht worden.

Schon in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts galt dem französischen Soziolo-

gen Maurice Halbwachs, dessen Thesen über die soziale Bedingtheit des men-

schlichen Gedenkens Grundlage der späteren Forschung wurden, die christli-

che Überlieferung zu den heiligen Stätten Israels als beispielhaft für das kollek-

tive Erinnern und dessen Funktionsweisen.4 Seitdem ist über das kollektive

Gedächtnis viel geschrieben worden,5 den Begriff des Erinnerungsortes prägte

2 Vgl. etwa Richard J. Clifford: The Cosmic Mountain in Canaan and the Old Testament, Cam-bridge, Mass. 1972, S. 12ff. Paul Huber: Heilige Berge. Sinai, Athos, Golgota – Ikonen, Fres-ken, Miniaturen, Zürich/Einsiedeln/Köln 1980, S. 9. Mircea Eliade: Das Heilige und das Pro-fane. Vom Wesen des Religiösen, aus d. Franz. v. Eva Moldenhauer, Frankfurt a.M./Leipzig 1998, S. 36f. 3 Horst und Ingrid Daemmrich: s.v. Berg, in: Themen und Motive in der Literatur. Ein Hand-buch, 2. erw. u. überarb. Aufl., Tübingen/Basel 1995, S. 72-74; hier S. 72f., bemerken dazu: „In der hebräisch-christlichen Überlieferung ist der Berg der Ort der Begegnung mit dem Gött-lichen. Auf dem Berg wird der Wunsch nach transzendenter Erleuchtung erfüllt. Hier enthüllt sich Gott seinem Volk; hier wird Jesus versucht und schließlich verklärt (Sinai, Ararat, Berg Gottes, Ölberg, Kalvarienberg).“ 4 Maurice Halbwachs: Das kollektive Gedächtnis, aus d. Franz. übers. v. Holde Lhoest-Offermann, Stuttgart 1967. Ders.: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, aus d. Franz. übers. v. Lutz Geldsetzer, Frankfurt a.M. 1985. Ders.: Stätten der Verkündigung im heiligen Land. Eine Studie zum kollektiven Gedächtnis, hg. u. aus d. Franz. übers. v. Stephan Egger, Konstanz 2003. 5 Jan und Aleida Assmann griffen Ende der 80er Jahre die Thesen von Halbwachs zu der kol-lektiven und kulturellen Bedingtheit des Gedächtnisses auf und entwickelten diese weiter. Vgl. etwa Jan Assmann: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Kultur und Gedächtnis, hg. v. Jan Assmann und Tonio Hölscher, Frankfurt a.M. 1988, S. 9-19. Ders.: Religion und kulturelles Gedächtnis. Zehn Studien, 2. Aufl., München 2004. Aleida Assmann: Erinnerungs-räume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999. Seitdem ist in den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen viel Literatur zu den Themen Erinne-rung, kollektives Gedächtnis, Gedenken und Vergessen erschienen. Einen umfassenden Über-

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jedoch erst der französische Historiker Pierre Nora, der in den Jahren 1984 bis

1993 ein siebenbändiges Werk mit dem Titel Les Lieux de mémoire zu den

Gedächtnisorten Frankreichs herausgab.6 Nora transzendiert darin den her-

kömmlichen Ortsbegriff, indem er den Gedächtnisort als Objekt definiert, an

dem sich das Gedächtnis einer Gruppe in besonderer Weise herausbilde. Er

benennt neben topographischen Orten auch Embleme und Gedenkfeiern, Devi-

sen und Rituale, „... Texte, die Neues schufen und eine Tradition begründeten

wie die Erklärung der Menschenrechte oder der napoleonische Code civil, ...“7

Erinnerungsorte, seien sie realer oder symbolischer Natur, wirken als An-

haltspunkte des kollektiven Gedächtnisses.8 Betrachtet man dieses Phänomen

bei heiligen Stätten, erkennt man, dass ein ursprünglich topographischer Ort

durch semantische Aufladung zum Gedächtnisort werden kann, der auch gelöst

vom tatsächlichen Raum weiterbesteht.9 Erinnerungsorte dienen einer Gemein-

schaft als Medien des Gedächtnisses. Zwar bleibt ein topographischer Ort still

ohne Geschichte, braucht er Texte, Mythen, Rituale, um Erinnerung zu trans-

portieren, doch stehen ihm diese zur Seite, überträgt sich seine materielle

Langlebigkeit, die schiere Dauer seiner Präsenz auf die mit ihm verbundenen

Gedächtnisinhalte.10

Ein realer Ort mit einer starken Geschichte ist deshalb ein guter Zeuge.

Wird er zum Erinnerungsort, entfaltet er seine Wirkung auch jenseits seiner

blick über Themen, Schwerpunkte, Forschungsrichtungen und die in den letzten Jahren er-schienene Literatur gibt Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, Stuttgart/Weimar 2005. Vgl. außerdem zu der kulturwissenschaftlichen Wende des spatial turn Doris Bachmann-Medick: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kultur-wissenschaften, Hamburg 2006, S. 284-328. 6 Pierre Nora (Hg.): Les Lieux de mémoire, 7 Bde., Paris 1984-1993. 7 Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis, aus d. Franz. übers. v. Wolfgang Kaiser, Frankfurt a.M. 1998, S. 7. 8 Vgl. dazu auch Etienne François/Hagen Schulze (Hgg.): Deutsche Erinnerungsorte, Bd. I, München 2001, S. 18: „Erinnerungsorte sind sie nicht dank ihrer materiellen Gegenständlich-keit, sondern wegen ihrer symbolischen Funktion. Es handelt sich um langlebige, Generationen überdauernde Kristallisationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität, die in gesellschaftli-che, kulturelle und politische Üblichkeiten eingebunden sind und die sich in dem Maße verän-dern, in dem sich die Weise ihrer Wahrnehmung, Aneignung, Anwendung und Übertragung verändert.“ 9 Vgl. dazu J. Assmann, 2005, S. 39: „Das Gedächtnis braucht Orte, tendiert zur Verräumli-chung. … Gruppe und Raum gehen eine symbolische Wesensgemeinschaft ein, an der die Gruppe auch festhält, wenn sie von ihrem Raum getrennt ist, indem sie die heiligen Stätten symbolisch reproduziert.“ 10 A. Assmann, 1999, S. 21; 299f.

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materiellen Existenz und gerade die Verbindung mit dem Göttlichen erschafft

Orte, deren Macht für das kollektive Gedächtnis sich weit über rein räumliche

oder zeitliche Einflussbereiche hinaus erstreckt. Die unterschiedlichen Bedeu-

tungsebenen heiliger Stätten können dabei von verschiedenen Medien transpor-

tiert werden. Die heiligen Berge Jerusalems als Erinnerungsorte überdauern als

tatsächliche Orte, als Orte des Heilsgeschehens, als Kulisse desselben, als

Schauplätze weltlichen Geschehens und als Zeugen des historischen, sie über-

dauern in kanonisierten Schriften, als Idee, Konzept, durch Texte und Theolo-

gie. Sie bestehen fort in Ritualen, in denen das an ihnen Geschehene liturgisch

wiederholt wird, es stets erneut vorgetragen, vorgelesen und gemeinsam erin-

nert wird.

Die Entstehung der heiligen Berge Jerusalems als Erinnerungsorte verweist

immer wieder auf die Ereignisgeschichte der Stadt und der sie umgebenden

Völker und Staaten. Doch eine historische Rekonstruktion der Entwicklung

heiliger Stätten folgt nicht zwangsläufig der ereignisgeschichtlichen Chronolo-

gie, sondern bemüht sich um eine Darstellung derjenigen Faktoren und Ereig-

nisse, die dazu führten, dass bestimmten Orten eine Fülle religiöser Bedeutun-

gen zugesprochen wurden. Die heiligen Berge dienen dabei der vorliegenden

Untersuchung sowohl innerhalb der Geschichte als auch innerhalb der Topo-

graphie Jerusalems als Anhaltspunkte der Betrachtung.

Zion, der dem Judentum zum identitätsstiftenden Symbol erwachsen sollte,

steht dabei am Anfang der Untersuchung. Der heilige Berg erweist sich dem

religiösen Gedenken als machtvoller Erinnerungsort, der auch nach dem Ver-

lust der architektonischen Repräsentation durch den Tempel Jahwes weiter

besteht. Desweiteren werden die heiligen Berge der Christen in Jerusalem be-

trachtet, die sich durch ihre Vielzahl auszeichnen. Auf den Spuren Jesu etab-

liert die christliche Erinnerung eine Fülle heiliger Stätten in Jerusalem, die

Berge dienen während dieses Prozesses als natürliche Kristallisationspunkte in

der Topographie der Stadt. Einzig der Tempelberg bleibt von der christlichen

Gestaltung ausgeschlossen, auch dies ist dem religiösen Gedächtnis geschuldet.

Dem Islam dient schließlich – im Rückgriff auf die jüdische Tradition und in

der Verbindung mit eigenen Legenden – eben dieser von den Christen unge-

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staltete Raum als Standort eines Komplexes sakraler Architektur, der bis heute

das Stadtbild Jerusalems prägt. In einem abschließenden Kapitel wird die Ent-

stehung dieser heiligen Stätten des Islams auf dem Tempelberg zu einer ver-

gleichenden Perspektive herangezogen.

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A. Zion

Die Kraft jüdischer Erinnerung

„Denn der HERR hat Zion erwählt, und es gefällt ihm, dort zu wohnen.“

Ps 132,13

Das Alte Testament kennt viele heilige Berge. Die fünf Bücher Mose, die den

Kanon der jüdischen Schriften begründeten, enthalten eine Fülle von Erzählun-

gen, die das Wirken Gottes und das Erleben seiner besonderen Präsenz eng mit

bestimmten Bergen verbinden.11 Die mosaischen Gründungsmythen, der Bund

Gottes mit seinem Volk, die Gesetzgebung, ist in engster Weise mit der Vor-

stellung eines heiligen Berges verbunden, der die Präsenz Jahwes repräsentiert

– Sinai. Doch ist dies der Name, den eine spätere Zeit dem Ort der Theophanie

geben sollte, während das Konzept des Gottesberges von der Zionstheologie in

die Frühzeit projiziert wurde.12 Denn Zion, der heilige Berg Jahwes in Jerusa-

lem, erfuhr in der Geschichte des Volkes Israel einen beispiellosen Bedeu-

tungszuwachs, nicht nur als zentrales Heiligtum des einen Gottes, sondern als

einzigartiges identitätsstiftendes Symbol des auserwählten Volkes. Die Vorstel-

lung des Gottesberges, in der alten Welt weit verbreitet, fand in der Deutung

Zions eine besondere Ausprägung, in der sich in vielfacher Weise die Entwick-

lung religiöser Erinnerung spiegelt.

Eine Betrachtung der Geschichte Zions beginnt mit König David. Dieser er-

oberte um 1000 v. Chr. die Jebusiterstadt Jerusalem, machte sie zu seiner

Hauptstadt und überführte die Bundeslade, den Thron Jahwes, in das neue

Zentrum eines vereinigten israelitischen Großreiches. Damit brachte er den

einzigen Gegenstand, der die Gegenwart seines unsichtbaren Gottes repräsen-

tierte, an den Ort, der in der Folge unauflöslich mit dem Glauben, der Religion

und der kulturellen Erinnerung der Volkes Israel verbunden werden sollte: den

Berg Zion.

11 Vgl. dazu Clifford, 1972. 12 Thomas B. Dozeman: God on the Mountain. A Study of Redaction, Theology and Canon in Exodus 19-24, Atlanta 1989, S. 29ff.; 152f.

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Unter Davids Herrschaft und der seiner Nachfolger wurde der Berg Zion zu

einer heiligen Stätte. Als Standort der heiligen Lade und seit Salomos Zeiten

des Tempels, als Wohnsitz Gottes und dessen Thron, als Ort einer apokalypti-

schen Endzeit, des Weltengerichts, als Name für die Stadt Jerusalem und ihre

Bevölkerung, als Synonym für das Volk Israel wurde aus dem Berg nicht nur

ein Erinnerungsort, ein Heiligtum, sondern ein Symbol, das schließlich die

Kraft besitzen sollte, im kulturellen Gedächtnis einer weltweit verstreuten Re-

ligionsgemeinschaft Jahrtausende zu überleben.

Die Könige dieser ehemaligen Stammesgesellschaft festigten ihren An-

spruch auf die alleinige Herrschaft über das Volk Jahwes religiös. Sie verwo-

ben den neuen Sitz ihres Gottes mit den Gründungsmythen, den mündlichen

Erzählkränzen von den Erzvätern der Stämme Israels. Verheißungen für das

sich etablierende Königtum schlossen an die Tradition der Vorväter an. Die

Priester und Theologen des königlichen Jerusalems belegten Jahwe außerdem

mit den Attributen des jebusitischen Gottes El, dem Weltenherrscher und Be-

herrscher des Urchaos, dem Schöpfergott, der seit jeher auf dem Gottesberg

thronend über Himmel und Erde regierte. Und während der Gott Israels so zum

Schöpfergott wurde, erkannte die ansässige Bevölkerung ihren Glauben in dem

Gott der Eroberer wieder.

Jahwe, sein Wohnsitz Zion und das davidische Königshaus bildeten lange

eine politische, religiöse, kulturelle Einheit, gefestigt durch den Tempel und

den schließlich von König Josija zentralisierten Kult in Jerusalem, gestärkt

durch die zunehmende Verschriftlichung historischer und liturgischer Inhalte.13

Erst in Zeiten äußerer Bedrohung durch die Großmächte des Zweistromlandes

seit dem achten Jahrhundert v. Chr., in Zeiten wachsender Spannungen inner-

halb der hebräischen Gesellschaft, löste sich die Zionstheologie durch die

Stimmen der Propheten von dem Zugriff des Königtums der Davididen, boten

endzeitliche Vorstellungen und messianische Hoffnungen eine Alternative zu

einer immer hoffnungsloser werdenden politischen und sozialen Gegenwart.

13 Vgl. etwa David Biale: Das Wort geht aus von Zion. Die religiös-biblischen Grundlagen der jüdischen Geschichte Jerusalems, in: Die Reise nach Jerusalem. Eine kulturhistorische Exkur-sion in die Stadt der Städte, Ausstellungskatalog, hg. v. Hendrik Budde u. Andreas Nachama, Berlin 1996, S. 2-11; hier S. 4f.

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Der Glaube an eine Frieden bringende Endzeit, gewährleistet von einem all-

mächtigen auf dem Zion thronenden Gott, wurde zu einem so mächtigen Deu-

tungsmodell der eigenen Geschichte, dass selbst die Exilserfahrung und der

Verlust der eigenen Staatlichkeit die Macht Zions und seines Gottes nur bestä-

tigen und verstärken konnten.

Die Schriften des Propheten Jesaja, die die Zionstheologie in besonderem

Maße neu bestimmten, sollten von den Nachfolgenden fortgeschrieben werden

und schließlich eine Auslegung der eigenen Vergangenheit enthalten, die selbst

den wiederholten Verlust des Tempels zu transzendieren vermochte und den

heiligen Berg mitsamt der an ihn gebundenen Erwartungen jenseits politischer

Gegebenheiten bestätigte. Der Zerstörung des salomonischen Tempels 586 v.

Chr. und dem babylonischen Exil folgte der Bau des zweiten Tempels, der 516

v. Chr. vollendet war. Auch dieser, von Herodes um die Zeitenwende herrlich

ausgebaut, sollte schließlich 70 n. Chr. der Vernichtung anheim fallen. Die

Bedeutung Zions, des heiligen Berges Jahwes, bestand jedoch fort.

Der heilige Berg sollte im Laufe der Geschichte an verschiedenen Stellen in

der Topographie Jerusalems verortet werden. Zion benannte zunächst die von

König David eroberte Siedlung südlich des Tempelberges, dann, mit dem Bau

des Tempels, weitete sich die Bezeichnung auf den gesamten Südosthügel der

Stadt aus.14 Während sich der Name des Gottesberges mit der Zeit auch auf die

Gesamtheit der Stadt und ihrer Bevölkerung beziehen konnte, wusste im ersten

Jahrhundert n. Chr. der jüdische Historiker Josephus den Berg auf dem ober-

sten Punkt der herodianischen Oberstadt, westlich des Tempels zu lokalisie-

ren.15 Schließlich sollten es die Nachfolger des Gekreuzigten sein, die im vier-

ten Jahrhundert n. Chr. dem Zion, den sie als Schauplatz eines endzeitlichen

Gerichtes übernahmen, seinen bis heute überlieferten Ort im Südwesten der

Stadt zuwiesen.16 Doch der Aufstieg des heiligen Berges, dessen Lokalisierung

in der Stadt so wandelbar war und dessen Name zum Symbol der Vergangen-

14 Vgl. dazu Yaron Z. Eliav: God’s Mountain. The Temple Mount in Time, Place, and Mem-ory, Baltimore 2005, S. 7. Corinna Körting: Zion in den Psalmen, Tübingen 2006, S. 173. 15 Ios.bell.Iud. I,39; 5,137,143; Ios.ant.Iud. 7,62-6. Vgl. Joan E. Taylor: Christians and the Holy Places. The Myth of Jewish-Christian Origins, Oxford 1993, S. 208. 16 Vgl. Kap. B.I.4. Der christliche Zion und das himmlische Jerusalem.

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heit und der Zukunft der Volkes Israel werden sollte, begann mit dem takti-

schen Geschick eines einzelnen Mannes.

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I. Gründer. David und Salomo

Die Geschichte Zions beginnt mit David. Der Gründer der davidischen Dynas-

tie und sein Sohn Salomo gehören zu den ersten historisch greifbaren Personen

des Alten Testaments, auch wenn sich in den Büchern, die über ihr Leben be-

richten, nur Spuren zeitgenössischer Quellen finden.17 Wie alle biblischen

Schriften erhielten diejenigen, die über die frühe Königszeit berichten, die Sa-

muel- und Königsbücher, die Chroniken und die Psalmen, erst nach vielen re-

daktionellen Eingriffen und Fortschreibungen ihre endgültige Form. Sie kön-

nen der Rekonstruktion der Lebensgeschichten Davids und Salomos ebenso

dienen wie der Rekonstruktion des Bildes, das sich nachfolgende Generationen

von ihnen und ihrer Zeit schufen.

In diesen Schriften lassen sich drei große Abschnitte unterscheiden: Die Er-

zählungen und Liturgien aus der Zeit der davidischen Monarchie, die Redakti-

on und Ausarbeitung vorliegender Schriften aus der Zeit des babylonischen

Exils und schließlich die historiographisch gestalteten Büchern der Chroniken,

die in spätpersischer Zeit idealisierend an die nicht wieder erreichte Größe der

Davididen erinnern.18

Die ältesten Schichten mögen noch aus der Zeit Davids und seines Nachfol-

gers auf dem Thron stammen; sie berichten von den wundersamen Begeben-

heiten um den jungen David, seiner Erwählung, seiner Schönheit und seinem

musikalischen Talent. Sie wissen von der Weisheit seines Sohnes Salomo zu

künden, dessen Reichtum und der Vielzahl seiner Frauen. Es wird von Verfol-

gung und Errettung, von glücklichen Umständen, Sünden, Reue und Verge-

bung gesprochen und von den Versprechen, die Jahwe seinem Erwählten und

dessen Haus zuteil werden lässt. Doch finden sich auch Berichte von einer Dy-

17 Zu den wenigen aus dieser frühen Zeit in Jerusalem zu findenden archäologischen Befunden vgl. etwa Klaus Bieberstein/Hanswulf Bloedhorn: Jerusalem. Grundzüge der Baugeschichte vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft, 2 Bde., Wiesbaden 1994; hier Bd. 1, S. 63f. 18 Zur Datierung und Einordnung der Schriften des Alten Testaments vgl. u.a: Erich Zenger u.a.: Einleitung in das Alte Testament, 5. überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart 2004. Die Datierung der Quellen zur frühen Königszeit folgt weitgehend Walter Dietrich: Die frühe Königszeit in Israel. 10. Jahrhundert v. Chr., Stuttgart 1997.

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nastie, deren Aufstieg fragwürdig bleibt, deren Herrschaft von Aufständen und

der Unzufriedenheit ganzer Stämme bedroht ist und deren Erwählung durch

Jahwe mehr mit der Machtgier skrupelloser Männer zu tun hat als mit frommer

Gesinnung.19

Es finden sich Spuren verschiedener Erinnerungsinteressen in diesen frühen

Schichten. Der apologetische Ton der Jerusalemer Hoftheologen vermischt

sich mit den nicht zu unterdrückenden Stimmen politischer Gegner, den nicht

verstummenden Geschichten über den großen König David, der aus der Stam-

mesgesellschaft seiner Vorfahren ein großes Reich erschafft, der ein neues

Zentrum erobert und dessen sagenhaften Sohn Salomo, der den Gott seines

Volkes schließlich Wohnung nehmen lässt auf dem heiligen Berg in der neuen

Davidstadt. In den Legenden vermischen sich Kritik und Idealisierung; einig

sind sie sich in einem Punkt. Ob aus Kalkül oder göttlicher Eingebung, David

erobert mit Jerusalem mehr als nur eine neue Hauptstadt. Mit der Verbringung

der heiligen Lade in die neue Hauptstadt und dem Bau des Tempels unter Sa-

lomo entsteht ein Zentrum, ein Heiligtum, das in den folgenden Jahrhunderten

zum alleinigen Kultort des einen Gottes aufsteigt und im kollektiven Gedächt-

nis des Volkes Israel fester verankert wird als jeder andere Ort.

Die Jahrhunderte seit der Zeit Davids erlebten einen tiefgreifenden Wandel

des Volkes Israel. Die unter dem großen König und seinem Nachfolger verei-

nigten Stämme des Nordens und des Südens sollten schon bald nach Salomos

Tod in zwei Staaten zerfallen. Die alten, noch aus der vorstaatlichen Zeit

stammenden Jahweheiligtümer wie Bethel und Dan existierten parallel zu dem

im Südreich entstehenden Kult in Jerusalem und dem Tempel auf dem Zion.

Die Vielfalt der diplomatischen Beziehungen, die ein Staat, ein König pflegte,

spiegelte sich in den Tempeln der vielen Götter, die in den Städten verehrt

wurden. Während Jahwe mit El, dem Weltenherrscher, verschmolz, wurde

19 Vgl. dazu auch die literarische Verarbeitung der Thematik verschiedener Erinnerungsinteres-sen und -hoheiten in dem Roman von Stefan Heym: Der König David Bericht, 26. Aufl., Frankfurt a.M. 2002.

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Baal, der alte Gott Kanaans zu einer Konkurrenz, die die Anhänger Jahwes im

Norden wie im Süden immer wieder zu gewalttätigen Mitteln greifen ließ.20

Die Theologie des einen Gottes, der keinen anderen neben sich duldet, radi-

kalisierte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Teile des Volkes Israel.

Dazu kam die Vorstellung von dem einen Ort, dem Gottesberg, von dem aus

Jahwe über die Welt herrscht. Nach dem Untergang des Nordreiches im Jahr

722 v. Chr. wurden Jerusalem und das Heiligtum auf dem Zion zur unbestritte-

nen Heimstatt Jahwes. Die Schriften des Deuteronomiums, des dem Mose zu-

geschriebenen Gesetzeswerkes, entstanden in den Jahrzehnten, die auf den Un-

tergang Israels folgten, waren, geprägt von der Katastrophe des Nordens, auf

politische wie religiöse Einheit bedacht. Mit den in der Patriarchenzeit veran-

kerten Forderungen – ein Gott, ein Kult21 – sollte die Erwählung des Jerusale-

mer Tempels bestätigt, seine zentrale Stellung betont werden. Damit bekamen

die Eroberung der Stadt durch David, sein Entschluss, die heilige Lade dorthin

zu verbringen und der Bau der Kultstätte durch Salomo ein neues Gewicht.

Wurden fortan die Taten aller Könige an den deuteronomistischen Grundsätzen

gemessen, so fiel David die Rolle des Erwählten, des Gottgläubigen zu, dessen

Regierungszeit in der Erinnerung seines Volkes eine nie wieder gesehene Grö-

ße repräsentierte. Seinem Sohn aber wurde der Ruhm zuteil, den Tempel Jah-

wes auf dem Zion erbaut zu haben, in einem goldenen Zeitalter des Friedens.

Auch die große Katastrophe, die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar

im Jahr 586 v. Chr., die Zeit des babylonischen Exils, führte zu einer Idealisie-

rung der Begründer des untergegangenen Staates. Im Exil musste die Erobe-

rung Jerusalems und die Zerstörung des Tempels theologisch verarbeitet wer-

den, und die unter persischer Herrschaft Zurückgekehrten mussten schließlich

trotz Wiederaufbau des Tempels auf dem Zion erkennen, dass in dem Land

zwischen den Großmächten kein davidisches Reich mehr erstarken würde. Ihre

Hoffnungen richteten sich auf die von den Propheten angekündigte Endzeit, in

der ihr Gott die Völker von seinem heiligen Berg aus richten würde. Ihr Erin-

nern verklärte die Zeit Davids und Salomos und maß ähnlich der deuterono-

20 Vgl. dazu etwa Rainer Albertz: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, Teil 1: Von den Anfängen bis zum Ende der Königszeit, Göttingen 1992, S. 220ff. 21 Dtn 6,4; 12,1-14.

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mistischen Redaktion der Exilszeit die Monarchen der Königszeit an ihrem

Gehorsam gegenüber Gottes Gesetzen. Das in spätpersischer Zeit verfasste

Geschichtswerk der Chroniken, das sich aus den älteren Quellen speist, präsen-

tiert eine theologisch und historisch geglättete Darstellung der ersten Könige

eines vereinigten Reiches.

Die Biographien Davids und Salomos werden hier in idealisierter Form er-

zählt. Ihre Bedeutung für den Tempel und den Kult werden gegenüber den älte-

ren Schriften der Samuel- und Königsbücher stark hervorgehoben.22 Die schon

vorliegenden Erzählungen, die über die ersten Davididen nicht nur Gutes zu

berichten wissen, die auch von Raub, Mord und Ehebruch künden, werden von

den Chronisten nicht berücksichtigt, obwohl sie im kulturellen Gedächtnis des

Volkes Israel fest verankert sind. Von den Geschichten um den machthungri-

gen und skrupellosen David wird allein die Erzählung über den Erwerb des

Tempelberges, den heiligen Berg Jahwes, übernommen, eine Erzählung, die in

der Darstellung des Königs, den die Chroniken als geistigen Erbauer des Tem-

pels und Gründer des Kultes auf dem Zion feiern, nicht fehlen kann, die aber in

idealisierter Form wiedergegeben wird und die Schattenseiten des großen

Mannes mit dem Eingreifen Satans zu erklären weiß.23 Auf Salomon fällt in

diesem Bericht kein Schatten, der erste Thronfolger ist hier mit der Unter-

stützung seines Volkes unermüdlich um das Erbe seines Vaters, den Tempel

und den Kult, bemüht.24

Deutlich zeigen diese späten Schriften, wie sich das Bild einer Person, einer

Epoche je nach Erinnerungsinteresse einer Zeit wandeln kann. Aus den anfäng-

lich umstrittenen Herrschern eines vereinten Israels sind die beispielhaften,

großen Könige einer Identität stiftenden Vergangenheit geworden. Erinnerten

die Zeugnisse der frühen Königszeit noch an Menschen, deren Aufstieg viel

Glanz und viel Elend mit sich brachte, wissen die spätpersischen Verfasser von

Monarchen zu berichten, deren Wirken nur Segen brachte – sie erinnern ein

Ideal, das Maßstab für gegenwärtiges Geschehen ist und exemplarisch als Vor- 22 Vgl. dazu u.a. Thomas Willi: Das davididische Königtum in der Chronik, in: Ideales König-tum. Studien zu David und Salomo, hg. v. Rüdiger Lux, Leipzig 2005, S. 71-87; hier S. 72f. 23 1 Chr 21-22,1. Vgl. 2 Sam 24. Vgl. Kap. A.I.4. Das Haus David. 24 2 Chr 1-9. Zu den ersten neun Kapitel des zweiten Buches der Chroniken vgl. Roddy L. Braun: Solomonic Apologetic in Chronicles, in: JBL 92 (1973), S. 503-516.

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bild dient; sie erinnern die Auswirkungen, die Davids und Salomos Handlun-

gen auf die Geschichte ihres Volkes hatten und schreiben diese ihrer Zeit zu –

die Erwählung Zions und den Bau des ersten Tempels sehen sie in der Erwäh-

lung Davids und seines Hauses schon erfüllt.

Die Zentralisierung des Kultes, des Glaubens, der Religion auf den Zion und

den Tempel in Jerusalem war längst abgeschlossen als diese Texte entstanden,

und die Vorstellungswelt der Nachkommen wurde durch die Erzählungen der

älteren Schriften ebenso geprägt wie durch Liturgien und Lieder. Die Psalmen

und Proverbien, gedichtet in den Jahrhunderten seit David, priesen nicht nur

die Erwählung Zions durch Jahwe den Weltenherrscher in besonderer Weise,

sondern auch das davidische Königtum.25 Viele der tiefreligiösen Lieder wur-

den dem ersten König zugeschrieben, die Weisheitsschriften seinem Sohn, so

dass die Nachwelt sie nicht nur als große Herrscher, sondern auch als Sänger

und Dichter erinnerte – und als die Erwählten, durch die Jahwe seine Erwäh-

lung des einen heiligen Ortes manifestierte.

1. Davids Aufstieg

„Ich habe dich von der Weide und von der Herde weggeholt, damit du Fürst über

mein Volk Israel wirst.“ 2 Sam 7,8

Der Aufstieg Davids in den Büchern des Alten Testaments ist sagenhaft. Er

beginnt mit dem Auftrag Jahwes an den Propheten Samuel, nach Bethlehem zu

reisen, um dort den von Gott erwählten jüngsten Sohn des Isai, David, zum

zukünftigen König über Israel zu salben.26 So geschieht es, und kurz darauf

wird der junge Mann aufgrund der Empfehlung eines Höflings von den Herden

seines Vaters weggeholt, um die Leiden König Sauls, der von Gottes Segen

verlassen und von bösen Geistern geplagt ist, mit seinem Harfenspiel zu lin-

25 Vgl. Kap. A.II.4. Zion in den Psalmen. 26 Stefan Ark Nitsche: König David. Eine Gestalt im Umbruch, Zürich 1994, S. 77f.; 94f., beschreibt die Bedeutung von Salbungsritualen.

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dern. König Saul gefällt der junge Musiker, der schön von Gestalt und von

angenehmen Wesen ist, er behält ihn nicht nur bei sich, sondern macht ihn zu

seinem Waffenträger (1 Sam 16,1-23).

Doch die Samuelbücher überliefern nicht nur diesen Bericht über den Sohn

Isais. Sie kennen noch eine zweite Erzählung, die den jungen David am Hofe

seines Vorgängers Saul einführt, die Geschichte des Zweikampfes gegen den

Philister Goliath (1 Sam 17). In dieser berühmt gewordenen Begebenheit tritt

der unbekannte Hirtenjunge, nur mit einer Steinschleuder und seinem Glauben

an den Gott Israels bewaffnet, gegen den hünenhaften Goliath aus Gat an, von

dem es heißt:

„Der hatte einen ehernen Helm auf seinem Haupt und einen Schuppenpanzer an, und

das Gewicht seinen Panzers war fünftausend Lot Erz, und hatte eherne Schienen an

seinen Beinen und einen ehernen Wurfspieß auf seiner Schulter. Und der Schaft seines

Spießes war wie ein Weberbaum …“ 1 Sam 17,5-7

Der Ausgang der Geschichte ist bekannt. David besiegt den Riesen, die Philis-

ter27 fliehen und Saul nimmt den jungen Mann, dessen Mut eine Schlacht für

Israel entschieden hat, zu sich. Die beiden Geschichten haben gemein, dass der

zukünftige König als Hirtenjunge vorgestellt wird, der die Herden seines Va-

ters weidet. Dieses Motiv ist es, das die Geschichten in den Bereich der Legen-

de verweist, ist dies doch ein weit verbreiteter Topos der antiken Vorstel-

lungswelt: der König als guter Hirte, das Volk seine Herde, über die er sorgsam

wacht.28

Sagenhaft beginnt die Geschichte von Davids Aufstieg, historisch glaubhaft

wird sie erst, wenn sie von seinem Erfolg im Heere Sauls berichtet, wir erfah-

ren, dass der militärisch viel versprechende Truppenführer vor dem Neid seines

Königs fliehen muss (1 Sam 18-21) und in den Bergwelten und Wüsten Judäas

27 Die Staatenbildung Israels ist ohne den Druck der philistäischen Seevölker, die seit dem 14. Jh. v. Chr. über das Mittelmeer in die Küstengebiete der Levante einströmten, nicht zu denken. In den Schriften des Alten Testaments werden die Philister auch als Krethi und Plethi bezeich-net – ein möglicher Hinweis auf ihre Herkunft. Unter David, der sie schließlich besiegte und seinem Großreich eingliederte, dienten sie Israel als Söldner. 28 Vgl. dazu Steven L. McKenzie: König David. Eine Biographie, übers. v. Christian Wiese, Berlin/New York 2002, S. 59ff.

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eine Gruppe Gesetzloser um sich schart (1 Sam 22), sich durch Schutzgeld-

erpressungen ernährt (1 Sam 25) und schließlich als Söldner bei den Philistern

anheuert (1 Sam 27-31). Dieser Teil der Biographie Davids enthält trotz starker

apologetischer Tendenzen viel Material, das den später idealisierten König in

ein sehr fragwürdiges Licht rückt. Zwar finden sich auch hier die Spuren der

deuteronomistischen Redaktoren, doch der Weg zu den zwei Kronen, die nach

David nur noch sein Sohn Salomon auf einem Haupt vereinen sollte, forderte

viele Opfer, sah den Untergang der saulidischen Dynastie und den künftigen

König auf der Seite des Feindes.

Davids Vorgehen seit der Flucht kommt einer von langer Hand geplanten

Machtübernahme gleich: Er verschafft sich in den Gebieten der Südstämme

eine Machtbasis, durch Raub und Erpressung, Eheschließungen und Zahlungen

an die Ältesten, und von den Philistern erhält er ein eigenes Lehen (1 Sam

27,6).29 Als seine neuen Verbündeten ohne ihn gegen Saul in die Schlacht zie-

hen – um die Loyalität des ehemaligen königlichen Waffenträgers nicht auf die

Probe stellen – kann er aus der Ferne den Untergang seines Rivalen abwarten

(1 Sam 29-31).30 Nach der Niederlage Sauls stellte David mit seinen Männern

eine starke militärische Macht dar und es ist fraglich, ob die Stammesältesten

Judas tatsächlich eine Wahl hatten, als der Söldnerführer, der geraubt, gemor-

det und sich später als großzügiger Sieger gezeigt hatte, mit seiner kampf-

erprobten Truppe in Hebron einrückte.

Die Schilderung von Davids Trauer um den gefallenen König, den Gesalb-

ten des Herrn, zu dem die späteren Bearbeiter auch ihn machten, überstrahlt in

der bewusst tradierten Geschichte den Weg zu der eigenen Krönung, und fast

unbemerkt lassen die Redaktoren einfließen, dass David nur auf Geheiß Gottes

nach Hebron zieht, der Stadt, die seinen Griff nach der Macht erlebte:

29 Die wirtschaftliche Grundlage – der Besitz Nabals und das Lehen in Ziklag – für die Erlan-gung des Königtums betont u.a. Volkmar Fritz: Die Stadt im alten Israel, München 1990, S. 132. 30 Nitsche, 1994, S. 158f., folgt der Erzählung der Samuelbücher und spricht von fortune als David der Schlacht gegen Saul in den Reihen des Feindes entgeht. McKenzie, 2002, S. 123f., geht derweil davon aus, dass David direkt oder indirekt auf ein Zustandekommen der Schlacht hingearbeitet hat, um Sauls Sturz herbeizuführen, möglicherweise sogar an der Schlacht selbst teilnahm.

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„Bald danach befragte David den Herrn und sprach: Soll ich hinauf in eine der Städte

Judas ziehen? Und der Herr sprach zu ihm: Zieh hinauf! David sprach: Wohin? Er

sprach: Nach Hebron. … Und die Männer Judas kamen und salbten dort David zum

König über das Haus Juda.“ 2 Sam 2,1-4

Waren die Stämme Israels und Judas unter Saul, der seine Hausmacht im Nor-

den des Landes hatte, teilweise nur nominell vereint, führte doch erst Davids

Krönung zum König von Juda zu einem offenen Bruch zwischen dem Norden

und dem Süden.31 Denn Abner, Heerführer Sauls und nach dessen Tod mäch-

tigster Mann in Israel, erhob nach der Niederlage gegen die Philister einen

Sohn des gefallenen Königs auf den Thron Israels (2 Sam 2,8-10). Damit war

der Verbund der Stämme in zwei Staaten getrennt und Davids Reaktion ließ an

seinen politischen Zielen keinen Zweifel mehr: Er führte Krieg gegen den Er-

ben Sauls (2 Sam 2,12-3,1).

Zwei Jahre herrschte Ishbaal, der letzte Saulide auf dem Königsthron, über

Israel, bevor er und sein Heerführer Abner einen gewalttätigen Tod fanden.

Wieder wissen die Autoren und Redaktoren der Samuelbücher von Davids Un-

schuld zu berichten, werden die aufrichtige Trauer und das Fasten, das Klagen

und Singen des Königs beschrieben (2 Sam 3,22-4). Auch hier weist die aus-

führliche Entschuldigung Davids auf eine Mittäterschaft hin, sind Bearbei-

tungsspuren zu erkennen, die in immer deutlicheren Worten allen Anklagen

widersprechen, ein Bild prägen, dass erinnert werden soll: Der Weg Davids zu

den beiden Kronen seines Volkes sei das Werk Jahwes, das Werk der Erwäh-

lung und nicht das eines skrupellosen, machtgierigen Söldners – wie es die

31 Die Stämme Israels waren geographisch in ein nördliches und ein südliches Gebiet unterteilt, es bestanden kulturelle und religiöse Unterschiede, obwohl man sich als gemeinsamen Stäm-meverbund verstand. War Saul König des gesamten Stämmeverbundes, erlangte David zuerst die Königskrone über den südlichen Teil, einen Zusammenschluss mehrerer Stämme, nach dem führenden Stamm Juda genannt, und erst nach Ishbaals Tod erhielt David auch die Krone über den nördlichen Stämmeverbund, Israel genannt. Nur David und sein direkter Nachfolger Salomo vermochten die Herrschaft über das gesamte Gebiet aufrechtzuerhalten. Nach Salomos Tod zerfiel das Reich in ein Nord- und ein Südreich, Israel und Juda. Verwirrend an der Be-nennung ist, dass Israel auch nach der Reichstrennung als Bezeichnung für das gesamte Volk benutzt wird. Dies ist aus der Herleitung des Namens aus der Jakobsgeschichte zu erklären. Dieser, Urvater der Stämme, erhielt den Beinamen Israel, nachdem er eine Nacht lang mit einem Engel des Herrn an den Furten des Jabbok gerungen hatte (Gen 32,23-33). Die Stämme, die aus seinen Söhnen hervorgingen, führten sich alle auf ihn zurück, so dass Israel wie auch die Bezeichnung das Haus Jakob immer die Gesamtheit des Volkes meinen kann.

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Struktur und der Verlauf der Geschichte trotz oder gerade wegen der viel-

fachen Bearbeitung offenbaren.32

Nach der Ermordung Abners und Ishbaals erlangt David die Herrschaft über

das gesamte Gebiet der Stämme. Die Ältesten Israels kommen nach Hebron

und salben ihn zum König über die Stämme des Nordens:

„Und es kamen alle Stämme Israels zu David nach Hebron und sprachen: Siehe, wir

sind von deinem Gebein und deinem Fleisch. Schon früher, als Saul über uns König

war, führtest du Israel ins Feld und wieder heim. Dazu hat der HERR dir gesagt: Du

sollst mein Volk Israel weiden und sollst Fürst sein über Israel. Und es kamen alle

Ältesten in Israel zum König nach Hebron. Und der König David schloß mit ihnen

einen Bund in Hebron vor dem HERRN, und sie salbten David zum König über

Israel.“ 2 Sam 5,1-3

David erhält die zweite Salbung, verbindet seine Herrschaft über Juda mit der

über Israel und garantiert damit die Einheit der Stämme, die er durch seine

Machtergreifung im Süden selbst in Frage gestellt hatte. Der junge Waffenträ-

ger im Heere Sauls, der unter zweifelhaften Umständen zum König über die

Stämme aufgestiegen war, sollte in den Jahren seiner Herrschaft die Geschichte

seines Volkes prägen wie kaum ein anderer – er stiftete seinem Volk die Sym-

bole, die es für alle Zeit einen sollte: Jerusalem und Zion. Dem Zion aber sollte

schließlich die Macht zuwachsen, die Einheit des Volkes Israel immer und

überall zu repräsentieren.

2. Die Burg Zion – Davids Stadt

„David aber eroberte die Burg Zion, das ist Davids Stadt.“ 2 Sam 5,7

Die Schriften des Alten Testaments nennen die Eroberung Jerusalems als erste

Tat des neuen Königs über Israel und Juda, sollte David doch mit der Ein-

32 McKenzie, 2002, S. 54f.

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nahme der Burg Zion in die Geschichte des Glaubens seines Volkes eintreten.

Hier begegnet zum ersten Mal der Name Zion. Er bezeichnet die Burg der

Stadt Jerusalem und in der Folgezeit sollte er den Gottesberg in der neuen

Hauptstadt des davidischen Reiches bezeichnen, die Stadt selbst und später

auch deren Bevölkerung.33 Untrennbar ist dieser Name mit David verbunden,

der das zukünftige Heiligtum dem Land seines Volkes hinzufügte – jedoch erst,

nachdem er seine Herrschsaft gegen die Philister gesichert hatte.

Seine ehemaligen Verbündeten wurden wieder zu Feinden als er die Kö-

nigswürde Israels entgegennahm; hatte er ihnen gegen Saul genützt, wurde er

zur Bedrohung, als er dessen Krone nahm.34 So heißt es im zweiten Buch Sa-

muel nach der Schilderung der Einnahme Jerusalems: „Als die Philister hörten,

daß man David zum König über Israel gesalbt hatte, zogen sie alle herauf, um

sich Davids zu bemächtigen.“ (2 Sam 5,17) Dies ist die Situation unmittelbar

nach der Krönung in Hebron. Die Philister warten nicht ab, was ihr ehemaliger

Vasall planen mag, sie greifen an. David besiegt sie in zwei Schlachten, die

den taktischen Vorstoß seiner Gegner verständlich machen. Sie versuchen, die

Nord-Südverbindung der Reichsteile Israel und Juda voneinander zu trennen –

auf der Höhe einer jebusitischen Enklave: Jerusalem.

Die hochgebaute Stadt der Jebusiter auf dem Zion galt als uneinnehmbar,

und tatsächlich hatte sie die Landnahme der Stämme überstanden, wenn auch

ihr Einflussgebiet durch die Stämme Juda im Süden und Benjamin im Norden

immer weiter begrenzt wurde.35 Durch den Angriff der Philister wurde die

Schwachstelle in der Verbindung des Nord- und des Südreiches in dem Gebiet

um Jerusalem deutlich sichtbar – und David handelte. Nachdem er die Philister

zurückgeschlagen hatte, eroberte er die Stadt, die keinem der Stämme angehör-

te, sicherte die Verbindung zwischen Israel und Juda, schuf sich eine Macht-

basis, seinem Reich eine Hauptstadt und dem Glauben seiner Väter ein neues

Zentrum. Damit begann der Aufstieg einer Stadt, die weder die Geschichten

der Erzväter noch die Exodustradition kannte, die Sitz eines fremden Gottes

war und keinem der Stämme als heiliger Ort galt. Ihre Eroberung war politisch

33 Vgl. etwa Eliav, 2005, S. 7ff. 34 McKenzie, 2000, S. 131. Nitsche, 1994, S. 188f. 35 Karen Armstrong: Jerusalem. One City, Three Faiths, London 1996, S. 37ff.

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Abb. 1

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und militärisch motiviert, wie auch ihr Ausbau und die Verbindung mit der

Religion Jahwes; und erst mit König David begann um 1000 v. Chr. der Auf-

stieg dieses Ortes, des heiligen Berges Zion, zum wichtigsten Heiligtum des

Volkes Israel.

„Und der König zog mit seinen Männern vor Jerusalem gegen die Jebusiter, die im

Lande wohnten. Sie aber sprachen zu David: Du wirst hier nicht hereinkommen,

sondern Blinde und Lahme werden dich abwehren. Damit meinten sie, daß David

nicht dort hereinkommen könnte. … Da sprach David an diesem Tage: Wer die

Jebusiter schlägt und durch den Schacht hinaufsteigt und die Lahmen und Blinden

erschlägt, die David verhaßt sind, der soll Hauptmann und Oberster sein.“

2 Sam 5,6-8

Die Eroberung Jerusalems war strategisch begründet, ihre Durchführung ein

taktischer Geniestreich. David nahm die Stadt mit seinen Männern ein, mit

einer Truppe, die nur ihm verpflichtet war – damit ging die Stadt in seinen per-

sönlichen Besitz über. Innerhalb der weiteren Darstellung ist das Sprichwort

von den Lahmen und Blinden weitestgehend unverständlich, bis auf den ersten

Satz: „Du wirst hier nicht hereinkommen, sondern Lahme und Blinde werden

dich abwehren.“ Die Jebusiter waren sich der Verteidigungsanlagen ihrer Stadt

so sicher, dass sie davon ausgingen, selbst die Schwächsten in ihrer Mitte

könnten die Angreifer zurückschlagen. Sie hatten sich getäuscht. Die Stadt

Jerusalem war nahezu uneinnehmbar, das hatte die Vergangenheit bezeugt,

doch David fand in der Stärke der jebusitischen Verteidigung eine Schwach-

stelle: Die Wasserversorgung.

Die Herren Jerusalems hatten die Gihon-Quelle außerhalb der Stadtmauern

durch ein Tunnelsystem mit der Stadt verbinden lassen. Selbst während einer

Belagerung konnte so die Bevölkerung mit Wasser versorgt werden.36 Durch

dieses Schachtsystem ließ David seine Männer in die Stadt eindringen, die

kampfbewährten Krieger sorgten vermutlich dafür, dass die Tore der Stadt von

36 Diese Wasserversorgung wurde immer wieder ausgebaut, die Reste konnten von Charles Warren 1867 archäologisch nachgewiesen werden. Vgl. dazu etwa Eckart Otto: Jerusalem – die Geschichte der Heiligen Stadt. Von den Anfängen bis zur Kreuzfahrerzeit, Stuttgart 1980, S. 42ff.

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innen geöffnet wurden. Jerusalem musste sich dem König über die Stämme

ergeben.

Die jebusitischen Machthaber über den Zion trugen seit jeher einen Königs-

titel und so fügte David den beiden Kronen seines Volkes noch eine dritte hin-

zu – er wurde König von Jerusalem, das künftig die Stadt Davids heißen sollte.

Die Stadt zwischen den Stämmen wurde das neue Zentrum des Reiches, die

Hauptstadt eines Königs, dessen Herrschaft mit dem charismatischen Heerkö-

nigtum seines Vorgängers nicht mehr viel gemein hatte. War Saul Zeit seines

Lebens abhängig vom Wohlwollen der Stämme, deren Heerbann die Truppen

stellte, die er gegen den gemeinsamen Feind in die Schlacht führte, begann

David seine Laufbahn mit einer Söldnertruppe, die ihm bis in das Lager der

Philister gefolgt war. Die Folgezeit zeigte, dass der neue König auch weiterhin

unabhängig vom Wohlwollen der Stämme bleiben wollte, deren Einfluss er

durch die Verwendung von Söldnertruppen in seinen Eroberungskriegen ein-

schränkte,37 denen er aber mit Jerusalem zugleich ein nie gekanntes staatliches

und bald auch religiöses Zentrum schuf.38 Denn der Eroberung folgte ein wei-

terer kluger Schachzug: David holte die Bundeslade in die neue Hauptstadt und

ließ Jahwe auf dem Zion Wohnung nehmen.

3. Die Sesshaftwerdung Gottes

Die Bundeslade

Die Lade Jahwes war ein Kultobjekt der Stämme Israels. Sie repräsentierte die

Gegenwart eines unsichtbaren Gottes, barg als mächtiges Artefakt Heil und

Unheil, diente als Kriegspalladium, Wanderheiligtum und Unterpfand für den

Bund Gottes mit seinem Volk.39 David ließ die Lade aus Kirjat-Jearim holen,

wo sie nach dem Raub und der Rückgabe durch die Philister ihren Ruheplatz

37 Die Krethi und Plethi der Davidsgeschichte waren Kontingente der von ihm geschlagenen Philister, die der neue Herrscher als königliche Leibwache in seinen Dienst nahm. Er schuf damit eine gewisse Unabhängigkeit vom Heerbann der Stämme. Vgl. Albertz, 1992, S. 167. 38 McKenzie, 2000, S. 132. 39 Georg Steins: s.v. Bundeslade, in: LThK, Bd. 2, 3. völlig neu bearb. Aufl., Freiburg i.Br. 1994, Sp. 794f.

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gefunden hatte (1 Sam 4-7). Ausführlich berichtet das zweite Buch Samuel von

der Verbringung des heiligen Artefakts in die neue Hauptstadt. Gottes Macht

findet ihren direkten Ausdruck in dem Tod eines Mannes, der die Lade berührt

– um sie zu schützen. Die feierliche Prozession muss abgebrochen werden und

erst drei Monate später, so die Überlieferung, kann David den Thron Jahwes

nach Jerusalem bringen.

„Und David tanzte mit aller Macht vor dem HERRN und war umgürtet mit einem

leinenen Priesterschurz. Und David mit dem ganzen Hause Israel führte die Lade des

HERRN herauf mit Jauchzen und Posaunenschall. … Als sie die Lade des HERRN

hineinbrachten, stellten sie sie an ihren Platz mitten in dem Zelt, das David für sie

aufgestellt hatte. Und David opferte Brandopfer und Dankopfer vor dem HERRN. Und

als David die Brandopfer und Dankopfer beendet hatte, segnete er das Volk im Namen

des HERRN Zebaoth, ...“ 2 Sam 6,14-18

Es war eine kluge Entscheidung, die Lade Jahwes in die Stadt Davids zu holen.

Seit dem Verlust an die Philister hatte die Bundeslade an Bedeutung verloren,

aber sie barg das Potential – als Manifestation der Präsenz des unsichtbaren

Gottes – für ein zentrales Heiligtum in der neuen Hauptstadt. Durch die traditi-

onelle Verbundenheit der nördlichen Stämme zu der heiligen Lade war ihre

Verbringung nach Jerusalem durch David auch eine Geste der Anerkennung,

ein Signal an den Norden.40 Die feierliche Prozession des Königs „mit dem

ganzen Hause Israel“ sollte eine Einigkeit zwischen König und Volk herstellen

und demonstrieren, während die führende Rolle Davids dabei in jedem Schritt

ihren Ausdruck fand. Er leitete in der Funktion eines Priesters die Feierlichkei-

ten, bestimmte und stattete den Ort aus, an dem die Lade ihren Platz finden

sollte, er verrichtete die Opfer und spendete schließlich dem Volk den Segen

des Herrn. Die Geste war perfekt durchdacht, die Darstellung lässt keinen

Zweifel an der Funktion Davids in der Geschichte Israels – er ist der ideale

König, Mittler zwischen Gott und dessen auserwähltem Volk.

40 Vgl. dazu u.a. Herbert Donner: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grund-zügen, Göttingen 1987, S. 197f.

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Der politische Erfolg von Davids Versuchen, den Norden an sein Königtum

zu binden, sollte ausbleiben, aber die Verbringung der Lade nach Jerusalem

war der Beginn einer Entwicklung, die den umstrittenen König unsterblich

machen sollte. Jahwe, der Gott ehemaliger Nomaden, die sich im Lande Ka-

naan allmählich angesiedelt hatten, nahm auf dem heiligen Berg Zion in Jeru-

salem Wohnung. Zwar wurde erst unter Salomon aus dem Zelt ein Haus aus

Stein, der Tempel die Manifestation der Sesshaftwerdung Gottes auf dem Zion,

doch David hatte die Stadt erobert, er hatte die heilige Lade, den Thron Jahwes,

zu sich geholt, die Tradition des nomadischen Gottes in die Mauern des hoch-

gebauten Jerusalem verbracht.

Der Weltenschöpfer auf dem Gottesberg

Jahwe, der Gott der Stämme Israels, gewann mit dem Einzug in Jerusalem

mehr als einen weiteren Ort, an dem seine Gläubigen ihre Opfer darbringen

konnten. In der Jebusiterstadt hatten Priesterkönige geherrscht, in deren Vor-

stellung das Pantheon der Götter von El beherrscht wurde, dem Schöpfer von

Himmel und Erde, dem Bezwinger des Chaos’, Vernichter aller Feinde und

Herr über die Fruchtbarkeit des Landes. Sein Wohnsitz war der Zion, Urberg

der Schöpfung, Verbindung zwischen irdischer und himmlischer Welt, Nabel

und Mittelpunkt der Welt – Allerheiligstes.

Der Zion wurde, seit König David die Bundeslade in die neue Hauptstadt

geholt hatte, der Wohnsitz Jahwes, und die Vorstellungen von El wurden auf

den Gott der Stämme übertragen. El und Jahwe verschmolzen, und Jahwe ging

als Weltenschöpfer auf dem Zion daraus hervor.41 Es war ein theologisches

Meisterstück, das die Handschrift der davidischen Monarchie trägt.42 So wie

die Verbringung der Lade eine Annäherung an die Stämme Israels war und

eine Demonstration der Macht und Bedeutung des Königs, war die Verbindung

41 Albertz, 1992, S. 117ff. Albertz weist darauf hin, dass die Jahwereligion schon in der Zeit der Stämme Elemente der Verehrung Els übernommen habe; die theologische Verschmelzung von El und Jahwe nach der Eroberung Jerusalems sei dadurch wesentlich erleichtert worden. 42 Jimmy J. M. Roberts: The Davidic Origin of the Zion Tradition, in: JBL 92 (1973), S. 329-344. Roberts argumentiert für die Entstehung der Zionstradition in der Zeit Davids und Salo-mos, die Herkunft aus jebusitischen Wurzeln lehnt er ab.

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Jahwes mit dem Schöpfergott El eine Weiterentwicklung der eigenen Religion

und eine machtpolitische Entscheidung. Unsere Quellen schweigen zu diesem

Vorgang. Doch die seit der frühen Königszeit entstandenen Schriften setzen die

Allmacht des Schöpfergottes voraus – und seine Unterstützung für die Monar-

chie Davids.43

David war unter zweifelhaften Umständen König über Israel und Juda ge-

worden. Die Geschichte seines Aufstiegs liest sich wie die Apologie für einen

Mann, dessen Erfolg nicht nur die Geschichtsschreibung seiner Regierung,

sondern die seines Volkes prägen sollte. Entscheidend für den neuen König,

dessen Herrschaft Zeit seines Lebens umstritten bleiben sollte, und seine Nach-

folger war die Legitimation durch Jahwe, den Gott der Vorfahren und der

Stämme. Dessen Anwesenheit in Jerusalem wurde durch die heilige Lade re-

präsentiert, die zunächst in einem traditionellen Zeltheiligtum aufgestellt wur-

de. Jahwe war mit David, diese Botschaft wurde durch die Anwesenheit der

Lade und den Opferbetrieb an dem neuen Heiligtum manifestiert. Der Gott der

Väter ließ sich in der Stadt Davids nieder und sein Machtzuwachs war der

Machtzuwachs der Monarchie, die sich durch ihn legitimierte.

Ebenso entscheidend für die Monarchie der Davididen war die Unter-

stützung durch die Eliten: Priester, Beamte, Militär. War David zunächst noch

auf die Zustimmung der Stämme angewiesen, sollte sich schnell zeigen, dass

der Träger dreier Kronen seine Macht auf Königstreue zu gründen gedachte.

Söldner ersetzten den Heerbann der Stämme, eine unter Saul ungekannte Schar

von Beamten diente dem Hof und dem Heer; dem Kult in Jerusalem standen

Ahimelech aus Nob, der den König schon seit dessen Flucht vor Saul beglei-

tete, Zadok, ein Jebusiter, und die Söhne Davids vor (2 Sam 8,15-18). Die Aus-

wahl zeigt, dass der Monarch Loyalität belohnte, die Stellung seiner Familie

stärkte und auf die bestehenden Strukturen der städtischen Gesellschaft zu-

rückgriff. Das eroberte Jerusalem wurde nicht zerstört, sondern erhalten, hohe

Funktionsträger der jebusitischen Oberschicht in ihren Ämtern bestätigt.44 Die

43 Vgl. dazu besonders die Psalmendichtung, in der die Konzeption Jahwes als Schöpfergott auf dem Zion, als Schutz und Vernichter der Feinde, deutlich hervortritt. Siehe u.a. Pss 46; 47; 48; 104. 44 Vgl. etwa Otto, 1980, S. 47.

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Verschmelzung von Jahwe und El erfüllte auch hier ihren Zweck. Der Glaube

an den Weltenschöpfer auf dem Zion blieb bestehen, die entscheidenden Ele-

mente der Theologie Els wurden auf Jahwe übertragen und die Loyalität der

städtischen Bevölkerung für den Eroberer sichergestellt. Sowohl Jahwe als

auch David profitierten von dieser Entwicklung. Während jener zum Schöpfer-

gott und Weltenherrscher wurde, dessen heiliger Berg Zion Mittelpunkt der

Erde und Nabel der Welt war, wurde jener Gründer einer Dynastie, die von der

Größe ihres Gottes getragen in die Unsterblichkeit der religiösen Gedächtnisse

dreier Weltreligionen einging.

4. Das Haus David

Die Natanverheißung

„Und der HERR verkündigt dir, daß der HERR dir ein Haus bauen will. Wenn nun

deine Zeit um ist und du dich zu deinen Vätern schlafen legst, will ich dir einen

Nachkommen erwecken, der von deinem Leibe kommen wird; dem will ich sein

Königtum bestätigen. Der soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will seinen

Königsthron bestätigen ewiglich. Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein.“

2 Sam 7,11-14

Die davidische Dynastie sollte in Jerusalem bis zur Eroberung der Stadt durch

die Babylonier im Jahr 587 v. Chr. herrschen und selbst im Exil, in der Fremde,

verloren weder das Königtum Davids noch der heilige Wohnsitz Jahwes auf

dem Zion ihre Kraft und ihren Zauber. Diese Macht war den vielen Geschich-

ten zu verdanken, die seit der frühen Königszeit in immer ausgefeilteren Versi-

onen Biographien mit Theologie, Ereignisse mit Wundern und den Gottesberg

in Jerusalem mit der göttlichen Präsenz Jahwes zu verbinden wussten. Aus-

gangspunkt war der Legitimationsbedarf der davidischen Herrschaft. Hatte

schon Davids Aufstieg der vielfachen Überarbeitung bedurft, erforderte die

Erhebung Salomos zum Erben der drei Kronen zusätzliche Anstrengungen der

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Schreiber und Redaktoren.45 Im Stil antiker Monarchien wurde David und sei-

nen Nachfolgern auf dem Thron die Gottessohnschaft zugeschrieben, und eine

Verheißung Jahwes für den ewigen Bestand des Hauses fand ihren Weg in die

Schriften – ein Vorgehen, dessen Nachwirkungen kaum zu unterschätzen

sind.46

Die Versprechungen, die Jahwe David geben sollte, dem Hofpropheten Na-

tan in den Mund gelegt, greifen einerseits legendäre Verheißungen an den Pa-

triarchen Abraham auf (Gen 12,2-3), dessen Geschichte die Schreiber des Al-

ten Testaments auch mit dem Gottesberg zu verbinden wussten (Gen 22,1-19),

und stellen die Davididen damit in eine Traditionslinie mit den Erzvätern.47

Andererseits wird hier eine neue Tradition begründet, die später allen messia-

nischen Vorstellungen zugrunde liegt. Die Prophetien der Königszeit, der un-

erschütterliche Glaube der Exilierten an ein kommendes Friedensreich und

schließlich die Geschichte eines Mannes, der in den Zeiten der römischen Be-

satzung den Kreuzestod starb, beruhen auf der Vorstellung der Gottessohn-

schaft der Könige aus dem Hause Davids, gewährt von einem allmächtigen

Gott, der in den Psalmen verkündet:

„Ich aber habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion. … Du bist

mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Bitte mich, so will ich dir Völker zum Erbe

geben und der Welt Enden zum Eigentum.“ Ps 2,6-8

Die Natanverheißung, religiöse Legitimation der davidischen Dynastie, erfüllt

innerhalb der Geschichten über den legendären ersten König noch einen weite-

ren Zweck. Sie enthält die Erklärung, warum David, der Auserwählte Jahwes,

nicht auch derjenige war, der den Tempel auf dem heiligen Berg Zion erbauen

ließ. Es war für die Nachfolgenden schwer einzusehen, dass der Mann, der den

Gott der Stämme in seine Stadt geholt hatte, der tanzend und frohlockend die

heilige Lade heimgeführt hatte, nicht auch die steinernen Mauern errichten

45 Zur Thronfolge Salomos vgl. Kap. A.I.5. Salomo. 46 Zur Textgeschichte der Natanverheißung siehe: Albertz, 1992, S. 177ff. Vgl. außerdem Reinhard G. Kratz: Die Propheten Israels, München 2003, S. 34, der in der Natanverheißung die nachexilische Hoffnung auf einen ewigen Bestand des Königshauses sieht. 47 Zur Verknüpfung Abrahams mit dem Gottesberg vgl. Kap. A.II.1. Abraham. Der Patriarch.

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ließ, die für Jahrhunderte die Präsenz Gottes auf Erden manifestierten.48 Für

die Bearbeiter der Samuelbücher gab es dafür nur eine Erklärung: Es lag nicht

an David, dessen Angebot, Jahwe ein Haus zu bauen dieser mit der berühmten

Verheißung beantwortete, sondern Gottes Ratschluss selbst bestimmte den

Sohn und Erben des Königs, Salomo, zum Erbauer des Heiligtums (2 Sam 7,1-

14).49 Den Grund für den göttlichen Entschluss bleiben die Samuelbücher

schuldig, spätere Generationen aber gestehen dem großen König die besondere

Ehre zu, den Tempelplatz gekauft zu haben.50

Das zweite Buch Samuel kennt die Erzählung einer von David durchgeführ-

ten und als sündhaft empfundenen Volkszählung, der als göttliche Strafe eine

Pestepidemie folgt, die ihr heilvolles Ende in Jerusalem findet, wo ein Engel

des Herrn bei der Tenne des Jebusiters Arauna der Seuche Einhalt gebietet.

Auf Geheiß des Sehers Gad will David seinem Gott an dieser Stelle einen Altar

errichten und erwirbt dazu das Land für fünfzig Lot Silber; erst nach dem Kauf

der Tenne baut David den Altar und bringt dem Gott seines Volkes Brand- und

Dankopfer dar (2 Sam 24). Die Chroniken wissen diese Geschichte im Nach-

hinein zu nutzen, um den großen König mit dem Bau des Tempels zu verbin-

den und ergänzen die Schilderung der Samuelbücher:

„Damals, als David sah, daß ihn der HERR erhört hatte auf der Tenne Araunas,

des Jebusiters, und er dort Opfer darbrachte ... da sprach David: Hier soll das Haus

Gottes, des HERRN, sein, und dies der Altar für die Brandopfer Israels.“

1 Chr 21,28-22,1

Die Chronisten, die David auch über die Natanverheißung mit dem Heiligtum

verbunden wussten, stellen den berühmten König als Bereiter des Tempelbaus

dar.51 Der Erwerb von Grundbesitz implizierte in der altorientalischen Vorstel-

48 McKenzie, 2002, S. 149f. 49 So auch Hartmut Geese: Der Davidsbund und die Zionserwählung, in: Vom Sinai zum Zion. Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie, München 1984, S. 113-129; hier S. 127f. 50 Eliav, 2005, S. 3f. 51 Die wesentlich später entstandenen Chroniken, die den Text der Natanverheißung wörtlich übernahmen (1 Chr 17,1-14), gaben sich mit der Erklärung der Samuelbücher nicht zufrieden. Sie fügen der Geschichte Davids eine weitere Erklärung hinzu und lassen ihn selbst den Bau des Tempels an seinen Sohn übergeben: „Und er rief seinen Sohn Salomo und gebot ihm, dem

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lungswelt eine enge Bindung zwischen der besitzenden Familie und der Bedeu-

tung des Ortes. Der Baugrund des Tempels auf dem Zion, der zu der heiligsten

Stätte des Volkes Israel werden sollte, war durch diese Geschichte als Besitz

Davids und seiner Nachfahren gekennzeichnet; und dies bestätigte die Bedeu-

tung seines Hauses und dessen Erwählung durch Gott.

HERRN, dem Gott Israels, ein Haus zu bauen, und sprach zu ihm: Mein Sohn, ich hatte im Sinn, dem Namen des HERRN, meines Gottes, ein Haus zu bauen, aber das Wort des HERRN kam zu mir: Du hast viel Blut vergossen und große Kriege geführt; darum sollst du meinem Namen nicht ein Haus bauen, weil du vor mir so viel Blut auf die Erde vergossen hast.“ (1 Chr 22,6-8) Auch die Vorbereitung und Planung des Tempelbaus sowie die Bestellung der Priester, Sänger bis hin zur den Torhütern wissen die Chronisten von Davids Hand geordnet (1 Chr 22-29).

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Zion und David

Die Geschichte Zions beginnt mit David. Als König über Israel und Juda er-

oberte er Jerusalem und übernahm die Krone der jebusitischen Priesterkönige.

Er legitimierte seine Herrschaft religiös, inszenierte sich als Auserwählter Jah-

wes und brachte mit der heiligen Lade ein Artefakt in seine neue Hauptstadt,

das die Präsenz des unsichtbaren Gottes der Stämme manifestierte. Er ließ

Jahwe auf dem Zion Wohnung nehmen, dem heiligen Berg Els, des Welten-

schöpfers, mit dem der Gott der Stämme in den kommenden Jahren zu einem

Gott verschmolz, dessen Macht die ganze Welt umspannte und dessen Wohn-

sitz Himmel und Erde verband. Doch das war nur der Anfang.

Der Aufstieg Zions zum wichtigsten und einzigen Heiligtum der Jahwe-

religion vollzog sich über Jahrhunderte und mit der zunehmenden Bedeutung

Jerusalems, der Stadt Davids, gewann auch die Geschichte des ersten Königs

an Gewicht im kollektiven Gedächtnis seines Volkes. Die vielfältigen Bedeu-

tungen, die der heilige Berg Zion in sich vereinte, machten auch Davids Namen

unsterblich. Die Zionstheologie späterer Jahrhunderte fand ihren Eingang in die

Schriften, die den Aufstieg Davids betrachteten und sah in der Aufstiegs-

geschichte des jungen Bethlehemiters das Werk Jahwes. In der Natanverhei-

ßung findet sich die endgültige Verbindung von Jahwe mit dem Hause Davids:

der Bau des Tempels, dem Sohn Davids vorausgesagt, besiegelt die Wahl Got-

tes für seinen Wohnsitz auf Erden – Zion.

5. Salomo

„Und Salomo saß auf dem Thron seines Vaters David, und seine Herrschaft hatte

festen Bestand.“ 1 Kön 2,12

Salomo ist der Erbauer des ersten Tempels. Sein Name ist untrennbar mit Jeru-

salem verbunden – und dem Haus Gottes auf dem Zion. Wie seinen Vater ver-

klärten ihn die Nachfolgenden zur Legende, die Darstellung seiner Weisheit

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und seines Reichtums, seiner Bauten und der Größe seines Harems beflügeln

bis heute die Phantasie. Unter Salomos Herrschaft erlebte Israel eine Zeit des

Friedens und des Wohlstandes, was unter David Kriege und Eroberungen wa-

ren, wandelte sich unter seinem Erben in Glanz und Kultur. Doch der Frieden,

der den Bau des Tempels ermöglichte, hatte eine Kehrseite: Er wurde durch die

Ehen mit ausländischen Frauen, das Abtreten ganzer Landschaften des gelob-

ten Landes an fremde Könige und dem Frondienst der Bevölkerung erkauft.

Salomos Geschichte, überliefert im ersten Buch der Könige, ist das Ergebnis

sorgfältiger Bearbeitung. Der Nachfolger Davids wird an den theologischen

Grundätzen gemessen, die durch sein Lebenswerk erst entstehen konnten: Ein

Gott – ein Kult. Der Tempel auf dem Zion wurde zum Wohnsitz Gottes auf

Erden, und die Theologen des Jerusalemer Heiligtums verwoben die Erwäh-

lung des Ortes und die Erwählung der davidischen Dynastie so eng miteinan-

der, dass schließlich die Geschichte Israels eine Geschichte des Glaubens sei-

ner Könige wurde. Salomo, Erbauer des Tempels, des einen Heiligtums, ge-

bührten einerseits der Ruhm und das Lob seines Volkes, doch war er gleich-

zeitig der König, dessen Widersacher das Reich spalten sollte, der Herrscher,

dessen ausländische Frauen die Reinheit des Kultes und das Herz des Monar-

chen gefährdeten, der Davidide, dessen Königtum trotz alles Glanzes zur Nega-

tivfolie aller kommenden Könige wurde.52

Die Bücher der Könige, Teil des deuteronomistischen Geschichtswerkes,

verbinden Quellenschichten unterschiedlicher Herkunft unter theologischen

Gesichtspunkten; die Geschichte Salomos stellte die Redaktoren dabei vor

schwierige Aufgaben. Hervorgegangen aus der zweifelhaften Verbindung Da-

vids mit Bathseba (2 Sam 11-12) und als einem der jüngeren Söhne des Königs

war dem späteren Erbauer des Tempels die Thronfolge keineswegs gewiss.53

52 Deut 17,16f. Das sogenannte Königsgesetz des Deuteronomiums spricht Warnungen aus, die das Volk Israel beachten soll, wenn es sich einen König nimmt; diese negativ konnotierte Be-schreibung einer Königsgestalt entspricht vielen der Salomo zugeschriebenen Eigenschaften im ersten Buch der Könige. Vgl. etwa Walter, 1997, S. 30f. 53 Die Samuelbücher lassen den Leser glauben, der Sohn aus dem Ehebruch Davids mit Bath-seba sei verstorben und Salomo erst nach der vollzogenen Heirat der beiden gezeugt worden (2 Sam 11-12), die Frage, ob Salomo tatsächlich der unehelich gezeugte Sohn gewesen sei, ist in der Forschung nach wie vor umstritten. Vgl. dazu u.a. Georg Hentschel: Auf der Suche nach

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Seine Abstammung, sein Aufstieg, der Griff nach dem Thron seines Vaters und

die blutige Sicherung seiner Herrschaft bedurften der Erklärung, und so wur-

den kritische Stimmen der Überlieferung gemildert und apologetische Kon-

zepte sorgsam eingearbeitet.54 Die positive Darstellung Salomos umrahmt die

Schilderung des Tempelbaus, für alle Redaktoren der größte Verdienst des

weisen Königs. Die Zeit des Friedens und Wohlstandes für das Volk, die

Weisheit des gottgefälligen Monarchen und seine Vorbereitungen für den Bau

des Tempels zeichnen das Bild eines goldenen Zeitalters.55

Doch das Porträt Salomos in dem ersten Buch Könige trägt neben den

glanzvollen auch dunkle Züge, denn nach seinem Tod zerbricht das Reich und

die Angst der Redaktoren der Geschichte Israels vor religiöser Überfremdung,

die Angst vor der Rache eines eifersüchtigen Gottes, dessen zerstörerischer

Macht die Theologen des Exils die Vernichtung Jerusalems zuschrieben, ließ

sie in dem Leben des großen Weisen nach Verfehlungen suchen, nach Gründen

für den Abfall der Stämme Israels von dem davidischen Großreich mit der

Hauptstadt Jerusalem und dem Zion als kultischen Mittelpunkt. Fündig wurden

sie bei den ausländischen Frauen des Königs, deren Zahl legendenhaft aus-

geschmückt wurde und die das Herz des alternden Herrschers fremden Göttern

zuneigten (1 Kön 11,1-13).

Die Chroniken sahen in Salomo nur den Erbauer des Tempels. Alle kriti-

schen Töne verstummen in den Schriften, die aus der nachexilischen Perspek-

tive auf die Gründer der Zionstradition – David und Salomo – zurückblicken.

Die göttliche Erwählung des Vaters gilt hier auch dem Sohn, die Zustimmung

des Volkes für den neuen König ist einmütig und dessen Hingabe an die Voll-

endung des Tempels und die Errichtung des Kultes ist unermüdlich.56 Kein

Schatten trübt das Bild des weisen Herrschers und in dieser Darstellung trifft

ihn keine Schuld am Zerbrechen des Reiches nach seinem Tod.

dem geschichtlichen Salomo, in: Ideales Königtum. Studien zu David und Salomo, hg. v. Rü-diger Lux, Leipzig 2005, S. 91-105; hier S. 92f. 54 Vgl. dazu Hentschel, 2005, S. 92f. 55 So heißt es etwa: “Juda aber und Israel waren zahlreich wie der Sand am Meer, und aßen und tranken und waren fröhlich.” 1 Kön 4,20. 56 Vgl. Braun, 1973, S. 503-516.

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Der Blick der Verfasser des chronistischen Werkes auf die Zeit der ersten

Könige führte nicht nur zu einer Idealisierung des Erben Davids, sondern er-

laubte auch die Verbindung verschiedener Erzähltraditionen in einem Werk. So

berichten die Chroniken von dem Baubeginn des Tempels unter Salomo auf

dem Berge Morija, der von David erworbenen Stätte für das Heiligtum Jah-

wes.57 Es ist derselbe Berg, auf dem die Theologen der Königszeit den Stamm-

vater Abraham seinen Sohn Isaak zum Opfer binden ließen, der Berg, auf dem

spätere Generationen das Grab Adams sahen – der heilige Berg Gottes – Zion.

Doch nicht nur als Erbauer des Tempels wird Salomo erinnert, die Schriften

der Königs- und Chronikbücher wissen auch von seiner Weisheit zu berichten

und nachfolgende Generationen sahen ihn als großen Gelehrten, der in der Tra-

dition antiker Weisheitsschulen Wissen sammelte.58 Wie David viele der Psal-

men werden seinem Sohn die Weisheitsdichtungen der Proverbien und des

Buches Kohelet zugeschrieben, sahen die Nachkommenden in Salomon den

Dichter des Hoheliedes. Der Erbauer des Tempels wuchs in der Erinnerung

über jedes menschliche Maß hinaus, galt späteren Zeiten als unglaublich weise

und unermesslich reich.59 Die Bedeutung seiner Gestalt wuchs mit der zuneh-

menden Bedeutung des Tempels, der Ruf des Gottesberges erhöhte den Ruhm

des Königs, unter dessen Herrschaft Jahwe in die steinernen Mauern auf dem

Zion einzog.

6. Der Tempel

Der Bau des Tempels

Unter Salomos Herrschaft entsteht der erste Tempel auf dem Zion, doch sei-

nem Vater David sollte der Erwerb des Tempelplatzes zugesprochen werden.

Die Tenne des Jebusiters Arauna diente diesem als Standort für einen Altar, auf

57 2 Chr 3,1. Vgl. auch Kap. A.II.1. Abraham. Der Patriarch. 58 Vgl. etwa Donner, 1987, S. 220. 59 Stefan Wälchli: Der weise König Salomo. Eine Studie zu den Erzählungen von der Weisheit Salomos in ihrem alttestamentlichen und altorientalischen Kontext, Stuttgart/Berlin/Köln 1999, S. 208ff.

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dem Jahwe Brand- und Dankopfer dargebracht wurden (2 Sam 24; 1 Chr

21.22). Der Bericht in den Samuelbüchern und später in den Chroniken legt

großen Wert auf den ordnungsgemäßen Kauf dieses Ortes. Der Grund und Bo-

den auf dem das steinerne Haus Gottes stehen sollte, war im Besitz der Da-

vididen, eine in der antiken Vorstellungswelt entscheidende Verbindung zwi-

schen Gott und der königlichen Familie.60 Nach den Schilderungen der Samu-

el- und Königsbücher war das Zelt mit der Lade Jahwes zunächst im alten

Stadtkern untergebracht, der Tempelbauplatz bis zu dessen Errichtung nicht

bebaut – ein traditionsfreier Ort, den kein Götzenbild geziert, kein Gott vor

Jahwe für sich beansprucht hatte. Erst die Chroniken wissen diese Berges-

kuppe, die unter dem Namen Zion in die Geschichte Israels eingehen sollte,

zusätzlich mit dem Berg Morija gleichzusetzen, ziehen eine Verbindungslinie

zu den Gründungsmythen der Erzväter (2 Chr 3,1).61

Doch anfangs folgte die göttliche Erwählung des Ortes nur der Erwählung

der davidischen Dynastie. Die Beschreibung des Tempelbaus, dessen Vorberei-

tung und Einweihung umrahmen den Bau der königlichen Paläste (1 Kön 5,15-

8), Tempel und Palast bilden eine bauliche Einheit, Gott und König wohnen

von nun an Wand an Wand.62

„Im vierten Jahr, im Monat Siw, wurde der Grund gelegt zum Hause des HERRN, und

im elften Jahr, im Monat Bul, das ist der achte Monat, wurde das Haus vollendet, wie

es sein sollte, so daß sie sieben Jahre daran bauten. … Aber an seinen Königshäusern

baute Salommo dreizehn Jahre, bis er sie ganz vollendet hatte.“ 1 Kön 6,37- 7,1

Der Bau des Tempels wird ausführlich beschrieben: Fronarbeiter bringen Holz

aus dem Libanon und bearbeiten Steine (1 Kön 5,15-32), kostbare Schnitzerei-

en und Vergoldungen schmücken das Haus Gottes (1 Kön 6).63 Die rituellen

Reinigungsbecken werden aus Kupfer gegossen und zwei prächtige

60 Volkmar Fritz: s.v. Tempel II, in: TRE, Bd. 33, hg. v. Gerhard Müller, Berlin/New York 2002, S. 46-54; hier S. 48. 61 Vgl. Kap. A.II.1. Abraham. Der Patriarch. 62 Albertz, 1992, S. 193. 63 Zum Bau des salomonischen Tempels und archäologischen Vergleichen siehe John M. Mon-son: The Temple of Solomon: Heart of Jerusalem, in: Zion, City of Our God, hg. v. Richard S. Hess u. Gordon J. Wenham, Cambridge 1999, S. 1-22.

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Abb. 2

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Säulen säumen die Vorhalle des Tempels (1 Kön 7,13-47). Der König lässt den

Altar, den Tisch für die Schaubrote, Leuchter und die heiligen Geräte aus rei-

nem Gold anfertigen, spendet dem Tempelschatz aus den Reichtümern Davids

(1 Kön 7,48-51) und der Bau des Tempels wird schneller vollendet als der Bau

der königlichen Paläste.

Der Tempelbau ist das Kernstück von Salomos Wirken. Seine Weisheit,

sein Reichtum und der außenpolitische Frieden sind Vorbedingungen für die

Errichtung des Heiligtums. Dabei ist umstritten, ob der salomonische Tempel

tatsächlich ein Neubau war, wie es die biblischen Schriften berichten, oder der

Umbau eines schon vorhandenen jebusitischen Heiligtums.64 Auch der be-

schworene Frieden ist zweifelhaft, erfahren wir doch nach dem Baubericht,

dass Salomo an Hiram, den König von Tyrus – derselbe, der den König Israels

und Judas so großzügig mit Holz aus dem Libanon und Handwerkern versorgt

hat – zwanzig Städte in Galiläa abtritt (1 Kön 9,10-12).65 Von weiteren Ge-

bietsverlusten berichten die letzten Kapitel der Salomoerzählung im ersten

Buch der Könige; Feinde erwachsen dem König in dem Edomiter Hadad, der

zum König Edoms wird und einem gewissen Reson, der die Krone des Stadt-

königs von Damaskus zu erlangen weiß (1 Kön 11,14-25).

Der außenpolitische Frieden Salomos war ein verlustreiches Geschäft. Das

von David geschaffene Großreich begann unter seinem Nachfolger auf dem

Thron zu zerfallen. Die Anordnung innerhalb der Geschichte des Erben spie-

gelt die theologische Notwendigkeit, diesen Zerfall erst zum Ende von dessen

Regierungszeit hin sichtbar werden zu lassen. War David nicht der Erbauer des

Tempels, so erklärten sich das die Nachfolgenden als Entschluss Jahwes –

nicht des großen Königs. Diesem wird immerhin die Idee für das Gotteshaus

zugeschrieben und er wird dafür mit einer Dynastieverheißung bedacht. Aber

der Tempelbau wird erst der nächsten Generation zugestanden, die in einer

gesicherten Herrschaft das Haus Gottes errichten soll (2 Sam 7). In der Bear-

64 Albertz, 1992, S. 195f. Hentschel, 2005, S. 97f. 65 Der Verlust bleibt nahezu unkommentiert; eine negative Bemerkung Hirams über das arm-selige Geschenk hinterlässt allerdings das Gefühl, dass dieser außenpolitisch die Oberhand hatte. Der Bericht der Chroniken wollte diesen Verlust nicht hinnehmen und drehte die Sachla-ge kurzerhand um. Hier erhält Salomon die Städte zum Geschenk – von Hiram (2 Chr 8,2).

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beitung der Geschichte Salomos ist dieses Konzept weiter ausgearbeitet wor-

den. Hier heißt es:

„Und Salomo sandte zu Hiram und ließ ihm sagen: Du weißt, daß mein Vater David

nicht ein Haus bauen konnte dem Namen des HERRN, seines Gottes, um des Krieges

willen, der um ihn her war, bis der HERR seine Feinde unter seine Füße gab. …

Nun aber hat mir der HERR, mein Gott, Ruhe gegeben ringsum, so daß weder ein

Widersacher noch ein böses Hindernis mehr da ist. Siehe, so habe ich gedacht, dem

Namen des HERRN, meines Gottes, ein Haus zu bauen, wie der HERR zu meinem

Vater David gesagt hat: Dein Sohn, den ich an deiner Statt auf deinen Thron setzen

werde, er soll meinem Namen ein Haus bauen.“ 1 Kön 5,16-19

Der Frieden wird zu einer Vorraussetzung für den Bau des Tempels und bestä-

tigt gleichzeitig die Erwählung der davidischen Dynastie durch Jahwe – Gottes

Macht zeigt sich in dem Frieden, den er dem Herrscher über sein Volk ge-

währt, und der König bestätigt seine Erwähltheit durch den Bau des Heilig-

tums. Religion und Monarchie gehen hier eine Bindung ein, die für Jahrhun-

derte halten und nach dem Verlust der eigenen Staatlichkeit als Erinnerung an

ein goldenes Zeitalter und Ideal einer endzeitlichen Hoffnung überdauern soll-

te, dem Ort des neuen Tempels – Zion – aber sollte eine Bedeutungsvielfalt

zugeschrieben werden, die den Ruhm der Davididen schließlich transzendierte.

Das Allerheiligste

„So brachten die Priester die Lade des Bundes des HERRN an ihren Platz in den

Chorraum des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim.“

1 Kön 8,6

Zwar hatte David die heilige Lade in die neue Königsstadt geholt, doch es war

sein Sohn Salomo, der dem Symbol für die unsichtbare Präsenz Jahwes die

steinernen Mauern auf dem Zion baute. Das erste Buch der Könige beschreibt

wie der Herrscher, die Ältesten Israels und die Priester des Jerusalemer Kultes

die Bundeslade in einer feierlichen Prozession in das Allerheiligste des neuen

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Tempels geleiten (1 Kön 8,1-6). Hier sollte sie ihren Ruhplatz finden, unter den

Flügeln der hölzernen Cherubim, deren Flügel den Thron des unsichtbaren

Gottes symbolisierten.66

Die Lade entstammte der Tradition des Nordens, als solche hatte David sie

nach Jerusalem verbracht und als solche ließ Salomo sie feierlich in den Tem-

pel überführen. Politisch war dies ein Akt der Anerkennung, ein Versuch, die

Stämme Israels an das davidische Königtum zu binden. Religiös war es die

Übernahme eines Symbols, dessen Bedeutung – die bildlose Vergegenwärti-

gung Jahwes – die der Cheruben ergänzte: Mit der Überführung der Lade in

das Allerheiligste des Jerusalemer Tempels enthielt dieses zwei Symbole der

Gegenwart Gottes. 67

Mit der Lade zog Jahwe selbst in das steinerne Haus, das ihm der König

über sein Volk erbaut hatte. Anders als bei der Verbringung der Lade nach Je-

rusalem, bei der sich die Zustimmung Gottes nur indirekt – durch seinen Segen

und sein Schweigen – gezeigt hatte,68 wird die Einweihung des Tempels als

Theophanie beschrieben:

„Als aber die Priester aus dem Heiligen gingen, erfüllte die Wolke das Haus des

HERRN, so daß die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke;

denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus des HERRN.“ 1 Kön 8,10-11

Mit dem sichtbaren Einziehen der göttlichen Gegenwart in den Tempel, vor

den Augen des versammelten Volkes, der Priesterschaft und des Königs, wird

die Erwählung des Heiligtums in Jerusalem gültig – und permanent. Die Re-

daktoren des Berichtes unterstreichen mit diesem Einschub die Bedeutung der

Tempelweihe, geben der Erzählung den dramatischen Höhepunkt, den das Er-

eignis für nachfolgende Generationen im Rückblick hatte. Jahwe, der unsicht-

66 Bernd Janowski: Keruben und Zion. Thesen zur Entstehung der Zionstradition, in: Ernten, was man sät. Festschrift für Klaus Koch zu seinem 65. Geburtstag, hg. v. Dwight R. Daniels, Uwe Gleßmer u. Martin Rösel, Neukirchen-Vluyn 1991, S. 231-264; hier S. 249. Vgl. dazu auch Albertz, 1992, S. 198 mit Fußnote 20. 67 Janowski, 1991, S. 254, weist darauf hin, „daß die Keruben nach Gestaltung und Funktion für den Tempel konzipiert waren (vgl. 1 Kön 6,23-28), die Lade aber aus einem anderen histo-rischen und religiösen Kontext nachträglich eingebracht wurde; …“ Vgl. auch ebd., S. 260. 68 2 Sam 6,10-19.

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bare Gott Israels, der auch in der Stadt Davids zunächst noch in einem Zelt

gewohnt hatte – Erinnerung an die Herkunft seines Volkes, seiner Gegenwart

unter ihnen – zog in die steinernen Mauern des Tempels. Damit endete die Be-

weglichkeit des Zeltheiligtums, wurde die heilige Lade in das Symbolsystem

des salomonischen Tempels eingefügt und gewann der Ort die Gegenwart Got-

tes.69

Das davidische Königtum erschuf sich mit dem Heiligtum auf dem Zion ei-

nen Staatskult, der die Tradition der Stämme in sich aufnahm und gleichzeitig

nach Vorbildern der jebusitischen Stadtkönige und der phönizisch-syrischen

Umwelt gestaltet war. So wie Jahwe die Eigenschaften Els, des Weltenherr-

schers, zugeschrieben wurden, so wurde der von ihm erwählte Ort zum Wel-

tenberg, zum Übergang zwischen Himmel und Erde. Die Heiligkeit des Tem-

pels und der Lade sollten sich mit der Zeit auf den Ort übertragen: den Berg

Zion und die Stadt Jerusalem. Der Zion wird zum Wohnsitz Gottes und Jerusa-

lem zur heiligen Stadt. Der heilige Raum wird durch die Präsenz Jahwes un-

abhängig von dem Symbol der ehemaligen Stammesgesellschaft, und als dieses

bei der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar zerstört wird, verliert der

Ort nichts von seiner Heiligkeit. Die Lade bringt Jahwes Gegenwart sichtbar

nach Jerusalem, in den salomonischen Tempel; die göttliche Gegenwart selbst

aber heiligt den Ort. Zion bleibt bestehen, auch nach Verlust der Lade und des

Tempels, und erhält die Funktion, Symbol für die Gegenwart des unsichtbaren

Gottes zu sein.70

Zion und Salomo

Salomo ist der Erbauer des ersten Tempels. Unter seiner Herrschaft entsteht

das Heiligtum auf dem Zion, das im Verlauf der Königszeit zum zentralen Kul-

tort seines Volkes werden sollte. Für die Errichtung der steinernen Mauern, die

zum Wohnsitz des unsichtbaren Gottes werden, wird er zur Legende verklärt,

werden sein Leben, sein Reichtum und seine Weisheit zu Idealen, die seinen

69 Josef Schreiner: Sion-Jerusalem. Jahwes Königssitz. Theologie der Heiligen Stadt im Alten Testament, München 1963, S. 146f. Kaiser, 1998, S. 183. 70 Vgl. Schreiner, 1963, S. 155f.

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Namen weit über die Grenzen des heiligen Landes und die Erinnerung des

Volkes Israel hinaus bekannt machen.71

Doch Frieden und Reichtum, Kennzeichen der Herrschaft Salomos und

Voraussetzungen für den Bau des Tempels, sind teuer erkauft. Anders als sein

Vater David hinterlässt er ein zerbrechendes Reich, und die kurz nach seinem

Tod vollzogene Spaltung zwischen Nord und Süd, Israel und Juda, sollte bis

zum Untergang des Nordreiches 722 v. Chr. nicht überwunden werden. Die

religiös gedeutete Geschichtsschreibung der späten Königszeit und des Exils

konnte sich das nur als Strafe Gottes erklären und fügte dem Ideal Salomos

Schatten hinzu: die Vielgötterei. So ist die Bewertung Salomos zwiespältig,

wenn auch ein Verdienst unbestritten bleibt: Der salomonische Tempel ermög-

lichte den Aufstieg Zions zum heiligen Berg Gottes.72

7. Zion – heiliger Berg der Könige

„Ich aber habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion.“ Ps 2,6

David erschafft ein Großreich aus der Stammesgesellschaft seiner Vorfahren,

das in der Erinnerung zum Ideal verklärt wurde. Er erobert die Stadt Jerusalem

und macht sie zu seiner Hauptstadt, er bringt die heilige Lade, Symbol der Ge-

genwart seines Gottes, in das neue Zentrum und weiß seine göttliche Erwäh-

lung und die seines Hauses, geschickt zu inszenieren. Sein Name wird unsterb-

lich und seine Stadt zum größten Heiligtum des Volkes Israel.

Salomo, Erbe und Nachfolger auf dem Thron seines Vaters, wirkt in einer

Zeit des Friedens. Er erbaut dem Gott seiner Vorfahren einen Tempel in Jeru-

salem. Die heilige Lade findet dort im Allerheiligsten ihren Ruheplatz unter

einem Cherubenthron – Symbole für die Gegenwart des unsichtbaren Gottes,

71 Susanne Gillmayr-Bucher: Salomo in all seiner Pracht, in: Ideales Königtum. Studien zu David und Salomo, hg. v. Rüdiger Lux, Leipzig 2005, S. 128-152; hier S. 148f. Über die Re-zeption der Figur Salomos in der christlichen und islamischen Literatur vgl. Miron Grindea (Hg.): Jerusalem. The Holy City in Literature, 2. Aufl., London 1996, S. 16ff. 72 Vgl. Monson, 1999, S. 6f. Schreiner, 1963, S. 156.

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für die Bindung Jahwes an einen Ort, den Berg Zion. Zwar kann Salomo weder

das Großreich seines Vaters sichern noch kann er verhindern, dass die Stämme

des Nordens in die Unabhängigkeit streben – das Reich zerbricht nach seinem

Tod – aber das Haus David herrscht weiter über Juda, den südlichen Teil des

Reiches, und der Tempel auf dem Zion übertrifft schließlich alle anderen Jah-

weheiligtümer an Bedeutung.73

Die Stadt und der Gottesberg werden mit dem Bau des Tempels zu Mani-

festationen der Gegenwart Gottes, erhalten neben der irdischen eine himmli-

sche Dimension, die schließlich den realen Ort transzendiert.74 Jerusalem, das

Zentrum der davidischen Dynastie, wird zum Symbol der Erwählung durch

Gott, steigt auf zum einzig wahren Kultort des einzig wahren Gottes, erwählt

und erhalten von Jahwe und seinem von ihm eingesetzten König auf dem Zion.

73 Wälchli, 1999, S. 202f. 74 Dozeman, 1989, S. 34, schreibt dazu: „… the concept of unity so central to Zion is that the temple is the location where spatial dimensions are transcended – where heaven and earth become one in the sacred space of the sanctuary.“

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II. Theologen und Visionäre

Für den Aufstieg Zions zum identitätsstiftenden Symbol des Volkes Israel, zum

Mittelpunkt des Glaubens und der Hoffnung auch jenseits staatlicher Macht

und dynastischer Erwählung waren David und Salomo nur der Beginn. Nach

dem Tode Salomos zerfiel das Großreich Israel-Juda in zwei Staaten, und das

Heiligtum auf dem Zion war nur eines unter vielen, in denen die Opfer für die

Verehrung Jahwes vollzogen wurden; mit Bethel und Dan lagen inmitten des

Nordreiches Israel heilige Stätten, deren Entstehung schon lange mit den Ge-

schichten der Erzväter und den Traditionen des Landes verbunden waren.75

Zunächst zeichnete nur die Verbindung zum Hause David den heiligen Berg

in Jerusalem vor anderen Heiligtümern aus, ein Vorteil, der erst mit dem Be-

stehen der davidischen Dynastie durch die Jahrhunderte und der theologischen

Verbindung des königlichen Hauses mit einer endzeitlichen Erwartung zum

Tragen kommen sollte. Ältere Stränge des gemeinsamen Erinnerns waren ge-

fragt, um dem prachtvollen Tempel Salomos nach der Reichsteilung Geltung

zu verschaffen. So fand etwa in die Erzähltraditionen um den Stammvater Ab-

raham eine Begegnung mit dem mythischen Priesterkönig von Jerusalem ihren

Eingang, während das Konzept des Gottesberges von der Zionstheologie in die

Frühzeit projiziert wurde, Horeb und Sinai als Gottesberge, Orte der Gegen-

wart Jahwes, Gestalt und Bedeutung erhielten.76

Seit dem achten Jahrhundert v. Chr., in Zeiten innerer Unruhe und äußerer

Bedrohung, erhielt das Heiligtum auf dem Zion aus den Worten und Schriften

der großen Propheten und ihrer Nachfolger neue Kraft und neuen Gehalt. Ab-

seits der bestehenden Ordnung wurde dem heiligen Berg Jahwes eine endzeitli-

che Komponente hinzugefügt sowie dem Königtum des Hauses David die

Herrschaft in einer unbestimmten Zukunft zugesichert. Zudem zog der Unter-

gang des Nordreiches um 722 v. Chr. eine Aufwertung des bestehenden Heilig-

tums auf dem Zion nach sich und die Könige Judas wussten diesen Vorteil zu

75 Vgl. etwa Gen 12,6-8; 1 Kön 12,25-13,32. 76 Dozeman, 1989, S. 29ff.

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nutzen. Unter der Herrschaft des Königs Josija erlebte das Volk Israel eine

Kultreform nie gesehenen Ausmaßes; Höhen und Tempel außerhalb Jerusa-

lems, die Fremdkulte innerhalb der heiligen Stadt wurden vernichtet, deren

Priesterschaft zerstreut, um die Herzen und Augen der Menschen ausschließ-

lich auf den Zion zu richten. Ein neuer Bund wurde vor den Augen des Herrn

geschlossen, der das durch die nachfolgenden Generationen idealisierte Gesetz

des Mose zum Maßstab persönlicher und kultischer Frömmigkeit machte und

so das Überleben einer Religion nach dem Verlust der eigenen Staatlichkeit

erlaubte, dessen Zentrum auch in der Fremde der Berg Gottes blieb: Zion.

Ausdruck der vielgestaltigen Deutungsebenen Zions seit den Zeiten Davids

bis in die Zeit nach dem babylonischen Exil ist die Liedsammlung des Psalters.

Entstanden über Jahrhunderte sind die Psalmen Zeugen der Bedeutungsfülle

eines Symbols, dem die Macht zukam, verschiedenste Elemente des Glaubens

und der Hoffnung, Ebenen der Transzendierung erlebter und erhoffter Wirk-

lichkeit, in sich zu vereinen.

1. Abraham. Der Patriarch

Die Zeit der davidischen Monarchie erlebte den Aufstieg Zions zum wichtigs-

ten Heiligtum des Volkes Israel. Dabei wurde die Bedeutung des Gottesberges,

der vor der Eroberung durch David Wohnsitz des jebusitischen Gottes El ge-

wesen war, durch die Verknüpfung mit den Mythen der eigenen Geschichte

immer weiter in die Vergangenheit projiziert. So schufen die Theologen der

Königszeit Verbindungen zwischen dem neuen Sitz des mit El verschmolzenen

Jahwes und dem Erzvater Abraham, dessen Wanderungen ihn auf Geheiß sei-

nes Gottes in das gelobte Land geführt hatten (Gen 12,1.6-8), dessen Grab in

Hebron lag (Gen 23;25), der Krönungsstadt Davids, und aus dessen Linie sich

die zwölf Stämme Israels ableiteten, die Vorfahren der Davididen wie ihres

Volkes.

Die Sagen um den ersten Patriarchen stammten aus den mündlichen Erzähl-

traditionen der Stämme und erinnerten an die nomadische Vergangenheit der

eigenen Vorfahren, an die Begegnungen mit dem Gott der Väter und die Ver-

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heißungen, die dieser Abraham und seinen Nachkommen gegeben hatte.77 Die

Theologen des Jerusalemer Tempelkultes, bemüht, dem Heiligtum auf dem

Zion eine Legitimation vor den wesentlich älteren Kultstätten der Erzvätertra-

dition wie Sichem oder Bethel zu verschaffen – seit der Reichsteilung in offe-

ner Konkurrenz zu Jerusalem und dem Tempel – fügten den Geschichten über

den Erzvater eine weitere Begebenheit hinzu, in der Abraham dem Heiligtum

auf dem Gottesberg seinen Respekt erweist, lange vor der Eroberung der jebu-

sitischen Enklave durch David.78

In der Erzählung von Genesis 14 kehrt Abraham nach einer siegreichen

Schlacht gegen vier feindliche Könige zurück, als ihm unvermittelt Melchise-

dek entgegen tritt, der Priesterkönig von Salem – Jerusalem.79 Während die

Schlachtgeschichte, in die der Erzvater nachträglich eingefügt wurde, aus die-

sem einen militärischen Helden macht, wird der Herr über Jerusalem als König

und Priester benannt, der dem siegreichen Feldherrn den Segen eines höchsten

Gottes anbietet.80

„Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein heraus. Und er war ein

Priester Gottes des Höchsten und segnete ihn und sprach: Gesegnet seist du, Abram,

vom höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; und gelobt sei Gott der

Höchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat. Und Abram gab ihm den

Zehnten von allem.“ Gen 14,18-20

Die wenigen Verse vereinen entscheidende Elemente der davidischen Zions-

theologie. Anstatt eines Gründungsmythos’ wird Jerusalem mit dem Besuch

eines Helden bedacht; nachträgliche Legitimation für einen heiligen Ort, der

77 Vgl. Gen 12,1-3; 13; 15,5; 18,18; 22,17. Zur Verschriftlichung mündlicher Stoffe in der frühen Königszeit vgl. etwa Otto Kaiser: Studien zur Literaturgeschichte des Alten Testamen-tes, Würzburg 2000, S. 13ff. Reinhard G. Kratz: Die Komposition der erzählenden Bücher des Alten Testaments. Grundwissen der Bibelkritik, Göttingen 2000, S. 315f. 78 Das erste Buch Mose. Genesis, übers. u. erkl. v. Gerhard von Rad (ATD, Teilbd. 2/4), 11. Aufl., Göttingen 1981, S. 139. 79 Psalm 76,3 enthält eine Gleichsetzung des Namens Salem mit Zion, mit Salem ist also ohne Zweifel Jerusalem gemeint: „So erstand in Salem sein Zelt und seine Wohnung in Zion.“ Ps 76,3. 80 Von Rad, 1981, S. 137.

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erst seit Beginn der Königszeit im Besitz Israels war.81 Der Priesterkönig Mel-

chisedek, in dessen Nachfolge sich die davidischen Könige verstanden, bietet

dem Patriarchen ein rituelles Willkommensmahl in Anerkennung des militäri-

schen Erfolges und den Segen eines Gottes, dessen Namen ungenannt bleibt,

der aber als der höchste Gott, „der Himmel und Erde geschaffen hat“ bezeich-

net und damit als El, der Weltenherrscher auf dem Gottesberg erkennbar wird –

derselbe Gott, mit dem Jahwe seit der Zeit Davids verschmelzen sollte.82 Abra-

ham nimmt den Segen nicht nur entgegen, sondern er gibt dem Herrn über Je-

rusalem den Zehnt seiner Beute. Damit beugt er sich vor dem Gott, der auf dem

Zion thront und dem König, der dem Kult in der heiligen Stadt vorsteht, eine

Anerkennung, die der große Patriarch dem Vorfahren der davidischen Könige

zollt.83

Die Verbindung Abrahams mit der Geschichte Jerusalems diente der Legi-

timation des Heiligtums auf dem Zion ebenso wie der Bestätigung der davidi-

schen Monarchie. Der Heiligung des Ortes diente auch die Verknüpfung mit

einer weiteren Erzählung, wenn auch weniger offensichtlich.

„Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham!

Und er antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn,

den du liebhast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer

auf einem Berge, den ich dir sagen werde.“ Gen 22,1-2

Die Opferung Isaaks, eine der eindringlichsten Geschichten aus dem Leben des

Erzvaters, ist erst sehr spät und nur indirekt mit dem Gottesberg in Jerusalem

verbunden worden. Der Berg in dem Land Morija, zu dem Gott Abraham sen-

det, um dort seinen Sohn zu opfern, wird über den Namen Morija als Zion er-

81 Thomas M. Bolin: The Making of the Holy City: On the Foundations of Jerusalem in the Hebrew Bible, in: Jerusalem in Ancient History and Tradition, hg v. Thomas L. Thompson, London/New York 2003, S. 171-196; hier S. 183: „At work in Genesis 14 is a founder tradition that portrays the great hero visiting a city.” 82 Von Rad, 1981, S. 138f. In Psalm 110 heißt es über den davidischen Priesterkönig: „Der Herr hat geschworen, und es wird ihn nicht gereuen: ‚Du bist ein Priester ewiglich nach der Weise Melchisedeks.’ ” Ps 110,4. Vgl. dazu Kap. A.II.4. Zion in den Psalmen. 83 Vgl. Nitsche, 1994, S. 202f. Albertz, 1992, S. 204.

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kennbar, benennen doch die Chroniken den von David erworbenen Opferplatz,

auf dem sein Sohn Salomon den Tempel erbaut, mit eben diesem Namen:

„Und Salomo fing an, das Haus des HERRN zu bauen in Jerusalem auf dem Berge

Morija, wo der HERR seinem Vater David erschienen war, an der Stätte, die David

auf der Tenne Araunas, des Jebusiters, zubereitet hatte.“ 2 Chr 3,1

Vermutlich hat der Name erst von den Chroniken her seinen Weg in die Patri-

archenerzählung gefunden, die als Kultlegende eines anderen Heiligtums schon

Teil des Erzählkranzes war.84 Warum dann aber die Chroniken selbst keinen

Bezug auf den Erzvater nehmen, sondern auf David, erklärt sich aus der nach-

exilischen Abfassungszeit, in der Schreiber und Redaktoren des Jerusalemer

Kultes bemüht waren, die davidische Tradition des Zions gegenüber dem Hei-

ligtum der Samaritaner auf dem Berg Garizim hervorzuheben, dessen Kult sich

auf weit ältere Wurzeln aus der Tradition der Patriarchen berufen konnte, aber

nicht auf eine Gründung aus der erwählten Dynastie des großen Königs.85

So schmal die Spur zwischen Morija und Zion, zwischen Abraham und Da-

vid in der Geschichte von der Opferung Isaaks auch sein mag, in der jüdischen

Tradition ist die Verbindung der heiligen Stätte aus der Erzvätergeschichte mit

dem Gottesberg in Jerusalem fest verankert.86 Dagegen versteht die christliche

Auslegung des nicht vollzogenen Sohnesopfers den Ort der Bindung Isaaks als

den Ort der Kreuzigung – Golgatha – nicht Zion.87 Der Koran indessen kennt

84 Von Rad, 1981, S. 190. 85 Yair Zakovith: The First Stages of Jerusalem’s Sanctification under David: A Literary and Ideological Analysis, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 16-35; hier S. 31f. Die Samaritaner, deren Na-me auf die Hauptstadt des Nordreiches – Samaria – zurückgeht, waren nach der Zerstörung Israels im 8. Jh. aus den verbleibenden Israeliten hervorgegangen. Nach dem babylonischen Exil, als der Tempel in Jerusalem wieder errichtet werden sollte, kam es zu religiösen Konflik-ten zwischen den Rückkehrern und den Zurückgebliebenen. Die Samaritaner errichteten schließlich einen eigenen Tempel auf dem Berg Garizim, der um 129 v. Chr. von dem Hasmo-näer Johannes Hyrkanos I. zerstört werden sollte. 86 Michael Krupp: Den Sohn opfern? Die Isaak-Überlieferung bei Juden, Christen und Musli-men, Gütersloh 1995. So wird beispielsweise die Benennung der heiligen Stätte durch Abra-ham in Gen 22,14 auf vielfältige Weise mit Jerusalem in Verbindung gebracht. Vgl. ebd., S. 50. 87 Krupp, 1995, S. 71ff. Das Christentum überträgt auch das Motiv eines Melchisedek auf Jesus, und sieht in ihm sowohl die Funktion eines göttlich eingesetzten Priesterkönigs, wie in

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zwar die Geschichte des Abraham befohlenen Opfers, nennt aber den Ort nicht

beim Namen; und die islamische Tradition verbindet das Ereignis mit der Kaa-

ba in Mekka, deren Errichtung eben jenem Stammvater und seinem Sohn Is-

mael zugerechnet wird.88 Gemeinsam ist den drei abrahamitischen Religionen,

dass sie in der Geschichte von dem geforderten Sohnesopfer eine Weihe der

später bedeutendsten Heiligtümer ihres Glaubens sehen: Zion – Golgatha –

Kaaba. Doch der heilige Berg Zion sollte noch weitere Zuschreibungen erfah-

ren, so dass seine Bedeutung für die Gläubigen sich schließlich nicht mehr nur

aus der Verbindung zu den Vorfahren einer legendären Vergangenheit ergab,

sondern sich bis an das Ende aller Zeiten erstreckte.

2. Jesaja. Der Prophet

„Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort.“ Jes 2,3a

Das Buch des Propheten Jesaja, entstanden seit dem achten Jahrhundert v. Chr,

bezeugt die Entwicklung des Glaubens an die Macht Jahwes und die zentrale

Stellung des heiligen Berges in Jerusalem jenseits davidischer Hoftheologie.

Die über Jahrhunderte fortgeschriebene Sammlung prophetischer Schriften löst

den Weltenherrscher auf dem Zion von der Monarchie, erkennt in ihm den

Herrscher nicht nur über sein Volk, sondern über alle Völker und erlaubt damit

eine theologische Deutung der Ereignisse, die seit der Zeit Jesajas das politi-

sche Gefüge der Levante erschütterten.89

Ps 110,4 als auch eine dem alten Bund vorgeordnete Macht, die wie von Abraham von allen anerkannt werden müsse. Vgl. Hebr 5,6 u.ö. 88 Annemarie Schimmel: s.v. Abraham IV. Im Islam, in: LThK, Bd. 1, Freiburg u.a. 1993, Sp. 64. Krupp, 1995, S. 75ff. 89 Kratz, 2003, S. 46ff. Zur Fortschreibung der Jesajabücher schreibt Kratz: „Das Buch Jesaja zerfällt deutlich in zwei Teile, Jes 1-39 und Jes 40-66. Sie unterscheiden sich in Sprache und Stil und gehen von verschiedenen historischen Voraussetzungen aus. Während der erste Teil Material enthält, das vom 8. bis ins 2. Jahrhundert reicht, setzt der zweite Teil überall bereits das Ende Judas im 6. Jahrhundert und die sich anschließende exilisch-nachexilische Epoche voraus.“ Ebd., S. 92. Innerhalb des zweiten Teils wird weiterhin zwischen Deuterojesaja (Jes 40-55) und Tritojesaja (56-66) unterschieden.

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Der Prophet, dessen Wirken Ausgangspunkt dieser Entwicklung war, lebte

in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts in Jerusalem und verlieh, wie die

anderen Propheten seiner Zeit, den Worten Jahwes eine Stimme, die abseits des

staatlichen Kultes das soziale Unrecht einer im Inneren gespaltenen Gesell-

schaft kritisierte und vor dem drohenden Unheil einer zerfallenden Staatenwelt

warnte. Während der soziale Frieden von einer zunehmenden Verarmung der

Kleinbauern bedroht war, deren Abhängigkeit von reichen Großgrundbesitzern

oft in der Schuldknechtschaft endete, war das Wohl der beiden Reiche Israel

und Juda durch die Politik der Großmächte Assur und Ägypten gefährdet, zwi-

schen denen die Kleinstaaten Palästinas verzweifelt ihre Unabhängigkeit zu

wahren suchten. Unter der Herrschaft des assyrischen Königs Tiglatpileser III.

(745-727) und seiner Nachfolger begann eine Eroberungswelle in Richtung

Westen, die schließlich den Untergang des Reiches Israel im Jahr 722 v. Chr.

herbeiführte und das davidische Königshaus als Vasall Assurs zurückließ.90

Die dramatischen Ereignisse jener Zeit brachten eine gesellschaftliche Op-

position hervor, die ihren deutlichsten Ausdruck in den Worten des Propheten

Jesajas fand. Dieser empfing im Todesjahr des judäischen Königs Usija (739 v.

Chr.) seine Berufung, die in einem bewegendem Bild überliefert wurde:

„In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen

und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel.“ Jes 6,1

Seine Sprache und Bildung, sein Umgang mit den Großen des Staates (Jes

8,2;22,15) bis hin zu den Königen Judas (Jes 7,3.12f.) und der Umstand, dass

er, obwohl des Hochverrats verdächtigt (Jes 8,12), nie verfolgt wurde, weisen

den Propheten als Mitglied der Oberschicht Jerusalems aus, jener Stadt, deren

Schicksal sein Wirken, das bis in die letzen Jahre des achten Jahrhunderts fort-

dauerte, bestimmend beherrschte.91

Jerusalem, die Stadt Davids und seit dem Bau des Tempels auf dem Zion

Wohnsitz Jahwes, war der Verwaltungssitz der davidischen Monarchie und das

90 Kratz, 2003, S. 52f. 91 Vgl. etwa Albertz, 1992, S. 255f. oder Antoon Schoors: Die Königreiche Israel und Juda im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. Die assyrische Krise, Stuttgart 1998, S. 105f.

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Zentrum des königlichen Kultes; seit der Zeit Salomos war der Gott der Stäm-

me in den steinernen Mauern seines Hauses sesshaft geworden – in unmittel-

barer Nähe zu den Herrschern Judas, doch unerreichbar für sein Volk, das von

der zunehmenden Heiligkeit im Innern des Tempels ausgeschlossen war.92 Erst

in der Stimme des Berufenen und seiner Nachfolger löste sich Jahwe aus der

Vereinnahmung durch die Theologen des Königshofes, wurde zum Schutz-

herrn der Armen und Schwachen und zum Richter über die Ungerechten und

Bestechlichen in einer aus der Balance geratenen Gesellschaft (Jes 10,1-4).

Drohend richtet sich die Kritik des Propheten gegen die herrschende Ober-

schicht des Staates, jene, die Gesetze und Vorschriften zu eigenen Gunsten

erlassen und deren Rechtsprechung käuflich ist (Jes 1,23; 5,20.23). Die Fürsor-

ge des zürnenden Gottes gilt nach Jesaja den Schutzlosen, Witwen und Waisen,

die, selber nicht rechtsfähig, zu ohnmächtigen Opfern des ungerechten Tuns

werden.93 Er stellt die Armen, die am Rande der Gesellschaft Stehenden, in den

besonderen Schutz Jahwes. Ganz im Gegensatz zu der verbreiteten Vorstel-

lung, wirtschaftliche Prosperität sei ein Ausdruck göttlichen Segens, wird der

Religion des einen Gottes hier ein Element hinzugefügt, das zu einem festen

Bestandteil nicht nur des jüdischen, sondern auch des christlichen und islami-

schen Glaubens werden sollte: Die Armenfürsorge als Werk im Namen Gottes.

Die Ungerechten aber müssen nicht nur den Zorn Jahwes fürchten, der mit

der Vernichtung des Staates droht (Jes 3; 10,4) – eine Drohung, die in der Zer-

störung Israels für die Zeitgenossen Jesajas ein erschreckendes Beispiel für die

Macht und den strafenden Willen ihres Gottes fand – sondern auch ein Welt-

gericht am Ende der Zeiten, bei dem alle Völker sich vor dem auf dem Zion

thronenden göttlichen Richter verantworten müssen (Jes 2,1-5). Durch den

Propheten verkündet der Gott der Stämme sein Urteil und seine Bereitschaft,

seine Anhänger dem Ansturm der Völker preiszugeben, über deren Schicksal

er ebenso Herr ist wie über das seines Volkes (Jes 5,25-30). In der Vision eines

letzten Gerichtes werden dann die Taten des Einzelnen berücksichtigt, findet

die Gerechtigkeit ihren Lohn und das Unrecht seine Strafe (Jes 1,27f.; 4,2-6).

92 Albertz, 1992, S. 199. 93 Das Buch des Propheten Jesaja. Kapitel 1-12, übers. u. erkl. v. Otto Kaiser, (ATD, Teilbd. 17), 5. völlig neubearb. Aufl., Göttingen 1981, S. 56; 217.

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Der Ort der verkündeten Ereignisse ist aber in jedem Fall der Berg Gottes.

Zion ist in den Schriften des Buches Jesaja der soziale, politische und kosmi-

sche Mittelpunkt des Volkes Israel.94 Als Synonym für die Stadt Jerusalem und

ihre Bewohner, als Mutter und Frau, Witwe und Königin,95 Ziel des Völker-

sturms, den der zürnende Gott gegen sein Volk entfesselt, und Ort eines Ge-

rechtigkeit versprechenden Weltgerichtes, dem nicht nur der Einzelne, sondern

alle Völker unterstehen, erfährt der Berg Zion eine die Theologie der frühen

Königzeit weit überragende Bedeutung für den Glauben und die Vorstellungs-

welt der Anhänger Jahwes.

Die Macht Gottes richtete sich in der Stimme Jesajas auch gegen die davidi-

sche Dynastie, die seit den Tagen Davids den Thron der Könige Judas inne-

hatte. Inmitten der zwischen den Großmächten gefangenen Staatenwelt Paläs-

tinas bemühten sich die Herrscher Jerusalems vergeblich um die Verteidi-

gungsanlagen ihrer Stadt und die Wahl der richtigen Bündnispartner. Es spricht

für die politische Weitsicht des Propheten, wenn er König Ahas (735-715) im

syrisch-ephraimitischen Krieg, den Israel und Damaskus gegen Juda führten,

davor warnte, Tiglatpileser III. um Schutz zu bitten (Jes 7,4-9; 8,5-8); in seinen

Prophezeiungen sieht er den Untergang der gegnerischen Staaten und die Ge-

fährdung Judas durch das Herannahen Assurs.96 Der Prophet behält recht: 732

v. Chr. fällt Damaskus, 722 v. Chr. Samaria, die Hauptstadt Israels, in die Hän-

de der Assyrer, und König Ahas von Juda kann sein Reich nur durch hohe Tri-

butzahlungen aus dem Tempelschatz und religiöse Unterwerfungsgesten vor

dem Vernichtungswillen der Großmacht retten (2 Kön 16).

Die seit David erwählte Dynastie sieht Jesaja in einer Zeit der inneren Un-

ruhe und äußeren Bedrohung vor Gott auf dem Prüfstand und er fordert von

den Herrschern Jerusalems unbedingtes Vertrauen in die Macht Gottes.

„Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“ Jes 7,9

94 Michael Tilly: Jerusalem – Nabel der Welt. Überlieferung und Funktionen von Heiligtums-traditionen im antiken Judentum, Stuttgart 2002, S. 160f. 95 Odil Hannes Steck: Zion als Gelände und Gestalt. Überlegungen zur Wahrnehmung Jerusa-lems als Stadt und Frau im Alten Testament, in: Gottesknecht und Zion. Gesammelte Aufsätze zu Deuterojesaja, Tübingen 1992, S. 126-145. 96 Kaiser, 1981, S. 145f.

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„Rüstet nur! Ihr werdet doch zerschmettert. … Macht nur Pläne! Sie werden verei-

telt!“ Jes 8,9f

So lauten die schärfsten Formulierungen dieses Grundsatzes und offenbaren

zugleich die Vergeblichkeit der königlichen Politik im Angesicht göttlicher

Pläne. Zwar überlebte das Königreich Juda das achte Jahrhundert – als Vasall

Assurs und mit einem kleiner werdenden Einflussgebiet – doch der exklusive

Zugriff der davidischen Monarchie auf den Gott Zions war gebrochen. Dieser

herrschte nun über alle Völker und drohte in den Reden seiner Propheten auch

dem Hause Davids unverhohlen mit dem Untergang, sollten die Könige Jerusa-

lems seinen Forderungen nach Glauben und Gerechtigkeit nicht genügen.

Die jesajanische Kritik an König und gesellschaftlichen Missständen ver-

band sich mit Untergangsdrohungen in einer Zeit, die den Fall Samarias und

die Belagerung Jerusalems erleben sollte. Die Nachfahren sahen damit die

Worte des Propheten bestätigt und fanden in der darin enthaltenen Theologie

des strafenden, über die Geschicke der Völker entscheidenden Gottes auf dem

Zion Deutungsmuster für die Schicksalsschläge der kommenden Jahrhun-

derte.97 Die Monarchie- und Gesellschaftskritik, geeignet, sogar den Untergang

der Davididen 587 v. Chr., den Verlust der eigenen Staatlichkeit und die Ver-

schleppung in das babylonische Exil zu erklären, ohne die Allmacht Jahwes in

Frage zu stellen, wurde als Erklärung für die hereinbrechenden Katastrophen

fortgeschrieben. Seit der Zeit des Propheten bis in das zweite Jahrhundert v.

Chr. ergänzten Schreiber und Redaktoren das Buch Jesaja, bis es schließlich

die Geschichte des Volkes Israel vom Ende des achten Jahrhunderts bis zum

babylonischen Exil als prophetisches Wort beinhaltete.98

Zion war dabei sowohl das Ziel des göttlichen Zornes als auch der Ort einer

neuen Heilserwartung, verbunden mit der Vorstellung eines Weltgerichtes am

Ende aller Tage und dem Erstehen einer neuen Königsherrschaft aus dem Hau-

97 Kaiser, 2003, S. 92ff. 98 Vgl. etwa Kratz, 2003, S. 92. Otto Kaiser: s.v. Jesaja/Jesajabuch, in: TRE, Bd. 16, Berlin/New York 1987, S. 636-658; hier S. 636. Norman W. Porteous: Jerusalem-Zion. The Growth of a Symbol, in: Verbannung und Heimkehr. Beiträge zur Geschichte und Theologie Israels im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr., Wilhelm Rudolph zum 70. Geburtstag, hg. v. Arnulf Kuschke, Tübingen 1961, S. 235-252.

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se David. Diente die Befreiung Jahwes von dem exklusiven Zugriff königlicher

Legitimation der Deutung göttlichen Handelns in Zeiten äußerer Bedrohung, so

wurde den Davididen der Anspruch auf die Königsherrschaft in den Schriften

des Buches Jesaja doch nicht ganz abgesprochen.

„Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner

Wurzel Frucht bringen. … Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen,

noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit

Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande,

… Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge;

denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt.“

Jes 11,1-9

In einer unbestimmten Zukunft würde aus dem Stamme Isais, des davidischen

Ahnherrn, ein neuer König hervorgehen, dessen Herrschaft einen innenpoliti-

schen Frieden bedeute, der in der Gegenwart der Verfasser dieser messiani-

schen Vorstellung längst verloren war.99 Wie auch in den Immanuelworten (Jes

7,10-17; 9,1-6) findet sich hier die Hoffnung auf eine zukünftige Heilszeit,

garantiert durch einen Abkömmling der seit David von Jahwe erwählten könig-

lichen Familie. Geprägt von Gerechtigkeit über alle sozialen Grenzen hinweg

umreißt die Beschreibung das königliche Ideal eines göttlich inspirierten Ge-

richtsherrn, ein allgemein bekannter Topos der antiken Vorstellungswelt, aber

einzigartig in der Hoffnung auf das Wiedererstehen einer unter-gegangenen

Dynastie.100 Der Ort dieses zukünftigen Friedens ist Jerusalems heiliger Berg

Zion, der in seiner vielfältigen Symbolik als Volk Israel und Präsenz des Gött-

lichen zum Zeugen und Garant der messianischen Herrschaft wird. Folgerichtig

übertrugen die Christen, die den Glauben an einen Messias aus den propheti-

schen Schriften kannten und teilten, die Zeugenschaft des heiligen Berges für

das Erscheinen des Gesalbten nach dem Tode Jesu auf den Berg Golgatha, der

99 Sowohl die Immanuel-Worte als auch die messianischen Erwartungen setzen das Ende der davidischen Königsherrschaft voraus, sind also frühestens exilische oder nachexilische Fort-schreibungen des Prophetenbuches. Vgl. dazu etwa Kaiser, 1981, S. 152-161; S. 239ff. Ders., 1987, S. 649. 100 Kaiser, 1981, S. 244f.

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in ihrer Vorstellung das Wunder der Auferstehung bezeugte. Doch Zion blieb

auch in der Auffassung der Christen der Ort des letzten Gerichtes am Ende

aller Tage.101

Das Bild eines Weltengerichtes in den prophetischen Schriften des Buches

Jesaja beschreibt die Macht des nicht nur über sein Volk, sondern über alle

Völker richtenden allmächtigen Jahwes, dessen heiliger Berg Zion zum Mittel-

punkt eines endzeitlichen Friedensreiches wird (Jes 24-27; 34). War der Zion

zunächst Ziel des Völkersturms, den der strafende Gott gegen sein sündiges

Volk richten, dann aber scheitern lassen sollte, um so zum Richter über die

Völker zu werden (Jes 13-23), erwuchs dem Heiligtum in Jerusalem in den

Fortschreibungen der jesajanischen Theologie eine zunehmende Bedeutung als

erwählter Ort des an seinen Wohnsitz zurückkehrenden Weltenrichters zu (Jes

40,1-5.9-11), dessen Macht Himmel und Erde umfasst und der am Ende der

Tage allem menschlichen Leid ein Ende setzen wird (Jes 24,21-23; 25,6-8).102

Zion wird damit zum alle anderen überragenden Gottesberg, Ziel und Zentrum

einer endzeitlichen Völkerwallfahrt und Ausgangspunkt der Durchsetzung uni-

versal gültigen, göttlichen Rechts (Jes 2,2-4).103

Die Zionstheologie erfuhr in den Fortschreibungen des Buches Jesaja, die

über Jahrhunderte immer wieder den historischen Gegebenheiten angepasst

wurden, die Hoffnung auf Rettung, Gerechtigkeit und einen zukünftigen Frie-

den gaben, eine zunehmende Transzendierung.104 So, wie die Monarchiekritik

der prophetischen Schriften Jahwe von dem Zugriff des weltlichen Königtums

löste und das Kommen eines gerechten davidischen Herrschers in eine unbe-

101 Etwa Röm 11,26; Hebr 12,22; Offb 14,1. Vgl. dazu Kap. B.I.4. Der christliche Zion und das himmlische Jerusalem. 102 Otto Kaiser: Der Gott des Alten Testaments. Wesen und Wirken. Theologie des Alten Tes-taments, 3 Bde., Teil 1: Grundlegung, Göttingen 1993, Teil 2: Jahwe, der Gott Israels, Schöp-fer der Welt und des Menschen, Göttingen 1998, Teil 3: Jahwes Gerechtigkeit, Göttingen 2003. Ebd., 1993, S. 131-138. 103 Siehe dazu auch die Parallelstelle Mi 4,1-3. Vgl. dazu Ludger Schwienhorst-Schönberger: Zion – Ort der Tora. Überlegungen zu Mi 4,1-3, in: Zion. Ort der Begegnung, Festschrift für Laurentius Klein zur Vollendung des 65. Lebensjahres, hg. v. Ferdinand Hahn u.a., Bodenheim 1993, S. 107-125; hier S. 109f. 104 Vgl. dazu Ulrich Berges: Gottesgarten und Tempel: Die neue Schöpfung im Jesajabuch, in: Gottesstadt und Gottesgarten. Zu Geschichte und Theologie des Jerusalemer Tempels, hg. v. Othmar Keel u. Erich Zenger, Freiburg i.Br. 2002, S. 69-98. Zu Fortschreibungen und ideolo-gischem Zusammenhang innerhalb des gesamten Buches Jesaja vgl. Antti Laato: „About Zion I will not be silent“. The Book of Isiah as an Ideological Unity, Stockholm 1998.

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stimmte aber gewisse Zukunft verlegte, so löste sie das weltliche vom himmli-

schen Jerusalem, erfuhr der heilige Berg Zion eine Befreiung von den realpoli-

tischen Zuständen einer als Strafe empfundenen Wirklichkeit und wurde zum

Sinnbild zu erwartenden Heils.105 Als Ort einer nicht genau zu datierenden

Endzeit ist Zion Identität stiftendes Symbol und wird zum Garant der Hoffnung

für das auserwählte Volk des einen Gottes.

105 Vgl. Porteous, 1961, S. 240ff; 250ff., zu Bildern von Frieden und Gerechtigkeit in den Fort-schreibungen des Jesajabuches, über die Ecksteinsymbolik, Jerusalem als Zentrum und Nabel der Welt im Buch Ezechiel und das Neue Jerusalem in den späten jesajanischen, den apokry-phen jüdischen Schriften und dem Neuen Testament.

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3. Josija. Der König

Sollten Propheten wie Jesaja die Befreiung Jahwes und seines heiligen Berges

von der dem Untergang geweihten Monarchie des Hauses David einleiten, so

waren es letztlich doch die Könige eben dieser Dynastie, die in der Erinnerung

ihres Volkes das Überleben des Glaubens an den einen Gott und dessen er-

wählte Stadt garantierten. Mit Hiskia und Josija nennt das Buch der Könige

gleich zwei Herrscher, deren Regierungszeit von dem Bemühen um die Rein-

heit und die Zentralisierung des Jahwekultes geprägt war (2 Kön 18,1-7; 22-

23,30).106 Doch es sollte Josija sein, in dessen Herrschaft die Schreiber und

Redaktoren der alttestamentlichen Schriften die Auffindung des mosaischen

Gesetzes mit der Autorität des davidischen Königtums verbunden sahen.

König Josija von Juda (ca. 640-609) folgte mit nur acht Jahren seinem Vater

Amon, der einer Hofintrige zum Opfer gefallen war, mit Hilfe des Volkes auf

den Thron (2 Kön 21,23-26). Im achtzehnten Jahr seiner Regierung wurde bei

Renovierungsarbeiten im Tempel ein Gesetzesbuch wiederentdeckt, das die

moderne Forschung, auf Grund der sich an den Fund anschließenden ehrgeizi-

gen Reformbemühungen Josijas, für eine Urfassung des Buches Deuteronomi-

um hält.107 Der Auffindung folgte eine umfassende Reinigung des Kultes, die

Zentralisierung des Kultes auf das Jerusalemer Heiligtum auf dem Zion und ein

neuer Bundesschluss (2 Kön 23,1-24).108 Der König stirbt, als er sich dem Pha-

rao Necho bei Megiddo in den Weg stellt (2 Kön 23,29), die Darstellung seines

Todes im zweiten Buch der Könige bleibt rätselhaft, nicht jedoch die Bewer-

tung seiner Person:

106 Zur Bedeutung der Reformen Hiskias vgl.: Albertz, 1992, S. 282. Schoors, 1998, S. 34; siehe auch S. 46 zur chronistischen Deutung. Ernst Baltrusch: Die Juden und das Römische Reich. Geschichte einer konfliktreichen Beziehung, Darmstadt 2002, S. 22ff. 107 Marvin A. Sweeney: King Josiah of Judah. The Lost Messiah of Israel, Oxford/New York 2001, S. 3ff. 108 Es folgt eine Pessachfeier nach den Geboten des wieder gefundenen Gesetzes (2 Kön 23,21-23), die in der chronistischen Darstellung der Zeit Josijas im Zentrum der Erzählung steht (2 Chr 35). Vgl. dazu Louis C. Jonker: Reflections of King Josiah in Chroniclers. Late stages of the Josiah reception in II Chr. 34f., Gütersloh 2003, S. 34ff.; 83ff.

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„Seinesgleichen war vor ihm kein König gewesen, der so von ganzem Herzen, von

ganzer Seele, von allen Kräften sich zum HERRN bekehrte, ganz nach dem Gesetz des

Mose, und nach ihm kam seinesgleichen nicht auf.“ 2 Kön 23,25

Innerhalb des deuteronomistischen Geschichtswerkes ist Josija der Höhepunkt

davidischer Herrschaft, vollkommener als David selbst, ein neuer Mose, eine

messianische Gestalt, die zwar schließlich an den historischen Umständen

scheitern sollte, aber in ihrem Wesen das neue Ideal eines gesetzestreuen Men-

schen verkörpert.109 Das kurze Aufblühen Judas in der Zeit des assyrischen

Niedergangs, in einem Machtvakuum, welches das babylonische Reich nur zu

schnell wieder füllen sollte, und die Hoffnung auf ein Wiedererstarken des

Großreiches eines Davids oder Salomos verbanden sich in der theologischen

Deutung der eigenen Geschichte mit der Erinnerung an einen letzten großen

König aus der davidischen Dynastie, dem die Ehre zuerkannt wurde, den mo-

saischen Bund mit Jahwe erneuert zu haben. Allerdings stammten die theologi-

schen Konzepte der so genannten josijanischen Reform nicht aus der Zeit eines

Moses und sie sprachen auch nicht die Sprache des königlichen Hofes. Die

Vereinigung vorstaatlicher Ideale mit einer konstitutionellen Monarchie, die

Zentralisierung der Verehrung des einen Gottes an seinem erwählten Heiligtum

auf dem Zion, das Gesetz, das den Einzelnen befähigte, ohne staatlichen Kult

und königliche Vermittlung den Glauben an Jahwe zu praktizieren, verkünde-

ten die Interessen vieler gesellschaftlicher Gruppen – und garantierten das

Überleben einer Religion, die sich in der Nachfolge der Propheten von dem

Schicksal der Könige Judas löste.110

So wogen in den Augen der deuteronomistischen Verfasser und Redaktoren

der Königsbücher die Sünden der davidischen Herrscher und des Volkes

schwerer als die Reformen des einen Königs, wurde das mosaische Gesetz zum

109 Christof Hardmeier: König Joschija in der Klimax des DtrG (2Reg 22f.) und das vordtr Dokument einer Kultreform am Residenzort (23,4-15*). Quellenkritik, Vorstufenrekonstruk-tion und Geschichtstheologie in 2Reg 22f, in: Erzählte Geschichte. Beiträge zur narrativen Kultur im alten Israel, hg. v. Rüdiger Lux, Neukirchen-Vluyn 2000, S. 81-145; hier S. 93ff. 110 Die Historizität der Reformen Josijas ist in der Forschung nach wie vor sehr umstritten, zur Vielfalt der Forschungsmeinungen vgl. etwa Bernd Gieselmann: Die sogenannte josianische Reform in der gegenwärtigen Forschung, in: ZAW 106 (1994), S. 223-242; und den Sammel-band: Good Kings and Bad Kings, hg. v. Lester L. Grabbe, London/New York 2005.

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Maßstab für das Urteil Jahwes über seine heilige Stadt und deren Bewohner,

die er nur wenige Jahrzehnte nach dem Tode Josijas dem Untergang preisgab.

„Und der HERR sprach: Ich will auch Juda von meinem Angesicht tun, wie ich Israel

weggetan habe, und ich will diese Stadt verwerfen, die ich erwählt hatte, Jerusalem,

und das Haus, von dem ich gesagt hatte: Mein Name soll dort sein.“ 2 Kön 23,27

Doch die Reformen Josijas wirkten fort. Nach der Zerstörung Jerusalems und

des Tempels, in der Fremde des babylonischen Exils wurde das mosaische Ge-

setz, das schließlich als Buch Deuteronomium der Geschichte der Landnahme

vorangestellt werden sollte, zu einem Pfeiler der Identität des erwählten Vol-

kes, und dem König, der die Reinheit des Kultes wiederhergestellt und den

Bund mit Jahwe erneuert hatte, gebührte die Ehre, die Erwählung des einen

Heiligtums auf dem Zion für die Verehrung Jahwes durchgesetzt zu haben.111

So wurden auf königlichen Befehl hin Stadt und Land nicht nur von den religi-

ösen Elementen der assyrischen Fremdherrschaft befreit, Zeichen der neuen

Eigenständigkeit gegenüber der zerbrechenden Großmacht, sondern der König

ließ auch alle Jahweheiligtümer bis hin zu dem traditionsreichen Bethel zerstö-

ren und etablierte den salomonischen Tempel in Jerusalem als einzige Kult-

stätte, als erwählten Ort Jahwes, den das Deuteronomium zwar nicht nament-

lich benennt, aber antizipiert (2 Kön 23,4-20; Dtn 12f.). Unter der Herrschaft

Josijas vollzieht sich damit ein entscheidender Schritt: Die Zionstheologie

gründet ab jetzt nicht mehr in der Erwählung der davidischen Dynastie, son-

dern in der mosaischen Ordnung, dem in die vorstaatliche Zeit projizierten Ge-

setz, das die Erwählung des Volkes Israel und des einen Kultortes in der Exo-

dustradition verankert.

111 Finkelstein und Silberman etwa bestreiten zwar die Historizität eines Großreiches von Da-vid und Salomo, aber Josias Kultreform akzeptieren sie als historische Begebenheit, da sie sonst die Einheit Israels in und nach dem Exil nicht erklären können. Vgl. Israel Finkel-stein/Neil A. Silberman: The Bible Unearthed: Archeology’s New View of Ancient Israel and the Origin of Its Sacred Texts, New York 20012001 (dt. Ausg. unt. d. T.: Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel, München 2002). Kommentar bei Rainer Albertz: Why a Reform Like Josiah’s Must Have Happened, in: Good Kings and Bad Kings, hg. v. Lester L. Grabbe, London/New York 2005, S. 27-46.

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Das unter Josija gefundene Gesetzesbuch, der Kern des späteren Deutero-

nomiums, leistete für das Überleben Zions noch weit mehr als die Befreiung

vom Schicksal der Könige Judas und die Verbindung mit den Mythen der Vor-

zeit. Aus der uneingeschränkten Gegenwart Gottes auf seinem heiligen Berg

wurde nun die Anwesenheit seines Namens, und aus der Bundeslade, bisher

Symbol der göttlichen Präsenz, der Behälter des mosaischen Dekalogs.112 Die

Verbindung Jahwes mit dem Gottesberg in Jerusalem wurde durch diese Ver-

änderungen überlebensfähig, konnte die Zerstörung des Tempels und die Zeit

des babylonischen Exils überstehen, weil sich in der Eroberung der Stadt nach

den Worten der Propheten der Wille Gottes offenbarte, während Tempel und

Lade, die der Gewalt des Feindes anheim fielen, als manifeste Anhaltspunkte

der kultischen Verehrung gelten konnten, nicht aber Gott selbst repräsentierten.

Die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar im Jahr 586 v. Chr. bedeu-

tete das Ende der davidischen Herrschaft über das Königreich Juda, den Ver-

lust des Tempels und des Kultes. Doch selbst im babylonischen Exil wirkte die

Kultzentralisation eines Josija fort, blieben die Augen und Herzen des Volkes

Israel auf den heiligen Berg Zion gerichtet, das transzendierte Symbol des ei-

nen Gottes.113

„An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten.

Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande. Denn die uns

gefangenhielten, hießen uns dort singen und in unserm Heulen fröhlich sein: ‚Singet

uns ein Lied vom Zion!’ Wie könnten wir des HERRN Lied singen in fremdem Lande?

Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an meinem

Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine

höchste Freude sein.“ Ps 137,1-6

112 Albertz, 1992, S. 304ff.; 352ff. 113 Otto, 1980, S. 91f.

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4. Zion in den Psalmen

„Der HERR liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen in Jakob.“ Ps 87,2

Die vielfältige Bedeutung Zions als Kristallisationspunkt theologischer Kon-

zepte und identitätsstiftender Mittelpunkt des Glaubens an den einen Gott Isra-

els tritt in den Psalmen so deutlich hervor wie in keiner anderen Schrift des

Alten Testamentes.114 Entstanden seit dem neunten Jahrhundert v. Chr. und

spätestens im zweiten Jahrhundert v. Chr. abgeschlossen, gingen in die Lied-

sammlung des Psalters persönliche Klage- und Dankgebete ebenso ein wie die

liturgische Verherrlichung Jahwes und seines Heiligtums auf dem Zion. In ih-

rer meist nachexilischen Bearbeitung vorexilischer Stoffe zeigen die Psalmen

den Bedeutungswandel der Zionstheologie: Aus Thronbesteigungsgesängen

des über die Chaosmächte siegreichen Jahwe, der mit seinem wohl jährlich

gefeierten Einzug in den Tempel die Unbesiegbarkeit seines Weltenberges und

damit der Stätte seines Heiligtums bestätigte, wurde nach dem Fall Jerusalems

die Hoffnung auf den siegreichen Niederschlag der gegen den Zion an--

brausenden Völker.115

„Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns

getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und

die Berge mitten ins Meer sänken, wenngleich das Meer wütete und wallte und von

seinem Ungestüm die Berge einfielen. Ein Strom erfreut die Gottesstadt, die heiligste

Wohnung des Höchsten. Gott ist in ihrer Mitte, daß sie nicht wankt, Gott hilft ihr beim

Anbruch des Morgens. Toben die Völker, wanken die Reiche, beginnt er zu donnern,

schwankt die Erde.“ Ps 46,2-7116

114 Körting, 2006, schreibt in ihrer Monographie über Zion in den Psalmen: „Schließlich er-weist sich, daß Zion, einem magnetischen Kräftefeld gleich, Motive und Traditionen Israels anzieht, um sie zu ordnen und auf diese Weise immer wieder neu und anders zu schaffen: Zion ist das oszillierende Zentrum fortschreitender Theologiebildung in Psalmen und Psalter.“ Ebd. S. 6. 115 Kaiser, 2003, S. 133ff. 116 Aus Gründen der Textklarheit wurde der Bibeltext der Lutherübersetzung in der revidierten Fassung von 1984 hier mit der Übersetzung von Kaiser, 1998, S. 186 vereint.

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In den Psalmen ist die Zionstheologie mit den Motiven des Gottesberges, des

Paradiesstromes, des Chaos- und Völkerkampfes verbunden, Jahwe ist König

und Schöpfergott, Bekämpfer des Chaos, wie vor ihm Baal und El, und sein

heiliger Berg Zion ist Els Weltenberg im Urmeer und Zaphon, der Berg Baals

hoch im Norden.117

„Groß ist der HERR und hoch zu rühmen in der Stadt unseres Gottes auf seinem

heiligen Berge. Schön ragt empor der Berg Zion, daran sich freut die ganze Welt,

der Gottesberg fern im Norden, die Stadt des großen Königs.“ Ps 48, 2-3

In den Zionsliedern wird das Königtum Gottes und seines auserwählten Herr-

schers beschrieben, die Herrlichkeit des Jerusalemer Heiligtums, die Freude

des Wallfahrers beim Anblick der heiligen Stadt und der Segen, der durch die

Anwesenheit Jahwes von Zion ausgeht.118 Die Erwählung der davidischen Kö-

nige verbunden mit der Erwählung Zions durch Jahwe findet in diesen und

anderen Psalmen ebenso ihren Ausdruck wie die Erwählung des Gottesberges

jenseits irdischer Herrschaft.119 Die Vielfalt der eingearbeiteten Konzepte er-

laubte nicht nur den Frommen Israels in der Zeit nach dem babylonischen Exil

den Glauben an die Macht des von Zion ausgehenden Segens und die Zukunft

eines Königs aus dem Hause David zu bewahren, sondern sie ermöglichte auch

den frühen Christen in den Jahrhunderten nach dem Kreuzestod des Mannes,

den sie als den von den Propheten angekündigten Messias erkannt hatten, in

den Psalmen Trost und Bestätigung zu finden. So vereinigt sich etwa in der

Königstheologie des Psalters die Vorstellung des Gottesberges mit dem aus den

Erzvätergeschichten bekannten Priesterkönig Melchisedek – für das Volk Israel

eine Bestätigung der Erwählung der davidischen Dynastie, eine Ankündigung

siegreicher Herrschaft eines irdischen Königs durch die Macht Jahwes, für die

Christen eine Ankündigung des Gottessohnes, der zur Rechten Gottes thront

117 Vgl. dazu etwa Gunther Wanke: Die Zionstheologie der Korachiten in ihrem traditionsge-schichtlichen Zusammenhang, Berlin 1966. Clifford, 1972, S. 141ff. Ben C. Ollenburger: Zion. The City of the Great King. A Theological Symbol of the Jerusalem Cult, Sheffield 1987, S. 49ff; 146ff. Kaiser, 1998, S. 183ff. 118 Zionslieder werden die Psalmen 46; 48; 76; 84; 87; 122; 125; 132; 134 genannt. 119 Geese, 1984, S. 118ff. Vgl. etwa Pss 2; 110; 132. Vgl. dazu auch Ollenburger, 1987, S. 59ff.

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und seine Feinde nicht durch das Schwert, sondern durch die Verkündigung

des Evangeliums besiegt.120

„Der HERR sprach zu meinem Herrn: ‚Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine

Feinde zum Schemel deiner Füße mache.‘ Der HERR wird das Zepter deiner Macht

ausstrecken aus Zion. Herrsche mitten unter deinen Feinden! Wenn du dein Heer

aufbietest, wird dir dein Volk willig folgen in heiligem Schmuck. Deine Söhne werden

dir geboren wie der Tau aus der Morgenröte. Der HERR hat geschworen, und es wird

ihn nicht gereuen: ‚Du bist ein Priester ewiglich nach der Weise Melchisedeks.‘“

Ps 110,1-4

Zion ist in den Psalmen sakrale Topographie, Thron Jahwes und seines erwähl-

ten Königs, Ziel und Endpunkt des Völkersturms, Wallfahrtsort und Standort

des Tempels. Der heilige Berg ist Fluchtpunkt Jerusalems, Manifestation der

schützenden Präsenz Jahwes und Symbol der zu bewahrenden Stadt und ihrer

Bewohner.121 Im Psalter ist der Berg Zion für den Betenden als Ziel- und Iden-

tifikationspunkt, als Raum und Hoffnung in der Zeit erfahrbar.122 Seine Ge-

schichte spiegelt die Geschichte des Volkes Israel, sein Heiligtum symbolisiert

den irdischen und himmlischen Palast Jahwes und er steht für die reale und

geglaubte Dimension der Macht des einen Gottes.123 In der über Jahrhunderte

entstandenen Liedsammlung enthält und vereint der Zion unterschiedliche Di-

mensionen, verbindet das Motiv des heiligen Berges die horizontale und räum-

liche Vorstellung irdischer Macht mit der vertikal gedachten Gegenwart Gottes

im Himmel und auf Erden, begegnet das Symbol Zion in historischer und zeit-

loser Perspektive als Ausgangspunkt göttlichen Wirkens.

120 Körting, 2006, S. 206ff. 121 Vgl. dazu Steck, 1992, S. 131f. Desweiteren John H. Hayes: The Tradition of Zion’s Invio-lability, in: JBL 82 (1963), S. 419-426. 122 Körting, 2006, S. 84f.; 160f.; 217. 123 Kaiser, 1998, S. 187. Dozeman, 1989, S. 34.

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III. Conclusio

„Der Herr hat David einen Eid geschworen, davon wird er sich wahrlich nicht

wenden: Ich will dir auf deinen Thron setzen einen, der von deinem Leibe kommt.

Werden deine Söhne meinen Bund halten und mein Gebot, das ich sie lehren werde,

so sollen auch ihre Söhne auf deinem Thron sitzen ewiglich. Denn der HERR hat Zion

erwählt, und es gefällt ihm, dort zu wohnen.“ Ps 132,11-13

Zion, der heilige Berg Jahwes in Jerusalem, Schauplatz einer idealisierten Ver-

gangenheit und einer gerechten Zukunft am Ende aller Zeiten, sollte als Identi-

fikationssymbol des Volkes Israel die Jahrhunderte überdauern. Der Berg, dem

Königtum Davids ewig verbunden und doch von dessen irdischem Schicksal

befreit, war dem Glauben an den einen Gott gleich, dessen Macht sich in Sieg

und Niederlage seines auserwählten Volkes gleichermaßen auszudrücken ver-

mochte. Zion – einst Bezeichnung für den Standort des Tempels in der heiligen

Stadt – erhielt im Laufe der Zeit eine Fülle von Bedeutungen, die über das Hei-

ligtum selbst weit hinausgingen und die dessen zweifache Zerstörung – 586 v.

Chr. des salomonischen Tempels, 70 n. Chr. des herodianischen Tempels –

überstehen sollten.124

Die Identität stiftende Kraft des Berges Zion, dessen Name für die Präsenz

Gottes ebenso stehen kann wie für die Stadt Jerusalem und ihre Bewohner, der

mit den Anfängen der Geschichte Israels verbunden ist und mit dessen Endzeit,

sollte nicht nur den wiederholten Verlust des Tempels und der eigenen Staat-

lichkeit überdauern, sondern auch Jahrhunderte der Vertreibung und Verfol-

gung. Möglich wurde dies durch die theologische Verarbeitung des babyloni-

schen Exils, die es den Anhängern Jahwes erlaubte, in der Katastrophe des ei-

genen Volkes das Wirken des allmächtigen Gottes zu erkennen, der das

Schicksal aller Völker und Staaten lenkt. Fern der Heimat und der Trümmer

124 Christian Frevel: Zerbrochene Zier. Tempel und Tempelzerstörung in den Klageliedern (Threni), in: Gottesstadt und Gottesgarten. Zu Geschichte und Theologie des Jerusalemer Tempels, hg. v. Othmar Keel u. Erich Zenger, Freiburg i.Br. 2002, S. 99-153. Die Klagelieder, entstanden nach der Zerstörung Jerusalems, erkennen und verarbeiten Gottes Lösung von sei-nem Tempel als Teil der Zionstheologie. Ebd. S. 145.

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des Heiligtums entwickelte sich eine vom Tempelkult unabhängige Form der

Glaubensausübung, die mit der Synagoge und der Kanonisierung der heiligen

Schriften den Wandel von einer Kultreligion zur Buchreligion vollzog.125

In den vielen Diasporagemeinden, die in den Jahrhunderten nach der ba-

bylonischen Eroberung entstanden, etablierte sich schon lange vor dem Verlust

des zweiten Tempels eine neue Form der Frömmigkeit, die Jerusalem und den

Zion auch aus der Ferne als Mittelpunkt des jüdischen Volkes und seines Glau-

bens empfand.126 Das zwischen den Großmächten gelegene Juda lebte in den

Jahrhunderten nach dem Exil in einem ständigen Ringen um staatliche Unab-

hängigkeit und der Angst vor religiöser und kultureller Überfremdung.127 In

einer zunehmend von der griechischen Sprache und Kultur geprägten Welt,

deren Einfluss sich weder die Bewohner Jerusalems noch die Gemeinden der

Diaspora verschließen konnten, wuchs die Notwendigkeit klarer Abgrenzung,

um die eigene Identität zu bewahren.128 Dem diente einerseits die seit dem Exil

begonnene Verschriftlichung der heiligen Texte und andererseits die Ein-

haltung des mosaischen Gesetzes, das seit Josija den Bundesschluss mit Jahwe

kennzeichnete.

In den Jahrhunderten des zweiten Tempels, als sich das Volk Israel zwar im

Besitz der heiligen Stätte wusste, jedoch wiederholt mit der eigenen Macht-

losigkeit gegenüber den politischen Gegebenheiten konfrontiert sah, und nach

der Zerstörung der von Herodes prächtig ausgebauten Kultstätte, erfuhr sowohl

das Heiligtum Jahwes als auch der Berg Zion eine Fülle weiterer Zuschrei-

bungen. Diese fanden nicht unbedingt ihren Weg in den entstehenden Kanon

heiliger Schriften, aber sie spiegeln die sich an der Symbolkraft Zions ent-

125 Vgl. etwa Donner, 1987, S. 439ff. 126 Gerhard Delling: Die Bewältigung der Diasporasituation durch das hellenistische Judentum, Göttingen/Zürich 1987, S. 34ff. 127 Vgl. dazu etwa Peter Schäfer: Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Stuttgart 1983, S. 52ff. Lee I. Levine: Second Temple Jerusalem. A Jewish City in the Greco Roman Orbit, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 53-68. 128 Martin Hengel: Jerusalem als jüdische und hellenistische Stadt, in: Hellenismus. Beiträge zur Erforschung von Akkulturation und politischer Ordnung in den Staaten des hellenistischen Zeitalters, hg. v. Bernd Funck, Tübingen 1996, S. 269-306. Klaus Bringmann: Geschichte der Juden im Altertum. Vom babylonischen Exil bis zur arabischen Eroberung, Stuttgart 2005, S. 89ff.

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flammenden politischen und eschatologischen Hoffnungen ihrer Zeit.129 Der

Tempelberg gilt den Gläubigen nun als Ort der Erschaffung und Grab Adams,

Nabel der Welt, Gründungsstein der Schöpfung, des Tempels, und Tor zum

Himmel wie zur Unterwelt.130 Die Zionstheologie erfährt eine entscheidende

Erweiterung um die Vorstellung des himmlischen Jerusalems, das sich als

vollkommene Verwirklichung göttlicher Präsenz und religiöser Reinheit in

einer zu erhoffenden Zukunft auf die Erde herabsenken wird – ein Motiv, das

die an den Zion geknüpfte endzeitliche Hoffnung auch im Christentum veran-

kern sollte.131 Die Bedeutung des heiligen Berges wird somit vielfältig trans-

zendiert, ist den Gläubigen seit der Exilserfahrung als verlorener Ort der Hoff-

nung und einer gerechten Endzeit ebenso etabliert wie als gedachter topogra-

phischer Mittelpunkt eines zerstreuten Volkes.

Nach der Katastrophe des Jahres 70, der Zerstörung des Tempels durch die

Macht Roms, sollte das Heiligtum Jahwes kein drittes Mal erstehen. Doch der

Glaube an den allmächtigen Gott des alten Bundes, dessen Zentrum für Jahr-

hunderte der Tempel auf dem Zion gewesen war, wusste dessen Verlust zu

überleben. Ausgestattet mit der Kraft des mosaischen Gesetzes und der Sy-

nagoge als Möglichkeit des kultunabhängigen Gottesdienstes vermochte die

jüdische Religion, den Tempeldienst zu substituieren – wenn auch die Herzen

der Gläubigen für alle Zeiten auf Jerusalem und den Zion gerichtet blieben.132

129 Vgl. Kim Huat Tan: The Zion Traditions and the Aims of Jesus, Cambridge 1997. Siehe etwa S. 31ff. zu der Bedeutung Zions als Identifikationssymbol und Hoffnungsträger in der Zeit zwischen den Testamenten. 130 Jean Daniélou: s.v. Fels, übers. v. I. Opelt, in: RAC, Bd. 7, Stuttgart 1969, Sp. 723-732. Herbert Donner: Der Felsen und der Tempel, in: ZDPV 93 (1977), S. 1-11; hier S. 9f. Taylor, 1993, S. 124ff. Tilly, 2002, S. 249ff. Rivka Gonen: Contested Holiness. Jewish, Muslim, and Christian Perspectives on the Temple Mount in Jerusalem, Jersey City 2003, S. 116ff. 131 Vgl. dazu Peter Söllner: Jerusalem, die hochgebaute Stadt. Eschatologisches und Himmli-sches Jerusalem im Frühjudentum und im frühen Christentum, Tübingen/Basel 1998. Klaus Thraede: s.v. Jerusalem II (Sinnbild), in: RAC, Bd. 17, Stuttgart 1996, Sp. 718-764; hier Sp. 719-721. Otto Böcher: Die heilige Stadt im Völkerkrieg. Wandlungen eines apokalyptischen Schemas, in: Kirche in Zeit und Endzeit. Aufsätze zur Offenbarung des Johannes, Neukirchen-Vluyn 1983, S. 113-132. Vgl. Kap. B.I.4. Der christliche Zion und das himmlische Jerusalem. 132 Entscheidend zu der Neuordnung der jüdischen Religion nach 70 n. Chr. beigetragen haben etwa die Gelehrten von Javne, allen voran Jochanan ben Zakkai und Gamaliel II., die dort nach der Zerstörung des Tempels ein Lehrhaus etablierten, das zum neuen Zentrum des palästi-nischen Judentums wurde. Vgl. dazu Schäfer, 1983, S. 159ff. Außerdem Eliav, 2005, S. 189ff. Stefan Schreiner: Wo man Tora lernt, braucht man keinen Tempel. Einige Anmerkungen zum Problem der Tempelsubstitution im rabbinischen Judentum, in: Gemeinde ohne Tempel – Community Without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels

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B. Zwischen Tempelberg und Schädelstätte

Die Vielfalt christlicher Erinnerung in der heiligen Stadt

Die christliche Erinnerung folgt seit jeher den Spuren Jesu, die sich in Jerusa-

lem zu bedeutungsschweren Geschichten verdichten. Diese verkünden dem

Gläubigen vor der Kulisse der heiligen Stadt, des Tempels, des Ölberges und

schließlich der Schädelstätte Golgatha ein Heilsgeschehen, das in der Auferste-

hung seine Vollendung findet und die Wahrnehmung der Stadt Davids für die

Nachfolger des Gekreuzigten für alle Zeiten prägt. Waren die Augen und Her-

zen eines jeden Juden auch nach der Zerstörung des Tempels durch die Römer

im Jahre 70 n. Chr. auf den Zion gerichtet, sollten die Christen nach der Ver-

wüstung der Stadt und in den Jahrhunderten der Verfolgung noch der Etablie-

rung ihrer Erinnerungsorte bedürfen und auch die Pilger des zweiten und drit-

ten Jahrhunderts auf Golgatha noch nach dem leeren Grab und auf dem Ölberg

nach der Stätte der Himmelfahrt suchen: Den Berg Zion lokalisierte die christ-

liche Erinnerung schließlich außerhalb der alten Stadtmauern und fügte der

jüdischen Vorstellung von einem Weltengericht am Ende aller Tage die Über-

lieferung von den Aposteln und der Gottesmutter Maria hinzu, die von hier aus

ihrem Sohn in den Himmel gefolgt sei. Der Tempelberg aber diente ihnen als

Mahnmal für die Worte ihres Erlösers, von dem die Evangelisten berichteten,

er habe beim Anblick des herodianischen Tempels zu einem seiner Jünger ge-

sagt: „Siehst du diese großen Bauten? Nicht ein Stein wird auf dem andern

bleiben, der nicht zerbrochen wird.“ (Mk 13,2)133

Die Spuren Jesu entstammen den Evangelien, die im Rückblick der Taten

und Zeichen des Gesalbten gedachten, die das Leben des Gottessohnes im

Licht von Kreuzigung und Auferstehung sahen und das Passionsgeschehen in

Jerusalem für die Nachfolger Christi verständlich machen wollten.134 Hier fin-

und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, hg. v. Beate Ego u.a., Tübingen 1999, S. 371-392. 133 Vgl. dazu etwa Tilly, 2002, S. 27. 134 Der so genannte ‚Ostergraben‘, die Deutung und Darstellung Jesu als vom Ostergeschehen grundlegend geprägt und nicht mehr historisch zuverlässig, wird in der Leben-Jesu-Forschung eingehend diskutiert. Vgl. dazu etwa Jens Schröter: Von der Historizität der Evangelien. Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um den historischen Jesus, in: Der historische Jesus.

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den sich die Geschichten, die die Suche der christlichen Erinnerung nach heili-

gen Orten, nach steinernen Zeugen der Menschwerdung Gottes leiten sollten.

Eingebunden in die Worte des Alten Testamentes, das die Kinder des neuen

Bundes als Erbe ihres Herrn übernahmen, erhielten Tempelberg und Ölberg,

Golgatha und Zion neue Bedeutungen und neues Gewicht in der Topographie

der Stadt Davids. In der Nachfolge Christi verblieb die erste Gemeinde, die

Gemeinschaft der Apostel, in Jerusalem und bis zur Zerstörung der Stadt durch

die Römer war sie das räumliche und städtische Zentrum der frühen Christen;

und auch nachdem die Gemeinden Roms und anderer großer Städte wie Ale-

xandria und Antiochia den Ort der Passion an Einfluss und Bedeutung längst

überholt hatten, gedachte man der heiligen Stätten als Zeugen des Heilsgesche-

hens, als ideelles Zentrum der Naherwartung und des Auferstehungs-

glaubens.135

Es waren die christlichen Pilger, die jenseits des ideellen auch den realen

Raum der Geschichte Jesu als Ort der Anbetung und Andacht erfahren wollten,

und seit Beginn des vierten Jahrhunderts strömten sie in immer größeren Scha-

ren nach Jerusalem, um auf den Wegen des Herrn zu wandeln. Als Rom dann

unter der Herrschaft Konstantins des Großen das Christentum nicht nur als

erlaubte Religion anerkannte, sondern der Kaiser gar zum Förderer des neuen

Glaubens wurde, brach für die Stadt eine neue Zeit an. Prächtige Kirchen-

bauten kennzeichneten nun die Kuppen der heiligen Berge, die Grabeskirche

auf Golgatha wurde zum Zentrum der christlichen Topographie Jerusalems und

Jerusalem selbst die Mitte und der Nabel der Welt.

Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung, hg. v. Jens Schröter u. Ralph Bru-cker, Berlin/New York 2002, S. 163-212; hier S. 177ff. Für die Betrachtung der Erinnerung an Jesus und die Entstehung von Erinnerungsorten auf den Bergen Jerusalems ist diese Differen-zierung zwar wichtig, aber nicht entscheidend. 135 Christoph Markschies: Das antike Christentum: Frömmigkeit – Lebensformen – Institu-tionen, München 2006, S. 13f.

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I. Die Ausweitung des Heiligen. Jerusalem im Neuen Testament

Die christliche Erinnerung folgt der Person Jesu und haftet an den Orten, die

dieser durch seine Gegenwart, durch besondere Zeichen und Taten hervorge-

hoben hat. Doch während er den Menschen den Anbruch des Gottesreiches

jenseits der sühnenden Funktion eines irdischen Tempels und der Opfergaben

verkündete und seine Jünger ein Ritual lehrte, das die ihm Nachfolgenden zu

jeder Zeit und an jedem beliebigen Ort in seinem Gedächtnis vollziehen konn-

ten, gedachten die Schriften des Neuen Testamentes seiner Geschichte als der

Geschichte eines Menschen in Raum und Zeit, und sie benannten die entschei-

denden Stätten, an denen sich diese erfüllt hatte: Tempel – Ölberg – Golgatha.

Das Neue Testament birgt die Erinnerung an Jesus, es ist das schriftliche

Gedächtnis der christlichen Religion und sein Kanon prägt das Bild des Gottes-

sohnes, des heiligen Landes und der Stadt Jerusalem bis heute.136 Die Ent-

stehung und Kanonisierung seiner 27 Schriften spiegelt die Geschichte des

frühen Christentums: die Prägung durch die griechische Sprache und Kultur,

die

Herkunft und die Trennungsprozesse von der jüdischen Religion, die Aus-

einandersetzungen mit der Weltmacht Rom und mit dem Verbleiben in einer

Welt, die durch die Hoffnung auf ein Jenseits zur Fremde geworden war.137

Gleichzeitig bewahrt es den Zugang zu einer vergangenen Wirklichkeit, in der

ein Prediger aus Galiläa nach Jerusalem zog, um dort seinem Schicksal zu be-

gegnen.

Von den Schriften des Neuen Testamentes sind es besonders die vier Evan-

gelien, die Auskunft über die Person Jesu geben. Entstanden seit der zweiten

Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr., aus älteren, mündlichen und schriftli-

chen Traditionen gespeist, berichten sie über das Wirken des Gottessohnes,

136 Helmut Merklein: Jerusalem – bleibendes Zentrum der Christenheit? Der neutestamentliche Befund, in: Zion. Ort der Begegnung, Festschrift für Laurentius Klein zur Vollendung des 65. Lebensjahres, hg. v. Ferdinand Hahn u.a., Bodenheim 1993, S. 47-61. 137 Vgl. dazu etwa Friedhelm Winkelmann: Geschichte des Frühen Christentums, 2. durchges. u. aktual. Aufl., München 2001, S. 53ff. Werner Dahlheim: Geschichte der römischen Kaiser-zeit, 3. überarb. u. erw. Aufl., München 2003, S. 118ff.

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seine Predigt, seinen Kreuzestod und das Wunder der Auferstehung.138 Neben

den später kanonisierten Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Jo-

hannes gab es in den Jahrhunderten nach dem Tode Jesu noch weitere Evan-

gelien und andere Schriften, die so genannten Apokryphen, deren Entstehung

und Inhalt viel über das Bedürfnis der christlichen Gemeinden nach Erzählun-

gen über das Leben des menschgewordenen Gottessohnes aussagen, doch an

deren apostolischer Herkunft und Zeugenschaft schon die Kirchenväter zwei-

felten.139 Ihr Wert für eine Betrachtung der auf den heiligen Bergen Jerusalems

entstehenden Erinnerungsorte ist gering, da sie weder Auskunft über den histo-

rischen Jesus geben noch den etablierten Glauben eines kollektiven christlichen

Gedächtnisses repräsentieren.140

Die wohl zum Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts vorliegende

Apostelgeschichte weiß wenig von Jesus zu berichten, doch kennt sie die Über-

lieferung der Himmelfahrt des Herrn vom Ölberg aus, mit der sie ihren Bericht

über die Urgemeinde und die Missionstätigkeit der Apostel beginnt (Apg 1,9-

12). Es kommen jedoch weitere Spuren zum Vorschein, die ihren Weg in die

Tradition der heiligen Stätten finden sollten: Die Urgemeinde, Mutter aller

Gemeinden, versammelte sich in Jerusalem (Apg 2,41-47), hier kam der Heili-

ge Geist auf die versammelten ersten Christen (Apg 2) und der Tempel war

sowohl der Ort des Gebetes als auch des Zeugnisses der Apostel (Apg 2,46; 3;

5,12). Stadt und Tempel erscheinen als Zentrum der Mission, die nicht nur von

hier ihren Ausgang nahm, sondern deren Bedingungen hier entschieden wur-

den.141

Neben der Apostelgeschichte sind es die Briefe des Paulus, die von der Be-

deutung Jerusalems für den entstehenden christlichen Glauben künden. Unter

den neutestamentlichen Schriften gehören sie zu den frühesten Quellen, die

christliche Verfasser hinterlassen haben, und während der spätberufene Paulus

zwar keine Auskunft über die Person Jesu geben kann, belegen seine Briefe

138 Gerd Theißen/Annette Merz: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, 3. durchges. u. um Lite-raturnachträge erg. Aufl., Göttingen 2001, S. 40f. 139 Werner Georg Kümmel: s.v. Bibel - II. Neues Testament - B. Sammlung und Kanonisierung des NT, in: RGG, hg. v. Kurt Galling, Berlin 2000, S. 3865-3885. 140 Vgl. dazu auch Theißen, 2001, S. 42; 70f. 141 Merklein, 1993, S. 51f.

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doch die zentrale Stellung der heiligen Stadt in den Gedanken und Handlungen

der ersten Christen und den aus dem jüdischen Glauben übernommenen Zion

als Ort göttlicher Heilstat (Röm 9,33; 11,26). Auch in der Offenbarung des

Johannes ist Zion geographischer Zielpunkt zukünftigen Heils. Die in den

neunziger Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts datierte apokalypti-

sche Schrift, die mit der Vision eines sich auf die Erde herabsenkenden himm-

lischen Jerusalems endet (Offb 21), übernimmt und etabliert für die Vorstel-

lungskraft der christlichen Welt den Berg Zion als Ort eines endzeitlichen Ge-

richtes.

Die Schriften des Neuen Testaments prägen die Sicht auf die heiligen Berge

Jerusalems bis heute. Ihren Worten folgen die Pilger, die Schritte der Mäch-

tigen und die Vorstellungskraft der Gläubigen in aller Welt. Dabei gilt es auch

hier zwischen einer geschichtlichen Wirklichkeit und dem kollektiven Erinnern

zu unterscheiden. Zwar erscheint der historische Jesusnäher als ein König Da-

vid,142 über dessen Leben nur die Schriften des Alten Testamentes Auskunft

geben, und seine Existenz ist durch außerbiblische Quellen belegt,143 doch

verweisen alle Fragen nach seiner Person und seiner Lehre auf die Schriften

derer, die ihm nachfolgten und sein Leben notwendigerweise im Licht der Pas-

sion deuteten. Der historische Jesus begegnet nur durch die Augen der Gläubi-

gen und die Erinnerung an ihn erfolgte immer schon in Deutung dessen, was

geschehen war. Neben der Möglichkeit, aus den Büchern des Neuen Testa-

mentes die Schritte des Predigers aus Galiläa in Jerusalem nach-zuzeichnen,

ermöglicht das kanonisierte Schriftgut also eine Rekonstruktion der Erinne-

rungsprozesse, die sich mit der Entstehung der Schriften vollzogen haben.

Die Bedeutung der Stadt Davids und des Tempels in der Lehre und für die

Person Jesu sind nur vor dem Hintergrund seiner jüdischen Herkunft zu begrei-

142 Zum Leben Jesu vgl. etwa: Jens Schröter: Jesus von Nazareth. Jude aus Galiläa – Retter der Welt, Leipzig 2006. Martin Ebner: Jesus von Nazareth in seiner Zeit. Sozialgeschichtliche Zugänge, Stuttgart 2003. Theißen, 2001. Herbert Leroy: Jesus. Überlieferung und Deutung, Darmstadt 1999. Jürgen Becker: Jesus von Nazareth, Berlin/New York 1996. John Dominic Crossan: Der historische Jesus, München 1994. 143 Nicht-christliche Belege für die Historizität Jesu finden sich bei Flavius Josephus – wobei die Authentizität des ‚Testimonium Flavianum’ umstritten ist – (Ios.ant.Iud. 18,63f.), bei Taci-tus (Tac.ann. 15,44,3) und Sueton (Suet.Claud. 25,4). Allerdings beschränkt sich die Aussage-kraft dieser Quellen für den historischen Jesus auf den Nachweis, dass er gelebt hat und hinge-richtet wurde. Vgl. Theißen, 2001, S. 73ff. mit weiteren, weniger bekannten Hinweisen.

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fen.144 Das Haus Jahwes in Jerusalem, der von Herodes prächtig ausgebaute

zweite Tempel, war für ihn, wie für jeden anderen Juden seiner Zeit, Zentrum

des Glaubens und Ziel der großen Wallfahrtsfeste.145 Auch wenn Synagogen

als Stätten des Gottesdienstes und alltäglicher Frömmigkeit dem Wander-

prediger Rahmen und Gelegenheit zur Unterweisung des Volkes boten (Mk

1,21.39; Mt 12,9 u.ö.), kam er schließlich in die Stadt Zions, um die anbre-

chende Gottesherrschaft zu verkündigen.

Weder Exil noch Fremdherrschaft hatten den Glauben an die Macht Jahwes

brechen können, und obwohl Jerusalem zur Zeit Jesu aller politischen Funktion

entblößt war, blieb die Stadt der Mittelpunkt des jüdischen Volkes und der

Tempel auf dem Zion religiöses Symbol nationaler Erwählung. Hatte die Herr-

schaft wechselnder Großmächte und die Angst vor der Überfremdung einer

zunehmend hellenisierten Welt innerhalb des Judentums immer wieder zu poli-

tischem Widerstand und religiösen Erneuerungsbewegungen geführt, so blieb

doch die heilige Stadt zentraler Ort des Volkes Israel.146 Auch die rege Bautä-

tigkeit des umstrittenen Herodes I. (40-4 v. Chr.) in der Stadt, am Heiligtum

und im ganzen Land hatte daran nichts ändern können und die auf seinen Tod

folgenden Thronwirren sahen zwar sein Reich zerfallen und Judäa und Jerusa-

lem schließlich der direkten Herrschaft Roms unterstellt, doch die Anziehungs-

kraft des Tempels auf dem Zion blieb ungebrochen.147

Die Lehre Jesu jedoch, obwohl in den Tempel getragen, löste die Bindung

an diesen heiligen Ort. So überliefern die Evangelien zwar die enge Beziehung

144 Gerd Theißen: Jesus im Judentum. Drei Versuche einer Ortsbestimmung, in: Jesus als histo-rische Gestalt. Beiträge zur Jesusforschung, zum 60. Geburtstag v. Gerd Theißen hg. v. Anette Merz, Göttingen 2003, S. 35-56. 145 Vgl. etwa Joachim Jeremias: Jerusalem zur Zeit Jesu. Kulturgeschichtliche Untersuchung zur neutestamentlichen Zeitgeschichte, 2. Aufl., Göttingen 1958, Teil I., S. 84ff. 146 Vgl. etwa Levine, 1999, S. 53-68. 147 Vgl. Ebner, 2003, S. 60-64. Die Schriften des Flavius Josephus, jüdischer Befehlshaber im jüdisch-römischen Krieg und nach seiner Gefangennahme durch die Truppen Vespasians ein Gefolgsmann des römischen Kaisers und Geschichtsschreiber der Geschichte seines Volkes, sind als Quellen für die Zeit des Herodes, den Ausbau des zweiten Tempels und den histori-schen Kontext des Lebens Jesu von unschätzbarem Wert. Zur Bedeutung und dem Erschei-nungsbild des herodianischen Tempels vgl. etwa: Ios.bell.Iud. 1,401; 5,184-247; Ios.ant.Iud. 15,358-391.

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Abb. 3

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des Gottessohnes zu dem Haus seines Vaters (Mk 11,15-18; Lk 2,41-49), und

Jerusalem ist natürliches Ziel einer von messianischen Hoffnungen getragenen

Zeit, doch wie in der jesuanischen Fassung anbrechenden Heils das Böse be-

siegt wird, aber nicht die Fremdherrschaft, zur Umkehr aufgerufen wird, um

Anteil an dem schon beginnenden Reich Gottes zu haben, aber nicht zum Auf-

stand gegen die Unterdrücker, ist die Erlösung zugleich an der Gegenwart und

der Zukunft orientiert – aber nicht räumlich.148 In jedem Einzelnen ist die Er-

rettung durch die Gnade Gottes zu finden, aber nicht an einem Ort: dem Tem-

pel auf dem Zion.

Jesu Worte lösten alte Bindungen, an die Familie, das Gesetz, den Kult und

den Ort, der für Jahrhunderte die Anwesenheit Gottes in der Mitte seines Vol-

kes symbolisiert hatte. Gleichzeitig schuf seine Anwesenheit in Jerusalem für

die ihm Nachfolgenden neue heilige Orte, erfuhr der Stadtraum eine Auswei-

tung des Heiligen gekennzeichnet durch die Spuren der Person Jesu – und mit

dem Glauben an den Gekreuzigten verfestigte sich eine neue heilige Topogra-

phie.

1. Der Messias im Tempel

Die Evangelisten beschreiben das Leben Jesu, doch seine Kindheit, sein He-

ranwachsen werden nur gestreift. Zwar folgen die Schriften der Geschichte

eines Menschen, dessen Historizität unbestritten ist und dessen Handeln aus

seiner Zeit, seiner Umgebung und seinem Glauben verstanden werden kann,

doch dienen ihre Worte allein der Erinnerung an den Mann, in dem sie den

Messias erkannten und die Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiungen.

So erklärt sich manche Widersprüchlichkeit der Überlieferung aus dem Um-

stand, dass theologische Konzepte und historische Wirklichkeit nur oberfläch-

lich miteinander verbunden wurden.

Das davidische Königtum, untergegangen in den dramatischen Ereignissen

des babylonischen Exils, war in idealisierter Form zum Hoffnungsträger politi-

148 Theißen, 2001, S. 233ff.

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scher und endzeitlicher Erwartungen geworden. Die Worte der Propheten und

die Gesänge des Psalters kündeten von der Gottessohnschaft eines gerechten

Königs aus dem Geschlecht Davids, von einer Jungfrauengeburt und dem

Menschensohn als Heilsmittler göttlicher Gerichtsbarkeit.149 Messianische

Hoffnungen wurden schon seit den Makkabäern mit Mächtigen und volksna-

hen Charismatikern verbunden, und die Verknüpfung des Lebens Jesu mit den

Motiven des erwarteten Retters entstammte der Vorstellungswelt seiner Zeit

und dem messianischen Vorverständnis der Evangelisten.150

Während etwa die Herkunft Jesu und seiner Familie aus Nazareth in Galiläa

zu den unbestrittenen Fakten der Geschichte des Gottessohnes gehört, ergänz-

ten die Evangelisten Matthäus und Lukas die Geburtsgeschichte um die Her-

kunft aus dem Hause David, die Jungfrauengeburt und den Geburtsort Bethle-

hem (Mt 1.2; Lk 1,26-2,21), stammte doch der junge David, aus dessen Ge-

schlecht der gerechte Herrscher einer anbrechenden Friedenszeit erwartet wur-

de, ebenfalls von dort.151 Das Evangelium nach Lukas weiß Jesus auch schon

früh mit Jerusalem und dem Tempel auf dem Zion in Verbindung zu bringen

(Lk 2,22- 52). Die Darstellung Jesu und der Zwölfjährige im Tempel können

als messianische Motive verstanden werden, die an prophetische Traditionen

und die Vorstellung von der Gottessohnschaft anknüpfen.

Der Schauplatz dieser lukanischen Erzählungen ist der Tempel, das zentrale

Heiligtum Jahwes und kultischer Mittelpunkt des jüdischen Glaubens.152 Hier

stellen die Eltern den Erstgeborenen nach den Geboten des mosaischen Geset-

zes Gott dar, lösen ihn aus und werden Zeugen der wundersamen Prophetie

eines alten, frommen Mannes und einer uralten Prophetin, die in dem Säugling

den erwarteten Retter Israels und das Licht der Welt erblicken (Lk 2,22-38).

Der Tempel ist auch das Ziel der jährlichen Wallfahrt, die den Rahmen für die

149 Kaiser, 2003, S. 173f. 150 Der Begriff Messias bezeichnet zunächst den gesalbten König, Priester oder Propheten, wird dann auf eine ideale zukünftige politische oder heilsgeschichtliche Rettergestalt übertra-gen und zur Zeit Jesu durchaus unterschiedlich verstanden und benutzt. Vgl. dazu Theißen, 2001, S. 462ff. 151 Ed Parish Sanders: The Historical Figure of Jesus, London 1993, S. 10ff. Vgl. außerdem Ebner, 2003, S. 117ff. 152 Zum Tempel zur Zeit Jesu vgl. etwa Kurt Paesler: Das Tempelwort Jesu. Die Tradition von Tempelzerstörung und Tempelerneuerung im Neuen Testament, Göttingen 1999, S. 136-149. Jeremias, 1958, Teil I, S. 50ff.

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Geschichte des zwölfjährigen Jesus schafft, der unabhängig von seinen besorg-

ten Eltern in Jerusalem verweilt und den diese nach langem Suchen im Haus

Jahwes auf dem Zion finden:

„Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter

den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihm zuhörten,

verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. … Und seine Mutter

sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich

haben dich mit Schmerzen gesucht. Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich

gesucht? Wißt ihr nicht, daß ich sein muß in dem, was meines Vaters ist?“ Lk 2,46-49

Jenseits der jungfräulichen Geburt in Bethlehem wird so von Lukas schon in

der Kindheitsgeschichte die Gottessohnschaft und Erwählung Jesu bezeugt,

werden seine Wirkung und sein Selbstverständnis am Tempel in Jerusalem

sichtbar.153 Dabei weisen die Worte der Evangelisten auf der Suche nach der

Jugend und dem ersten Wirken des historischen Jesus nach Galiläa, einem

Landstrich nördlich Jerusalems, gelegen am Westufer des Sees Genezareth.

Die Taufe durch Johannes, die Lehrtätigkeit in den kleinen galiläischen Ort-

schaften, die Schüler, die er dort um sich scharte, sind in der Überlieferung der

Evangelien unbestritten und verweisen auf einen sozialen und religiösen Hin-

tergrund des Gekreuzigten weitab von der heiligen Stadt.154 Doch gleich der

Passion, die der Predigt des Nazareners eine neue und tiefgreifendere Bedeu-

tung zuweist, birgt Jerusalem die zentralen Erinnerungsorte der Christenheit,

die den ursprünglichen Wirkungsraum Jesu überstrahlen, und wird der Tempel

zum Ausgangspunkt der Heilsgeschichte.155

153 Vgl. dazu u.a. Gonen, 2003, S. 123f. Michael Bachmann: s.v. Tempel III. Neues Testament, in: TRE, Bd. 33, Berlin/New York 2002, S. 57. Auch die Erzählung von der Versuchung Chris-ti führt an den zentralen Ort jüdischen Glaubens: Neben der Wüste und einem hohen Berg ist die Zinne des Tempels ein Ort der Herausforderung des Gottessohnes durch den Teufel (Mt4,1-11; Lk 4,1-13). 154 Sanders, 1993, S. 10ff. 155 Halbwachs, 2003, S. 142.

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Abb. 4

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2. Tempelreinigung und Tempelwort

„‚Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf

einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.‘ Die Jünger gingen hin

und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und

legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Aber eine sehr große Menge

breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streu-

ten sie auf den Weg. Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie:

Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn!

Hosianna in der Höhe! Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt

und fragte: Wer ist der? Die Menge aber sprach: Das ist Jesus, der Prophet aus

Nazareth in Galiläa.“ Mt 21,5-11

Der Gang Jesu nach Jerusalem, der in der Passion, am Kreuz auf der Schädel-

stätte Golgatha enden sollte, wird in den Evangelien als triumphales Fest ge-

schildert.156 Der Prediger aus Galiläa erscheint als messianische Gestalt, auf

einem Eselsfüllen reitend, wie in der Prophetie des Sacharja angekündigt (Sach

9,9). Die Menge des Volkes begrüßt ihn als Sohn Davids und benennt ihn als

Propheten aus Nazareth.

Der Einzug in die Stadt erinnert nicht nur an die antike Tradition der prunk-

vollen inszenierten Machtdemonstration von Herrschern und Statthaltern, son-

dern greift auch die jüdische Erinnerung an die Zeit der Makkabäer auf, deren

feierlicher Weg nach Jerusalem zweihundert Jahre vorher die Wiedereinwei-

hung des Tempels und politische Unabhängigkeit bedeutet hatte.157 Doch ne-

ben den königlichen Anklängen stilisiert der Bericht Jesus als einfachen Fest-

pilger, der unbewaffnet und ohne Streitmacht in die heilige Stadt zieht, und ruft

so das Bild des im Alten Testament beschriebenen Friedenskönigs wach, des-

sen Kommen ein neues Zeitalter einläutet. Die Historizität dieser Begebenheit

156 Vgl. die Parallelstellen Mk 11,1-10; Lk 19,29-38; Joh 12,12-19. 157 Ebner, 2003, S. 199ff.

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ist umstritten.158 Sicher ist nur, dass Jesus mit seinen Jüngern zur Zeit des Pes-

sach in die Stadt Davids zog und dort den Kreuzestod starb.159 In der christli-

chen Erinnerung beginnt dieser letzte Abschnitt im Leben des Mensch gewor-

denen Gottes mit einem triumphalen Einzug in die heilige Stadt, als messiani-

scher Prophet und unter den Hochrufen des Volkes.

In Jerusalem angekommen, zeigen die synoptischen Evangelien Jesus im

Tempel. Sie berichten von der Tempelreinigung (Mt 21,12-13; Mk 11,15-17;

Lk 19,45-46),160 dem zornigen Auftreten des Gottessohnes im äußeren Vorhof

des Heiligtums, wo Pilger und Gläubige ihr Geld in die gängige Währung für

die Tempelsteuer umtauschen und ihre Opfergaben erwerben konnten.

„Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an,

auszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler

und die Stände der Taubenhändler stieß er um und ließ nicht zu, daß jemand etwas

durch den Tempel trage. Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben

(Jes 56,7): ‚Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker?‘ Ihr aber habt eine

Räuberhöhle daraus gemacht.“ Mk 11,15-17

Mit dieser Zeichenhandlung, deren Historizität umstritten ist, erinnern die

Evangelien Jesus als Propheten im Jerusalemer Tempel.161 Er wäre damit Teil

einer Reihe von Propheten des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, deren

Handlungen an heiligen Stätten als politische Gefahr wahrgenommen und stets

brutal niedergeschlagen wurden.162 Die symbolische Reinigung des Hauses

Jahwes von Käufern und Verkäufern, von Geldwechslern und Taubenhändlern

zur Zeit des großen Pilgerfestes hätte allerdings zu einer sofortigen Verhaftung

und Verurteilung führen können, da eine solche Aktion nur als Kritik am ge-

158 Ulrich Luz: Warum zog Jesus nach Jerusalem? in: Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung, hg. v. Jens Schröter u. Ralph Brucker, Berlin/New York 2002, S. 409-427. 159 Zur Datierung der Passion siehe etwa Theißen, 2001, S. 154. 160 Einzig das Johannesevangelium überliefert die Tempelreinigung losgelöst von der Pas-sionsgeschichte (Joh 2,13-16). 161 Vgl. etwa Gottfried Schramm: Fünf Wegscheiden der Weltgeschichte. Ein Vergleich, Göt-tingen 2004, S. 119ff. Paesler, 1999, S. 233f. Mk 11,15-19 gilt als älteste Überlieferung dieser Geschichte. 162 Vgl. dazu u.a. Luz, 2002, S. 414f.

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samten Opferbetrieb und als Störung des Friedens verstanden werden konnte,

den zu bewahren sich sowohl die jüdischen als auch die römischen Amtsträger

verpflichtet sahen.163

Die Überlieferung ist sich einig, alle Evangelien berichten von der Tempel-

reinigung, in der christlichen Vorstellung ist dieses Motiv fest verankert und

hat seine Lesart als Kritik Jesu an der Form des Opferbetriebes, des profani-

sierten Tempelbezirkes oder der Geldgier der Verkäufer gefunden.164 Doch zu

der prophetischen Zeichenhandlung gehörte auch das sie deutende Wort und

hier findet sich ein schweres Erbe in der christlichen Überlieferung: das Tem-

pelwort.

„Wir haben gehört, daß er gesagt hat: Ich will diesen Tempel, der mit Händen

gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen anderen bauen, der nicht mit Händen

gemacht ist.“ Mk 14,58

Diese Worte werden von Zeugen im Prozess gegen Jesus von Nazareth vor

dem Synhedrion, dem jüdischen Ältestenrat, gesprochen, und wenn der Evan-

gelist die Zeugenaussagen auch als widersprüchlich entlarvt, bleibt die Anklage

der Drohung gegen den Tempel, das Zentrum jüdischer Identität. Die Anschul-

digung findet sich durchgehend in allen Schriften der vier Evangelien, und sie

war äußerst problematisch für die frühen Christen.

Das Tempelwort war der Erinnerung an den Sohn Gottes aus zwei Gründen

abträglich: Die Bedrohung des Tempels auf dem Zion war eine strafbare Hand-

lung. Ein Angriff gegen den religiösen Mittelpunkt des jüdischen Glaubens und

den letzten Anhaltspunkt politischer Autonomie – nicht nur der Priesterschaft,

sondern auch der Jerusalemer Aristokratie – wurde in jedem Fall strafrechtlich

163 Ebner, 2003, S. 60ff. Dagegen etwa Becker, 1996, S. 400-410, der weder Tempelreinigung noch Tempelwort als Gründe für die Hinrichtung Jesu sieht. 164 Zu den möglichen Interpretationen der Tempelreinigung vgl. Sanders, 1985, S. 61ff. Siehe außerdem Ders.: Jerusalem and its Temple in Early Christian Thought and Practice, in: Jerusa-lem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 90-103; hier S. 93. Luz, 2002, S. 420f.

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verfolgt und galt als todeswürdiges Verbrechen.165 Zusammen mit der Predigt

des Nazareners von der beginnenden Gottesherrschaft und seinem messiani-

schen Auftreten, das immer an den Anspruch eines davidischen Königtums

erinnerte, musste dieser Mann außerdem auch den römischen Besatzern als

potentieller Unruhestifter auffallen, und tatsächlich starb er den Tod eines Auf-

rührers.166

Waren Tempelwort und prophetische Handlung gegen das Haus Gottes als

unrühmlicher Anlass für den gewaltsamen Tod des christlichen Messias schon

schwer zu bewältigen, so gab ihnen der Verlauf der Geschichte noch eine wie-

tere Last hinzu: Die Prophezeiung erfüllte sich nicht. Erst als im Jahre 70 die

Römer den jüdischen Aufstand niederschlugen und der Tempel in Jerusalem in

Flammen aufging, sollte sich der erste Teil des Tempellogions bewahrheiten –

der zweite Teil blieb unerfüllt: weder das verkündete Gottesreich noch der

neue Tempel senkten sich auf die Erde herab und die Naherwartung der ersten

Christen verblasste.

Die Evangelien spiegeln den Umgang mit diesem problematischen und ra-

dikalen Ausspruch Jesu, der schon deswegen historisch wahrscheinlich ist, weil

er in vielen voneinander abweichenden Fassungen überliefert ist, also trotz

seiner Brisanz offenbar nicht zu verschweigen war. Eine ursprüngliche Fassung

ist aus den Quellen nicht mehr genau zu rekonstruieren, aber das Tempelwort

enthielt vermutlich die Androhung einer Tempelzerstörung und die Ankündi-

gung der Errichtung eines andersgearteten Tempels in drei Tagen.167 Die

Evangelisten traten auf verschiedene Weise das schwierige Erbe des Tempel-

logions an. Während bei Markus und Matthäus nur die Zeugenaussagen im

Prozess (Mk 14,56-59; Mt 26,60-61) und die Verspottung des Gekreuzigten

(Mk 15,29; Mt 27,39-40) den gesamten Ausspruch enthalten, lassen sie den

Gottessohn selbst nur eine bereinigte Fassung sprechen:

165 Ebner, 2003, S. 183ff. Weitere Fälle von Prozessen, die wegen einer Drohung gegen den Tempel geführt wurden, etwa ebd., S. 185f. Vgl. außerdem Theißen, 2001, S. 408f. Zur Tem-pelkritik im Judentum zur Zeit Jesu vgl. etwa Paesler, 1999, S. 150ff. 166 Karlheinz Müller: Möglichkeit und Vollzug jüdischer Kapitalgerichtsbarkeit im Prozeß gegen Jesus von Nazareth, in: Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg/Basel/Wien 1988, S. 41-83; hier S. 58-62. 167 Vgl. Theißen, 2001, S. 381f., zu den verschiedenen Überlieferungen und einem möglichen Bezug zum Abendmahl als Kultersatz und Tempelkritik.

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„Und als er aus dem Tempel ging, sprach zu ihm einer seiner Jünger: Meister, siehe,

was für Steine und was für Bauten! Und Jesus sprach zu ihm: Siehst Du diese großen

Bauten? Nicht ein Stein wird auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.“

Mk 13,1-2 par Mt 24,1-2

Die Prophezeiung ist hier der historischen Wirklichkeit angepasst, nur die

Tempelzerstörung, nicht aber die Errichtung eines neuen, jenseitigen Gottes-

hauses wird den Jüngern angekündigt. Diese bereinigte Version hat auch Lukas

übernommen (Lk 21,5-6), der wie Johannes den Prozessverlauf ohne das belas-

tende Tempellogion beschreibt.168 Der jüngste der Evangelisten, Johannes,

trennt gar Tempelreinigung und Tempelwort aus der Passionsgeschichte her-

aus, schildert sie unabhängig von der Leidensgeschichte und transzendiert die

schwierige Prophezeiung, indem er die drei-Tagesfrist auf die Auferstehung

hin deutet – und somit in Christus den neuen Tempel erkennt:

„Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen

will ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig

Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von

dem Tempel seines Leibes. Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine

Jünger daran, daß er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das

Jesus gesagt hatte.“ Joh 2,19-22

Das Tempellogion war noch aus einem anderen Grund für die ersten Christen

schwer zu integrieren, war doch die Urgemeinde am Tempel beheimatet, betete

und lehrte man dort wie es auch Jesus getan hatte, war das Haus Jahwes doch

das Zentrum religiösen Empfindens, Jerusalem das Zentrum der jungen Chris-

tenheit. Auch wenn die Lehre Jesu vom anbrechenden Gottesreich in letzter

Konsequenz den Tempel und den Opferkult ersetzen konnte, wenn mit dem

Abendmahl ein ortsunabhängiger Kultersatz geschaffen war, hatte der jüdische

Prediger aus Nazareth nicht auf eine Reform oder gewaltsame Vernichtung des

168 Müller, 1988, S. 78f. Lukas kennt zwar die belastenden Zeugen in Verbindung mit dem Tempelwort, erwähnt diese jedoch erst in der Apostelgeschichte bei dem Prozess gegen Ste-phanus (Apg 6,13-14).

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Heiligtums auf dem Zion gezielt.169 Der Tempel war der Mittelpunkt seines

Glaubens und die heilige Stadt der natürliche Ort der Verkündigung.170

Erst als das Bekenntnis an Jesus sich auszubreiten begann, als die Heiden-

mission die Regel wurde und die Lehre des Apostel Paulus in jedem Gläubigen

den Tempel verwirklicht sah (1Kor 3,16-17; 1Kor 6,19; 2Kor 6,16), löste sich

die Bindung des neuen Glaubens von dem Haus Gottes auf dem heiligen Berg

Zion.171 Nach ihrer Zerstörung verlor die Kultstätte alle Anziehungskraft für

die Nachfolger Christi, die in Zukunft ihre Erlösung in der Auferstehung des

gekreuzigten Gottes sehen sollten und anstatt des Tempels den Ort seiner Pas-

sion in ihrer Erinnerung zum Heiligtum erhoben.

3. Golgatha

Die Kreuzigung

„Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt: Schädelstätte. Und

sie gaben ihm Myrrhe in Wein zu trinken; aber er nahm’s nicht. Und sie kreuzigten

ihn. Und sie teilten seine Kleider und warfen das Los, wer was bekommen sollte. Und

es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten. Und es stand über ihm geschrieben,

welche Schuld man ihm gab, nämlich: Der König der Juden. Und sie kreuzigten mit

ihm zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken.“ Mk 15,22-27

169 Zur Loslösung sowohl des Christentums als auch des Judentums von der Tempelfrömmig-keit, die in der Entstehung der Synagogen- und Thorakultur begünstigt war, vgl. etwa Theißen, 2003, S. 50f. 170 Sanders, 1999, S. 91. 171 Einen Überblick über die Deutung der Tempelzerstörung durch die Christen gibt Heinz-Martin Döpp: Die Deutung der Zerstörung Jerusalems und des zweiten Tempels im Jahre 70 in den ersten drei Jahrhunderten n. Chr., Tübingen/Basel 1998. Zu den theologischen Ausdeutun-gen des Tempelkonzeptes in seinen verschiedenen Funktionen vgl. Gabriele Faßbeck: Der Tempel der Christen. Traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Aufnahme des Tempelkon-zepts im frühen Christentum, Tübingen/Basel 2000. Vgl. außerdem die Beiträge in: Beate Ego (Hg.): Gemeinde ohne Tempel – Community Without Temple. Zur Substituierung und Trans-formation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, Tübingen 1999.

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Jesus starb am Kreuz. Dies bezeugen sowohl die Schriften des Neuen Testa-

mentes als auch die außerbiblischen Quellen. Sein Tod war der Tod eines Ver-

brechers, eine Demütigung in den Augen Roms, eine Schande in den Augen

Israels.172 Der Kreuzestod lastete schwer auf der christlichen Erinnerung173 und

die Schriften des Neuen Testamentes ringen um die theologische Verarbeitung

der historischen Umstände, interpretieren das Geschehen im Licht der Lehre

vom Gottessohn und erneuern die Hoffnung auf das Anbrechen der Gottesherr-

schaft in dem Glauben an die Auferstehung des Gekreuzigten. Den Leidensweg

Jesu beschreiben die Evangelien in der Passionserzählung, die mit dem trium-

phalen Einzug in Jerusalem beginnt und ihrem dramatischen Höhepunkt auf

Golgatha entgegen strebt.

Während eine historische Rekonstruktion der Geschichte Jesu in seinem

Vorgehen gegen den Tempel den wahrscheinlichsten Grund für seine Verurtei-

lung zu sehen vermag – waren doch jüdische wie römische Autoritäten beson-

ders zu den hohen Festtagen an Ruhe und Ordnung in der heiligen Stadt inte-

ressiert und verweist die Hinrichtung am Kreuz auf die Verurteilung eines Un-

ruhestifters174 – erschaffen die Evangelien die Erinnerung an ein bewusst ge-

wähltes Leiden, an ein nie gekanntes Opfer für das Heil aller Menschen. Die

Festnahme und das Verhör Jesu durch die jüdischen Würdenträger, die Verur-

teilung durch den Statthalter Roms, der allein die potestas gladii innehatte,175

die Kreuzigung auf der Schädelstätte und schließlich die Auferstehung bilden

die Koordinaten, innerhalb derer die vier Evangelisten der Geschichte ihres

Erlösers einen Sinn zu geben versuchen, Bedeutung, die einerseits durch den

Glauben an den auferstandenen Gottessohn den Opfertod begreiflich macht

172 Vgl. etwa Ebner, 2003, S. 204ff., zu der Hinrichtungsart Kreuzigung mit Verweisen auf römische und jüdische Quellen. Den Juden galt ein rechtmäßig zum Tode verurteilt und Hinge-richteter als von Gott verflucht (Dtn 21,22f.), den Römern ein Gekreuzigter als Aufrührer. 173 Vgl. etwa Hebr 12,2: „... und laßt uns ... aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten Gottes.“ 174 Luz, 2002, S. 412f. 175 Vgl. dazu u.a. Joachim Gnilka: Der Prozeß Jesu nach den Berichten des Markus und Mat-thäus mit einer Rekonstruktion des historischen Verlaufs, in: Der Prozeß gegen Jesus. Histori-sche Rückfrage und theologische Deutung, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg/Basel/Wien 1988, S. 11-40; hier S. 28ff.

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und andererseits die junge Christenheit als neue Kraft zwischen den bestehen-

den religiösen und staatlichen Einrichtungen verortet.

Die kanonischen Passionsberichte weichen in vielen Details voneinander ab,

doch lassen sich die Tendenzen der christlichen Interpretation recht klar von

dem historischen Geschehen unterscheiden: Im Jahr 30 n. Chr. hielt sich Jesus

mit seinen Jüngern zum Pessach in Jerusalem auf. Er wurde verhaftet und zu-

nächst von einem jüdischen Gremium verhört, dann mit einer Klageschrift den

römischen Behörden übergeben. Der römische Statthalter, Pontius Pilatus, ver-

urteilte den Prediger aus Nazareth zum Tode. Nach der Geißelung, die dieser

Art Hinrichtung vorausging, wurde der Galiläer außerhalb der Stadtmauern mit

anderen Verurteilten gekreuzigt.176 Diesen Rahmen kollektiven Erinnerns wis-

sen die Evangelisten vielfältig zu nutzen. So wird die Rolle der römischen Ob-

rigkeit zunehmend positiv dargestellt, die Schuld am Tode Jesu dagegen in

immer deutlicherer Weise den Juden angelastet. Besonders Pilatus erfährt eine

Aufwertung in den Erzählungen, die in den Jahrzehnten nach dem Tode Jesu

den historischen Fakten beigefügt werden, während Priester und Älteste,

schließlich auch das jüdische Volk, in einem negativen Licht gezeigt wer-

den.177 Der wohl bekannteste Beleg dafür findet sich in der Barrabasperikope

bei Matthäus:

„Zum Fest aber hatte der Statthalter die Gewohnheit, dem Volk einen Gefangenen

loszugeben, welchen sie wollten. Sie hatten aber zu der Zeit einen berüchtigten

Gefangenen, der hieß Jesus Barrabas. Und als sie versammelt waren, sprach Pilatus

zu ihnen: … Wen soll ich euch losgeben, Jesus Barrabas oder Jesus, von dem gesagt

wird, er sei der Christus? Denn er wußte, daß sie ihn aus Neid überantwortet hatten.

… Aber die Hohenpriester und Ältesten überredeten das Volk, daß sie um Barrabas

bitten, Jesus aber umbringen sollten. Da fing der Statthalter an und sprach zu ihnen:

… Wen von beiden soll ich euch losgeben? Sie sprachen: Barrabas! Pilatus sprach zu

ihnen: Was soll ich denn machen mit Jesus, von dem gesagt wird, er sei Christus? Sie

176 Sanders, 1993, S. 10f; 249ff. 177 Vgl. Theißen, 2001, S. 394ff. Becker, 1996, S. 430ff. Zur christlichen Erinnerung der Per-son des Pontius Pilatus vgl. Werner Dahlheim: Sub Tiberio quies. Pontius Pilatus, Landpfleger in Judäa, in: Gegenspieler, hg. v. Thomas Cramer u. Werner Dahlheim, München/Wien 1993, S. 44-61.

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sprachen alle: Laß ihn kreuzigen! … Als aber Pilatus sah, daß er nichts ausrichtete,

sondern das Getümmel immer größer wurde, nahm er Wasser und wusch sich die

Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu!

Da antwortete das ganze Volk und sprach: Sein Blut komme über uns und unsere

Kinder!“ Mt 27,15-25

Die Unschuld des Statthalters ist in dieser Darstellung offensichtlich und die

Schuld am Tod des Erlösers den Ältesten, den Hohepriestern und dem jüdi-

schen Volk zugesprochen, eine Interpretation des Geschehens, die das Ver--

hältnis zwischen Juden und Christen in den kommenden Jahrhunderten schwer

belasten sollte.178 Dabei war es die Staatsmacht Rom, die gnadenlos gegen Un-

ruhestifter und Verbrecher vorging. Die Provinz Judäa, seit ihrer Einrichtung 6

n. Chr. ein ständiger Hort von Aufständen und Rebellion gegen die Fremdherr-

schaft, erfuhr die schnelle und entschlossene Bestrafung der Aufrührer durch

den Kreuzestod viele Male.179 Auch Jesus aus Nazareth ist diesem grausamen

Instrument der Unterdrückung zum Opfer gefallen. Trotzdem zeichnen die

Evangelien ein freundliches Bild der römischen Besatzer – erste Anzeichen der

Hinwendung christlichen Denkens zu einem diesseitigen Leben im Schutze des

Imperium Romanum, dessen Städte die ersten Zentren des neuen Glaubens

werden sollten, schon bevor Jerusalem und der Tempel Jahwes der Vernich-

tung anheim gefallen waren. Das Christentum überlebte, aber eben nicht an

dem Ort des Todes und der Auferstehung des gekreuzigten Gottes, nicht in der

Stadt Davids, der die Urgemeinde noch vor seiner Zerstörung den Rücken zu-

kehrte, und anders als die jüdische Mutterreligion, deren Mittelpunkt immer

das Heiligtum auf dem Zion bleiben sollte, löste man die Erinnerung an den

Sohn Gottes nicht nur vom Tempel, sondern auch von dessen Opferkult, indem

man in der Kreuzigung Jesu ein einmaliges göttliches Opfer erkannte.180

Damit wird die Todeserfahrung auf Golgatha für den christlichen Glauben

zum sinnstiftenden Wendepunkt. Schon die frühesten Zeugnisse bekennen Tod

und Auferstehung des Gesalbten: 178 Chaim Cohn: Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, aus d. Engl. übers. v. Christian Wiese u. Hannah Liron, Frankfurt a.M./Leipzig 2001, S. 11-27; 415-429. 179 Siehe hierzu etwa Müller, 1988, S. 62ff. Vgl. außerdem Cohn, 2001, S. 295f. 180 Theißen, 2001, S. 410.

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„Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe:

Daß Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und daß er begraben

worden ist; und daß er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift …“

1 Kor 15,3-5

Der Weg zum Kreuz erscheint in diesem Licht als Triumphzug des leidenden

Gerechten,181 dessen Opfer schließlich sogar den Tod besiegt und die Tore des

Himmels für die Gläubigen öffnet. Zeuge ist wiederum Rom, in der Gestalt des

Hauptmannes unter dem Kreuz, (Mk, 15,39, Mt 27,54) der die Gottessohn-

schaft des Messias bekennt und der wegweisend für die Weltmacht steht, die

schließlich unter Konstantin dem Ort der Kreuzigung Geltung verschaffen soll-

te und dem Christentum den Weg in die Macht des Staates wies.

Das leere Grab

Den Tod Jesu, in seiner Endgültigkeit Bedingung für das Wunder der Aufer-

stehung, erinnern die Evangelien in der Erzählung von der Grablegung. War

der Kreuzestod für die Jünger des Galiläers noch ein Schock, so wussten die

Nachfolgenden von dessen Bedeutung. Die Evangelisten waren sorgfältig dar-

auf bedacht, das Geschehen von jedem Verdacht zu befreien, klang doch die

Geschichte eines als Mensch gekreuzigten Gottes, der nach drei Tagen aufer-

steht, für den antiken Zuhörer nicht sehr glaubwürdig. Zudem folgte der Kreu-

zigung ein langsames Sterben, von dem immer wieder Menschen gerettet wur-

den.182

Mit viel Umsicht berichten daher die vier Evangelisten von dem Kreuzestod

Jesu, der Bitte um den Leichnam durch einen Josef von Arimathäa vor dem

Statthalter Pontius Pilatus und schließlich der Grablegung in einem Felsengrab

(Mk 15,37-47; Mt 26,50-61; Lk 23,46-56), dessen Lage nur Johannes als einen

181 Becker, 1996, S. 435. Ebner, 2003, S. 204ff. Ebner interpretiert den Kreuzweg als Darstel-lung eines Triumphzuges. 182 Vgl. Ebner, 2003, S. 208. Ios.vita 420f. Der Auferstehungsglaube war in der jüdischen Vor-stellungswelt beheimatet, er war ein Ausdruck an die Macht Gottes über den Tod hinaus. Vgl. dazu Schröter, 2006, S. 303f.

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Garten nahe der Kreuzigungsstätte kennzeichnet (Joh 19,41).183 Zweifel an

dem schnellen Tod des Gekreuzigten werden in der Überlieferung nach Markus

direkt angesprochen. So befragt Pilatus einen Hauptmann, ob der Tod des De-

linquenten tatsächlich schon eingetreten sei, bevor er den Leichnam zur Bestat-

tung freigibt und wird damit, wie sein Hauptmann, Zeuge des vollzogenen Op-

fers, die Staatsmacht Rom zum Bürgen des Heils (Mk15,42-46). Zweifel ande-

rer Art überliefert das Matthäusevangelium. Das leere Grab am dritten Tag

wird hier von römischen Wachen bezeugt, doch als sie davon berichten, wer-

den sie zum Schweigen gebracht mit der Anweisung, den Jüngern Jesu den

Diebstahl des Leichnams nachzusagen (Mt 27,62-66; 28,1-15). Es ist ein nahe-

liegender Vorwurf, den die Schrift zu entkräften sucht, weil er das Zentrum des

neuen Glaubens angreift: das Wunder der Auferstehung.

„Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in

euren Sünden; … Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die

Elendsten unter allen Menschen.“ 1 Kor 15,17-19

Diese Worte des Apostels Paulus bezeichnen den Kernpunkt des neuen Be-

kenntnisses. Der auferstandene Christus bedeutet Heil und Erlösung, der Glau-

be an das leere Grab ist dafür notwendige Voraussetzung. Der Ort der Aufer-

stehung bleibt zunächst bedeutungslos und weder die Briefe des Paulus noch

die Evangelien benennen den Schauplatz näher oder rufen zu einer Verehrung

dieser Stätte auf.184 Die Schilderung der Auffindung des leeren Grabes am drit-

ten Tag ist allen Evangelien gemein, doch besteht keinerlei Einigkeit darüber,

wer von den Nachfolgern Christi das wundersame Ereignis bezeugt und auch

183 Josef Blank: Die Johannespassion. Intention und Hintergründe, in: Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg/Basel/Wien 1988, S. 148-182; hier S. 175ff. Vgl. außerdem Hubert Ritt: Plädoyer für Methodentreue. The-sen zur Topographie und Chronologie der Johannespassion, in: Der Prozeß gegen Jesus. Histo-rische Rückfrage und theologische Deutung, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg/Basel/Wien 1988, S. 183-190; hier S. 187f. 184 Ebner, 2003, S. 214: „Gerade weil der Ort der Bestattung Jesu offensichtlich bekannt war, ist es umso erstaunlicher, dass weder die frühe Briefliteratur noch die Evangelien am Ende des ersten Jahrhunderts zur Wallfahrt oder Verehrung des Grabes aufrufen, sondern dort die Bot-schaft von der Auferweckung aussprechen lassen und die Jüngerinnen im gleichen Atemzug vom Grab wegschicken: zur Weiterverkündigung der Botschaft. Das Ende des historischen Jesus ist das Grab. Fluchtpunkt des Christentums ist es nicht.“

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über die Erscheinungen des Auferstandenen konkurrieren parallele Überliefe-

rungen. Die Evangelisten beenden ihre Berichte mit den Erscheinungen oder

der Himmelfahrt des Gottessohnes, auch hier ist die Überlieferung uneins.185

Sicher ist den schriftlichen Zeugnissen nur das leere Grab und die Auferste-

hung, sie bilden den Endpunkt der Geschichte Jesu und den Beginn einer bei-

spiellosen Mission, sie bewahren das Andenken an die Geschichte des Gottes-

sohnes und seines Todes, an das Wunder seines Opfers für das Heil aller Men-

schen und die Sendung seiner Jünger in alle Welt.

Die Orte dieses heiligen Geschehens – Golgatha und das Felsengrab – über-

lebten in der Erinnerung der Urgemeinde und durch die Schriften des ersten

nachchristlichen Jahrhunderts die Zerstörung der Stadt durch die Römer im

Jahre 70 und die Umgestaltung als Aelia Capitolina nach dem niedergeschla-

genen Bar-Kochba-Aufstand 135 n. Chr. durch Hadrian. Zu Kultstätten wurden

sie jedoch erst, als die Religion des Gekreuzigten ihren Siegeszug durch das

Imperium Romanum vollendet hatte. Denn da die Lehre des Gottessohnes die

Gläubigen zunächst von den Bindungen dieser Welt befreite und ihren Blick

auf das kommende Gottesreich wendete, entfalteten die Stätten der Verkündi-

gung ihre Wirkung erst mit dem Ausbleiben des himmlischen Reiches auf Er-

den und nachdem die Nachfolger Christi nicht nur auf den geistigen, sondern

auch auf den historischen Spuren ihres Erlösers zu wandeln begannen.

4. Der christliche Zion und das himmlische Jerusalem

„Und ich sah, und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Zion und mit ihm

Hundertvierundvierzigtausend, die hatten seinen Namen und den Namen seines Vaters

geschrieben auf ihrer Stirn.“ Offb 14,1

185 Die Auffindung des leeren Grabes: Mk 16,1-8; Mt 28,1-8; Lk 24,1-12; Joh 20,1-10. Vgl. dazu etwa Theißen, 2001, S. 416ff., mit einer Zusammenfassung der Forschungsmeinungen zum leeren Grab und der Auferstehung Jesu und einer Kommentierung aller relevanten Stellen des NT. Vgl. außerdem Schröter, 2006, S. 301ff. Die Erscheinungen des Auferstandenen: Mk 16,9-18; Mt 28,8-10.16-20; Lk 24,13-49; Joh 20,11-31.21,1-24. Vgl. dazu etwa Sanders, 1993, S. 278ff. Schröter, 2006, S. 310ff. Die Himmelfahrt wird nur von Markus und Lukas berichtet und kennzeichnet den Beginn der Apostelgeschichte: Mk 16,19; Lk 24,50-53; Apg 1,9-12.

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Während Golgatha erst durch die Geschichte Jesu als heiliger Ort begründet

wurde, konnte das christliche Hoffen auf den Beginn des verkündeten Gottes-

reiches die endzeitlichen Szenarien der alttestamentlichen Propheten und die

apokalyptischen Schriften vergangener Jahrhunderte aufgreifen, deren topo-

graphisches wie theologisches Zentrum der heilige Berg Zion war. Der Gottes-

berg in Jerusalem sollte auch für die christliche Vorstellungskraft Mittelpunkt

eines Weltgerichtes am Ende aller Zeit werden und, verbunden mit der Idee

eines himmlischen Jerusalems, zum Fluchtpunkt eschatologischer Erwartungen

aufsteigen.

Sowohl die Verkündigung des Gekreuzigten als auch die Schriften des Neu-

en Testaments sind von den endzeitlichen Motiven der Zionstheologie durch-

drungen.186 Am deutlichsten tritt dies in der Offenbarung des Johannes hervor,

einem in den 90er Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts als Send-

schreiben an sieben Gemeinden in Kleinasien verfassten apokalyptischen Visi-

onsbericht.187 Die Schrift fand Eingang in den neutestamentlichen Kanon und

ihre bildgewaltige Sprache prägte für Jahrhunderte die Phantasie der Gläubi-

gen.188

Inspiriert von jüdischen Apokalypsen beschreibt der christliche Prophet

nach seiner Entrückung in den Himmel und einer Thronsaalvision den Hergang

eines endzeitlichen Geschehens, das nach Plagen und Kämpfen gegen die

Mächte des Bösen auf dem Zion einem dramatischen Höhepunkt entgegen

strebt: Die Sammlung der Gerechten auf dem Gottesberg läutet ein göttliches

Gericht ein, dessen Wucht Mensch wie Stadt und Staat bedroht, dem aber ein

messianisches Friedensreich folgt, nach dessen tausendjährigem Bestehen ein

186 Tan, 1997, S. 229ff. Tan beschreibt Zion als bestimmenden Motivkomplex der Verkündi-gung und des Handelns Jesu. Vgl. außerdem Böcher, 1983, S. 114ff., zur Wirkung der von ihm als ‚Zionsschema‘ benannten endzeitlichen Erwartungen, die sich in den alttestamentlichen Schriften ebenso finden wie in den Texten der Zeit zwischen den Testamenten, im Neuen Tes-tament und in jüdischen Schriften, die nach der Zerstörung des Tempels entstanden sind. 187 In der Forschung ist man sich über die Entstehungszeit weitgehend einig. Vgl. dazu etwa: Die Offenbarung des Johannes, übers. u. erkl. v. Heinz Giesen, Regensburg 1997, S. 41. 188 Georg Kretschmar: Die Offenbarung des Johannes. Die Geschichte ihrer Auslegung im 1. Jahrtausend, Stuttgart 1985, S. 69ff.

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weiteres Gericht das Ende der Geschichte markiert.189 Erst danach mündet die

Offenbarung in der Schilderung eines aus einem neuen Himmel herabkom-

menden neuen Jerusalems, einer Erfüllung aller in der Zionstheologie enthalte-

nen Versprechen.

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und

die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige

Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine

geschmückte Braut für ihren Mann.“ Offb 21,1-2

Während die Sendschreiben innerkirchliche Spannungen in den Gemeinden

ansprechen und die Unheils-Prophetie den heraufziehenden Konflikt des Chris-

tentums mit der Weltmacht Rom in einer symbolisch verschlüsselten Form

vorwegnimmt – die es den Gläubigen kommender Epochen erlauben sollte, die

Anfechtungen der eigenen Zeit als Teil göttlicher Endzeit zu begreifen – be-

gründet die Vision des himmlischen Jerusalems die Vorstellung eines voll-

kommenen Ortes. Die wertvollen Baustoffe, die unglaublichen Ausmaße und

die perfekten Dimensionen der himmlischen Stadt, die erfüllt ist von Frieden,

Reinheit und dem Glanz der Herrlichkeit Gottes (Offb 21.22), werden zu einem

transzendierten Bild für die Gemeinschaft der christlichen Kirche und zugleich

zu einem idealen Raum, den spätere Generationen in heiligen Bauten zu ver-

wirklichen suchten.190 Erbaut aus kostbaren Edelsteinen, mit hohen Mauern

und offenen Toren, erfüllt von Gerechten und dem Reichtum der Völker (Offb

21.22), verwirklicht die Offenbarung des Johannes den Traum von Zion, dem

heiligen Berg, der in der jüdischen Vorstellung sowohl für die Stadt und das

auserwählte Volk als auch für den Ort des letzten Gerichtes und den Mittel-

punkt eines endzeitlichen Friedensreiches steht. Die Bedeutungsvielfalt Zions

geht so – unter dem Namen des himmlischen Jerusalems – in der christlichen

Vorstellungswelt auf.

189 Offb 1-20. Vgl. dazu Böcher, 1983, S. 113ff. Kretschmar, 1985, S. 29ff. 190 Jürgen Roloff: Irdisches und himmlisches Jerusalem nach der Johannesoffenbarung, in: Zion. Ort der Begegnung, Festschrift für Laurentius Klein zur Vollendung des 65. Lebensjah-res, hg. v. Ferdinand Hahn u.a., Bodenheim 1993, S. 85-106; hier S. 86.

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„Sondern ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen

Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu den vielen tausend Engeln, und zu der

Versammlung und Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind,

und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten

und zu dem Mittler des neuen Bundes, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das

besser redet als Abels Blut.“ Hebr 12,22-24

Auch in den frühchristlichen Briefen des Paulus und im Brief an die Hebräer

findet sich das neue Jerusalem als Symbol und visionärer Ort des neuen Bun-

des mit Gott, an dem die christliche Gemeinschaft durch den Opfertod Jesu

teilhat. Zion und das himmlische Jerusalem bezeichnen dabei sowohl eine ge-

genwärtige Heilszusage als auch einen Raum endzeitlicher Erlösung, verwei-

sen gleichzeitig auf ein präsentisches Jenseits und eine zukünftige Welt.191 Die

irdische Stadt Jerusalem verliert in dieser Vorstellung an Bedeutung durch ihre

Diesseitigkeit.

„Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

Hebr 13,14

Noch deutlicher betont Paulus den Gegensatz zwischen dem himmlischen und

dem weltlichen Jerusalem. In seiner Auseinandersetzung mit judenchristlichen

Missionaren, die das Evangelium an das mosaische Gesetz gebunden sahen,

leitet er den neuen Bund von Abraham her, dem Stammvater Israels, den er

durch Gottes Verheißung gesegnet weiß noch bevor das Gesetz dem Mose of-

fenbart wurde (Gal 3,16-19).192 In den beiden Frauen Abrahams, Hagar und

Sara, und deren Söhnen sieht er den alten und den neuen Bund symbolisiert

(Gal 4,21-31).193 Während Hagar für den Bundeschluss am Sinai, die Sklaverei

und das irdische Jerusalem steht, erkennt er dagegen in Sara den neuen Bund,

die Freiheit, das obere Jerusalem, das bei ihm zur Mutter aller Gläubigen wird

(Gal 4,26). Die gegenwärtige Stadt wird zum schroffen Gegenbild der jenseiti-

191 Söllner, 1998, S. 236f. Roloff, 1993, S. 93f. 192 Vgl. etwa Jürgen Becker: Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen 1989, S. 286ff. 193 Die Briefe an die Galater, Epheser und Kolosser, übers. u. erkl. v. Jürgen Becker und Ulrich Luz, (NTD, Tbd. 8/1), 18. Aufl, 1. Aufl. dieser Bearb., Göttingen 1998, S. 70-74.

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gen, der alte Bund zur Knechtschaft und der neue zur von Christus geschenkten

Freiheit.194

Der spätberufene Apostel predigt das Heil durch den Kreuzestod Jesu195 und

löst das christliche Bekenntnis von den Forderungen des Gesetzes, ein Konflikt

den das frühe Christentum zugunsten der Heidenchristen entscheiden sollte, die

fortan weder das Beschneidungs- noch etwa die Speisegebote zu befolgen hat-

ten.196 Wie von den Gesetzen sieht Paulus den Gläubigen auch von der süh-

nenden Macht des Tempels auf dem Zion befreit, wenngleich er dem diesseiti-

gen Jerusalem als Sitz der Urgemeinde, der ersten Kirche, weiterhin einen be-

sonderen Rang zuspricht, was sich nicht zuletzt in den Kollekten für die Armen

der Stadt Davids zeigt, zu denen er seine Gemeinden verpflichtet (Gal 2,10; 1

Kor 16,1-3; 2 Kor 8f.).197 Irdischer Bezugspunkt und semantische Achse bleibt

so in der frühchristlichen Vorstellung die heilige Stadt Jahwes und der Gottes-

berg Zion, doch hinzu kommt die messianische Gestalt des Gottessohnes, des-

sen Kreuzestod den weltlichen Ort einerseits überwindet und die Gläubigen an

der Hoffnung auf das himmlische Jerusalem teilhaben lässt, dessen Geschichte

andererseits das irdische Jerusalem zum Erinnerungsort seiner Heilszusage

macht. 198

Ist der Zion in der Theologie des Alten Testamentes stets eng mit dem

Schicksal des Tempels, dem steinernen Haus Jahwes in der heiligen Stadt, ver-

bunden, so findet sich in den Schriften des Neuen Testamentes wie auch in der

jüdischen Apokalyptik der nachkanonischen Zeit eine Spiritualisierung und

Auflösung der Bindung an das Heiligtum. Schon vor der Zerstörung des Jeru-

salemer Tempels durch die Römer entstand die Vorstellung, die Gläubigen

selbst seien die Verwirklichung des wahren Tempels.199 In der Offenbarung

194 Roloff, 1993, S. 91f. 195 Karl Kertelge: Das Verständnis des Todes Jesu bei Paulus, in: Der Tod Jesu. Deutungen im Neuen Testament, hg. v. Karl Kertelge, Freiburg i.Br. 1976, S. 114-136. 196 Vgl. Kap. B.II. Die Entstehung des christlichen Jerusalems. 197 Becker/Luz, 1998, S. 36f. 198 Vgl. Bianca Kühnel: From the Earthly to the Heavenly Jerusalem. Representations of the Holy City in Christian Art of the First Millennium, Freiburg i.Br. 1987, S. 56. Merklein, 1993, S. 56f. 199 Innerhalb der jüdischen Religionsgeschichte finden sich für diese Form der Spiritualisierung einige Beispiele, so in den Schriften der Qumransekte (1 QS 8,1-10; 1 QM 2,3), oder auch in individualisierter Form bei Philo von Alexandria (Philo Som 1,46.2,250). Im Neuen Testament

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des Johannes bedarf das himmlische Jerusalem dann keines Tempels mehr, da

die Gegenwart Gottes und Jesu die ganze Stadt erfüllen:

„Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr

Tempel, er und das Lamm. Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, daß

sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das

Lamm.“ Offb 21,22-23

Das neue Jerusalem ist Heiligtum, der gesamte Stadtraum ist zum Tempel ge-

worden. Damit entfällt die Unterscheidung eines heiligen Ortes innerhalb der

Stadt, Zion verliert seine ursprüngliche Funktion des einzigen durch die Ge-

genwart Jahwes besonderen Raumes und verschmilzt in der Erfüllung der an

ihn geknüpften Hoffnungen mit Jerusalem zu einem paradiesähnlichen Ort

(Offb 22,1-2). In der 70 n. Chr. eroberten Stadt war der Tempel zerstört und die

christliche Vorstellung verband den heiligen Berg unabhängig von dem Heilig-

tum Jahwes einerseits mit den Visionen einer kommenden Endzeit und ande-

rerseits mit dem Leben Jesu und dem Wirken der Urgemeinde in Jerusalem.

Abseits des Tempelberges lokalisierte das frühe Christentum den Zion dort,

wo man die alte Davidstadt vermutete, auf dem Hügel südwestlich der mäch-

tigen Ruinen des Tempels, der bis heute den Namen des heiligen Berges trägt.

Schon früh wurde der christliche Zion in die Topographie der heiligen Stadt

miteinbezogen, und viele Begebenheiten der Geschichte Jesu und der ersten

Gemeinde sollten im Laufe der Zeit an diesen Ort gebunden werden.200 Die

Stiftung der Eucharistie, der Raum der Fußwaschung, Jesu Ankündigung des

Verrates durch Judas und die Verleumdung durch Petrus (Mk 14,18,22-24,30;

Joh 13,1-10) werden hier ebenso erinnert wie das Pfingsterlebnis mit der He-

rabkunft des Heiligen Geistes (Apg 1,12-14.2,1-4). Hier weiß die Tradition den

sind es besonders die Briefe des Paulus, die diesem Gedanken folgen (1 Kor 3,16f. 6,19; 2 Kor 6,16; auch Hebr 3,6). Vgl. dazu auch Kap. B.I.2. Tempelreinigung und Tempelwort. Vgl. außerdem Böcher, 1983, S. 117-121; 125-129. Lawrence H. Schiffman: Community Without Temple. The Qumran Community’s Withdrawel from the Jerusalem Temple, in: Gemeinde ohne Tempel – Community Without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jeru-salemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christen-tum, hg. v. Beate Ego u.a., Tübingen 1999, S. 267-284; hier S. 279ff. 200 Halbwachs, 2003, S. 88ff.

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Standort der Mutter aller Kirchen, die erste Versammlungsstätte der apostoli-

schen Gemeinschaft und die Todesstätte Marias, der Mutter Gottes, verortet.201

Die vielfältige Belegung Zions mag in die früheste Zeit nach dem Tod Jesu

zurückreichen, aber durch die Zerstörung Jerusalems und die Flucht der Urge-

meinde aus der Stadt gibt es mindestens eine Brechung in der Entstehung die-

ser Erinnerungsorte.202 Die Schriften des Neuen Testamentes bleiben in ihrer

Beschreibung vieler Schauplätze unbestimmt – was sowohl ein Hinweis auf die

Selbstverständlichkeit einer historischen Erinnerung als auch auf den Verlust

derselben sein kann. Doch die Entstehung und Etablierung von Erinnerungs-

orten zeigt sich unabhängig von historischer Genauigkeit. Der von den Chris-

ten Zion genannte Berg, später auch der Ölberg, der etwa das Gedenken an die

Himmelfahrt und die Lehre des pater noster an sich zog, erhielten im christli-

chen Gedenken den Rang heiliger Stätten.203 Für die christliche Gemeinde Je-

rusalems sowie die über die Jahrhunderte stetig zunehmenden Pilgerströme

bewahrten diese Berge eine Vielzahl von Geschichten, die auf ihnen mit einer

einzigartigen Authentizität nachempfunden werden konnten. Was die Schrift

berichtet, wird hier lebendig, die Nachfolge Christi nähert sich an diesen Stät-

ten dem Menschen Jesus, den Aposteln und der Mutter Gottes wie an keinem

anderen Ort.

5. Die heiligen Berge der Christen

Das Christentum kennt viele heilige Stätten in Jerusalem und oftmals dienen

die Berge, die Erhebungen des Stadtraumes, als Kristallisationspunkte des reli-

201 Yoram Tsafrir: Byzantine Jerusalem. The Configuration of a Christian City, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 133-150; hier S. 134; 139f. Alan Posener: Maria, Hamburg 1999, S. 49ff. 202 Otto, 1980, S. 159ff. 203 Die Himmelfahrt wird nur in der Apostelgeschichte auf dem Ölberg verortet (Apg 1,9-12). Während das Lukasevangelium ungenauer von Bethanien spricht (Lk 24,50), kennt das älteste Evangelium nach Markus keine Erinnerung an den Ort der Himmelfahrt (Mk 16,19) und Mat-thäus spricht von einem Treffen des Auferstandenen mit seinen Jüngern auf einem Berg in Galiläa (Mt 28,16). Zur Traditionsbildung des Ölbergs, der später auch als Ort der Unterwei-sung der Jünger und der Lehre vom Weltende gilt, vgl. Halbwachs, 2003, S. 121ff. Vgl. dazu auch Kap. B.II.4. Die christliche Topographie der heiligen Stadt.

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giösen Erinnerns. Die Hügel der Stadt und die sie verbindenden Wege sind

geprägt von den an sie gebundenen Geschichten auf den Spuren Jesu. Diese

Ausweitung des Heiligen unterscheidet die christliche Topographie der Stadt

von der jüdischen, die ihren Mittelpunkt auf dem Zion hat, der einst den Tem-

pel und das Allerheiligste beheimatete. Diese Verteilung der christlichen Erin-

nerungsräume lässt sich einerseits aus der Abgrenzung von dem etablierten

Heiligtum des jüdischen Gottes auf dem Zion deuten, als räumliche Abkehr

von dem Symbol des alten Bundes. Andererseits geschieht diese Aufteilung

durch die Bindung an die Geschichte eines Mannes, der, anders als die Könige

seiner Vorfahren, die Hohepriester des Tempels und Statthalter Roms, kein

Zentrum der Macht hinterließ, sondern abseits der großen Paläste der Mächti-

gen und außerhalb der alten Stadtmauern wirkte und starb. Zwar lehrte Jesus

auch im Tempel, doch Tempelreinigung und Tempelwort erschienen als Kritik

am Heiligtum und das Abendmahl ließ sich für seine Nachfolger als ortsun-

gebundener Kultersatz verstehen.204 Die Orte weltlicher Macht erlebte der Got-

tessohn nur als Angeklagter und Verurteilter, dessen Schicksal sich nicht auf

dem Thron eines davidischen Großreiches, sondern am Kreuz außerhalb der

heiligen Stadt erfüllen sollte.

Die Erinnerung an den Gottessohn, der den Tod eines Verbrechers erlitt, er-

hob schließlich eben diesen Schauplatz der Kreuzigung, Golgatha, zum Zent-

rum der Heilsgeschichte und verortete nahebei das leere Grab als manifeste

Bezeugung der Auferstehung; eine Umkehrung, die erst im Laufe mehrerer

Jahrhunderte etabliert werden sollte. Während gleichzeitig weitere Stätten der

Verehrung auf dem von den Christen neu verorteten Zion und dem Ölberg,

gegenüber der Stadt, entstanden, die ebenfalls Stationen der Geschichte Jesu

und seiner Nachfolger bezeugten, verfiel allein der Tempelberg, das ursprüng-

204 Nicht nur die direkte Drohung gegen den Tempel ließ die Nachfolger Jesu an dem Bestehen des althergebrachten Kultes am Heiligtum zweifeln, sondern auch die Transzendierung her-kömmlicher Vorstellungen von der rechten Verehrung Gottes. So erinnert das Johannesevange-lium die Geschichte von Jesus und der Samariterin, die ihrem Glauben gemäß den Tempel auf dem Berge Garizim als zentrales Heiligtum ansieht und den jüdischen Prediger fragt: „Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man beten soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, daß ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. ... Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben.“ Joh 4,20-21.

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liche zentrale Heiligtum Jerusalems in der christlichen Topographie der Stadt

der damnatio memoriae.

Begünstigt wurde diese Öffnung des religiösen Erinnerns der unterschied-

lichen Schauplätze der Geschichte Jesu und der apostolischen Gemeinschaft

durch die Loslösung vom Tempel, dessen Zerstörung durch die Römer den

Christen als Bewahrheitung des Tempelwortes gelten konnte. Dabei blieb das

für die jüdische Religion so wirkmächtige Motiv Zion in der christlichen To-

pographie der heiligen Stadt erhalten, jedoch abseits des Tempelberges. Viele

Elemente der Zionstheologie sollten im Laufe der Zeit ebenfalls den Spuren

eines einfachen Mannes jenseits politischer Einflussnahme folgen und in den

Orten der Passion, der Eucharistie und der Himmelfahrt aufgehen. Auf Golga-

tha, dem Ölberg und dem christlichen Zion erhob sie das christliche Gedenken

zu neuen Zentren religiösen Erlebens; etabliert wurden diese heiligen Stätten

jedoch erst, als der Glaube an den Gekreuzigten die höchsten Träger der politi-

schen Macht erreichte – die Kaiser Roms.

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II. Die Entstehung des christlichen Jerusalems

Jerusalem, Ort der Passion Jesu und Ausgangspunkt der apostolischen Mission,

sollte für die Ausbreitung und den Erfolg des christlichen Glaubens nur eine

untergeordnete Rolle spielen. Die Urgemeinde war noch eng mit der Stadt Da-

vids verbunden, in der sie schon bald die ersten Verfolgungen erlitt (Apg 8,1-3;

12,1-19). Doch schon in der ersten Generation spaltete sich die judenchristliche

Gemeinschaft in hellenistisch und hebräisch geprägte Anhänger des neuen

Glaubens. Der bereits früh aufgebrochene Konflikt zwischen den gesetzes-

treuen Hebräern und den aus dem Diasporajudentum stammenden Hellenisten

entzündete sich vermutlich an der Tempelkritik Jesu, die den Hellenisten unter

der Leitung des Stephanus näher war als den Hebräern, die in dem Heiligtum

Jahwes auf dem Zion noch den natürlichen Ort ihres Wirkens sahen.205

Während die Apostelgeschichte die erste Spaltung der Gemeinde auf die

Frage der Witwenversorgung zurückführt (Apg 6,1-7), berichtet sie kurz darauf

von einer Anklage wider jenen Stephanus, der wegen seiner Rede „gegen diese

heilige Stätte und das Gesetz“ (Apg 6,13) den Märtyrertod erleidet. Die von

den Hellenisten, die aufgrund der ersten Verfolgung etwa nach Antiochia aus-

gewichen waren, betriebene Heidenmission führte zu weiteren Auseinander-

setzungen innerhalb der Urgemeinde und wurde schließlich zugunsten derer

entschieden, die das Wort Gottes auch außerhalb des Volkes Israel predigten

(Apg 11,1-18). Die Heidenmission führte in der Folgezeit jedoch zu weiteren

Kontroversen zwischen den Nachfolgern Christi: Sollten die bekehrten Heiden

der Beschneidung und dem mosaischen Gesetz unterworfen werden oder war

die Bindung an die jüdische Tradition durch den Glauben an den Gekreuzigten

obsolet? Das in Jerusalem tagende Apostelkonzil beschloss schließlich die Los-

lösung vom Gesetz (Apg 15,1-29) und ebnete damit den Weg für die weitere

Mission in der Welt des Imperium Romanum.206

205 Schramm, 2004, S. 143ff. 206 Dahlheim, 2003, S. 117.

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Spiegelt sich in den Paulusbriefen und der Apostelgeschichte noch die ur-

sprüngliche Bedeutung der Mutter aller Kirchen für die erste Generation der

Nachfolger des Gekreuzigten, wurde ihre Autorität schon im Laufe des ersten

Jahrhunderts von den wachsenden Gemeinden in Antiochia, Alexandria und

Rom überflügelt, deren Bischöfe sich alle in apostolischer Sukzession sahen.

Die neuen Gemeinden, ihre Theologie und Politik, sollten von Heidenchristen

geprägt werden und die mehrheitlich judenchristliche Gemeinschaft der alten

Hauptstadt Judäas gehörte bald einer Minderheit an.207 Das Ansehen der heili-

gen Stadt litt weiter unter der Zerstörung im Jahre 70, der die Gemeinschaft der

Nachfolger Christi durch die Flucht ins ostjordanische Pella entging,208 und das

irdische Jerusalem fiel der Geringschätzung anheim, während der Glaube an

das himmlische noch Naherwartung war.

Die Stadt, deren Tempel zerstört und deren Befestigungen geschleift waren,

versank in Bedeutungslosigkeit und mit ihr die dort ansässige Gemeinde, die

vermutlich 135 n. Chr. – nach dem gescheiterten Bar-Kochba Aufstand – aus

dem Stadtraum verwiesen wurde.209 Das von Kaiser Hadrian Aelia Capitolina

benannte Jerusalem wurde als römisch-heidnische Stadt ausgebaut und sollte

fortan eine heidenchristliche Gemeinde beheimaten, die zunächst weder an die

ehemalige Bedeutung der apostolischen Tradition anzuknüpfen vermochte

noch die Kraft hatte, die christlichen Erinnerungsorte zu gestalten.210 Durch die

Macht des Imperium Romanum verwandelte sich die Stadt Jahwes und der

Auferstehung des Gottessohnes: Von dem verwüsteten Tempelberg blickten

207 Zu den Begriffen Juden- und Heidenchristen und der Präsenz judenchristlicher Gemeinden in Palästina und in Jerusalem in vorkonstantinischer Zeit vgl. Taylor, 1993, S. 18-47. 208 Eusebius h.e. 3,5,2-3. 209 Taylor,1993, S. 42f.; 335ff., argumentiert, von der judenchristlichen Gemeinde Jerusalems hätten nicht notwendigerweise alle Mitglieder die Stadt verlassen; vielmehr sei anzunehmen, die Feindseligkeit Bar Kochbas gegenüber den Christen während des Aufstandes habe zu einer Abwendung von der Gesetzestreue geführt und somit zu einer denkbaren Kontinuität in der Gemeinde Jerusalems, diese wiederum mache eine durchgehende Tradition heiliger Stätten in der Stadt zumindest möglich. Allerdings gibt es keine Hinweise auf eine Kontinuität innerhalb der Gemeinde Jerusalems nach 135 n. Chr. Die später so bedeutende christliche Gemeinschaft hätte eine ununterbrochene Tradition gewiss in der Erinnerung verankert, hätte sie darauf zu-rückgreifen können. Zu der Frage, ob Juden nach dem Bar Kochba Aufstand tatsächlich aus dem Stadtraum verbannt waren vgl. Eliav, 2005, S. 192f. 210 Ebd. 5,12. Vgl. außerdem Otto, 1980, S. 159-167. Ernst Dassmann: Kirchengeschichte I. Ausbreitung, Leben und Lehre der Kirche in den ersten drei Jahrhunderten, Stuttgart/Ber-lin/Köln 1991, S. 55ff. Zu den Bischöfen Jerusalems vgl. Eusebius h.e. 3,11. 4,4. 5,12.

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Abb. 5

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römische Statuen auf die Stadt und ein Venustempel erhob sich über dem Ort,

den spätere Generationen als Golgatha und Grabesstätte erkennen sollten.211

Erinnerungen an Leben, Tod und Auferstehung Jesu, an die Urgemeinde und

die Apostel wurden durch die Zerstörung und Neugestaltung Jerusalems von

ihren ursprünglichen Schauplätzen gelöst. Sie wurden in Geschichten zwar

überliefert, doch bedingt durch die Ohnmacht einer verfolgten Glaubensge-

meinschaft und die veränderte Topographie der Stadt sollte ihrer erst in den

kommenden Jahrhunderten an besonderen Orten gedacht werden, die durch die

Verbindung mit ihnen zu heiligen Stätten wurden.212

Zunächst jedoch war die Gemeinde Aelia Capitolinas eher unbedeutend und

das Christentum sah seine Heiligkeit in der Gemeinschaft der Gläubigen ver-

wirklicht, die das anbrechende Gottesreich verkündeten. Anders als das Juden-

tum und die paganen Religionen brauchte das Christentum keine Tempel für

den Kultvollzug. In der Nachfolge des Paulus und der Offenbarung des Johan-

nes erhofften sich die Gläubigen die Teilhabe am himmlischen Jerusalem und

gedachten dabei selten des irdischen. Nur wenige bereisten in den ersten drei

Jahrhunderten das heilige Land und die Stadt Davids, und die erste Verehrung

heiliger Stätten galt den Gräbern christlicher Märtyrer und nicht dem leeren

Grab, das die Auferstehung des Gottessohnes bezeugen sollte. 213

Nachricht darüber geben die Schriften der Kirchenväter, etwa die Märtyrer-

akten Justins, die Predigten Origenes oder die Kirchengeschichte des Eusebius

von Cäsarea. Diesem verdanken wir nicht nur viele wertvolle Informationen

über die ersten drei Jahrhunderte der Christenheit und eine ausführliche Dar-

stellung der Zeit und des Lebens Konstantins, sondern er gehörte zu denjeni-

gen, die selbst das heilige Land bereisten, bevor die Kaiser Roms sich dem

211 In der Forschung galt es lange als sicher, auf dem Tempelberg sei ein römischer Tempel errichtet worden. Vgl. etwa Otto, 1980, S. 171f. Hunt, 1984, S. 2f. Seit einiger Zeit geht man allerding davon aus, dass nur einige Statuen auf dem Tempelberg standen und das Areal zu großen Teilen wüst lag. Vgl. etwa Eliav, 2005, S. 83-124. 212 Oleg Grabar: Space and Holiness in Medieval Jerusalem, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 275-286. 213 Robert A. Markus: How on Earth Could Places Become Holy? Origins of the Christian Idea of Holy Places, in: JEarlyChristianSt 2 (1994), S. 257-271.

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christlichen Glauben zuwandten, und er erlebte und beschrieb als Zeitgenosse

und Zeuge eben diesen Wandel welthistorischen Ausmaßes.214

Das vierte nachchristliche Jahrhundert erlebte eine Hinwendung an das irdi-

sche, das neue Jerusalem, wie die von Konstantin dem Großen und seinen

Nachfolgern mit Kirchenbauten reich geschmückte Stadt genannt wurde. Mit

dem Ende der Verfolgungen und der Förderung durch die Herren Roms erleb-

ten die Schauplätze des Alten und Neuen Testamentes ein ungekanntes Interes-

se der Gläubigen, die als Pilger die heiligen Stätten bereisten, sich dort nieder-

ließen oder als Amtsträger der vorher kleinen Gemeinschaft Jerusalem zu ei-

nem Ehrenplatz in der Gesamtheit des Christentums verhalfen. Neben den

Schriften der Kirchenväter aus dem vierten und fünften Jahrhundert, in denen

die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der heiligen Stätten und ihrer Be-

deutung für die Gläubigen sichtbar wird, geben zusätzlich – seit Beginn der

konstantinischen Zeit – die Pilgerberichte Auskunft von Erlebnis und Anblick

des heiligen Landes und der heiligen Stadt. Eine neue Sakraltopographie ent-

stand,215 deren Koordinaten seit der Zeit Konstantins von der Grabeskirche auf

Golgatha, dem christlichen Zion und dem Ölberg bestimmt wurden.

Die neuen Zentren abseits des Tempelberges zogen eine Vielzahl von Erin-

nerungen an sich, wenn auch viele der neutestamentlichen und apostolischen

Geschichten erst nach Jahrhunderten einen festen Platz in der christlichen To-

pographie Jerusalems finden sollten. Ein heiliger Ort jedoch sollte vor allen

anderen das religiöse Gedenken der Christen in aller Welt prägen: Golgatha.

Als Symbol für den Tod und die Auferstehung Jesu, später auch der auf den

heiligen Berg übertragenen jüdischen Traditionen, die einst der Zion mit dem

Tempel Jahwes beheimatet hatte, wurde die Grabeskirche mit der Grabrotunde

und dem heiligen Felsen zum Mittelpunkt der christlichen Welt und Vor-

stellungskraft.

214 Vgl. etwa Norbert Brox: Kirchengeschichte des Altertums, 4. Aufl., Düsseldorf 1992, S. 151ff. Zu den einzelnen Quellen vgl. Kap. B.II.1. Die Zeit der Verfolgung und Kap. B.II.2. Der christliche Siegeszug. 215 Kaspar Elm: Die irdische und die himmlische, die verworfene und die heilige Stadt, in: Die Reise nach Jerusalem. Eine kulturhistorische Exkursion in die Stadt der Städte, Ausstellungs-katalog, hg. v. Hendrik Budde u. Andreas Nachama, Berlin 1996, S. 12-23.

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1. Die Zeit der Verfolgung

„Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels

und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.“ Apg 17,24

Die Schriften des Neuen Testamentes wussten Gott von der Enge seines stei-

nernen Hauses befreit, und die Urgemeinde hatte dem der Vernichtung anheim

fallenden Jerusalem in dem Wissen um das himmlische den Rücken gekehrt.

Während das himmlische Jerusalem zu einem Symbol für die christliche Kir-

che avancierte, versank die Gemeinde des von den Römern neu gegründeten

Aelia Capitolina zunächst in Bedeutungslosigkeit. Den Kirchenvätern des

zweiten und dritten Jahrhunderts blieb das Irdische fremd und ihr Interesse galt

der Stadt Davids mehr in einem auslegenden Sinne als in einem realen.216 Die

Gottesdienste der Christen fanden im Privaten statt und durch die Zeiten der

Verfolgung hielten sie an der Überzeugung fest, die Nähe ihres Gottes sei nicht

an besondere Orte des Heiligen gebunden. In den Märtyrerakten des Justin aus

der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts heißt es auf die Frage des stadtrö-

mischen Präfekten nach den christlichen Versammlungsorten:

„Dort, wo ein jeder will und kann, auch wenn du sicher meinst, wir würden alle an

demselben Ort zusammenkommen. Denn der Gott der Christen ist nicht auf einen

bestimmten Ort eingeschränkt. Unsichtbar ist er und erfüllt Erde und Himmel. Darum

kann er von seinen Getreuen überall angebetet und verherrlicht werden.“

Martyrium Justini 3,1

Diese Worte Justins entsprechen den Aussagen des Neuen Testamentes und

zeigen die Beharrungskraft der christlichen Vorstellung einer göttlichen Ge-

genwart, die nicht einem besonderem Ort – einem Tempel oder einer heiligen

Stätte – innewohnt, sondern dem Gläubigen selbst überall gegeben ist.217 Doch

216 Kühnel, 1987, S. 76f. 217 Barbara Weber-Dellacroce/Winfried Weber: „Dort, wo sich Gottes Volk versammelt“ – Die Kirchenbauten konstantinischer Zeit, in: Konstantin der Grosse. Imperator Caesar Flavius Constantinus, Ausstellungskatalog, hg. v. Alexander Demandt u. Josef Engemann, Mainz a.Rh. 2007, S. 244-251; hier S. 244f.

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obwohl sich die Gläubigen dem Konzept heiliger Orte in Abgrenzung zu den

jüdischen und paganen Traditionen zunächst widersetzten, verlor das irdische

Jerusalem nie ganz seine Anziehungskraft.

Noch bevor die Märtyrerverehrung in lokalen Kulten begangen wurde, noch

vor den ersten Kirchenbauten, vor dem Ende der Verfolgungen und den großen

Pilgerströmen reisten die ersten Christen nach Judäa, das seit 135 n. Chr. in die

römische Provinz Syria Palaestina eingegliedert war, und besuchten die neu

aufgebaute Stadt Aelia Capitolina und das heilige Land.218 Von den wenigen,

die namentlich bekannt sind, ist der früheste Melito, Bischof von Sardes, der

um 170 nach Palästina kam, um den Umfang des alttestamentlichen Kanons

festzulegen.219 Sein Interesse galt dabei weniger dem frommen Erleben heiliger

Stätten als der Vollständigkeit der biblischen Schriften. Doch in einer von ihm

überlieferten Predigt zum Osterfest spricht er von dem Ort der Kreuzigung als

mitten in der Stadt Jerusalem gelegen, was die Vermutung nahelegt, er habe

durch seinen Besuch um eine christliche Lokaltradition zu Golgatha ge-

wusst.220 Dafür spricht, dass sich die Stadtgrenzen seit der Zeit Jesu signifikant

verschoben hatten und der vorher außerhalb gelegene Fels der Schädelstätte

inzwischen innerhalb der Stadtmauern gelegen haben könnte.221 Eine lokale

Überlieferung der christlichen Gemeinde über Kreuzigungs- und Grabesstätte

wird allerdings durch die Brechung der Erinnerung in den Jahren nach dem

Bar-Kochba Aufstand und durch die Umgestaltung der Stadt unter den Vorga-

ben Roms erschwert.

Von einem weiteren Besucher des heiligen Landes berichtet Eusebius in

seiner Kirchengeschichte folgendes:

218 Peter Walker: Das Geheimnis des leeren Grabes. Ereignisse – Orte – Bedeutung, Würzburg 2000, S. 91f. 219 Bei Eusebius wird ein Brief des Melito zitiert, in dem es heißt: „Da ich in den Orient gereist und an den Schauplatz der Predigten und Taten gekommen bin und über die Bücher des Alten Testamentes genaue Erkundigungen eingezogen habe, so teile ich dir die folgenden Bücher mit.“ Eusebius h.e. 4,26,13-14. 220 In der Passah-Homilie schreibt Melito: „Er wurde getötet. Wo geschah das? Mitten in Jeru-salem. […] Mitten in Jerusalem hast du [Israel] den Herrn getötet.“ Melito, P. Hom 72; 93. 221Vgl. Walker, 2000, S. 84f. Edward D. Hunt: Holy Land Pilgrimage in the Later Roman Em-pire AD 312-460, Oxford 1984, S. 3.

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„Als Alexander so auf eine göttliche Weisung hin aus Kappadozien, wo er zuerst des

bischöflichen Amtes gewürdigt worden war, nach Jerusalem reiste, um hier zu beten

und die [heiligen] Stätten zu besuchen, nahmen ihn die Bewohner der Stadt aufs

freundlichste auf und ließen ihn nicht mehr nach Hause zurückkehren. Denn auch sie

hatten nachts eine Offenbarung geschaut, und an die eifrigsten unter ihnen war

ein sehr deutlicher Gottesspruch ergangen, welcher verlangte, sie sollten zu den

Toren hinausgehen und den ihnen von Gott bestimmten Bischof begrüßen.“

Eusebius h.e. 6,11,2

Alexander, ein Bischof aus dem kleinasiatischen Kappadokien, reist zu Beginn

des dritten Jahrhunderts nach Jerusalem, „um zu beten und die heiligen Stätten

zu besuchen“. Der offensichtlich aus frommen Motiven in die Stadt gekomme-

ne Geistliche wird von der dortigen Gemeinde zum Bischof gewählt und bleibt.

Hier begegnet zum ersten Mal das Motiv christlicher heiliger Stätten in Jerusa-

lem: Das Erleben des Gebetes an Orten, die eine besondere Nähe zu Gott ver-

sprechen – Jerusalem, Ort der Passion und der Auferstehung ist das erste Ziel

eines christlichen Pilgers. Wenige Jahrzehnte später ist christliches Interesse

auch an Bethlehem, dem legendären Geburtsort Jesu, bezeugt.

Die Wahl Alexanders von Jerusalem, wie er nach seiner Ernennung zum Bi-

schof genannt wurde, sollte für die weitere Entwicklung der christlichen Ge-

meinde der Stadt eine bedeutende Rolle spielen. Als Förderer und Schüler des

Origenes, Gründer einer Jerusalemer Bibliothek, als Bekenner und schließlich

Märtyrer in der decischen Verfolgung verhalf er der Stadt zu neuem An-sehen

in den Augen seiner Glaubensgenossen.222 Sein Episkopat kann als Beginn

einer veränderten Sicht auf das irdische Jerusalem verstanden werden, wenn

auch die Gestaltungskraft der Verfolgten gering war und die Pilgerfahrt zu den

heiligen Stätten auf den Bergen der Stadt erst ein Jahrhundert später zu voller

Entfaltung kommen sollte.

222 Eusebius h.e. 6,8,7. 6,20,1. 6,27. 6,39,1-4. Allerdings war Jerusalem unter diesem Namen in den Augen Roms zu Beginn des 4. Jh. weitgehend unbekannt, dies zeigt ein Bericht des Euse-bius, in dem er die Befragung eines angeklagten Christen durch den römischen Statthalter Firmilianus in Cäsarea beschreibt. Während sich der Christ als Bürger des himmlischen Jerusa-lem bekennt, vermutet der Staatsdiener hinter dem Namen eine ihm unbekannte aufrührerische Stadt; das in seiner Provinz gelegene Aelia Capitolina verbindet er offensichtlich nicht mit dieser Bezeichnung. Eusebius mart. pal. 11,9-11.

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Pionius, ein Zeitgenosse Alexanders, bezeugte seine Kenntnisse der bibli-

schen Lande als Verteidiger des Glaubens.223 Von dem in Smyrna um 250 n.

Chr. unter Decius den Märtyrertod gestorbenen Presbyter berichten die Quel-

len, seine Reisen in das heilige Land hätten ihm als Beweis der christlichen

Botschaft gegolten, dabei zog er seine Kraft offenbar nicht aus den Schau-

plätzen der Geschichte Jesu, sondern aus der Verwüstung, die das Land der

Juden getroffen hatte:

„Denn ich habe das ganze Land der Juden durchwandert und habe alles gesehen; ich

bin über den Jordan gegangen und habe das Land gesehen, das in seiner Verwüstung

ein Zeuge war für den Zorn Gottes, weil seine Einwohner entweder Fremde ohne alle

Menschlichkeit töteten oder mit Verletzung des Gastrechtes Männer in unnatürlicher

Unzucht wie Weiber vergewaltigten. Ich habe den Boden gesehen, der, durch die

Gewalt himmlischen Feuers ausgebrannt, in Staub und Asche verwandelt ist, trocken

und unfruchtbar da liegt. Ich habe das Tote Meer gesehen, in welchem das flüssige

Element aus Furcht vor Gott seine Natur geändert hat; ich sah das Wasser, das kein

Lebewesen ernährt und aufnimmt, sogar den Menschen, wenn es ihn aufnimmt, sofort

wieder auswirft, damit es nicht wieder wegen des Menschen in Schuld und Strafe

falle.“ Martyrium Pionii 4,18-20

Die Beschreibung des Pionius entspricht nicht der frommen Begeisterung der

Pilgerberichte des vierten und fünften Jahrhunderts. Das gelobte Land des Al-

ten Testaments erscheint hier wüst und menschenfeindlich, der Reisende be-

zeugt eine apokalyptisch anmutende Szenerie, die als Beweis für die Verwer-

fung Israels verstanden werden soll. Nicht die Anziehungskraft heiliger Stätten

des neuen Bundes wird hier in der Erinnerung des Gläubigen beschworen –

stattdessen die strafende Hand eines allmächtigen Gottes, dessen Zorn ein gan-

zes Land zum Opfer gefallen ist. Das heilige Land wird in diesem Zusammen-

hang als Mahnung bezeugt, nicht als heilspendender Erinnerungsort.

Palästina und Aelia, die historischen Stätten der alt- und neutestamentlichen

Welt, wurden vor der konstantinischen Zeit nur von wenigen Christen bereist.

Zu diesen wenigen zählte auch Origenes, der berühmte Alexandriner, dessen

223 Hunt, 1984, S. 101. Walker, 2000, S. 92.

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Auslegung der biblischen Schriften die christliche Theologie prägen sollte. Die

erhaltenen Werke des Origenes, über dessen Leben die Kirchengeschichte des

Eusebius informiert, sind aus mehreren Gründen aufschlussreich für eine Be-

trachtung der heiligen Stätten des Christentums. Dem philosophisch gebildeten

Theologen galt Jerusalem als Abbild der Seele und der christlichen Kirche,

nicht als weltlicher Erinnerungsort.224 Seine Ablehnung der irdischen Stadt

zugunsten einer hinter dem Schriftsinn zu verstehenden Bedeutung beruhte auf

einer konsequent allegorischen Auslegung der biblischen Schriften.225 Der be-

rühmte Theologe und Lehrer Alexanders von Jerusalem sprach auch dem heili-

gen Land jede Besonderheit ab und gewährte Judäa und Jerusalem nur eine

sinnbildliche Relevanz. So heißt es etwa in seiner apologetischen Abhandlung

Contra Celsum:

„Wenn nun wirklich ‚die ganze Erde verflucht ist in den Werken Adams‘ und derer,

die ‚in ihm gestorben sind‘, so ist klar, daß auch alle ihre Teile an dem Fluche

teilhaben; und zu diesen gehört auch das jüdische Land. Daher kann das Schriftwort

‚In ein gutes und geräumiges Land, in ein Land, das von Milch und Honig fließt‘, auf

dieses nicht passen, wenn auch gezeigt werden kann, Judäa und Jerusalem seien

sinnbildlich ‚ein Schatten‘ ‚der reinen und in dem reinen Himmel gelegenen Erde‘, die

‚gut und geräumig‘ ist, und in der sich ‚das himmlische Jerusalem‘ befindet.“

Origenes c. cels. 7,29,1-4

Doch während sein Verständnis des Irdischen das theologische Denken weit

über die konstantinische Zeit hinaus beeinflussen sollte, besuchte er selbst das

weltliche Jerusalem und bereiste das gelobte Land der Bibel.226 In derselben

Schrift, die in unmissverständlichen Worten die irdischen Gegenden als der

224 Kühnel, 1987, S. 76ff. 225 Vgl. etwa Origenes Hom in Jer. 5,13; 9,2.3; 13,1. Vgl. dazu Lorenzo Perrone: „The Mystery of Judaea“ (Jerome, Ep. 46). The Holy City of Jerusalem between History and Symbol in Early Christian Thought, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Is-lam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 221-240; hier S. 225f. 226 Origenes verbrachte einige Zeit in Cäsarea und bereiste wohl von dort die biblischen Stätten und auch Jerusalem, mit dessen Bischof – Alexander von Jerusalem – er bekannt war. Siehe Eusebius h.e. 6 zu den biographischen Angaben. Origenes Comm in Joh 6,40; C. Cels. 4,44 zu den Reisen im heiligen Land. Epiphanius, Panarion 64,2 erwähnt, dass Origenes in Jerusalem predigte. Vgl. dazu Hunt, 1984, S. 92ff.

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Verfluchung verfallen benennen, findet sich eine Beschreibung der Geburts-

stätte Jesu:

„Wer aber für die Tatsache der Geburt Jesu in Bethlehem außer der Prophezeiung

des Micha und dem Berichte seiner Jünger in den Evangelien noch andere Beweise

will, der möge erwägen, daß man, in Übereinstimmung mit dem Bericht über seine

Geburt in dem Evangelium, die Höhle in Bethlehem zeigt, wo er geboren wurde, und

in dieser Höhle die Krippe, in die er in Windeln gewickelt gelegt wurde. Und was

dort gezeigt wird, ist in diesen Gegenden auch bei den Nichtchristen eine bekannte

Sache, so daß sie wissen, in dieser Höhle sei der von den Christen angebetete und

bewunderte Jesus geboren.“ Origenes c. cels. 1,51,2-3

Diese Stelle aus dem Werk des Origenes belegt nicht nur sein eigenes Interesse

für die Schauplätze der Geschichte Jesu, sondern bezeugt die ersten lokalen

Traditionen christlicher Erinnerung außerhalb Jerusalems. In Bethlehem be-

steht offensichtlich schon in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts ein

Erinnerungsort, der Besuchern als Beweis für das biblische Geschehen gelten

soll – damit sind Anfänge christlicher Pilgerfahrt ins heilige Land schon vor

der konstantinischen Wende anzunehmen.227 Origenes, der in seinen Schriften

die irdischen Schauplätze der christlichen Heilsgeschichte abwertet, ist zu-

gleich Zeuge und Beispiel christlicher Erinnerungskultur in Palästina vor dem

Beginn des vierten Jahrhunderts.

Das Gleiche gilt für Eusebius, dessen Werke nicht nur für die Geschichte

der frühen Kirche, sondern auch die seiner eigenen Zeit von unschätzbarem

Wert sind. Der gelehrte Bischof von Cäsarea legte schon vor der konstantini-

schen Zeit ein alphabetisches Ortsverzeichnis biblischer Stätten an, das Ono-

masticon, das einerseits von seinem zumindest historischen Interesse für die

Stätten des Alten und Neuen Testamentes zeugt und andererseits einen weite-

ren Hinweis auf eine Jerusalemer Lokaltradition zu Golgatha enthält.

„... der Platz des Kreuzes, wo Christus gekreuzigt worden war, er wird in Aelia

gezeigt, nördlich des Zionsberges gelegen.“ Eusebius onom. 74,19-21

227 Ebd., S. 3f.

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Eusebius Schrift belegt eine zu Beginn des vierten Jahrhunderts lebendige

Überlieferung zu dem zentralen Erinnerungsort der christlichen Heils-

geschichte, wenn dies auch kein Beweis für eine ungebrochene Tradierung seit

der Zeit Jesu sein kann. Die Ortsangabe deckt sich mit der später unter Kon-

stantin erschlossenen Stätte unter dem Forum, das nördlich des christlichen

Zions lag, was zumindest zeigt, dass die kaiserlichen Bauten auf eine christli-

che Überlieferung zurückgriffen. Außerdem kann die Beschreibung als Zei-

chen für den Besuch von Gläubigen gesehen werden, die in der Stadt nach den

Spuren der Geschichte Jesu suchten.228 Dieser Befund wird durch eine andere

Angabe des Eusebius in der ebenfalls vor der Alleinherrschaft Konstantins ent-

standenen apologetischen Schrift demonstratio evangelica ergänzt. Hier be-

nennt der Kirchenvater den Ölberg als Ziel christlicher Pilger in der heiligen

Stadt. Auf dem gegenüber der Stadt gelegenen Berg hörten sie die Lehre von

der Zerstörung Jerusalems wie es die Propheten geweissagt hätten, kämen zum

Gebet zusammen und auf der Anhöhe befände sich auch der Ort der Himmel-

fahrt Jesu (Eusebius d.e. 6,18). Neben der von Origenes überlieferten Tradition

in Bethlehem gibt es also auch in Jerusalem schon vor der Entstehung der

prachtvollen Kirchen der konstantinischen Zeit Orte, an denen Christen die

zentralen Ereignisse aus dem Leben des Gottessohnes erinnern. Kreuzigung

und Himmelfahrt werden auf Golgatha und dem Ölberg verortet, und der Berg

außerhalb der Stadt dient außerdem als Versammlungsstätte der Gemeinde, die

von hier aus die Zerstörung des alten Jerusalem aus den Schriften deutet. Die

Gemeinde Aelias wird in ihrem bewahrenden Andenken von Gläubigen be-

stärkt, die, wenn auch vermutlich in unbedeutender Zahl, in die heilige Stadt

kamen, um die Schauplätze des Neuen Testamentes mit eigenen Augen zu se-

hen.

Die wenigen namentlich bekannten Christen, die das heilige Land und das

irdische Jerusalem im zweiten und dritten Jahrhundert bereisten, bieten eine

große Bandbreite an Motiven und sind mit den Phänomenen des vierten Jahr-

hunderts, als die Gläubigen sich unter neuen Vorzeichen auf Pilgerfahrt bege-

228 Taylor, 1993, S. 120. Walker, 1990, S. 243.

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ben konnten, nicht zu vergleichen.229 Während die frühen Kirchenväter wie

Melito von Sardes oder Origenes die Stätten des alten und neuen Testamentes

aus wissenschaftlichem Wissensdurst bereist zu haben scheinen, war dem Mär-

tyrer Pionius aus Smyrna das heilige Land apokalyptische Szenerie einer ver-

worfenen Welt. Doch Alexander von Jerusalem und die in den Schilderungen

des Origenes und des Eusebius erwähnten Besucher der Geburtshöhle in Beth-

lehem und des Ölberges in Jerusalem lassen schon die Frömmigkeit der Pilger

erahnen, die in den kommenden Jahrhunderten so viele Menschen bewegen

sollte. Entscheidend ist, dass Christen schon vor der konstantinischen Zeit nach

Erinnerungsorten im heiligen Land und der heiligen Stadt suchten, trotz der

neutestamentlichen Gewissheit einer Allgegenwart Gottes und eines jenseitigen

Heilsortes.

Die Fremdheit des Irdischen, in den Schriften des Neuen Testaments ver-

fügt, wirkte auch in den Jahrhunderten der Ausbreitung und Verfolgung weiter.

Erst die verblassende Naherwartung und die Entstehung lokaler Märtyrervereh-

rung verwandelte allmählich die christliche Einstellung zu heiligen Stätten.230

Die zunächst vor allem Märtyrergräbern einzelner Gemeinden zugestandene

erinnernde Kraft begünstigte die Idee der an Orten vorhandenen besonderen

Gottesnähe – als der menschlichen Religiosität naheliegendes Phänomen – die

dann den Schauplätzen des Alten und Neuen Testamentes in umso stärkerer

Weise zugesprochen wurde. Das schon früh ausgeprägte liturgische Gedenken

der christlichen Heilsgeschichte, dessen Entwicklung durch einen zunehmen-

den Symbol- und Sakramentsrealismus gekennzeichnet war,231 wurde um hei-

lige Stätten als Erinnerungsorte ergänzt, unter denen die heiligen Berge Jerusa-

lems einen besonderen Rang einnehmen sollten.

Die Gestaltung dieses Wandels wurde von der Politik Konstantins und sei-

ner Nachfolger nicht nur begünstigt, sondern willentlich geformt. Das kaiserli-

229 Außer den Dargestellten sind noch Besuche des Clemens von Alexandria und des Firmilian in Palästina bekannt. Clemens kam nach eigener Aussage, um einen Lehrer zu hören und er-wähnt weder das Land noch Jerusalem (Clemens strom. 1,11,2), Firmilian war ein Freund des Origenes und besuchte diesen in Caesarea, um zu studieren (Eusebius h.e. 6,27). Vgl. dazu Bernhard Kötting: Peregrinatio Religiosa. Wallfahrten in der Antike und das Pilgerwesen in der alten Kirche, Münster 1950, S. 86ff. 230 Markus, 1994, S. 262f. 231 Brox, 1992, S. 116f.; 120ff.

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che Interesse am christlichen Glauben setzte einen unaufhaltsamen Prozess in

Jerusalem und im heiligen Land in Gang, in dem die Versammlungsräume der

Christen, die sich noch in den Worten eines Justin gerühmt hatten, keiner Tem-

pel zu bedürfen, zu prächtigen Gotteshäusern, zu heiligen Stätten wurden –

erbaut zur Erinnerung des gekreuzigten Gottes.

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2. Der christliche Siegeszug

Konstantin und das Christentum

„Da sich dies so verhielt, setzte der Gottgeliebte eine sehr bedeutenden Sache in der

Provinz Palästina ins Werk, die es wert ist, erwähnt zu werden. Was aber war das?

Es schien ihm wichtig, daß er die Berühmtheit und Verehrungswürdigkeit des

allerseligsten Platzes der Auferstehung des Erlösers in Jerusalem allen kundtun

müsse. Sofort ließ er nämlich ein Bethaus dort errichten. Doch faßte er diesen

Entschluß nicht ohne Gott, sondern er wurde von dem Erlöser selbst in seinem Geist

dazu bewogen.“ Eusebius v.c. 3,25

Als Konstantin 324 n. Chr. die Herrschaft über das gesamte römische Reich

antrat, sollte dies für die Entwicklung der heiligen Stätten des Christentums in

Jerusalem den entscheidenden Wendepunkt bedeuten. Nach Jahrhunderten der

Rechtsunsicherheit und immer wiederkehrenden Zeiten der Verfolgung wurde

den Nachfolgern des Gekreuzigten weit mehr zuteil als es die Toleranz-

erklärungen aus den Jahren 311 und 313 hatten erhoffen lassen.232 Schon diese

hatten eine erstaunliche Entwicklung hervorgerufen: Während Konstantin nach

seinem Sieg an der milvischen Brücke in Rom die ersten Kirchenbauten stiftete

und christliche Gemeinden in der westlichen Reichshälfte reich beschenkte,

wandelte sich auch das Selbstverständnis der Christen in der Osthälfte des Rei-

ches durch die neu gewonnene Freiheit.233 Noch bevor Licinius, der Herrscher

des Ostens, sich erneut gegen die Christen wandte und damit den Krieg mit

Konstantin, seinem Konkurrenten um die Alleinherrschaft, beschwor, entfaltete

sich in Gemeinden seines Herrschaftsgebietes eine neue Vorstellung christli-

232 Zur Geschichte Konstantins und seiner Zeit vgl. u.a. die Beiträge in: Konstantin der Grosse. Imperator Caesar Flavius Constantinus, Ausstellungskatalog, hg. v. Alexander Demandt u. Josef Engemann, Mainz a.Rh. 2007. Die Aufsätze des Cambridge Companion to the Age of Constantine, hg. v. Noel Lenski, Cambridge 2006. Elisabeth Herrmann-Otto: Konstantin der Große, Darmstadt 2007. Hartwin Brandt: Konstantin der Grosse. Der erste christliche Kaiser. Eine Biographie, München 2006. 233 Weber-Dellacroce/Weber, 2007, S. 249ff. Mark J. Johnson: Architecture of Empire, in: The Cambridge Companion to the Age of Constantine, hg. v. Noel Lenski, Cambridge 2006, S. 278-297; hier S. 283-293.

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cher Religiosität, die der Entstehung christlicher Erinnerungsorte entgegen-

kommen sollte.

So findet sich in der Kirchengeschichte des Eusebius, dessen Schriften nicht

nur für das Verständnis der Entwicklung der frühen Kirche, sondern auch der

konstantinischen Zeit von besonderem Wert sind, die von ihm selbst gehaltene

Einweihungsrede einer um das Jahr 317 fertig gestellten Basilika in Tyros.234

Darin beschreibt der Bischof von Cäsarea den offenbar prächtigen Kirchenbau

als Tempel, ein Bild, das der Transzendierung alles Irdischen in der Verkün-

digung des Neuen Testamentes und den Lehren der Kirchenväter des zweiten

und dritten Jahrhunderts entgegengesetzt war.235 Nicht nur die Seele des Gläu-

bigen und die versammelte Gemeinde sind hier der Tempel des christlichen

Gottes, sondern der Bau selbst wird in Anlehnung an die Vorstellungen des

Alten Testamentes und der heidnischen Kulte zum heiligen Raum (Eusebius

h.e. 10,4). Abseits des heiligen Landes und der heiligen Stadt öffnete sich das

Christentum für das Konzept besonderer, geweihter Räume, – sakrale Orte,

Tempel – dem es sich zuvor in der durch die Verfolgungen verstärkten Welt-

abgewandtheit verschlossen hatte. Das Verständnis des Kirchenbaus als Tem-

pel war ein Schritt in die Welt, in die Normalität religiösen Lebens wie schon

die lokale Verehrung der Märtyrergräber. Die Gläubigen wollten nicht nur in

der eigenen Seele und der Gemeinschaft nach der göttlichen Präsenz suchen;

heilige Orte versprachen die Gegenwart Gottes in einem begehbaren Raum, der

den menschlichen Sinnen erfahrbar war, ein Bedürfnis, dem die Kirchenbauten

der Christen von nun an entsprechen sollten.236

234 Hans Georg Thümmel: Versammlungen, Kirche, Tempel, in: Gemeinde ohne Tempel – Community Without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, hg. v. Beate Ego u.a., Tübingen 1999, S. 489-504; hier S. 498ff. 235 Ebd., S. 499f. Vgl. außerdem Uwe Süßenbach: Christuskult und kaiserliche Baupolitik bei Konstantin. Die Anfänge der christlichen Verknüpfung kaiserlicher Repräsentation am Beispiel der Kirchenstiftungen Konstantins – Grundlagen, Bonn 1977, S. 75-78; 132. 236 Diese Entwicklung innerhalb des christlichen Denkens ist erstmals in den Werken des Eu-sebius nachzuvollziehen, der genau in dieser Zeit des Umschwungs lebte, wirkte und schrieb. So werden in der genannten Rede nicht nur Kirchen zu Tempeln, sondern auch die Geistlichen zu Priestern und die Tische für das Abendmahl zu Altären, Begriffe und Bedeutungen, die aus der alttestamentlichen Realität in die Gegenwart übernommen werden und auf diese übertragen werden. Eusebius h.e. 10,4. Vgl. Thümmel, 1999, S. 501.

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Konstantin, dem die Förderung der christlichen Kirche ein besonderes An-

liegen war, bemühte sich nicht nur um die Ausstattung der Gemeinden und die

Errichtung neuer, prächtiger Kirchen in den Städten seines Reiches, sondern

auch um die Eintracht der in theologischen Streitigkeiten gefangenen Geist-

lichkeit. So hatte er schon vor 324, allerdings ohne Erfolg, im Donatistenstreit

zu vermitteln versucht.237 Nach seinem Sieg über Licinius fand er das Christen-

tum in den östlichen Reichsteilen in eine komplexe Debatte um die Natur des

Gottessohnes verwickelt, die sich an der Lehre des alexandrinischen Presbyters

Arius entzündet hatte. Der Kaiser berief das erste ökumenische Konzil für das

Jahr 325 nach Nicäa, er saß den Versammlungen selbst vor und drängte die

Anwesenden zur Einigung (Eusebius, v.c. 3,6-21). Das Christentum sah sich

nicht nur befreit und gefördert, es fand sich in der Pflicht eines römischen Kai-

sers, dem die Einheit des Reiches oberstes Gebot war.

Damit waren die Gläubigen des gekreuzigten Gottes Teil kaiserlicher Politik

geworden und der Bischof von Jerusalem, Makarius, wusste dies zu nutzen.

Auf dem Konzil von Nicäa bemühte sich der geistliche Führer der Jerusalemer

Christen zwar vergeblich um die Unabhängigkeit seines Bischofssitzes von der

Metropole Cäsarea, erreichte aber, dass ihm eine Ehrenstellung zuerkannt wur-

de.238 Kurze Zeit später wandte der Kaiser seine Aufmerksamkeit dem heiligen

Land und der Stadt der Passion Christi zu, vermutlich auf Anregung des Jeru-

salemer Bischofs, der in Nicäa den Herrscher auf die Bedeutung seines Sitzes

hinzuweisen wusste.239 Die vorher unbedeutende Gemeinde fand sich neben

Rom und der neuen Residenzstadt des Kaisers im Osten, Konstantinopel, im

Mittelpunkt kaiserlicher Baupolitik. Konstantin ließ die zentralen Orte der Ge-

schichte Jesu mit Kirchenbauten schmücken und begründete damit die Koordi-

naten christlicher Erinnerungsorte. In Bethlehem über der Geburtsgrotte, in

Jerusalem auf dem Felsen Golgatha mit dem nahebei gefundenen Felsengrab

237 Harold A. Drake: The Impact of Constantine on Christianity, in: The Cambridge Compan-ion to the Age of Constantine, hg. v. Noel Lenski, Cambridge 2006, S. 111-136; hier S. 116ff. 238 Otto, 1980, S. 175f. 239 Vgl. etwa Walker, 1990, S. 275f.; 280f.

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und auf dem Ölberg erhoben sich bald christliche Kirchen.240 Von nun an wa-

ren Geburt, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt des Gottessohnes stein-

geworden, bezeichneten Bauwerke die Schauplätze religiösen Erlebens.241

Aus der römischen Tradition heraus schuf Konstantin dem Christentum den

sakralen Erinnerungsbau, der an bedeutende Taten gemahnte und in seiner

Größe und Ausstattung zugleich der kaiserlichen Repräsentation diente.242 Als

Pontifex Maximus war der römische Kaiser nach der Anerkennung der christli-

chen Kirche als religio licita auch für deren rechten Kultvollzug zuständig.

Davon war auch die Sorge um die christlichen Kultbauten betroffen, die, wenn

sie aus kaiserlichen Stiftungen hervorgingen, die Würde und Frömmigkeit des

Kaisers darzustellen hatten. Sie standen unter besonderem Schutz und galten

aufgrund der kaiserlichen Stiftung als Sakralbau.243 Gleichzeitig kannte die

römische Tradition, neben dem heiligen Raum, in dem das Göttliche auf be-

sondere Weise erfahrbar ist, den triumphalen Bau zum Gedenken bedeutsamer

Taten. Die konstantinischen Bauten im heiligen Land wussten beide Elemente

zu verbinden: Jesus ist Gott und wird zugleich als triumphierender Held erin-

nert. Die Erinnerung seiner Taten schafft damit einen sakralen Raum wie auch

die Stiftung durch den Kaiser. Das Gedenken der Geschichte des einen Gottes

und die Bautätigkeit des neuen Alleinherrschers finden so ihre Darstellung in

der Architektur eines heiligen Ortes.

Die Grabeskirche

Tatsächlich gedachten die ersten Kirchen im heiligen Land der historisch fass-

baren Umstände der Geschichte Jesu und im Zentrum stand von Anfang an die

Grabeskirche, in der Tod und Auferstehung des Gottessohnes den Gläubigen

vergegenwärtigt wurden. Eusebius von Cäsarea berichtet in seiner vita

240 Vgl. dazu Jürgen Krüger: Die Grabeskirche zu Jerusalem. Geschichte – Gestalt – Bedeu-tung, Regensburg 2000; hier S. 59f. Krüger sieht in der Wahl der von Konstantin herausgeho-benen Stätten das steingewordene nicänische Glaubensbekenntnis. 241 Zu der christlichen Tendenz, religiöse Erinnerungen durch Bauwerke zu ‚versteinern‘ – petrification of memories, vgl. Grabar, 1999, S. 280. 242 Vgl. dazu etwa Süßenbach, 1977, S. 70f. 243 Weber-Dellacroce/Weber, 2007, S. 246f.; 251ff. Herrmann-Otto, 2007, S. 169f. Süßenbach, 1977, S. 56f.

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constantini ausführlich von der Entstehung des Heiligtums, dessen Standort bis

heute den Mittelpunkt christlichen Erinnerns bildet. Lokalisiert wurden Golga-

tha und das Grab unter einem Tempel der Aphrodite auf dem Forum des römi-

schen Aelia, der dem Bauvorhaben des Kaisers weichen musste.244 Das Materi-

al des zerstörten Tempels musste beseitigt werden, ebenso der Baugrund unter

dem Heiligtum, der als verunreinigt angesehen wurde (Eusebius v.c. 3,26-27).

Dabei fand sich unter dem Fundament des Tempels eine Höhle, die als das lee-

re Grab des Auferstandenen erkannt wurde:

„Als aber Scholle um Scholle der Platz in der Tiefe der Erde freigelegt wurde, da

zeigte sich schließlich das verehrungswürdige und allerheiligste Zeugnis der

Auferstehung des Erlösers wider aller Hoffnung, und die allerheiligste Grotte wurde

zum Gleichnis für das Wiederaufleben des Erlösers. Deshalb trat sie nach dem

Verschwinden im Dunkel wieder ans Licht hervor und ermöglichte denen, die zur

Besichtigung kamen, klar die Geschichte der Wunder, die sich dort ereignet hatten, zu

sehen und bezeugte durch Werke, die lauter als jede Stimme waren, die Auferstehung

des Erlösers.“ Eusebius v.c. 3,28

Das leere Grab wird unter Konstantin zum heiligen Ort. Ob es sich bei der Stät-

te um eine ungebrochene Lokaltradition gehandelt habe, ist umstritten,245 für

die Heiligung des Ortes jedoch ohne Bedeutung. Unter dem heidnischen Tem-

pel lagen offenbar Grabstellen und eine Felsformation, die als Golgatha die

Erinnerung der Kreuzigung an sich zog. Die Stätte galt fortan als Schauplatz

des Todes und der Auferstehung Jesu und wurde zum heilsgeschichtlichen

Erinnerungsort. Der Kaiser stiftete nicht nur persönlich für die zu errichtenden

Bauten, sondern gab auch den Statthaltern der östlichen Provinzen Anweisung,

„von ungeheuren Spenden im Überfluß ein außerordentlich großes, reich aus-

gestattetes Bauwerk entstehen zu lassen.“ (Eusebius v.c. 3,29,2) Den Bischof

Jerusalems, Makarius, betraute er in einem bei Eusebius überlieferten Brief

244 Zur Baugeschichte der Grabeskirche vgl. etwa Otto, 1980, S. 176ff. Krüger, 2000, S. 39-60. Walker, 2000, S. 108-117. 245 Vgl. dazu etwa Walker, 1990, S. 242f. Taylor, 1993, S. 113ff. Walker, 2000, S. 140ff.

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persönlich mit der Aufsicht über den Fortgang der Bauten und versicherte ihn

des kaiserlichen Interesses an dem heiligen Ort.

„Was nun, wie ich glaube, allen offenbar ist, von jenem will ich, daß Du am meisten

überzeugt bist, daß also mir mehr als alles andere am Herzen liegt, daß wir jenen

heiligen Ort durch die Schönheit von Bauten schmücken wollen, den ich auf Gottes

Befehl hin von der Hinzufügung des schändlichsten Götzenbildes wie von einer auf

ihm liegenden Last erleichtert habe, [den Ort], der von Anfang an durch das Urteil

Gottes heilig gewesen ist, sich aber als noch heiliger erwiesen hat, als er den Beweis

für das Leiden des Erlösers ans Licht gebracht hat.“ Eusebius v.c. 3,30,4

Die Konstituierung der heiligen Stätte diente der kaiserlichen Selbstdarstellung

ebenso wie dem Gedenken an die göttliche Heilstat des einen Gottes.246 In den

Worten Konstantins gewinnt die Heiligkeit des Ortes eine zeitliche Dimension,

die sein Bestehen als ‚von Anfang an durch das Urteil Gottes‘ heiligt, und eine

Steigerung seiner Heiligkeit in der Zeugniskraft seiner Wiederauffindung.

Durch den Abbruch des heidnischen Tempels und die Kirchenstiftung sichert

sich der Kaiser einen Platz in der Geschichte des heilsgeschichtlich so bedeut-

samen Ortes. Das Wunder der Auferstehung wird durch den Bau des weltlichen

Herrschers erst sichtbar; Größe und Ausstattung des Bauwerks spiegeln die

Macht des dort verehrten Gottes ebenso wie die des Erbauers. So heißt es in

dem Brief an Makarius weiter:

„Es gilt also Deine Aufmerksamkeit darauf zu richten und Vorsorge für jedes der

notwendigen Dinge zu treffen, daß nicht nur eine Basilika entsteht, die besser ist als

diejenigen, die es [bereits] überall gibt, sondern daß auch alle übrigen [dazu

gehörigen] Dinge so gestaltet werden, daß alle anderen Gebäude, die sich in jeder

Stadt durch ihre Schönheit auszeichnen, von diesem übertroffen werden.“

Eusebius v.c. 3,31,1

Der Bischof solle den Kaiser wissen lassen, was für die Ausstattung der Kirche

‚den höchsten Wert und Nutzen‘ habe, damit dieser das Notwendige von über-

246 Krüger, 2000, S. 49.

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allher herbeischaffen lassen könne, denn, so das Schreiben, „es ist nur gerecht,

wenn der wunderbarste Ort der Welt entsprechend seiner Würde verherrlicht

wird.“ (Eusebius v.c. 3,31,3) Konstantin hebt in seinen Worten die Bedeutung

der Bauten ausdrücklich hervor. Golgatha und das Grab sind die zentralen

Erinnerungsorte des siegreichen Gottes, und als solche sollen sie sichtbar ge-

macht werden.

Auf dem freigelegten Areal entsteht in der Folgezeit ein ganzer Komplex

von Bauten. In der Beschreibung des Eusebius bildet das leere Grab den Mit-

telpunkt, den Golgathafelsen, der den Bauten bis heute einen besonderen Cha-

rakter verleiht, erwähnt er nicht.247 Das Grab war aus dem Felsen herausgear-

beitet worden, so dass es freistand, und wurde „als Haupt des Ganzen freigebig

mit auserlesenen Säulen und großer Pracht“ ausgeschmückt (Eusebius v.c.

3,34).248 Davor erstreckte sich ein freier Platz, der an drei Seiten mit Säulen-

hallen umgeben war; dem Grab gegenüber erhob sich eine Basilika, die an den

Golgathafelsen anschloss, ebenfalls reich verziert war und die der Kaiser mit

wertvollen Weihgeschenken bedachte (Eusebius v.c. 3,35-38.40). Ein weiterer

freier Platz führte von der Basilika zum Torbau, der den Besucher von der

Straße aus empfing (Eusebius v.c. 3,39).249

Die Architektur erinnert an die Anlagen antiker Wallfahrtszentren und legt

nahe, dass der Stifter diesen Ort nicht nur als heilsgeschichtliches Zentrum der

neuen Religion, sondern auch als zukünftiges Ziel frommer Pilger ansah.250 Die

Bauten mussten von den Gläubigen ganz durchschritten werden –

247 Vgl. dazu Walker, 1990, S. 247-260. Walker begründet dieses Übergehen des Golgatha-Felsens mit der theologischen Ausrichtung des Eusebius, der nicht die Kreuzigung sondern die Auferstehung als heilsgeschichtlichen Höhepunkt betrachtet habe. Außerdem vermutet er hin-ter dem Schweigen ein Übergehen der Kreuzauffindung, die seiner Ansicht nach dem histo-risch denkenden Bischof von Caesarea unglaubwürdig erschienen seien müsse. Allerdings ist das Verschweigen der Auffindung einer solch zentralen Reliquie im Zusammenhang mit der von Eusebius so ausführlich beschriebenen Bautätigkeit doch als recht unwahrscheinlich ein-zuschätzen; der Felsen spielte möglicherweise zunächst liturgisch keine Rolle. 248 Die berühmte Anastasisrotunde, die später das Grab überspannte, wurde erst nach Konstan-tin erbaut. Vgl. dazu Georg Kretschmar: Festkalender und Memorialstätten Jerusalems in alt-kirchlicher Zeit, in: Jerusalemer Heiligtumstraditionen in altkirchlicher und frühislamischer Zeit, Wiesbaden 1987, S. 29-111; hier S. 44. 249 Ein Baptisterium, das der Pilger von Bordeaux um 333 beschreibt, erwähnt Eusebius in seiner Beschreibung nicht (Itin. Burd. 17). Vgl. Kap. B.II.5. Pilger, Kirchenväter und das irdi-sche Jerusalem. 250 Krüger, 2000, S. 63.

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Abb. 6

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durch den ersten Vorhof, die Basilika, vorbei an dem Kreuzigungsfelsen, über

den zweiten Platz, bis hin zum Grab. Dabei wurden Kreuzigungsfelsen und

Grab in einem baulichen Komplex zusammengefasst und vereinten Tod und

Auferstehung in einem Erinnerungsort. Das Kreuz, seit Konstantin ein Zeichen

nicht nur des Opfertodes Jesu, sondern auch des weltlichen Sieges und der

Herrschaft, und das nicht darstellbare Symbol der Auferstehung – das leere

Grab – fielen so an einem Ort zusammen.251 Golgatha, in den Berichten der

Evangelien Name für den Schauplatz der Kreuzigung, wird damit zum Symbol

der zentralen Geschehnisse des christlichen Glaubens, der Berg zieht die Erin-

nerungen von Tod und Auferstehung Jesu an sich und wird zum neuen Mittel-

punkt der heiligen Stadt. 252

Aus christlicher Sicht gleicht der Bau der Grabeskirche dem Anbruch eines

neuen Zeitalters. In der von römischer Staatsmacht zerstörten Stadt Davids, der

Stadt der Passion Christi, entsteht ein prachtvolles Heiligtum zum Ruhme des

gekreuzigten Gottes, gestiftet von einem siegreichen römischen Kaiser, dessen

Eintreten für die Religion des dreieinigen Gottes als Wunder gefeiert wird.

Abseits des zerstörten Tempels erhebt sich im Stadtbild das steingewordene

Gedenken an die Geschichte Jesu – in den Worten des Eusebius das Wahrzei-

chen eines neuen Jerusalems:

„Kaum war aber der Befehl ausgesprochen, wurde er auch schon ausgeführt und

gerade an dem Grabmal des Erlösers das neue Jerusalem gebaut, jenem altberühmten

gegenüber, das, nach der schrecklichen Ermordung des Herrn, die Gottlosigkeit sei-

ner Einwohner mit völliger Verwüstung hatte büßen müssen. Diesem also gegenüber

ließ der Kaiser den Sieg unseres Erlösers über den Tod mit reicher und großartiger

Pracht verherrlichen, so daß leicht dieser Bau jenes von prophetischen Aussprüchen

verkündete neue, zweite Jerusalem sein kann, über das große, vom göttlichen Geiste

eingegebene Weissagungen so viel Herrliches verkünden.“ Eusebius v.c. 3,33,1-2253

251 Kühnel, 1987, S. 66-70. 252 Vgl. dazu Tsafrir, 1999, S. 135f. 253 Während für die anderen Zitate die neue Übersetzung der Fontes Christiani genutzt wurde, wird für dieses und das folgende Zitat auf die Übersetzung der BKV-Ausgabe zurückgegriffen.

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Das neue Jerusalem wird dem alten gegenüber gestellt, die Zerstörung des

Tempels und der Bau auf dem Grabmal Jesu als Zeichen einer anbrechenden

Heilszeit verkündet. Die Bedeutung der konstantinischen Grabeskirche, sowohl

für die Gemeinschaft der christlichen Kirche als auch für die imperiale Selbst-

darstellung, zeigt sich bei der festlichen Einweihung des Baukomplexes, die im

Jahr 335 n. Chr. zum 30jährigen Regierungsjubiläum Konstantins in Anwesen-

heit vieler Bischöfe, die der Kaiser selbst nach einer Synode in Tyros nach Je-

rusalem beordert hatte, feierlich begangen wird.

„Diese Versammlung, die der Kaiser nach Jerusalem zusammenberief, ist unseres

Wissens die größte nach jener ersten, die er in so glänzender Weise in jener

bithynischen Stadt veranstaltet hatte. Während aber diese einem Siegesfeste galt und

beim zwanzigjährigen Regierungsjubiläum des Kaisers Dankgebete für den Sieg über

Gegner und Feinde in Nicäa darbrachte, verherrlichte die andere den Ablauf des

dritten Jahrzehntes, indem der Kaiser Gott, dem Geber alles Guten, am Grabe des

Erlösers, als ein Weihegeschenk des Friedens die Grabeskirche weihte.“

Eusebius v.c. 4,47

Die Bischöfe erweisen dem Andenken ihres Gottes ebenso die Ehre wie dem

Kaiser, auf dessen Geheiß sie in das heilige Land reisen. Der Herrscher bringt

dem Gott der Christen die Grabeskirche als ‚Weihegeschenk des Friedens‘ dar,

als Denkmal seiner Regierung und als Tempel für den neuen Gott.254 Die Kir-

che beugt sich dem Gestaltungswillen des Herrschers und erkennt die Existenz

der vom Kaiser ausgezeichneten heiligen Stätten bereitwillig an. Die architek-

tonische Manifestation heiliger Orte hatte im christlichen Denken zwar Vorläu-

fer in der lokalen Heiligenverehrung und dem neuen Verständnis der Kirchen-

bauten als Orte besonderer Gottesnähe, wurde aber erst seit Konstantin durch

die Übertragung römischer Vorstellungen auf die Religion des dreieinigen Got-

tes ausgebildet.255

254 Krüger, 2000, S. 49. 255 Markus, 1994, S. 258f. Walker, 2000, S. 107f. Weber-Dellacroce/Weber, 2007, S. 247. Zu der auch im Laufe des 4. und 5. Jh. weiter bestehenden Konkurrenz zwischen lokalen Kulten und den christlichen Stätten des heiligen Landes siehe Brouria Bitton-Ashkelony: The Attitu-des of Church Fathers toward Pilgrimage to Jerusalem in the Fourth and Fifth Centuries, in:

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Außer Golgatha sollte das kaiserliche Bauprogramm weitere Stätten in Jeru-

salem und im heiligen Land hervorheben. Im Zusammenhang mit einer Reise

der Mutter des Kaisers, Helena, um das Jahr 327 n. Chr. durch die östlichen

Provinzen nach Palästina erwähnt Eusebius zwei weitere Kirchenstiftungen

Konstantins.256 Über der Geburtsgrotte in Bethlehem und auf dem Ölberg, auf

dem der Unterweisung der Jünger durch Jesus und der Himmelfahrt gedacht

wird, entstehen auf Wunsch Helenas prächtige Kirchenbauten, die wie die Gra-

beskirche mit wertvollen Weihgeschenken bedacht werden (Eusebius v.c. 3,41-

43). In Jerusalem erhält neben Golgatha also auch der Ölberg schon in konstan-

tinischer Zeit einen steingewordenen Erinnerungsort, während die christliche

Topographie des heiligen Landes zunächst nur durch Bethlehem und Mamre,

wo Konstantin dem Gedenken Abrahams ebenfalls eine Kirche stiftet, ausge-

zeichnet wird (Eusebius v.c. 3,51-53).257 Die heiligen Stätten des Christentums

entstehen durch Bauten, die seit dem ersten christlichen Kaiser den neu- und

alttestamentlichen Erinnerungen einen festen Ort zuweisen. Durch sie wird

Heilsgeschichte sinnlich erfahrbar, werden Schauplätze zu irdischen Zeugen

göttlichen Geschehens, ein Konzept, das in der Folge zu der Etablierung einer

Vielzahl heiliger christlicher Orte führen würde und ein Erlebnis, das nach der

Pilgerfahrt der frommen Kaisermutter noch viele Christen in Jerusalem und im

heiligen Land suchen sollten.

3. Die Legende vom Kreuz und der Aufstieg Golgathas

Golgatha, durch den konstantinischen Bau als heilige Stätte konstituiert,

sollte im Laufe des vierten Jahrhunderts nicht nur das liturgische Erleben Jeru-

salems prägen, sondern durch die Legende der Kreuzesauffindung und die

Übertragung jüdischer Erinnerungen zum Mittelpunkt christlicher Topographie

Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 188-203. 256 Zu der Datierung und näheren Angaben zu der Reise Helenas nach Palästina und Jerusalem vgl. etwa Otto, 1980, S. 182f. Hunt, 1984, S. 28-39. Johnson, 2006, S. 293. 257 Die Anregung für einen weiteren Kirchenbau erhielt der Kaiser von seiner Schwiegermutter Eutropia, die wie Helena das heilige Land bereiste und Konstantin von der Eiche in Mamre berichtete, die vielen Kulten ein Heiligtum war. Vgl. dazu Kötting, 1950, S. 107f.

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Abb. 7: Die Grabeskirche, die in ihrer heutigen Form um die Grabrotunde und den

heiligen Felsen konzentriert ist, hat ihre Dominanz im Stadtbild verloren, nicht aber an

Bedeutung für die christlichen Pilger.

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aufsteigen. Die machtvolle Verbindung kaiserlicher Selbstdarstellung und zent-

raler Ereignisse christlicher Heilsgeschichte sollte schon wenige Jahrzehnte

nach der Einweihung der Grabeskirche um die Auffindung der Kreuzesreliquie

ergänzt werden, die schließlich, seit Ende des vierten Jahrhunderts, mit dem

Besuch der Kaisermutter Helena in der heiligen Stadt zu einer wirkmächtigen

Legende verschmolz.258

Weder Eusebius, der Zeitgenosse Konstantins, noch der um 333 n. Chr. die

Stadt besuchende Pilger von Bordeaux wissen von einem Kreuzesfund im Zu-

sammenhang mit der konstantinischen Kirche zu berichten, doch schon ein

Jahrzehnt später in den Taufkatechesen des seit etwa 348 amtierenden Jerusa-

lemer Bischofs Cyrill spielt das heilige Kreuz eine zentrale Rolle.259 Die heili-

gen Stätten – besonders aber Golgatha und das wiedergefundene Kreuz – sind

dem Kirchenvater Zeugen der christlichen Lehre, die in dieser Eindringlichkeit

nur in Jerusalem dem Gläubigen von der Passion und der Auferstehung künden

(Cyrill catech. 4,10; 13,4; 13,38.39).260 Die heiligen Orte und die Kreuzes-

reliquie geben der Heilsgeschichte einen manifesten Anhaltspunkt, der dem

sinn-lichen Erleben einer transzendenten Wahrheit dient.

„Doch darf man nie müde werden, auf die Lehre vom gekrönten Herrscher zu hören,

vor allem hier auf dem hochheiligen Golgatha. Während andere nur von ihm hören,

sehen und berühren wir ihn.“ Cyrill catech. 13,22

Nur wenige Jahrzehnte nach dem Bau der Grabeskirche bestätigen die Schrif-

ten Cyrills nicht nur die Annahme der durch kaiserliche Stiftung geschaffenen

heiligen Stätten, sondern sie enthalten darüber hinaus die Kreuzesverehrung

258 Vgl. dazu etwa Carla Heussler: De Cruce Christi. Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung: Funktionswandel und Historisierung in nachtridentinischer Zeit, Paderborn 2006, S. 28f. Leo-pold Kretzenbacher: Kreuzholzlegenden zwischen Byzanz und dem Abendlande. Byzantinisch-griechische Kreuzholzlegenden vor und um Basileios Herakleios und ihr Fortleben im lateini-schen Westen bis zum Zweiten Vaticanum, München 1995, S. 5-12. 259 Hunt, 1984, S. 37ff. Perrone, 1999, S. 229. Krüger, 2000, S. 61. 260 Vgl. Hunt, 1984, S. 99f.

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und die Vorstellung, Golgatha sei der Mittelpunkt der Erde, ein Bestandteil der

Zionstheologie.261

„Ausgestreckt hat er seine Hände am Kreuze, um den ganzen Erdkreis zu umfassen.

Denn der Mittelpunkt der Erde ist der Golgatha hier.“ Cyrill catech. 13,28

Die Übertragung alttestamentlicher und jüdischer Erzählungen und Legenden

von Tempelberg und Zion auf den Kreuzigungsberg Golgatha sollte darin ihren

Ausgang nehmen; die Schädelstätte galt den Christen bald als Nabel der Welt,

eine Vorstellung, welche noch Josephus in der Nachfolge der Psalmen und

Propheten auf den Tempelberg bezogen hatte, und als Gründungsstein, ein

spätjüdisches Motiv, das eine Fülle von Bedeutungen beinhaltete.262 Als Grün-

dungsstein wurde der Golgatha-Felsen den Christen der Ort der Welten-

schöpfung, Schlussstein der Schöpfung, Grundstein der Erde, Eingang zum

Himmel wie zum Totenreich, der Verschlussstein der Sintflut und kosmischer

Urfels.263 Der Bedeutungszuwachs sollte stets von der Kreuzesverehrung ge-

krönt bleiben, die innerhalb der Schöpfung den Höhepunkt der Heilsgeschichte

darstellte, und die Kreuzesreliquie war den Gläubigen sichtbares Zeichen der

Erlösungstat Gottes.

Im Laufe der Zeit fanden weitere Reliquien ihren Platz auf Golgatha. Ende

des vierten Jahrhunderts berichtet die Pilgerin Egeria von der Passionsliturgie

in der Grabeskirche, nach der Kreuzesreliquie würden den Gläubigen der Ring

Salomos und das Salbungshorn der Davididen zur Betrachtung dargeboten

(Itin. Eg. 37,3).264 Während der Ring – dem die Legende zusprach, ein Siegel

Gottes zu tragen, mit dem König Salomo Dämonen gebunden habe, um mit

ihrer Hilfe Jerusalem und den Tempel zu erbauen – die Erstehung eines neuen

Tempels an der zentralen Stätte der christlichen Heilsgeschichte verkörperte,

symbolisierte das Salbungshorn die legitime Nachfolge Jesu aus dem davidi-

schen Königshaus. Die Reliquien, die vermutlich die Grabeskirche als neues

261 Perrone, 1999, S. 228f. Taylor, 1993, S. 128f. Hunt, 1984, S. 19. Joachim Jeremias: Gol-gotha, Leipzig 1926. 262 Daniélou, 1969, Sp. 723-732. Kretschmar, 1979, S. 94ff. Donner, 1977, S. 1-11. 263 Belege bei Jeremias, 1926, S. 34-50. Vgl. außerdem Donner, 1977, S. 9f. 264 Vgl. Kap. B.II.5. Pilger, Kirchenväter und das irdische Jerusalem.

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Reichsheiligtum stilisieren sollten, wurden in den kommenden Jahrhunderten

durch weitere ergänzt.265

In einer anonymen Schrift aus dem sechsten Jahrhundert, dem Breviarius de

Hierosolyma, werden die an Golgatha gebundenen Legenden und Reliquien

benannt:

„Und danach betritt man Golgatha. Dort ist ein großer Hof, wo der Herr gekreuzigt

wurde. Rings um den Hügel sind silberne Schranken, und auf dem Hügel befindet sich

eine Art Hartkiesel. Es gibt silberne Türen, wo das Kreuz des Herrn aufgerichtet war,

ganz mit Gold und Edelsteinen verziert, unter freiem Himmel. Die Schranken sind mit

viel Gold und Silber verziert. Wo die Schüssel ist, was das Haupt des hl. Johannes

getragen wurde. Wo das Horn ist, aus dem David und Salomo gesalbt wurden. Und

dort ist der Siegelring, mit dem Salomo die Dämonen versiegelte: der ist aus

Bernstein. Wo Adam geschaffen wurde, wo Abraham seinen Sohn Isaak zum Opfer

brachte an dem Ort, wo der Herr gekreuzigt wurde.“ Brev. Hier. 2.a

Die Schüssel, die das Haupt Johannes des Täufers trug, ist als christliche Reli-

quie hinzugekommen. Das Salbungshorn und der Siegelring werden nach wie

vor hier gezeigt, doch die Stätte hat weitere Zuschreibungen erfahren – als

Grab Adams und Ort der Bindung Isaaks. Das Grab Adams, von der jüdischen

Tradition auf dem Tempelberg verortet, wurde schon von Origenes mit dem

Golgathafelsen in Verbindung gebracht, und seit dem siebten Jahrhundert ist

eine Adamskapelle in der Grabeskirche verbürgt. Nicht nur die etymologische

Verbindung der Schädelstätte mit dem Ruheplatz des ersten Menschen, son-

dern auch die vollständige Erlösungstat der Kreuzigung fand in dieser Translo-

kation einen anschaulichen Ausdruck.266 Die Geschichte der Bindung Isaaks,

die der jüdische Tempel als Teil der Erzväterüberlieferung an sich gezogen

hatte, fand sich nun erneut an einen zentralen heiligen Ort gebunden.267 Golga-

tha, im Mittelpunkt der konstantinischen Bauten, erwies sich als kraftvoller

Erinnerungsort. Der Schauplatz der Passion war damit von einem Ort‚ zu dem

265 Kretschmar, 1979, S. 101f. 266 Vgl. dazu Taylor, 1993, S. 124ff.; 131-134. Perrone, 1999, S. 231. Kretschmar, 1979, S. 84ff.; 107, hebt die jüdische Paralleltradition in Hebron hervor. Anders Donner, 1977, S. 234. 267 Kretschmar, 1979, S. 26f.; 98f.

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sie ihn hinausführten‘ (Mk 15,20) zum Zentrum des christlichen Jerusalems

aufgestiegen. Neben dem Gedenken an Tod und Auferstehung Jesu zog Golga-

tha mythische Erinnerungen des Alten Testamentes und des Judentums an sich

und übertraf schließlich in der Vielfalt seiner Bedeutungsebenen jede andere

heilige Stätte des Christentums.

Eine entscheidende Funktion für den Aufstieg Golgathas sollte der Kreuz-

verehrung zukommen. Die Kreuzauffindung, von der erst Cyrill von Jerusalem

weiß, ist als Legende zu verstehen, doch seit etwa 350 wurde ein Holzkreuz als

Kreuz der Passion Jesu verehrt. In den Taufkatechesen Cyrills spielt diese Re-

liquie für die bezeugende Kraft Golgathas eine maßgebliche Rolle.

„Er ist für unsere Sünden wahrhaft gekreuzigt worden. Willst du es leugnen, so

belehrt dich der Ort, den du siehst, dieser hl. Golgatha, auf dem wir jetzt um

dessentwillen versammelt sind, der auf ihm gekreuzigt worden war. Mit dem

Kreuzesholze ist nunmehr fast der ganze Erdkreis erfüllt. Nicht um eigener Sünden

willen ist er gekreuzigt worden, sondern damit wir von den unsrigen erlöst würden.“

Cyrill catech. 4,10

Die Wahrheit der Heilsgeschichte zeigt sich für den Bischof an dem Ort des

Geschehens und dem dort gefundenen Kreuz, Schauplatz und Reliquie ver-

schmelzen zu einem Beweis des Glaubens. Cyrill erwähnt außerdem, die Kreu-

zessplitter der Passionsreliquie fänden ihren Weg in alle Welt.268 Anders als

der Ort der Passion, die heilige Stätte selbst, konnte die Reliquie zerteilt und

mitgenommen werden. Die Beweglichkeit dieser heiligen Gegenstände, die als

Zeugen der Kreuzigung des Gottessohnes dienten und der Christenheit als hei-

ligste Herrenreliquien galten, sollte in den kommenden Jahrhunderten zu einer

weiten Verbreitung der Kreuzverehrung führen und den Gang der Geschichte

Jerusalems und Europas mehr als einmal prägen. So führte der Raub des Jeru-

salemer Kreuzes durch die Perser im Jahr 614 zu einem ersten Kreuzzug der

christlichen Welt.269 Die mittelalterlichen Kreuzfahrerstaaten eroberten das

heilige Land nicht nur im Zeichen des Kreuzes, sie wussten die Kreuzespartikel

268 Vgl. dazu Hunt, 1984, S. 39. 269 Vgl. Kap. B.II.4. Die christliche Topographie der heiligen Stadt.

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auch für die Finanzierung ihrer Unternehmung einzusetzen. Spenden sam-

melnde Geistliche mit Partikeln der Reliquie wurden durch das westliche Eu-

ropa gesandt und viele Teile des Kreuzes sollten nicht nach Jerusalem zurück-

kehren, sondern der Begründung neuer Zentren der Kreuzesverehrung die-

nen.270 Doch jeder Teil des Kreuzes verwies stets auf den Ort der Kreuzigung –

Golgatha – und trug zur Verankerung dieser heiligen Stätte im Gedächtnis der

christlichen Religion bei.

War für den berühmten Jerusalemer Bischof das Kreuz noch während der

konstantinischen Bautätigkeiten gefunden worden, sollte sich schon wenige

Jahrzehnte später eine andere Version der Kreuzauffindung durchsetzen.271 Seit

Ende des vierten Jahrhunderts berichten die Schriften der Kirchenväter und der

christlichen Geschichtsschreiber, Helena, die Mutter Konstantins, von deren

Reise ins heilige Land auch Eusebius zu künden wusste, habe die Suche nach

dem heiligen Ort erst veranlasst, dieselbe überwacht, das heilige Kreuz schließ-

lich geborgen und von weiteren Kreuzen auf wundersame Weise zu unter-

scheiden vermocht.272 Die Helenalegende, die neben der Auffindung des wah-

ren Kreuzes von weiteren Passionsreliquien berichtet, wurde zu einem der be-

liebtesten Legendenzyklen der christlichen Welt und sollte, wie die Reli-quien

selbst, auf die heilige Stätte und die Heilstat verweisen.273

Innerhalb eines Jahrhunderts war mit Golgatha ein heiliger Ort in Jerusalem

geschaffen worden, der als topographischer Mittelpunkt der gesamten Chris-

tenheit durch ein wirkmächtiges Verweissystem verankert wurde, der zeitlich

von Adam über Abraham die alttestamentlichen Mythen mit der Geschichte

Jesu als zentrale Heilstat verband und darüberhinaus die biblische Wirklichkeit

über die Kreuzholzlegende mit dem römischen Kaisertum zu verknüpfen ver-

270 Michael Hesemann: Die stummen Zeugen von Golgatha. Die faszinierende Geschichte der Passionsreliquien Christi, München 2000. Zu der Geschichte der Kreuzesreliquien siehe ebd., S. 29-62. 271 Vgl. ebd., S. 34. 272 Zu den unterschiedlichen Überlieferungen vgl. u.a. Hesemann, 2000, S. 31ff. Kretzenba-cher, 1995, S. 5ff. Außer der Helenalegende gibt es abweichende Legenden der Kreuzfindung durch einen Judas Cyriacus oder die Gattin des römischen Kaisers Claudius, Protonike. Vgl. Kretzenbacher, 1995, S. 10f. Heribert Busse: Tempel, Grabeskirche und Haram as-sarif. Drei Heiligtümer und ihre gegenseitigen Beziehungen in Legende und Wirklichkeit, in: Jerusalemer Heiligtumstraditionen in altkirchlicher und frühislamischer Zeit, Wiesbaden 1987, S. 1-27; hier S. 11. 273 Krüger, 2000, S. 61.

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mochte, in deren Nachfolge sich die christlichen Reiche Europas seit dem frü-

hen Mittelalter sahen. Das konstantinische Jerusalem wurde zum Symbol für

das himmlische,274 das Kreuz zum triumphalen Verweis auf die Heilgeschichte

und Golgatha – der heilige Berg der Christen – zum Gründungsstein und Nabel

der Welt.

4. Die christliche Topographie der heiligen Stadt

Die Etablierung der heiligen Stätten

Mit Konstantin begann sich das Antlitz der heiligen Stadt zu verwandeln. Aus

dem römischen Aelia Capitolina wurde das christliche Jerusalem. Golgatha mit

den konstantinischen Bauten bildete das neue Zentrum und im Verlauf des

vierten Jahrhunderts sollten der Ölberg und der christliche Zion neben dem Ort

der Kreuzigung und Auferstehung zu den wichtigsten Koordinaten in der reli-

giösen Topographie der Stadt Davids aufsteigen. Seit sich der erste römische

Kaiser dem Glauben an den Gekreuzigten zuwandte, entstand in Jerusalem eine

Vielzahl von christlichen Bauten; die Stadt erlebte einen ungeheuren Zustrom

von Gläubigen und Pilgern aus allen Teilen des Reiches, die nahe der heiligen

Stätten nach Unterkunft suchten und von denen nicht wenige bleiben woll-

ten.275 In den folgenden Jahrzehnten sollten daher unzählige Hospize und Klös-

ter in Jerusalem und im heiligen Land errichtet werden, Kirchen und Kapellen

riefen die Gläubigen zur Andacht und das Interesse an den heiligen Orten, die

dem Christentum so lange fremd geblieben waren, entzündete sich an den

Schauplätzen des Alten und Neuen Testamentes.276

Die Geschichte Jesu und der Apostel, aber auch die vielen Erzählungen und

Sagen des alten Bundes wurden in der heiligen Stadt und dem gelobten Land

Israels von den Christen verortet und in einem zunehmend dichten Netz von

Erinnerungen verankert. Während einiger Erinnerungen – wie Tod und Auf-

274 Kühnel, 1987, S. 66ff. 275 Herbert Donner: Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die ältesten Berichte christlicher Palästina-pilger (4.-7. Jahrhundert), Stuttgart 1979, S. 29ff. 276 Tsafrir, 1999, S. 138.

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erstehung Jesu – für Jahrhunderte an einem Ort gedacht werden sollte, fanden

andere erst nach und nach einen festen Platz. In Jerusalem, dem Mittelpunkt

der religiösen Topographie, dienten die heiligen Berge der Etablierung vieler

heiliger Stätten. So wie der Tempelberg in der Geschichte Israels und Judas

eine Vielzahl von Bedeutungen und Erinnerungen an sich gezogen hatte, zogen

die Berge abseits der Ruinen des jüdischen Heiligtums nun die Erinnerungen

an den Gottessohn, an seine Vorfahren und seine Nachfolger an sich.

In der bewegten Geschichte der heiligen Stadt sollten das vierte und fünfte

Jahrhundert eine Zeit des Friedens und des Aufschwungs darstellen. Nach

Konstantin begann eine Blütezeit für Jerusalem, das von den christlichen Her-

ren Roms gefördert wurde. Nur kurz erstand erneut der Schrecken paganer

Herrschaft in der Person des Kaisers Julian (361-363), der sich von der Reli-

gion des Gekreuzigten abwandte und nicht nur die althergebrachten Kulte för-

derte, sondern den Juden den Tempel Jahwes wieder errichten wollte. Doch ein

Erdbeben brachte die Bauarbeiten auf dem Tempelberg zum Erliegen und der

Kaiser starb plötzlich auf seinem Feldzug gegen die Perser: ein Triumph für die

Christen, die darin die göttliche Bestätigung des neuen Jerusalems sahen.277

Die Stadt Jahwes wurde endgültig christlich und erwuchs den Gläubigen des

dreieinigen Gottes zum großflächigen Erinnerungsraum, in dem besonders die

Kirchenbauten auf den heiligen Bergen der Etablierung einer religiösen Topo-

graphie dienten. Dennoch sollte die Vielzahl der neu- und alttestamentlichen

Konnotationen lange beweglich bleiben und einzelne Geschichten erst nach

Jahrhunderten einen festen Ort finden. Die Begünstigung der Stadt durch den

nunmehr in Konstantinopel beheimateten Hof und wohlhabende Gönner er-

möglichte einerseits die rasche Etablierung eines dichten Netzes mani-festierter

Erinnerungsorte, erleichterte aber auch die Abwanderung einzelner Erinnerun-

gen an neue, möglicherweise passendere Orte, durch die stets neu entstehenden

Kirchen und Kapellen, die sich dem Gläubigen und den wissensdurstigen Pil-

gern zur Andacht anboten.

Eine Bedrohung erwuchs dem neuen Jerusalem erst zu Beginn des siebten

Jahrhunderts aus dem Persien der Sassaniden. 611 fiel Antiochia, 613 Damas-

277 Hunt, 1984, S. 156f.

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kus und 614 die heilige Stadt nach 20tägiger Belagerung. Unzählige Menschen

fanden den Tod, viele christliche Kirchen gingen in Flammen auf und die Reli-

quie des heiligen Kreuzes, das Herzstück der christlichen Welt, wurde nach

Persien verbracht.278 Die Kirchen wurden wieder aufgebaut, das Kreuz zurück

erobert und 631 n. Chr. in einem feierlichen Triumphzug von Kaiser Heraklios

persönlich in die Grabeskirche gebracht, und doch setzte dieser erste Bruch in

der Tradition der christlichen Stadt viele Erinnerungen wieder frei. Jetzt zeigte

sich, welche heiligen Orte durch das Bauprogramm der byzantinischen Zeit

etabliert waren – sie sollten die Eckpunkte der heiligen Stadt werden und die

Stürme der kommenden Jahrhunderte überstehen.

Golgatha, Ölberg und Zion wurden im Verlauf des vierten und fünften Jahr-

hunderts zu den Koordinaten, zwischen denen sich das spirituelle und liturgi-

sche Leben der Gläubigen und Pilger in Jerusalem abspielte. Die Funktion

Golgathas als religiöser Mittelpunkt der heiligen Stadt war vergleichsweise

schnell etabliert, die konstantinischen Bauten, die Tod und Auferstehung Jesu

in einem Komplex erinnerten, die Legende der Kreuzauffindung und die Kraft

der Kreuzverehrung erschufen den mächtigsten Erinnerungsort der Christenheit

in Jerusalem, dessen Wirkmacht bald die legendären Erinnerungen des Tem-

pelberges an sich zog. Doch anders als bei der Entstehung des Tempels Jahwes

auf dem Zion, der ja ebenfalls als königliche Stiftung eines Heiligtums begann

und in einem lange währenden Prozess zum Mittelpunkt und überzeitlichen

Zentrum des Glaubens an den einen Gott werden sollte, erinnerte das Christen-

tum seinen Gott und dessen Menschwerdung nicht nur auf Golgatha, sondern

an vielen Stätten. So wie einst die Stämme Israels – vor David, Salomo, Jesaja

und Josija – die Begegnungen Jahwes mit den Erzvätern an vielen Heilig-

tümern erinnerten, gedachten die Christen der Geschichte Jesu und der seines

Volkes und seiner Nachfolger an vielen Orten, besonders aber gedachten sie

der Stationen seiner Passion, die ihnen das ewige Heil gewährte, auf den heili-

gen Bergen Jerusalems.

278 Otto, 1980, S. 196.

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Abb. 8

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Der Ölberg

Den Ölberg hatte Eusebius schon vor der konstantinischen Wende als wichti-

ges Ziel christlicher Pilger benannt.279 Von dem der Stadt gegenüber liegenden

Berg betrachteten sie die Zerstörung des jüdischen Tempels, worin sie die Er-

füllung der Verkündigung des Gekreuzigten sahen, und in einer kleinen Grotte

erblickten sie den Ort der Unterweisung der Jünger durch Jesus und die Stätte

der Himmelfahrt des Auferstandenen (Eusebius d.e. 6,18).280 Helena stiftete

auf ihrer Reise durch das heilige Land eine Kirche, die diese an die kleine Höh-

le auf dem Ölberg gebundenen Erinnerungen manifestierte. In der Beschrei-

bung der Stiftung durch die Kaisermutter findet sich in den Schriften des Euse-

bius der erste Hinweis, dass zu dieser Zeit auf dem Berg auch Fußabdrücke

Jesu verehrt wurden.281 Die Eleona genannte Kirche zog als erster christlicher

Bau auf dem Ölberg anfangs weitere neutestamentliche Erinnerungen an sich

wie die an das Abendmahl und das Pfingsterlebnis. Zusammen mit der Grabes-

kirche bildete sie die ersten Kristallisationspunkte der Jerusalemer Liturgie, die

es den gläubigen Christen wie an keinem anderen Ort ermöglichte, sich auf den

Spuren des Erlösers und damit in seiner Nachfolge zu bewegen.282

Allerdings sollte des Aufstieges Jesu in den Himmel schon bald auf der

Kuppe des Berges gedacht werden, den seit Ende des vierten Jahrhunderts ein

von der aus dem römischen Kaiserhaus stammenden Poemenia gestifteter

Rundbau, die Kirche der heiligen Himmelfahrt, schmückte.283 Fußspuren des

Herrn wurden seit Beginn des fünften Jahrhunderts in der neuen Himmel-

279 Walker, 1990, S. 202ff. 280 Bei Eusebius findet sich an dieser Stelle ebenfalls die Vorstellung, die Herrlichkeit Gottes wäre mit der Zerstörung des Tempels auf den Ölberg gezogen. Zwar überlebt diese Vorstellung nicht, aber sie zeigt, dass dem christlichen Denken das jüdische Konzept eines wahren heiligen Ortes, der durch die einmalige Präsenz Gottes gekennzeichnet ist, zunächst näher steht als die römische Vielfalt heiliger Stätten, die seit Konstantin das heilige Land und Jerusalem prägen sollte. Vgl. dazu Taylor, 1993, S. 152ff. 281 Eusebius berichtet über den Besuch der frommen Mutter des Kaisers auf dem Ölberg: „Als sie [Helena] aber den Fußstapfen des Erlösers die gebührende Verehrung erwies, nach dem Worte des Propheten, der da sagt: ‚Laßt uns anbeten an dem Orte, an dem seine Füße gestan-den‘, wollte sie sofort eine Frucht ihrer eigenen Gottesfurcht auch den späteren Geschlechtern hinterlassen.“ Eusebius v.c. 3,42. 282 Tsafrir, 1999, S. 140. 283 Vgl. dazu u.a. Taylor, 1993, S. 143ff. Hunt, 1984, S. 162.

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fahrtskirche verehrt (Paulinus von Nola ep. 31,4).284 Beide Kirchen fielen 614

n. Chr. dem Ansturm der Perser zum Opfer, doch während die Himmelfahrts-

kirche auf dem Gipfel des Ölbergs nach ihrem Wiederaufbau in der wechsel-

haften Geschichte der Stadt weiterhin als Erinnerungsort der Himmelfahrt

diente – an dem bis heute der Fußabdruck Jesu gezeigt wird – sollte die Eleona,

im vierten Jahrhundert neben der Grabeskirche das wichtigste Heiligtum des

christlichen Jerusalems, ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren. Die Grotte

zog schließlich das Gedenken an die Unterweisung der Jünger im Vater Unser

an sich und seit der Zeit der Kreuzfahrer verkündet ein Kirchenbau diesen Ort

als Schauplatz des ersten christlichen Gebetes.285

Der Ölberg, Teil der Stadt und doch außerhalb gelegen, sollte seit dem vier-

ten Jahrhundert auch zum Zentrum monastischer Bauten werden.286 Begüterte

Pilger, die in die heilige Stadt reisten und zu bleiben beschlossen, errichteten

Klöster und Hospize, widmeten sich dem frommen Leben nahe der heiligen

Stätten, der Armenfürsorge und der Betreuung der Pilgerströme, die aus allen

Teilen des Reiches nach Jerusalem kamen. So gründeten Rufinus und Melania

die Ältere, eine reiche Witwe der römischen Senatsaristokratie, nach 379 ein

Kloster auf dem Berg gegenüber der Stadt und lebten dort in asketischer Ge-

meinschaft mit weiteren frommen Männern und Frauen (Palladius hist. laus.

46; 54).287 Zu Beginn des fünften Jahrhunderts sollte die Enkelin der berühm-

ten Pilgerin, Melania die Jüngere, das Werk ihrer Großmutter fortsetzen. Sie

spendete große Teile ihres Vermögens an die Kirche, kehrte mit ihrem Gatten

Rom den Rücken und ließ sich nach längeren Reisen in Jerusalem nieder, wo

sie ebenfalls an den Hängen des Ölberges ein monastisches Leben führte (Ge-

rontius v. Mel. 35; 41). Sie errichtete ein weiteres Kloster, stiftete ein Martyri-

284 Heute steht an dieser Stelle die Himmelfahrtsmoschee, in deren Komplex sich eine Himmel-fahrtskapelle aus der Kreuzfahrerzeit befindet, die über dem überlieferten Fußabdruck Jesu errichtet wurde. 285 Taylor, 1993, S. 151f. 286 Vgl. dazu etwa Bieberstein/Bloedhorn, 1994, Bd. 1, S. 159f. 287 Armstrong, 1996, S. 197f. Maribel Dietz: Itinerant Spirituality and the Late Antique Origins of Christian Pilgrimage, in: Travel, Communication and Geography in Late Antiquity: Sacred and Profane, hg. v. Linda Ellis u. Frank L. Kidner, Aldershot/ Burlington 2006, S. 125-134; hier S. 132.

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um nahe der Auferstehungskirche und förderte wie ihre Vorfahrin das Ansehen

des Ölberges als heiliger Ort in der Topographie der Stadt.288

Der christliche Zion

Das konstantinische Bauprogramm, das neben Tod und Auferstehung auf Gol-

gatha auch der Geburt in Bethlehem und der Himmelfahrt auf dem Ölberg ge-

dachte, schloss den christlichen Zion nicht in die kaiserlichen Zuwendungen

ein. Der Berg, teilweise außerhalb der Stadtmauern gelegen, lag wüst, war

kaum bewohnt und bewahrte zu Beginn der christlichen Gestaltung Jerusalems

nur wenige Erinnerungen an das Leben Jesu. Der Pilger von Bordeaux sah um

333 n. Chr. auf dem Zion eine Geißelungssäule Christi, das Haus des Kaiphas

und eine von ehemals sieben Synagogen, von einer christlichen Kirche berich-

tet er nichts (Itin. Burd. 16).289 Doch der Berg Zion barg in der Überlieferung

die Erinnerung an die Urgemeinde, die Mutter aller Kirchen, und schon Cyrill

von Jerusalem berichtet von einer Apostelkirche, in der das Pfingstereignis

erinnert wurde (Cyrill catech. 16,4).290 Dieser für die Jerusalemer Gemeinde in

besonderer Weise Identität schaffende Ort wurde in der Folgezeit von den Bi-

schöfen der Stadt in dem gleichen Maße gefördert wie sie innerhalb der kirch-

lichen Hierarchie nach Anerkennung ihres Sitzes als Patriarchat strebten, ver-

band sie doch die Erinnerung an das Pfingstwunder mit dem neutestament-

lichen Beginn der christlichen Kirche.291

Cyrill, in dessen Episkopat nicht nur eine Kreuzesvision über der Stadt, son-

dern auch der wundersame Fund der Gebeine des Herrenbruders Jakobus –

erster Bischof der Christenheit – die heiligen Stätten bereicherte, erreichte auf

288 Vgl. dazu etwa Timo Stickler: Das Bild Melanias der Jüngeren in der Vita Melaniae Iunio-ris des Gerontius, in: Frauen und Geschlechter. Bilder – Rollen – Realitäten in den Texten antiker Autoren zwischen Antike und Mittelalter, hg. v. Robert Rollinger u. Christoph Ulf, unt. Mitarb. v. Kordula Schnegg, Wien/Köln/Weimar 2006, S. 167-190; hier S. 173ff. Tsafrir, 1999, S. 138. 289 Die Synagoge auf dem Zion in dem Bericht des Pilgers von Bordeaux hat der Forschung viele Rätsel aufgegeben und die Deutung dieser Angabe ist bis heute umstritten. Vgl. dazu etwa Taylor, 1993, S. 210ff. Walker, 1990, S. 285ff. 290 Otto, 1980, S. 160ff. 291 Vgl. etwa Zeev Rubin: The Cult of the Holy Places and Christian Politics in Byzantine Jerusalem, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 151-162. Walker, 1990, S. 296f.

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dem Konzil von Konstantinopel 381-382 die Auszeichnung Jerusalems als

‚Mutter aller Kirchen‘ und als den apostolischen Metropolen Alexandria und

Antiochia ebenbürtig. Doch die Konkurrenz zu Cäsarea, der Metropole Palästi-

nas, bestand weiter.292 Während auf dem Zion wohl Ende des vierten Jahr-

hunderts eine prächtige Kirche entstand, die Hagia Zion, die seit 415, nach

einem weiteren wundersamen Fund, die Gebeine des heiligen Stephans behei-

matete, rang Bischof Johannes II. von Jerusalem, der Nachfolger Cyrills, weiter

um den kirchenpolitischen Vorrang.293 Bischof Juvenal von Jerusalem erreichte

schließlich auf dem Konzil von Chalcedon 451 die Anerkennung seines Sitzes

als Patriarchat und der christliche Zion war zu einem der zentralen Er-

innerungsorte der Stadt aufgestiegen.

Die Kathedrale auf dem Zion diente zunächst vor allem den Erinnerungen

an die apostolische Tradition Jerusalems. Hier wurde die Kathedra des Jakobus

gezeigt und, seit ihrem Fund, die Reliquien des heiligen Stephans wie auch die

Steine seiner Hinrichtung. Die Gebeine des für den Bischofssitz Jerusalems so

bedeutenden ersten Märtyrers sollten ab 439 in die eigens errichtete St. Ste-

phans Basilika im Norden der Stadt überführt werden, deren feierlicher Ein-

weihung Eudokia beiwohnte, die Gattin des Kaisers Theodosius II., die das

heilige Land als Pilgerin bereiste. Eudokia, die wenige Jahre später aus unbe-

kannten Gründen Konstantinopel verlassen musste und bis zu ihrem Lebensen-

de in Jerusalem im Exil lebte, sollte das Bild der Stadt so nachhaltig prägen

wie es die Bautätigkeit Konstantins getan hatte.294 Die St. Stephans Basilika

wurde unter ihrer Förderung zu einem großartigen Komplex ausgebaut, sie

stiftete in und um Jerusalem Kirchen, Klöster, Pilgerherbergen und Hospize

292 Rubin, 1999, S. 154f. 293 Ob es sich bei der Hagia Zion um einen Neubau oder eine Erweiterung der Apostelkirche handelte, ist in der Forschung umstritten, sicher ist nur, dass Ende des 4. oder Anfang des 5. Jh. ein größerer Bau auf dem Zion zu finden war. Vgl. dazu Otto, 1980, S. 186. Taylor, 1993, S. 212f. Rubin, 1999, S. 156f. 294 Hunt, 1984, S. 238. Siehe zu Eudokia auch Noel Lenski: Empresses in the Holy Land: The Creation of a Christian Utopia in Late Antiquity, in: Travel, Communication and Geography in Late Antiquity: Sacred and Profane, hg. v. Linda Ellis u. Frank L. Kidner, Alder-shot/Burlington 2006, S. 113-124; hier S. 117f.

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und förderte den Bau einer neuen Stadtmauer, die den christlichen Zion und

mit ihm die Hagia Zion in den Stadtraum einbezog.295

Neben der apostolischen Tradition zog die Kathedrale auf dem Zion auch

das Gedenken an den Lebensabend der Gottesmutter Maria an sich296 und Ele-

mente der Passionsgeschichte wie die Erinnerung an das letzte Abendmahl, die

offenbar schon früh hier lokalisierte Geißelung Jesu, die Fußwaschung und

Jesu Ankündigung des Verrates durch Judas und die Verleumdung durch Pet-

rus. Außerdem adelten in byzantinischer Zeit Passionsreliquien die Kathedrale,

Pilger konnten auf dem Zion den Abendmahlsbecher, die Dornenkrone, die

Lanze von der Kreuzigung Jesu bestaunen, und vollendet wurde die Etablie-

rung des christlichen Zions durch das Salbungshorn der Davididen und jenen

Eckstein, von dem es bei Jesaja hieß:

„Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen kostbaren Eckstein, der fest

gegründet ist.“ Jes 28,16

Der Standort auf dem heiligen Berg sollte nicht nur die Zerstörung von 614

überdauern; bis heute erinnern Nachfolgebauten an die Stiftung der Eucharis-

tie, das Pfingstwunder und den Tod der Maria. Frühestens im elften Jahrhun-

dert wird schließlich auch das Grab König Davids an dieser Stätte lokalisiert

und der christliche Zion gilt seitdem den drei abrahamitischen Religionen als

Erinnerungsort für den ersten Eroberer der heiligen Stadt.297

Die Stadt wird seit dem vierten Jahrhundert zum Erinnerungsraum, die hei-

ligen Stätten vervielfältigen sich und die Berge Jerusalems werden zu Symbo-

len der auf ihnen gedachten Elemente der christlichen Heilsgeschichte. Die

einzelnen Orte innerhalb der religiösen Topographie dienen dem Gläubigen als

Zeugen für das göttliche Wirken in der irdischen Welt.

295 Hunt, 1984, S. 237ff. Vgl. außerdem Bieberstein/Bloedhorn, 1994, Bd. 1, S. 160f. 296 Tsafrir, 1999, S. 149ff. Seit dem 12. Jh. wurde des Todes der Maria in einer Kirche nahe der Hagia Zion gedacht, der Bau wurde nach dem Ende der Kreuzfahrerherrschaft zerstört, die heutige Dormitio-Basilika Anfang des 20. Jh. über dem ehemaligen Kreuzfahrerbau errichtet. Das Grab der Maria wird in Jerusalem im Kidrontal erinnert, nahe der Kirche der Nationen. In Ephesus, in der heutigen Türkei, gibt es eine weitere Stätte, das sogenannte Haus der Maria, an dem seit dem späten 19. Jh. des Lebensabends, Todes und der Grablegung der Maria gedacht wird. 297 Vgl. Halbwachs, 2003, S. 88-100; besonders S. 94f.

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„Zeugnis gibt die Palme im Tale, die ihre Zweige den dereinst dem Herrn zujubelnden

Kindern bot. Der Ort Gethsemane gibt Zeugnis; den, der Phantasie hat, läßt er immer

noch Judas sehen. Dieser heilige, weithin sichtbare Golgatha gibt Zeugnis; Zeugnis

gibt das heilige Grabmal und der Stein, der bis auf diesen Tag noch dort liegt.

Zeugnis gibt die Sonne, die jetzt leuchtet, damals aber, zur Zeit des heilbringenden

Leidens, sich verfinstert hatte. Zeugnis gibt die Finsternis, welche damals von der

sechsten bis zur neunten Stunde geherrscht hatte. Zeugnis gibt das Licht, das von der

neunten Stunde bis zum Abend leuchtete. Der heilige Ölberg gibt Zeugnis; denn von

hier aus fuhr Christus zum Vater auf.“ Cyrill catech. 10,19

5. Pilger, Kirchenväter und die heilige Stadt

Die christliche Wallfahrt

Mit Konstantin hatte das Christentum seinen Siegeszug angetreten, Jerusalem

stieg zum Mittelpunkt der christlichen Welt auf und die heiligen Berge bildeten

die Kristallisationspunkte der neu entstehenden religiösen Topographie. Geför-

dert wurde dieser Prozess durch die immer zahlreicher werdenden christlichen

Pilger, die aus allen Teilen des Reiches zu den heiligen Orten zogen, an denen

sie in vorher ungekannter Weise ihren Glauben stärken und ihrer Frömmigkeit

Ausdruck verleihen konnten. Die Wallfahrt zu den Orten, an denen die Men-

schen die besondere Nähe des Göttlichen suchten, war kein christliches Phä-

nomen. In der gesamten antiken Welt wurden Götter an heiligen Stätten ver-

ehrt, in den paganen Kulten ebenso wie im Judentum. Oft waren es Quellen,

Haine oder Bergeshöhen, denen eine göttliche Präsenz zugesprochen wurde

und die zu Wallfahrtsorten mit regionaler oder überregionaler Anziehungskraft

heranwuchsen. Pilger suchten Heilung oder Antworten, sie erfüllten Gelübde

oder folgten einer frommen Neugier, wenn sie die Reise zu einem Heiligtum

auf sich nahmen, um dort Gebete zu sprechen und Opfer zu bringen.298

298 Zur antiken Wallfahrt vgl. Kötting, 1950, S. 12-79, zur außerchristlichen Wallfahrt. Kötting unterscheidet Wallfahrer und Pilger insofern, als der Wallfahrer die Absicht hat, wieder nach Hause zurückzukehren, während die Pilgerfahrt diesen Willen zur Rückkehr nicht enthalten

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Das Christentum, dessen Theologie sich zunächst dem Jenseits zuwandte,

fand schon in der lokalen Märtyrerverehrung zu den Grundformen der Wall-

fahrt zurück, doch konnten in den Zeiten der Verfolgung die besuchten Stätten

kaum durch Bauten ausgezeichnet werden. Nur wenige fanden in den Jahrhun-

derten vor Konstantin ihren Weg zu den Schauplätzen des Alten und Neuen

Testamentes, erst die veränderte Religionspolitik seit Beginn des vierten Jahr-

hunderts erlaubte es den Christen, Erinnerungsorte der Heilsgeschichte zu be-

suchen und durch Kirchenbauten zu verfestigen. Schon vorher hatte die Reli-

gion des Gekreuzigten begonnen, sich dem diesseitigen Leben zuzuwenden

und auch Orten, Bauten und Reliquien die besondere Gottesnähe zuzusprechen,

die in der neutestamentlichen Nachfolge zunächst nur der Gemeinschaft der

Gläubigen gegolten hatte.299 Mit dem Bauprogramm im heiligen Land begüns-

tigte Konstantin die christliche Wallfahrt nach Jerusalem und seine Auszeich-

nung zentraler Stätten der Geschichte Jesu sollte die religiöse Topographie der

heiligen Stadt und die Erfahrungen der Pilger in den kommenden Jahrhunder-

ten prägen.

Der Pilger von Bordeaux

Der früheste christliche Pilgerbericht liegt von einem namentlich unbekannten

Pilger aus Bordeaux vor, der um 333, wenige Jahre vor der Vollendung der

konstantinischen Grabeskirche, Jerusalem und das heilige Land bereiste.300 Das

knapp gehaltene Itinerarium Burdigalense lässt noch nichts von der über-

schwänglichen Begeisterung späterer Itinerarien spüren und ist doch ein wich-

tiges Zeugnis für die Entstehung der christlichen Erinnerungsorte in der heili-

gen Stadt. Der Pilger von Bordeaux beschreibt seinen Weg durch Jerusalem

vom Tempelberg aus, der offensichtlich sein erstes Ziel in der Stadt war, und

mit dem er verschiedene Geschichten zu verbinden weiß. Auf dem Tempelberg

muss. Ebd., S. 11. Auf diese Unterscheidung wird bei der Untersuchung der heiligen Stätten verzichtet, heimkehrende wie bleibende fromme Besucher Jerusalems werden als Pilger be-zeichnet. 299 Ebd., S. 89ff. Donner, 1979, S. 28f. 300 Glenn Bowman: „Mapping History’s Redemption“. Eschatology and Topography in the Itinerarium Burdigalense, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 163-187.

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sieht der Pilger von Bordeaux nicht nur den Turm der Versuchung Jesu (Mt

4,5-7) und den Eckstein, den ‚die Bauleute verworfen haben‘ (Mt 21,42), son-

dern auch Räumlichkeiten, die ihm als Palast Salomos gezeigt werden, Spuren

der Hinrichtung des Zacharias, Vater des Täufers, zwei Statuen des Hadrian

und den Stein, an dem die Juden alljährlich die Zerstörung des Tempels bekla-

gen (Itin. Burd. 15-16). Der ehemalige Standort des Tempels Jahwes ist zu

dieser Zeit vielfach belegt und zunächst Teil der entstehenden christlichen Er-

innerungslandschaft.

Von dort begeht der Anonymus den christlichen Zion, wo er das Haus des

Hohepriesters Kaiphas erblickt, die Geißelungssäule Jesu, einen Palast Davids

und eine von ehemals sieben Synagogen (Itin. Burd. 16). Jüdische und christli-

che Erinnerungsorte sind nebeneinander vorhanden und werden in ihrer Be-

schreibung weder gewertet noch unterschieden. Erst Golgatha mit den neuen

konstantinischen Bauten hebt sich in der Schilderung des Pilgers deutlich von

den Aufzählungen der vorher besuchten Stätten ab. Der noch unvollendete Kir-

chenbau bezeichnet einen besonderen Ort und seine Schönheit hebt ihn vom

Rest der Stadt ab.

„Auf der linken Seite aber ist der kleine Hügel Golgotha, wo der Herr gekreuzigt

wurde. Ungefähr einen Steinwurf davon entfernt befindet sich eine Höhle, wo sein

Leib bestattet war und am dritten Tage auferstand. Dort ist auf Befehl des Kaisers

Konstantin eine Basilika, d.h. eine Kirche, von wunderbarer Schönheit errichtet

worden. Sie hat Becken an der Seite, aus denen Wasser entnommen wird, und hinten

ein Bad, in dem die Kinder getauft werden.“ Itin. Burd. 17

Die Kreuzesverehrung ist dem Pilger unbekannt, wohl aber erwähnt er ein Bap-

tisterium, und belegt damit die Taufpraxis in der Grabeskirche, die in den

Taufkatechesen des Cyrill von Jerusalem für die Mitte des vierten Jahrhunderts

so anschaulich überliefert wurde. Für den Anonymus aus Bordeaux ist Golga-

tha der Schauplatz von Tod und Auferstehung Jesu, andere Traditionen kennt

er nicht. Die ‚wunderbare Schönheit‘ der konstantinischen Basilika und die

kaiserliche Stiftung erscheinen ihm genauso erwähnenswert wie die heilsge-

schichtliche Bedeutung des Ortes, ein Zeichen für das Staunen des christlichen

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Besuchers – nicht nur ob der heiligen Stätten, sondern auch ob der wundersa-

men politischen Entwicklung nach den Jahrhunderten der Verfolgung, die sol-

che Bauten erst ermöglichte. Sein weiterer Weg führt ihn den Ölberg hinauf,

wo er die Eleona sieht, die er zwar mit der Belehrung der Jünger, nicht aber mit

der Himmelfahrt verbindet. Auch die Kuppe des Berges ist für diesen frühen

Pilger nicht Erinnerungsort der Ascensio, sondern der Verklärung Jesu (Itin.

Burd. 18).301

Schon in dieser frühen Phase der Entstehung einer christlichen Topographie

dienen die Berge dem frommen Besucher als Orientierung bei seinem Weg

durch die Stadt. Auffällig ist jedoch die zunächst überschaubare Belegung hei-

liger Orte mit einzelnen Personen oder Geschichten aus dem Alten und Neuen

Testament – angesichts der späteren Vielfalt der Erinnerungen an den zentralen

Stätten. Markante Denkmäler aus den verschiedenen Epochen der Stadtge-

schichte wie auch die konstantinischen Bauten sind diesem frühen Besucher

aus dem Westen des Reiches gleichermaßen Erinnerungsträger, und seine Be-

reitschaft, die gegenwärtigen Gegebenheiten der Stadt als Stätten der Heilsge-

schichte zu sehen, entspricht dabei der Geisteshaltung auch aller folgenden

Pilger, denen die Stadt eine zunehmend dichte Erinnerungslandschaft bieten

sollte.302 Die Etablierung einer Vielfalt von Erinnerungsorten speiste sich dabei

vermutlich ebenso aus dem Interesse der Pilger wie aus dem Wunsch der in

Jerusalem ansässigen Geistlichkeit, die fromme Neugier zu stillen.

Egeria

Der Pilgerbericht der Egeria vom Ende des vierten Jahrhunderts weiß nicht nur

von einer Vielzahl dem Pilger von Bordeaux noch unbekannter Erinnerungsor-

te zu berichten, sondern er benennt auch neue Bedeutungsebenen der zentralen

heiligen Stätten.303 Das Itinerarium der Egeria, in dem eine fromme Pilgerin

ihre mehrjährige Reise durch die biblischen Lande beschreibt, enthält eine ein-

zigartige Schilderung der Jerusalemer Liturgie, die die heiligen Orte der Stadt

mit einem Gefüge an Bedeutungen und ritueller Vergegenwärtigung ver- 301 Taylor, 1993, S. 151. 302 Vgl. dazu Hunt, 1984, S. 84f. 303 Zu einem Vergleich der Beschreibungen des heiligen Landes bei dem Pilger von Bordeaux und Egeria siehe Bowman, 1999, S. 268f.

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band.304 Liturgische Tagzeiten, Fastentage und der Sonntag als Tag des Herrn

gliederten das Leben der Geistlichkeit wie des frommen Besuchers. Mehrmals

täglich fanden sich die Gläubigen an den zentralen Stätten zum Gebet zusam-

men, der Komplex der Grabeskirche bildete dabei den unbestrittenen Mittel-

punkt der Jerusalemer Stundenliturgie: Hier, zwischen Anastasis, Kreuz und

Basilika, wurden täglich die ersten Gebete vor Sonnenaufgang gesprochen und

die letzten zur Nacht, wurde in Anwesenheit des Bischofs der Sonntag began-

gen und die Eucharistie gefeiert (Itin. Eg. 24; 25,1-6).

Das Kirchenjahr ist in der heiligen Stadt schon im vierten Jahrhundert durch

vier große Feste gegliedert: Epiphanien, Ostern, Pfingsten und das Kirchweih-

fest der Grabeskirche. Die Kirchenbauten auf den heiligen Bergen der Stadt

sind dabei die wichtigsten Stationen, zwischen denen sich Pilger und Geistliche

im Nachvollzug biblischen Geschehens bewegen.305 Der Ölberg mit der von

Helena gestifteten Kirche ist, wie auch die Apostelkirche auf dem Zion, zur

Zeit Egerias fest in das liturgische Geschehen Jerusalems eingebunden. In der

Osterwoche zieht die Gemeinde immer wieder vom Komplex der Grabeskirche

auf den Berg gegenüber der Stadt, um die einzelnen Stationen der Passion fei-

erlich zu begehen. Das Itinerarium beschreibt detailliert die vielen Gänge der

Gläubigen zu den heiligen Stätten, die einzelnen Stationen, die Andachten und

Lesungen, etwa am Palmsonntag:

„Um die siebte Stunde steigt das ganze Volk auf den Ölberg, das heißt nach Eleona,

[und geht] in die Kirche. ... Zu Beginn der neunten Stunden steigt man mit Hymnen

zum Imbomon hinauf, das heißt an jenen Ort, wo der Herr in den Himmel auffuhr.

Dort setzt man sich. ... Dort werden wieder zu Tag und Ort passende Hymnen und

304 Zur Überlieferungsgeschichte und der Identität Egerias vgl. u.a. Egeria: Itinerarium. Reise-bericht, mit Auszügen aus: Petrus Diaconus: De locis sanctis. Die heiligen Stätten, übers. u. eingel. v. Georg Röwekamp u. Dietmar Thönnes (Fontes Christiani, hg. v. Norbert Brox u.a., Bd. 20), Freiburg u.a. 1995, S. 9-40. Donner, 1979, S. 69-80. Zur Jerusalemer Liturgie vgl. u.a. Bradshaw, Paul F.: The Influence of Jerusalem on Christian Liturgy, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 251-259. 305 Die Beschreibung der Jerusalemer Liturgie schildert vielfach die zentrale Stellung der kon-stantinischen Bauten auf Golgatha. Vgl. etwa u.a. Itin. Eg. 24;25; 30, die liturgische Bedeutung der Kirche auf dem Zion findet ebenso Erwähnung (25,6.11; 26,5-7; 39,5) wie die Einbindung der Eleona (25,11; 31,1-4; 33,1).

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Antiphonen rezitiert – genauso auch dazwischen eingefügte Lesungen und Gebete.“

Itin. Eg. 31,2

Egeria bezeichnet den Ölberg als Eleona, ein Name, der auf die konstantinische

Kirche übergehen sollte. Schon in dieser Zeit wird der Himmelfahrt des Herrn

an einer anderen Stelle, dem Imbomon – der Hügelkuppe – gedacht. Vom Öl-

berg aus zieht der Bischof, nach der Lesung der entsprechenden Stelle aus dem

Matthäusevangelium (Mt 21,1-11), mit dem Volk feierlich zurück in die Stadt:

„Und wenn die elfte Stunde begonnen hat, wird die Stelle aus dem Evangelium vorge-

lesen, wo die Kinder mit Zweigen und Palmwedeln dem Herrn entgegengehen und

rufen: ‚Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn.‘ Sofort erhebt sich der Bischof,

und dann geht das ganze Volk zu Fuß von der Spitze des Ölbergs hinab. Das ganze

Volk geht vor ihm her mit Hymnen und Antiphonen und rezitiert als Antwortvers

immer: ‚Gesegnet, der kommt im Namen des Herrn.‘ ... So wird der Bischof in der

Weise geleitet, wie der Herr begleitet worden ist. Vom Gipfel des Berges bis zur Stadt

und von dort durch die ganze Stadt bis zur Anastasis gehen alle den ganzen Weg zu

Fuß, auch wenn es vornehme Damen und Herren sind.“ Itin. Eg. 31,2-4

Die Liturgie führt den Gläubigen mit den stets passenden Gesängen, Lesungen

und Gebeten durch das Nacherleben der Geschichte Jesu. Der Ölberg ist glei-

chermaßen Andachts- wie Erinnerungsort: Der heilige Berg und die dort nach-

empfundene Geschichte werden in der Liturgie eins.306

Die Grabeskirche auf Golgatha, die Eleona auf dem Ölberg und die Apos-

telkirche auf dem christlichen Zion, die zu besonderen Gebeten an den wö-

chentlichen Fastentagen, Mittwoch und Freitag, und an Pfingsten besucht wur-

de (Itin. Eg. 26,5; 43,2-3), bilden die zentralen Stätten des religiösen Lebens

der heiligen Stadt. Doch der Grabeskirche auf Golgatha kommt als Ort der

Kreuzverehrung eine besondere Bedeutung zu. Als elementarer Bestandteil der

Passionswoche wird den Gläubigen am Karfreitag die Kreuzesreliquie darge-

boten:

306 Vgl. dazu Jonathan Z. Smith: To Take Place. Toward Theory in Ritual, Chicago/London 1987, S. 86: „In Jerusalem, story, ritual, and place could be one.“

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„Dann wird auf Golgota für den Bischof hinter dem Kreuz, das [dort] jetzt steht, ein

Sitz aufgestellt, und der Bischof läßt sich auf dem Sitz nieder. Vor ihn wird ein mit

Leinen gedeckter Tisch gestellt, und die Diakone stehen um den Tisch herum. Dann

wird ein vergoldetes Silberkästchen gebracht, in dem sich das heilige Holz des

Kreuzes befindet; es wird geöffnet, das Kreuzesholz wird herausgehoben und

zusammen mit der [Kreuzes-] Inschrift auf den Tisch gelegt. …Wenn es nun auf den

Tisch gelegt worden ist, hält der Bischof im Sitzen die beiden Enden des heiligen Hol-

zes mit den Händen fest; die Diakone aber, die [um den Tisch] herum stehen,

bewachen es. Es wird deshalb so bewacht, weil es üblich ist, daß das Volk, einer nach

dem anderen, kommt, sowohl die Gläubigen als auch die Katechumenen. Sie

verbeugen sich vor dem Tisch, küssen das heilige Holz und gehen weiter. Und weil

irgendwann einmal jemand zugebissen und einen Splitter vom Kreuz gestohlen haben

soll. Deshalb wird es nun von den Diakonen, die [um den Tisch] herum stehen, so

bewacht, daß keiner, der herantritt, wagt, so etwas wieder zu tun.“ Itin. Eg. 37,1-2

Die Anordnung der feierlichen Anbetung wie auch die geschilderten Sicher-

heitsmaßnahmen sprechen von der Etablierung nicht nur der Verehrung des

Kreuzes, dessen wundersame Auffindung Egeria nur nebenbei erwähnt (Itin

Eg. 48,1), sondern auch des heiligen Ortes, dessen Existenz die Grundlage des

liturgischen Vollzugs bildet. Der Pilgerin sind die heiligen Stätten eine Selbst-

verständlichkeit, ihretwegen begibt sie sich nach Jerusalem, an ihnen wird

Heilsgeschichte nicht nur mittelbar gegenwärtig, sondern sie wird real.

„Nachdem dann die Entlassung vom Kreuz erfolgt ist, das heißt, bevor die Sonne

aufgeht, geht sofort jeder eifrig zum Zion, um bei der Säule zu beten, an der der Herr

gegeißelt wurde.“ Itin. Eg. 37,1

Die Geißelungssäule auf dem Zion, die schon der Pilger von Bordeaux gesehen

hatte, ist Ende des vierten Jahrhunderts fester Bestandteil des liturgischen Ge-

schehens, weil sie als Erinnerungsort fungiert. Die heiligen Orte des Lebens

Jesu werden dem Gläubigen zu einer religiösen Topographie, die es ihm er-

laubt, sich auf den Spuren des Erlösers und damit in seiner Nachfolge zu be-

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wegen.307 Die Aufladung zentraler Schauplätze mit einer Vielzahl an Bedeu-

tungen erscheint dem christlichen Pilger dabei als natürliche Folge der dem

Heilsgeschehen innewohnenden Logik. So folgt in der Beschreibung Egerias

der Kreuzverehrung am selben Ort die Verehrung alttestamentlicher Reliquien

wie des Rings Salomos und des Salbungshorns der davidischen Könige (Itin.

Eg. 37,3). Die Erinnerung an die Größe Israels und den Tempel sind jetzt an

Golgatha gebunden, das neue Jerusalem, nicht mehr an den Tempelberg, der –

anders als noch bei dem Besuch der Stadt durch den Pilger von Bordeaux – in

dem Itinerarium der Egeria keine Rolle spielt.308

Die Frömmigkeit der Pilger und die Kritik der Kirchenväter

Die heiligen Orte Palästinas und Jerusalems, allen voran Golgatha als Schau-

platz der Kreuzigung und Auferstehung, riefen in den Pilgern eine dem Chris-

tentum vorher unbekannte Frömmigkeit hervor. Nachdem die gläubigen Chris-

ten die Welt bis in die konstantinische Zeit als Fremde und Märtyrer durch-

schritten hatten, vollzogen sie nun die Nachfolge Jesu in ganz neuer, sinnlicher,

gleichsam ekstatischer Weise. In Hieronymus Schilderung des Lebens der rö-

mischen Witwe Paula beschreibt der Kirchenvater Anfang des fünften Jahr-

hunderts das Verhalten der frommen Pilgerin bei ihrem Besuch in der heiligen

Stadt folgendermaßen:

„Alle heiligen Stätten besuchte sie der Reihe nach mit solch inbrünstigem Eifer, daß

sie sich von den ersten nicht hätte wegbringen lassen, wenn sie nicht auch zu den

übrigen hätte eilen wollen. Vor dem Kreuze warf sie sich nieder und betete es an,

gerade als ob sie den Herrn an demselben hängen sähe. Sie ging in das

Auferstehungsgrab und küßte den Stein, welchen der Engel vom Eingange desselben

hinweggewälzt hatte. Und mit ihren frommen Lippen berührte sie, wie ein Durstiger

das heißersehnte Wasser, den Ort, an dem der Leichnam des Herrn gelegen hatte.

Ganz Jerusalem und der Herr selbst, den sie anflehte, weiß, wie viele Tränen

und Seufzer sie dort vergossen, welchen Schmerz sie dort erduldet hat.“

Hieronymus ep. 108,9 307 Tsafrir, 1999, S. 140. 308 Ebd., S. 144.

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Die Stätte repräsentiert das erinnerte Geschehen über die Zeit hinweg und lässt

den Pilger unmittelbar daran teilhaben. An den heiligen Orten entstand eine

Form der Frömmigkeit, die das Erleben der Menschen direkt ansprach und es

ihnen ermöglichte, sich selbst in ihrem Glauben auf außergewöhnliche Weise

zu erfahren. Die Stätten, die seit Konstantin mit prächtigen Kirchbauten an das

Leben und Leiden des Herrn erinnerten, die vielen Schauplätze der alt- und

neutestamentlichen Geschichten, zogen Scharen von Pilgern aus dem gesamten

römischen Reich in das heilige Land und viele kamen, um sich inmitten dieser

einzigartigen religiösen Erinnerungslandschaft niederzulassen. Doch die Ver-

wandlung der zuvor so deutlich auf das Jenseitige ausgerichteten Glaubensge-

meinschaft in eine dem Irdischen zugewandte sollte nicht kritiklos vonstatten

gehen.309 Die Kirchenväter des vierten und fünften Jahrhunderts betrachteten

die Verehrung der heiligen Orte mit Zweifeln und manch einer riet gar den

Gläubigen von der Pilgerfahrt ab.310

Hieronymus, der zunächst von der heiligen Stadt begeistert war und sich in

Bethlehem niederließ, wo er auch seinen Lebensabend verbringen sollte, wurde

in späteren Jahren zu einem scharfen Kritiker des irdischen Jerusalems und

vertrat in einem Brief an Paulinus von Nola schließlich das transzendente Orts-

konzept der apostolischen Verkündigung.311

„Sowohl von Jerusalem wie auch von Britannien aus steht der Himmel in gleicher

Weise offen; denn das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Hieronymus ep. 58,2

Auch Gregor von Nyssa, ein kappadokischer Kirchenvater des vierten Jahr-

hunderts, spricht nach seinem eigenen Besuch zunächst voll Ergriffenheit von

der heiligen Stadt.312 In der Rückschau äußert er sich jedoch ablehnend:

309 Bitton-Ashkelony, 1999, S. 188ff. 310 Vgl. dazu etwa Perrone, 1999, S. 236. 311 Vgl. Hieronymus, ep. 58,2-4. Siehe dazu Krüger, 2000, S. 67. Perrone, 1999, S. 232f. Arm-strong, 1996, S. 197f. 312 Vgl. Gregor von Nyssa ep. 3,1-3. Siehe dazu Bitton-Ashkelony, 1999, S. 194ff.

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„Denn daß der erschienene Christus der wahre Gott ist, bekannten wir sowohl bevor

wir an dem Ort waren als auch danach; unser Glaube war [vorher] weder kleiner

noch danach größer; auch die Menschwerdung durch die Jungfrau kannten wir vor

Bethlehem; an die Auferstehung von den Toten glaubten wir auch, bevor wir das Grab

sahen, und daß die Auffahrt in den Himmel wahr ist, das glaubten wir auch, ohne den

Ölberg zu sehen. Uns brachte die Reise nur insoweit Nutzen, daß wir aus dem

Vergleich erkannten, daß die Zustände bei uns weitaus heiliger als in der Ferne sind.

… Wenn Du aber den inneren Menschen voller schlimmer Gedanken hast, ob Du auf

dem Golgotha bist oder auf dem Ölberg oder am Grabmal der Auferstehung, Du bist

dann so weit davon entfernt, den Herrn in Dir aufzunehmen wie die, die sich

überhaupt nicht zu ihm bekennen.” Gregor von Nyssa ep. 2,15-17

Der Glaube des frommen Christen werde nicht durch das Zeugnis heiliger Stät-

ten gestärkt, sondern sei von diesen unabhängig, stellt der Bischof von Nyssa

nach seinem Besuch in Jerusalem und Palästina fest; und so wie Hieronymus

beschwört, dass dem Gläubigen das Himmelreich an allen Orten in gleicher

Weise offen stehe, bemerkt sein Zeitgenosse, dass der sündhafte Mensch auch

an den Schauplätzen der Passion Christi der Gnade Gottes fern sei. Obwohl die

beiden zitierten Kirchenväter durchaus politische Gründe für ihre Ablehnung

der heiligen Stadt hatten, sind ihre Aussagen repräsentativ für die Haltung der

Kirchenväter zu dem Konzept der heiligen Orte.313 Die patristischen Äußerun-

gen bleiben auch nach der durch Konstantin eingeläuteten Verwandlung der

römischen Stadt in eine christliche und dem Zustrom der vielen Pilger über-

wiegend kritisch und sie geben dem himmlischen Jerusalem weiterhin den

Vorzug vor dem irdischen.

Die theologischen Bedenken der Kirchenväter vermochten jedoch die Flut

der Pilger nicht einzudämmen. Beseelt von der Gewissheit, an den heiligen

Stätten der besonderen Gottesnähe teilhaftig zu werden, strömten die Christen

seit der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts nach Jerusalem. Mit ihrem

Wunsch nach sichtbaren Zeugnissen des biblischen Geschehens prägten sie die

Etablierung der heiligen Orte, wie diese wiederum die frommen Vorstellungen

der gesamten Christenheit prägen sollten. Jerusalem, in seiner einzigartigen

313 Perrone, 1999, S. 234ff. Bitton-Ashkelony, S. 196ff. Donner, 1979, S. 13ff.

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Verbindung von erinnertem und gegenwärtigem Raum, wurde zum Mittelpunkt

der christlichen Welt und die heiligen Berge der Stadt zu den Kristallisations-

punkten des liturgischen Geschehens und einer Vielzahl von Erinnerungen.

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III. Conclusio

Die christliche Erinnerung folgt in Jerusalem zunächst den Spuren Jesu. Trotz

der Brechungen durch Flucht und Vertreibung aus der von den Römern neu

gestalteten Stadt überlieferte die christliche Gemeinschaft Ortstraditionen zu

den zentralen Ereignissen der Heilsgeschichte. Zwar besuchten in den ersten

drei Jahrhunderten nur wenige Gläubige die Stadt Davids, und die Hoffnung

auf das himmlische Jerusalem war vielen Nachfolgern des Gekreuzigten in den

Zeiten der Verfolgung und der Ohnmacht vertrauter als die Erinnerung an das

irdische, doch mit dem Siegeszug des neuen Glaubens unter der Herrschaft

Konstantins begann der Aufstieg der heiligen Stadt zum Mittelpunkt der chris-

lichen Welt.

Kirchenbauten verorteten zuerst die zentralen Erinnerungsorte der Ge-

schichte Jesu: den Kreuzestod und die Auferstehung auf Golgatha, die Him-

melfahrt auf dem Ölberg. Kurz darauf folgte die Erinnerung an die Urgemein-

de, die Mutter aller Kirchen, der auf dem christlichen Zion mit einer Basilika

gedacht wurde. In den Jahrhunderten nach Konstantin entstand eine Vielzahl

von Erinnerungsorten in Jerusalem, das zum Ziel großer Ströme christlicher

Pilger wurde. Kirchenbauten, Kapellen, Säulen und Gräber wiesen schon bald

nicht nur auf die Wege des Gottessohnes, sondern auch auf Legenden des alten

Testamentes und Geschichten der apostolischen Zeit.

Das christliche Jerusalem entstand abseits des jüdischen; dem Tempelberg,

seit über tausend Jahren religiöses Zentrum der Stadt, wurden die heiligen Ber-

ge der Christen entgegen gestellt – allen voran Golgatha, das neue Jerusalem –

die den Gläubigen in der Nachfolge des Mensch gewordenen Gottes neue Kris-

tallisationspunkte boten. Golgatha, Ölberg und der christliche Zion zogen eine

Fülle von Erinnerungen an sich, hier erhoben sich die zentralen Kirchenbauten

und erlebten die Gläubigen das liturgische Geschehen der heiligen Stadt, wäh-

rend der Tempelberg wüst blieb, verworfen durch die Zeichenhandlung und

das Tempelwort Jesu, als Mahnmal christlichen Gedenkens. Viele der Bedeu-

tungen des heiligen Berges, der einst den Tempel Jahwes trug, wurden auf

Golgatha übertragen, die Bezeichnung Zion und die Vorstellung eines

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Abb. 9: Ein Ausschnitt des Madaba-Mosaikes aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. enthält

die älteste im Original erhaltene kartographische Darstellung Jerusalems. Die ideali-

sierte Anordnung der wichtigsten Straßen, Tore und Bauten der Stadt zeigt den kon-

stantinischen Komplex um das heilige Grab auf Golgatha als Mittelpunkt der Stadt

(Mitte unten). Der Tempelberg ist in dieser christlichen Vorstellung von der heiligen

Stadt nicht vorhanden.

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endzeitlichen Gerichtes einem anderen Berg zugesprochen und das Areal des

Tempelberges aus dem Stadtbild des byzantinischen Jerusalems ausgeblen-

det.314 So zeigt das Madaba-Mosaik, die älteste erhaltene kartographische Dar-

stellung des christlichen Jerusalems aus dem sechsten Jahrhundert, die wich-

tigsten Bauten der Stadt, nicht jedoch den das Stadtbild beherrschenden Tem-

pelberg: Jerusalem wird im Zentrum des heiligen Landes abgebildet und darin

der Komplex der konstantinischen Grabeskirche als Mittelpunkt der Stadt –

Golgatha hat in der christlichen Vorstellung den Tempel als Nabel der Welt

abgelöst.

Tatsächlich sollte Golgatha die bemerkenswerte Vielzahl der christlichen

Erinnerungsorte in Jerusalem an Bedeutung weit überragen. Das heilige Grab

als Symbol der Auferstehung wurde in den Jahrhunderten nach Konstantin zum

Vorbild einer Fülle architektonischer Nachahmungen, liturgischer Repräsenta-

tionen und künstlerischer Darstellungen, die die Gläubigen in der gesamten

christlichen Welt an diese zentrale Stätte der Heilsgeschichte gemahnten,315

übertroffen nur noch von der Allgengenwart des Kreuzes, das stets auf den Ort

der Kreuzigung verweist. Die heiligen Berge der Christen, Schauplätze der

Geschichte Jesu, der Legenden des Alten und Neuen Testamentes, Stätten ver-

gangener und zukünftiger Heilsgeschichte, bergen nicht nur eine Vielzahl von

Erinnerungen, sondern sie prägen bis heute das religiöse Erinnern derer, die an

den Auferstandenen glauben.

314 Vgl. dazu etwa Tsafrir, 1999, S. 143ff. 315 Lieselotte Kötzsche: Das Heilige Grab in Jerusalem und seine Nachfolge, in: Die Reise nach Jerusalem. Eine kulturhistorische Exkursion in die Stadt der Städte, Ausstellungskatalog, hg. v. Hendrik Budde u. Andreas Nachama, Berlin 1996, S. 64-75. Vgl. außerdem Smith, 1987, S. 87f, zu der Repräsentation des heiligen Grabes in der christlichen Liturgie.

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Abb. 10: Mosaik am Fuße des Triumphbogens in der römischen Kirche Santa Maria

Maggiore aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. Der christologische Bilderzyklus wird an

den unteren Enden mit Darstellungen Bethlehems und Jerusalems – den Stätten der

Geburt, des Todes und der Auferstehung Jesu – abgeschlossen. Die heilige Stadt wird

hier als juwelengeschmücktes himmlisches Jerusalem gezeigt, in ihrer Mitte die Bau-

ten der konstantinischen Grabeskirche auf Golgatha – das Bild des neuen Jerusalems.

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C. Al-Quds

Während die Christen das Erscheinungsbild der heiligen Stadt nach dem Auf-

stieg der Gottesmutter Maria im sechsten Jahrhundert um einen weiteren präch-

tigen Kirchenbau bereicherten – die der Maria Theotokos geweihte, kurz Nea

genannte, Basilika316 – und die Juden den Verlust des Tempels an einem jährli-

chen Tag der Trauer beklagten, ahnten weder das alte noch das neue Israel,

dass sich das Schicksal Jerusalems mit dem Erstehen einer weiteren abrahami-

tischen Religion erneut wandeln sollte. Zu Beginn des siebten Jahrhunderts

erlebte ein einfacher Kaufmann namens Mohammed in Mekka auf der arabi-

schen Halbinsel Visionen, die ihn zum letzten Propheten des einen Gottes be-

riefen, der sich schon den Juden und den Christen geoffenbart hatte.317 Mo-

hammed predigte seine Offenbarung, die den Stämmen Arabiens den Glauben

an den einen Gott verkündete, zunächst in seiner Heimatstadt Mekka, in der

von alters her das Heiligtum der Kaaba die Frömmigkeit der Menschen be-

wegte, dann in Jathrib – das zu seinen Ehren Medina, die Stadt, genannt wer-

den sollte – als er sich in Mekka von den herrschenden Eliten verfolgt sah.318

Die Worte des Propheten, die spätere Generationen im Koran schriftlich

niederlegten, verstanden sich als Erneuerung des monotheistischen Glaubens

Abrahams, den die arabischen Stämme wie die Juden und Christen als ihren

316 Kaiser Justinian (527-565) stiftete den Bau, der 543 n. Chr. geweiht wurde, nachdem auf dem Konzil von Ephesos (431) Maria der Titel Theotokos – Gottes-Gebärerin – offiziell zuer-kannt worden war. Die wohl prächtig ausgeführte Marienkirche, kurz Nea genannt, wurde am Hang des christlichen Zions auf gewaltigen Substruktionen erbaut und von zwei Hospizen ergänzt. Vgl. Grabar, 1996, S. 34ff. 317 Die erste Offenbarung erlebte der Prophet auf dem Berg Hirâ, nordöstlich von Mekka, von dem es heißt, Mohammed habe sich oft dorthin zurückgezogen, um sich der Meditation und Andacht hinzugeben. Der Berg ist dem Islam aufgrund seiner Bedeutung als Schauplatz der ersten göttlichen Vision auch als Djabal an-Nûr, Berg des Lichtes, bekannt. Vgl. dazu Kortan-tamer, Samira: Die Rolle und Bedeutung einiger Berge in der arabisch-islamischen Geschichte des Mittelalters, in: Realität und Virtualität der Berge, hg. v. Herbert Arlt, St. Ingbert 2002, S. 47-53; hier S. 47f. 318 Vgl. dazu etwa Hartmut Bobzin: Mohammed, 2. durchges. Aufl., München 2002, S. 78ff. Armstrong, 1996, S. 217ff. Zur Bedeutung der Kaaba siehe außerdem Heribert Busse: Geschichte und Bedeutung der Kaaba im Licht der Bibel, in: Zion. Ort der Begegnung, Fest-schrift für Laurentius Klein zur Vollendung des 65. Lebensjahres, hg. v. Ferdinand Hahn u.a., Bodenheim 1993, S. 169-185.

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Stammvater ansehen.319 Die Verbundenheit mit den Religionen des alten und

des neuen Bundes bewog den Propheten nach der Vertreibung aus Mekka dazu,

in Richtung Jerusalem zu beten, der heiligen Stadt des einen Gottes. Damit

erhielt die Stadt Davids den Rang der ersten quibla – der ersten Gebetsrichtung

des neuen Glaubens.320 Doch noch in Medina entschied Mohammed, dass nicht

der Tempel Jahwes, sondern die Kaaba in Mekka das wahre Heiligtum und

damit die richtige quibla sei, und seitdem beten die Gläubigen des Islams in

Richtung Mekka (Sure 2,142-152). 321

Die Stadt der Kaaba, Mekka, das in der Folgezeit von Mohammed und sei-

nen Anhängern erobert werden konnte, und Medina, die Stadt des Propheten,

stiegen schnell zu den bedeutendsten Heiligtümern des Islams auf. Jerusalem,

die entfernte Stadt im heiligen Land des Stammvaters, sollte dem neuen Glau-

ben jedoch nicht nur als erste Gebetsrichtung in Erinnerung bleiben. Die Stadt

der Könige und Propheten, deren Verkündigung der Offenbarung des einen

Gottes von der jüngsten der abrahamitischen Religionen als Vorgänger Mo-

hammeds anerkannt wurde, fand in der Tradition ihren Eingang in die Erzäh-

lung von der Nachtreise und der Himmelfahrt des Gesandten Gottes.

„Preis dem, der seinen Diener des Nachts entführte von der heiligen Moschee zur

fernsten Moschee, deren Umgebung Wir gesegnet haben, um ihm Unsre Zeichen zu

zeigen. Siehe, er ist der Hörende, der Schauende.“ Sure 17,1

Obwohl Jerusalem in dem Vers nicht namentlich genannt wird und die Stadt

erst nach dem Ableben des Propheten mit dem neuen Glauben in Berührung

kam, wussten die Nachfolger Mohammeds die Schrift von Anfang an so auszu-

319 Annemarie Schimmel: Die Religion des Islam. Eine Einführung, Stuttgart 1990, S. 18f. Armstrong, 1996, S. 220f. 320 Vgl. dazu Angelika Neuwirth: Erste Qibla – Fernstes Masgid? Jerusalem im Horizont des historischen Muhammad, in: Zion. Ort der Begegnung, Festschrift für Laurentius Klein zur Vollendung des 65. Lebensjahres, hg. v. Ferdinand Hahn u.a., Bodenheim 1993, S. 227-270; hier S. 232ff. 321 Shelomo D. Goitein: s.v. Al-Kuds. A. History, in: The Encyclopaedia of Islam, hg. v. Clif-ford E. Bosworth u.a., Bd. 5, Leiden 1986, S. 322-339; hier S. 323.

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legen, dass die fernste Moschee in der Stadt Davids gelegen habe.322 Die Ge-

schichten von der Nachtreise und der Himmelfahrt (53,1-21), die mit der Zeit

verbunden und wunderbar ausgestaltet wurden,323 fanden nach der Eroberung

der heiligen Stadt mit dem Tempelberg einen heiligen Ort vor, der diesen und

anderen Ereignissen als Schauplatz dienen sollte und dessen architektonische

Gestaltung das religiöse Gedächtnis des Islams bis heute prägt.

Als Mohammed 632 starb, hatte er nicht nur seine Heimatstadt erobert, son-

dern die arabische Welt unter seiner Führung vereint. Während sein Nachfolger

Abu Bakr (632-634) als erster Kalif – Stellvertreter des Gesandten – noch um

die Einheit der Stämme kämpfen musste, bevor er sein Augenmerk auf die Ge-

biete der geschwächten Großmächte Byzanz und Persien richten konnte, wuss-

te der zweite Kalif, Omar (634-644), die Kraft der durch den neuen Glauben

vereinten arabischen Stämme für eine Eroberungswelle zu nutzen, die sowohl

den byzantinischen als auch den persischen Kräften die Vorherrschaft in der

Levante und im mesopotamischen Raum in kürzester Zeit streitig machte.324

Damaskus fiel 635, im folgenden Jahr schlugen moslemische Truppen ein letz-

tes Aufgebot von Byzanz am Yarmuk, einem Nebenfluss des Jordans, und Pa-

lästina geriet unter die Herrschaft der Kalifen. Jerusalem, von der Macht des

byzantinischen Reiches abgeschnitten, hielt unter der Leitung des Patriarchen

Sophronius für viele Monate der Belagerung durch arabische Verbände stand,

doch schließlich, im Februar 638 n. Chr., ergab sich die Stadt den neuen Her-

ren.325

Die Übergabe der heiligen Stadt an die islamischen Eroberer erfolgte nach

der Bedingung des Patriarchen, so will es die Überlieferung, direkt an den Ka-

lifen Omar, und in der Erinnerung der Christen und Moslems verbanden sich

322 Vgl. dazu etwa Goitein, 1986, S. 323. Oleg Grabar: The Shape of the Holy. Early Islamic Jerusalem, mit Beitr. v. Mohammed als-Asad, Abeer Audeh, Said Nuseibeh, Princeton 1996, S. 113f. 323 Zu der Verschmelzung und Ausgestaltung der beiden Geschichten und Quellenangaben vgl. etwa Francis E. Peters: Jerusalem. The Holy City in the Eyes of Chroniclers, Visitors, Pilgrims, and the Prophets from the Days of Abraham to the Beginnings of Modern Times, Princeton 1985, S. 182-185. 324 Vgl. etwa Albrecht Noth: Früher Islam, in: Geschichte der arabischen Welt, hg. v. Ulrich Haarmann, 3. erw. Aufl., München 1994, S. 11-100; hier S. 58ff. 325 Armstrong, 1996, S. 227f.

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schon bald entscheidende Begebenheiten mit diesem Ereignis.326 Die christli-

che Tradition wollte durch die Verbindung mit der Macht des Kalifen nicht nur

eine Sicherung ihrer Lebensbedingungen erreichen, indem sie der Autorität des

Eroberers einen für die christliche Mehrheit der Bevölkerung vorteilhaften Ka-

pitulationsvertrag zuschrieb,327 sondern sie suchte auch den Schutz ihres zent-

ralen Heiligtums unter dem Nimbus des weisen Herrschers: Bei der Begehung

Jerusalems habe Sophronius dem Kalifen angeboten, in der Grabeskirche zu

beten, dieser aber habe das Angebot mit der Begründung abgelehnt, er wolle

verhindern, dass die ihm Nachfolgenden den heiligsten Ort der Christen ihm zu

Ehren in eine Moschee umwandelten – stattdessen habe er auf dem Vorhof der

konstantinischen Basilika seine Gebete verrichtet.328 Die christliche Gemein-

schaft erinnert den Eroberer auf eine für ihren Schutz und sein Andenken vor-

teilhafte Weise, sie unterstellt sich damit der tatsächlich lange vorherrschenden

Toleranz der islamischen Herrschaft gegenüber der christlichen Bevölkerung.

Doch auch die Inbesitznahme des Tempelberges, der in der Folgezeit zu ei-

ner der bedeutendsten heiligen Stätten des Islam aufsteigen sollte, wird in der

christlichen, islamischen und jüdischen Erinnerung mit der Einnahme der Stadt

durch Omar verbunden. Der weltgeschichtlich so entscheidende Schritt ist in

verschiedenen Versionen überliefert, die sich jedoch zumeist aus folgenden

Bestandteilen zusammensetzen: Omar habe mit dem Patriarchen Sophronius

oder dem jüdischen Konvertiten Ka’b ibn Ahbar das von den Christen vernach-

lässigte Areal des zerstörten herodianischen Tempels begangen. Der Herrscher

habe sich die Überreste des jüdischen Heiligtums zeigen lassen, eigenhändig

mit der Reinigung des mit Trümmern bedeckten Platzes begonnen, am Süd-

ende des großen Platzes gebetet – in Richtung Mekka gewandt, so dass das

326 Zur Historizität dieser Begebenheit und den Quellenangaben vgl. Goitein, 1986, S. 323f. Grabar, 1996, S. 46f. mit Fußnote 63. Die frühesten Quellen wissen nur von einer Übergabe an den Kommandeur der die Stadt belagernden Truppe zu berichten, doch schon bald entstand sowohl auf christlicher als auch auf moslemischer Seite die Überlieferung von der Ausliefe-rung der heiligen Stadt an Omar. 327 Vgl. etwa die von dem moslemischen Historiker Tabari überlieferte Version aus dem 10. Jh. in englischer Übersetzung bei Peters, 1985, S. 185f. 328 Vgl. etwa Goitein, 1986, S. 324.

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Allerheiligste des jüdischen Tempels in seinem Rücken lag – und schließlich

diesen Ort als Bauplatz für die erste Moschee in der heiligen Stadt bestimmt.329

In der Erinnerung der drei abrahamitischen Religionen ist es der Kalif, der

den Tempelberg, dieses große, unbebaute Areal in einer Stadt voller christli-

cher Bauten und Erinnerungsorte, in Besitz nimmt, der symbolisch mit der

Reinigung des Ortes beginnt, der die Gebetsrichtung des neuen Glaubens als

unabhängig vom Heiligtum der Juden bestätigt und mit der Errichtung des ers-

ten islamischen Gebäudes an der heiligen Stätte die Gestaltung des Platzes ini-

tiiert, der als Haram as-Sarif – das edle Heiligtum – in das religiöse Gedenken

der islamischen Welt eingehen sollte.

Zunächst jedoch blieb das Antlitz der Stadt von den christlichen Bauten be-

stimmt, die dem Gedenken der alt- und neutestamentlichen Wunder gewidmet

waren und an die Geschichte der Urgemeinde und der Gottesmutter Maria er-

innerten. Die großen kaiserlichen Basiliken, die Grabeskirche auf Golgatha und

die Nea am Fuße des Tempelberges, die Apostelkirche auf dem Zion und die

Auferstehungskirche auf dem Ölberg formten weiterhin die sichtbaren Koordi-

naten Jerusalems, während der Tempelberg in den Jahrzehnten nach der Erobe-

rung durch die arabischen Stämme anfangs nur mit einer einfachen Moschee

bebaut war, wie der christliche Pilger Arkulf berichtete, der die heilige Stadt

um 680 n. Chr. besuchte.

„Übrigens haben an dem berühmten Ort, wo vorzeiten der Tempel prächtig errichtet

war, in der Nähe der östlichen Mauer gelegen, die Sarazenen jetzt ein viereckiges

Bethaus gebaut, das sie mit aufrecht stehenden Brettern und großen Balken über

einigen Trümmerresten aufgeführt haben; sie besuchen es fleißig, und das Haus kann

– wie berichtet wird – etwa 3000 Menschen fassen.“ Adomnanus l.s. I,14

Die Eroberer waren in dieser frühen Phase der islamischen Expansion mit der

Konsolidierung ihrer Herrschaft beschäftigt. Nach dem gewaltsamen Tode des

329 Vgl. Peters, 1985, S. 186ff., mit entsprechenden Quellen der islamischen, christlichen und jüdischen Überlieferung. Siehe außerdem Otto, 1980, S. 198ff. Susanne Enderwitz: Die mus-limische Eroberung Jerusalems, in: Die Reise nach Jerusalem. Eine kulturhistorische Exkursi-on in die Stadt der Städte, Ausstellungskatalog, hg. v. Hendrik Budde u. Andreas Nachama, Berlin 1996, S. 32-39.

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umstrittenen dritten Kalifen Othman (644-656) zerriss ein blutiger Bürgerkrieg

die gerade gewonnene Einheit der arabischen Stämme, dessen Wunden bis in

die Gegenwart reichen. Ein Kampf um das Kalifat entbrannte, aus dem schließ-

lich der syrische Statthalter Mu’awiya als Sieger hervorgehen sollte.330 Der

neue Kalif, der als Begründer der Dynastie der Omayaden in die Geschichte

einging, nahm im Jahr 661 n. Chr. in Jerusalem die Treueschwüre der arabisch-

islamischen Führer entgegen und eine christliche Überlieferung weiß zu be-

richten, dass er danach in der Grabeskirche, der Auferstehungskirche auf dem

Ölberg und am Grab der Maria im Garten Gethsemane gebetet habe.331

Obwohl es keine Bestätigung dieser Episode aus islamischen Quellen gibt,

erscheint es durchaus denkbar, dass dem neuen Herrscher die christlichen Kir-

chen angemessene Orte für seine Gebete boten – die heiligen Stätten der Ge-

schichte Jesu, der den Moslems als Prophet gilt, und seiner Mutter Maria, die

im Islam große Verehrung genießt. Der christlichen Erinnerung bot sich hier

eine letzte Gelegenheit, die Pracht und Überlegenheit der Kirchenbauten der

heiligen Stadt vor dem neuen Glauben unter Beweis zu stellen, gilt doch die

Zeit Mu’awiyas, der die Residenz der Kalifen von Medina nach Damaskus

verlegte und von dessen Nachfolgern der Tempelberg prächtig ausgestattet

werden sollte, als Beginn der Blütezeit des islamischen Jerusalems. 332

Die Dominanz der christlichen Bauten in der heiligen Stadt endete mit der

architektonischen Gestaltung des Tempelberges unter den Nachfolgern

Mu’awiyas. Auf der großen, freien Fläche der von den Trümmern gereinigten

herodianischen Tempelplattform erstanden innerhalb weniger Jahrzehnte die

Bauten, die das Bild der Altstadt Jerusalems bis in die Gegenwart hinein

bestimmen. Mit dem Kettendom, dem Felsendom und der Al-Aqsa Moschee

erschufen die omayadischen Kalifen auf dem Tempelberg einen architektoni-

schen Komplex, einen sakralen Raum, der in der Folgezeit zu einem Kristalli-

330 Martin Hinds: s.v. Muc

āwiya I., in: The Encyclopaedia of Islam, hg. v. Clifford E. Bosworth u.a., Bd. 7, Leiden/New York 1993, S. 263-268. 331 Vgl. dazu Goitein, 1986, S. 324. 332 Vgl. Grabar, 1996, S. 50. Letztlich ist es unwahrscheinlich, dass der politisch vorausschau-ende Kalif bei einer solchen Gelegenheit auf eine symbolische Verbindung mit dem heiligen Berg des fernen Heiligtums verzichtet haben soll, wie es das Schweigen der christlichen Tradi-tion nahelegt, doch konnte sich andererseits der wohl hölzerne Bau auf dem Tempelberg zu-mindest in der christlichen Vorstellung nicht mit der Prachtentfaltung der Kirchen messen.

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sationspunkt einer Vielzahl religiöser Erinnerungen und frommer Legenden

aufstieg.333

Der Kettendom, dessen Baugeschichte und Funktion umstritten sind, wurde

wohl vor 690 n. Chr. in der geometrischen Mitte der ehemaligen Tempelplatt-

form errichtet. Der Rundbau, der schon bald von dem wesentlich größeren und

prächtigeren Felsendom überschattet werden sollte, markierte möglicherweise

zunächst die islamische Übernahme der jüdischen Vorstellung, auf dem Tem-

pelberg sei der Nabel der Welt verortet, eine Zuschreibung, welche die Chris-

ten auf Golgatha übertragen hatten und die später in der islamischen Auslegung

auf den Felsendom überging. Das Gebäude zog in der Folgezeit Legenden aus

der Zeit der Könige an sich; David selbst habe Ketten der Gerechtigkeit dort

aufgehängt, die nur derjenige berühren konnte, der die Wahrheit sagte.334 Die

königliche Rechtsprechung fand ihren Wiederhall auch in den Vorstellungen

eines endzeitlichen Gerichtes, das der Islam, wie vor ihm das Judentum und

das Christentum, mit der heiligen Stadt verband – die Ketten der Gerechtigkeit

würden am Ende aller Tage die guten Seelen von den sündigen scheiden, so die

Legende, die diesen Bau mit den apokalyptischen Bildern des neuen Glaubens

verband.335

In unmittelbarer Nähe zum Kettendom entstand unter der Herrschaft des

omayadischen Kalifen Abd al-Malik (685-705), dessen Herrschaft von inner-

islamischer Auseinandersetzungen geprägt war, die das entstehende Reich für

Jahre in Atem hielten, der prächtige Kuppelbau des Felsendoms.336 Eine In-

schrift datiert die Fertigstellung des Gebäudes auf das Jahr 691. Der achteckige

Bau wurde über einem offensichtlich aus der Tempelplattform herausragenden

Felsen erbaut, unter dem eine kleine Höhle sichtbar ist. Der Felsen

333 Zur Baugeschichte der frühislamischen Bauten auf dem Tempelberg vgl. etwa Bieber-stein/Bloedhorn, 1994, Bd. 1, S. 185ff. 334 Vgl. dazu Busse, 1987, S. 17f. 335 Vgl. etwa Grabar, 1996, S. 130f. 336 Armstrong, 1996, S. 235ff. Quellen zur Entstehungsgeschichte des Felsendoms, von dem es später aus den Omayaden feindlich gesonnener Seite hieß, Abd al-Malik habe mit seinem Bau die Wallfahrt von Mekka nach Jerusalem ziehen wollen, bei Peters, 1985,S. 197ff.

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Abb. 11

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bildet das Herzstück des Heiligtums, das nicht als Moschee, sondern als

Schrein konzipiert ist, der dem Besucher den Rundgang um den heiligen Stein

ermöglicht. Die Kuppel des Felsendoms wurde vergoldet, die Außenmauern

und das Innere mit kunstvollen Mosaiken geschmückt, Inschriften verkündeten

den Ruhm Allahs und wiesen dem Propheten Jesus seinen Platz unter den

Sterblichen zu.337 Die Architektur und Ausstattung des auffälligen Bauwerkes

waren von den byzantinischen Kirchenbauten Jerusalems inspiriert, besonders

von dem konstantinischen Komplex der Grabeskirche, die ihrerseits aus sakra-

len Bauten über einem Grab und um einen Felsen bestand und die den weithin

sichtbaren Mittelpunkt des christlichen Jerusalems bildete.338

Der heilige Felsen erhielt seine Bedeutung vermutlich zuerst aus dem jüdi-

schen Vorstellungskreis, der sich um den Gründungsstein des Tempels gebildet

hatte.339 Die von der Zionstheologie beeinflussten Zuschreibungen konzentrier-

ten sich auf die Idee eines einzelnen Steins, der Mitte und Nabel der Erde, Ort

der Weltschöpfung, Grundstein der Erde und des Tempels, Verschlußstein der

Sintflut und Tor zum Himmel und zur Unterwelt sei.340 Diese Bedeutungsviel-

falt, die von den Christen auf Golgatha übertragen worden war, fand durch die

Errichtung des Felsendoms wieder an ihren Ursprungsort zurück – den Berg

Zion des Gottes Israel – nun das edle Heiligtum des Islams.

Der Schrein zog weitere Legenden und Erinnerungen an sich. Sagen um

Adam, den ersten Menschen und Abraham, den Erzvater des Volkes Israel und

der arabischen Stämme, fanden hier einen zentralen Erinnerungsort wie auch

Geschichten von David, Salomo und den Propheten des Alten Bundes. Die

Vielfalt der Bedeutungen, die dem heiligen Felsen zugesprochen wurden, ent-

sprach teilweise denen des Heiligtums in Mekka und verschmolz schließlich in

den endzeitlichen Visionen der Gläubigen mit diesem.341 In den Erzählungen

vom Ende aller Tage hieß es, die Kaaba selbst werde letztendlich nach Jerusa-

337 Zu dem Text und einer Deutung der Inschriften vgl. etwa Grabar, 1996, S. 56ff. 338 Vgl. etwa Armstrong, 1996, S. 239. 339 Vgl. Busse, 1987, S. 18f. 340 Donner, 1977, S. 9f. Gonen, 2003, S. 124ff. 341 Hava Lazarus-Yafeh: Jerusalem and Mecca, in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to Judaism, Christianity, and Islam, hg. v. Lee I. Levine, New York 1999, S. 287-299. Francis E. Peters: Jerusalem and Mecca. The Typology of the Holy City in the Near East, New York/London 1986.

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lem verbracht, dem Schauplatz aller eschatologischen Hoffnungen und Ängs-

te.342

Auch die berühmte Nachtreise fand in dem Schrein einen festen Gedenkort und

auf dem Felsen wurde der Fußabdruck des Propheten verehrt, der von dort die

Himmel bereist hatte.343 Die Erinnerung an die Nachtreise und die Himmel-

fahrt Mohammeds, die der Islam schon früh mit Jerusalem verbunden hatte,

war zuerst nur an den Tempelberg gebunden. Sie fand durch den Bau einer

neuen Moschee unter der Herrschaft des Sohnes und Nachfolgers Abd al-

Maliks, Al-Walid (668-715), einen ersten architektonischen Anhaltspunkt,

wurde doch der Neubau, der an der Stelle der von Arkulf beschriebenen Mo-

schee auf der Tempelplattform entstand, Al-Aqsa, das fernste Heiligtum, be-

nannt.

Al-Walid, der mit dem Bau der Al-Aqsa Moschee die islamische Tradition

des Tempelberges betonte, vollendete die architektonische Gestaltung des Ha-

ram. Prächtige islamische Sakralbauten schmückten nun den das Stadtbild be-

herrschenden Tempelberg. Die leuchtende Kuppel des Felsendomes überragte

für alle sichtbar die Rotunde der Grabeskirche und wurde zu einem dominanten

Blickfang der Stadt.344 Gleich der konstantinischen Anlage um das Heilige

Grab und den Kreuzigungsfelsen schufen die Omayaden einen sakralen

Raum,345 der eine Fülle von Bedeutungen in sich aufnehmen konnte, doch an-

ders als das christliche Heiligtum auf Golgatha konnte der heilige Berg des

Islams sich auf die ältesten religiösen Traditionen der Stadt Davids berufen.

Der Tempelberg, von den Christen als Mahnung an die zerstörerische Macht

ihres Gottes verlassen, diente nach der Einnahme Jerusalems durch die ara-

bisch-islamischen Eroberer erneut als Kristallisationspunkt religiösen Erlebens.

342 Armstrong, 1996, S. 242. 343 Vgl. etwa Otto, 1980, S. 201. Georg Röwekamp: Jerusalem. Ein Reisebegleiter durch die Geschichte der Heiligen Stadt von Judentum, Christentum und Islam, Freiburg i.Br. 1997, S. 107. 344 Grabar, 1996, S. 104f. 345 Otto, 1980, S. 202.

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Abb. 12: Die Tempelplattform mit den islamischen Bauten.

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Während das christliche Gedenken in der heiligen Stadt mit Golgatha einen

Mittelpunkt und auf den heiligen Bergen wichtige Orientierungspunkte er-

schaffen hatte, die jedoch von einer Vielzahl von Erinnerungsorten umgeben

waren, diente sowohl dem Judentum als auch dem Islam der Tempelberg als

zentrales Heiligtum in der Stadt. Doch der jüngsten der abrahamitischen Reli-

gionen war die heilige Stätte nur eine von dreien, war Jerusalem in der religiö-

sen Topographie des Islams das Heiligtum fern von Mekka und Medina, die

den Erinnerungen an das Leben des Propheten so viel näher waren. Dem Ju-

dentum aber war der heilige Berg Zion, der Gottesberg in der heiligen Stadt

Jahwes, einzigartig.

Die islamischen Eroberer nahmen in Jerusalem den freien und traditionsvol-

len Ort des Tempelberges, dessen jüdisches Heiligtum schon lange zerstört war

und den die Christen nicht hatten gestalten wollen, in Besitz und erschufen

innerhalb weniger Jahrzehnte einen heiligen Raum, der durch die Errichtung

prächtiger, sakraler Bauten etabliert wurde, an denen sich im Laufe der Zeit die

Geschichten aus dem Leben des Propheten Mohammeds wie auch die in den

neuen Glauben eingeflossenen Traditionen des Alten und Neuen Testamentes

anlagerten.346 Der Tempelberg sollte sich in der wechselvollen Geschichte der

Stadt als heilige Stätte des Islams bewähren – so wie es die Macht des jüdi-

schen Zions und die der christlichen Heiligtümer taten. Die Kraft der heiligen

Berge Jerusalems als Erinnerungsorte der drei abrahamitischen Religionen ist

bis heute wirksam und weltweit dienen sie Gläubigen als topographische Zent-

ren religiösen Erlebens.

Das Schicksal Jerusalems und des heiligen Landes sollte in den Jahrhunder-

ten nach der islamischen Eroberung immer wieder von der Anziehungskraft der

heiligen Stätten für die Mächtigen und die Frommen der drei Religionen be-

stimmt werden. Die heiligen Orte der Juden, Christen und Moslems sind bis

heute umkämpft und umstritten, die Schauplätze religiöser Offenbarung sahen

Tod und Verzweiflung, die prächtigen Sakralbauten fielen dem Feuer der Fein-

de oder der Gewalt der Natur zum Opfer, und doch haben die Gläubigen an

ihren heiligen Stätten festgehalten, haben sie allen Widrigkeiten zum Trotz ihre

346 Grabar, 1999, S. 281ff.

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Synagogen, ihre Kirchen, ihre Moscheen in Jerusalem wieder aufgebaut und

ihre Gebete wieder aufgenommen.

Während dem heiligen Grab auf Golgatha im 19. Jahrhundert noch eine spä-

te Konkurrenz erwuchs, die jedoch die Bedeutung des heiligen Berges nicht zu

schmälern vermochte,347 war der jüdische Glaube an die Macht Zions vielen

Juden schon bloßes Ritual als sein Name im 20. Jahrhundert zum politischen

Manifest eines modernen Staates Israel wurde. Die islamischen Bauten auf

dem Haram, die in ihrer bestechenden Schönheit die Blicke auf sich lenken,

wie auch die die Klagemauer symbolisieren dagegen im kollektiven Bewusst-

sein unserer Zeit den andauernden Kampf in dem zerrissenen Land des einen

Gottes. Die Kraft der heiligen Berge Jerusalems aber ist ungebrochen.

347 Walker, 2000, S. 118ff. Im 19. Jh. wurde außerhalb der Jerusalemer Altstadt ein Gartengrab gefunden, dass bis heute von manchen Theologen und Archäologen als mögliches Grab Jesu gesehen wird. Touristen und Pilger können das Gartengrab als Alternative zur Grabeskirche besuchen.

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Abb. 13: Die strahlende Kuppel des Felsendomes dominiert den Anblick der heiligen

Stadt. Im Vordergrund ist die Klagemauer zu sehen, die Westmauer der ehemaligen

herodianischen Tempelplattform, im Hintergrund die Kuppe des Ölberges.

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Anhang

Quellenverzeichnis

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Abbildungsnachweise

Abb. 1: Karen Armstrong: Jerusalem – die Heilige Stadt, aus d. Engl. übertr. v. Ange-lika Felenda, München 1996, S. 25.

Abb. 2: Ebd., S. 73.

Abb. 3: Ebd., S. 192.

Abb. 4: Nach Ebd., S. 200.

Abb. 5: Ebd., S. 240.

Abb. 6: Jürgen Krüger: Die Grabeskirche zu Jerusalem. Geschichte – Gestalt – Bedeu-tung, Regensburg 2000, S. 48.

Abb. 7: Patrizia Raffin: Faszinierende Städte. Jerusalem, aus d. Ital. übers. v. Elisabeth Neu, Frankfurt a.M. 1992, S. 54.

Abb. 8: Armstrong, 1996, S. 288.

Abb. 9: Herbert Donner/Heinz Cüppers: Die Mosaikkarte von Madeba. Teil I: Tafel-band (Abhandlungen des Deutschen Palästinavereins, hg. v. Arnulf Kuschke, Bd. 5), Wiesbaden 1977, S. 8.

Abb. 10: Heinrich Karpp (Hg.): Die frühchristlichen und mittelalterlichen Mosaiken in Santa Maria Maggiore zu Rom, Baden Baden 1966, Abb. 27.

Abb. 11: Armstrong, 1996, S. 344.

Abb. 12: Nach Krüger, 2000, S. 74.

Abb. 13: Ariel Lewin (Hg.): Palästina in der Antike, aus d. Ital. übers. v. Karin Schu-ler, Stuttgart 2004, S. 47.