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DIE INTERNATIONALE RAUMSTATION Mitteilungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Juni 1998 / G 12625 DLR 89 NACHRICHTEN

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D I E I N T E R N A T I O N A L E R A U M S T A T I O N

Mitteilungen desDeutschen Zentrums für

Luft- und Raumfahrt

Juni 1998 / G 12625 DLR89N

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Das Technologiezentrum im AllGespräch mitProf. Dr. Achim Bachem ..........

Dynamische Simulation von Verkehrssystemen undihren Umweltwirkungen .....

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Die 3dimensionaleWeltkarteDie Shuttle Radar TopographicMission (SRTM) ....................... 26

Luftfahrt und UmweltErgebnisse eines erfolgreichenVerbundprojektes .................... 36

Europas Beteiligung an der InternationalenRaumstationVon ESA-GeneraldirektorAntonio Rodotà ...................... 2

25 Jahre SpacelabAnlaß für einen kurzenRückblick.................................

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Laserlicht und Gigabits im OrbitOptische Miniterminals auf CELESTRI ........................... 43

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20Spektrum...............................

Buchtip................................ 45

Die europäischen Partner ... 10

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EDITORIAL

D ie Internationale Raumstation, das ehrgeizigste Projekt in der Geschichteder Raumfahrt, steht im Mittelpunkt

dieser Ausgabe der DLR-Nachrichten. AntonioRodotà, Generaldirektor der europäischenWeltraumorganisation ESA, erläutert grund-legende Fakten und schildert die Perspektivender internationalen Zusammenarbeit auf die-

ser einzigartigen Forschungs-plattform. Dieser thematischeSchwerpunkt wird durch einInterview mit DLR-Vorstands-mitglied Achim Bachem zurNutzung der Raumstation unddurch Beiträge der europäi-schen Partner ergänzt.

Projekte und Missionen mithohem Nutzen für die Erde – so läßt sich ein weitererSchwerpunkt dieses Hefts be-

zeichnen. Auf die aus wissenschaftlicher undökologischer Sicht interessante und brisanteFrage „Wie stark beeinflußt der Luftverkehrdie Umwelt?“ gibt Ulrich Schumann (DLR) in seinem Beitrag Antworten.

Ein bedeutendes Raumfahrtprojekt, das demMotto „Forschung für die Erde“ besondersaugenfällig gerecht wird, soll Ende 1999 mitder Shuttle Radar Topographic Mission (SRTM)starten. Der Beitrag von Herwig Öttl (DLR)zeigt, wie von fast 80 Prozent der Erdober-fläche dreidimensionales Kartenmaterial inhöchster Güte gewonnen werden kann.

Prof. Dr. Walter KröllVorsitzender des Vorstandsdes Deutschen Zentrumsfür Luft- und Raumfahrt

Liebe Leserin,lieber Leser

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Antonio Rodotàist Generaldirektor

der EuropäischenWeltraumorganisation

(ESA) Paris

EuropasBeteiligung

an der InternationalenRaumstation

Ein internationalesKooperationsprogramm von globaler Bedeutung

Die Internationale Raumstation ist eininternationales Kooperationsprogramm,das fünf Partner mit einem gemeinsamenZiel vereinigt: die Errichtung und derBetrieb einer bemannten Außenstation ineiner niedrigen Erdumlaufbahn. Bei die-sen fünf Partnern handelt es sich um dieUSA, Rußland, Japan, Kanada undEuropa.

Dabei ist einer der fünf Partner, nämlichEuropa, selbst schon eine internationalePartnerschaft, die durch die EuropäischeWeltraumorganisation (ESA) verkörpertwird. Von den 14 Mitgliedstaaten derESA wirken zehn Staaten am „Programmder europäischen Beteiligung an derInternationalen Raumstation“ mit, wiedas Programm offiziell heißt, und zwar, in alphabetischer Reihenfolge: Belgien,Dänemark, Deutschland, Frankreich,Italien, Niederlande, Norwegen, Schwe-den, Schweiz und Spanien.

Die Grundlage für die Zusammenarbeitder verschiedenen Partnerländer bei derRaumstation bildet das sogenannte Inter-governmental Agreement (IGA), das dieam Programm beteiligten Länder direktauf Regierungsebene miteinander abge-schlossen haben. Es wurde ursprüng-lich am 29. September 1988 in Washing-ton unterzeichnet, allerdings damals noch ohne Rußland, Schweden und dieSchweiz, die sich erst nach dem Ende desOst-West-Konfliktes entschlossen haben,sich an der Station zu beteiligen. Ins-besondere wegen der Teilnahme Ruß-lands, aber auch wegen verschiedenerÄnderungen im Entwurf der Station, istdas IGA überarbeitet worden, um es andie geänderten Bedingungen anzupas-sen, und die überarbeitete Version istnach langen Verhandlungen schließlicham 29. Januar 1998 in Washingtonunterzeichnet worden.

Das IGA stellt die Verpflichtung der Teil-nehmerstaaten auf der politischen Ebenedar und bildet die rechtliche Grundlagefür die Zusammenarbeit.

Es legt auch die grundlegende program-matische Vorgehensweise für das Raum-stationsprogramm fest.

Mit der praktischen Durchführung desRaumstationsprogramms haben die Teil-nehmerländer ihre jeweilige Raumfahrt-organisation beauftragt, also die USA die NASA, Rußland die RKA, Japan dieNASDA und Kanada die CSA. Alle zehneuropäischen Teilnehmerländer zusam-men werden durch die Europäische Welt-raumorganisation (ESA) vertreten.

Diese Raumfahrtorganisationen wieder-um haben, gleichzeitig mit der Unter-zeichnung des IGA am 29. Januar 1998in Washington, jeweils bilaterale Memo-randa of Understanding (MoU) mit derNASA abgeschlossen. Die MoU regeln dieprogrammatischen und technischenAspekte der Zusammenarbeit. Sie legenauch im einzelnen fest, welche Elementedie Partner zur Station beisteuern undwie hoch ihr Anteil an den Nutzungs-rechten und den Aufwendungen für denBetrieb der Station ist.

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Warum brauchen wir überhaupt eineRaumstation?

Wenn sich so viele Länder an einem ge-meinsamen Programm mit solchen tech-nischen und finanziellen Herausforderun-gen und mit einer solch langen Laufzeitwie der Internationalen Raumstation be-teiligen, so liegt das daran, daß sie vondiesem Programm erwarten, daß es Aus-wirkungen für die Zukunft haben wird,die den Einsatz wert sind. Für Europa lie-gen die erwarteten Auswirkungen inerster Linie auf den folgenden drei Ge-bieten:

1. Verbesserung der internationalen Zu-sammenarbeit;2. Bildung geeigneter industrieller Struk-turen und des erforderlichen technischenKnow-how in einer für Europas Rolle inder Zukunft außerordentlich wichtigenSchlüsseltechnologie;3. Wissenschaftlich-technische Nutzungder neuen Möglichkeiten, die die Inter-nationale Raumstation bietet.

Verbesserung der internationalenZusammenarbeit

Ein äußerst wichtiger Aspekt bei derInternationalen Raumstation ist die Ein-bindung Rußlands in die internationalePartnerschaft. Bereits im Dezember 1993hatten die bisherigen vier Partner, alsodie USA, Europa, Japan und Kanada,gemeinsam die russische Regierung ein-geladen, sich an der von den westlichenPartnern geplanten Raumstation zu betei-ligen, eine Einladung, die Rußland nochim gleichen Monat annahm. Da mitSchweden und der Schweiz auch zweineue europäische Partner hinzugekom-men sind, vereinigt nun die InternationaleRaumstation 14 verschiedene Länder ineinem gemeinsamen Programm. Sie stelltdas größte globale Kooperationspro-gramm im technisch-wissenschaftlichenBereich überhaupt dar.

Die Teilnahme Rußlands ermöglicht esden russischen Ingenieuren und Wissen-schaftlern auf dem Raumfahrtgebiet, auseiner jahrzehntelangen, selbstauferlegtenIsolation herauszukommen und in dieinternationalen Kooperationsstruktureneingebunden zu werden. Damit wird aberauch den russischen Fachleuten in einerkritischen Zeit des Umbruchs eine gewis-se Stabilisierung in ihren beruflichen Per-spektiven geboten, die dazu beitragenkann, ein Abwandern dieser Spezialistenin ungewünschte Bereiche oder Länderzu verhindern, ein Aspekt, der gerade beieinem Hochtechnologiebereich von sosignifikanter strategischer Bedeutung wieder Raumfahrt nicht zu unterschätzen ist.

Durch die Zusammenarbeit mit Rußlandpartizipieren natürlich die westlichenPartner auch an der reichen Erfahrung,die Rußland mit dem Bau und Betriebvon Raumstationen hat und die von denverschiedenen Stationen der Saljut-Reihebis zur heute noch im Betrieb befindli-chen MIR-Station reicht. Als Folge desEintritts in die Partnerschaft an der Inter-nationalen Raumstation hat Rußlandseine bereits ziemlich weit fortgeschritte-nen Pläne für den Bau einer neuen MIR-Station umorientiert und in die gemein-same Station mit seinen westlichen Part-nern eingebracht. Damit ist aus den ur-sprünglich für MIR 2 vorgesehenen Ele-menten nun das sogenannte russischeSegment der Internationalen Raumstationgeworden. Diese globale Partnerschaftwird mit Sicherheit wertvolle praktischeSchrittmacherdienste für zukünftige Ko-operationen in der Raumfahrt und dar-über hinaus leisten.

Industriepolitische Aspekte

Über die Ost-West-Zusammenarbeithinaus ist die Raumstation auch einwichtiger Aspekt bei der zunehmen-den Globalisierung der politischenund wirtschaftlichen Strukturen. Nachden bitteren Erfahrungen zweierWeltkriege haben die Staaten West-Europas in den vergangenen Jahr-zehnten gelernt, zusammenzuarbei-ten und ihre politischen und wirt-schaftlichen Interessen untereinanderabzustimmen und auszugleichen. Invielen Gebieten der Erde ist das je-doch noch lange nicht selbstverständ-lich, ja es ist sogar eine Tendenz zumRückfall in lokal begrenzte Strukturenzu beobachten. Gleichzeitig dazu fin-det jedoch, unter dem Druck derimmer besser gewordenen Kommu-nikations- und Transportmöglich-keiten, eine zunehmende Globalisie-rung der wirtschaftlichen Tätigkeitstatt.

Nicht zuletzt dank der großen Raum-fahrtprogramme unter der Verant-wortung der Europäischen Weltraum-organisation ist es in Europa in denletzten Jahren gelungen, eine Abstim-mung der industriepolitischen Inte-ressen der verschiedenen ESA-Mit-gliedstaaten zu erzielen, die dazu ge-führt hat, daß die europäische Raum-fahrtindustrie, zwar vielleicht nichtimmer gerade sanft, ihre Strukturenden geänderten äußeren Bedingun-gen hat anpassen können.

Durch die zunehmende Globalisie-rung, und erst recht nach dem Endedes Ost-West-Konfliktes und desdamit verbundenen Auftretens neuerAnbieter auf dem Weltmarkt, sind wiraber inzwischen an einem Punktangelangt, wo in der Luft- und Raum-fahrtindustrie eine weltweite Abstim-mung notwendig ist. Die dazu erfor-derlichen politischen Strukturen undpraktischen Erfahrungen fehlen aberheute noch weitgehend. Die Zusam-menarbeit im Rahmen der Internatio-nalen Raumstation ist ein wichtigerSchritt dahin. Alleine durch die jahre-

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langen Verhandlungen über IGA undMoU ist – quasi als „Training on the Job“– eine ganze Generation von Fachleutenin den verschiedenen Regierungsebenenentstanden, die mit dem Know-how ver-traut ist, wie man bei unterschiedlichenpolitischen Interessen, abweichendenadministrativen und rechtlichen Regelun-gen und andersartiger Mentalität trotz-dem zu einem Interessenausgleich kom-men kann.

Durch seine Teilnahme an der Internatio-nalen Raumstation ist Europa in diesemfür die Zukunft der europäischen Raum-fahrtindustrie wichtigen Abstimmungs-prozeß angemessen vertreten und hatdamit ein Forum, um seine berechtigtenindustriepolitischen Interessen einzubrin-gen.

Der Bau und Betrieb einer Raumstationerfordert nicht nur die Orbitalstationselbst, sondern auch die dazugehörigenTransportsysteme und Bodenanlagen.Europa hat jedoch weder die politischeAbsicht noch die finanziellen Mittel, ganzin Eigenregie ein solch umfassendesSystem zu entwickeln und zu betreiben.Durch die Beteiligung an der Internatio-nalen Raumstation ist Europa in der Lage,seine Anstrengungen auf bestimmteSchlüsselelemente zu konzentrieren,gleichzeitig aber alle Möglichkeiten, diedie Station bieten wird, nutzen zu kön-nen. Die Elemente der europäischen Be-teiligung tragen dieser ÜberlegungRechnung. Sie sind so ausgewählt, daßdie europäische Industrie die notwendigeAuslastung und das erforderliche Know-how hat, um ein interessanter Partner fürglobale Kooperationsprojekte zu sein, als auch dafür, daß Europa über die not-wendigen Systeme und Infrastrukturverfügt, um die Internationale Raumsta-tion optimal nutzen zu können.

Die Beteiligung an der InternationalenRaumstation sichert Europa einen Platz ineinem Programm, von dem nicht nurwichtige Anregungen für die bemannteRaumfahrt ausgehen werden, sonderndas langfristig gesehen auch auf die un-bemannte Raumfahrt große Auswir-kungen haben wird.

Wissenschaftlich-technischeNutzungsmöglichkeiten

Die Raumfahrt – ob unbemannt oderbemannt – ist kein Selbstzweck. Sie istvielmehr ein Mittel, um Probleme auf derErde von einer höheren Warte aus zulösen – durch geschickte Nutzung ihrerbesonderen Standortvorteile und Um-gebungsbedingungen im Weltraum.

Der wichtigste Standortvorteil einerRaumstation ist, daß sie sich außerhalbder irdischen Lufthülle befindet. Die Luft-hülle setzt jedem Transportvorgang vonder Erde in den Weltraum – und auchwieder zurück zur Erde – einen erhebli-chen Widerstand entgegen. Die Überwin-dung dieses Widerstandes setzt außer-ordentlich leistungsfähige und zuverlässi-ge Transportmittel voraus. Darum sindauch die Kosten für den Raumtransportdie entscheidenden Kostenfaktoren fürdie Nutzung von weltraumgestütztenSystemen. Bei der weiteren Erschließungdes Weltraums für wissenschaftliche undindustrielle Anwendungen ist es sehrwichtig, die Gesamtkosten noch weitersignifikant zu senken. Die heutigen Trans-portmittel sind jedoch bereits weitgehendan ihre Grenze geraten und sozusagenausgereizt. Quantensprünge in der Erhö-hung der Leistung und der drastischenSenkung der Kosten lassen sich allerVoraussicht nach nur mit grundlegendneuen Raumtransportsystemen erreichen.Dies ist aber ein außerordentlich langfri-stiger und kostenträchtiger Prozeß, aufden man nicht untätig warten kann.

Wenn man also die Kosten der weltraum-gestützten Systeme senken will, darf mannicht nur daran denken, die Kosten desTransports zu senken, sondern man mußauch Möglichkeiten schaffen und erpro-ben, die Transportanforderungen selbstzu reduzieren. Die Internationale Raum-station ist ein wichtiger Schritt in Rich-tung auf eine solche Fähigkeit.

Es wäre natürlich vermessen zu behaup-ten, daß die Station schon nach kurzerZeit eine Mischung aus orbitaler Tank-stelle und Reparaturwerkstatt sein wird.Die verschiedenen Möglichkeiten, imWeltraum Wartungs- und Versorgungs-arbeiten direkt vor Ort vornehmen zukönnen, müssen zuerst einmal entwickeltund praktisch erprobt werden. Erst wenndies der Fall ist, werden zukünftige

Raumfahrtsysteme – sowohl bemanntewie unbemannte – überhaupt dafür aus-gelegt werden, im Weltraum gewartetoder repariert zu werden.

Ein weiterer Standortvorteil der Inter-nationalen Raumstation aufgrund ihrerPosition außerhalb der Atmosphäre istnatürlich auch die Möglichkeit, sowohldie Erde selbst, einschließlich ihrer Luft-hülle, als auch den Rest des Universumsbeobachten zu können.

Neben dem Standortvorteil, außerhalbder Erdatmosphäre zu sein, bietet dieInternationale Raumstation auch nochphysikalische Umgebungsbedingungen,die auf der Erde in dieser Art oder in die-sem Umfang nicht vorhanden sind. Einender wichtigsten Faktoren dabei stellt dieSchwerelosigkeit dar. Die Schwerkraft isteine der grundlegenden physikalischenKräfte, ist aber natürlich nicht die einzigeKraft, die bei physikalisch-chemischenProzessen wirkt. Die klassische Vorge-hensweise in der Erforschung unbekann-ter Sachverhalte ist die Schaffung vonLaborbedingungen, bei denen man dieverschiedenen Einflüsse auf einen Prozeßsepariert, um ihre Wirkung isoliert be-trachten zu können. Die Schwerkraft aus-zuschalten ist auf der Erde zwar nichtunmöglich, aber schwierig. Der Gang inden Weltraum erlaubt es, eine bessereSchwerelosigkeit über einen wesentlichlängeren Zeitraum aufrechtzuerhalten.Ohne den Einfluß der Schwerkraft lassen sich dann viele, für die heutige Technik fundamental wichtige Prozesse besserbeobachten und verstehen. Das bessereVerständnis, das man dabei im Weltraumohne Schwerkraft gewinnt, kann zurückauf der Erde entscheidend dazu beitra-gen, den entsprechenden irdischen Pro-zeß besser zu verstehen und steuern zu können.

Neben der Nutzung der spezifischenWeltraumumgebung zur besseren Er-kenntnis von Vorgängen auf der Erdegibt es auch einen Bereich, in dem dieInternationale Raumstation dem Fort-schritt in der Weltraumtechnologie selbstdienen wird: das ist das Testen, Erprobenund direkte Optimieren von neuenGeräten und Betriebsverfahren. Die

und Untersuchungsrichtungen in Abhän-gigkeit der vorausgegangenen Versuchs-ergebnisse modifizieren zu können. Dielange Verfügbarkeit der Station und dieAnwesenheit von Astronauten an Bord,die in Abhängigkeit der erzielten Ergeb-nisse auf die weiteren Experimente ein-wirken können, bringt die Fähigkeit zurRekonfiguration und Interaktivität vonExperimenten in einem weitaus größerenMaße als das bisher je im Weltraum derFall war, mit sich. Es wird erwartet, daßdadurch viele neue Nutzerkreise erschlos-sen werden, die bisher aufgrund von zeit-lichen Zwängen und mangelnder Plan-barkeit die vorhandenen Experimentier-möglichkeiten im Weltraum nicht nutzenkonnten.

Genauso schwer war es in der Vergan-genheit auch, innerhalb eines kurzenZeitraums Wiederfluggelegenheiten fürdie Fortsetzung von Experimenten zuerhalten. Die Internationale Raumstationwird in regelmäßigen Abständen vonbemannten und unbemannten Transport-fahrzeugen verschiedener Partner ange-flogen werden. Durch den regelmäßigenZugang wird die Station gerade für sol-che Experimente interessant, die mög-lichst schnell nach ihrem Entwurf auchrealisiert werden müssen oder die mög-lichst schnell nach ihrer Rückkehr zurErde in einer anderen Konfiguration wie-der fliegen müssen.

Die Leistungsfähigkeit der InternationalenRaumstation beruht auf ihren Abmes-sungen, der weitgehenden Standardisie-rung der Einrichtungen zur Unterbrin-gung von Experimenten und Nutzlastensowohl im Innern als auch an der Außen-seite der Station, der verfügbaren Ener-gie, den Möglichkeiten zur Datenerfas-sung, -speicherung, -verarbeitung und -übertragung, der Anwesenheit einer Be-satzung und von drei Robotersystemenaußerhalb der Station.

„Globalisierung der Nutzung“ wird fürdie Internationale Raumstation kein leeresSchlagwort bleiben. Die gesamte Stationwird als ein großes Forschungs- undVersuchszentrum im Weltraum betriebenwerden, eine „Space Station withoutBorders“, wobei die Arbeiten der Forscherund Ingenieure aus den verschiedenenTeilnehmerländern quer über die ganzeStation verteilt werden können und kei-neswegs nur auf die Laboreinrichtungen

des jeweiligen Herkunftslandes beschränktsind. Durch die Globalisierung der Nut-zungskonzepte soll erreicht werden, daßdie jeweils besten Wissenschaftler auf einem Gebiet unabhängig von ihrer Na-tionalität zusammengebracht werden.Damit erhält die Station auch in der For-schung eine politische Dimension, die esso bisher bei keinem vergleichbaren wis-senschaftlichen Programm gegeben hat.

Die Bestandteile der europäischenBeteiligung an der Station

Das Kernelement der europäischen Be-teiligung an der Internationalen Raum-station ist das Columbus-Orbitallabor(COF - Columbus Orbital Facility). DasCOF ist ein bemanntes Mehrzwecklaborfür Arbeiten auf dem Gebiet der Grund-lagenphysik, Flüssigkeitsphysik, Werk-stoffkunde, Technologieforschung undder Lebenswissenschaften, das sich durcheine modulare, auswechselbare Innen-ausstattung an wechselnde Einsatzzweckeanpassen läßt. Haltevorrichtungen fürexterne Plattformträger an der Außen-seite des Labors ermöglichen die Unter-bringung von Nutzlasten, die direkt denWeltraumbedingungen ausgesetzt wer-den sollen.

Das COF ist nicht nur der Ort, an dem diemeisten europäischen Forschungs- undTechnologiearbeiten an Bord der Stationdurchgeführt werden, sondern es ist for-mell auch Europas Eintrittskarte in dasPartnerschaftsprogramm der Internatio-nalen Raumstation, denn nur der Besitzeines Orbitalelementes auf der Stationoder die Lieferung wesentlicher Elementeder allgemeinen Orbitalinfrastruktur ver-leiht nach den Abmachungen unter denPartnern den Anspruch auf die Nutzungder Forschungskapazitäten und Ressour-cen der Raumstation. Der Start des COLUMBUS-Labors zur Station ist für Oktober 2002 an Bord eines US SpaceShuttles geplant. Im Gegenzug für denTransport des COF durch das Shuttle lie-fert Europa verschiedene Elemente an dieNASA, darunter insbesondere die beidenVerbindungsknoten Nr. 2 und 3 für dieStation.

Möglichkeiten der Raumstation sindbesonders auch für die Entwicklung undEinführung neuer Systeme der unbe-mannten Raumfahrt interessant. Sie kön-nen dazu beitragen, technische undbetriebliche Verbesserungen schneller inunbemannte Systeme wie zum BeispielKommunikations- oder Erdbeobachtungs-satelliten einführen zu können. Die Fähig-keit, neue Werkstoffe, Geräte und Ver-fahren auf der Internationalen Raum-station unmittelbar in ihrem späteren Ein-satzumfeld erproben, optimieren unddemonstrieren zu können, wird daher dieInnovationsfähigkeit der Raumfahrtfirmenaus den beteiligten Ländern wesentlichsteigern.

Die Internationale Raumstation und ihre Vorteile

Die Internationale Raumstation wird nachihrer Fertigstellung im Jahre 2003 Mög-lichkeiten bieten, die in dieser Art und indiesem Umfang noch bisher von keinemRaumfahrtsystem geboten worden sind.Die vier wichtigsten Vorteile sind folgen-de: Verfügbarkeit über einen langenZeitraum, Regelmäßigkeit des Zugangs,Leistungsfähigkeit und Globalisierung derNutzung.

Die Verfügbarkeit über einen langen Zeit-raum ist einer der hervorstechendstenVorteile der Station. Der Baubeginn derStation im All ist für Mitte 1998 geplant.Aber schon während der Bauphase, näm-lich nach dem Eintreffen des amerikani-schen Labormoduls gegen Mitte 1999,also gerade ein Jahr nach Baubeginn,wird die Nutzung der Station schrittweiseaufgenommen. Die volle Routinenutzungwird im Jahr 2003 beginnen und sollmindestens zehn Jahre andauern.

Eine solche kontinuierliche und im vorausplanbare Nutzungsmöglichkeit hat es bis-her noch nicht gegeben. InsbesondereEuropa war mehr oder weniger auf spo-radische Missionen angewiesen, die teil-weise in einem mehrjährigen Abstandvoneinander erfolgten. Ein wesentlicherAspekt der Forschung in Laboren auf derErde ist die Fähigkeit, Experimentabläufe

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Zur europäischen wissenschaftlichen Erst-ausstattung des COF gehören vier soge-nannte Multi-User-Facilities, also Anlagenfür die Nutzung durch verschiedeneNutzer, und zwar das Europäische Phy-siologie-Modul, das Biolab, das Labor fürFlüssigkeitsforschung und ein auf demKonzept der sogenannten Express-Racksberuhendes europäisches Rack für kurz-fristigen Zugang, gewissermaßen dasRack für Last-Minute-Buchungen auf demCOF. Das COLUMBUS-Labor wird auchvon der NASA genutzt werden, die aller-dings ihre wissenschaftliche Ausrüstungerst nach der Ankunft des COF auf derStation einbauen wird.

Alle Partner an der Raumstation müssenihren Anteil an den Aufwendungen über-nehmen, die für den Betrieb und dieNutzung der Station erforderlich sind.Statt Finanzbeiträge in einen gemeinsa-men Betriebsfonds zu zahlen, haben diePartner die Möglichkeit, betriebliche undlogistische Sachleistungen zu erbringen,beispielsweise in Form von Raumtrans-portleistungen. Europa hat beschlossen,die Ariane 5 für solche Aufgaben einzu-setzen. Die hauptsächlich als Satelliten-träger ausgelegte Ariane 5 ist jedoch sel-ber nicht dafür ausgerüstet, die notwen-digen Rendezvous- und Andockmanövermit der Raumstation durchzuführen. Fürdiesen Zweck entwickelt Europa eineintelligente Transferstufe, das sogenannteAutomatische Transferfahrzeug (ATV), das diese Aufgaben durchführen kann. Es wird mit einem druckbeaufschlagtenNutzlastcontainer zum Transport vonFracht und mit Tanks zum Transport vonfür den Betrieb der Station erforderlichenFlüssigkeiten und Gasen ausgerüstet.

Der Start einer Ariane 5 mit einem ATVzur Versorgung der InternationalenRaumstation ist etwa alle anderthalbJahre geplant. Zwei Tage nach dem Startvon Kourou wird das ATV dann an derRückseite des russischen Versorgungs-moduls andocken. Von dieser Positionaus ist es auch in der Lage, die gesamteStation auf eine höhere Umlaufbahn zubefördern, um die Reibungsverluste durchdie Restatmosphäre auszugleichen. Die-ses Manöver wird „Reboost“ genannt.

Startder ARIANE 5

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Nach Erreichen der Station kann das ATVbis zu sechs Monate an der Station ange-dockt bleiben. Es kann dann mit nichtmehr benötigten Gütern beladen werdenund einen gesteuerten steilen Wieder-eintrittsflug in die Erdatmosphäre ausfüh-ren, bei dem es durch die hohe mecha-nische und thermische Belastung gezieltzerstört wird.

Nach der gegenwärtigen Planung wirddas europäische COLUMBUS-Labor imOktober 2002 zur Internationalen Raum-station befördert werden. Europa möchteaber natürlich so früh wie möglich aufder Station präsent sein, um eine Konti-nuität zwischen dem Ende der Spacelab-und Euromir-Missionen und dem Beginnder COF-Nutzung zu wahren und um sichauf Betrieb und Nutzung des COF vor-zubereiten.

Deshalb hat die ESA bilaterale Vereinba-rungen mit der NASA und der russischenWeltraumorganisation RKA geschlossen,die es Europa ermöglichen sollen, schonvor der Verfügbarkeit seines eigenenLabormoduls die Forschungs- und Be-triebskapazitäten der anderen Partner zunutzen und eventuell eigene Astronautenzur Station zu entsenden. Dafür liefertEuropa im Gegenzug wissenschaftlichesund technisches Gerät an die NASA unddie RKA. Dazu gehören, für den russi-schen Partner, der Europäische Roboter-

Schnittzeichnung des COLUMBUS-Labors

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arm (ERA) und ein Datenmanagementsy-stem und, für die NASA, mehrere Ele-mente zur Laborausrüstung der Raum-station.

Auf der ESA-Ratssitzung auf Minister-ebene in Toulouse im Oktober 1995wurde die ESA auch beauftragt, im Rah-men einer zweijährigen Definitionsstu-die die Möglichkeit zu untersuchen, eineuropäisches Crew-Transportfahrzeug

zu entwickeln. Über verschiedene Zwi-schenschritte hatte sich aus diesem Auf-trag mittlerweile eine Zusammenarbeitmit der NASA an deren X-38-Programmergeben.

Das X-38-Programm hat das Ziel, dieTechnologien für ein Crewrückkehrfahr-zeug für die Internationale Raumstationzu qualifizieren. Der Entwurf für das X-38nutzt ein Auftriebskörperkonzept (LiftingBody), das Mitte der siebziger Jahre vonder US-Luftwaffe unter der Projektbe-zeichnung X-24A entwickelt worden ist.Das X-38-Programm beinhaltet den de-taillierten Entwurf und die Entwicklungeines unbemannten Fahrzeuges, genanntV-201, zur Durchführung eines orbitalenTestfluges, das in der Ladebucht des USSpace Shuttle Mitte 2000 in den Welt-raum transportiert werden wird und an-schließend einen automatischen, antriebs-losen Gleitflug zurück zur Erde durch-führen soll. Durch die Zusammenarbeitmit der NASA am X-38-Programm wirdEuropa eine wesentliche Rolle bei derEntwicklung folgender Rückkehrtechno-logien spielen: Aerodynamik, Steuerklap-pen, Bugkappe, Struktur, Landegestell,Wärmeregelung und Wärmeschutz, Flug-führung, Navigation und Lageregelung,Parafoil-Fallschirmsystem.

Die Herausforderungen imManagementbereich

Europa hat sich nun nach langem undzähem gemeinsamen Ringen endlichdeutlich und bindend für die Internatio-nale Raumstation entschieden. Der Preisdafür ist allerdings, daß das ESA-Pro-gramm zur europäischen Beteiligung ander Internationalen Raumstation auf einechtes Minimum heruntergefahren wor-den ist. Wir alle stehen damit nicht nurunter einem erheblichen Erfolgsdruck,sondern auch unter einem enormen Ko-sten- und Effizienzdruck. Wir – die euro-päische Industrie und die ESA – müssennicht nur zeigen, daß das Programmgelingt, sondern wir müssen auch zeigen,daß das Programm im vorbestimmtenZeitrahmen und innerhalb der zur Verfü-gung stehenden Finanzmittel gelingt.

Die Station ist daher nicht nur ein Sprung-brett in Richtung auf eine neue Technikund eine neue und umfangreichere Artder Nutzung des Weltraums, sondern esist auch ein Sprungbrett in eine neue

Mentalität und in neue Management-techniken. Das ist eine enorme Heraus-forderung. So beträgt zum Beispiel beidiesem Programm der ESA-Management-anteil an den gesamten Programmkostennur noch 13,8 Prozent, für ein interna-tionales Kooperationsprogramm dieserGrößenordnung und Herausforderung einvöllig unüblich niedriger Wert. Für die In-dustrieaufträge verbleiben damit zwarnoch 86,2 Prozent, aber auch bei diesen86,2 Prozent muß ein neues Denken an-fangen, wenn wir Erfolg haben wollen.Das alte 120-Prozent-Denken, nach demes bei ESA-Programmen sowieso immernoch einen Spielraum zur Kostenüber-ziehung durch die Industrie um 20 Pro-zent gibt, ist bei diesem Programm defi-nitiv nicht mehr angebracht. Angebrachtist sogar nicht einmal mehr ein 100-Pro-zent-Denken, denn selbst 100 Prozentkönnen in einer Zeit drastisch begrenzterHaushaltsmittel bei den Teilnehmerlän-dern nicht mehr als gesichert angenom-men werden. Da die vorhandenen Ge-samtmittel der ESA streng begrenzt sind,können sich die Probleme eines Pro-gramms schnell auf die finanziellen Mitteleines anderen Programms auswirken.

Wir alle müssen uns diesen Herausfor-derungen stellen. Dabei müssen wir unsbewußt sein, daß die erfolgreiche Be-wältigung des Entwicklungs- und Bau-programms für die verschiedenen Ele-mente des europäischen Programms zurBeteiligung an der Internationalen Raum-station das Sprungbrett sein wird für das Erreichen eines ausgewogenen undfinanziell ausreichend ausgestatteteneuropäischen Betriebs- und Nutzungs-programms, dessen Genehmigung durchdie zuständigen europäischen Minister im Jahre 2000 anstehen wird.

Um alle diese Ziele in einem kühnenSprung zu erreichen, wird das Verhältniszwischen den drei Hauptakteuren –Vertretungen der Mitgliedsländer, ESAund Industrie – sicher oft hart sein müs-sen, es sollte dabei aber immer fair underfolgsorientiert bleiben. ß

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Europa ist einer voninsgesamt fünf internatio-

nalen Partnern beim Aufbauund der Nutzung der

Internationalen Raumstation.Von den

insgesamt 14ESA-Mitglieds-

staaten sind zehn an der Entwicklung der

Programme und der Finan-zierung der Entwicklungs-

kosten direkt beteiligt:Belgien, Dänemark, Deutsch-

land, Frankreich, Italien, die Niederlande,Norwegen, Schweden, Schweiz und Spanien.

Die nationalen Regierungen haben durch dieMitunterzeichnung des Intergovernmental

Agreement (IGA), das im Januar 1998 in Washington paraphiert wurde, ihren individuellen Beiträgen in finanzieller,

wissenschaftlicher und industrieller Hinsichteine verbindliche Plattform gegeben.

Die Beteiligung Europas findet nicht nur indem IGA-Abkommen ihren Ausdruck, das als

starke Kernelemente die Beistellungen deseuropäischen COLUMBUS-Labormoduls (COF)

und die Entwicklung des automatischenTransferfahrzeugs ATV umfaßt. In bilateralen

Kooperationen der ESA mit der russischenRaumfahrt-Agentur RKA, der amerikanischen

NASA und der japanischen NASDA werdenweitere Einzelheiten der Kooperation geregelt.

Die Beteiligung und Mitwirkung der einzelnenStaaten beim Aufbau und der späteren

Nutzung der Raumstation ist zum Teil sehrunterschiedlich ausgeprägt. Die Kerninhalte

der einzelnen nationalen Beiträge der ameuropäischen Programm teilnehmenden

Länder werden auf den nächsten Seiten vordem Hintergrund ihrer strategischen

Zielsetzung und der Beweggründe vorgestellt.

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Dieeuropäischen

Partner

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Ausgehendvom erstenKonzept derInternationalen

Raumstation war Belgien im-mer an einer Beteiligung andiesem Projekt interessiert.Das Interesse bezog sich aufdie Entwicklung der europäi-schen Anteile an dieser her-ausragenden internationalenKooperation ebenso wie ander Vorbereitung der Nutzungfür Wissenschaft und Tech-nologie.

Die belgische Beteiligung ander Raumstation – die gemes-sen am Bruttoinlandsproduktdie größte ist – bezieht sichgrößtenteils auf die Entwick-lung von Anlagen für das europäische Labormodul COFsowie auf Testflüge und diefrühe Nutzung der Raumsta-tion noch vor der Integrationdes COF.

Diese große Beteiligung solltezu einem nennenswerten Zu-gang für die Nutzung durchbelgische Wissenschaftler füh-ren. Sie haben in vielen Berei-chen großen Anteil an derFörderung der Forschung un-ter Weltraumbedingungen –Fluidphysik, Materialwissen-schaften, Biologie und Medi-zin – und sind aktiv in dieDefinition der wissenschaft-lichen Einrichtungen des COFeinbezogen.

Damit die umfangreiche belgi-sche Beteiligung an der Inter-nationalen Raumstation sichin wissenschaftlichen Ergeb-nissen auszahlt, plant man inBelgien die Entwicklung vonmodularen Bauteilen für daseuropäische Physiologie-Laborsowie von Vorrichtungen fürdas Bio-Labor.

Zusätzlich zu der Schwere-losigkeitsforschung werdenExperimente über das Strah-lungsumfeld, Messungen der

Sonnenkonstante sowie Atmosphärenforschung denForschungswert der Raumsta-tion noch einmal vergrößern,da diese Experimente mit den-selben Geräten, nötigenfallsrekalibriert, im Verlauf eineskompletten Sonnenzyklus (elfJahre) durchgeführt werdenkönnen. Diese für das richtigeVerständnis der Ozonentwick-lung unerläßlichen Daten sindbereits während der frühenNutzungsphase verfügbar undsollten ebenfalls in der gesam-ten Nutzungsphase gesam-melt werden. Die derzeit nochin der Entwicklung befindli-chen technologischen Voraus-setzungen für Lebenserhal-tungssysteme bei bemanntenLangzeitflügen werden dannfür Versuche mit künstlichenÖkosystemen auf der Raum-station ausgereift sein.

Weitere anwendungsorientier-te belgische Forschungspro-jekte wie „Delay Lines“ und„Soret Coefficient Measure-ments“, die für die Ölindustrievon Interesse sind, werdenaußerhalb der Raumstationangebracht. Vorbereitende Ex-perimente werden in „getaway specials“ an Bord einesSpace-Shuttle vorbereitet. DieForschungslabors sind auchfür telewissenschaftliche An-wendungen ausgestattet, diedurch Fernüberwachung einezeitgleiche Verarbeitung derWeltraumdaten auf der Erdeermöglichen. So kann die For-schung am Boden – aufbau-end auf den vorherig gewon-nenen Ergebnissen – mit wei-terführenden Experimenten-reihen fortgesetzt werden.Verglichen mit den meist nureinmalig durchführbaren Ex-perimenten während der kur-zen Spacelab-Missionen stelltdies eine immense Verbesse-rung dar.

Von besonderem Interesse fürBelgien ist das „Drawer Rack“,das neue Entwicklungen inTechnologie-Demonstrationenund anwendungsorientierterForschung erlaubt. Alle dreibis sechs Monate wird die

„Schublade“ im Rahmen derallgemeinen Stationsversor-gung ausgetauscht. Auf die-sem Wege nehmen die neue-sten Technologien für wissen-schaftliche Diagnostik und einintelligentes Management derExperimente Einzug an Bordder Raumstation.

Eine Beteiligung Belgiens ander Nutzerunterstützung des„Drawer Rack“ unter ESA-Management ist geplant. Die-se Forschungsvorrichtung istden Bedürfnissen der „klei-nen“ an der Raumstation be-teiligten Staaten angepaßt, dasie der Industrie vor Ort dieEntwicklung von „Space-Hardware“ als Hauptvertrags-partner ermöglicht. Durch dieTeilnahme an den Technolo-gieprogrammen der ESA istBelgien hervorragend auf denBord- und Bodenbetrieb des„Drawer Rack“ vorbereitet.Dies gilt ebenso für die exter-ne Forschungsinfrastruktur,die „Technology Exposure Fa-cility“, an der belgische For-scher durch die Entwicklungdes JERICO-Roboters beteiligtsind.

Wenn die Bedürfnisse allereuropäischen – und belgischen– Wissenschaftler zusammen-gezählt werden und wennfaire Regeln für die Raumsta-tionsnutzung, die auch dielegitimen nationalen Beweg-gründe berücksichtigen, inder frühen Phase aufgestelltwerden, wird es Belgien mög-lich sein, die erwarteten wis-senschaftlichen Ergebnisse aus diesem Programm zu er-halten. In dieser Hinsicht isteine Anstrengung der euro-päischen Teilnehmer notwen-dig, und Belgien hofft, daßeines der Hauptresultate die-ses Unternehmens eine aus-geglichene Kooperation imeuropäischen und im interna-tionalen Verbund sein wird.

Die InteressenDänemarks ander Internatio-nalen Raum-

station liegen hauptsächlich inden Bereichen Wissenschaft,Technologie und Nutzungs-unterstützung.

Das wissenschaftliche Interes-se konzentriert sich vor allemauf Experimente zur Human-physiologie, die vom Däni-schen Zentrum für Raumfahrt-medizin (DAMEC) ausgeführtwerden. Zu den grundlegen-den Fragestellungen gehörendie Regulierung der Körper-flüssigkeit auf der Erde undim Weltraum sowie die Ver-besserung des Zusammenwir-kens des kardiovaskularenSystems mit den Hormonenund Nieren. Die dänischenWissenschaftler arbeiten aufdiesen Gebieten in internatio-nalen Kooperationen mitInstituten aus den USA, Ruß-land, Japan und Deutschlandzusammen.

Im Bereich der Technologieliegt das dänische Interessebei der elektronischen Hard-ware und Software sowie beiden medizinischen Anlagen.Soft- und Hardware aus Däne-mark haben in der Vergan-genheit bereits kommerzielleBereiche in der Raumfahrt-und der Luftfahrtindustrie er-schlossen. Dänische Firmensind beispielsweise an der Ent-wicklung des europäischenLabormoduls Columbus Orbi-tal Facility (COF) und demRoboterarm ERA beteiligt,ebenso an dem „Gas Analy-zer“ (ARMS), einem Teil dermedizinischen Anlagen derRaumstation. Desweiteren istDänemark Partner bei der Ent-wicklung eines Kühlsystems(MELFI), das die ESA im Auf-trag der NASA herstellt sowiebei der Ausstattung desShuttle und der Raumstationmit einer Reihe von Ergo-metern.

Belgien Dänemark

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Im Bereich der Nutzungs-unterstützung für Experimen-te im All hat die DAMEC inden letzten zehn Jahren vorallem in den Disziplinen derLebenswissenschaften wert-volle Erfahrung gesammelt.

Im dänischen Beitrag für diebiowissenschaftliche For-schung ist bereits das Poten-tial für einen Spin-off bei derUntersuchung grundlegenderProzesse der menschlichenPhysiologie und der Behand-lung von Herzerkrankungenauf der Erde zu erkennen.

Auf der ESA-Ratstagung1995 in Tou-louse wurde

Konsens über die BeteiligungEuropas an der Internatio-nalen Raumstation erreicht.Europa wird einen sichtbarenund signifikanten Beitrag lei-sten und hat sich damit einenAnteil an der „lmmobilie“Raumstation gesichert.

Deutschland bringt 41 Prozentin diesen ESA-Anteil ein undbeansprucht mit seinen Beiträ-gen aus Wissenschaft undIndustrie zum „System Raum-station“ eine führende Rolleim europäischen Raumsta-tionsszenario. Der ESA-Beitragzur Internationalen Raumsta-tion besteht aus folgendenElementen:dem Columbus-LabormodulCOF (Columbus Orbital Facility),dem Nutzungsvorbereitungs-programm, das eine rechtzei-tige und optimale Nutzungder Raumstation sicherstellensoll,der Bereitstellung von Logistik-leistungen mit dem Transport-fahrzeug ATV (AutomatedTransfer Vehicle), mit denender europäische Beitrag zuden gemeinsamen Stations-Betriebskosten erbracht wer-den soll,

Mit der Ent-scheidung desESA-Rates aufMinisterebene

in Toulouse vom Oktober 1995hat Frankreich ein Engage-ment am europäischen Pro-gramm zur Beteiligung an derInternationalen Raumstationin Höhe von 27,6 Prozent be-schlossen. Das entspricht aufder Basis von 1995 einemVolumen von 760 MillionenECU.

Unter wirtschaftlichen Vorzei-chen bedeutet diese Beteili-gung in erster Linie die Einbe-ziehung der Raumfahrtindu-strie, die hauptsächlich für dieEntwicklung des automati-schen Transferfahrzeugs ATV(Automated Transfer Vehicle)verantwortlich ist.

Das ATV ist ein unbemanntesLogistikfahrzeug, das durchBahnkorrekturen die Stationauf die vorgesehene Umlauf-bahn anheben, während derMissionszeit im Orbit verblei-ben und für den Transportnotwendiger Versorgungs-güter wie Proviant, Treibstoffund Experimentieranlagendienen soll.

Das ATV wird mit der ARIANE-5-Trägerrakete gestartet undsteuert danach automatischzur Raumstation, wo es auto-matisch andocken und fürmaximal sechs Monate ver-bleiben wird. Während desAufenthaltes im Orbit kanndas ATV bis zu acht Wochenin einer orbitalen Bahn in derNähe der Raumstation aufeiner Warteposition bleiben,um den Andockstutzen freizu-halten und danach wieder an-zudocken. Nach Beendigungseiner Mission wird das ATVdurch einen kontrolliertenEintritt in die Erdatmosphäremit dem Entsorgungsgut ver-glühen.

Das Kontrollzentrum für dasATV wird die Abwicklung die-ser Aufgaben vom automati-schen Anflug während derAnnäherungsphase bis zumEnde der Mission mit der Ab-koppelung von der Stationund dem kontrollierten Eintrittin die Erdatmosphäre durch-führen. Das Kontrollzentrumwird gleichermaßen die Kon-trolle während der dynami-schen Phasen und teilweisedie Funktion der Überwa-chung während der Andock-phase übernehmen. Das CNEShat aus seiner Sicht die Ent-wicklung und Realisierungdieses Kontrollzentrums inner-halb seiner Einrichtungen inToulouse vorgeschlagen.

Im Rahmen der Nutzungs-Vereinbarungen zwischen ESAund NASA wird Frankreichfünf externe Nutzlasten in derfrühen Nutzungsphase ein-bringen.

Unter diesen Nutzlasten befin-den sich unter anderem dasProjekt ACES, das durch denVergleich zweier Atomuhrencharakterisiert werden kann:PHARAO (Projet d´HorlogeAtomique par Refroidissementd´Atomes en Orbite) undeinem Wasserstoff-Laser. DasExperiment PHARAO wurdevon den Kastier-Brossel-Laborsder Ecole Normale Supérieurede Paris konzipiert und ist diezur Zeit genaueste Atomuhrder Welt. Durch die Schwere-losigkeit kann die Genauigkeitder Atomuhr deutlich verbes-sert werden. Dies ebnet denWeg für eine Reihe von An-wendungen in der grundla-genorientierten Forschung,mit der die Zeitmessung undFrequenzauslegung für neueNavigationssysteme verbessertwerden sollen.

Zum anderen gehört zu die-sen Nutzlasten das Experi-ment SOLSPEC (SOLar SPEC-trum), das vom Serviced´Aéronomie des CNRS inVerriers-le-Buisson vorgeschla-

Deutschland

Frankreichdem MFC-Programm (Micro-gravity Facilities for Colum-bus), mit dem Experimentier-anlagen für das COF bereitgestellt werden sollen (deut-scher Beitrag hier: 40 Pro-zent), und einer Studienphase für einRettungsfahrzeug.

Deutschland beteiligt sich sub-stantiell an allen diesen Ele-menten; die deutsche Indu-strie hat beim COF die System-führung und übernahm inden anderen Bereichen jeweilsgrößere Arbeitspakete.

Um Europa und damitDeutschland auch schon vordem Start des COF – vorge-sehen für 2002 – in die Lagezu versetzen, sich intensiv auf die Nutzung vorzubereitenund die notwendigen interna-tionalen Koordinationen undKooperationen aufzubauen,wird eine „frühe Nutzung“der Raumstation durchge-führt. Bilaterale Übereinkünftemit der NASA ermöglichenbereits Jahre vor dem COF-Start interne Laborexperimen-te aus dem Bereich Forschungunter Weltraumbedingungenund extern an der Stationdurchgeführte Experimenteaus den Bereichen Technolo-gie, Erderkundung, Extraterre-strik, Lebenswissenschaftenund industrielle Nutzung. AlsGegenleistung stellt Europader NASA Laborausrüstungenzur Verfügung; hieran betei-ligt sich Deutschland und diedeutsche Industrie mit über48 Prozent.

Schließlich wird der COF-Start,der mit dem US-Shuttle erfol-gen soll, mit der europäischenBeistellung von zwei Stations-Verbindungsknoten und vonSpezial-Gefrierschränken„bezahlt“.

Direkte Beiträge Deutschlandszur Raumstation sind primärim Nutzungsbereich zu fin-den, zum Beispiel beim Bauvon Instrumenten und bei derNutzerunterstützung.

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gen wurde. Es wurde zusam-men mit zwei anderen euro-päischen Experimenten zurErforschung der Sonne aus-gewählt und untersucht pho-tochemische Prozesse in derAtmosphäre und weitere Kli-mafaktoren, die mit der Son-nenaktivität zusammenhän-gen.

Eine starkeund sichtbareBeteiligung ander Internatio-

nalen Raumstation gehörteimmer schon zu den Prioritä-ten des italienischen Raum-fahrtprogramms. Diese Beteili-gung hat aus wissenschaftli-chen, industriellen und politi-schen Gründen, die eng mit-einander verzahnt sind, einestrategische Bedeutung.

Die Umsetzung dieser Politikmündete in der italienischenBeteiligung auf zwei formalgetrennten, inhaltlich aberkoordinierten Wegen: durchdie Teilnahme am ESA-Ent-wicklungs-Programm unddurch eine direkte NASA/ASI-Kooperation.

Die italienische Beteiligung istdurch die folgenden forma-len Vereinbarungen definiert:IGA, unterzeichnet durch dieitalienische Regierung in derFolge der italienischen Unter-zeichnung der ESA-Erklärungzur „Europäischen Teilnahmeam Internationalen Raumsta-tionsentwicklungs-Programm“(Beteiligung:19 Prozent), dasNASA/ASI-MoU zur Entwick-lung des Logistik-ModulsMPLM, die ESA/ASI-Vereinba-rung zur Kooperation beimMPLM und COF und die ESA/ASI-Vereinbarung zur Ent-wicklung von Node2/Node3, durch die die ESA der ASI dieVerantwortung für die Ent-wicklung und die Lieferungder Bauteile Node2/Node3 andie NASA übertragen hat.

Auf der Grundlage dieser Ver-einbarungen ist die ASI bzw.die italienische Industrie fürdie Entwicklung dreier voninsgesamt acht druckbeauf-schlagten Modulen im „nicht-russischen“ Teil der Stationverantwortlich. Zudem kommtItalien eine Schlüsselrolle beider Entwicklung der europäi-schen Elemente COF und ATVzu.

Jetzt, wo der Start des erstenElementes nur noch wenigeMonate entfernt ist und diePerspektiven für die Nutzungder Station Kontur gewinnen,hat sich die Bedeutung derwissenschaftlichen, technolo-gischen, industriellen undkommerziellen Nutzung derRaumstation in allen Punktenbestätigt und ist als ein we-sentlicher strategischer Be-standteil in das fünfjährige Na-tionale Raumfahrtprogramm(PSN 1998-2002) eingeflos-sen, dem die Regierung Ende1997 zugestimmt hat.

Auf die Förderung und Um-setzung der Nutzung derInternationalen Raumstationrichtet sich das Hauptaugen-merk der ASI bei kurz- undmittelfristigen Maßnahmen:Es wurden Sonderfinanzrück-lagen dem PSN zugewiesenund spezielle Initiativen verab-schiedet, die sich an die wis-senschaftliche und industrielleGemeinschaft wenden.

Konkret wurde das Auswahl-programm für alle Disziplinen1997 durch ein AoU gestartet.Es wurden etwa 70 Vorschlä-ge mit einer klaren Mehrheitfür die Biowissenschaften ein-gereicht. Diese werden zurZeit von Experten ausgewer-tet. Für die schwerelosigkeits-bezogenen Forschungsdiszi-plinen war es seit jeher italie-nische Politik, auf einen eige-nen Bestand an nationalenAnlagen zugunsten einer Be-teiligung und teilweisen Nut-zung der ESA-Hardware zuverzichten. Diese Position wirdzur Zeit überprüft, vor allemwegen der durch das NASA/

ASI-Abkommen entstandenennationalen Fluggelegenheitenund der wachsenden Bedeu-tung von technologisch-kom-merziellen Anwendungen.

Die Ausweitung der Nutzer-gemeinschaft der Raumstationals Folge der verstärktenAkquisition von Experimentenund Initiativen aus dem Hoch-schulbereich und der weitereAusbau der nationalen „Nut-zerfreundlichen Infrastruktur“– die in einem europäischenSzenario koordiniert wird –sind zwei Gründe, die die Nut-zung der Raumstation opti-mieren und zur Erzielung dererwarteten Ergebnisse beitra-gen werden.

Die niederlän-dische Betei-ligung an be-mannten

Raumfahrtprojekten war undbleibt bescheiden. Jedoch istdie niederländische Beteili-gung an einigen ESA-Projek-ten im Rahmen der frühenNutzung der InternationalenRaumstation – wie etwa derRoboterarm ERA (EuropeanRobot Arm) oder die AnlageMSG (Microgravity ScienceGlovebox) – hoch. Der in denNiederlanden gebaute Robo-terarm ERA wird ab 2000 – nach dem Start auf einerrussischen Plattform an Borddes Shuttle – für den Aufbauund Austausch von Kompo-nenten und Instrumenten am russischen Segment derRaumstation eingesetzt. Diegeschlossene Experimentier-vorrichtung MSG ist für denEinsatz in den Labormodulender Raumstation vorgesehen,in der die Astronauten sicherExperimente durchführenkönnen.

Niederländische Wissenschaft-ler haben seit der erstenSpacelab-Mission FSLP (FirstSpacelab Payload) an Missio-nen wie D-1 und D-2 sowiean IML-1 und IML-2 (Inter-national Microgravity Labora-tory) mitgewirkt und über 20Experimente aus den Berei-chen Biologie, Physik, Che-mie, Materialwissenschaften,Fluidphysik und Lebenswis-senschaften durchgeführt.Allein der niederländischeESA-Astronaut Dr. WubboOckels hat auf der D-1 Mis-sion 12 Experimente anFroscheiern, zur Marangoni-Konvektion, Erstarrung beigeschmolzenen Legierungen,Fluidphysik und Biowissen-schaften im Auftrag von Wis-senschaftlern der Universitä-ten Utrecht, Groningen, Nijm-wegen und Limburg durch-geführt.

Die Industrie und wissen-schaftliche Einrichtungen inden Niederlanden haben For-schungsanlagen und Hard-ware sowohl für das Spacelabals auch für die InternationaleRaumstation entwickelt undgebaut. Dazu gehören unteranderem die Experimentier-einrichtungen Biorack, Biolabund das European DrawerRack. Forschungsinstrumentewie die Glovebox und biolo-gische Experimentiervorrich-tungen wurden ebenfalls ent-wickelt. Komponenten derVideo-Ausrüstung, der Com-putersysteme zur Unterstüt-zung der Crew und von Kühl-systemen sind ebenfalls nie-derländischen Ursprungs.

Niederländische Wissenschaft-ler werden ebenfalls dieRaumstation nutzen, wenndie Bauteile fertiggestellt sind.Wissenschaftler und Unter-nehmen sind bereits in ersteStudien für potentielle Experi-mente wie beispielsweise aufden Gebieten Technologie,Robotik, Röntgenastronomie,Exobiologie, Biowissenschaf-ten und Physik einbezogen.

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Italien

Niederlande

NorwegensstrategischeZiele zur Betei-ligung an der

Internationalen Raumstationkonzentrieren sich auf dieindustrielle Lieferung von Bau-teilen für das COF (ColumbusOrbital Facility) und das ATV(Automated Transfer Vehicle).In der Folge der BeteiligungNorwegens hat die norwegi-sche Wirtschaft eine strate-gische Kooperation mit Tech-nologiepartnern aufgebautund liefert Hoch-Technologie-produkte, die bereits zu Spin-offs auf internationalen Märk-ten geführt haben.

Mehrere norwegische Unter-nehmen wie beispielsweiseKongsberg Aerospace & De-fense und Raufoss Technologyliefern heute äußerst konkur-renzfähige Produkte an ameri-kanische und europäischeHauptvertragspartner. AndereUnternehmen wie Cap Gemi-ni können herausragendeSpin-offs vorweisen.

Für das COF hat das Unter-nehmen Cap Gemini als Un-terauftragnehmer der Dasa inBremen ein Datensystem fürdie Test- und Prüfsysteme desLabormoduls entwickelt. Beimnorwegischen UnternehmenMarintek, das zur SintefTechnologie Gruppe gehört,entstand in Zusammenarbeitmit ESA, Dasa sowie ALENIASPAZIO das COL-SLM (Colum-bus Logistics Simulation Mo-del). Leichtgewichtskompo-nenten für das ATV werdenvon Kongsberg Aerospace &Defense geliefert, währendRaufoss Technology, ein wei-teres norwegisches Hightech-Unternehmen, Präzisionsven-tile für das Antriebssystem desATV liefert.

Im wissenschaftlichen Bereichbeabsichtigen norwegischeUniversitäten und Forschungs-einrichtungen ihren zukünfti-gen Anteil an der Nutzungder Internationalen Raumsta-tion vor allem in den Berei-chen Plasmaphysik und Pflan-zenphysiologie zu konzentrie-ren. Die Universität Trondheimhat mit der ESA eine Verein-barung getroffen, um an Bordder Raumstation Untersu-chungen und Experimente anPflanzen vorzunehmen undauf diesem Wege zur Lebens-mittelversorgung währendlängerdauernder bemannterMissionen – wie etwa einerMars-Mission – beizutragen.Das Norwegian Defense Re-search Establishment hat eineBeteiligung an Umweltbe-obachtungsprojekten derRaumstation vorgeschlagen.

Die Schweizhat auf Grundihrer Politik derNeutralität in

auswärtigen Angelegenheitenals ESA-Mitglied nicht die frü-hen Pläne der VereinigtenStaaten zum Bau einer Raum-station (Freedom) unterstützt.Mit dem Fall der Sowjetunionund der Neuausrichtung desProjektes im Rahmen einerweltweiten Kooperation ge-meinsam mit Rußland wurdedie ursprüngliche Position re-vidiert, und die Schweiz konn-te als ein Mitunterzeichnerdes neuen IGA (Intergovern-mental Agreement) im Januar1998 in Washington dabeisein. Insgesamt werden dieschweizerischen Beistellungenzur Internationalen Raum-station bis zu 150 MillionenDM betragen.

Im Ergebnis ist die schweizeri-sche Industrie nun an denmeisten der als europäischerBeitrag von der ESA entwickel-ten Beistellungen zur Raum-station beteiligt. Das betrifftnicht nur die größeren Kom-ponenten wie COF, ATV und

ERA, auch die kleineren fürExperimente vorgesehenenAnlagen werden durch dasMFC-Programm (MicrogravityFacilities for Columbus) finan-ziert.

Wenn auch die Entscheidungder Schweiz für eine Beteili-gung an der Raumstation teil-weise politisch war, liegt einebenso wichtiger Grund beider Entscheidung, das in Zu-kunft größte orbitale For-schungslabor auch für dieWissenschaftler in der Schweizzu öffnen.

Einige Forschungsgruppen ausden Bereichen der Zellbiologieund der Humanphysiologiebereiten Experimente vor, dieim amerikanischen Labor-modul oder während der frü-hen Phase der COF-Nutzungdurchgeführt werden sollen.

Auch in den Bereichen, dieauf der Raumstation natur-gemäß anspruchsvoll sind,haben die Wissenschaftler inder Schweiz sehr positiv aufdie ESA-Ausschreibung fürexterne Nutzlasten reagiert.Inzwischen arbeiten schweizerPhysiker und Astrophysikermit ihren ausländischen Kolle-gen in der Sonnenphysik(SOVIM) und in der Strahlen-messung (CREEP) ebenso wiebei der Atomuhr (ACES) zu-sammen.

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Norwegen

Schweiz

Der spanischeAnteil am europäischenGesamtbudget

zur Internationalen Raumsta-tion beläuft sich auf zwei Pro-zent. Mit dieser Beteiligung ist die Raumstation für spani-sche Unternehmen zu einemwichtigen Impulsgeber gewor-den. Spanien könnte aucheine wichtige Rolle hinsicht-lich einer künftigen Nutzung

der Raumstation spielen. Spanische Wissenschaftler ver-fügen beispielsweise in denBereichen Mikrogravitation – Flüssigkeitsverhalten, Ver-brennung, Kristall- und Pro-teinwachstum, Biologie usw. – sowie Astrophysik überlangjährige Erfahrungen.

Zur Zeit werden bei einigenUnternehmen – CASA, SENER,CRISA, Alcatel Espacio, GMV,Indra und NTE – verschiedeneRaumstations-Elemente ent-wickelt, darunter die sekundä-re Struktur zu COF (SENER)und der „CommunicationTransponder“ im „S“-Bandfür das ATV (Alcatel Espacio).Praktisch alle spanischen Un-ternehmen mit Erfahrungenim Raumfahrtbereich (Ibere-spacio, Mier, RYMSA undTecnológica) haben mittler-weile Anträge für die Entwick-lung und Herstellung vonATV-Bauteilen eingereicht.

Für zwei spanische Unterneh-men, Indra und GMV, bestehtdie Möglichkeit, an der indu-striellen Entwicklung des Kon-trollzentrums für europäischeAnlagen mitzuwirken. Aucham Bau und der Entwicklungvon wissenschaftlichen Ein-richtungen ist Spanien betei-ligt: Mehrere spanische Fir-men arbeiten an den Experi-mentieranlagen der Station.So hat NTE einen wesentli-chen Anteil am biologischenVersuchslabor (Biolab) und an einer Trainingsanlage fürAstronauten. Desweiterenentwickelt SENER, zusammenmit anderen Partnern, einAusrichtesystem für Instru-mente, das im Bereich derAstrophysik und der Exobiolo-gieforschung zum Einsatzkommen kann. ß

Spanien

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Frage: Im Herbst diesen Jahres wird mitdem Start des ersten Elements der Inter-national Space Station ISS der „Grund-stein“ für ein Jahrhundertprojekt im Allgelegt. Gemeinsam mit 14 anderen Na-tionen wird auch Deutschland maßgeb-lich am Bau und an der Nutzung derRaumstation beteiligt sein. Welche Be-deutung wird dieses Projekt für Deutsch-land haben?

Prof. Bachem: Für Deutschland – wieauch für die anderen Teilnehmerstaaten –ist die Beteiligung an der InternationalenRaumstation vor allem für die Weiter-entwicklung innovativer Wissenschafts-und Technologiebereiche bedeutend. Werals qualifizierter Partner am größten wis-senschaftlich-technischen Projekt in derMenschheitsgeschichte – und das ist dieISS – teilnimmt, der bringt eine begehrte

„Mitgift“ ein. Gemeint sind vor allemexzellent ausgebildete Wissenschaftler,Ingenieure und ein leistungsfähiges Man-agement. In den letzten 30 Jahren wur-den in Deutschland wertvolle Erfahrun-gen und Kompetenzen in der Raumfahrterarbeitet; mit Blick auf die Raumstationbedeutet dies Zukunftsfähigkeit. Deutsch-land ist mit 41 Prozent der ESA-Beiträgezur Raumstation Europas stärkster Part-ner. Der deutsche Anteil an der gesamtenStation beträgt gerade zwei Prozent,doch wenn Sie die strategische Bedeu-tung der deutschen Beiträge dagegenhal-ten, dann ergibt sich ein überzeugendesVerhältnis zwischen dem finanziellenInput und dem wissenschaftlich-technolo-gischen Output.

Frage: In welchen Schlüsselbereichenwird Deutschland sein Know-how ein-bringen können?

Prof. Bachem: Beim Bau, Betrieb, aberinsbesondere auch bei der Nutzung derInternationalen Raumstation werdendeutsche Beiträge eine wichtige Rollespielen. Das europäische LabormodulCOF wird beispielweise von der Dasa in

Bremen gebaut, die seit dem Bau deserfolgreichen Weltraumlabors Spacelabvor 25 Jahren über große Expertise ver-fügt. Der Betrieb der europäischen Labor-einheit wird vom Raumfahrtkontrollzen-trum des DLR in Oberpfaffenhofen über-nommen, von dem aus in der Vergan-genheit bemannte Missionen mit deut-scher Beteiligung in Ost und West be-treut wurden. Für die Nutzung derRaumstation werden schließlich innova-tive Köpfe aus der Wissenschaft, For-schung und Industrie an die bestehendenAnsätze anknüpfen und neue Konzepteund zukunftsweisende Experimente ein-bringen.

Frage: Deutschland wird also als ein ge-fragter Leistungsträger dabeisein, wennin den nächsten fünf Jahren die Inter-nationale Raumstation aufgebaut und

nach 45 Transportflügen die End-Ausbau-stufe erreicht wird. Wo werden die the-matischen Schwerpunkte in dieser wis-senschaftlich-technischen „Megakoope-ration“ liegen?

Prof. Bachem: Die Raumstation wird füruns das zentrale Thema der nächstenDekade sein. Dafür gibt es mindestenszwei Gründe. Da ist einmal der Faktor„internationale Zusammenarbeit“. In densechziger Jahren war die europäischeKooperation in der Raumfahrt ein wichti-ger Wegbereiter und Vorläufer für dieeuropäische Integration. Heute kooperie-ren fünfzehn Nationen aus aller Welt miteinander und geben so der Idee derGlobalisierung, die ja eine der zentralenPerspektiven für die Bewältigung vielergegenwärtiger Probleme ist, eine konkre-te Gestalt. Durch die intensive Zusammen-arbeit zwischen den Menschen aus Ostund West, Nord und Süd wird die Raum-fahrt heute, an der Schwelle zum neuenJahrtausend, erneut zum Motor für einfriedliches Miteinander der Nationen.

Die große grenzüberschreitende Anstren-gung hat ein gemeinsames Ziel: dieSchaffung neuer Impulse für Innovation,Forschung und Know-how. Und hierin

RAUM

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Das Technologie

Nutzungsperspektivenfür die Internationale

Raumstation

Interview mitProf. Dr. Achim Bachem,

Vorstandsmitglied des DLR

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liegt der zweite und aus meiner Sichtwichtigste Grund für eine Beteiligung ander Internationalen Raumstation. In derVergangenheit haben neue Forschungs-werkzeuge und -instrumente unser Bildvon der Welt immer wieder verändertund unsere Kenntnisse und Fähigkeitendrastisch erweitert. Und das wird auch inZukunft so sein.

Rastermikroskope haben uns den Mikro-kosmos erschlossen und neues Wissenüber die Struktur des Lebens generiert.Hochreine Labors und Produktionsstättenhaben die Forschung und Produktion vonimmer neuen und leistungsfähigerenComputer-Chips überhaupt erst ermög-licht. Extrem erschütterungsfreie For-schungs- und Arbeitsumgebungen sindnotwendig, um Nanotechnologien zuentwickeln, die unter anderem die Medi-

zintechnik revolutionieren werden. Undebenso sind die spezifischen Standort-vorteile im Weltall wie zum Beispiel dieMikrogravitation Werkzeuge, die in vielenWissenschafts- und Technologiebereichenauf der Erde neue Anstöße für Forschungund Entwicklung liefern werden.

Frage: Wo sehen Sie für die Nutzung derInternationalen Raumstation die wichtig-sten Forschungsfelder?

Prof. Bachem: Die Raumstation wird ge-nutzt werden für die Schwerelosigkeits-forschung, für die Erdbeobachtung,Extraterrestrik und für die Entwicklungneuer Technologien. Für diese Forschungs-felder können in den Labormodulen undauf den externen Plattformen Experi-mente durchgeführt werden. Neben derMikrogravitation werden hier die anderenVorteile des weltraumgestützten Techno-logiezentrums genutzt. Dazu gehörtunter anderem der ungetrübte Blick indas Weltall jenseits der Atmosphäre unddie besonders für Erdbeobachtungengünstige Umlaufbahn der Station.

Frage: Wissenschaftliche Arbeiten imOrbit haben in den letzten fünfzehn Jah-ren zahlreiche Impulse für die erdgebun-dene Forschung ausgelöst. Wie erklärtsich der Zusammenhang zwischen derForschung auf der Erde und im Welt-raum?

Prof. Bachem: Ich darf stellvertretenddrei Technologie- und Forschungsbereichenennen, auf denen in den nächsten Jah-ren durch neue ForschungsergebnisseWettbewerbsvorteile erzielt werden kön-nen, und zwar die Bereiche Verbrennung,neue Werkstoffe und Biowissenschaften.Bei der Verbrennung vor allem fossilerRohstoffe läßt sich der Umweltschutznoch deutlich vorantreiben. Unter denBedingungen der Schwerelosigkeit kön-nen Analysen der Reaktionskinetik undder Turbulenzen durchgeführt werden,

die für die Entwicklung hochkomplexernumerischer Modelle zur Simulation derVerbrennungsvorgänge in technischenAnlagen notwendig sind. Das gleiche giltübrigens auch für die Entwicklung schad-stoffarmer Triebwerke.

Auf dem Gebiet der Schmelzen und Le-gierungen wurden bereits in der Vergan-genheit erfolgreich Experimente durchge-führt, die zu einer Verbesserung derProduktionsverfahren auf der Erde ge-führt haben. Der kontrollierte Guß wirdim Leichtbau der Automobil- und Luft-fahrtindustrie Gewichtseinsparungenermöglichen, die zur Zeit noch nichtdenkbar sind. Dazu müssen die mechani-schen Eigenschaften durch ein optimier-tes Gußgefüge verbessert werden, beson-ders bei bewegten Massen wie zumBeispiel in Triebwerken.

Die Züchtung von Kristallen ist wie bisherauch für die Zukunft ein wichtiges The-ma, da zum Einsatz größerer und somitkostengünstigerer Wafer aus Siliziumoder Galliumarsenid größere Kristall-durchmesser benötigt werden. Die imWeltraum gezüchteten Kristalle werdenetwa für die präzise Messung thermophy-sikalischer Eigenschaften zur Verbesse-

rung der numerischen Simulation oderbei der Analyse der Bildung und Vertei-lung von Partikeln in Schmelzen genutzt,was unter anderem für die Definition derKristalleigenschaften durch Dotierungwichtig ist.

Neben den Materialwissenschaften sindinsbesondere die Biowissenschaften zunennen. Die Medizin profitiert direkt vonden Untersuchungen des menschlichenKörpers unter Schwerelosigkeit. AktuellesBeispiel ist die Neurolab-Mission, die mitstarker deutscher Beteiligung durchge-führt wurde. Deutsche Wissenschaftlerhatten mit über 26 Experimenten nebenden Amerikanern den größten Anteil imExperimentalprogramm. Die durchgeführ-ten Untersuchungen liefern viele erwei-ternde Erkenntnisse über den menschli-chen Körper, so etwa über die Regulie-

rung des Blutdruckes durch das Nerven-system, dessen Fehlfunktion die Lebens-qualität vieler Menschen trübt. Die Er-gebnisse aus dem Weltraumlabor ergän-zen die terrestrischen Studien durch dieeinmaligen Untersuchungsbedingungenim Weltraumlabor.

Frage: Welche Rolle spielt, neben dengenannten Beispielen für die terrestrischeAnwendung, die Nutzung der Raum-station für die Raumfahrttechnologie imengeren Sinne?

Prof. Bachem: Neben der Forschungunter Schwerelosigkeit wird natürlich derbreite Bereich der Technologie eine wich-tige Rolle spielen. Hier wird auch die mul-tifunktionelle Bedeutung der ISS deutlich.Der Ausbau der Raumfahrtkompetenzhat schließlich handfeste wirtschaftlicheGründe. Es geht vor allem um Zukunfts-märkte, die nur durch einen freien Zu-gang zum Weltraum erschlossen werdenkönnen. Leistungsfähige, zuverlässigeund kostenoptimale Transportsysteme fürSatelliten und Nutzlasten werden in dennächsten zehn Jahren Zukunftsmärkte mit

zentrum im All

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einem sehr hohen Wachstumspotentialsein. Schon heute wird am Beispiel der„success story“ ARIANE 5 deutlich, wiediese Märkte erfolgreich besetzt werdenkönnen. Neben dem Satellitentransportwird auch der Kompetenz im Satelliten-bau eine wichtige Funktion zukommen.Denn dieses Know-how ist die Eintritts-karte zu im Wortsinne globalen Schlüs-seltechnologien. Wer Systeme oder Kom-ponenten für die neuen Kommunika-tions-, Navigations- und Erdbeobach-tungssatelliten bauen kann, wird von denwirtschaftlichen Erfolgen profitieren.Globalstar, Iridium, Inmarsat und weiteredirektabstrahlende bzw. -übertragendeSatelliten werden das Gesicht der Infor-mationsgesellschaft prägen. Die dazunotwendige Technologie kann erfolgreichim Weltraum unter Echtbedingungenerprobt werden. Mit der Internationalen

Raumstation steht uns daher ein idealesInstrument für den Test neuer Techno-logien zur Verfügung. Ein Beispiel ist dasUnternehmen Bosch-Telecom, das auf derRaumstation neue Supraleiter testen wird,die eine bessere Datenübertragung er-möglichen werden.

Frage: Das DLR ist nicht nur die deutscheRaumfahrtagentur, sondern zugleich das wichtigste und größte nationale For-schungszentrum für die Raumfahrt. Wel-che Ressourcen bringt das DLR in dieNutzung der Raumstation ein?

Prof. Bachem: Das DLR ist mit seinen4.500 hochqualifizierten Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern der nationale „thinktank“ für die Luft- und Raumfahrt inDeutschland. In den vergangenen Jahr-zehnten wurden hier im Bereich der

Raumfahrt neue Standards gesetzt, dievon Partnern wie der NASA, der ESAoder der russischen RaumfahrtagenturRKA hochgeschätzt werden. Das DLRspielt bei der Nutzung der Raumstationeine wichtige Rolle. So wird das Raum-fahrt-Kontrollzentrum in Oberpfaffen-hofen die Nutzung des Columbus-Modulsüberwachen und koordinieren, zahlreicheInstitute erarbeiten und betreuen Projekteund Programme im Bereich der Forschungunter Schwerelosigkeit, der Technologie,der Erdbeobachtung oder der Extraterre-strik. Für die Nutzerunterstützung ist das MUSC in Köln-Porz ein zentraler Ser-vice-Knoten. Das DLR ist somit auf vielenEbenen engmaschig mit dem Gesamt-projekt verknüpft.

Frage: Die Experimental- und Techno-logievorhaben zeichnen sich nicht nur

A ls eines der ersten Expe-rimente aus der Indu-strieforschung werden

auf der Internationalen Raum-station von dem deutschen Un-ternehmen Bosch-Telecomneue Supraleiter getestet, diedie Hochfrequenz-Elektronik fürdie Satellitenkommunikation entscheidend verbessern können. Die Experimente werden anden äußeren Befestigungspunkten der Raumstation durchge-führt. Normalerweise besitzt jedes Metall einen elektrischenWiderstand. Unter bestimmten Bedingungen können eineReihe von Metallen, sogenannte Supraleiter (zum Beispiel Mer-cury, Niobium oder Blei) ihren elektrischen Widerstand verlie-ren. Bei den üblichen Leitermaterialien geschieht dies bei Tem-peraturen nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273 GradCelsius). In den letzten Jahren sind aber auch Materialien ent-deckt worden, die schon bei etwa minus 140 Grad Celsiussupraleitend werden. In diesem Temperaturbereich ist es mög-lich, flüssigen Stickstoff als Kühlmittel einzusetzen, was eineindustrielle Verwertbarkeit vereinfacht und verbilligt. DieseHochtemperatur-Supraleiter (HTSL) sind daher für eine Reihevon industriellen Anwendungen interessant geworden, zumBeispiel beim Bau von Transformatoren und der Konstruktionvon elektrischen Generatoren und Motoren sowie insbeson-dere in der Hochfrequenztechnik.

Einsatz neuer Technologien für die Satellitenkommuni-kation ■ Die Funktion von konventionellen Kommunikations-satelliten basiert auf der Übertragung von Breitband-Hoch-frequenzsignalen von der Satellitenstation zur Bodenstationund umgekehrt (zum Beispiel bei Telefon oder Fernsehen). Dassehr schwache Hochfrequenzsignal, das vom Satelliten emp-fangen wird, wird in mehrere Kanäle unterteilt; jeder Kanalwird verstärkt, neu zusammengesetzt und dann zur Erde über-mittelt. Da hohe Anforderungen an die Hochfrequenzeigen-schaften bei gleichzeitig niedrigen Verlusten gestellt werdenmüssen, basieren die Multiplexer- und Filtermodule weitge-hend auf Hohlleitertechnik und sind daher relativ groß undschwer. Der Einsatz von Hochtemperatur-Supraleitern könntein vielen Satelliten zu deutlichen Verbesserungen bei derVolumen- und Massebilanz führen. Zusätzlich können dieÜbertragungsqualität und -kapazität aufgrund der geringenVerluste gesteigert werden. Obwohl die Supraleitersystemezur Erreichung der erforderlichen Temperatur Kühlaggregate

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durch die wissenschaftliche Fragestellungaus, sie haben auch eine ausgeprägtepraxis- und anwendungsorientierte Seite.Wie kann dieses Nutzungspotential vonder Industrie erschlossen werden?

Prof. Bachem: Das ist primär eine Frageder Informationsarbeit. Die Ressourcen inder Raumfahrt sind schließlich vorhan-den. Und auch auf der Seite der anwen-dungsorientierten Forschung und in derIndustrie sind prinzipiell die Voraussetzun-gen da. Die Investition von Kapital oderHumanressourcen in bislang kaum er-schlossene Forschungsbereiche ist für dieIndustrieforschung immer dann lohnendund interessant, wenn dadurch auf langeSicht Wettbewerbsvorteile entstehen.Unternehmen aus den verschiedenstenBranchen erarbeiten die meistens langfri-stig angelegte Erschließung neuer For-

schungsfelder gemeinsam mit Partnernaus der Groß- und Hochschulforschung.Und das wird auch bei einer Großfor-schungseinrichtung wie der Internationa-len Raumstation der Fall sein. Das Wissenin der Fachöffentlichkeit ist nur sehrschwach ausgeprägt und zum Teil diffus.Natürlich können Sie, zumindest zur Zeit,nicht einfach zu einem Unternehmengehen – etwa zum Leiter der Abteilung„Forschung & Entwicklung“ – und sagen:„Wir haben da Möglichkeiten zur For-schung im Weltraum, bitte nutzt sie!“ Er wird Sie mit großen Augen anschauenund fragen: „Was haben wir mit Raum-fahrt zu tun?“

Die Situation vor Ort ist wesentlich diffe-renzierter. Industrieprojekte und -for-schung sind in den meisten Fällen inForschungsverbünde und Kooperationen

eingebunden. Angesichts der großenHerausforderung muß sich das ändern.Das DLR wird deshalb systematisch in sei-ner Funktion als nationale Raumfahrt-agentur die dafür notwendigen Informa-tionen bereitstellen. In diesem Jahr wurdeder Information Service ISS eingerichtet,der als branchennaher Fachinformations-dienst für Nicht-Raumfahrt-Unternehmenkonzipiert ist und sozusagen kundenori-entierte Informationen für die innovativeterrestrische Forschung und Entwicklungaufbereitet. Weitere Maßnahmen für eineindustrienahe Informationsarbeit undauch konkret für die Gewinnung industri-eller Nutzer werden folgen.

Frage: Warum sollten Unternehmen oderVerbände, die mit dem Thema Raumfahrtbisher keine Berührungspunkte hatten,sich nun für diesen Bereich interessieren?

Prof. Bachem: Alle in der G7-Gruppezusammenarbeitenden führenden Indu-strieländer sind an der ISS beteiligt. Fürdiese Volkswirtschaften ist der Zugang zubislang nicht verfügbaren Forschungs-ressourcen im All ein technologischerImpulsgeber für die Forschung und Ent-wicklung auf der Erde. Auch den deut-schen Unternehmen steht dieses einzig-artige Technologiezentrum im All zurVerfügung. Die Internationale Raumsta-tion ist zwar „state of the art“ der Raum-fahrt, aber Raumfahrt ist keineswegs nurSelbstzweck. Wenn beispielsweise imnächsten Jahrzehnt dank der weltraum-basierten Forschung Fortschritte in derMalaria-Prophylaxe erzielt würden oderbei neuen Legierungen für die Produktiondes „Dreiliter-Autos“, soll niemand inDeutschland sagen können: „Davon ha-ben wir nichts gewußt.“

Herr Prof. Bachem, wir danken Ihnen fürdas Gespräch. ß

benötigen, die selbst wiederumMasse aufweisen, sollen den-noch mit diesen Systemen ins-gesamt eine geringere Masseund ein geringeres Volumen beieiner verbesserten Qualität derSignalübertragung erzielt wer-den. Daß Supraleiter prinzipiellin der Lage sind, konventionelle

Hohlleiter-Hochfrequenz-Module zu ersetzen, will Bosch mitdiesem Projekt auf der Internationalen Raumstation demon-strieren. Dieses Projekt, an dem auch zahlreiche Universitätenund Unternehmen beteiligt sind, wird von dem Bundesmini-sterium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie(BMBF) sowie vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raum-fahrt (DLR) gefördert.

Testsystem für die ISS ■ Mit dem Projekt soll die Hochtem-peratur-Supraleiter-Technologie für Raumfahrtanwendungenentwickelt und erprobt werden. Die Internationale Raumsta-tion wird hierbei als Test- und Qualifikationsplattform für dieneu entwickelten Komponenten dienen. In dem Experimentwerden die Hauptfunktionen eines Satelliten-Transpondersrealisiert und unter realen Bedingungen des Weltraums gete-stet. Hiermit soll der Nachweis erbracht werden, daß dieseTechnologie für den Einsatz auf Kommunikationssatelliten ge-nügend ausgereift ist. ß

Im Rahmen der deutsch-chinesischen Wissenschafts-kooperation im Bereich der Forschung unter Schwere-losigkeit soll im Juni diesen Jahres eine Ballonkampag-

ne in China etwa 300 Kilometer südöstlich der Haupt-stadt Peking durchgeführt werden.

Hierzu wurde die MIKROBA-Fallkapsel für den Einsatz beiOHB-System GmbH in Bremen – mit Unterstützung vonKayser-Threde, München – vorbereitet. Mikroba steht fürMikrogravitationsexperimente mit Höhenforschungs-ballonen.

Die in der Kapsel befindlichen wissenschaftlich-techni-schen Experimente nutzen die Schwerelosigkeit aus, diewährend des freien Falls der Kapsel nach dem Trennenvom Ballon für ca. eine Minute in der Fallkapsel herrscht.Die Fallkapsel ist für den Versuch im Juni mit Experimen-ten der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Stutt-gart-Hohenheim und zwei weiteren Experimenten desBotanischen Instituts der Universität Shanghai und desInstituts für Thermophysik in Peking bestückt.

Die Wissenschaftler möchten unter anderem Antwortenauf das Verhalten von Einzellern (Ciliate) unter Schwere-losigkeit erhalten, eine andere Forschergruppe erzeugtkünstliche Modellmembranen, an denen der Einfluß reduzierter Schwerkraft untersucht wird. Die chinesi-schen Wissenschaftler interessieren insbesondere Fu-sionsprozesse pflanzlicher Zellen. Ein mehr technologischausgerichtetes Experiment beschäftigt sich mit demEinfluß der Schwerelosigkeit auf das Verhalten vonVerbrennungsprozessen.

Die MIKROBA-Fallkapsel ist ein aerodynamisch geform-ter, raketenähnlicher Flugkörper, der mit der Spitze nachunten unter einen Stratosphärenballon gehängt und auf40 Kilometer Höhe transportiert wird. Während des etwadrei Stunden dauernden Aufstiegs können die Experi-mente mittels Funkverbindung vom Boden aus über-wacht und für den Abwurf vorbereitet werden. Das Tren-nen der MIKROBA-Kapsel erfolgt über einen Funkbefehlvon der Bodenstation aus.

Während des etwa eine Minute dauernden freien Fallsherrscht im Inneren der Kapsel nahezu Schwerelosigkeit,die zur Untersuchung der schwerkraftabhängigen Phä-nomene genutzt wird.

Von deutscher Seite wird diese Kooperation im Auftragdes Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V.(DLR) durchgeführt. ß

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MIKROBA auf dem Weg nach China

Ungewöhnliche Perspek-tiven bietet diese drei-dimensionale Ansicht

des Kölner Doms. Mit Hilfeeiner Rot-Blau- oder aucheiner Rot-Grün-Brille, wie siebeispielsweise der letztenAusgabe der DLR-Nachrichtenbeilag, wird die 144 Meterlange und 86 Meter breiteKathedrale zum „herausra-genden“ Seh-Erlebnis: Diebeiden 157 Meter hohen Tür-me des Doms ragen förmlichin den Himmel. Ihr Schattenreicht bis über die Dächer desKölner Hauptbahnhofs rechtsunten. Am linken unterenBildrand gewinnt das Muse-um Ludwig mit der Philhar-monie an Plastizität.

Ein Forschungsflugzeug über-flog im Auftrag des DLR dasAreal in 2.400 Meter Höhe.Mit an Bord: die digitale mul-tispektrale StereokameraHRSC-A des DLR-Instituts fürPlanetenerkundung in Berlin.Zur Berechnung der dreidi-mensionalen Aufnahme wur-den die Daten zweier Bild-kanäle verwendet. Der eineragt senkrecht nach unten,der andere ist um 18,9° nachvorne verschoben. Die für dieBildprozessierung und -aus-wertung erforderliche Soft-ware hat das Berliner DLR-Institut unter Mitarbeit derTechnischen Universität Berlinentwickelt.

Die Vorteile der optoelektroni-schen HRSC-Kamera gegen-über herkömmlichen Filmauf-nahmesystemen bestehen vorallem in der raschen Verfüg-barkeit der digitalen Datenund der hohen radiometri-

schen Auflösung: Aus 2.500Meter Höhe liegt sie bei bis zu10 cm. Die erzielte photo-grammetrische Genauigkeitliegt bei 15-20 cm.

Deutschland hat mit dem auf-gebauten technischen Know-how auf dem Gebiet der„along-track-stereo-cameras“eine internationale Führungs-position erreicht.

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Anwendungen dieser Kamera-technik ergeben sich für dieStadt- und Raumplanungebenso wie für die Land- undForstwirtschaft. Möglich ist esauch, Naturkatastrophen wiezum Beispiel Überflutungenzu dokumentieren und sogar– mittels geeigneter Simula-tionsverfahren – so in ihrenAusmaßen vorauszuberech-nen, daß wirksame Schutz-maßnahmen frühzeitig ge-plant werden können. Auch

für den Tagebergbau und dieBeobachtung von ökologischgefährdeten Küstenzonen las-sen sich rasch zuverlässigeGeländemodelle errechnen.Die Daten dienen als Grund-lage für 3D-Bilder und Re-liefkarten, an einer entspre-chend ausgerüsteten „Work-station“ lassen sich Video-Animationen und virtuelleFlüge erstellen. ß

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Von Peter Wagner, StefanKrauß und Gerd Eisenbeiß

D ieser Beitrag gibt einen Über-blick über eine anwendungs-orientierte Arbeitsrichtung im

DLR, die mit Hilfe von Computersimu-lationen bestehende Verkehrssyste-me zu verstehen und zu optimierensucht. In Anbetracht der geplantenEinführung von Telematikinstrumen-ten zur Lösung der immer deutlicherwerdenden Engpaßprobleme desStraßenverkehrs soll die Funktions-fähigkeit solcher Instrumente im Ver-bund mit zahlreichen Hochschulendes Landes Nordrhein-Westfalen ent-wickelt und demonstriert werden.

Der wichtigste Aspekt eines solchenSimulationssystems liegt in seinerFähigkeit, dynamische Vorgänge einesderart komplexen Systems auf einerZeitskala abzubilden, die rechtzeitigeEingriffe ermöglicht. Dies wird durchdie Übertragung neuer Simulations-instrumente aus dem Bereich derGrundlagenforschung in den Bereichder Anwendung erreicht.

Dynamische Beschreibung des Verkehrs

Staus sind für jeden Autofahrer All-tagserfahrung auf den Straßen gewor-den. Sie sind lästig, kosten Zeit undGeld und schädigen die Umwelt deut-lich mehr als fließender Verkehr. Stausund mögliche Gegenmaßnahmensind zum Thema der Gesellschaft,aber auch der wissenschaftlichen For-schung geworden. Könnte man durchVerkehrsinformation und -lenkung diebereits spürbaren Kapazitätsgrenzenunserer Verkehrsinfrastruktur erwei-tern, wäre dies weit ökonomischerund auch umweltverträglicher als einweiterer Ausbau.

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Eine genaue Analyse läßt erkennen,daß ein Verständnis der Stauentste-hung nicht auf einer räumlich lokalenBasis, sondern nur aus einer Beschrei-bung eines größeren Systemzusam-menhanges heraus erfolgen kann.Ebenso einsichtig ist es, daß ein Stauein dynamischer Vorgang ist, der dieEntwicklung ganz neuer Instrumenteerfordert; das klassische, weitgehendstatisch konzipierte Vorgehen in Ver-kehrsplanung und Verkehrsmanage-ment reicht bei weitem nicht aus.Eine solche dynamische Beschreibungvon Verkehr hat das Ziel einer we-sentlich verbesserten Vorhersage vondynamischen Verkehrsbelastungen.Das ist für verschiedene Anwendun-gen von Nutzen, die alle darauf zie-len, das bestehende System zu opti-mieren: der On-line-Steuerung vonVerkehr, dem Verkehrssystemmanage-ment und der Planung von Verkehrs-systemen.

Besonders interessant ist eine dynami-sche Beschreibung im Bereich desVerkehrssystemmanagements. Nebenden klassischen Instrumenten, wieUmleitungsempfehlungen und Homo-genisierung des Verkehrsflusses durchvariable Geschwindigkeitsempfehlun-gen, stehen Systeme kurz vor derMarktreife, die einzelnen Fahrzeugenauf Anfrage den jeweils optimalenWeg mitteilen können. Solche Emp-fehlungen werden dann nicht nur inbezug auf den geometrisch kürze-sten Weg optimiert sein (das gibt esschon), sondern auch in bezug aufdie aktuelle und zukünftige Verkehrs-belastung (on-line routing).

Abb. links: Ein Bild aus dem MPEG-Film,der auch im Internet verfügbar ist (http://www.zpr.uni-koeln.de/Forschungsverbund-Verkehr-NRW/):Gesamtansicht StraßennetzWuppertal mit Darstellung der Flächen-nutzung.

Bei der Konzeption solcher Systeme, vorallem hinsichtlich der Prognose der Ver-kehrsbelastung für einige Stunden voraus,sind noch viele Probleme ungelöst. Nochweniger erforscht ist die Wirkung sol-cher Systeme auf den Gesamtverkehrs-fluß insbesondere dann, wenn sie sich ingrößerer Zahl auf dem Markt durchset-zen sollten.

Es ist dieser Bereich, in dem die im fol-genden genauer beschriebene dynami-sche Verkehrssimulation ihren Anwen-dungsschwerpunkt haben wird, weil hierdie eingeschränkte Verwendbarkeit desklassischen Ansatzes der Verkehrsplanungam deutlichsten ist.

Prinzip der Verkehrssimulation

Um den Verkehr in einem großen Gebiet(etwa einem Ballungsraum) dynamischabbilden zu können, sind drei Schritteerforderlich: erstens die Berechnung derNachfrage nach Transportleistungen,zweitens die Simulation des Verkehrs unddrittens die Berechnung und Bewertungder Umweltwirkungen.

Der erste Schritt erfordert die Modellie-rung der Nutzer-Aktivitäten im Verkehrs-system: Unter Einbeziehung von Bevöl-kerungsdaten sowie typischer Aktivitäts-profile (Arbeit, Einkaufen, Bildung, Frei-zeit etc.) wird für das zu untersuchendeGebiet eine sogenannte Verkehrsnach-fragematrix erstellt. Diese O/D-Matrix (origin/destination) quantifiziert die Ver-kehrsmengen zu jedem Zeitpunkt vonallen Quellpunkten zu allen Zielpunktenim Verkehrsnetz. Für die Berechnung zeit-lich gemittelter Nachfragen stehen ver-hältnismäßig zuverlässige Verfahren zurVerfügung. Die Schwierigkeit einer dyna-mischen Betrachtungsweise liegt darin,daß auch die zeitliche Abfolge der ver-schiedenen Tätigkeiten von Menschenberücksichtigt werden muß. Auf langeSicht wird es daher erforderlich sein, stattder eben skizzierten aggregierten Be-trachtungsweise direkt entsprechendeAktivitätsketten einzelner Personen fürdie nachfolgende Simulation zu generie-ren. Die Simulation zeigt dann, ob derjeweilige Plan überhaupt realisierbar ist,und hilft damit bei der Auswahl realisti-scher Tagesabläufe.

Im zweiten Schritt werden die so gene-rierten O/D-Matrizen auf das Netz unddie verschiedenen Verkehrsmittel verteilt:Aus der Angabe von Startzeit, Start- undEndpunkt der jeweiligen Fahrt folgt janoch nicht, welcher Weg bzw. welchesVerkehrsmittel benutzt wird. Diese Ver-kehrs-Verteilung erfolgt mit Hilfe einersogenannten day-to-day Simulation, beider die einzelnen Reisenden im Verlaufe

mehrerer Simulationstage verschiedeneWege und Transportmodi ausprobierenund schließlich den Weg wählen, der diekürzeste Reisezeit verspricht. Der System-zustand, der sich einstellt, wenn jederReisende seine eigene Reisezeit zu opti-mieren sucht, wird als Nutzergleichge-wicht bezeichnet. Im Prinzip wären auchVerfahren aus der kombinatorischenOptimierung zur Berechnung eines sol-chen Nutzergleichgewichtes denkbar,allerdings können diese Verfahren derzeitnur sehr kleine Systeme behandeln. Injedem Fall ist das zugrunde liegende Mo-dell mikroskopisch, da die Informationüber die Reisezeit jedes einzelnen Reisen-den verfügbar sein muß.

Natürlich muß für jeden simulierten Tagjeweils das gesamte Verkehrssystemsimuliert werden, was einen enormennumerischen Aufwand bedeutet. Damiteine solche Simulation überhaupt zumZiel führt, wird ein sehr schnelles Mikro-simulationsmodell benötigt. Die zur Zeitin diesem Projekt benutzte Modellierungist in der Lage, die Bewegung vielerMillionen Fahrzeuge während eines gan-zen Tages in wenigen Minuten zu simu-lieren, womit die Berechnung des Nut-zergleichgewichtes in etwa einer Stundemöglich wäre, wenn nicht andere Ein-schränkungen vorlägen. Leider wird dieseSimulation in der Realität dann docherheblich langsamer, weil sie mit einemgroßen Aufwand bezüglich der Verwal-tung einiger Millionen individueller Rou-ten verbunden ist.

Das Ergebnis dieses Modellierungsschrit-tes sind die Routen, die die entsprechen-den Fahrzeuge im Netz wählen. Um daraus die für die Berechnung der Um-weltwirkungen von Verkehr benötigtenSchadstoffemissionen, Energieverbräuche,Lärm- und Trennwirkung zu berechnen,ist in einem weiteren Schritt die Simula-tion dieser so berechneten Routen not-wendig, bei der vor allem die Fahrzeug-dynamik und die Verkehrsflußdynamiknachgebildet werden müssen. Überra-schenderweise liegt bislang noch keineallgemein akzeptierte Theorie des Ver-kehrsflusses vor; dennoch gibt es Formu-lierungen, die Verkehr mikroskopisch gutabbilden. Diese Ansätze sind numerischso effizient, daß große Verkehrssystemesimuliert werden können.

Abb.: Zoom auf Elberfeld. Die im Straßennetz abgebildeten farbigen Punkte stellen einzelneFahrzeuge dar, deren Bewegung individuell simuliert wird.

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Der dritte Schritt schließlich besteht inder Umrechnung der so erhaltenen Emis-sion in Immissionen und in einer Bewer-tung der Umweltwirkungen von Verkehr.Im Prinzip erfordert die Berechnung derImmissionen eine detaillierte Schadstoff-ausbreitungsrechnung, zusammen miteiner Modellierung der luftchemischenReaktionen. Mitunter kann auf eine sokomplexe und numerisch aufwendigeBerechnung verzichtet werden, indem zueiner gemittelten Beschreibung überge-gangen wird, mit entsprechenden Einbu-ßen in der Genauigkeit. Die daraus resul-tierenden Immissionen, die Lärm- undTrennwirkung von Verkehr werden dannmit Grenzwerten verglichen und even-tuell zu einer entsprechenden Gesamt-belastung addiert.

ForschungsverbundVerkehrssimulation und

Umweltwirkungen

Die eben skizzierte Gesamtbetrachtungsoll im Rahmen des vor zwei Jahrengegründeten Forschungsverbundes Ver-kehrssimulation und Umweltwirkungen(FVU) auf ihre Machbarkeit hin unter-sucht werden. Im FVU arbeiten zur Zeitzwölf Institute aus NRW, einschließlichdes DLR, in einem interdisziplinären Ver-bund zusammen. Bisher wurden eineReihe vorbereitender Projekte bearbeitet,unter anderem die Simulation großerAutobahnnetze sowie eine On-line-Simu-lation der Stadt Duisburg, die auf Zähl-schleifendaten aufsetzt. Desweiterenwurde ein Vergleich der mit Hilfe stati-scher Verfahren berechneten Netzbela-stungen mit den durch eine dynamischeMikrosimulation berechneten Netzbela-stungen angestellt.

Gegenwärtig wird ein Simulationsprojektbearbeitet, das den Verkehrsfluß auf denAutobahnen im Bereich Aachen, Köln,Duisburg dynamisch mit Hilfe einer soge-nannten dynamisierten O/D-Matrix diesesBereiches abbilden soll. Aus dieser Simu-lation folgen dann Belastungsdaten, diezur Berechnung der durch den Straßen-verkehr generierten Emissionen genutztwerden und ihrerseits Eingangsdaten füreine Simulation der Schadstoffausbrei-

tung in NRW sein werden. Grundlagedieser Simulation sind die im Rahmeneines Feldversuches im Juni 1996 übermehr als eine Woche erfaßten Verkehrs-belastungen auf den Autobahnen in die-sem Gebiet, die einen repräsentativenBelastungszustand abbilden und zurValidierung verwendet werden.

Ziel des nächsten FVU-Projektes wird dieSimulation des Verkehrs im Raum Wup-pertal sein. In diesem Projekt wird erst-mals auch ein Verfahren zur dynamischenBerechnung der Verkehrsnachfrage ein-gesetzt werden, das gegenwärtig voneiner der Gruppen im FVU, dem Institutfür Stadtbauwesen (ISB) der RWTH Aa-chen, erarbeitet wird. Darüber hinaus istauch die Wechselwirkung zwischen denErgebnissen aus einer solchen dynami-schen Simulation und den gemessenenOn-line-Daten aus Verkehrsschleifen in-teressant, die bislang noch nicht in sol-chen Simulationen verwendet wurden.Neben der Reproduktion des Ist-Zustan-des ist die Simulation mehrerer Szenariengeplant, die zur Unterstützung von ver-kehrstechnischen oder verkehrspolitischenEntscheidungen genutzt werden können.

Ein Beispiel dafür sind die Auswirkungeneiner Blockade der A 46 nördlich vonWuppertal durch einen Unfall, mit Simu-lation des entsprechenden Verkehrs-systemmanagements zwecks Minimie-rung der Belastung durch umgeleitetenVerkehr. Weitere Beispiele sind die Ver-änderung der Verkehrs- und Umweltbe-lastungen durch den Neubau eines Ge-werbegebietes sowie die Beeinflussungdes Individualverkehrs durch ÖPNV-Halte-stellen.

Vorab wurde bereits ein MPEG-Film einersolchen Simulation erstellt. Dieser Simu-lation standen noch keine O/D-Matrizenzur Verfügung, daher dient sie nur derIllustration.

Nur temporäre Erfolge?

In diesem Artikel sind neuere Entwick-lungen bei der Simulation des Verkehrs-systems beschrieben worden, die bei derSteuerung von Verkehr ebenso helfenkönnen, wie bei der Beurteilung der Fol-gen der Implementation neuer Steue-rungsinstrumente selbst, seien diese nunstaatlich oder privatwirtschaftlich organi-siert. Wie gezeigt, kann die konsequente

Anwendung von Verfahren aus der„computational science“ helfen, ganzpraktische Probleme zu lösen. Gerade dasDLR kann hier einen Beitrag durch Tech-nologietransfer aus anderen großenSimulationsprojekten wie dem TRANSYS-Projekt in dieses Verkehrssimulations-projekt leisten. Auch das im DLR vorhan-dene ingenieurwissenschaftliche Know-how wird zur Weiterentwicklung diesesProjektes genutzt werden. Gleichzeitigkann die Arbeit an der Modellierung die-ses Systems auch als Vorbild für die Be-schreibung anderer sozio-ökonomischerSysteme dienen.

Bezogen auf die sich weiter verschärfen-de Verkehrsproblematik, ist damit abernicht unbedingt viel erreicht, weil es sichin der Vergangenheit immer wieder ge-zeigt hat, daß eine Kapazitätsverbesse-rung nur temporär Erfolge bringt. Nachwie vor ist das zugrunde liegende Prob-lem nicht gelöst, das sich auf verschiedenpointierte Art und Weise formulierenläßt: Derzeit überwiegen die persönlichenVorteile, die der Einzelne aus einer weit-gehend unbeschränkten Mobilität ziehenkann bei weitem die Nachteile (die aberdurchaus erkannt werden). Mit einemschönen Soziologenwort liegt hier eine„kognitive Dissonanz“ vor. Somit sindwirkliche Verbesserungen erst dann zuerwarten, wenn die Nachteile von zuvielMobilität ihre Vorteile überwiegen. Aller-dings sind Sorgen, wie sie in diesem Fazitformuliert werden, nicht gerade neu, wieman an einem Zitat sieht, das aus demJahre 1959 (!) stammt:„The volume of vehicular traffic in thepast several years has rapidly outstrippedthe capacity of the nation’s highways.“ (Harold Greenberg) ß

Dr. rer. nat. Peter Wagner und Dipl.-Phys.Stefan Krauß sind Mitarbeiter der DLR-Haupt-abteilung Mobilität und Systemtechnik, Dr. rer.nat. Gerd Eisenbeiß ist ProgrammdirektorEnergietechnik des DLR.

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Die Shuttle Radar Topographic Mission (SRTM) · Von Herwig Öttl

Ende 1999 wird eine der wichtigsten Missionen „zum Planeten Erde“ aufbrechen:Zehn Tage lang soll eine amerikanische Raumfähre mit Radarsensoren – ent-

wickelt in den USA, in Deutschland und in Italien – unseren Planeten umkreisenund dabei die gesamte Erdoberfläche von 60 Grad nördlicher bis 60 Grad

südlicher Breite erfassen. Neues topographisches Kartenmaterial für all dieseGebiete wird das Ergebnis dieses Fluges sein – unverzichtbare Grundlage für

Infrastrukturmaßnahmen in vielen, bis heute schlecht kartierten Ländern dieser Welt und zugleich Datenbasis für zahlreiche Anwendungen von

der Umweltforschung bis zur Geologie, von der Gletscherkunde bis zur Landwirtschaft. Das Besondere an der neuen Weltkarte,

für die dieser Flug die Daten sammeln soll: Sie wird aktuell,hochgenau und dreidimensional sein.

Der Name der Mission: SRTM.

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Im Jahre 1994 war das DLR maßgeb-lich an zwei sehr erfolgreichen Shuttle-Missionen beteiligt, die mit abbilden-

den Radarsystemen (Radarlab bzw. SIR-C/X-SAR genannt) viele weltweit verteilteTestgebiete aufnahmen. Das Novum die-ser Synthetik-Apertur-Radar (SAR)-Missio-nen war die gleichzeitige Verwendungvon mehreren Frequenzen, das heißt,man erhielt multifrequente bzw. multi-spektrale Radarbilder. Die SAR-Systemestammten aus den USA (SIR-C), Deutsch-land und Italien (X-SAR).

Der durch die unterschiedlichen Frequen-zen und zusätzlich noch durch die unter-schiedlichen Polarisationen erreichte In-

formationsgewinn ermöglichteeinen enormen Sprung in der

Radarbilddaten-Interpre-tation durch Wis-

senschaftleraus aller

Welt. Die thematischen Untersuchungenumfaßten hierbei Fachdisziplinen wieHydrologie, Schnee- und Eiskartierung,Geologie, Vegetationsklassifizierung,Ozeanographie und die Fernerkundungder Küstengebiete einschließlich derDetektierung von Ölverschmutzungen.Untersucht wurden z.B. Veränderungender Bodenfeuchte durch Niederschläge,Überschwemmungen, unterschiedlicheSchneearten und das dynamische Ver-halten von Gletscherzungen, Gebirgs-faltungen (Tektonik), Schlammlawinen beiVulkanausbrüchen, unterirdische Fluß-läufe in ariden Wüstengebieten, Meeres-strömungen und Wellengang usw. AuchKlassifizierungsmethoden für die Land-wirtschaft, die Bestimmung von Baum-arten und der Biomasse von Wäldernwurden erprobt. Alle diese Untersuchun-gen zeigten qualitativ die genanntenPhänomene auf, in vielen Fällen konntensogar Modelle für die quantitative Aus-wertung entwickelt werden. Bei einigenStudienarbeiten wurden die fehlenden

digitalen Geländemodelle (To-pographie) der Testgebiete

schmerzlich vermißt, daman hierdurch in

der Korrekturder Bilddaten

stark behin-dert war.

„Weiße Flecken“ auf der Landkarte

Wenn im Herbst 1999 mit deutscher Be-teiligung die „Shuttle Radar TopographicMission SRTM“ durchgeführt wird, umdie Erde dreidimensional zwischen etwa60 Grad nördlicher und südlicher Breitezu kartieren, so mag dies im ersten Au-genblick Erstaunen hervorrufen; sollteman doch als selbstverständlich voraus-setzen können, daß die Erde bereits aus-reichend kartiert ist. Entgegen dieser all-gemeinen Annahme ist unser Planetjedoch aus einer Reihe von Gründen nursehr ungenau kartographisch erfaßt.Denn zum einen ist die Zugänglichkeit(Tropenwälder, Gebirge, fehlende Ver-kehrswege) für eine exakte terrestrischeMessung über weite Gebiete nur mangel-haft gegeben; zudem verhindert die häu-fige Bewölkung tropischer Gebiete (etwazwischen 20 Grad nördlicher und südli-cher Breite) eine kontinuierliche Kartie-rung selbst mit Hilfe satellitengestützteroptischer Kameras bzw. Stereokameras.Schließlich müssen für fotografische Auf-nahmen mehrere Bedingungen erfülltsein: So ist Voraussetzung, daß der Him-mel weitgehend wolkenfrei ist, daß dieSonne sich zumindest 30 Grad über dem Horizont befindet – und daß der„Kamerasatellit“ das entsprechende Ge-biet gerade dann überfliegt. Diese dreiBedingungen sind selten gegeben, wes-wegen letztlich die heutige Kartierungs-situation durch Aufnahmen aus demWeltraum nur bei vereinzelten Gebietenverbessert wurde.

Abhilfe kann durch die Radarinterfero-metrie bzw. – wegen der gefordertenhohen geometrischen Auflösung – durchdie Synthetik-Apertur-Radar-Interfero-metrie geschaffen werden.

Radarsysteme auf Satelliten verwendenüblicherweise Wellenlängen im Dezime-ter- bis Zentimeter-Bereich (d.h. L-Bandbis X-Band). Für diese Wellenlängen sindWolken und mittlere Niederschläge keineHindernisse. Das Radar „beleuchtet“ dasaufzunehmende Gebiet auch selbst, sodaß der Sensor völlig unabhängig von derTages- und Nachtzeit betrieben werdenkann.

SAR-Bildebene in vereinfachterDarstellung. Anmerkung: die Schrägsichtdes SAR istdeutlich erkenn-bar, wenn mandie senkrechtunter der Satel-litenbahn lie-gende Subsatel-litenbahn zumVergleich heran-zieht. Die Halb-wertbreite querzur Flugrichtungbestimmt die(Streifen)Breitedes SAR-Bildes.

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Beobachtungseigenschaften desSynthetik Apertur Radar

Nachstehend wird auf Besonderheitenund Verzerrungen bei SAR-Bildern einge-gangen, weil dies zum Verständnis derFunktionsweise der SAR-Interferometriebeiträgt und die Notwendigkeit digitalerGeländemodelle für die Bilddateninter-pretation unterstreicht.

Im Gegensatz zu optischen Kamerasblickt das SAR nicht vertikal nach unten,sondern quer zur Flugrichtung – miteinem Winkel, der üblicherweise einenWert zwischen 20 und 50 Grad bezogenauf die Vertikale (den Nadir) hat. DieseSchrägsicht ist notwendig, damit quer zurFlugrichtung die Bildelemente aufgelöstwerden können. Die Bildfläche liegt näm-lich nicht senkrecht zur Blickrichtung –

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Bei der Aufnahmemit dem SAR querzur Flugrichtung kön-nen sich die Effekte„foreshortening“ und„lay-over“ bilden, diein der Grafik rechtsunten schematischdargestellt sind – ein-schließlich des Auf-tretens von Radar-schatten bei flachenEinfallswinkeln undsteilen Gebirgshän-gen.

Sie sind auch in SAR-Bildern von Gebirgs-landschaften gut zu erkennen. DieBerge neigen sich imSAR-Bild scheinbardem Radar zu (fore-shortening).

Im vorliegenden Bildfliegt das Radaroberhalb des oberenBildrandes.

das heißt, quasi in der Fläche des aufzu-nehmenden Bildes wie bei optischenSystemen –, sondern in einer Fläche, diesich aus der Flugrichtung und der Radar-blickrichtung ergibt.

Die geometrische Auflösung des SAR-Bildes ist in Flugrichtung durch die Längeder Synthetik-Apertur-Antenne, die manbeim Abfliegen erhält, durch die Flug-

höhe und den „Schrägsichtwinkel“ be-stimmt. In Blickrichtung ist die Auflösungdurch die Radarpulslänge bzw. derenUnterteilung mit Hilfe von Modulations-verfahren und unabhängig von der Flug-höhe bestimmt. Da die aufzunehmendenSzenen vom Boden in die Radarbildebenehineinprojiziert werden, ist die Boden-auflösung umso schlechter, je steiler manmit dem Radar nach unten schaut. Diehöchste Auflösung quer zur Flugrichtungerreicht man bei streifendem Einfall, dasheißt, wenn die Geländeneigung mit derBlickrichtung des Radars übereinstimmt.Ist ein Gebirgshang dem Radar zuge-wandt, wird er im Bild verkürzt (foreshor-tening). Für den Extremfall, zum Beispielein steiler Hang und ein steiler Einfalls-winkel, bedeutet dies, daß die Bergspitzedas davorliegende Tal im Bild überlagert(lay-over).

R adarsensoren sind anderen satellitenge-stützten Systemen zur Erdbeobachtungin mehrfacher Hinsicht überlegen: Da

sie selbst „aktiv“ Signale aussenden (und zwarMikrowellen verschiedener Längen), benöti-gen sie keine „externe“ Beleuchtungsquellewie die Sonne, auf deren Licht optisch arbei-tende Kameras (sogenannte „passive“ Syste-me) angewiesen sind. Zudem durchdringendie Radarwellen die – insbesondere in den tro-pischen Breiten der Erde nahezu allgegen-wärtige – Bewölkung. Kurz und gut: Radar-sensoren erkennen die Oberfläche der Erdebei Tag und Nacht und auch bei Bewölkung.Wer also unsere Erde permanent beobachtenwill, um beispielsweise ökologisch bedeutsa-me Veränderungen über längere Zeiträume zuuntersuchen, kommt ohne hochentwickelteRadarsensoren nicht aus. Auch wer innerhalbeines kurzen Zeitraums, etwa einer zehntägi-gen Shuttle-Mission wie SRTM, eine großeMenge an Daten über die Erdoberfläche erhal-ten will, kann sich nicht weltweit auf sonni-ges Wetter verlassen – auch hier sind nur Radarsensoren der Garant für eine optimale wissenschaftliche Ausbeute.

Verzerrungen im Radarbild durch die Schrägsichtgeometrie; die Extremfälle sind die Bildüberlagerung (Berg B mit Tal A), die Verkürzung auf eine Linie (D) und die maßstabs-getreue Wiedergabe (E).

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SAR-Bildentzerrungen, radiometrischeKorrekturen, Fusion von Bilddatenverschiedener Sensoren

Die rückgestreute Intensität wird im Ra-darbild (SAR) als Radar-Rückstreukoeffi-zient σ° bezeichnet. Sie dient zur Klassi-fizierung der Bilddaten. σ° ist nicht nurvon der geometrischen Form und derOberflächenrauhigkeit, den Material-eigenschaften und dem Feuchtegehaltabhängig, sondern fast immer auch instarkem Maße vom Einfallswinkel derRadarwellen. Um SAR-Bilddaten interpre-tieren zu können, ist somit eine geome-trische Entzerrung (mit Korrektur derrückgestreuten Intensität) mit Hilfe digita-ler Geländemodelle notwendig und dar-über hinaus eine σ°-Korrektur anhanddes Einfallswinkels. Dies ist allerdings nurmöglich, soweit man grobe Anhaltspunk-te über die rückstreuende Materie (zumBeispiel Wald, kurze Vegetation, Gerölloder nackten Erdboden) hat.

Der unterschiedliche und zum Teil sichergänzende Informationsgehalt von Bild-daten, die in verschiedenen Wellenlän-genbereichen von aktiven oder passivenSensoren aufgenommen werden, führtein den letzten Jahren zu Einzelexperi-menten der Bilddatenfusion, das heißtzur Verbesserung der Interpretation vonFernerkundungsdaten. Dies ist vor allemwichtig, wenn man an disziplinorientier-ten Kartierungen (thematische Karten)bzw. an entsprechende zeitliche Überwa-chungen denkt (change detection). Einewünschenswerte Automatisierung vonBilddatenfusionen zur globalen Nutzungist nur möglich, wenn man die entspre-chenden topographischen Karten der ge-samten Erde in digitaler Form hat (digita-le Geländemodelle) und der Datensatz inseinen geometrischen Koordinaten undPositionen einheitlich auf Referenzwertevon Satellitennavigationssystemen bezo-gen werden kann. Dies ist zusätzlich einewichtige Begründung für die SRTM-Mission.

Die Berechnung der Richtungen zu den Bildelementen P 1 und P 2 erfolgt aus der Kennt-nis der exakten Positionen der Antenne 1 und der Antenne 2 und den Entfernungsunter-schieden E 1 und E 2.

Das Prinzip der SAR-Interferometrie

Bei dem Flug über eine ebene Landschaftist jedes Bildelement (Pixel) in einem SAR-Bild, sofern es senkrecht zur Flugrichtungaufgenommen wird, durch die Zeit unddie Entfernung definiert. Für ein ebenesGelände ist dadurch auch die Richtungzwischen dem Schrägsichtwinkel des SARquer zur Flugrichtung und dem Bildele-ment bestimmt. Sobald das Gelände abergebirgig wird, ist in der Ebene senkrechtzur Flugrichtung zwar die Entfernungfestgelegt, die Richtung jedoch nicht. DieBestimmung der genauen Richtung istAufgabe des SAR-Interferometers.

Man kann sich die Messung der Topo-graphie vereinfacht folgendermaßen vor-stellen: Der Flugweg entspricht der Achseeines Zylinders. Schneidet man diesengedachten Zylinder in einzelne Scheiben,markiert jede Scheibe jeweils einen be-stimmten Zeitabschnitt. Jedes Bildelementin dieser Scheibe – bei Bodenaufnahmeninteressiert sozusagen nur deren „untereHälfte“ – wird zweidimensional definiert.Außer den so gewonnenen Entfernungs-informationen in den Scheiben muß diezugehörige Richtung festgehalten wer-den. Durch das Aneinanderreihen derScheiben – oder besser: der Schnittedurch das Gelände – ergibt sich das drei-dimensionale Modell der Topographie(bzw. das digitale Geländemodell). In dieser Vorstellung sind zwei Schritte be-schrieben, die scheinbar „nacheinander“ablaufen. Mit der Interferometrie lassensich aber diese Schritte in einem Meß-vorgang erfassen.

Schon seit Jahrzehnten ist die Radio-Interferometrie in der Astronomie und inder Frühzeit der Satelliten verwendetworden, um Richtungen aus Laufzeit-unterschieden beim Empfang der Signalevon Sternen bzw. Satelliten mit mehrerenAntennen zu bestimmen. Bezogen aufdas Scheibenmodell der SAR-Interfero-metrie benötigt man zwei Antennen inder Scheibenebene. Die Entfernungs-unterschiede zwischen der Position derbeiden SAR-Antennen und den Bildele-menten erlauben eine Berechnung derRichtungen zu jedem Bildelement inner-halb der Scheibe.

Die Entfernungsunterschiede setzen sichim allgemeinen aus ganzen Wellenlängenund Bruchteilen einer Wellenlänge (demsogenannten Phasenunterschied) zusam-men, wobei man meßtechnisch nur denPhasenunterschied erfaßt. Der Entfer-nungsunterschied ist entsprechend derAnzahl der Wellenlängen mehrdeutigund wird erst anhand eines oder mehre-rer Referenzpunkte eindeutig gemacht.

Rechentechnisch geht man von den auf-genommenen komplexen SAR-Bilddaten(Amplitude und Phase) der beiden Anten-nen aus und erhält als Resultat ein Inter-ferogramm, das die Entfernungsände-rungen beim gedachten „Abtasten“ derTopographie in Wellenlängen aufzeigt.Diese Entfernungsänderungen werdengerne in Regenbogenfarben dargestellt

Mit X-SAR im Jahre1994 aufgenomme-nes Interferogrammvom Vulkan Teide.Der Höhenschicht-liniencharakter der„fringes“ ist deutlicherkennbar. Aufgrundder „multi pass inter-ferometry“ ist dasWaldgebiet in derlinken oberen Bild-ecke als dekorelliertgemessen worden,d. h. dort ist eine topographische Auswertung kaum möglich.

31

X-Band Interferometer im Rahmen des SRTM-Projekts

D ie Flugeinheit des X-Band Synthetic Aperture Radar (X-SAR) wird zur Zeitbei der Dornier Satellitensysteme GmbH (DSS), einem Unternehmen in der Daimler-Benz Aerospace (Dasa), zu einem neuen interferometrischen

Meßsystem im Auftrag und nach Vorgaben des DLR weiterentwickelt.

Die existierende X-SAR-Flugeinheit wird hierfür um einen zusätzlichen Empfangs-kanal erweitert, dessen Antenne und zugehörige Frontend-Elektronik am Endeeines 60 Meter langen, ausfahrbaren Mastes montiert sind. Es nutzt die gemein-samen strukturellen Elemente und Datenkanäle der Gesamtnutzlast, arbeitet aberweitgehend unabhängig vom C-Band-System. Die relative Höhenauflösung im X-Band (9.6 GHz) wurde zu < 5 Meter berechnet, bei einer horizontalen Auflö-sung von 25 x 25 Meter in einem kontinuierlichen Aufnahmestreifen von minde-stens 45 Kilometer Breite.

Ist das Interferometer einmal aktiviert, kann das Radarecho – der Radarpuls wirdvon der primären Antenne in der Ladebucht des Space Shuttle ausgesandt – inbeiden Kanälen gleichzeitig empfangen und kohärent detektiert werden. Die for-matierten Mikrowellen-Daten werden an Bord gespeichert, da die direkte Über-tragung von Daten zur Bodenstation während der Mission stark eingeschränktist. Die Qualität der empfangenen Daten kann allerdings an Bord jederzeit über-prüft werden. Im Verlauf dieser zehnTage dauernden Mission sind so für beideInstrumente viele Tera-Bytes an Daten auf Bändern zu speichern. Die Erstellungder digitalen Höhenmodelle aus den gewonnenen X- und C-Band-Daten wirdsich über ein bis zwei Jahre hinziehen.

Die gesamte Flughardware und verschiedene Ersatzeinheiten ausdem alten X-SAR-Programm finden in der neuenFlugeinheit Verwendung. Kommandierungund Telemetrie für den zweiten Kanal müs-sen deshalb den vorhandenen Schnittstellenvon Hardware und Software angepaßt werden.Die neuen Elemente für den zweiten Empfangska-nal werden zur Zeit entwickelt. Die Integration desX-Band-Interferometers mit dem Gesamtsystemist für das vierte Quartal 1998 bei JPL geplant.Die gesamte Nutzlast füllt die Ladebucht desSpace Shuttle vollständig aus, und die Massedes Experiments entspricht insgesamt 12.700Kilogramm, exklusive des Gewichtes derAstronauten, die in zwei Schichten durchdie gesamte Mission durcharbeiten wer-den.

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FORS

CHUN

G

Existierende dreidimensionale (topographische) Kartierung der Erde im Maßstab 1:25.000.Die Grauwerte sind proportional zum Vorhandensein digitaler Geländemodelle (weiß=0%).

und sind in der englischsprachigen Lite-ratur mit „fringes“ bezeichnet. Sie habenden Charakter von Höhenschichtlinien,sind aber durch die endliche Entfernungdes SAR-Interferometers nicht exakt identisch mit kartographischen Höhen-schichtlinien. Durch Umrechnung kannman jedoch die kartographischen Datenerhalten und digitale Geländemodelleerzeugen.

Zeitlich nacheinander aufgenommene SAR-Bilder (multi pass interferometry)

Das heute zumeist angewandte Interfero-metrie-Verfahren mit SAR-Satelliten (ERS-1/2, JERS; RADARSAT) sowie die 1994durchgeführten Versuche mit SIR-C/X-SAR beruhen auf zeitlich nacheinanderbei verschiedenen Orbits aufgenomme-nen SAR-Bildern. Das hat den Nachteil,daß sich von einem Überflug bis zumnächsten zum Beispiel durch Regen dieBodenfeuchte geändert haben kann unddaß die geometrische Stellung der Blätterund Zweige von Bäumen und Pflanzendurch Wachstum und Wind gegenüberder ersten SAR-Aufnahme verändert ist.Hierdurch weisen die entsprechendenBildelemente ein unterschiedliches Streu-verhalten auf, was zur Dekorrelationbeim Versuch der interferometrischenAuswertung führt, das heißt, diese Ge-biete können nicht topographisch erfaßtwerden. Das ist letztlich auch der Grundfür das zeitgleiche SAR-Interferometrie-verfahren, wie es mit SRTM vorgesehenist. Ein weiterer Grund hierfür sind zeitli-che wetterbedingte Veränderungen inder Atmosphäre, die so starke Fehler beiden Laufzeitunterschieden der Radar-wellen hervorrufen können, daß trotzbekannter Satellitenpositionen kein Inter-ferometriebild prozessiert werden kann.

Zeitgleiche SAR-Aufnahmen (single pass interferometry)

Die vorstehend beschriebenen Nachteileder „multipass interferometry“ will manmit SRTM vermeiden. Die hierzu gewähl-te Konfiguration besteht aus dem SAR inder Shuttle-Ladebucht und einer zweitenEmpfangsantenne, die über einen 60Meter langen Mast mit dem Shuttle ver-bunden ist. Die Funktionsweise ist nunso, daß das SAR im Shuttle die Radar-

23,9%

1,8%

0%

37,2%2,5%

18,1%

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Rot eingezeich-net sind die von dem X-SAR-Interferometerwährend der 10-Tages-Mission(SRTM) aufzu-nehmenden Ge-biete (der Aus-schnitt zeigt Eu-ropa und einenTeil von Afrika).Über dem Ozeanwird das Inter-ferometer jeweilsvor dem Errei-chen der Küstenkalibriert.

impulse aussendet, und sowohl die SAR-Antenne in der Shuttle-Ladebucht alsauch die in 60 Meter Abstand befindlicheAntenne empfangen die von der Erderückgestreuten Signale.

Aus den mit den beiden Antennen emp-fangenen Signalen kann man die Ent-fernungsunterschiede herausrechnen unddamit die Topographie der vom Radarerfaßten Landschaften bestimmen. Nun besteht SRTM nicht nur aus demdeutsch/italienischen X-SAR, sondernauch aus dem amerikanischen C-Band-SAR des SIR-C. Beide Radargeräte wer-den eingesetzt, wobei das C-Band-SARdurch elektronische Antennenstrahl-

schwenkung quer zur Flugrichtung etwa5 mal breitere Streifen (ca. 250 Kilo-meter) abdeckt als das X-SAR – so daß esinnerhalb der zehntägigen Mission diegesamte Erdoberfläche zwischen etwa 60Grad Nord und Süd erfaßt, während dasX-SAR durch die feste Antennenstrahl-ausrichtung schmalere Streifen der Erd-oberfläche aufnimmt und vor allem inÄquatornähe Lücken läßt. Der X-SAR-

Vorversuche mit einem Flugzeug-X-Band-SAR-Interferometer

D as DLR hat ein multifrequentes SAR-System entwickelt (X-, C-, L-, P-Band,d.h. Zentimeter- und Dezimeter-Wel-

len), das darüber hinaus im L-Band vollpolari-metrisch arbeitet und im X-Band einen zwei-ten Empfangszweig für die SAR-Interfero-metrie aufweist. Dieses System wird für Meß-kampagnen in ein Flugzeug (DO 228) einge-baut und bei Flügen in zumeist drei KilometerHöhe eingesetzt. Aufgrund dieser niedrigenFlughöhe ist die Basis zwischen der SAR-An-tenne und der zweiten Empfangsantenne fürdas X-Band-Interferometer sehr viel kürzer (1,6Meter), die erzielbare Genauigkeit trotzdemsehr viel größer als im Fall von SRTM. Die Bild-elemente haben eine Größe von etwa 3 mal 3Meter, während die Höhenauflösung ca. 1Meter beträgt. Diese Werte werden erreicht,weil die Bandbreite des Flugzeug-SAR-Systemsviel größer ist als beim X-SAR, weil die Basisvon 1,6 Meter bezogen auf die Shuttlebahn-höhe einer solchen von ca. 260 Meter (Ping-Pong-Betriebsart) entspräche und weil diereflektierten Radarwellen beim Flugzeug-SAR-Interferometer viel stärker sind als diejenigenbeim X-SAR-Interferometer auf dem Shuttle(geringere Störungen durch Rauschsignale).

34

FORS

CHUN

G

Streifen ist dabei genau auf die Grenzezwischen zwei C-Band-Streifen gesetzt,um die Kalibration und das ScanSAR-„Mosaicking“ (Zusammensetzen der ge-samten Karte aus einzelnen Streifen) zuverbessern. Ein weiterer wichtiger Grundist die Ungenauigkeit des C-Band-Inter-ferometers an dessen Streifenrändern. Andieser Stelle soll erwähnt werden, daßder Shuttle in einer Höhe von 233 Kilo-metern die Erde umkreisen wird und voninnerhalb von 24 Stunden etwa 250

Kilometer von Ost nach West „driftet“.Hierdurch wird die vorstehend erwähnteÜberdeckung der Erdoberfläche erreicht.

Die erwartete Auflösung läßt sich wiefolgt charakterisieren: Die Bildelement-größe (horizontal) ist etwa 25 mal 25Meter, die relative vertikale Auflösungbeträgt ca. 6 Meter im X-Band und 12 Meter im C-Band. Die schlechtere

In zwei Bildbeispielen wird auf-gezeigt, wie wichtig einerseitsdie Multifrequenzaufnahmenfür die Klassifizierung sind undandererseits wie gut die dreidi-mensionale Kartierung (Topo-graphie) mit einem Single-pass-Interferometer erfaßt werdenkann. Das linke Bild zeigt denFlughafen in Oberpfaffenhofen,rechts davon den DLR-Standortund darunter den Ort Gilching.

Ganz deutlich ist erkennbar,daß die Dezimeter-Radarwellen(L-Band = grün) besonders gutdie Bäume und Wälder hervor-heben, während die Zentimeter-Radarwellen (C-Band = blauund X-Band = rot) die landwirt-schaftlichen Areale und dieasphaltierten Flächen (Straßen,Landebahn) in Blau- und Rot-tönen wiedergeben. Die Häu-serkanten erscheinen vielfachweiß, weil hier die Radarrefle-xionen in allen drei Frequenzensehr stark sind.

Das Drei-Frequenz-SAR-Bildrepräsentiert im Vergleich zueinem Ein-Frequenzbild ein-drucksvoll, daß man auch mitden drei Frequenzen des Radarseine ähnliche Informations-steigerung erreicht wie beimÜbergang von der Schwarz/weiß- zur Farbfotografie. DasSAR-Bild links läßt das Geländeflach erscheinen, während dasmit dem Flugzeug-X-Band-SAR-Interferometer aufgenommenBild rechts die obere Hälfte dertatsächlichen dreidimensionalenLandschaft zeigt. Die Bewal-

dung, einzelne Bäume und derFlughafen sind deutlich zuerkennen. Der DLR-StandortOberpfaffenhofen liegt rechtsneben der Landebahn, wobeidie Gebäude durch ihre weißenKonturen (starke Reflexionen)gekennzeichnet sind. Allgemeinläßt sich somit festhalten, daßman SAR-Interferometrie für dietopographischen Karten undMultifrequenz-SAR (und/odermultispektrale Kamera) zur the-matischen Kartierung benötigt.

35

Höhenauflösung im C-Band wird im we-sentlichen durch die längere Wellenlängebei festem Basisabstand (60 Meter) ver-ursacht.

SRTM wird eine enorme Verbesserungder topographischen Kartierung der Erdebringen. Hierdurch wird es möglich sein,auch sehr unzugängliche Teile der Erdeinterpretierbar zu erfassen und auftreten-de Veränderungen leichter zu entdecken.Nicht zuletzt für die Umweltüber-

wachung wird so mit SRTM ein weitererSchritt in Richtung des operationellenMonitorings der Erde getan. ß

Dr.-Ing. Herwig Öttl war bei den beiden SIR-C/X-SAR-Missionen (1994) der deutsche Projekt-wissenschaftler.

36

Der Luftverkehrwächst derzeitmit etwa fünf bissieben Prozent

pro Jahr. Dabei werden mehr als 130 Millio-nen Tonnen Treibstoff pro Jahr verbraucht.Doch wie stark beeinflußt der Luftverkehr dieUmwelt? Und was kann man tun, damit derauch zukünftig wachsende Luftverkehr um-weltverträglich ist? Diese Fragen sind auchaus wissenschaftlicher Sicht sehr interessant.

Denn über die physikalischen und chemischenEigenschaften der Atmosphäre in der Tropo-pausenregion weiß man vergleichsweise we-nig; sie sind aber generell für das Wetter unddas Klima wichtig. Das DLR hat die Emissio-nen des Luftverkehrs und ihre Auswirkungenauf den Zustand der Atmosphäre über meh-rere Jahre hinweg intensiv erforscht. Es hat hierzu das Forschungsrepertoire von der Ver-kehrsforschung, über die Antriebstechnik,Insitu-Messungen mit Forschungsflugzeugen

Ergebnisse eines erfolgreichen

Verbundprojektes

Von Ulrich Schumann

37

und Messungen an Triebwerksprüfständen bis hin zur Fernerkundung und globalen Mo-dellierung der Physik und Chemie der Atmo-sphäre ausgebaut und eingesetzt.

Die Forschungen wurden im Rahmen vonnationalen und internationalen Verbundpro-grammen mit kompetenten Partnern und mitfinanzieller Hilfe der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG), des Bundesministeriumsfür Bildung, Wissenschaft, Forschung und

Technologie (BMBF) und der EuropäischenUnion durchgeführt. Neben der Atmosphärewurde anfänglich auch die Technologie zurReduktion von Schadstoffen in diesem Pro-gramm erforscht. Diese Teile werden jetzt imLuftfahrtforschungsprogramm der Bundesre-gierung fortgeführt. Ende März 1998 fanddas Abschlußkolloquium zum Verbundpro-gramm „Schadstoffe in der Luftfahrt“ statt,das von 1992 bis 1997 vom BMBF gefördertwurde.

Abb. oben: Mittlere Höhe der Tropopause im Winter und Sommer, Quellver-teilung der Stickoxide aus dem Luftverkehr (rot im Bereich maximaler Quell-stärke) und relevante Prozesse.

Abb. unten: Aus Satellitenbildern im Laufe eines Jahres bestimmter mittlerermittäglicher Bedeckungsgrad in Prozent der bedeckten Erdoberfläche von linienförmigen Kondensstreifen über Mitteleuropa.

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■ Strahltriebwerke von Flugzeugen ver-brennen Kerosin mit Luft. Die Verbren-nungsprodukte werden in die Atmosphä-re emittiert und verändern deren chemi-

sche und kli-matische Ei-genschaften.Zu den Emis-sionen gehö-ren Gase wieKohlendioxid,

Wasserdampf, Stickoxide, Schwefelver-bindungen, Kohlenmonoxid, Kohlenwas-serstoffe sowie Rußpartikel. Ein großerTeil der Spurenstoffe wird von Flugzeugenim Reiseflug zwischen neun und zwölfKilometern Höhe im Bereich der Tropo-pause freigesetzt, an der Grenze zwischenoberer Troposphäre und unterer Strato-sphäre.

Der Bereich der Tropopause ist durchniedrige Temperaturen und geringe Kon-zentrationen an Stickoxiden gekennzeich-net. Hier verursachen Flugzeuge die sicht-baren Kondensstreifen. Die Tropopausebefindet sich auch nahe der stratosphä-rischen Ozonschicht, die vor ultravioletterStrahlung schützt. Daher haben Emissio-nen in diesem Bereich eine größere kli-matische Wirkung als vergleichbare Emis-sionen in Bodennähe.

■ Im Mittelpunkt der Forschung zu denSchadstoffen in der Luftfahrt standenzunächst die Stickoxidemissionen. Stick-oxide standen im Verdacht, den beobach-

teten Ozonver-lust in der Stra-tosphäre zu ver-stärken. Anfangswar nur bekannt,wie viele Stick-oxide ein Trieb-

werk beim Betrieb am Boden emittiert.Die Quellstärke der Stickoxide im Reise-flug konnte nur berechnet werden, wo-bei die Daten zur Prüfung solcher Rech-nungen zunächst fehlten. Zusammen mitdem nationalen Verbundprogramm„Schadstoffe in der Luftfahrt“ wurden imRahmen des EU-Programms AERONOX

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Triebwerkeemittieren

Schadstoffein die Atmosphäre

Messungder Stickoxid-

emissionen imReiseflug

56

54

52

50

48

46

44

1.2

1.1

1.0

0.9

0.8

0.7

0.6

0.5

0.4

0.3

0.2

0.1

0.00 5 10 15 20

geogr. Länge [˚]

geo

gr.

Bre

ite

[˚]

ccc [%]

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daher die Emissionen auf zwei Höhen-prüfständen vermessen. Die Daten wur-den vom Institut für Antriebstechnik zurAnpassung der freien Parameter in denRechenverfahren benutzt. Zudem wurdendie Emissionen im Reiseflug für eineVielzahl von Flugzeugen unmittelbar imNachlauf gemessen. Aus der gleichzeiti-gen Messung der Zunahme der Konzen-tration von Kohlendioxid und Stickoxidenim Nachlauf eines Flugzeuges kann aufden Emissionsindex, das heißt auf dieMasse des emittierten Stickoxides im Ver-hältnis zur Masse des verbrannten Treib-stoffes geschlossen werden.

Bei einem Vergleich der gemessenenEmissionsindizes für verschiedene Ver-kehrs- und Forschungsflugzeuge im Rei-seflug mit den Rechenergebnissen derAntriebstechniker ist erkennbar, daß Mes-sung und Rechnung bis auf einen Fehlervon etwa 15 Prozent übereinstimmen.Der Emissionsindex moderner Großraum-flugzeuge ist größer als der älterer oderkleinerer Flugzeuge. Bei modernen Trieb-werken wird ein höheres Bypass-Verhält-nis verwendet, was den Treibstoffver-brauch senkt, aber höhere Temperaturenund Drucke in den Brennkammern erfor-dert und so zu mehr Stickoxiden proTreibstoffmasse führt. Bei gleicher Trans-portleistung emittieren manche der mo-dernen Flugzeuge durchaus wenigerStickoxide als die alten. Der Emissions-index des Überschallflugzeuges Concor-de, der in die gleiche Größenordnungfällt wie die moderner Unterschallflug-zeuge, wurde von amerikanischen Wis-senschaftlern gemessen. Erkennbar ist einTrend zu größeren Emissionen, denenjetzt bei der Entwicklung neuer Trieb-werke durch veränderte Brennkammer-konzepte entgegengewirkt wird.

Zur Beurteilung der luftchemischen Wir-kung wurden dreidimensionale Atmo-sphärenmodelle entwickelt, die die Che-mie und das Klima der Erdatmosphärenachbilden. Mit solchen Modellen wur-den die Ozonänderungen infolge derStickoxidemissionen berechnet. Die Mo-

delle stützen sich auf Angaben über dieweltweite Emissionsverteilung, die vonder Verkehrsforschung aus den Ergebnis-sen der Antriebstechnik, teils im Rahmendes Programms AERONOX, ermittelt wur-den. Der heutige Luftverkehr vergrößertdie Konzentration an Ozon in allen sei-nen Höhenbereichen. Die Ozonänderungwächst in erster Näherung linear mit der Menge an emittierten Stickoxiden an. Die Stickoxide verursachen also keinenOzonabbau, sondern im Gegenteil eineOzonzunahme. Die Strahlungsbelastungdurch ultraviolette Strahlung am Bodenwird dadurch geringfügig kleiner. Auf deranderen Seite ist Ozon wie Kohlendioxidein Absorber für infrarote Strahlung undverstärkt daher den Treibhauseffekt derAtmosphäre. Rechnungen mit einem Kli-mamodell zeigen, daß der heutige Luft-verkehr durch Ozon die Erdoberflächeglobal um etwa ein Zehntel Grad erwär-men kann.

Messungen aus dem ForschungsflugzeugFalcon des DLR über dem Nordatlantikhaben gezeigt, daß die Stickoxiderhöhungdurch den Luftverkehr nachweisbar ist. Es wurden aber auch deutliche Verschmut-zungen in Form von Schwefeldioxid,Azeton und Salpetersäure gefunden, dieaus Bodenquellen stammen und zur Par-tikel- und Ozonbildung beitragen. Derrelative Anteil des Luftverkehrs zum Ozonund zu den Aerosolen in der oberen Tro-posphäre im Vergleich zu den Emissionenaus Industrie, Hausbrand und Kraftfahr-zeugen ist daher kleiner als bisher ange-nommen. Eine Veränderung der Ozon-konzentration in der oberen Troposphäreaufgrund des Luftverkehrs ist bishermeßtechnisch nicht nachweisbar. Dienatürlichen Konzentrationsschwankun-gen und Änderungen infolge der Emissio-nen aus anderen Quellen am Boden,durch Vulkane und durch den chlorbe-dingten Ozonabbau in der Stratosphäreüberdecken bisher den Anteil des Luft-verkehrs. Aufgrund der Wachstumsper-spektiven der Luftfahrt kommt es den-noch in Zukunft darauf an, möglichstbald neue Flugzeuge mit neuen Triebwer-ken zu entwickeln und zum Einsatz zubringen, die sowohl weniger Treibstoffverbrauchen als auch weniger Stickoxidefreisetzen.

■ Die Verbrennungsprodukte enthaltenauch Wasserdampf, der grundsätzlichebenso ein Treibhausgas ist. Die vom heu-tigen Luftverkehr emittierten Mengen

sind jedochzu klein,um alsTreibhaus-gas einewesentli-

che direkte Klimawirkung zu entfalten.Allerdings kondensiert der Wasserdampfauf Partikeln im Abgasstrahl und bildet sodie häufig sichtbaren Kondensstreifen.

In trockener Umgebungsluft bilden sichkurzlebige Kondensstreifen, die sich nachwenigen Minuten auflösen; sie habenkeine nennenswerte Auswirkung auf dasKlima. Oft ist die Atmosphäre aber sehrfeucht. Die Feuchte kann die Eissättigungübersteigen, ohne daß sich bereits Eis-partikel und Cirruswolken bilden. Erstwenn hier ein Flugzeug lokal die Luftauch für flüssiges Wasser übersättigt,entstehen kleine Wassertropfen, die raschgefrieren und die Bildung von Cirrus-wolken auslösen. Dadurch verursacht derLuftverkehr eine zusätzliche Bewölkung.Die Wolken sind in der Regel sehr dünnund lassen daher das meiste Sonnenlichtnahezu ungehindert auf den Bodengelangen; sie vermindern aber schonrecht wirksam die Abstrahlung von Erd-wärme in den Weltraum. Der Luftverkehrvergrößert also durch die zusätzlichenWolken den Treibhauseffekt.

Dieser Effekt ist im Prinzip seit langembekannt; nur war das quantitative Aus-maß noch offen. Um die zusätzlicheBewölkung zu messen, wurden daherSatellitendaten ausgewertet und mitModellen die Klimawirkung berechnet.Die Untersuchungen zeigten, daß Kon-densstreifen, soweit man sie an ihrerlinienförmigen Struktur von natürlichenCirren unterscheiden kann, über Mittel-europa im Jahresmittel mindestens 0,5 Prozent der Erdoberfläche bedecken.

Kondensstreifen-bildung durch

Wasserdampf

40

Treibstoff etwa 1015 Rußpartikel emittiertwerden und mehr als 1016 Partikel neuaus den Gasen entstehen. Die Partikelkönnen die Chemie und das Klima inkomplexer Weise modifizieren. An derOberfläche von Ruß wird Ozon abgebaut,und Stickoxide werden in eine chemischstärker reaktive Form überführt. In derStratosphäre können Schwefelsäuretrop-fen anorganische Chlorverbindungen zuChloroxid aktivieren, was den Ozonabbauprinzipiell verstärkt. Die Partikel eignensich zudem als Kondensationskeime fürWolkentropfen und als Gefrierkerne fürEispartikel. Diese Vorgänge sind noch kei-neswegs ausreichend verstanden, daherkann deren Wirkungen auf das Ozon unddas Klima noch nicht abschließend beur-teilt werden. Es ist jedoch sicher empfeh-lenswert, die Partikelbildung, soweit mitangemessenem Aufwand machbar, zureduzieren.

Desweiteren emittiert der LuftverkehrKohlendioxid, Kohlenmonoxid und ver-schiedene Kohlenwasserstoffe. Von zweiemittierten Kohlendioxidmolekülen kanneines auch nach 100 Jahren noch in derAtmosphäre wirksam sein. Dem Kohlen-dioxid bleibt daher viel Zeit, sich gleich-mäßig über die Atmosphäre zu verteilen,und verursacht den Treibhauseffekt unab-hängig davon, ob es am Boden oder imReiseflug emittiert wird. Der Luftverkehremittiert zur Zeit etwa 1,7 Prozent derdurch menschliche Aktivitäten bedingtenFreisetzung von Kohlendioxid, wenigerals noch vor kurzem geschätzt wurde.Der Anteil wächst jedoch absolut undrelativ stärker als andere anthropogeneKohlendioxidemissionen. Ohne Reduktionder Emissionen wird die Konzentration anKohlendioxiden in der Atmosphäre weiterstark ansteigen. Ebenfalls im Flug gemes-sen wurden Kohlenmonoxid und Koh-lenwasserstoffe, deren freigesetzte Men-ge stark vom Lastzustand der Triebwerkeabhängt. Es gibt Anzeichen, daß einigeKohlenwassserstoffe kondensieren und sodie Partikelmasse im Nachlauf von Flug-zeugen vergrößern können. Für die Luft-chemie sind diese Abgase anscheinendweniger relevant.

Obwohl grundsätzlich sehr schwierig undmit vielen Fehler belastet, kann berech-net werden, wie groß die Temperatur-änderungen im globalen Mittel an derErdoberfläche aufgrund der verschiede-nen Emissionen des Luftverkehrs sind. Diebisherigen Luftfahrtemissionen haben die

Konzentration des Kohlendioxids in derAtmosphäre um etwa 1 bis 1.5 ppmverhöht, was knapp zwei Prozent des seit1800 beobachteten Anstiegs ausmacht.Dieser Anstieg hat die mittlere Tempe-ratur an der Erdoberfläche bis heute umca. 0,005 Grad Celsius erhöht – einsicher sehr kleiner Wert. Der berechneteKlimaeffekt des Ozons ist größer; genau-er läßt sich dies zur Zeit nicht sagen. DerBeitrag der Kondensstreifen ist im globa-len Mittel ebenfalls etwas größer als deraus den Kohlendioxiden, ist aber amwenigsten genau bestimmt. Eine Tempe-raturänderung am Boden infolge desLuftverkehrs ist bisher nicht durch Mes-sungen nachweisbar. Der Beitrag ist kleinim Verhältnis zu natürlichen Temperatur-schwankungen. Dennoch ist er vorhan-den und wächst. Nach vorliegendenModellrechnungen ist nicht auszuschlie-ßen, daß die Temperaturänderung infolgedes Luftverkehrs bis zum Jahr 2050 imglobalen Mittel 0,2 Grad oder sogar nochmehr erreichen kann. Hier sind aberdeutlich die Grenzen der Möglichkeitender Klimavorhersage erreicht.

■ Im Verbundprogramm „Schadstoffe inder Luftfahrt“ wurden insgesamt 25 ein-zelne Forschungsprojekte durchgeführt,die vom BMBF mit etwa 23 Millionen DM

gefördertwurden. Be-teiligt andiesen Pro-jekten wa-ren die Uni-versitäten

in Köln, München und Rostock, die Max-Planck-Institute für Chemie in Mainz,Meteorologie in Hamburg und Kernphy-sik in Heidelberg, das ForschungszentrumJülich, das GKSS ForschungszentrumGeesthacht, die Fraunhofer-Gesellschaftmit ihrem Institut für Umweltforschung inGarmisch-Partenkirchen sowie die Indu-strie mit der MTU-Dasa und der FirmaHeckel und Partner. Die Lufthansa hat zu

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G

Aufgrund der Temperatur- und Feuchte-verteilung in der oberen Troposphäre undder globalen Verteilung des Luftverkehrswird global ein mittlerer Bedeckungsgraddurch Kondensstreifen von etwa 0,1 Pro-zent erwartet. Dies ist jedoch nur einunterer Wert für die tatsächliche Bewöl-kung, da der Luftverkehr auch Wolkenbildet, die im Satellitenbild nicht mehr alslinienförmige Kondensstreifen erscheinen.Inzwischen gibt es aufgrund von Satel-litendaten und Bodenbeobachtungen An-zeichen, wonach der Anteil hoher Bewöl-kung in den Regionen des Luftverkehrsum mehr als ein Prozent zugenommenhat. Es gibt jedoch mehrere Möglichkei-ten, diese Änderungen zu erklären.

Die vom Luftverkehr verursachte zusätzli-che Bewölkung in Form dünner Cirrenwärmt die Troposphäre, was inzwischendurch Modellrechnungen gesichert ist.Zudem vermindert sie die Differenz desTagesganges der Temperatur. Unter Cir-ren wird es tags nicht ganz so warm undnachts nicht ganz so kalt wie unter kla-rem Himmel. Die Wirkung der Kondens-streifen hängt außer vom Flächenanteilauch von ihrer Dicke ab. Je dicker sie sind,um so mehr erwärmen sie die Atmo-sphäre. Um Kondensstreifen zu vermei-den, müßte man ober- oder unterhalbder kalten und feuchten Regionen deroberen Troposphäre fliegen oder dafürsorgen, daß sich in den Kondensstreifenmöglichst wenig Eispartikel bilden.

■ Die Bildung von Partikeln wird wesent-lich von den Abgasen der Flugzeuge be-einflußt. Die Triebwerke emittieren Ruß-partikel und partikelbildende Gase wie

Schwefeltri-oxid, Schwe-felsäure undSalpetersäu-re. Messun-gen des MPI

Heidelberg und des DLR haben erstmalsgezeigt, daß einige Prozent des Schwe-fels aus den Treibstoffen in Schwefelsäureumgewandelt werden. Die Messungenund Modellrechungen mit Nukleations-modellen zeigten, daß pro Kilogramm

Freisetzungvon Rußpartikeln

und Gasen

Umfangreiche

Forschungzu den Auswirkungen

auf die Atmosphäre

41

den Messungen Prüfstände bereitgestelltund Messungen hinter einem Airbusermöglicht.

Gleichzeitig hat die Deutsche Forschungs-gemeinschaft im Rahmen des Schwer-punktprogramms „Grundlagen der Aus-wirkungen der Luft- und Raumfahrt aufdie Atmosphäre“ 28 Einzelvorhaben, vorwiegend an den Universitäten, geför-dert. Die Europäische Kommission hatdas verwandte ForschungsvorhabenAERONOX von 1992 bis 1994 gefördertund anschließend eine Reihe weitererForschungsvorhaben wie POLINAT,MOZAIC, AEROCHEM, AEROCONTRAIL,AEROTRACE und AEROJET. Viele dieserProgramme wurden vom DLR koordiniert.Später hat auch die amerikanischeRaumfahrtagentur NASA umfangreicheForschungsprogramme zu diesem Themainitiiert, die noch bis zum Jahr 2001andauern werden.

Es ist offensichtlich, daß das Thema so-wohl für die Industrie als auch für denSchutz der Erdatmosphäre von internatio-naler Bedeutung ist. Gegenwärtig erstelltein internationales Expertengremium fürdas IPCC (Intergovernmental Panel onClimate Change) eine Bewertung desWissensstandes, woran die Partner derhier beschriebenen Forschung maßgeb-lich beteiligt sind. Das Ergebnis dieserStudie soll 1999 veröffentlicht werden.

■ Trotz der umfangreichen internatio-nalen Forschungen sind eine Reihe vonwichtigen Fragen bisher nicht beant-wortet. Beispielsweise untersucht das DLR

im Rahmen desEU-Forschungsvor-habens EULINOXmit Partnern ausFrankreich, Nor-

wegen und den Niederlanden sowie an-deren deutschen Gruppen derzeit denAnteil von Stickoxiden, der infolge vonBlitzen in Gewittern entsteht. Offen istauch, wie viele Stickoxide zusammen mitanderen Gasen aus den bodennahenLuftschichten in Gewittern oder an Wet-

terfronten in die obere Troposphäre ge-langen und dort Ozon bilden. Die Mes-sungen im angelaufenen Programmhaben gezeigt, daß sehr viel häufiger alsbisher vermutet verschmutzte Luftmassenaus der bodennahen Atmosphäre in dieobere Tropopause transportiert werden.Weitgehend unverstanden ist zudem dieEntstehung von Schwefeltrioxid undSchwefelsäure auf dem Weg von derBrennkammer bis in die Kondensstreifen.

Es gibt Anzeichen, wonach diese Prozessestark von Triebwerk zu Triebwerk variie-ren. Wenn es richtig ist, daß der Luftver-kehr durch Kondensstreifen und Partikeldie Bewölkung verändert, dann müßtedies schließlich in Messungen nachweis-bar sein. Das DLR will daher nach mög-lichen Unterschieden in der Bewölkungzwischen sauberen und verschmutztenLuftmassen suchen, zum Beispiel durchVergleich der Nord- und Südhemisphäreder Erde. Hierfür sollen insbesondereSatellitendaten genutzt werden.

■ In den sechs Jahren erfolgreicher For-schung zum Thema „Wirkung von Emis-sionen der Luftfahrt“ haben auch dieIngenieure die Grundlagen für die Ent-

wicklungschadstoff-armer Trieb-werke erwei-tert. Es wur-den neue

Brennkammerkonzepte entworfen, diedeutlich weniger Stickoxide entstehenlassen. Die Konzepte wurden im Laborerfolgreich getestet. Die Umsetzung ineinsatzfähige und sichere Triebwerke stehtnoch aus. Zur Minderung von Kohlen-dioxid und Ruß gibt es bisher außer Effi-zienzsteigerung des Antriebs keine er-folgversprechenden Konzepte. Die Idee,hierfür Wasserstoffantriebe einzusetzen,scheitert bisher an der ungesicherten Ver-sorgung mit flüssigem Wasserstoff.

Verkehrsexperten rechnen in den näch-sten 50 Jahren mit einer Steigerung desWeltluftverkehrs um das Zehnfache, wasaufgrund der langen Entwicklungszeitenneuer Flugzeugtechnologien durchauseine relevante Zeitspanne ist. Es ist alsoeine Technik zu entwickeln, die in 50 Jah-ren möglichst mit einer geringeren Kli-mabelastung als heute einen erheblichgrößeren Verkehrsbedarf befriedigt. Dazu

Unbeantwortete

Fragen

müssen die spezifischen Emissionen jeVerkehrsleistung um einen entsprechen-den Faktor reduziert werden. Dies ist eineenorme technische Herausforderung.

Der Weg dahin wird Kompromisse erfor-dern, möglicherweise auch Abstrichebeim Klimaschutz oder Änderungen imVerkehrssystem. Die Klimawirkungen derverschiedenen freigesetzten Gase undPartikel werden gegeneinander abzuwä-gen sein. Hierbei ist nicht nur der Luft-verkehr, sondern das gesamte Verkehrs-system einschließlich der Kraftfahrzeugeund immaterieller Transportsysteme(Kommunikation) zu betrachten. Das DLRwird daher in Zukunft die Umweltaus-wirkungen aller Verkehrssysteme in ihrerGesamtheit untersuchen. Für die Wett-bewerbsfähigkeit der exportorientiertendeutschen Verkehrsindustrie ist es wich-tig, daß sie auf diesem Gebiet auch inZukunft über das neueste Wissen verfügtund optimal beraten wird. Das ist eineAufgabe, der sich das DLR weiterhinstellt.

Prof. Dr. Ing. habil. Ulrich Schumann ist Direk-tor des Institutes für Physik der Atmosphäredes DLR in Oberpfaffenhofen. ß

TechnischeHerausforderung der

Zukunft

daß an Oberflächen mit die-sen Rillen weniger Reibungentsteht als an glatten Ober-flächen.

Reif sandte briefmarkengro-ße Hautstücke tropischer Ar-ten wie die des Seiden- unddes Galapagoshais nachBerlin, und Dietrich Bechertkaufte mehrere Male beieinem Fischhändler Haisteakfür seine Untersuchungen.Unter dem Mikroskop wur-den Tiefe und Weite der Ril-len in den Hautpräparatenmit Hilfe kleinster Nadelnund Mikrometerschraubenvermessen. Die gefundenengeometrischen Verhältnisseübertrugen Bechert undseine Mitarbeiter hundert-fach vergrößert auf Plexiglas-scheiben.

Am 27.Mai1998 wirdin München zum 16.Mal der Philip Morris

Forschungspreis an heraus-ragende Forscher verliehen.Mit dem 200.000 Mark do-tierten Preis wurden in derKategorie „Transport undVerkehr“ Dr.-Ing. Dietrich W.Bechert von der AbteilungTurbulenzforschung desDeutschen Zentrums fürLuft- und Raumfahrt (DLR)an der TU Berlin und dieTeammitglieder Martin Bruse,Wolfram Hage, Jacobienevan der Hoeven und GunterHoppe ausgezeichnet. Ge-würdigt wurde damit dieEntwicklung einer „künstli-chen Haifischhaut für Ver-kehrsflugzeuge“. Die vonden Berliner Ingenieurennach dem Vorbild der Haiekonstruierte Oberfläche ist

besonders reibungsarm. AlsFolie auf einen Airbus A340bzw. A320 aufgebracht,führt sie zu einer Wandrei-bungsverminderung von biszu acht Prozent, wodurchdas Flugzeug pro Langstrek-kenflug 2,4 Tonnen (bis zudrei Prozent) weniger Treib-stoff verbraucht.

Am Anfang stand für dasTeam der Kontakt zu demTübinger PaläontologenWolf-Ernst Reif. Ihm warenbei schnell schwimmendenHai-Arten mikroskopischfeine, in Strömungsrichtungverlaufende, Rillen auf denSchuppen aufgefallen. DerGedanke drängte sich auf,

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PERS

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WenigerTreibstoffverbrauch durch

HAIFISCHHAUTDLR-Wissenschaftler erhielten

Philip Morris Forschungspreis 1998

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Diese Scheiben mit etwa 6,5Millimeter weiten Rillen ver-halten sich im Strömungs-medium Öl etwa so wie dieflugzeugtauglichen Oberflä-chen mit mikrometerfeinenRillen im Windkanal. Die grö-ßeren Dimensionen habenjedoch einen entscheidendenVorteil: Die Test-Scheiben las-sen sich an automatisiertenFräsen fertigen und dabei re-lativ einfach von Mal zu Malvariieren. Der Ölkanal, derAnfang der neunziger Jahream Sitz der Arbeitsgruppe imKeller des Herman-Föttinger-Instituts für Strömungstech-nik der TU Berlin entstand,ist eine auf etwa 1,50 Meterhochgebaute und rund 10

Meter lange Endlosschleife.Darin wird synthetischesWeißöl von zwei Schiffspro-pellern vorangetrieben; beihöchster Drehzahl fließt esmit 1,3 Metern pro Sekundeetwa so schnell wie ein rei-ßender Gebirgsbach. DerWiderstand an der gerilltenTestplatte wird von einerneuartigen Feinwaage ge-messen, die eine sehr hoheMeßgenauigkeit aufweist.Nach zahlreichen Testläufenbis 1996 ist sich das Team –nicht zuletzt aufgrund derMeßgenauigkeit – sicher, diefür die Rillen-Technologiegültige „Grenze des tech-nisch Machbaren“ erreichtzu haben.

Noch während der Laborar-beiten fand Bechert einenHersteller, der selbstkleben-de, glasklare Folien mit fein-sten Rillen herstellt. Austechnischen Gründen kön-nen nur etwa 75 Prozent derOberfläche eines Verkehrs-flugzeuges damit überzogenwerden; der erste Airbus A340, der seit 1996 im Linien-dienst der Cathay PacificAirways getestet wird, ist nuretwa zu 30 Prozent über-klebt. Dennoch wurde dieOberflächenreibung herab-gesetzt. Folge: Der Treibstoff-verbrauch sank um etwa ein Prozent.

Bei optimaler Ausrüstung desFlugzeuges mit Folie prog-nostiziert die Arbeitsgruppedrei Prozent weniger Ver-brauch. Für das eingesparteTreibstoffgewicht könntenbei dem A340-Typ dann 15Personen mehr mitfliegen.

Abb.: Es wurden verschiedeneRippenformen untersucht. Fürdie praktische Anwendung istdie Trapezrillenform (Bild 4) be-sonders geeignet, mit der dieWandreibung um 8,5 Prozentvermindert werden kann. ß

Laserlicht und Gigabits im Orbit

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TECHNOLO

GIE

U nsere Informations-gesellschaft verlangtim Rahmen der fort-

schreitenden globalen Ver-netzung einen immer stärke-ren Datenaustausch mit im-mer höheren Datenraten, umComputer weltweit besservernetzen zu können undBild- und Videodaten inEchtzeit übertragen können.Die Satellitenkommunikationbietet hier eine hervorragen-de Möglichkeit zur Ergänz-ung terrestrischer Netze undglobaler Abdeckung.

In der Vergangenheit standdie Fernsehverteilung via Satellit, wie sie jedem von unsmit den Systemen von Astraund Eutelsat bekannt ist, imVordergrund der kommerzi-ellen Aktivitäten in der Satel-litenkommunikation. Mit diesen Systemen kann voneinem Punkt aus eine Viel-zahl von Nutzern gleichzeitigerreicht werden (Point-to-Multipoint). Ein Rückkanalvom Endnutzer zur „Sende-zentrale“ steht allerdingsnicht zur Verfügung. Die ent-sprechenden Satelliten sindgeostationär, stehen also fürden Endnutzer immer aneiner festen Position am Him-mel.

In diesem Jahr wird eineneue Generation von Satel-liten gestartet, die auf tief-fliegenden Bahnen (LowEarth Orbit, LEO) mit bis zu64 Satelliten zur Mobilkom-munikation eingesetzt wird.Diese Systeme sind mit demterrestrischen Mobilfunk (D- oder E-Netz-Handies) ver-gleichbar, benötigen aberkeine terrestrischen Relais-

stationen mehr. Kommunika-tion in beide Richtungenwird möglich, die übertrag-baren geringen Datenratensind aber mit dem terrestri-schen System für Sprach-,Fax- und Datenkommuni-kation vergleichbar. Im Sep-tember diesen Jahres soll daserste System, Iridium vonMotorola, seinen Betrieb auf-nehmen und die weltweiteMobilkommunikation via Sa-tellit revolutionieren. Bereitsbei diesem System ist es not-wendig, daß die Verbin-dungsdaten im Satellitenweiterverarbeitet werdenund die einzelnen Satellitenuntereinander kommuni-zieren können.

Die nächste Generation vonSatelliten soll direkt nach derJahrtausendwende für Multi-mediadienste eingesetzt werden. Es ist geplant, denInternet-Zugang mit sehr vielhöheren Datenraten als bis-her zu ermöglichen, um Ver-bindungs- und Zugriffszeitenzu minimieren. Des weiterenwird es möglich sein, welt-weit Computer mit Daten-raten von 155 Megabit proSekunde für die bidirektiona-le Kommunikation zu vernet-zen, was für den Endnutzerähnlich einfach wie das heu-tige Führen eines Telefon-gespräches sein soll.

Ein wesentlicher Vertreterdieser neuen satellitengetra-genen Multimedia-Systemeist das von Motorola einge-führte Programm Celestri. Eswird ein System aus 63 tief-fliegenden Satelliten sein,das ab dem Jahr 2003 ope-rationell sein wird. Mit Ce-lestri wird es möglich sein,klassische Fernsehübertra-gung zu betreiben, bidirek-tionale Datenkommunikationzwischen 64 Kilobit pro Se-

kunde und 155 Megabit proSekunde zu ermöglichen,Video-on-Demand anzubie-ten oder Videokonferenzenmit nahezu beliebig vielenund weltweit beliebig verteil-ten Nutzern durchzuführen.Das Celestri-System kann so-wohl private Endnutzer, dievia Satellit einen besserenInternetzugang suchen, ver-sorgen als auch kompletteFirmennetzwerke maßge-schneidert anbieten.

Bei einem vernetzten Systemmit tieffliegenden Satelliten ist es notwendig, daß allebenachbarten Satelliten mit-einander kommunizieren undDaten austauschen können,also über sogenannte Inter-Satellite-Links verfügen. BeiCelestri geschieht dies mitsogenannten Optischen Mini-terminals (OMT), die ihreInformationen mit Laserlichtaustauschen. Hierbei werdenDatenraten von bis zu 8,1Gigabit/s (8,1 Milliarden In-formationen pro Sekunde)übertragen. Die amerikani-sche Firma Motorola hat sichim Februar 1998 für daseuropäische Konzept ent-schieden. Es wurde bei derAuswertung der Angebotedeutlich, daß dieses Konzeptden Vorschlägen der interna-tionalen Konkurrenz gegen-über deutlich überlegen ist.

Das technische Konzept zuroptischen Datenübertragung,das sogenannte SYNC-BIT-Verfahren, beruht auf Paten-ten des Institutes für Nach-richtentechnik des DeutschenZentrums für Luft- undRaumfahrt (DLR) in Ober-pfaffenhofen. Es ist europäi-

schen Firmen erstmals gelun-gen, in ein strategisch ausge-sprochen wichtiges Techno-logiefeld in Amerika einzu-dringen. Mit diesem Erfolgbesteht die große Chance,diese optischen Minitermi-nals auch in künftigen ande-ren Programmen, die eineKommunikation zwischenLEO-(Low Earth Orbit-) oderGEO-(Geostationary Orbit)Satelliten benötigen, zu pla-zieren und somit weiterekommerzielle Erfolge für diedeutsche Industrie sicherzu-stellen.

Die Arbeiten zum OptischenMiniterminal werden vomDeutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) mit ca.25 Millionen DM (50 Pro-zent) gefördert. Mit diesenMitteln werden sowohl For-schungseinrichtungen alsauch die Firmen Bosch undZeiss unterstützt. Die Indust-riefirmen steuern ihrerseits50 Prozent der Entwick-lungskosten bei. Dieses Ver-fahren des Public-Private-Partnerships mit fünfzig-prozentiger industriellerKofinanzierung hat sich inder Vergangenheit bewährtund deutsche Unternehmenim stark umkämpften Marktder Satellitenkommunikationwettbewerbsfähig am Welt-markt positioniert. ß

Jörn Tjaden, ProgrammdirektionRaumfahrt, DLR

Laserlicht und Gigabits im OrbitOptische Miniterminals auf CELESTRI · Von Jörn Tjaden

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MIS

SIO

NEN

Am 17. April 1998 starteteeine der letzten SPACE-LAB-Missionen. Damit

geht eine erfolgreiche Ära zuEnde – und ein neues Zeitaltersteht mit den ersten Starts zurInternationalen Raumstation be-vor. Nach Beendigung des ame-rikanischen APOLLO-Programmsvor über 25 Jahren schien dielogische Konsequenz dieser Er-fahrungen ein permanentesWeltraumlabor zu sein. So be-schloß die US-Regierung Anfangder 70er Jahre die Entwicklung eines wiederverwendbaren bemannten Raumtransport-systems. Europa wurde eingeladen, sich an dem Pro-gramm der bemannten Raumfahrt zu beteiligen.

Am 24. September 1973 wurde das Memorandum ofUnderstanding (MoU) zwischen der European SpaceAgency (ESA) und der amerikanischen WeltraumbehördeNASA zur Entwicklung und zum Bau des SPACELAB un-terschrieben. An der Vorbereitung und dem Betrieb desWeltraumlabors waren in Europa elf Staaten beteiligt:Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland,Italien, die Niederlande, Schweden, Schweiz, Spanienund Deutschland.

Die NASA konzentrierte sich dabei auf die Entwicklungund den Betrieb des Raumtransportsystems (Space-Shut-tle), und die damalige European Space Research Organi-zation (ESRO, die spätere ESA) auf die Entwicklung undden Bau des Raumlaborsystems (Spacelab), das in derLadebucht des Raumtransporters fest verankert werdensollte. Vorgesehen war, daß mit dem Weltraumlabormindestens sechs Astronauten wissenschaftliche Missio-nen bis zu neun Tagen Dauer durchführen sollten.

Die Entscheidung zur Zusam-menarbeit bei der Entwicklungdes Space Shuttle/Spacelab-Systems bedeutete zugleich füralle den Eintritt in die wieder-verwendbare Raumfahrttechno-logie und für Europa den Be-ginn der bemannten Raumfahrt.

Im Juni 1974 beauftragte dieinzwischen gegründete ESA einIndustriekonsortium unter Füh-rung von ERNO-VFW-Fokker inBremen, heute Daimler-BenzAerospace (DASA), mit der Ent-

wicklung und dem Bau des SPACELAB. Am 28. Novem-ber 1983 wurde dann die erste SPACELAB-Mission insAll gestartet. Mit an Bord war der aus Deutschlandstammende ESA-Astronaut Dr. Ulf Merbold.

Das Spacelab-System besteht aus einer Druckkabine(wahlweise als Kurz- oder Lang-Modul einsetzbar), Palet-ten mit einem druckbeaufschlagten Untersystemcontai-ner (dem Igloo) sowie einer Ausrichtplattform (Instru-ment Pointing System). Die erste Spacelab-Palette kamauf dem zweiten Orbiter-Test-Flug (STS-2/Columbia) imNovember 1981 zum Einsatz, die Druckkabine als Lang-Modul dann in der ersten Spacelab-Mission. Die ausdeutscher Sicht wichtigsten Spacelab-Missionen warendie Spacelab 1/FSLP (Dezember 1983), die IML-2 Mission(Juli 1994), MSL-1 und MSL-1R (April bzw. Juli 1997),die drei ATLAS-Missionen (März 1992 bis November1994) sowie die D-1 (Oktober 1985) und die D-2 Mis-sion (April 1993). Mit der Durchführung der MissionenD-1 und D-2 hatte Deutschland in Europa vorüberge-hend die Führung in der Spacelab-Nutzung übernom-men – und Kompetenz für die bevorstehende Ära derInternationalen Raumstation gesammelt. ß

25JAHRESPACELAB

Anlaß für einen kurzen Rückblick

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Es beginnt mit einem Grö-ßenvergleich Erde/Mars,es endet mit der sympa-

thischen Anmutung einerAstronautin, die auf dem Marsgelandet ist. Dazwischen lie-gen 156 Seiten Text und Fotoszu einem einzigen, noch dazu„staubtrockenen“ Thema,und der Spagat ist gelungen:Mit dem in der BLV Verlags-gesellschaft erschienenenBuch „Die Mars Mission“ ge-

hen Wissenschaft und Faszi-nation Raumfahrt eine glückli-che Verbindung ein. HattePathfinder im vergangenenJahr die Öffentlichkeit ähnlichwie Hale Bop begeistert, sokönnen wir nun die Reise deskleinen Sojourners, Step byStep’ nachvollziehen. Abso-lutes Highlight des Buchessind die Fotos. Größtenteilsdreidimensional – eine Lese-brille liegt bei – zeigt sich derRote Planet in den Bildern von seiner ästhetischen Seite.

Prof. Dr. Gerhard Neukum,Leiter des DLR-Institutes fürPlanetenerkundung und Dr.Ralf Jaumann, Forschungslei-ter an diesem Institut, zeich-nen als Autoren und bürgengleichzeitig für den hohenStandard des Textes in wissen-schaftlicher Hinsicht. HolgerHeuseler, freier Wissenschafts-journalist, erfüllt mit seinerFeder das eben nur scheinbartrockene Thema auch im Textmit Leben. Leichte Lesbarkeit,Verständlichkeit und ein Blickfür die menschliche Seiteeiner Mission, die uns alle be-geistert hat, beweisen: Wis-senschaft kann mit lockererHand vermittelt werden, ohneunseriös zu sein. Essays vonProf. Dr. Heinrich Wänke,Max-Planck-Institut für Che-mie, und Dr. Peter Smithergänzen den Band, der liebe-voll ediert ist.

Schließlich und hochaktuellkonnte das Autorenteam auchnoch in letzter Minute ersteBilder der amerikanischen Son-de Global Surveyor mit ab-drucken. Alles in allem: Wis-senschaft unterhaltsam seriösvermittelt.

Die Mars-MissionPathfinder, Sojourner und dieEroberung des Roten Planeten76 Farbfotos, 17 3-D-Bilder160 SeitenISBN 3-405-15461-8Preis DM 49,90

BUCHTIPImpressum

DLR-NachrichtenDas Magazindes Deutschen Zentrumsfür Luft- und RaumfahrtHerausgeber:Deutsches Zentrumfür Luft- und Raumfahrt e.V.(DLR)

Redaktion:Peter Bütfering (Autoren Societät Bonn),Dr. Volker Kratzenberg-Annies(ViSdP),Marco Trovatello

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Bildrecherche:Anja Gugler

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In dieser Rubrik stellt das DLR Partner-organisationen und deren Projekte im Bild vor. In dieser Ausgabe: dieArbeitsgruppe für Weltraum-forschung im Fachbereich Physikder Bergischen Universität-Gesamthochschule Wuppertal.

D ie Bergische Universität-Ge-samthochschule Wuppertalentstand 1972 als eine von

fünf Neugründungen des LandesNordrhein-Westfalen. Seither entwik-kelten sich an der Universität Wup-pertal in den Fachbereichen Physikund Chemie mehrere leistungsfähigeArbeitsgruppen zur Untersuchung derAtmosphäre. Im Vordergrund stehendabei Struktur, Dynamik, chemischeZusammensetzung und Belastungensowohl der unteren Schichten derErdatmosphäre (Troposphäre) als auchder mittleren und oberen Schichten(Stratosphäre, Mesosphäre und Tro-posphäre).

Die Arbeitsgruppe für Weltraumfor-schung im Fachbereich Physik (Prof.D. Offermann, K.U. Grossmann) hatihren experimentellen Schwerpunktbei Messungen mittels Infrarot-Tech-niken. Sie führt ihre Untersuchungenmit Bodengeräten sowie Ballon- und

Raketenmessungen durch. In jüngsterZeit kam das CRISTA-Gerät (CryogeneInfrarot-Spektrometer und -Teleskopefür die Atmosphäre) hinzu, das – imAuftrag des DLR – entwickelt wurde,um die räumliche Auflösung der At-mosphäre zu verbessern.

CRISTA ist mit drei Metern Länge und1,3 Tonnen Gewicht das größte die-ser Geräte und mißt die Atmosphäre mittels Horizontsondierung. Das Bildzeigt eine globale HNO3-Verteilung in 27 Kilometern Höhe, die am 6. No-vember 1994 von CRISTA im Rahmender ATLAS 3-Mission (STS 66) gemes-sen wurde. HNO3-arme Luft wird inForm von sogenannten Streamern ausden Tropen in mittlere Breiten trans-portiert.