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BETRIEBSPRüFUNG Der Fiskus verschärft die Anforderungen an Kassensysteme, um Manipulationen zu erschweren. Viele Betriebe müssen deshalb bis zum Jahresende umrüsten. Keine leichte Aufgabe – auch wegen erheblicher Rechtsunsicherheit. Autor Daniel Schönwitz DIE KASSE muss stimmen STEUERN & RECHT 10/16 86 Foto: Patricia Chumillas Rodri/iStockphoto

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Der Fiskus verschärft die Anforderungen an Kassensysteme, um Manipulationen zu erschweren. Viele Betriebe müssen

deshalb bis zum Jahresende umrüsten. Keine leichte Aufgabe – auch wegen erheblicher Rechtsunsicherheit.

Autor Daniel schönwitz 

Die Kasse muss stimmen

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86foto: patricia chumillas rodri/iStockphoto

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eEs sind anstrengende Zeiten für Ralf Liebers. „Die Nachfrage ist derzeit so hoch wie noch nie“, berichtet der Ge-schäftsführer des Kassenhändlers Ka-licom aus Dortmund. Viele seiner Kunden – vor allem Bäckereien – müssten noch bis zum Jahresende neue Kassensysteme anschaffen oder ihre alten Kassen nachrüsten.

Verantwortlich dafür ist der Ge-setzgeber. Denn am Jahresende läuft eine wichtige Frist ab: Laut einer An-weisung des Bundesfinanzministeri-ums aus dem Jahr 2010 sind manipu-lationsanfällige alte Kassen, die nicht jede einzelne Einnahme, sondern le-diglich die kompletten Tagessummen speichern können, nur noch bis zum 31. Dezember 2016 erlaubt (IV A 4 – S 0316/08/10004-07).

Das trifft Tausende Betriebe in ganz Deutschland. Laut einer Umfra-ge der Industrie- und Handelskammer (IHK) Niedersachsen erfüllten im Frühjahr erst 62,6 Prozent der Gastro-nomiebetriebe die künftigen Anforde-rungen; und in Handwerksbetrieben von Bäckereien bis hin zu Kfz-Werk-stätten dürfte es kaum besser ausse-hen. So schätzt Liebers, dass rund 20 Prozent der Bäcker noch immer alte Kassensysteme einsetzen. „Ich fürch-te, dass es viele nicht schaffen wer-den, rechtzeitig umzurüsten“, sagt der Experte. Einige Mittelständler nähmen die Problematik noch immer auf die leichte Schulter.

Dabei ist es höchste Zeit, aktiv zu werden. Denn ein Kassensystem zu in-stallieren und die Mitarbeiter zu schulen kann mehrere Wochen dau-

ern. Und Dienstleister wie Kalicom, die die Systeme verkaufen und instal-lieren, haben wegen des großen An-drangs überschaubare Kapazitäten. Wer die Sache vor Weihnachten vom Tisch haben will, sollte also keine Zeit mehr verschenken.

betriebsprüfer in LauersteLLungÜber den Stichtag hinaus alte Kassen-systeme einzusetzen ist brandgefähr-lich. „Betriebsprüfer können die Buchführung dann als nicht ord-nungsgemäß einstufen und mit die-sem Argument deutlich höhere Ein-nahmen schätzen“, warnt Torsten Lenk. Der Vorstand der ETL Systeme AG Steuerberatungsgesellschaft in Berlin erwartet, dass Prüfer die Kas-sensysteme ab 2017 noch intensiver unter die Lupe nehmen als bisher.

„Schon jetzt fragen sie vor jeder Betriebsprüfung ab, welches Kassen-system eingesetzt wird“, so Lenk. „In vielen Finanzämtern gibt es inzwi-schen Spezialisten, die sich sehr ge-nau mit den verschiedenen Typen und ihren Funktionsweisen ausken-nen.“ Neben den Gastronomen, die beim Fiskus seit jeher unter General-verdacht stehen, müssten zahlreiche weitere Branchen mit einer verschärf-ten Gangart rechnen, so Lenk. „Sobald ein Betrieb mehr als zehn Prozent des Umsatzes in bar macht, gilt er als bar-geldintensiv.“

Die Steuerberater der ETL-Grup-pe weisen ihre Mandanten seit rund einem Jahr auf die auslaufende Über-gangsfrist hin. Oliver Schieke hat des-halb früh begonnen, sich mit der >

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Thematik zu befassen. „Ich habe mir im März auf einer Messe in Hamburg ver-schiedene Kassensysteme angeschaut“, berichtet der Konditormeister mit zwei Filialen in Dessau (Sachsen-Anhalt).

Im Juli habe er sich für ein Modell entschieden und im September seine bei-den alten Kassen durch neue ersetzt. „Eine weitere kommt in den nächsten Wochen dazu, weil ich meine dritte Filia-le eröffne“, sagt Schieke, der froh ist, dass er rechtzeitig alles geregelt hat. „Einige Kollegen haben gerade erst begonnen, sich mit dem Thema zu befassen. Das dürfte zum Jahresende knapp werden.“

Guter Dinge ist Schieke aber nicht nur, weil er für den Fiskus gewappnet ist – das neue System wird ihm auch die Ar-beit erleichtern. „Ich muss zum Beispiel keine Zahlen mehr ins Buchführungspro-gramm eintippen, weil alles automatisch übertragen wird“, erklärt er.

Zudem habe er jederzeit einen Über-blick über die Umsätze in den Filialen

und könne detaillierte betriebswirt-schaftliche Analysen vornehmen. „Wenn ich schon rund 4000 Euro pro Kasse in-vestiere, dann will ich das nicht nur fürs Finanzamt machen“, so Schieke.

investieren ohne informationenAllerdings ist noch nicht klar, wie lange er seine neuen Kassen einsetzen kann – oder ob womöglich bald eine erneute In-vestition nötig ist. Denn die nächste Ver-schärfung der Rechtslage naht bereits: Parallel zur ablaufenden Übergangsfrist für Alt-Kassen hat das BMF ein „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digi-

talen Grundaufzeichnungen“ auf den Weg gebracht, das seit Juli als Regierungs-entwurf vorliegt.

Das Ziel der Ministerialbeamten: Sie wollen nicht nur besonders manipulati-onsanfällige Geräte aus dem Verkehr ziehen, sondern sämtliche Tricksereien ausschließen. In Zukunft müssen Kassen-systeme deshalb nicht nur Einzel-Um-sätze speichern, sondern auch so konst-ruiert sein, dass eine nachträgliche Veränderung von Daten – etwa mithilfe von Schummelsoftware (siehe Kasten links) – nahezu unmöglich ist. Kein Wun-der, denn Kassenbetrug sorgt für erhebli-che Ausfälle bei der Einkommen-, Körper-schafts- und Mehrwertsteuer. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) schätzt den jährlichen Schaden für den Fiskus auf fünf bis zehn Milliarden Euro.

Das Problem: Der Gesetzentwurf ent-hält keine detaillierten Vorgaben für Kas-sensysteme. Stattdessen setzt die Bundes-regierung auf eine „technologieoffene Lösung“. Die Hersteller sollen also selbst Modelle entwickeln, die eine nachträgli-che Änderung gespeicherter Daten aus-schließen, und diese vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizieren lassen.

Das ist aber noch nicht möglich. „Es gibt derzeit keine Kassensysteme, die die künftigen Anforderungen erfüllen“, warnt ETL-Vorstand Lenk. Schlimmsten-falls müssten Mittelständler, die jetzt um-rüsten, also schon in sechs Jahren wieder neue Kassen anschaffen – für mehrere Tausend Euro pro Stück.

Kassen-Daten in Der CLouDImmerhin: Die neuen Vorgaben sollen erst ab 2020 gelten, und für zwischen 2010 und Ende 2016 angeschaffte Kassen ist laut Lenk eine Übergangsfrist bis Ende 2022 vorgesehen. Zudem lässt sich das Ri-siko teurer Neuanschaffungen reduzie-ren, indem Unternehmer jetzt Systeme auswählen, die nachrüstbar sind.

Viele Unternehmer entscheiden sich deshalb für Kassen, die auf den „InSiKa“-Standard gebracht werden können. Bei dieser „integrierten Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensyste-me“, die die Physikalisch-Technische Bundesanstalt bereits 2012 entwickelt hat, sorgt eine angeschlossene Smart- >

»Das neue Gesetz gegen Kassenbetrug sorgt für erhebliche Rechtsunsicher-heit.«torsten Lenk, Vorstand der etL-Systeme Ag Steuerberatungsgesellschaft.

Wie Kassen manipuliert werdenKassenbetrug ist weit verbreitet, besonders in der gastronomie, aber auch in anderen bargeld-branchen, von apotheken bis hin zu tankstellen, gibt es solche fälle.

storno-trick Ladenbesitzer stornieren abends kurzerhand den tagesumsatz und geben einen niedrigeren Betrag. Bei alten Kassen, die keine einzel-, sondern nur „tagesendsummen“ speichern, ist das meist ein Kinderspiel. Solche Kassen dürfen aber nur bis ende 2016 eingesetzt werden.

trainingskellner Die meisten Kassen haben eine trainingsfunktion, damit neue Mitarbeiter üben können. In der praxis melden einige gastronomen aber auch im Alltagsgeschäft Kellner als Lernkräfte an, womit deren umsätze nicht gespeichert werden.

schwarze Kasse Manche unternehmer tippen nicht jeden umsatz ein oder arbeiten mit einer zweiten „Schwarzkasse“, die nicht offiziell angemeldet ist. Solche Zweit-kassen werden deutlich riskanter, weil ab 2020 unangemeldete Kassenkontrollen möglich sind.

Zapper Mit uSB-Sticks, auf denen eine spezielle Software gespeichert ist („Zapper“), können Selbstständige ihren umsatz nachträglich um einen bestimmten prozentsatz senken. Die Software vernichte die alten Daten und programmiere die Datenbank neu, versprechen Anbieter. Diese Methode erfreut sich seit einigen Jahren wachsender Beliebtheit, allerdings haben die It-experten des fiskus bei Kassen-prüfungen zuletzt wiederholt Spuren alter Daten entdeckt, die eigentlich vollständig gelöscht sein sollten.

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ter des Unternehmens gebilligt haben“, so die Staatsanwaltschaft.

Wie Steuerfahnder berichten, ist das ein klassischer Fall: Vertriebsmitarbeiter der Anbieter von Kassensystemen brin-gen zur Installation der Kasse einen Zap-per mit – offiziell ohne Wissen ihres Ar-beitgebers, de facto aber mit dessen Billigung. „Viele Kunden verlangen Kas-sen, die sie manipulieren können“, be-richtet ein Marktkenner. „Jahrelang war es deshalb Usus, dass Mitarbeiter unter der Hand Zapper lieferten.“

Wenn Betriebsprüfer einen Unter-nehmer überführen, kommt es oft zu ei-nem Dominoeffekt. Um das Strafmaß zu senken, gibt der Betroffene den Namen des Zapper-Verkäufers preis – und der wiederum gibt die anderen preis, denen er die Schummel-Software verkauft hat. „In der Regel kooperieren die Beschuldig-ten in vollem Umfang und nennen zahl-reiche Namen“, sagt ein Steuerfahnder.

Im Baden-Württemberg-Fall ist das offenbar bereits geschehen: Bei den je-weils „örtlich zuständigen Strafverfol-gungsbehörden“ liefen bereits Ermittlun-gen gegen „einzelne Händler“, die die Zapper eingesetzt hä[email protected]

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themenseite betriebsprüfung Weitere Informationen zu elektronischen Kassen finden Sie auf der themenseite Betriebsprüfung: www.handwerk-magazin.de/betriebspruefung

card mit spezieller Verschlüsselungstech-nik dafür, dass jeder Einzelumsatz fäl-schungssicher registriert wird.

Eine Alternative sind Kassen, die Da-ten automatisch an einen externen Spei-cherplatz („Cloud“) übertragen und den Zeitpunkt der Übertragung und etwaige weitere Veränderung protokollieren. „Wer solche Systeme auswählt, dürfte auf der sicheren Seite sein“, sagt Lenk von ETL. „Um die zukünftigen Anforderun-gen zu erfüllen, reicht dann höchstwahr-scheinlich ein Software-Update.“

Zudem kommen Billigkassen infra-ge, die zwar die ab 2017 geltenden Anfor-derungen erfüllen, aber darüber hinaus nur die nötigsten Funktionen bieten. „Solche Kassen gibt es für 400 bis 600 Euro“, berichtet Liebers von Kalicom.  „Wenn man sie in sechs Jahren ersetzen muss, ist das zu verschmerzen.“ Auf diese Variante würden derzeit viele Floristen setzen, weil sie sich schlicht keine Inves-tition im mittleren vierstelligen Bereich leisten können.

Andere Unternehmer nutzen eine Lücke im Gesetz und schaffen eine „offe-ne Ladenkasse“ – also eine Geldschublade – an. Laut der Umfrage der IHK Nieder-sachsen setzen immerhin 2,6 Prozent der Betriebe auf diese Lösung und profitieren davon, dass das neue Gesetz keine „Regis-trierkassenpflicht“ vorsieht.

Offene Kassen, für die die neuen Vor-schriften mangels digitaler Datenspeiche-rung logischerweise nicht gelten, bleiben also auch über 2020 hinaus erlaubt. Lenk von ETL warnt jedoch vor der vermeint-lich einfachsten Lösung: „Moderne Kas-sen reduzieren den bürokratischen Auf-wand und bieten Zusatzfunktionen, die die Steuerung eines Unternehmens deut-lich erleichtern.“

aChtung, Kassen-KontroLLen!Hinzu kommt: Betriebsprüfer werden in solchen Fällen besonders genau prüfen, ob das Kassenbuch stimmt (siehe Kasten oben). Und von 2020 an können sie dies jederzeit machen: Das Gesetz sieht unan-gekündigte Kassen-Kontrollen („Kassen-Nachschau“) durch die Finanzämter vor. Und wenn die Beamten Unregelmäßig-keiten entdecken, können sie umgehend eine Betriebsprüfung einleiten.

„Zudem dürfen sie ab 2020 Bußgel-der von bis zu 25.000 Euro verhängen,

wenn eine Kasse nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht“, sagt Lenk.

Wer jetzt meint, er könnte noch vier Jahre weiter tricksen, sollte aber gewarnt sein. Die Luft für Manipulateure ist längst dünner geworden, weil der Fiskus einen Weg gefunden hat, viele von ihnen auf einen Schlag zu überführen. Wie das funktioniert, zeigt ein Fall aus Baden-Württemberg: Im Juni beantragte die Staatsanwaltschaft Mannheim „Unter-nehmensgeldbußen“ von 850.000 bzw. 150.000 Euro gegen zwei Softwareunter-nehmen. Der Vorwurf: Sie haben Kassen-systeme vertrieben, die mithilfe einer Schummelsoftware manipuliert werden konnten. Die sogenannten „Zapper“-Pro-gramme – meist auf einem USB-Stick ge-speichert, der an die Kasse angeschlossen wird, hatte das Unternehmen zwar nicht selbst verkauft, aber: „Die Verantwortli-chen der Software-Unternehmen sollen zumindest das Bereitstellen dieser spezi-ellen Programmfunktion durch Mitarbei-

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Bloß kein excel verwenden

Was bei der Dokumentation und archivierung von bareinnahmen im unternehmen zu

beachten ist. und in welchen fällen betriebs-prüfer auch mal ein auge zudrücken.

geld-schubladen Offene Ladenkassen bleiben auch in Zukunft erlaubt. Allerdings müssen unternehmer dann ein gesonder-tes Kassenbuch führen, in dem sie Bareinnahmen, -ausgaben sowie privateinlagen und -entnahmen notieren. Kassenberichte in form von programmen wie excel akzeptieren Betriebsprüfer nicht, weil die Daten manipuliert werden können. Bareinnahmen und -ausgaben müssen täglich aufgezeichnet werden. In einigen fällen drücken Betriebsprüfer aber ein Auge zu – zum Beispiel, wenn unternehmer wegen einer nachtschicht erst am nächsten tag dazu kommen. Von 2020 an sollen diese Ausnahmen aber wegfallen.

moderne Kassen registrier- und pc-Kassen – de facto computer mit Kas-senfunktion – haben den Vorteil, dass sie einnahmen automatisch aufzeichnen. Diese müssen zudem für zehn Jahre digital gespeichert werden – und zwar „in maschinell auswertbarer form“. Bei Betriebsprüfungen müssen unternehmer in der regel zahlreiche weitere unterlagen vorlegen – zum Beispiel die „Stammdaten der grundprogrammie-rung“ sowie Änderungsprotokolle, wenn die Kasse umprogrammiert wurde. Die meisten Steuerberater haben checklisten für die verschiedenen Kassensys-teme. Dort wird detailliert aufgelistet, was jeweils aufzubewahren ist.

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beträgt nach Schätzungen der jährliche Schaden für den fiskus durch Kassenbetrug.