Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg...

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Prof. Dr. -Ing. Dr. phil. Frank Müller-Römer Hamburg, 25.09.2016 Ägyptologe. Die Mathematik im alten Ägypten Einführung Gleichzeitig mit der Hieroglyphenschrift entwickelten sich im Alten Ägypten im ausgehenden vierten Jahrtausend v.Chr. auch die ersten Zahlenzeichen und die Mathematik. Mit dem Entstehen des Zentralstaates musste das Festhalten von Vorgängen in Verwaltung und Wirtschaft durch Auf- zeichnungen sichergestellt werden. Das Festlegen von Abgaben und Steuern sowie das Führen von entsprechenden Listen erforderte das Beherrschen entsprechender Rechenleistungen. So besaßen die Ägypter mathematische Kenntnisse und Methoden zur Bewältigung tagtäglicher Anforderun- gen, welche die quantitativen Verhältnisse und räumlichen Beziehungen in der objektiven Realität betrafen. So sind zugleich mit den ersten Belegen für die Benutzung der Hieroglyphenschrift auch die ersten Zahlenzeichen nachweisbar. Die Planung und Errichtung der Pyramiden im alten Reich wären ohne mathematische Kenntnisse nicht möglich gewesen. Das Zahlensystem Für die ganzzahligen Zahlenwerte 1, 10, 100. 1000, 10.000, 100.000 und 1.000.000 gab es jeweils ein Zeichen. Eine Ziffer „0“ wurde für die Darstellung beliebiger Zahlenwerte nicht benötigt. Den- noch musste immer wieder ein „Nichtvorhandensein“ von Dingen ausgedrückt werden. 1 Bild 1 Hieroglyphische Zahlzeichen Einzelne Summen bzw. Zahlenwerte wurden in rein additiver Weise geschrieben: z. B.: 423 Ò Ò Ò Ò Ù Ù ò ò ò Die Zahlenzeichen kennzeichnen das ägyptische Zahlensystem als voll ausgebildetes Dezimalsys- tem – allerdings ohne eine Positionswertbeschreibung und ohne den Wert 0. Das ägyptische Zah- lensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen, aber das Fehlen des Positionssystems führte zu einer schwerfälligen Rechentechnik – insbesondere mit Brüchen. Im Gegensatz zu den nach einem dezimalen System aufgebauten Zahlen werden diese immer als Brüche ausgeführt. So wird beispielsweise der Bruch immer in dieser Form geschrieben und nicht in dezimaler Schreib- weise als 0,2 ausgedrückt. 1 Hoffman, F. Planeten, Hausrat und Orakel – Ägyptologisches zur Null, http://www.collegium-aegyptium.de/Thots-6.pdf.

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Page 1: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

Prof Dr -Ing Dr phil Frank Muumlller-Roumlmer Hamburg 25092016

Aumlgyptologe

Die Mathematik im alten Aumlgypten Einfuumlhrung Gleichzeitig mit der Hieroglyphenschrift entwickelten sich im Alten Aumlgypten im ausgehenden vierten Jahrtausend vChr auch die ersten Zahlenzeichen und die Mathematik Mit dem Entstehen des Zentralstaates musste das Festhalten von Vorgaumlngen in Verwaltung und Wirtschaft durch Auf-zeichnungen sichergestellt werden Das Festlegen von Abgaben und Steuern sowie das Fuumlhren von entsprechenden Listen erforderte das Beherrschen entsprechender Rechenleistungen So besaszligen die Aumlgypter mathematische Kenntnisse und Methoden zur Bewaumlltigung tagtaumlglicher Anforderun-gen welche die quantitativen Verhaumlltnisse und raumlumlichen Beziehungen in der objektiven Realitaumlt betrafen So sind zugleich mit den ersten Belegen fuumlr die Benutzung der Hieroglyphenschrift auch die ersten Zahlenzeichen nachweisbar Die Planung und Errichtung der Pyramiden im alten Reich waumlren ohne mathematische Kenntnisse nicht moumlglich gewesen Das Zahlensystem Fuumlr die ganzzahligen Zahlenwerte 1 10 100 1000 10000 100000 und 1000000 gab es jeweils ein Zeichen Eine Ziffer bdquo0ldquo wurde fuumlr die Darstellung beliebiger Zahlenwerte nicht benoumltigt Den-noch musste immer wieder ein bdquoNichtvorhandenseinldquo von Dingen ausgedruumlckt werden1

Bild 1 Hieroglyphische Zahlzeichen

Einzelne Summen bzw Zahlenwerte wurden in rein additiver Weise geschrieben

z B 423 Ograve Ograve Ograve Ograve Ugrave Ugrave ograve ograve ograve

Die Zahlenzeichen kennzeichnen das aumlgyptische Zahlensystem als voll ausgebildetes Dezimalsys-tem ndash allerdings ohne eine Positionswertbeschreibung und ohne den Wert 0 Das aumlgyptische Zah-lensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Im Gegensatz zu den nach einem dezimalen System aufgebauten Zahlen werden diese immer als Bruumlche ausgefuumlhrt So

wird beispielsweise der Bruch

immer in dieser Form geschrieben und nicht in dezimaler Schreib-

weise als 02 ausgedruumlckt

1 Hoffman F Planeten Hausrat und Orakel ndash Aumlgyptologisches zur Null httpwwwcollegium-aegyptiumdeThots-6pdf

2

Ein Bruch wurde durch das Voranstellen der Hieroglyphe = der Buchstabe r gebildet Fol-gende Darstellung zeigt dies beispielhaft

Allerdings gelten fuumlr verschiedene Bruumlche andere Darstellungsformen oft als Individualbezeich-nungen bezeichnet

ucirc Zeichen gs (Seite Haumllfte) und

divide Zeichen x auch als Determinativ fuumlr bdquoZerbrechenldquo verwendet

Weiterhin gibt es noch drei gesonderte Zeichen fuumlr die Bruumlche

und

Die Zeichen fuumlr

und

kamen sehr bald auszliger Gebrauch und wurden durch

=

ograve

fuumlr

und mit ucirc divide dh

+

fuumlr

abgeloumlst

Auszliger der der Moumlglichkeit einen Bruch mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken gab es bei Rohstoffen wie Getreide Erz oauml noch die Moumlglichkeit Bruchteile des Volumenmaszliges hekat ( 48 Liter ) durch ver-

schiedene Teile des Horusauges zu schreiben Die Werte lauten

bis

Zusammen ergeben diese

Werte allerdings nur

Bei den Bruumlchen handelt es sich um eine geometrische Reihe mit dem Quo-

tienten

Bild 2 Horusauge

3

Auf die aumlgyptischen Maszlige und Gewichte wird in diesem Beitrag nicht naumlher eingegangen Die Quellen mathematischer Aufgabenstellungen Im Gegensatz zu Funden derselben Zeitepoche aus Mesopotamien sind aus Aumlgypten aus dem Alten Reich nur wenige mathematische Berechnungen belegt So ist in einer Inschrift im Grab des Met-jen in Saqqara aus dem Uumlbergang von der 3 zur 4 Dynastie die Berechnung der Flaumlche eines Rechtecks uumlberliefert2

Tabelle 1

Unserer Kenntnis der altaumlgyptischen Mathematik liegen hauptsaumlchlich zwei laumlngere Texte zugrunde Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen Museum liegende Papyrus Rhind (BM 10057-8) ndash genannt nach seinem urspruumlnglichen Besitzer der ihn 1858 in Aumlgypten kaufte nachdem er wahrscheinlich bei einer Raubgrabung im Bereich des Rameseums eines Tempel Ramses II in Theben ndash West gefunden wurde Angefertigt wurde das Papyrus um 1650 v Chr von dem Schreiber Ahmes Dieser hatte einen etwa 200 Jahre aumllteren Text kopiert Hinzu kommen kleinere Textfragmente in Berlin (pBerlin 6619) Kairo (CG 25367-8) und die mathematische Lederrolle (BM 10250) sowie das pAnastasi I (BM 12247) - ebenfalls im Britischen Museum

Der pRhind hat eine Laumlnge von etwa 55 m und eine Houmlhe von 32 cm Er beinhaltet 87 Rechenbei-spiele sowie eine Tabelle und uumlbertrifft damit den pMoskau mit etwas mehr als 25 Rechenaufgaben bei weitem Diese Texte sind der Zeit des Mittleren Reiches (2100 ndash 1800 vChr) zuzuordnen Sie sind in hieratischer Schrift geschrieben

2 Lexikon der Aumlgyptologie Band IV S118ff

4

Bild 3 pRhind Die Papyri aus dem spaumlten Mittleren Reich beinhalten auch Aufgabenstellungen aus Rechenauf-gaben des Alten Reichs Da sehr viel an Unterlagen in der Ersten Zwischenzeit verloren ging ist davon auszugehen dass die genannten mathematischen und geometrischen Kenntnisse schon im Alten Reich zumindest in den Grundzuumlgen bekannt waren Nach der Reichseinigung etwa bis zur dritten Dynastie wurden aufgrund der Anforderungen seitens der Staatsverwaltung die fuumlr die aumlgyptische Mathematik erforderlichen Entdeckungen gemacht Die entsprechenden Rechenver-fahren bildeten sich heraus Spaumlter erfolgten nur noch Verfeinerungen Die regelmaumlszligig wiederkehrenden Uumlberschwemmungen des Fruchtlandes im Niltal erforderten aus-gedehnte Landvermessungen und groszligartige Wasserbauten Dazu sind mathematische Kenntnisse unerlaumlsslich auch wenn uns heute daruumlber keine urkundlichen Nachweise vorliegen Grundrechenarten Addition und Subtraktion werden durch einfaches Abzaumlhlen der Werte der Zahlzeichen vorgenom-men Die Multiplikation wird als Addition einzelner und verdoppelter Werte des zweiten Faktors durch-gefuumlhrt Die entsprechenden Werte fuumlr das Bilden der Ergebnissumme (hier fuumlr 4 und 8) werden mit einem Merkstrich versehen und dann addiert Ihre Summe (48 + 96 = 144) bildet das Ergebnis 12 bull 12 1 12 2 24 4 48 8 96 zusammen 144 Dieses Verfahren wird ggf durch Einsatz einer Verzehnfachung abgekuumlrzt Dies wird aus der Auf-gabe 69 des pRhind deutlich bdquoMultipliziere die Zahl 14 mit der Zahl 80ldquo3 Fuumlr die Loumlsung der Aufgabe werden die Zahlenwerte fuumlr 10 mal 80 und 4 mal 80 (nach der Ver-dopplung der Werte 1 mal 80 und 2 mal 80) mit einem Merkstrich versehenen und anschlieszligend wie folgt addiert 1 80 10 800 2 160 4 320 Summe 1120

3 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S114

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Das Verfahren fuumlr die Multiplikation wird immer nur additiv und nie Subtraktiv verwendet Eine Multiplikation mit der Zahl 9 wird stets durch 2 rarr 4 rarr 8 + 1 und nie durch 10 ndash 1 ausgefuumlhrt Waumlhrend beim Multiplizieren nur eine einzige Methode naumlmlich die der schrittweisen Verdop-pelns Anwendung findet existieren fuumlr die Division zwei getrennte Verfahren

Die bdquo

Reiheldquo (

usw) und die bdquo

Reiheldquo (

u s w)

Die Division erfolgt jeweils durch Halbierung

Beispielhaft fuumlr das Verfahren mit der bdquofrac12 Reiheldquo ist die weiter unten geschilderte Aufgabe des pRhind zur Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung

Mathematische und inhaltliche Aufgabenstellungen

Eine Analyse der in den Papyri enthaltenen Aufgaben zeigt dass es nur relativ wenige unterschiedli-che Typen gibt

Berechnung einer unbestimmten Groumlszlige (Unbekannten) x aus einer linearen Gleichung (Hau-fen- oder Mengenaufgaben) In der Literatur werden diese Aufgaben oft als bdquoHau-Rechnun-genldquo bezeichnet Dieser Begriff leitet sich aus dem aumlgyptischen Wort CHC (aha) fuumlr Haufen ab der fuumlr die unbekannte Groumlszlige unser bdquoxldquo steht Derartige Aufgaben befassen sich bei-spielsweise mit der Verteilung von Rationen Hinzu kommt noch die Berechnung von Prob-lemen 2 Grades

Berechnung von Verhaumlltnissen wie Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnun-gen) Psw heiszligt bdquobackenldquo oder bdquokochenldquo Entsprechende Aufgaben bilden den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei geht es um die Verhaumlltnisse der aus einem Scheffel Getreide herstellbaren Brote bzw Kruumlge Bier Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Anteil des Getreides am Brot und Bier

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung

Rechnen mit Bruumlchen ohne konkreten Bezug

Generell gilt dass viele der Rechenaufgaben sich mit konkreten praktischen Anwendungen aus den unterschiedlichen Gebieten der staatlichen Verwaltung befassen

Feldvermessung zur Abschaumltzung der Erntemengen

Fuumlllen der Getreidespeicher

Entnahme von Getreide

Registrieren der unterschiedlichen Produkte und

Ausgabe von Rationen

Im Folgenden soll anhand einiger typischer Rechenaufgaben gezeigt werden wie diese erfolgten

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Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung (Haufen- oder Mengenaufgabe) Aufgaben mit Gleichungen 1 Grades beinhalten im pRhind sogenannte Haufen- oder Mengenauf-gaben bei der nach einer Gesamtmenge gefragt wird von der ein Teil bekannt ist Als Beispiel dafuumlr sei die Aufgabe 24 des pRhind (nach Chase ua 1927) erlaumlutert ldquoEin Haufen und sein 17 zusammen genommen ergeben 19 Wie groszlig ist der Haufenldquo Fuumlr den Loumlsungsweg wird angenommen dass der Haufen das Volumen 7 habe 1 7

1

Das Gesamtvolumen nach Aufgabenstellung betraumlgt dann 8 Die Aufgabe wird wie folgt geloumlst So oft wie der Wert 8 multipliziert werden muss um die Zahl 19 zu ergeben so oft muss dieses Ergebnis anschlieszligend mit 7 multipliziert werden um die ge-wuumlnschte Gesamtmenge des Haufens zu erhalten

1 8 2 16

4

2

1

Summe 1 2 +

+

16+2+1 = 19

Nun erfolgt die Multiplikation der Summe 1 mit der Zahl 7

1 2 +

+

2 4 +

+

4 9 +

Ergebnis 7 16 +

+

= Gesamtmenge des Haufens

Beweis

Die Gesamtmenge des Haufens ist

16 +

+

zuzuumlglich

2 +

+

_________ insgesamt ergibt sich der Wert 19 Bei dieser Berechnung handelt es sich aus heutiger Sicht um ein recht umstaumlndliches ndash allerdings zu einem richtigen Ergebnis fuumlhrenden ndash Verfahren Heute schreiben Schuumller die Gleichung

7

x +

= 19

mit dem Ergebnis dass sich der Wert x als gesuchte Menge des Haufens mit 16625 ergibt was

der Darstellung in Bruumlchen mit 16 +

+

entspricht

Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnungen)

Wie bereits erwaumlhnt bilden die psw ndashRechnungen den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei steht die Frage der Verhaumlltnisse wie viele Brote bzw welche Menge von Bier (An-zahl der Kruumlge) aus einem Scheffel Getreide hergestellt werden koumlnnen Das Maszlig fuumlr die Getreide-menge ist das hekat (48 Liter) Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Getreidegehalt des Brotes bzw des Bieres Er liegt beim Brot zwischen 5 und 45 bei Kuchen erreicht sein Wert 160 Der psw ndash Wert des Bieres liegt zwischen 1 und 6

Im Folgenden soll die Aufgabe 69 des pRhind als Beispiel genannt werden

3

hekat Mehl die zu 80 Broten verarbeitet sind

Du sollst mich den Gehalt von einem davon an Mehl wissen lassen Du sollst mich ihren

psw ndash Wert (also das Backverhaumlltnis) wissen lassen

Rechnung

Der psw ndash Wert ergibt sich aus der Division der Anzahl der Brote mit der Getreide- (Mehl-) menge

80 geteilt durch 3

Das Backverhaumlltnis ist 22

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung Flaumlcheninhalt eines Dreiecks und eines Vierecks Vor der Errichtung des alten und neuen Assuan Staudamms kam es trotz gewisser Uferboumlschungen jedes Jahr im Herbst in der aumlgyptischen Jahreszeit Achat (AXt) zu einer Uumlberflutung des Frucht-landes beidseitig des Nils Grund waren die starken Niederschlaumlge im aumlthiopischen Hochland die den Wasserstand des Nils stark anschwellen lieszligen Nach Ruumlckgang der Flut waren die uumlberflute-ten Gebiete mit einer dicken Schlammschicht uumlberzogen Land- und Feldmarkierungen der einzel-nen Felder waren nicht mehr vorhanden Nach Ruumlckgang der Flut mussten diese neu vermessen werden Neben einem Katasterschreiber als verantwortlichem Beamten waren daran Feldschreiber sowie Stricktraumlger und Strickspanner beteiligt Der fuumlr die Feldvermessung benutzte Strick der durch Knoten als Markierungen in Maszligeinheiten unterteilt war hatte vermutlich eine Laumlnge von 100 Ellen Mittels eines Messstricks mit insgesamt 12 Knoten war so die Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke moumlglich

8

Bild 4 Knotenstrick

Aufgaben mit der Berechnung von Dreiecken und auch Vierecken einschlieszliglich von Trapezen kommen in verschiedenen mathematischen Papyri wie beispielsweise im pRhind und im Demoti-schen Papyri London vor Beispielhaft im Folgenden soll die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines dreieckigen Grundstuumlcks nach pRhind (Aufgabe 51) gezeigt werden Die Aufgabenstellung lautet Wie groszlig ist die Flaumlche eines Dreiecks mit 1000 Ellen bdquomeretldquo (Seite oder Houmlhe) und einer Basis von 400 Ellen Laumlnge Loumlsung Nimm frac12 von 400 das ist 200 um es rechteckig zu machen Multipliziere 1000 mal 200

das ist die Flaumlche

Bild 5 Aufgabe 51 aus dem pRhind

Je nach Form des Dreiecks kommt es wenn anstelle der Houmlhe des Dreiecks mit der Seitenlaumlnge gerechnet wird zu mehr oder weniger groszligen Ungenauigkeiten gegenuumlber der richtigen Flaumlchen So gab es auch reine Approximationsformeln Aus den Tempelinschriften von Edfu ist bekannt dass die Groumlszlige von Feldern (Flaumlche) unter Angabe der vier Seiten a b c und d nach der Formel

middot

= F

berechnet wurde Eine Anzahl der Felder in der Auflistung sind dreieckig Die Angabe der Laumlngen erfolgte dann so bdquoDie westliche Seite ist a die oumlstliche b die suumldliche c die noumlrdliche bdquonichtsldquo Fuumlr die Berechnung wurde dann die Formel

middot

= F

verwendet Diese Naumlherungsrechnungen ermoumlglichten offensichtlich eine in der Praxis ausrei-chende Flaumlchenermittlung

9

Als weiteres Beispiel sei die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines Feldes in Rechteckform nach dem Demotischen mathematischen Papyrus London (Aufgabe 64) angefuumlhrt

Bild 6 Demotischer mathematischer Papyrus London Plate 24

Zwei Seitenlaumlngen des Feldes sind mit der Laumlnge 10 bezeichnet die beiden anderen mit 12 Die Flaumlche berechnet sich nun nach unserem mathematischen Verstaumlndnis ganz einfach 10 mal 12 gleich 120 Das aumlgyptische Rechenverfahren geht jedoch einen anderen Weg (10 + 10)2 mal (12+12)2 Das Ergebnis ist natuumlrlich das gleiche Handelt es sich jedoch um ungleiche Laumlngen eines Rechtecks so werden sofort die Vorteile der aumlgyptischen Rechenmethode sichtbar Aus dem Berliner Papyrus ist uns eine Aufgabe zur Loumlsung von zwei Unbekannten uumlberliefert4

Eine Flaumlche von 100 Quadrat Ellen ist in zwei Quadrate aufzuteilen deren Seiten sich wie

1 zu

verhalten sollen

Der Schreiber nimmt als Rechenansatz die Laumlnge der beiden Quadrate mit 1 und

an Die Ge-

samtflaumlche ermittelt er dann zu 1sup2 + (

)sup2 = 1 +

=

Dann zieht er die Quardratwurzel ndash leider

ohne uns zu veraten nach welcher Regel und erhaumllt den Wert

Nun zieht er die Quadratwurzel

aus der Zahl 100 und teilt diesen Wert durch

Das Ergebnis ist 8 Jetzt multipliziert er die anfangs

willkuumlrlich angenommen Werte 1 und

mit der Zahl 8 und erhaumllt die Laumlngen der beiden Quadrate

mit 8 und 6 Ellen Die beiden Flaumlchen ergeben sich zu 64 und 36 Quadratellen ndash insgesamt 100 Flaumlcheninhalt des Kreises Eine sehr gute Naumlherungsformel zur Berechnung des Kreisinhalts ergibt sich aus Aufgaben der pRind und pMoskau So wird in Aufgabe 50 des pRhind die Frage nach der Berechnung der Flaumlche eines runden Feldes mit dem Durchmesser 9 gestellt Was ist ihr Betrag als

Flaumlche

Die Antwort lautet

Dann subtrahierst du sein

als 1 indem der Rest 8 ist Dann multiplizierst du 8 mit 8 Dann

resultiert 64 Sein Betrag als Flaumlche ist 64 4 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S183

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

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bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 2: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

2

Ein Bruch wurde durch das Voranstellen der Hieroglyphe = der Buchstabe r gebildet Fol-gende Darstellung zeigt dies beispielhaft

Allerdings gelten fuumlr verschiedene Bruumlche andere Darstellungsformen oft als Individualbezeich-nungen bezeichnet

ucirc Zeichen gs (Seite Haumllfte) und

divide Zeichen x auch als Determinativ fuumlr bdquoZerbrechenldquo verwendet

Weiterhin gibt es noch drei gesonderte Zeichen fuumlr die Bruumlche

und

Die Zeichen fuumlr

und

kamen sehr bald auszliger Gebrauch und wurden durch

=

ograve

fuumlr

und mit ucirc divide dh

+

fuumlr

abgeloumlst

Auszliger der der Moumlglichkeit einen Bruch mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken gab es bei Rohstoffen wie Getreide Erz oauml noch die Moumlglichkeit Bruchteile des Volumenmaszliges hekat ( 48 Liter ) durch ver-

schiedene Teile des Horusauges zu schreiben Die Werte lauten

bis

Zusammen ergeben diese

Werte allerdings nur

Bei den Bruumlchen handelt es sich um eine geometrische Reihe mit dem Quo-

tienten

Bild 2 Horusauge

3

Auf die aumlgyptischen Maszlige und Gewichte wird in diesem Beitrag nicht naumlher eingegangen Die Quellen mathematischer Aufgabenstellungen Im Gegensatz zu Funden derselben Zeitepoche aus Mesopotamien sind aus Aumlgypten aus dem Alten Reich nur wenige mathematische Berechnungen belegt So ist in einer Inschrift im Grab des Met-jen in Saqqara aus dem Uumlbergang von der 3 zur 4 Dynastie die Berechnung der Flaumlche eines Rechtecks uumlberliefert2

Tabelle 1

Unserer Kenntnis der altaumlgyptischen Mathematik liegen hauptsaumlchlich zwei laumlngere Texte zugrunde Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen Museum liegende Papyrus Rhind (BM 10057-8) ndash genannt nach seinem urspruumlnglichen Besitzer der ihn 1858 in Aumlgypten kaufte nachdem er wahrscheinlich bei einer Raubgrabung im Bereich des Rameseums eines Tempel Ramses II in Theben ndash West gefunden wurde Angefertigt wurde das Papyrus um 1650 v Chr von dem Schreiber Ahmes Dieser hatte einen etwa 200 Jahre aumllteren Text kopiert Hinzu kommen kleinere Textfragmente in Berlin (pBerlin 6619) Kairo (CG 25367-8) und die mathematische Lederrolle (BM 10250) sowie das pAnastasi I (BM 12247) - ebenfalls im Britischen Museum

Der pRhind hat eine Laumlnge von etwa 55 m und eine Houmlhe von 32 cm Er beinhaltet 87 Rechenbei-spiele sowie eine Tabelle und uumlbertrifft damit den pMoskau mit etwas mehr als 25 Rechenaufgaben bei weitem Diese Texte sind der Zeit des Mittleren Reiches (2100 ndash 1800 vChr) zuzuordnen Sie sind in hieratischer Schrift geschrieben

2 Lexikon der Aumlgyptologie Band IV S118ff

4

Bild 3 pRhind Die Papyri aus dem spaumlten Mittleren Reich beinhalten auch Aufgabenstellungen aus Rechenauf-gaben des Alten Reichs Da sehr viel an Unterlagen in der Ersten Zwischenzeit verloren ging ist davon auszugehen dass die genannten mathematischen und geometrischen Kenntnisse schon im Alten Reich zumindest in den Grundzuumlgen bekannt waren Nach der Reichseinigung etwa bis zur dritten Dynastie wurden aufgrund der Anforderungen seitens der Staatsverwaltung die fuumlr die aumlgyptische Mathematik erforderlichen Entdeckungen gemacht Die entsprechenden Rechenver-fahren bildeten sich heraus Spaumlter erfolgten nur noch Verfeinerungen Die regelmaumlszligig wiederkehrenden Uumlberschwemmungen des Fruchtlandes im Niltal erforderten aus-gedehnte Landvermessungen und groszligartige Wasserbauten Dazu sind mathematische Kenntnisse unerlaumlsslich auch wenn uns heute daruumlber keine urkundlichen Nachweise vorliegen Grundrechenarten Addition und Subtraktion werden durch einfaches Abzaumlhlen der Werte der Zahlzeichen vorgenom-men Die Multiplikation wird als Addition einzelner und verdoppelter Werte des zweiten Faktors durch-gefuumlhrt Die entsprechenden Werte fuumlr das Bilden der Ergebnissumme (hier fuumlr 4 und 8) werden mit einem Merkstrich versehen und dann addiert Ihre Summe (48 + 96 = 144) bildet das Ergebnis 12 bull 12 1 12 2 24 4 48 8 96 zusammen 144 Dieses Verfahren wird ggf durch Einsatz einer Verzehnfachung abgekuumlrzt Dies wird aus der Auf-gabe 69 des pRhind deutlich bdquoMultipliziere die Zahl 14 mit der Zahl 80ldquo3 Fuumlr die Loumlsung der Aufgabe werden die Zahlenwerte fuumlr 10 mal 80 und 4 mal 80 (nach der Ver-dopplung der Werte 1 mal 80 und 2 mal 80) mit einem Merkstrich versehenen und anschlieszligend wie folgt addiert 1 80 10 800 2 160 4 320 Summe 1120

3 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S114

5

Das Verfahren fuumlr die Multiplikation wird immer nur additiv und nie Subtraktiv verwendet Eine Multiplikation mit der Zahl 9 wird stets durch 2 rarr 4 rarr 8 + 1 und nie durch 10 ndash 1 ausgefuumlhrt Waumlhrend beim Multiplizieren nur eine einzige Methode naumlmlich die der schrittweisen Verdop-pelns Anwendung findet existieren fuumlr die Division zwei getrennte Verfahren

Die bdquo

Reiheldquo (

usw) und die bdquo

Reiheldquo (

u s w)

Die Division erfolgt jeweils durch Halbierung

Beispielhaft fuumlr das Verfahren mit der bdquofrac12 Reiheldquo ist die weiter unten geschilderte Aufgabe des pRhind zur Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung

Mathematische und inhaltliche Aufgabenstellungen

Eine Analyse der in den Papyri enthaltenen Aufgaben zeigt dass es nur relativ wenige unterschiedli-che Typen gibt

Berechnung einer unbestimmten Groumlszlige (Unbekannten) x aus einer linearen Gleichung (Hau-fen- oder Mengenaufgaben) In der Literatur werden diese Aufgaben oft als bdquoHau-Rechnun-genldquo bezeichnet Dieser Begriff leitet sich aus dem aumlgyptischen Wort CHC (aha) fuumlr Haufen ab der fuumlr die unbekannte Groumlszlige unser bdquoxldquo steht Derartige Aufgaben befassen sich bei-spielsweise mit der Verteilung von Rationen Hinzu kommt noch die Berechnung von Prob-lemen 2 Grades

Berechnung von Verhaumlltnissen wie Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnun-gen) Psw heiszligt bdquobackenldquo oder bdquokochenldquo Entsprechende Aufgaben bilden den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei geht es um die Verhaumlltnisse der aus einem Scheffel Getreide herstellbaren Brote bzw Kruumlge Bier Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Anteil des Getreides am Brot und Bier

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung

Rechnen mit Bruumlchen ohne konkreten Bezug

Generell gilt dass viele der Rechenaufgaben sich mit konkreten praktischen Anwendungen aus den unterschiedlichen Gebieten der staatlichen Verwaltung befassen

Feldvermessung zur Abschaumltzung der Erntemengen

Fuumlllen der Getreidespeicher

Entnahme von Getreide

Registrieren der unterschiedlichen Produkte und

Ausgabe von Rationen

Im Folgenden soll anhand einiger typischer Rechenaufgaben gezeigt werden wie diese erfolgten

6

Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung (Haufen- oder Mengenaufgabe) Aufgaben mit Gleichungen 1 Grades beinhalten im pRhind sogenannte Haufen- oder Mengenauf-gaben bei der nach einer Gesamtmenge gefragt wird von der ein Teil bekannt ist Als Beispiel dafuumlr sei die Aufgabe 24 des pRhind (nach Chase ua 1927) erlaumlutert ldquoEin Haufen und sein 17 zusammen genommen ergeben 19 Wie groszlig ist der Haufenldquo Fuumlr den Loumlsungsweg wird angenommen dass der Haufen das Volumen 7 habe 1 7

1

Das Gesamtvolumen nach Aufgabenstellung betraumlgt dann 8 Die Aufgabe wird wie folgt geloumlst So oft wie der Wert 8 multipliziert werden muss um die Zahl 19 zu ergeben so oft muss dieses Ergebnis anschlieszligend mit 7 multipliziert werden um die ge-wuumlnschte Gesamtmenge des Haufens zu erhalten

1 8 2 16

4

2

1

Summe 1 2 +

+

16+2+1 = 19

Nun erfolgt die Multiplikation der Summe 1 mit der Zahl 7

1 2 +

+

2 4 +

+

4 9 +

Ergebnis 7 16 +

+

= Gesamtmenge des Haufens

Beweis

Die Gesamtmenge des Haufens ist

16 +

+

zuzuumlglich

2 +

+

_________ insgesamt ergibt sich der Wert 19 Bei dieser Berechnung handelt es sich aus heutiger Sicht um ein recht umstaumlndliches ndash allerdings zu einem richtigen Ergebnis fuumlhrenden ndash Verfahren Heute schreiben Schuumller die Gleichung

7

x +

= 19

mit dem Ergebnis dass sich der Wert x als gesuchte Menge des Haufens mit 16625 ergibt was

der Darstellung in Bruumlchen mit 16 +

+

entspricht

Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnungen)

Wie bereits erwaumlhnt bilden die psw ndashRechnungen den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei steht die Frage der Verhaumlltnisse wie viele Brote bzw welche Menge von Bier (An-zahl der Kruumlge) aus einem Scheffel Getreide hergestellt werden koumlnnen Das Maszlig fuumlr die Getreide-menge ist das hekat (48 Liter) Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Getreidegehalt des Brotes bzw des Bieres Er liegt beim Brot zwischen 5 und 45 bei Kuchen erreicht sein Wert 160 Der psw ndash Wert des Bieres liegt zwischen 1 und 6

Im Folgenden soll die Aufgabe 69 des pRhind als Beispiel genannt werden

3

hekat Mehl die zu 80 Broten verarbeitet sind

Du sollst mich den Gehalt von einem davon an Mehl wissen lassen Du sollst mich ihren

psw ndash Wert (also das Backverhaumlltnis) wissen lassen

Rechnung

Der psw ndash Wert ergibt sich aus der Division der Anzahl der Brote mit der Getreide- (Mehl-) menge

80 geteilt durch 3

Das Backverhaumlltnis ist 22

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung Flaumlcheninhalt eines Dreiecks und eines Vierecks Vor der Errichtung des alten und neuen Assuan Staudamms kam es trotz gewisser Uferboumlschungen jedes Jahr im Herbst in der aumlgyptischen Jahreszeit Achat (AXt) zu einer Uumlberflutung des Frucht-landes beidseitig des Nils Grund waren die starken Niederschlaumlge im aumlthiopischen Hochland die den Wasserstand des Nils stark anschwellen lieszligen Nach Ruumlckgang der Flut waren die uumlberflute-ten Gebiete mit einer dicken Schlammschicht uumlberzogen Land- und Feldmarkierungen der einzel-nen Felder waren nicht mehr vorhanden Nach Ruumlckgang der Flut mussten diese neu vermessen werden Neben einem Katasterschreiber als verantwortlichem Beamten waren daran Feldschreiber sowie Stricktraumlger und Strickspanner beteiligt Der fuumlr die Feldvermessung benutzte Strick der durch Knoten als Markierungen in Maszligeinheiten unterteilt war hatte vermutlich eine Laumlnge von 100 Ellen Mittels eines Messstricks mit insgesamt 12 Knoten war so die Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke moumlglich

8

Bild 4 Knotenstrick

Aufgaben mit der Berechnung von Dreiecken und auch Vierecken einschlieszliglich von Trapezen kommen in verschiedenen mathematischen Papyri wie beispielsweise im pRhind und im Demoti-schen Papyri London vor Beispielhaft im Folgenden soll die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines dreieckigen Grundstuumlcks nach pRhind (Aufgabe 51) gezeigt werden Die Aufgabenstellung lautet Wie groszlig ist die Flaumlche eines Dreiecks mit 1000 Ellen bdquomeretldquo (Seite oder Houmlhe) und einer Basis von 400 Ellen Laumlnge Loumlsung Nimm frac12 von 400 das ist 200 um es rechteckig zu machen Multipliziere 1000 mal 200

das ist die Flaumlche

Bild 5 Aufgabe 51 aus dem pRhind

Je nach Form des Dreiecks kommt es wenn anstelle der Houmlhe des Dreiecks mit der Seitenlaumlnge gerechnet wird zu mehr oder weniger groszligen Ungenauigkeiten gegenuumlber der richtigen Flaumlchen So gab es auch reine Approximationsformeln Aus den Tempelinschriften von Edfu ist bekannt dass die Groumlszlige von Feldern (Flaumlche) unter Angabe der vier Seiten a b c und d nach der Formel

middot

= F

berechnet wurde Eine Anzahl der Felder in der Auflistung sind dreieckig Die Angabe der Laumlngen erfolgte dann so bdquoDie westliche Seite ist a die oumlstliche b die suumldliche c die noumlrdliche bdquonichtsldquo Fuumlr die Berechnung wurde dann die Formel

middot

= F

verwendet Diese Naumlherungsrechnungen ermoumlglichten offensichtlich eine in der Praxis ausrei-chende Flaumlchenermittlung

9

Als weiteres Beispiel sei die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines Feldes in Rechteckform nach dem Demotischen mathematischen Papyrus London (Aufgabe 64) angefuumlhrt

Bild 6 Demotischer mathematischer Papyrus London Plate 24

Zwei Seitenlaumlngen des Feldes sind mit der Laumlnge 10 bezeichnet die beiden anderen mit 12 Die Flaumlche berechnet sich nun nach unserem mathematischen Verstaumlndnis ganz einfach 10 mal 12 gleich 120 Das aumlgyptische Rechenverfahren geht jedoch einen anderen Weg (10 + 10)2 mal (12+12)2 Das Ergebnis ist natuumlrlich das gleiche Handelt es sich jedoch um ungleiche Laumlngen eines Rechtecks so werden sofort die Vorteile der aumlgyptischen Rechenmethode sichtbar Aus dem Berliner Papyrus ist uns eine Aufgabe zur Loumlsung von zwei Unbekannten uumlberliefert4

Eine Flaumlche von 100 Quadrat Ellen ist in zwei Quadrate aufzuteilen deren Seiten sich wie

1 zu

verhalten sollen

Der Schreiber nimmt als Rechenansatz die Laumlnge der beiden Quadrate mit 1 und

an Die Ge-

samtflaumlche ermittelt er dann zu 1sup2 + (

)sup2 = 1 +

=

Dann zieht er die Quardratwurzel ndash leider

ohne uns zu veraten nach welcher Regel und erhaumllt den Wert

Nun zieht er die Quadratwurzel

aus der Zahl 100 und teilt diesen Wert durch

Das Ergebnis ist 8 Jetzt multipliziert er die anfangs

willkuumlrlich angenommen Werte 1 und

mit der Zahl 8 und erhaumllt die Laumlngen der beiden Quadrate

mit 8 und 6 Ellen Die beiden Flaumlchen ergeben sich zu 64 und 36 Quadratellen ndash insgesamt 100 Flaumlcheninhalt des Kreises Eine sehr gute Naumlherungsformel zur Berechnung des Kreisinhalts ergibt sich aus Aufgaben der pRind und pMoskau So wird in Aufgabe 50 des pRhind die Frage nach der Berechnung der Flaumlche eines runden Feldes mit dem Durchmesser 9 gestellt Was ist ihr Betrag als

Flaumlche

Die Antwort lautet

Dann subtrahierst du sein

als 1 indem der Rest 8 ist Dann multiplizierst du 8 mit 8 Dann

resultiert 64 Sein Betrag als Flaumlche ist 64 4 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S183

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 3: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

3

Auf die aumlgyptischen Maszlige und Gewichte wird in diesem Beitrag nicht naumlher eingegangen Die Quellen mathematischer Aufgabenstellungen Im Gegensatz zu Funden derselben Zeitepoche aus Mesopotamien sind aus Aumlgypten aus dem Alten Reich nur wenige mathematische Berechnungen belegt So ist in einer Inschrift im Grab des Met-jen in Saqqara aus dem Uumlbergang von der 3 zur 4 Dynastie die Berechnung der Flaumlche eines Rechtecks uumlberliefert2

Tabelle 1

Unserer Kenntnis der altaumlgyptischen Mathematik liegen hauptsaumlchlich zwei laumlngere Texte zugrunde Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen Museum liegende Papyrus Rhind (BM 10057-8) ndash genannt nach seinem urspruumlnglichen Besitzer der ihn 1858 in Aumlgypten kaufte nachdem er wahrscheinlich bei einer Raubgrabung im Bereich des Rameseums eines Tempel Ramses II in Theben ndash West gefunden wurde Angefertigt wurde das Papyrus um 1650 v Chr von dem Schreiber Ahmes Dieser hatte einen etwa 200 Jahre aumllteren Text kopiert Hinzu kommen kleinere Textfragmente in Berlin (pBerlin 6619) Kairo (CG 25367-8) und die mathematische Lederrolle (BM 10250) sowie das pAnastasi I (BM 12247) - ebenfalls im Britischen Museum

Der pRhind hat eine Laumlnge von etwa 55 m und eine Houmlhe von 32 cm Er beinhaltet 87 Rechenbei-spiele sowie eine Tabelle und uumlbertrifft damit den pMoskau mit etwas mehr als 25 Rechenaufgaben bei weitem Diese Texte sind der Zeit des Mittleren Reiches (2100 ndash 1800 vChr) zuzuordnen Sie sind in hieratischer Schrift geschrieben

2 Lexikon der Aumlgyptologie Band IV S118ff

4

Bild 3 pRhind Die Papyri aus dem spaumlten Mittleren Reich beinhalten auch Aufgabenstellungen aus Rechenauf-gaben des Alten Reichs Da sehr viel an Unterlagen in der Ersten Zwischenzeit verloren ging ist davon auszugehen dass die genannten mathematischen und geometrischen Kenntnisse schon im Alten Reich zumindest in den Grundzuumlgen bekannt waren Nach der Reichseinigung etwa bis zur dritten Dynastie wurden aufgrund der Anforderungen seitens der Staatsverwaltung die fuumlr die aumlgyptische Mathematik erforderlichen Entdeckungen gemacht Die entsprechenden Rechenver-fahren bildeten sich heraus Spaumlter erfolgten nur noch Verfeinerungen Die regelmaumlszligig wiederkehrenden Uumlberschwemmungen des Fruchtlandes im Niltal erforderten aus-gedehnte Landvermessungen und groszligartige Wasserbauten Dazu sind mathematische Kenntnisse unerlaumlsslich auch wenn uns heute daruumlber keine urkundlichen Nachweise vorliegen Grundrechenarten Addition und Subtraktion werden durch einfaches Abzaumlhlen der Werte der Zahlzeichen vorgenom-men Die Multiplikation wird als Addition einzelner und verdoppelter Werte des zweiten Faktors durch-gefuumlhrt Die entsprechenden Werte fuumlr das Bilden der Ergebnissumme (hier fuumlr 4 und 8) werden mit einem Merkstrich versehen und dann addiert Ihre Summe (48 + 96 = 144) bildet das Ergebnis 12 bull 12 1 12 2 24 4 48 8 96 zusammen 144 Dieses Verfahren wird ggf durch Einsatz einer Verzehnfachung abgekuumlrzt Dies wird aus der Auf-gabe 69 des pRhind deutlich bdquoMultipliziere die Zahl 14 mit der Zahl 80ldquo3 Fuumlr die Loumlsung der Aufgabe werden die Zahlenwerte fuumlr 10 mal 80 und 4 mal 80 (nach der Ver-dopplung der Werte 1 mal 80 und 2 mal 80) mit einem Merkstrich versehenen und anschlieszligend wie folgt addiert 1 80 10 800 2 160 4 320 Summe 1120

3 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S114

5

Das Verfahren fuumlr die Multiplikation wird immer nur additiv und nie Subtraktiv verwendet Eine Multiplikation mit der Zahl 9 wird stets durch 2 rarr 4 rarr 8 + 1 und nie durch 10 ndash 1 ausgefuumlhrt Waumlhrend beim Multiplizieren nur eine einzige Methode naumlmlich die der schrittweisen Verdop-pelns Anwendung findet existieren fuumlr die Division zwei getrennte Verfahren

Die bdquo

Reiheldquo (

usw) und die bdquo

Reiheldquo (

u s w)

Die Division erfolgt jeweils durch Halbierung

Beispielhaft fuumlr das Verfahren mit der bdquofrac12 Reiheldquo ist die weiter unten geschilderte Aufgabe des pRhind zur Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung

Mathematische und inhaltliche Aufgabenstellungen

Eine Analyse der in den Papyri enthaltenen Aufgaben zeigt dass es nur relativ wenige unterschiedli-che Typen gibt

Berechnung einer unbestimmten Groumlszlige (Unbekannten) x aus einer linearen Gleichung (Hau-fen- oder Mengenaufgaben) In der Literatur werden diese Aufgaben oft als bdquoHau-Rechnun-genldquo bezeichnet Dieser Begriff leitet sich aus dem aumlgyptischen Wort CHC (aha) fuumlr Haufen ab der fuumlr die unbekannte Groumlszlige unser bdquoxldquo steht Derartige Aufgaben befassen sich bei-spielsweise mit der Verteilung von Rationen Hinzu kommt noch die Berechnung von Prob-lemen 2 Grades

Berechnung von Verhaumlltnissen wie Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnun-gen) Psw heiszligt bdquobackenldquo oder bdquokochenldquo Entsprechende Aufgaben bilden den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei geht es um die Verhaumlltnisse der aus einem Scheffel Getreide herstellbaren Brote bzw Kruumlge Bier Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Anteil des Getreides am Brot und Bier

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung

Rechnen mit Bruumlchen ohne konkreten Bezug

Generell gilt dass viele der Rechenaufgaben sich mit konkreten praktischen Anwendungen aus den unterschiedlichen Gebieten der staatlichen Verwaltung befassen

Feldvermessung zur Abschaumltzung der Erntemengen

Fuumlllen der Getreidespeicher

Entnahme von Getreide

Registrieren der unterschiedlichen Produkte und

Ausgabe von Rationen

Im Folgenden soll anhand einiger typischer Rechenaufgaben gezeigt werden wie diese erfolgten

6

Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung (Haufen- oder Mengenaufgabe) Aufgaben mit Gleichungen 1 Grades beinhalten im pRhind sogenannte Haufen- oder Mengenauf-gaben bei der nach einer Gesamtmenge gefragt wird von der ein Teil bekannt ist Als Beispiel dafuumlr sei die Aufgabe 24 des pRhind (nach Chase ua 1927) erlaumlutert ldquoEin Haufen und sein 17 zusammen genommen ergeben 19 Wie groszlig ist der Haufenldquo Fuumlr den Loumlsungsweg wird angenommen dass der Haufen das Volumen 7 habe 1 7

1

Das Gesamtvolumen nach Aufgabenstellung betraumlgt dann 8 Die Aufgabe wird wie folgt geloumlst So oft wie der Wert 8 multipliziert werden muss um die Zahl 19 zu ergeben so oft muss dieses Ergebnis anschlieszligend mit 7 multipliziert werden um die ge-wuumlnschte Gesamtmenge des Haufens zu erhalten

1 8 2 16

4

2

1

Summe 1 2 +

+

16+2+1 = 19

Nun erfolgt die Multiplikation der Summe 1 mit der Zahl 7

1 2 +

+

2 4 +

+

4 9 +

Ergebnis 7 16 +

+

= Gesamtmenge des Haufens

Beweis

Die Gesamtmenge des Haufens ist

16 +

+

zuzuumlglich

2 +

+

_________ insgesamt ergibt sich der Wert 19 Bei dieser Berechnung handelt es sich aus heutiger Sicht um ein recht umstaumlndliches ndash allerdings zu einem richtigen Ergebnis fuumlhrenden ndash Verfahren Heute schreiben Schuumller die Gleichung

7

x +

= 19

mit dem Ergebnis dass sich der Wert x als gesuchte Menge des Haufens mit 16625 ergibt was

der Darstellung in Bruumlchen mit 16 +

+

entspricht

Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnungen)

Wie bereits erwaumlhnt bilden die psw ndashRechnungen den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei steht die Frage der Verhaumlltnisse wie viele Brote bzw welche Menge von Bier (An-zahl der Kruumlge) aus einem Scheffel Getreide hergestellt werden koumlnnen Das Maszlig fuumlr die Getreide-menge ist das hekat (48 Liter) Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Getreidegehalt des Brotes bzw des Bieres Er liegt beim Brot zwischen 5 und 45 bei Kuchen erreicht sein Wert 160 Der psw ndash Wert des Bieres liegt zwischen 1 und 6

Im Folgenden soll die Aufgabe 69 des pRhind als Beispiel genannt werden

3

hekat Mehl die zu 80 Broten verarbeitet sind

Du sollst mich den Gehalt von einem davon an Mehl wissen lassen Du sollst mich ihren

psw ndash Wert (also das Backverhaumlltnis) wissen lassen

Rechnung

Der psw ndash Wert ergibt sich aus der Division der Anzahl der Brote mit der Getreide- (Mehl-) menge

80 geteilt durch 3

Das Backverhaumlltnis ist 22

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung Flaumlcheninhalt eines Dreiecks und eines Vierecks Vor der Errichtung des alten und neuen Assuan Staudamms kam es trotz gewisser Uferboumlschungen jedes Jahr im Herbst in der aumlgyptischen Jahreszeit Achat (AXt) zu einer Uumlberflutung des Frucht-landes beidseitig des Nils Grund waren die starken Niederschlaumlge im aumlthiopischen Hochland die den Wasserstand des Nils stark anschwellen lieszligen Nach Ruumlckgang der Flut waren die uumlberflute-ten Gebiete mit einer dicken Schlammschicht uumlberzogen Land- und Feldmarkierungen der einzel-nen Felder waren nicht mehr vorhanden Nach Ruumlckgang der Flut mussten diese neu vermessen werden Neben einem Katasterschreiber als verantwortlichem Beamten waren daran Feldschreiber sowie Stricktraumlger und Strickspanner beteiligt Der fuumlr die Feldvermessung benutzte Strick der durch Knoten als Markierungen in Maszligeinheiten unterteilt war hatte vermutlich eine Laumlnge von 100 Ellen Mittels eines Messstricks mit insgesamt 12 Knoten war so die Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke moumlglich

8

Bild 4 Knotenstrick

Aufgaben mit der Berechnung von Dreiecken und auch Vierecken einschlieszliglich von Trapezen kommen in verschiedenen mathematischen Papyri wie beispielsweise im pRhind und im Demoti-schen Papyri London vor Beispielhaft im Folgenden soll die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines dreieckigen Grundstuumlcks nach pRhind (Aufgabe 51) gezeigt werden Die Aufgabenstellung lautet Wie groszlig ist die Flaumlche eines Dreiecks mit 1000 Ellen bdquomeretldquo (Seite oder Houmlhe) und einer Basis von 400 Ellen Laumlnge Loumlsung Nimm frac12 von 400 das ist 200 um es rechteckig zu machen Multipliziere 1000 mal 200

das ist die Flaumlche

Bild 5 Aufgabe 51 aus dem pRhind

Je nach Form des Dreiecks kommt es wenn anstelle der Houmlhe des Dreiecks mit der Seitenlaumlnge gerechnet wird zu mehr oder weniger groszligen Ungenauigkeiten gegenuumlber der richtigen Flaumlchen So gab es auch reine Approximationsformeln Aus den Tempelinschriften von Edfu ist bekannt dass die Groumlszlige von Feldern (Flaumlche) unter Angabe der vier Seiten a b c und d nach der Formel

middot

= F

berechnet wurde Eine Anzahl der Felder in der Auflistung sind dreieckig Die Angabe der Laumlngen erfolgte dann so bdquoDie westliche Seite ist a die oumlstliche b die suumldliche c die noumlrdliche bdquonichtsldquo Fuumlr die Berechnung wurde dann die Formel

middot

= F

verwendet Diese Naumlherungsrechnungen ermoumlglichten offensichtlich eine in der Praxis ausrei-chende Flaumlchenermittlung

9

Als weiteres Beispiel sei die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines Feldes in Rechteckform nach dem Demotischen mathematischen Papyrus London (Aufgabe 64) angefuumlhrt

Bild 6 Demotischer mathematischer Papyrus London Plate 24

Zwei Seitenlaumlngen des Feldes sind mit der Laumlnge 10 bezeichnet die beiden anderen mit 12 Die Flaumlche berechnet sich nun nach unserem mathematischen Verstaumlndnis ganz einfach 10 mal 12 gleich 120 Das aumlgyptische Rechenverfahren geht jedoch einen anderen Weg (10 + 10)2 mal (12+12)2 Das Ergebnis ist natuumlrlich das gleiche Handelt es sich jedoch um ungleiche Laumlngen eines Rechtecks so werden sofort die Vorteile der aumlgyptischen Rechenmethode sichtbar Aus dem Berliner Papyrus ist uns eine Aufgabe zur Loumlsung von zwei Unbekannten uumlberliefert4

Eine Flaumlche von 100 Quadrat Ellen ist in zwei Quadrate aufzuteilen deren Seiten sich wie

1 zu

verhalten sollen

Der Schreiber nimmt als Rechenansatz die Laumlnge der beiden Quadrate mit 1 und

an Die Ge-

samtflaumlche ermittelt er dann zu 1sup2 + (

)sup2 = 1 +

=

Dann zieht er die Quardratwurzel ndash leider

ohne uns zu veraten nach welcher Regel und erhaumllt den Wert

Nun zieht er die Quadratwurzel

aus der Zahl 100 und teilt diesen Wert durch

Das Ergebnis ist 8 Jetzt multipliziert er die anfangs

willkuumlrlich angenommen Werte 1 und

mit der Zahl 8 und erhaumllt die Laumlngen der beiden Quadrate

mit 8 und 6 Ellen Die beiden Flaumlchen ergeben sich zu 64 und 36 Quadratellen ndash insgesamt 100 Flaumlcheninhalt des Kreises Eine sehr gute Naumlherungsformel zur Berechnung des Kreisinhalts ergibt sich aus Aufgaben der pRind und pMoskau So wird in Aufgabe 50 des pRhind die Frage nach der Berechnung der Flaumlche eines runden Feldes mit dem Durchmesser 9 gestellt Was ist ihr Betrag als

Flaumlche

Die Antwort lautet

Dann subtrahierst du sein

als 1 indem der Rest 8 ist Dann multiplizierst du 8 mit 8 Dann

resultiert 64 Sein Betrag als Flaumlche ist 64 4 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S183

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 4: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

4

Bild 3 pRhind Die Papyri aus dem spaumlten Mittleren Reich beinhalten auch Aufgabenstellungen aus Rechenauf-gaben des Alten Reichs Da sehr viel an Unterlagen in der Ersten Zwischenzeit verloren ging ist davon auszugehen dass die genannten mathematischen und geometrischen Kenntnisse schon im Alten Reich zumindest in den Grundzuumlgen bekannt waren Nach der Reichseinigung etwa bis zur dritten Dynastie wurden aufgrund der Anforderungen seitens der Staatsverwaltung die fuumlr die aumlgyptische Mathematik erforderlichen Entdeckungen gemacht Die entsprechenden Rechenver-fahren bildeten sich heraus Spaumlter erfolgten nur noch Verfeinerungen Die regelmaumlszligig wiederkehrenden Uumlberschwemmungen des Fruchtlandes im Niltal erforderten aus-gedehnte Landvermessungen und groszligartige Wasserbauten Dazu sind mathematische Kenntnisse unerlaumlsslich auch wenn uns heute daruumlber keine urkundlichen Nachweise vorliegen Grundrechenarten Addition und Subtraktion werden durch einfaches Abzaumlhlen der Werte der Zahlzeichen vorgenom-men Die Multiplikation wird als Addition einzelner und verdoppelter Werte des zweiten Faktors durch-gefuumlhrt Die entsprechenden Werte fuumlr das Bilden der Ergebnissumme (hier fuumlr 4 und 8) werden mit einem Merkstrich versehen und dann addiert Ihre Summe (48 + 96 = 144) bildet das Ergebnis 12 bull 12 1 12 2 24 4 48 8 96 zusammen 144 Dieses Verfahren wird ggf durch Einsatz einer Verzehnfachung abgekuumlrzt Dies wird aus der Auf-gabe 69 des pRhind deutlich bdquoMultipliziere die Zahl 14 mit der Zahl 80ldquo3 Fuumlr die Loumlsung der Aufgabe werden die Zahlenwerte fuumlr 10 mal 80 und 4 mal 80 (nach der Ver-dopplung der Werte 1 mal 80 und 2 mal 80) mit einem Merkstrich versehenen und anschlieszligend wie folgt addiert 1 80 10 800 2 160 4 320 Summe 1120

3 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S114

5

Das Verfahren fuumlr die Multiplikation wird immer nur additiv und nie Subtraktiv verwendet Eine Multiplikation mit der Zahl 9 wird stets durch 2 rarr 4 rarr 8 + 1 und nie durch 10 ndash 1 ausgefuumlhrt Waumlhrend beim Multiplizieren nur eine einzige Methode naumlmlich die der schrittweisen Verdop-pelns Anwendung findet existieren fuumlr die Division zwei getrennte Verfahren

Die bdquo

Reiheldquo (

usw) und die bdquo

Reiheldquo (

u s w)

Die Division erfolgt jeweils durch Halbierung

Beispielhaft fuumlr das Verfahren mit der bdquofrac12 Reiheldquo ist die weiter unten geschilderte Aufgabe des pRhind zur Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung

Mathematische und inhaltliche Aufgabenstellungen

Eine Analyse der in den Papyri enthaltenen Aufgaben zeigt dass es nur relativ wenige unterschiedli-che Typen gibt

Berechnung einer unbestimmten Groumlszlige (Unbekannten) x aus einer linearen Gleichung (Hau-fen- oder Mengenaufgaben) In der Literatur werden diese Aufgaben oft als bdquoHau-Rechnun-genldquo bezeichnet Dieser Begriff leitet sich aus dem aumlgyptischen Wort CHC (aha) fuumlr Haufen ab der fuumlr die unbekannte Groumlszlige unser bdquoxldquo steht Derartige Aufgaben befassen sich bei-spielsweise mit der Verteilung von Rationen Hinzu kommt noch die Berechnung von Prob-lemen 2 Grades

Berechnung von Verhaumlltnissen wie Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnun-gen) Psw heiszligt bdquobackenldquo oder bdquokochenldquo Entsprechende Aufgaben bilden den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei geht es um die Verhaumlltnisse der aus einem Scheffel Getreide herstellbaren Brote bzw Kruumlge Bier Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Anteil des Getreides am Brot und Bier

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung

Rechnen mit Bruumlchen ohne konkreten Bezug

Generell gilt dass viele der Rechenaufgaben sich mit konkreten praktischen Anwendungen aus den unterschiedlichen Gebieten der staatlichen Verwaltung befassen

Feldvermessung zur Abschaumltzung der Erntemengen

Fuumlllen der Getreidespeicher

Entnahme von Getreide

Registrieren der unterschiedlichen Produkte und

Ausgabe von Rationen

Im Folgenden soll anhand einiger typischer Rechenaufgaben gezeigt werden wie diese erfolgten

6

Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung (Haufen- oder Mengenaufgabe) Aufgaben mit Gleichungen 1 Grades beinhalten im pRhind sogenannte Haufen- oder Mengenauf-gaben bei der nach einer Gesamtmenge gefragt wird von der ein Teil bekannt ist Als Beispiel dafuumlr sei die Aufgabe 24 des pRhind (nach Chase ua 1927) erlaumlutert ldquoEin Haufen und sein 17 zusammen genommen ergeben 19 Wie groszlig ist der Haufenldquo Fuumlr den Loumlsungsweg wird angenommen dass der Haufen das Volumen 7 habe 1 7

1

Das Gesamtvolumen nach Aufgabenstellung betraumlgt dann 8 Die Aufgabe wird wie folgt geloumlst So oft wie der Wert 8 multipliziert werden muss um die Zahl 19 zu ergeben so oft muss dieses Ergebnis anschlieszligend mit 7 multipliziert werden um die ge-wuumlnschte Gesamtmenge des Haufens zu erhalten

1 8 2 16

4

2

1

Summe 1 2 +

+

16+2+1 = 19

Nun erfolgt die Multiplikation der Summe 1 mit der Zahl 7

1 2 +

+

2 4 +

+

4 9 +

Ergebnis 7 16 +

+

= Gesamtmenge des Haufens

Beweis

Die Gesamtmenge des Haufens ist

16 +

+

zuzuumlglich

2 +

+

_________ insgesamt ergibt sich der Wert 19 Bei dieser Berechnung handelt es sich aus heutiger Sicht um ein recht umstaumlndliches ndash allerdings zu einem richtigen Ergebnis fuumlhrenden ndash Verfahren Heute schreiben Schuumller die Gleichung

7

x +

= 19

mit dem Ergebnis dass sich der Wert x als gesuchte Menge des Haufens mit 16625 ergibt was

der Darstellung in Bruumlchen mit 16 +

+

entspricht

Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnungen)

Wie bereits erwaumlhnt bilden die psw ndashRechnungen den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei steht die Frage der Verhaumlltnisse wie viele Brote bzw welche Menge von Bier (An-zahl der Kruumlge) aus einem Scheffel Getreide hergestellt werden koumlnnen Das Maszlig fuumlr die Getreide-menge ist das hekat (48 Liter) Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Getreidegehalt des Brotes bzw des Bieres Er liegt beim Brot zwischen 5 und 45 bei Kuchen erreicht sein Wert 160 Der psw ndash Wert des Bieres liegt zwischen 1 und 6

Im Folgenden soll die Aufgabe 69 des pRhind als Beispiel genannt werden

3

hekat Mehl die zu 80 Broten verarbeitet sind

Du sollst mich den Gehalt von einem davon an Mehl wissen lassen Du sollst mich ihren

psw ndash Wert (also das Backverhaumlltnis) wissen lassen

Rechnung

Der psw ndash Wert ergibt sich aus der Division der Anzahl der Brote mit der Getreide- (Mehl-) menge

80 geteilt durch 3

Das Backverhaumlltnis ist 22

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung Flaumlcheninhalt eines Dreiecks und eines Vierecks Vor der Errichtung des alten und neuen Assuan Staudamms kam es trotz gewisser Uferboumlschungen jedes Jahr im Herbst in der aumlgyptischen Jahreszeit Achat (AXt) zu einer Uumlberflutung des Frucht-landes beidseitig des Nils Grund waren die starken Niederschlaumlge im aumlthiopischen Hochland die den Wasserstand des Nils stark anschwellen lieszligen Nach Ruumlckgang der Flut waren die uumlberflute-ten Gebiete mit einer dicken Schlammschicht uumlberzogen Land- und Feldmarkierungen der einzel-nen Felder waren nicht mehr vorhanden Nach Ruumlckgang der Flut mussten diese neu vermessen werden Neben einem Katasterschreiber als verantwortlichem Beamten waren daran Feldschreiber sowie Stricktraumlger und Strickspanner beteiligt Der fuumlr die Feldvermessung benutzte Strick der durch Knoten als Markierungen in Maszligeinheiten unterteilt war hatte vermutlich eine Laumlnge von 100 Ellen Mittels eines Messstricks mit insgesamt 12 Knoten war so die Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke moumlglich

8

Bild 4 Knotenstrick

Aufgaben mit der Berechnung von Dreiecken und auch Vierecken einschlieszliglich von Trapezen kommen in verschiedenen mathematischen Papyri wie beispielsweise im pRhind und im Demoti-schen Papyri London vor Beispielhaft im Folgenden soll die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines dreieckigen Grundstuumlcks nach pRhind (Aufgabe 51) gezeigt werden Die Aufgabenstellung lautet Wie groszlig ist die Flaumlche eines Dreiecks mit 1000 Ellen bdquomeretldquo (Seite oder Houmlhe) und einer Basis von 400 Ellen Laumlnge Loumlsung Nimm frac12 von 400 das ist 200 um es rechteckig zu machen Multipliziere 1000 mal 200

das ist die Flaumlche

Bild 5 Aufgabe 51 aus dem pRhind

Je nach Form des Dreiecks kommt es wenn anstelle der Houmlhe des Dreiecks mit der Seitenlaumlnge gerechnet wird zu mehr oder weniger groszligen Ungenauigkeiten gegenuumlber der richtigen Flaumlchen So gab es auch reine Approximationsformeln Aus den Tempelinschriften von Edfu ist bekannt dass die Groumlszlige von Feldern (Flaumlche) unter Angabe der vier Seiten a b c und d nach der Formel

middot

= F

berechnet wurde Eine Anzahl der Felder in der Auflistung sind dreieckig Die Angabe der Laumlngen erfolgte dann so bdquoDie westliche Seite ist a die oumlstliche b die suumldliche c die noumlrdliche bdquonichtsldquo Fuumlr die Berechnung wurde dann die Formel

middot

= F

verwendet Diese Naumlherungsrechnungen ermoumlglichten offensichtlich eine in der Praxis ausrei-chende Flaumlchenermittlung

9

Als weiteres Beispiel sei die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines Feldes in Rechteckform nach dem Demotischen mathematischen Papyrus London (Aufgabe 64) angefuumlhrt

Bild 6 Demotischer mathematischer Papyrus London Plate 24

Zwei Seitenlaumlngen des Feldes sind mit der Laumlnge 10 bezeichnet die beiden anderen mit 12 Die Flaumlche berechnet sich nun nach unserem mathematischen Verstaumlndnis ganz einfach 10 mal 12 gleich 120 Das aumlgyptische Rechenverfahren geht jedoch einen anderen Weg (10 + 10)2 mal (12+12)2 Das Ergebnis ist natuumlrlich das gleiche Handelt es sich jedoch um ungleiche Laumlngen eines Rechtecks so werden sofort die Vorteile der aumlgyptischen Rechenmethode sichtbar Aus dem Berliner Papyrus ist uns eine Aufgabe zur Loumlsung von zwei Unbekannten uumlberliefert4

Eine Flaumlche von 100 Quadrat Ellen ist in zwei Quadrate aufzuteilen deren Seiten sich wie

1 zu

verhalten sollen

Der Schreiber nimmt als Rechenansatz die Laumlnge der beiden Quadrate mit 1 und

an Die Ge-

samtflaumlche ermittelt er dann zu 1sup2 + (

)sup2 = 1 +

=

Dann zieht er die Quardratwurzel ndash leider

ohne uns zu veraten nach welcher Regel und erhaumllt den Wert

Nun zieht er die Quadratwurzel

aus der Zahl 100 und teilt diesen Wert durch

Das Ergebnis ist 8 Jetzt multipliziert er die anfangs

willkuumlrlich angenommen Werte 1 und

mit der Zahl 8 und erhaumllt die Laumlngen der beiden Quadrate

mit 8 und 6 Ellen Die beiden Flaumlchen ergeben sich zu 64 und 36 Quadratellen ndash insgesamt 100 Flaumlcheninhalt des Kreises Eine sehr gute Naumlherungsformel zur Berechnung des Kreisinhalts ergibt sich aus Aufgaben der pRind und pMoskau So wird in Aufgabe 50 des pRhind die Frage nach der Berechnung der Flaumlche eines runden Feldes mit dem Durchmesser 9 gestellt Was ist ihr Betrag als

Flaumlche

Die Antwort lautet

Dann subtrahierst du sein

als 1 indem der Rest 8 ist Dann multiplizierst du 8 mit 8 Dann

resultiert 64 Sein Betrag als Flaumlche ist 64 4 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S183

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 5: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

5

Das Verfahren fuumlr die Multiplikation wird immer nur additiv und nie Subtraktiv verwendet Eine Multiplikation mit der Zahl 9 wird stets durch 2 rarr 4 rarr 8 + 1 und nie durch 10 ndash 1 ausgefuumlhrt Waumlhrend beim Multiplizieren nur eine einzige Methode naumlmlich die der schrittweisen Verdop-pelns Anwendung findet existieren fuumlr die Division zwei getrennte Verfahren

Die bdquo

Reiheldquo (

usw) und die bdquo

Reiheldquo (

u s w)

Die Division erfolgt jeweils durch Halbierung

Beispielhaft fuumlr das Verfahren mit der bdquofrac12 Reiheldquo ist die weiter unten geschilderte Aufgabe des pRhind zur Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung

Mathematische und inhaltliche Aufgabenstellungen

Eine Analyse der in den Papyri enthaltenen Aufgaben zeigt dass es nur relativ wenige unterschiedli-che Typen gibt

Berechnung einer unbestimmten Groumlszlige (Unbekannten) x aus einer linearen Gleichung (Hau-fen- oder Mengenaufgaben) In der Literatur werden diese Aufgaben oft als bdquoHau-Rechnun-genldquo bezeichnet Dieser Begriff leitet sich aus dem aumlgyptischen Wort CHC (aha) fuumlr Haufen ab der fuumlr die unbekannte Groumlszlige unser bdquoxldquo steht Derartige Aufgaben befassen sich bei-spielsweise mit der Verteilung von Rationen Hinzu kommt noch die Berechnung von Prob-lemen 2 Grades

Berechnung von Verhaumlltnissen wie Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnun-gen) Psw heiszligt bdquobackenldquo oder bdquokochenldquo Entsprechende Aufgaben bilden den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei geht es um die Verhaumlltnisse der aus einem Scheffel Getreide herstellbaren Brote bzw Kruumlge Bier Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Anteil des Getreides am Brot und Bier

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung

Rechnen mit Bruumlchen ohne konkreten Bezug

Generell gilt dass viele der Rechenaufgaben sich mit konkreten praktischen Anwendungen aus den unterschiedlichen Gebieten der staatlichen Verwaltung befassen

Feldvermessung zur Abschaumltzung der Erntemengen

Fuumlllen der Getreidespeicher

Entnahme von Getreide

Registrieren der unterschiedlichen Produkte und

Ausgabe von Rationen

Im Folgenden soll anhand einiger typischer Rechenaufgaben gezeigt werden wie diese erfolgten

6

Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung (Haufen- oder Mengenaufgabe) Aufgaben mit Gleichungen 1 Grades beinhalten im pRhind sogenannte Haufen- oder Mengenauf-gaben bei der nach einer Gesamtmenge gefragt wird von der ein Teil bekannt ist Als Beispiel dafuumlr sei die Aufgabe 24 des pRhind (nach Chase ua 1927) erlaumlutert ldquoEin Haufen und sein 17 zusammen genommen ergeben 19 Wie groszlig ist der Haufenldquo Fuumlr den Loumlsungsweg wird angenommen dass der Haufen das Volumen 7 habe 1 7

1

Das Gesamtvolumen nach Aufgabenstellung betraumlgt dann 8 Die Aufgabe wird wie folgt geloumlst So oft wie der Wert 8 multipliziert werden muss um die Zahl 19 zu ergeben so oft muss dieses Ergebnis anschlieszligend mit 7 multipliziert werden um die ge-wuumlnschte Gesamtmenge des Haufens zu erhalten

1 8 2 16

4

2

1

Summe 1 2 +

+

16+2+1 = 19

Nun erfolgt die Multiplikation der Summe 1 mit der Zahl 7

1 2 +

+

2 4 +

+

4 9 +

Ergebnis 7 16 +

+

= Gesamtmenge des Haufens

Beweis

Die Gesamtmenge des Haufens ist

16 +

+

zuzuumlglich

2 +

+

_________ insgesamt ergibt sich der Wert 19 Bei dieser Berechnung handelt es sich aus heutiger Sicht um ein recht umstaumlndliches ndash allerdings zu einem richtigen Ergebnis fuumlhrenden ndash Verfahren Heute schreiben Schuumller die Gleichung

7

x +

= 19

mit dem Ergebnis dass sich der Wert x als gesuchte Menge des Haufens mit 16625 ergibt was

der Darstellung in Bruumlchen mit 16 +

+

entspricht

Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnungen)

Wie bereits erwaumlhnt bilden die psw ndashRechnungen den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei steht die Frage der Verhaumlltnisse wie viele Brote bzw welche Menge von Bier (An-zahl der Kruumlge) aus einem Scheffel Getreide hergestellt werden koumlnnen Das Maszlig fuumlr die Getreide-menge ist das hekat (48 Liter) Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Getreidegehalt des Brotes bzw des Bieres Er liegt beim Brot zwischen 5 und 45 bei Kuchen erreicht sein Wert 160 Der psw ndash Wert des Bieres liegt zwischen 1 und 6

Im Folgenden soll die Aufgabe 69 des pRhind als Beispiel genannt werden

3

hekat Mehl die zu 80 Broten verarbeitet sind

Du sollst mich den Gehalt von einem davon an Mehl wissen lassen Du sollst mich ihren

psw ndash Wert (also das Backverhaumlltnis) wissen lassen

Rechnung

Der psw ndash Wert ergibt sich aus der Division der Anzahl der Brote mit der Getreide- (Mehl-) menge

80 geteilt durch 3

Das Backverhaumlltnis ist 22

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung Flaumlcheninhalt eines Dreiecks und eines Vierecks Vor der Errichtung des alten und neuen Assuan Staudamms kam es trotz gewisser Uferboumlschungen jedes Jahr im Herbst in der aumlgyptischen Jahreszeit Achat (AXt) zu einer Uumlberflutung des Frucht-landes beidseitig des Nils Grund waren die starken Niederschlaumlge im aumlthiopischen Hochland die den Wasserstand des Nils stark anschwellen lieszligen Nach Ruumlckgang der Flut waren die uumlberflute-ten Gebiete mit einer dicken Schlammschicht uumlberzogen Land- und Feldmarkierungen der einzel-nen Felder waren nicht mehr vorhanden Nach Ruumlckgang der Flut mussten diese neu vermessen werden Neben einem Katasterschreiber als verantwortlichem Beamten waren daran Feldschreiber sowie Stricktraumlger und Strickspanner beteiligt Der fuumlr die Feldvermessung benutzte Strick der durch Knoten als Markierungen in Maszligeinheiten unterteilt war hatte vermutlich eine Laumlnge von 100 Ellen Mittels eines Messstricks mit insgesamt 12 Knoten war so die Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke moumlglich

8

Bild 4 Knotenstrick

Aufgaben mit der Berechnung von Dreiecken und auch Vierecken einschlieszliglich von Trapezen kommen in verschiedenen mathematischen Papyri wie beispielsweise im pRhind und im Demoti-schen Papyri London vor Beispielhaft im Folgenden soll die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines dreieckigen Grundstuumlcks nach pRhind (Aufgabe 51) gezeigt werden Die Aufgabenstellung lautet Wie groszlig ist die Flaumlche eines Dreiecks mit 1000 Ellen bdquomeretldquo (Seite oder Houmlhe) und einer Basis von 400 Ellen Laumlnge Loumlsung Nimm frac12 von 400 das ist 200 um es rechteckig zu machen Multipliziere 1000 mal 200

das ist die Flaumlche

Bild 5 Aufgabe 51 aus dem pRhind

Je nach Form des Dreiecks kommt es wenn anstelle der Houmlhe des Dreiecks mit der Seitenlaumlnge gerechnet wird zu mehr oder weniger groszligen Ungenauigkeiten gegenuumlber der richtigen Flaumlchen So gab es auch reine Approximationsformeln Aus den Tempelinschriften von Edfu ist bekannt dass die Groumlszlige von Feldern (Flaumlche) unter Angabe der vier Seiten a b c und d nach der Formel

middot

= F

berechnet wurde Eine Anzahl der Felder in der Auflistung sind dreieckig Die Angabe der Laumlngen erfolgte dann so bdquoDie westliche Seite ist a die oumlstliche b die suumldliche c die noumlrdliche bdquonichtsldquo Fuumlr die Berechnung wurde dann die Formel

middot

= F

verwendet Diese Naumlherungsrechnungen ermoumlglichten offensichtlich eine in der Praxis ausrei-chende Flaumlchenermittlung

9

Als weiteres Beispiel sei die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines Feldes in Rechteckform nach dem Demotischen mathematischen Papyrus London (Aufgabe 64) angefuumlhrt

Bild 6 Demotischer mathematischer Papyrus London Plate 24

Zwei Seitenlaumlngen des Feldes sind mit der Laumlnge 10 bezeichnet die beiden anderen mit 12 Die Flaumlche berechnet sich nun nach unserem mathematischen Verstaumlndnis ganz einfach 10 mal 12 gleich 120 Das aumlgyptische Rechenverfahren geht jedoch einen anderen Weg (10 + 10)2 mal (12+12)2 Das Ergebnis ist natuumlrlich das gleiche Handelt es sich jedoch um ungleiche Laumlngen eines Rechtecks so werden sofort die Vorteile der aumlgyptischen Rechenmethode sichtbar Aus dem Berliner Papyrus ist uns eine Aufgabe zur Loumlsung von zwei Unbekannten uumlberliefert4

Eine Flaumlche von 100 Quadrat Ellen ist in zwei Quadrate aufzuteilen deren Seiten sich wie

1 zu

verhalten sollen

Der Schreiber nimmt als Rechenansatz die Laumlnge der beiden Quadrate mit 1 und

an Die Ge-

samtflaumlche ermittelt er dann zu 1sup2 + (

)sup2 = 1 +

=

Dann zieht er die Quardratwurzel ndash leider

ohne uns zu veraten nach welcher Regel und erhaumllt den Wert

Nun zieht er die Quadratwurzel

aus der Zahl 100 und teilt diesen Wert durch

Das Ergebnis ist 8 Jetzt multipliziert er die anfangs

willkuumlrlich angenommen Werte 1 und

mit der Zahl 8 und erhaumllt die Laumlngen der beiden Quadrate

mit 8 und 6 Ellen Die beiden Flaumlchen ergeben sich zu 64 und 36 Quadratellen ndash insgesamt 100 Flaumlcheninhalt des Kreises Eine sehr gute Naumlherungsformel zur Berechnung des Kreisinhalts ergibt sich aus Aufgaben der pRind und pMoskau So wird in Aufgabe 50 des pRhind die Frage nach der Berechnung der Flaumlche eines runden Feldes mit dem Durchmesser 9 gestellt Was ist ihr Betrag als

Flaumlche

Die Antwort lautet

Dann subtrahierst du sein

als 1 indem der Rest 8 ist Dann multiplizierst du 8 mit 8 Dann

resultiert 64 Sein Betrag als Flaumlche ist 64 4 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S183

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 6: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

6

Berechnung einer Unbekannten x aus einer linearen Gleichung (Haufen- oder Mengenaufgabe) Aufgaben mit Gleichungen 1 Grades beinhalten im pRhind sogenannte Haufen- oder Mengenauf-gaben bei der nach einer Gesamtmenge gefragt wird von der ein Teil bekannt ist Als Beispiel dafuumlr sei die Aufgabe 24 des pRhind (nach Chase ua 1927) erlaumlutert ldquoEin Haufen und sein 17 zusammen genommen ergeben 19 Wie groszlig ist der Haufenldquo Fuumlr den Loumlsungsweg wird angenommen dass der Haufen das Volumen 7 habe 1 7

1

Das Gesamtvolumen nach Aufgabenstellung betraumlgt dann 8 Die Aufgabe wird wie folgt geloumlst So oft wie der Wert 8 multipliziert werden muss um die Zahl 19 zu ergeben so oft muss dieses Ergebnis anschlieszligend mit 7 multipliziert werden um die ge-wuumlnschte Gesamtmenge des Haufens zu erhalten

1 8 2 16

4

2

1

Summe 1 2 +

+

16+2+1 = 19

Nun erfolgt die Multiplikation der Summe 1 mit der Zahl 7

1 2 +

+

2 4 +

+

4 9 +

Ergebnis 7 16 +

+

= Gesamtmenge des Haufens

Beweis

Die Gesamtmenge des Haufens ist

16 +

+

zuzuumlglich

2 +

+

_________ insgesamt ergibt sich der Wert 19 Bei dieser Berechnung handelt es sich aus heutiger Sicht um ein recht umstaumlndliches ndash allerdings zu einem richtigen Ergebnis fuumlhrenden ndash Verfahren Heute schreiben Schuumller die Gleichung

7

x +

= 19

mit dem Ergebnis dass sich der Wert x als gesuchte Menge des Haufens mit 16625 ergibt was

der Darstellung in Bruumlchen mit 16 +

+

entspricht

Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnungen)

Wie bereits erwaumlhnt bilden die psw ndashRechnungen den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei steht die Frage der Verhaumlltnisse wie viele Brote bzw welche Menge von Bier (An-zahl der Kruumlge) aus einem Scheffel Getreide hergestellt werden koumlnnen Das Maszlig fuumlr die Getreide-menge ist das hekat (48 Liter) Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Getreidegehalt des Brotes bzw des Bieres Er liegt beim Brot zwischen 5 und 45 bei Kuchen erreicht sein Wert 160 Der psw ndash Wert des Bieres liegt zwischen 1 und 6

Im Folgenden soll die Aufgabe 69 des pRhind als Beispiel genannt werden

3

hekat Mehl die zu 80 Broten verarbeitet sind

Du sollst mich den Gehalt von einem davon an Mehl wissen lassen Du sollst mich ihren

psw ndash Wert (also das Backverhaumlltnis) wissen lassen

Rechnung

Der psw ndash Wert ergibt sich aus der Division der Anzahl der Brote mit der Getreide- (Mehl-) menge

80 geteilt durch 3

Das Backverhaumlltnis ist 22

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung Flaumlcheninhalt eines Dreiecks und eines Vierecks Vor der Errichtung des alten und neuen Assuan Staudamms kam es trotz gewisser Uferboumlschungen jedes Jahr im Herbst in der aumlgyptischen Jahreszeit Achat (AXt) zu einer Uumlberflutung des Frucht-landes beidseitig des Nils Grund waren die starken Niederschlaumlge im aumlthiopischen Hochland die den Wasserstand des Nils stark anschwellen lieszligen Nach Ruumlckgang der Flut waren die uumlberflute-ten Gebiete mit einer dicken Schlammschicht uumlberzogen Land- und Feldmarkierungen der einzel-nen Felder waren nicht mehr vorhanden Nach Ruumlckgang der Flut mussten diese neu vermessen werden Neben einem Katasterschreiber als verantwortlichem Beamten waren daran Feldschreiber sowie Stricktraumlger und Strickspanner beteiligt Der fuumlr die Feldvermessung benutzte Strick der durch Knoten als Markierungen in Maszligeinheiten unterteilt war hatte vermutlich eine Laumlnge von 100 Ellen Mittels eines Messstricks mit insgesamt 12 Knoten war so die Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke moumlglich

8

Bild 4 Knotenstrick

Aufgaben mit der Berechnung von Dreiecken und auch Vierecken einschlieszliglich von Trapezen kommen in verschiedenen mathematischen Papyri wie beispielsweise im pRhind und im Demoti-schen Papyri London vor Beispielhaft im Folgenden soll die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines dreieckigen Grundstuumlcks nach pRhind (Aufgabe 51) gezeigt werden Die Aufgabenstellung lautet Wie groszlig ist die Flaumlche eines Dreiecks mit 1000 Ellen bdquomeretldquo (Seite oder Houmlhe) und einer Basis von 400 Ellen Laumlnge Loumlsung Nimm frac12 von 400 das ist 200 um es rechteckig zu machen Multipliziere 1000 mal 200

das ist die Flaumlche

Bild 5 Aufgabe 51 aus dem pRhind

Je nach Form des Dreiecks kommt es wenn anstelle der Houmlhe des Dreiecks mit der Seitenlaumlnge gerechnet wird zu mehr oder weniger groszligen Ungenauigkeiten gegenuumlber der richtigen Flaumlchen So gab es auch reine Approximationsformeln Aus den Tempelinschriften von Edfu ist bekannt dass die Groumlszlige von Feldern (Flaumlche) unter Angabe der vier Seiten a b c und d nach der Formel

middot

= F

berechnet wurde Eine Anzahl der Felder in der Auflistung sind dreieckig Die Angabe der Laumlngen erfolgte dann so bdquoDie westliche Seite ist a die oumlstliche b die suumldliche c die noumlrdliche bdquonichtsldquo Fuumlr die Berechnung wurde dann die Formel

middot

= F

verwendet Diese Naumlherungsrechnungen ermoumlglichten offensichtlich eine in der Praxis ausrei-chende Flaumlchenermittlung

9

Als weiteres Beispiel sei die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines Feldes in Rechteckform nach dem Demotischen mathematischen Papyrus London (Aufgabe 64) angefuumlhrt

Bild 6 Demotischer mathematischer Papyrus London Plate 24

Zwei Seitenlaumlngen des Feldes sind mit der Laumlnge 10 bezeichnet die beiden anderen mit 12 Die Flaumlche berechnet sich nun nach unserem mathematischen Verstaumlndnis ganz einfach 10 mal 12 gleich 120 Das aumlgyptische Rechenverfahren geht jedoch einen anderen Weg (10 + 10)2 mal (12+12)2 Das Ergebnis ist natuumlrlich das gleiche Handelt es sich jedoch um ungleiche Laumlngen eines Rechtecks so werden sofort die Vorteile der aumlgyptischen Rechenmethode sichtbar Aus dem Berliner Papyrus ist uns eine Aufgabe zur Loumlsung von zwei Unbekannten uumlberliefert4

Eine Flaumlche von 100 Quadrat Ellen ist in zwei Quadrate aufzuteilen deren Seiten sich wie

1 zu

verhalten sollen

Der Schreiber nimmt als Rechenansatz die Laumlnge der beiden Quadrate mit 1 und

an Die Ge-

samtflaumlche ermittelt er dann zu 1sup2 + (

)sup2 = 1 +

=

Dann zieht er die Quardratwurzel ndash leider

ohne uns zu veraten nach welcher Regel und erhaumllt den Wert

Nun zieht er die Quadratwurzel

aus der Zahl 100 und teilt diesen Wert durch

Das Ergebnis ist 8 Jetzt multipliziert er die anfangs

willkuumlrlich angenommen Werte 1 und

mit der Zahl 8 und erhaumllt die Laumlngen der beiden Quadrate

mit 8 und 6 Ellen Die beiden Flaumlchen ergeben sich zu 64 und 36 Quadratellen ndash insgesamt 100 Flaumlcheninhalt des Kreises Eine sehr gute Naumlherungsformel zur Berechnung des Kreisinhalts ergibt sich aus Aufgaben der pRind und pMoskau So wird in Aufgabe 50 des pRhind die Frage nach der Berechnung der Flaumlche eines runden Feldes mit dem Durchmesser 9 gestellt Was ist ihr Betrag als

Flaumlche

Die Antwort lautet

Dann subtrahierst du sein

als 1 indem der Rest 8 ist Dann multiplizierst du 8 mit 8 Dann

resultiert 64 Sein Betrag als Flaumlche ist 64 4 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S183

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 7: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

7

x +

= 19

mit dem Ergebnis dass sich der Wert x als gesuchte Menge des Haufens mit 16625 ergibt was

der Darstellung in Bruumlchen mit 16 +

+

entspricht

Aufgaben zur Brot- und Bierherstellung (psw ndash Rechnungen)

Wie bereits erwaumlhnt bilden die psw ndashRechnungen den groumlszligten Teil der in den Texten vorkommenden Aufgaben Dabei steht die Frage der Verhaumlltnisse wie viele Brote bzw welche Menge von Bier (An-zahl der Kruumlge) aus einem Scheffel Getreide hergestellt werden koumlnnen Das Maszlig fuumlr die Getreide-menge ist das hekat (48 Liter) Der psw ndash Wert ist somit auch ein Maszlig fuumlr den Getreidegehalt des Brotes bzw des Bieres Er liegt beim Brot zwischen 5 und 45 bei Kuchen erreicht sein Wert 160 Der psw ndash Wert des Bieres liegt zwischen 1 und 6

Im Folgenden soll die Aufgabe 69 des pRhind als Beispiel genannt werden

3

hekat Mehl die zu 80 Broten verarbeitet sind

Du sollst mich den Gehalt von einem davon an Mehl wissen lassen Du sollst mich ihren

psw ndash Wert (also das Backverhaumlltnis) wissen lassen

Rechnung

Der psw ndash Wert ergibt sich aus der Division der Anzahl der Brote mit der Getreide- (Mehl-) menge

80 geteilt durch 3

Das Backverhaumlltnis ist 22

Geometrische Aufgaben zur Flaumlchen- und Volumenberechnung Flaumlcheninhalt eines Dreiecks und eines Vierecks Vor der Errichtung des alten und neuen Assuan Staudamms kam es trotz gewisser Uferboumlschungen jedes Jahr im Herbst in der aumlgyptischen Jahreszeit Achat (AXt) zu einer Uumlberflutung des Frucht-landes beidseitig des Nils Grund waren die starken Niederschlaumlge im aumlthiopischen Hochland die den Wasserstand des Nils stark anschwellen lieszligen Nach Ruumlckgang der Flut waren die uumlberflute-ten Gebiete mit einer dicken Schlammschicht uumlberzogen Land- und Feldmarkierungen der einzel-nen Felder waren nicht mehr vorhanden Nach Ruumlckgang der Flut mussten diese neu vermessen werden Neben einem Katasterschreiber als verantwortlichem Beamten waren daran Feldschreiber sowie Stricktraumlger und Strickspanner beteiligt Der fuumlr die Feldvermessung benutzte Strick der durch Knoten als Markierungen in Maszligeinheiten unterteilt war hatte vermutlich eine Laumlnge von 100 Ellen Mittels eines Messstricks mit insgesamt 12 Knoten war so die Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke moumlglich

8

Bild 4 Knotenstrick

Aufgaben mit der Berechnung von Dreiecken und auch Vierecken einschlieszliglich von Trapezen kommen in verschiedenen mathematischen Papyri wie beispielsweise im pRhind und im Demoti-schen Papyri London vor Beispielhaft im Folgenden soll die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines dreieckigen Grundstuumlcks nach pRhind (Aufgabe 51) gezeigt werden Die Aufgabenstellung lautet Wie groszlig ist die Flaumlche eines Dreiecks mit 1000 Ellen bdquomeretldquo (Seite oder Houmlhe) und einer Basis von 400 Ellen Laumlnge Loumlsung Nimm frac12 von 400 das ist 200 um es rechteckig zu machen Multipliziere 1000 mal 200

das ist die Flaumlche

Bild 5 Aufgabe 51 aus dem pRhind

Je nach Form des Dreiecks kommt es wenn anstelle der Houmlhe des Dreiecks mit der Seitenlaumlnge gerechnet wird zu mehr oder weniger groszligen Ungenauigkeiten gegenuumlber der richtigen Flaumlchen So gab es auch reine Approximationsformeln Aus den Tempelinschriften von Edfu ist bekannt dass die Groumlszlige von Feldern (Flaumlche) unter Angabe der vier Seiten a b c und d nach der Formel

middot

= F

berechnet wurde Eine Anzahl der Felder in der Auflistung sind dreieckig Die Angabe der Laumlngen erfolgte dann so bdquoDie westliche Seite ist a die oumlstliche b die suumldliche c die noumlrdliche bdquonichtsldquo Fuumlr die Berechnung wurde dann die Formel

middot

= F

verwendet Diese Naumlherungsrechnungen ermoumlglichten offensichtlich eine in der Praxis ausrei-chende Flaumlchenermittlung

9

Als weiteres Beispiel sei die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines Feldes in Rechteckform nach dem Demotischen mathematischen Papyrus London (Aufgabe 64) angefuumlhrt

Bild 6 Demotischer mathematischer Papyrus London Plate 24

Zwei Seitenlaumlngen des Feldes sind mit der Laumlnge 10 bezeichnet die beiden anderen mit 12 Die Flaumlche berechnet sich nun nach unserem mathematischen Verstaumlndnis ganz einfach 10 mal 12 gleich 120 Das aumlgyptische Rechenverfahren geht jedoch einen anderen Weg (10 + 10)2 mal (12+12)2 Das Ergebnis ist natuumlrlich das gleiche Handelt es sich jedoch um ungleiche Laumlngen eines Rechtecks so werden sofort die Vorteile der aumlgyptischen Rechenmethode sichtbar Aus dem Berliner Papyrus ist uns eine Aufgabe zur Loumlsung von zwei Unbekannten uumlberliefert4

Eine Flaumlche von 100 Quadrat Ellen ist in zwei Quadrate aufzuteilen deren Seiten sich wie

1 zu

verhalten sollen

Der Schreiber nimmt als Rechenansatz die Laumlnge der beiden Quadrate mit 1 und

an Die Ge-

samtflaumlche ermittelt er dann zu 1sup2 + (

)sup2 = 1 +

=

Dann zieht er die Quardratwurzel ndash leider

ohne uns zu veraten nach welcher Regel und erhaumllt den Wert

Nun zieht er die Quadratwurzel

aus der Zahl 100 und teilt diesen Wert durch

Das Ergebnis ist 8 Jetzt multipliziert er die anfangs

willkuumlrlich angenommen Werte 1 und

mit der Zahl 8 und erhaumllt die Laumlngen der beiden Quadrate

mit 8 und 6 Ellen Die beiden Flaumlchen ergeben sich zu 64 und 36 Quadratellen ndash insgesamt 100 Flaumlcheninhalt des Kreises Eine sehr gute Naumlherungsformel zur Berechnung des Kreisinhalts ergibt sich aus Aufgaben der pRind und pMoskau So wird in Aufgabe 50 des pRhind die Frage nach der Berechnung der Flaumlche eines runden Feldes mit dem Durchmesser 9 gestellt Was ist ihr Betrag als

Flaumlche

Die Antwort lautet

Dann subtrahierst du sein

als 1 indem der Rest 8 ist Dann multiplizierst du 8 mit 8 Dann

resultiert 64 Sein Betrag als Flaumlche ist 64 4 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S183

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 8: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

8

Bild 4 Knotenstrick

Aufgaben mit der Berechnung von Dreiecken und auch Vierecken einschlieszliglich von Trapezen kommen in verschiedenen mathematischen Papyri wie beispielsweise im pRhind und im Demoti-schen Papyri London vor Beispielhaft im Folgenden soll die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines dreieckigen Grundstuumlcks nach pRhind (Aufgabe 51) gezeigt werden Die Aufgabenstellung lautet Wie groszlig ist die Flaumlche eines Dreiecks mit 1000 Ellen bdquomeretldquo (Seite oder Houmlhe) und einer Basis von 400 Ellen Laumlnge Loumlsung Nimm frac12 von 400 das ist 200 um es rechteckig zu machen Multipliziere 1000 mal 200

das ist die Flaumlche

Bild 5 Aufgabe 51 aus dem pRhind

Je nach Form des Dreiecks kommt es wenn anstelle der Houmlhe des Dreiecks mit der Seitenlaumlnge gerechnet wird zu mehr oder weniger groszligen Ungenauigkeiten gegenuumlber der richtigen Flaumlchen So gab es auch reine Approximationsformeln Aus den Tempelinschriften von Edfu ist bekannt dass die Groumlszlige von Feldern (Flaumlche) unter Angabe der vier Seiten a b c und d nach der Formel

middot

= F

berechnet wurde Eine Anzahl der Felder in der Auflistung sind dreieckig Die Angabe der Laumlngen erfolgte dann so bdquoDie westliche Seite ist a die oumlstliche b die suumldliche c die noumlrdliche bdquonichtsldquo Fuumlr die Berechnung wurde dann die Formel

middot

= F

verwendet Diese Naumlherungsrechnungen ermoumlglichten offensichtlich eine in der Praxis ausrei-chende Flaumlchenermittlung

9

Als weiteres Beispiel sei die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines Feldes in Rechteckform nach dem Demotischen mathematischen Papyrus London (Aufgabe 64) angefuumlhrt

Bild 6 Demotischer mathematischer Papyrus London Plate 24

Zwei Seitenlaumlngen des Feldes sind mit der Laumlnge 10 bezeichnet die beiden anderen mit 12 Die Flaumlche berechnet sich nun nach unserem mathematischen Verstaumlndnis ganz einfach 10 mal 12 gleich 120 Das aumlgyptische Rechenverfahren geht jedoch einen anderen Weg (10 + 10)2 mal (12+12)2 Das Ergebnis ist natuumlrlich das gleiche Handelt es sich jedoch um ungleiche Laumlngen eines Rechtecks so werden sofort die Vorteile der aumlgyptischen Rechenmethode sichtbar Aus dem Berliner Papyrus ist uns eine Aufgabe zur Loumlsung von zwei Unbekannten uumlberliefert4

Eine Flaumlche von 100 Quadrat Ellen ist in zwei Quadrate aufzuteilen deren Seiten sich wie

1 zu

verhalten sollen

Der Schreiber nimmt als Rechenansatz die Laumlnge der beiden Quadrate mit 1 und

an Die Ge-

samtflaumlche ermittelt er dann zu 1sup2 + (

)sup2 = 1 +

=

Dann zieht er die Quardratwurzel ndash leider

ohne uns zu veraten nach welcher Regel und erhaumllt den Wert

Nun zieht er die Quadratwurzel

aus der Zahl 100 und teilt diesen Wert durch

Das Ergebnis ist 8 Jetzt multipliziert er die anfangs

willkuumlrlich angenommen Werte 1 und

mit der Zahl 8 und erhaumllt die Laumlngen der beiden Quadrate

mit 8 und 6 Ellen Die beiden Flaumlchen ergeben sich zu 64 und 36 Quadratellen ndash insgesamt 100 Flaumlcheninhalt des Kreises Eine sehr gute Naumlherungsformel zur Berechnung des Kreisinhalts ergibt sich aus Aufgaben der pRind und pMoskau So wird in Aufgabe 50 des pRhind die Frage nach der Berechnung der Flaumlche eines runden Feldes mit dem Durchmesser 9 gestellt Was ist ihr Betrag als

Flaumlche

Die Antwort lautet

Dann subtrahierst du sein

als 1 indem der Rest 8 ist Dann multiplizierst du 8 mit 8 Dann

resultiert 64 Sein Betrag als Flaumlche ist 64 4 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S183

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 9: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

9

Als weiteres Beispiel sei die Berechnung des Flaumlcheninhalts eines Feldes in Rechteckform nach dem Demotischen mathematischen Papyrus London (Aufgabe 64) angefuumlhrt

Bild 6 Demotischer mathematischer Papyrus London Plate 24

Zwei Seitenlaumlngen des Feldes sind mit der Laumlnge 10 bezeichnet die beiden anderen mit 12 Die Flaumlche berechnet sich nun nach unserem mathematischen Verstaumlndnis ganz einfach 10 mal 12 gleich 120 Das aumlgyptische Rechenverfahren geht jedoch einen anderen Weg (10 + 10)2 mal (12+12)2 Das Ergebnis ist natuumlrlich das gleiche Handelt es sich jedoch um ungleiche Laumlngen eines Rechtecks so werden sofort die Vorteile der aumlgyptischen Rechenmethode sichtbar Aus dem Berliner Papyrus ist uns eine Aufgabe zur Loumlsung von zwei Unbekannten uumlberliefert4

Eine Flaumlche von 100 Quadrat Ellen ist in zwei Quadrate aufzuteilen deren Seiten sich wie

1 zu

verhalten sollen

Der Schreiber nimmt als Rechenansatz die Laumlnge der beiden Quadrate mit 1 und

an Die Ge-

samtflaumlche ermittelt er dann zu 1sup2 + (

)sup2 = 1 +

=

Dann zieht er die Quardratwurzel ndash leider

ohne uns zu veraten nach welcher Regel und erhaumllt den Wert

Nun zieht er die Quadratwurzel

aus der Zahl 100 und teilt diesen Wert durch

Das Ergebnis ist 8 Jetzt multipliziert er die anfangs

willkuumlrlich angenommen Werte 1 und

mit der Zahl 8 und erhaumllt die Laumlngen der beiden Quadrate

mit 8 und 6 Ellen Die beiden Flaumlchen ergeben sich zu 64 und 36 Quadratellen ndash insgesamt 100 Flaumlcheninhalt des Kreises Eine sehr gute Naumlherungsformel zur Berechnung des Kreisinhalts ergibt sich aus Aufgaben der pRind und pMoskau So wird in Aufgabe 50 des pRhind die Frage nach der Berechnung der Flaumlche eines runden Feldes mit dem Durchmesser 9 gestellt Was ist ihr Betrag als

Flaumlche

Die Antwort lautet

Dann subtrahierst du sein

als 1 indem der Rest 8 ist Dann multiplizierst du 8 mit 8 Dann

resultiert 64 Sein Betrag als Flaumlche ist 64 4 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S183

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 10: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

10

F = (

middot 9 )sup2 = 8sup2 = 64

Bei der Loumlsung dieser Aufgabe wird die Kreisflaumlche der Flaumlche eines Quadrats mit der Seitenlaumlnge 89 des Kreisdurchmessers gleichgesetzt Allgemein geschrieben lautet die Formel

F = (

d )sup2 =

middot 4 rsup2 =

middot rsup2 = 31605 rsup2

Der sich so fuumlr ein bdquoaumlgyptisches πldquo ergebende Wert betraumlgt 31605 (anstelle des exakten Werts von 31416) und stellt eine sehr gute Naumlherung dar Die mit bdquounseremldquo Wert fuumlr π berechnete Flaumlche betraumlgt 63617 Der Fehler betraumlgt somit lediglich 06

Der Koeffizient x = (

)sup2 scheint ein unveraumlnderlicher Faktor zu sein da er auch bei der Berech-

nung des Kreisumfangs U = 4 x d

Verwendung findet Es ist daher anzunehmen dass die Formel fuumlr die Flaumlche den Ausgangspunkt gebildet hat5 Unklar war bisher wie die Schreiber im Alten Aumlgypten zu dieser Formel kamen die doch fuumlr die allermeisten Anwendungsfaumllle eine voumlllig ausreichende Genauigkeit bei der Flaumlchenberechnung von Kreisen besitzt Mathematiker haben vergeblich versucht die Formel abzuleiten Verschiedene Wis-senschaftler vertreten die Meinung dass sie auf ein Achteck wie es in der Aufgabe 48 des pRhind dargestellt ist zuruumlckzufuumlhren sei Dem widersprochen hat kuumlrzlich Uwe Dorka und die Loumlsung ver-oumlffentlicht6

Bild 7 Uumlberschneidungsflaumlchen Rechteck und Kreis

Er geht bei seinem Loumlsungsansatz von einem ingenieurmaumlszligigen Denkansatz aus nachdem numeri-sche Approximationen zur Loumlsungsfindung heute verstaumlrkt in Wissenschaft und Praxis eingesetzt werden Die meisten Probleme seien zu komplex als dass sie sich noch in mathematisch geschlosse-ner Form loumlsen lieszligen Fuumlr die Ermittlung einer gleich groszligen Flaumlche zwischen einem Quadrat und einem Kreis benoumltigt man eine numerische Approximation fuumlr den Flaumlchenausgleich zwischen beiden Figuren In nachfolgender Abbildung ist dies dargestellt Wenn sich die inneren (Fi) und aumluszligeren (Fa)

5 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S124 6 Dorka U E Zur altaumlgyptischen Quadratur des Kreises in Goumlttinger Miszellen (GM) 246 (2015) S17-23

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 11: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

11

Uumlberschneidungsflaumlchen eines Quadrats und eines Kreises ausgleichen haben beide Figuren dieselbe Flaumlche Wird in einer anschlieszligenden Betrachtung der Radius des Kreises in unterschiedliche Einheiten ge-teilt ergeben sich Quadrate die den Kreis an unterschiedlichen Stellen schneiden Die sich auf diese Weise ergebenden Rasterflaumlchen koumlnnen leicht ermittelt dh ausgezaumlhlt werden Stimmt die Summe der inneren und aumluszligeren Quadrate uumlberein ist die Loumlsung gefunden7

Bild 8 Quadratur des Kreises durch Teilung von R (

und

Dorka wertet die sich bei den Rasterteilungen 17 Radius bis 110 Radius ergebenden Differenzen zwischen den Uumlberschneidungsflaumlchen aus und kommt zu dem Ergebnis dass das Raster mit der Teilung 19 mit groszligem Abstand zu den anderen untersuchten Rastern das beste Ergebnis liefert wie aus folgender Tabelle ersichtlich wird

Tabelle 2 Auswertung

7 Die Verwendung von Rasterflaumlchen findet im alten Aumlgypten zB auch bei der Uumlbertragung einer Skizze fuumlr eine Skulptur auf den entsprechenden Steinblock Anwendung

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 12: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

12

Dorka zeigt mit seiner Loumlsung des alten Raumltsels dass im alten Aumlgypten eine ingenieurmaumlszligige Denk-weise vorgeherrscht hat die mit ihrer Einfachheit und akzeptablen Genauigkeit Vorrang vor exakten mathematischen Loumlsungen hatte Aufgaben zur Volumenberechnung Aus verschiedenen anderen Aufgaben des pRhind ergibt sich dass die Berechnung der Volumina von Zylindern (Aufgabe 41) und Wuumlrfeln (Aufgabe 44) als Getreidespeicher sowie Neigungswin-keln von Pyramiden (Aufgaben 56 und 57) Stand der damaligen Rechentechnik war Das Rechenbeispiel fuumlr die Volumenberechnung eines zylinderfoumlrmigen Getreidespeichers (Auf-gabe 41) sei kurz dargestellt

Nimm

von 9 das ist 1 Der Rest ist 8 Multiplizier 8 mit 8 das Ergebnis ist 64 Mach die

Multiplikation 64 mal 10 das Ergebnis ist 640

Der Durchmesser des Speichers betraumlgt 9 die Houmlhe 10 Der Schreiber wendet also die weiter oben

erlaumluterte Formel fuumlr die Berechnung der Flaumlche des Kreises F = (

d)sup2 an und multipliziert diese

dann mit der Houmlhe Das Volumen ergibt sich nach der Formel V = h middot (

d)sup2 Anschlieszligend wird

das Resultat noch in verschiedene Maszligeinheiten fuumlr Getreide azsgedruumlckt In dem pMoskau der 19 mathematische Problemstellungen darunter 4 aus dem Gebiet des Geo-metrie enthaumllt ist auch eine Aufgabe (Nr 14) enthalten die sich mit der Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes befasst Daraus ist zu folgern dass auch das Volumen einer Pyramide berechnet werden konnte wenn die Laumlnge der oberen Seite gleich Null wird Nach Touraeff 1917 stellt sich die Aufgabe (Uumlbersetzung) wie folgt dar8

Bild 9 pMoskau Aufgabe 14 Volumenberechnung eines quadratischen Pyrami- denstumpfes

8 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S19495 Zeichnung nach Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

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Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

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Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 13: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

13

bdquoDie Aufgabe ist einen Pyramidenstumpf (Volumen) zu machen Wenn man dir sagt (hellip) 4 unten

2 oben mache Folgendes Rechne mit dieser 4 quadriert es entsteht 16 verdopple 4 es entsteht

8 Mache Folgendes Rechne mit dieser 2 quadriert es entsteht 4 Addiere diese 16 und diese 8

und diese 4 es entsteht 28 Mache Folgendes Berechne 13 von 6 (Houmlhe der Pyramide) es entsteht

2 Mache Folgendes Rechne mit 2mal 28 es entsteht 56 Was du gefunden hast ist richtigldquo Diese Formel

V = (asup2 + ab + bsup2) middot

ist voumlllig korrekt Diese Formel zur Volumenberechnung eines Pyramidenstumpfes quadratischer Grundflaumlche kann als Glanzstuumlck aumlgyptischer Mathematik bezeichnet werden Neugebauer weist daraufhin dass an dieser Formel einerseits die symmetrische Gestalt andererseits die mathemati-sche Korrektheit uumlberrascht Die korrekte Ableitung dieser Formel verlange die Notwendigkeit von Infinitesimalbetrachtungen die weit uumlber dem Rahmen der Elementargeometrie laumlgen Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit dem Pyramidenbau stellt die Aufgabe 56 des pRhind dar Dabei soll der Ruumlcksprung (seked) das heiszligt Neigung der Auszligenflaumlche der Pyramide berech-net werden

Bild 10 pRhind 56 Berechnung der Pyramidenneigung Der pRhind enthaumllt ebenso eine Aufgabe zur Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

Bild 11 pRhind Berechnung der Houmlhe einer Pyramide

14

Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

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Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

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Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 14: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

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Verbluumlffend ist auch die Aufgabenstellung 10 im pMoskau uumlber die zwischen Aumlgyptologen und Mathematikern seit vielen Jahren gestritten wird Handelt es sich dabei um die Berechnung einer Halbkugeloberflaumlche oder um die eines Halbzylinders9 Diesem Disput kommt eine besondere Bedeutung zu Haben die alten Aumlgypter gewusst dass die Halbkugeloberflaumlche den doppelten Wert der Flaumlche des groumlszligten Kreises der Kugel ausmacht Mehr als tausend Jahre vor den Grie-chen

Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2

Bild 12 pMoskau 10 Berechnung der Oberflaumlche einer Halbkugel () Die Aufgabe 10 des pMoskau lautet nun

Beispiel zur Berechnung einer nbt Wenn man Dir sagt eine nbt mit einer tpndashrA von 4frac12 gibt Lass

mich wissen ihre Flaumlche Nimm 9 von 9 weil die nbt die Haumllfte des i [pt]ist Das macht t Der wissenschaftliche Streit entzuumlndet sich an der Uumlbersetzung des Wortes nbt bzw der Ausle-gung des nicht mehr komplett lesbaren Wortes am Ende der Kolumne 186 Ist damit der Begriff

9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 ff Hoffmann F Die Aufgabe 10 des Moskauer mathematischen Papyrus in ZAumlS 123 (1996) S19ff

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bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 15: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

15

bdquoi[nr]ldquo also eine Halbkugel wie Struwe meint10 oder nach der Auffassung von Peet11 ein Halbzy-linder i[pt] gemeint Der Begriff tpndashrA bezeichnet die Basis Grundlinie in einem rechtwinkligen Dreieck12 und steht hier fuumlr Grundlinie als Rand eines Halbkreises (Durchmesser) Struve hat die Rechenschritte im Einzelnen nachvollzogen und kommt unter Beruumlcksichtigung bdquoaumlgyptischen πldquo (siehe weiter oben) zu der auch heute noch verwendeten Formel fuumlr die Flaumlche einer Halbkugel F = π2 dsup2 = 2 π rsup2 Dem widersprechen Neugebauer und vor allem Hoffmann entschieden Sie weisen auf unter-schiedliche Art und auf Hinweise auf verschiedene Quellen und Vergleiche nach dass mit dem Wort nbt nur die Oberflaumlche fuumlr einen kuppelfoumlrmigen Speicher (Neugebauer) bzw die Flaumlche eines Halbzylinders (Hoffmann) gemeint sein koumlnne Die Formel fuumlr Berechnung der Flaumlche in der Aufgabe 10 des pMoskau lautet nach Neugebauer

F = a (

) 2 d asymp a

Bild 13 Flaumlche eines Halbzylinders Massenberechnung Im pAnastasi I befasst sich eine der drei technischen Aufgaben mit der Er-mittlung der Ziegelmenge die fuumlr den Bau einer groszligen Rampe erforderlich sind Borchardt hat die Rampe aufgrund der Angaben im Papyrus wie folgt dargestellt13

Bild 14 pAnastasi I Berechnung der Ziegelmenge fuumlr den Bau einer Rampe Ermann uumlbersetzt die entsprechende Textstelle des Papyrus wie folgt14

10 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S577 11 Peet TE A Problem in Egyptian Geometry in JEA 17 (1931) p100 ff 12 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S927 13 Borchardt L Die Entstehung der Pyramide An der Baugeschichte der Pyramide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur Aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 14 Erman A Eine literarische Streitschrift in Die Literatur der Aumlgypter Hinrichacutesche Buchhandlung Leipzig 1923 S282

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 16: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

16

Es soll eine Rampe gemacht werden 730 Ellen lang und 55 Ellen breit die 120 Kaumlsten enthaumllt

(um Ziegel zu sparen bestand die Rampe aus vielen Kammern die mit Sand bzw Geroumlll gefuumlllt wurden) und mit Rohr und Balken gefuumlllt ist (groszlige Ziegelmauern erhielten Einlagen von Schilf-matten und Balken) oben 60 Ellen hoch in der Mitte 30 Ellen mit einem hellipvon 15 Ellen und sein

hellip hat 5 Ellen (Zuordnung der Maszligangaben siehe Querschnittszeichnung der Rampe nach Borchardt) Ein jeder Kasten hat 30 Ellen und ist 7 Ellen breit Wie viele Ziegel braucht man Bei dieser Aufgabenstellung ist aus heutiger Sicht nicht so sehr das Ergebnis von Interesse son-dern die Tatsache dass fuumlr Baumaszlignahmen offensichtlich derartig groszlige Ziegelrampen mit einem Neigungswinkel von ca 5deg (Laumlnge der Basis verhaumllt sich zu Houmlhe wie 81) verwendet wurden Diese geringe Steigung fuumlhrte dazu dass die Haftreibung einer gezogenen Last groumlszliger als die Gleitreibung ist und so beim Ziehen der Last jederzeit eine Pause eingelegt werden konnte ohne dass die Last ruumlckwaumlrts rutscht15 Zu der oft behandelten Frage ob der Lehrsatz des Pythagoras bereits im AR bzw im MR bekannt war und angewandt wurde ist anzumerken dass es keinen eindeutigen Beweis dafuumlr gibt Weder sprechen Texte dafuumlr noch dagegen Der pKahun aus der Zeit der 12 Dynastie16 enthaumllt eine Ta-belle die aus vier Quadratzahlen besteht die jeweils als Summe zweier anderer Quadratzahlen dargestellt sind 6sup2 + 8sup2 = 10sup2 (36 + 64 = 100)

12sup2 + 16sup2 = 20sup2 (144 + 256 = 400)

(1

)sup2 + 2sup2 = (2

)sup2 (22 + 4 = 626)

(

)sup2 + 1sup2 = (1

)sup2 (05625 + 1 = 15625

Dabei handelt es sich offensichtlich um die Quadratreihe der jeweils verdoppelten Zahlen 3 4 und 5 bzw deren erneute Verdopplung Die Zeilen 3 und 4 enthalten Divisionen Es liegt der Gedanke nahe an ein rechtwinkliges Dreieck mit 3 Laumlngeneinheiten als Basis mit 4 als Houmlhe und mit 5 als Hypotenuse und einer Verdopplung bzw Halbierung zu denken Leider gibt es auch dafuumlr keiner-lei textliche Hinweise Rechnen mit Bruumlchen Das Rechnen mit Bruumlchen nimmt in den uns uumlberlieferten Rechenbeispielen einen breiten Raum ein Oft sind es auch Aufgaben ohne einen Bezug zu konkreten Anwendungsfaumlllen Diese Rechenart musste ndash wie gleich dargestellt werden wird ndash besonders intensiv geuumlbt werden In unserer heutigen Bruchrechnung erscheinen uns die Bruumlche

und

grundsaumltzlich als gleichwertig Unsere einheitliche Bezeichnung durch Zaumlhler und Nenner unter-

streicht diesen Sachverhalt Im Aumlgyptischen gibt es jedoch fuumlr den Bruch

keinerlei Bezeichnung

Abgesehen von den genannten Individualzeichen kennt die aumlgyptische Bruchrechnung im Grundsatz

nur Bruumlche mit

wobei n irgendeine ganze Zahl ist Der Bruch

wird daher ndash wie spaumlter auch in

15 Muumlller-Roumlmer F Der Bau der Pyramiden im Alten Aumlgypten Utz Verlag Muumlnchen 2011 S8081 16 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S197

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

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Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 17: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

17

der alten griechischen Mathematik ndash in die Bruchfolge

+

+

zerlegt Nur im Sexagesimalsystem

der Babyloner laumlsst sich der Wert als 055 ausdruumlcken Eines der Hauptprobleme der aumlgyptischen Bruchrechnung besteht also darin Bruumlche mit einem an-deren Zaumlhler als 1 in eine Summe von Stammbruumlchen aufzuloumlsen Das bedeutet die vom Bruch dar-gestellte Division durchzufuumlhren und das Ergebnis in Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1 auszudruumlcken Um den Schreibern das Rechnen zu erleichtern wurden verschiedene Tabellen entwickelt und benutzt

Besondere Bedeutung kam dabei der sogenannten

Tabellezu17 Sie druumlckt den Wert eines Bruches

mit dem Zaumlhler 2 als Summe von Bruumlchen mit den Zaumlhlern 1 aus Beispielhaft sei fuumlr n = 3 genannt

=

+

Eine derartige Tabelle mit der Division von 2 durch die ungeraden Zahlen von 5 bis 101 ist im pRhind enthalten (nachfolgend nur bis zur Zahl n = 19 aufgefuumlhrt)18

n

5

+

7

+

9

+

11

+

13

+

+

15

+

17

+

+

19

+

+

Soll beispielsweise der Bruch

so umgewandelt werden dass er nur aus Bruumlchen mit dem Zaumlhler 1

besteht wird er zuerst in

+

zerlegt Mit dem Wert fuumlr

aus der Tabelle ergibt sich dann

=

+

+

17 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S 147ff 18 Ebenda S153

18

In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

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Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 18: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

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In der Tabelle ist die Zahl 3 nicht aufgefuumlhrt da

zu den Bruumlchen gehoumlrt mit denen standardmauml-

szligig gerechnet wurde Alle geraden Zahlen waren automatisch teilbar Vermutlich wurden die in der Tabelle aufgefuumlhrten Werte aufgrund von Erfahrungen gewonnen bzw durch Probieren er-mittelt Daruumlber hinaus sind zwei weitere Tabellen bekannt Eine Tabelle fuumlr die Zerlegung von Bruumlchen aus der Lederrolle Britisches Museum London19 und eine weitere ist bruchstuumlckhaft aus dem pRhind bekannt20 Im Folgenden sollen die Schwierigkeiten bei der Division mit Bruumlchen anhand zweier Beispiele dar-gestellt werden Die Rechenaufgaben zur Bruchrechnung im pRhind weisen unter den mit der uumlbli-chen schwarzen Tusche geschriebenen Zahlzeichen fuumlr die Bruumlche auch noch rot geschriebene Zahlen auf Als Beispiel sei die Aufgabe 22 genannt

+

+

+

= 1

20 6 3 1 Wenn man 30 als kleinsten gemeinsamen Nenner annimmt bedeuten die roten Zahlen die Zaumlhler der einzelnen Summanden

+

+

+

= 1

Die rot geschriebenen Zahlen stellen somit eine Hilfestellung zur Ermittlung der richtigen Loumlsung bzw zu deren Kontrolle dar

Andere Aufgaben des pRhind zeigen dass diese roten Hilfszahlen jedoch keineswegs generell als Einfuumlhrung eines gemeinsamen Nenners dienen was anhand eines zweiten Beispiels gezeigt werden soll21

bdquoTeile

(

$

)

ldquo

Die Loumlsung beinhaltet folgende Schritte Der Divisor 1 +

+

wird mit 1 angenommen

1 1 +

+

Im Folgenden wird von der bdquo

Reiheldquo Gebrauch gemacht Dies entspricht einer Regel fuumlr die aumlgyp-

tische Bruchrechnung

Zur Berechnung von

im vorliegenden Fall vom Wert 1 +

+

werden folgende Summanden

gebildet

19 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S170 20 ebenda S171 21 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgrie-chische Mathematik in Hrsg Doob Jl ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S115ff

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von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

22

Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

24

Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 19: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

19

von 1 =

von

=

von

=

=

somit ergibt sich

+

+

Weiter werden anstelle von

=

die Werte

(anstelle von

) und

verwendet sodass sich als Summe des og

Bruchs ergibt

+

+

+

Durch Umwandlung erhalten wir

+

+

=

+

+

= 1 +

Die weiteren Schritte ergeben sich durch Teilung des bdquoganzzahligenldquo Bruchs

auf einfache Weise

Dabei werden bdquogeradzahligeldquo Hilfszahlen fuumlr den Wert 1 ausprobiert die Addition der Teilsummen muss dann den doppelten Wert des kleinsten Nenners ergeben Fuumlr die Hilfszahl 36 ergeben sich beispielsweise folgende Werte

1 1 +

+

57 (36 + 12 + 9)

1 +

38

+

19

+

9 +

Um die gebrochene Hilfszahl 9 +

zu vermeiden muss die Hilfszahl 2 middot 36 = 72 ausprobiert werden

Auch diese reicht noch nicht aus sodass die Zahl 144 getestet werden muss

1 1 +

+

228 (144 + 48 + 36)

1 +

152

frac12 + 136 76

+

38

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

21

Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

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Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

23

Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

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Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 20: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

20

+

19

Damit ergibt sich als Hilfszahlensumme 285 Diese liegt von der Zuordnung 1 zu 144 bzw 2 zu 288 nur noch um drei Zaumlhler entfernt Diese Differenz wird nun aufgrund der Zahl 144 der ersten Zeile aufgefuumlllt

2

1 288

Ergebnis

(

$

)

= 1 +

+

+

+

An diesen Beispielen wird der Unterschied zwischen der aumlgyptischen und babylonischen Mathematik sehr deutlich Die babylonische Rechentechnik ist ein in sich abgeschlossenes System ohne besondere Problematik bei der Bruchrechnung Die aumlgyptische Mathematik hingegen steht auf einer rein addi-tiven Stufe bei welcher die Multiplikation auf eine stufenweise Addition zuruumlckgefuumlhrt wird Das Beispiel vorstehend geschilderter Aufgaben hat den damit verbundenen Rechenaufwand und die bdquoUmstaumlndlichkeit des Rechenverfahrensldquo gezeigt Die aumlgyptische Rechentechnik ist also kein in sich geschlossenes mathematisches Verfahren

Bild 15 Schreiberfigur

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Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

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Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

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Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

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Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 21: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

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Ausbildung der Schreiber im Alten Reich Entsprechend der Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft umfasste die Ausbildung der Schreiber in erster Linie die Kenntnisse der Schrift Daruumlber hinaus besaszligen sie Spezialkenntnisse die fuumlr das Wirtschaftsleben notwendig waren wie fuumlr das Verfassen von Schriftstuumlcken (Muster-briefe) und Grundregeln der Mathematik sowie das Berechnen von Flaumlchen und Volumina Der aumlgyptische Ausdruck sbA (cedilLlsquog() bdquojemanden etwas lehrenldquo22 konnte auf ganz unterschiedliche Wissensgebiete bezogen sein Im Alten Reich war die Ausbildung der Schreiber in der Weise or-ganisiert dass ein oder mehrere Schuumller zu einem Schreiber in die Lehre gingen und so dieses Handwerk erlernten Oft ergriffen auch Kinder eines Schreibers spaumlter dessen Beruf Schreiberschulen im Mittleren und Neuen Reich Durch den Verfall Zentralstaats und dessen Verwaltung zu Beginn der 1 Zwischenzeit kam es uumlber einen Zeitraum von fast 140 Jahren zu einem Ruumlckgang der Anzahl der Schreiber sodass mit Beginn des Mittleren Reichs eine andere rationellere Methode fuumlr die Ausbildung fehlender fuumlr den Wiederaufbau der Zentralregierung jedoch unbedingt notwendiger Schreiber eingefuumlhrt wer-den musste um fuumlr Verwaltung und Wirtschaft sowie Auszligenhandel eine genuumlgend groszlige Zahl von Fachkraumlften zur Verfuumlgung stellen zu koumlnnen Die Einzelausbildung wurde durch Gruppenunter-richt in Schulen abgeloumlst Dabei bezeichnet der Begriff Ct sbA die Einrichtung Es koumlnnen damit sowohl ein Platz wie auch ein Gebaumlude gemeint sein23 Archaumlologisch sind nur wenige Schulplaumltze belegt (Ramesseum in der Naumlhe der Magazine Deir el-Medine Mut-Tempel) Aus der Zeit des Endes der 11 oder des Beginns der 12 Dynastie ist das erste bdquoSchulbuchldquo Kemit bekannt welches auch spaumlter im Neuen Reich noch Verwendung fand Bruchstuumlcke davon sind als Schreibuumlbungen der Schuumller auf vielen Ostraka erhalten Posener konnte daraus etwa die Haumllfte des Originaltextes rekonstruieren Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung fuumlr die Ver-waltung wichtiger Begriffe und Saumltze Das Buch teilt sich in drei Teile (Begruumlszligungsformeln Er-zaumlhlung und Sentenzen) Bartha nimmt an dass das Schulbuch Kemit die damaligen Briefeinleitungsformeln moumlglichst vollstaumlndig auffuumlhrte um dem Schuumller fuumlr seinen spaumlteren Be-ruf entsprechende Auswahlmoumlglichkeiten zu bieten24 Unmittelbar an die Begruumlszligungsformeln schlieszligt sich eine Erzaumlhlung an Der dabei exemplarisch aufgefuumlhrte Stil der Erzaumlhlung gehoumlrte ganz offensichtlich zum Lehrstoff Die Sentenzen im dritten Abschnitt des Schulbuchs enthalten neben Auszuumlgen aus den Lebenslehren auch Beispielsaumltze aus einer Idealbiografie welche der Schreiber spaumlter verwenden konnte Der Schuumller musste also lernen wie man Briefe schrieb An-reden formulierte Sachverhalte darstellen konnte (Erzaumlhlungen) und wie Werdegaumlnge (Biogra-fien) beschrieben werden mussten Es gab keinen Beruf des bdquoLehrersldquo Die bdquolehrendenldquo Schreiber kamen sowohl aus der staatlichen Verwaltung wie aus der Tempelverwaltung Im Neuen Reich entsandte auch die Militaumlrverwaltung Schreiber Die Schuumller scheinen aus verschiedenen Bevoumllkerungsschichten gekommen zu sein und traten im Alter zwischen 5 und 10 Jahren ihre Ausbildung an

22 Hannig H Groszliges Handwoumlrterbuch Deutsch ndash Aumlgyptisch S790 23 Lexikon der Aumlgyptologie Band V S742 ndash Schule 24 Bartha W Das Schulbuch Kemit Zeitschrift fuumlr Aumlgyptische Sprache und Altertumskunde (ZAumlS) 105 (1978) S6-14

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Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

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Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

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Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 22: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

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Der Unterrichtsstoff weitete sich bis zum Neuen Reich hin staumlndig aus und umfasste neben Schreib- und Leseuumlbungen die klassischen Lebenslehren selbst erstellte Schultexte (Schuumllerhand-schriften) Musterbriefe und das Lernen von Ortsnamen aufgrund erstellter Listen Hinzu kam zu-mindest teilweise die Aus- bzw Weiterbildung der Schreiber als Dolmetscher So gab es in zur Zeit AmenophisacuteIII und unter Echnaton auch Schreiber die den internationalen Schriftverkehr in Keilschrift verfassen konnten Das Lernen geschah durch Niederschreiben und wiederholtes Auf-sagen bzw Abfragen Die Schulung des Gedaumlchtnisses war in einer Welt des sehr begrenzten schriftlichen Festhaltens das einzige Mittel um spaumlter im Berufsleben alle wichtigen Informatio-nen schnell verfuumlgbar zu haben Mit Beginn der Saitenzeit (26 ndash 31 Dynastie 7 Jh VChr) begann sich in ganz Aumlgypten die Demotische Schrift auszubreiten Schreiber waren in dieser Zeitepoche gezwungen hieratisch und Demotisch parallel zu beherrschen Die altaumlgyptischen Schulen wurden ab dem 4 Jahrhundert vChr durch die sich im gesamten Mit-telmeerraum verbreitenden griechischen Schulen sowie durch die hellenistische Bildung abgeloumlst Die klassische aumlgyptische Schule zog sich als Priesterschule in die Tempelbereiche zuruumlck Da fuumlr sehr viele Beamte der Verwaltung das Zaumlhlen Messen Vermessen und Berechnen von Flaumlchen und Volumina zur taumlglichen Arbeit gehoumlrte nahmen die Rechnungsfuumlhrung und die dafuumlr erforderlichen mathematischen Kenntnisse bei der Ausbildung der Schreiber einen breiten Raum ein Aus dem Schulbetrieb sind Anfaumlngeruumlbungen und Handbuumlcher fuumlr Fortgeschrittene bekannt Im pAnastasi V 22-23 (Zeit Ramses II) ebenfalls einer Schuumllerhandschrift heiszligt es ua Mathematikunterricht ndash wozu

Was folgendes betrifft Ich habe Dich zur Schule geschickt (hellip) um Dich fuumlr dieses

bedeutende Amt zu unterrichten (hellip) Sei nicht muumlszligig Sie (sagen) 3 und 4 Du

beherrschst die anderen Ding auch (hellip) Du beginnst die Rechnung Du wirst Rech-

nungen still ausfuumlhren ohne dass ein Ton gehoumlrt wird (hellip) Lerne vom Verhalten

Deines Lehrers Houmlre seine Lehre werde ein Schreiber

Schlussbemerkung Die aumlgyptische Geometrie orientiert sich stets an der Praxis Die mathematischen Kenntnisse be-ruhten ausschlieszliglich auf Erfahrungswerten Es wurden nicht irgendwelche abstrakten Figuren sondern dreieckige oder quadratische Felder sowie Volumina berechnet Den Aumlgyptern ging es nicht um mathematische Beweise sondern immer um Rechenvorschriften um bdquoRechenrezepteldquo mit mehr oder weniger guten Naumlherungswerten Die Entwicklung der Geometrie war eng mit den Beduumlrfnissen der Praxis verknuumlpft und an den Erfordernissen der Feldeinteilung und -vermessung der Architektur und des Bauwesens sowie an der Messung von Rauminhalten orientiert Heute wuumlrde man sagen dass ingenieurmaumlszligiges Denken diese Entwicklung entscheidend gepraumlgt hat Das aumlgyptische Zahlensystem mit der Basis 10 erleichterte zwar das Rechnen aber das Fehlen des Positionssystems fuumlhrte zu einer schwerfaumllligen Rechentechnik ndash insbesondere mit Bruumlchen Es konnten viele Teilungsmoumlglichkeiten verwendet werden um auch kleine Einheiten und Winkel-unterschiede darzustellen Die mit der damaligen Rechentechnik gefundenen Loumlsungen sind be-wundernswert Obwohl der Wissenschaft uumlber die aumlgyptische Geometrie nicht allzu viel Quellenmaterial zur Verfuumlgung steht schneidet diese im Vergleich zur mesopotamischen Geomet-rie besser ab als dies umgekehrt bei der Arithmetik der Fall ist

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Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

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Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

Page 23: Die Mathematik im alten Ägypten - Heidelberg Universityarchiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3219/1/Mueller...Einmal der Papyrus Moskau (E4676) und zum anderen der im Britischen

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Die genannten Mathematikaufgaben sind nur ein kleiner Teil der bekannten Aufgabenstellungen Sie zeigen jedoch welche Bedeutung der Mathematikunterricht bei der Ausbildung der Schreiber hatte Gleichzeitig belegen sie die Bedeutung der Loumlsung mathematischer Problemstellungen fuumlr die Verwaltung des Alten Aumlgypten Es waumlre jedoch falsch die bdquomathematischenldquo Texte von den anderen Papyri getrennt zu betrachten Sie gehoumlren zum praktischen Handwerkszeug der Schrei-ber Die Aufgaben duumlrften lediglich eine Zusammenstellung von Musterbeispielen fuumlr die Durch-fuumlhrung derartiger Aufgaben gewesen sein Der Schreiber hatte diese Aufgaben durchzurechnen um in der Wirklichkeit dann solche Aufgaben loumlsen zu koumlnnen Die aumlgyptische Mathematik und Rechentechnik haben offensichtlich einen beachtlichen Einfluss auf die Herausbildung einer mathematischen Wissenschaft in der griechischen Welt ausgeuumlbt Sie wurden von den griechischen Historikern hoch geruumlhmt und als Quelle ihrer eigenen Kenntnisse betrachtet Bereits Herodot berichtete im 5 Jahrhundert vChr dass die Griechen die Geometrie von den Aumlgyptern und die Astronomie von den Babyloniern erlernten Platon griechischer Philosoph im 4 Jahrhundert vChr befasste sich eingehend mit dem Zusam-menhang zwischen Mathematik und Musiktheorie den er δεσmicroός ndash das Band ndash nannte In seinen bdquoNomoildquo fuumlhrte er dazu aus dass die drei Wissensgebiete Arithmetik Geometrie und Musiktheo-rie miteinander als eine Einheit verbunden seien Platon hielt sich einige Monate zu Studien in Heliopolis auf und sprach von den mathematischen Kenntnissen im damaligen Aumlgypten voller Hochachtung25 Literatur (Auswahl) Chase A B ua The Rhind Mathematical Papyrus I-II Ed Mathematical Association of America Oberlin Ohio 1927 Imhausen A Aumlgyptische Algorithmen Eine Untersuchung zu den mittelaumlgyptischen mathemati-schen Aufgabentexten Harrassowitz 2003 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 Roccati A Der Schreiber in (Hrsg Donadoni) Der Mensch im alten Aumlgypten Campus 1992 Schlott A Schrift und Schreiber im Alten Aumlgypten Beck Muumlnchen 1989 Struve W W Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schoumlnen Kuumlnste in Moskau Springer Berlin 1930 Vogel K Vorgriechische Mathematik Band 1 Vorgeschichte und Aumlgypten Herrmann Schroedel Hannover

25 Horneffer A Herodot Historien ndash Deutsche Gesamtausgabe Kroumlner Stuttgart Historien IV Kapitel 27

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Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22

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Bildernachweis Bild 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Bild 2 Wikipedia bdquoHorusaugeldquo Bild 3 pRhind British Museum BM 10057-8 copyTrustees of the British Museum Bild 5 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S186 Bild 6 Parker Richard A Demotic mathematical papyri Brown Univers Press 1972 pl24 Bild 7 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 21 Bild 8 ebenda S22 Bild 9 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S127 Bild 10 Pichot A Die Geburt der Wissenschaft Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 S196 British Museum London (BM 10058) copyTrustees of the British Museum Bild 11 British Museum London (BM 10057) copyTrustees of the British Museum Bild 12 Neugebauer O Vorlesungen uumlber Geschichte der antiken mathematischen Wis- senschaften Erster Band Vorgriechische Mathematik in Hrsg Doob J L ua Die Grundlagen der mathematischen Wissenschaften Bd 43 Springer Verlag Berlin 1969 S129 Bild 13 ebenda S136 Bild 14 aus Borchardt L Die Entstehung der Pyramide Aus der Baugeschichte der Pyra mide von Meidum nachgewiesen in Beitraumlge zur aumlgyptischen Bauforschung und Altertumskunde Heft 1 Kairo 1937 S22 Bild 15 Schreiberfigur Paris Museacutee du Louvre E 3023 Tabellennachweis Tabelle 1 Kemet Jahrgang 20 Heft 4 Oktober 20122 S27 Tabelle 2 Dorka UE Zur Altaumlgyptischen Quadratur des Kreises GM 246 (2015) S 22