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Die neue Methodologie Walter Euckens: Bemerkungen zu dem Buch : „Die Grundlagen der Nationalökonomie“ Author(s): Hans Peter Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 8, H. 1 (1941), pp. 158-171 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40908377 . Accessed: 10/06/2014 08:11 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.79.69 on Tue, 10 Jun 2014 08:11:56 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Die neue Methodologie Walter Euckens: Bemerkungen zu dem Buch : „Die Grundlagen derNationalökonomie“Author(s): Hans PeterSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 8, H. 1 (1941), pp. 158-171Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40908377 .

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Die neue Methodologie Walter Euckens Bemerkungen zu dem Buch :

„Die Grundlagen der Nationalökonomie44

von

Hans Peter

E u e k e n hat mit seinem Buch „Die Grundlagen der National- ökonomie" die nationalökonomische Literatur um ein ausgezeichnetes methodologisches Werk bereichert. Das Buch ist zugleich ein glänzen- des Lehrbuch, das in der Hand jedes Nationalökonomen, aber auch schon des Studenten gerade in einer Zeit, in der die strenge Methode in Verfall zu geraten droht, für die deutsche Wissenschaft von der größten Bedeutung ist.

Wenn ich Euckens Grundlagen der Nationalökonomie als ein Lehrbuch der Methode bezeichne, so ist das, obwohl ich mich damit in Gegensatz zu seinem Vorwort setze, zum Lobe seines Buches gesagt, denn dieses Buch ist eine Methodologie, wie sie sein soll; hier gaukelt uns kein Anfänger die Fata Morgana einer alles überbietenden neuen Wissenschaftlichkeit vor, sondern hier zeigt ein Mann auf Grund hart erarbeiteter Erfahrungen an einer Fülle von Beispielen, wie man es machen muß, um zu gesicherter Erkenntnis zu kommen. Bei dieser didaktisch meisterhaften Auseinanderlegung des wissenschaftlichen Handwerkszeuges zeichnen sich die Konturen der nationalökonomi- schen Theorie im Hintergrund scharf ab. Es wäre ein Nachteil ge- wesen, in dieses Buch eine vollständige Darstellung der nationalöko- nomischen Theorie mit hineinzuarbeiten. Die Grundlagen, die hier gegeben werden, sind eben die Forschungsmittel, deren sich der Na- tionalökonom als empirischer Theoretiker zu bedienen hat. Darin liegt zugleich auch eine Grenze des Werkes, denn die Aufgabe des National- ökonomen erschöpft sich nicht in der Schaffung einer Theorie und in der Erklärung der Geschichte; seine Gegenwartsaufgabe ist, die

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Grundlagen zur Gestaltung der Volkswirtschaft zu geben und von diesen ist die Theorie nur ein Teil. Die politische Zielsetzung ruht aber auf philosophischen Grundlagen, die eine selbständige Disziplin aus- machen. Dieser Disziplin hat E u e k e n seine Aufmerksamkeit nicht zugewandt.

Das Neue, was E u e k e n als Theoretiker zu geben hat, geht aus dem Buch deutlich hervor. Seine Hauptleistung besteht in der ein- dringlichen, klaren und neu systematisierten Darstellung der For- schungsmethoden unserer Wissenschaft, wie sie in den letzten Gene- rationen erarbeitet worden ist.

Ein Schatten fällt auf das Buch, der die Gefahr in sich birgt, daß der Wert der Leistung nicht von allen uneingeschränkt anerkannt wird. Er geht von einem Zuge aus, den E u e k e n der jüngsten Gene- ration entlehnt haben könnte: „Aber weil die überkommenen Lehr- ansichten versagen, müssen wir an den Gegenstand selbst völlig neu herangehen. Die Fortführung irgendeiner vorhandenen Ge- dankenrichtung - etwa einer „Historischen* * oder einer „Theoreti- schen** Eichtung - kommt nicht in Betracht. Vom Lehrgehalt aller überkommenen Nationalökonomie sehen wir zunächst völlig ab. In diesem Punkt muß die Hal- tung radikal sein** (S. 80/81). „Die Welt, sie war nicht, eh ich sie erschuf**, sagt der Baccalaureus im Faust. Die darin zutage tretende Unterschätzung der Tatsache, daß auch die größte eigene Leistung nie mehr ist als ein Sandkorn, das man auf den von den Vorgängern gehäuften Berg tragen darf, steht in Widerspruch zu der gerade von E u e k e n betonten Bedeutung der Geschichte. E u e k e n hat durch- aus Grund, stolz auf seine eigene Leistung zu sein, den sicheren Weg zu klarer Erkenntnis deutlich und verständlich gezeichnet zu haben. Sein Verdienst wird nicht geschmälert, wenn er zugibt, daß dieser Weg derselbe ist, den die fruchtbaren Theoretiker der Nationalökonomie von jeher verfolgt haben. Freilich, sie fanden noch nicht die Karten vor, an Hand deren E u e k e n sich orientieren konnte, und es ist richtig, daß E u e k e n diese Karten verbessert hat. Nur ganz neu hat er sie nicht gezeichnet ; das wird vielleicht am deutlichsten an dem logi- schen Kernstück seiner Methodenlehre, an der „großen Antinomie.**

Das unter diesem Stichwort vorgetragene Lehrstück der Methodo- logie steht in einer empirischen Wissenschaft stets im Vordergrund des Interesses. E u e k e n ist es gelungen, diesen spröden Stoff so plastisch darzustellen, daß auch der nicht philosophisch geschulte Leser

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einen klaren Einblick in das Kernstück dieser Frage tun kann. Klar und eindeutig wird hier gesagt, daß nicht nur der Kationalismus zu wirklichkeitsfremden Ergebnissen führt, sondern daß auch der reine Empirismus die Wirklichkeit nicht zu erfassen vermag. Das geschäft- liche Alltagsgeschehen muß zugleich historisch individuell wie allge- mein theoretisch erfaßt werden. Es ist didaktisch äußerst geschickt, diese Skylla und Charybdis der empirischen Wissenschaften als eine Antinomie zu bezeichnen, denn der entscheidende Mangel aller ein- seitigen Wissenschaftler besteht immer nur darin, daß sie die rechte Mitte zwischen Bationalismus und Empirismus nicht zu halten wissen. Die einen spekulieren, d. h. sie verlieren sich mit ihren gedanklichen Konstruktionen ins Blaue, die anderen bleiben im Materialsammeln stecken und finden keinen Plan für ihre Arbeit.

So richtig die Tendenz ist, die durch dieses methodologische Lehr- stück vertreten wird, so ist die gewählte Formulierung doch wieder nicht ohne jede Gefahr. Man muß hier vielleicht noch etwas radikaler sein, als es E u e k e n manchmal zum mindesten zu sein scheint. Die rationalistischen Begriffsrealisten werden ebenso wie die Empiristen als wirklichkeitsfremd bezeichnet. Ich möchte hier noch einen Schritt weiter gehen und sagen, es gibt weder reine Eationalisten noch reine Empiristen, und wer das eine oder das andere zu sein vorgibt, bildet sich das nur ein. Empirie ohne jede rationale Form und Theorie ohne jeden materiellen Inhalt sind beide grundsätzlich un vollziehbar. Jeder noch so unzulängliche Versuch, Erklärungen der Wirklichkeit zu geben, mögen sie angeblich rein empirisch oder rein rational sein, enthält immer sowohl Empirie wie Eatio, weil nun einmal in der Realität Form und Inhalt nicht voneinander getrennt werden können.

So leicht sich aber sagen läßt, was auf der einen wie auf der anderen Seite als Extrem grundsätzlich unmöglich ist, so schwer läßt sich sagen, wie im konkreten Fall die „Mischung" zwischen Empirie und Eatio beschaffen sein muß. Während reiner Rationalismus und reiner

Empirismus etwas grundsätzlich Unmögliches sind, ist die vollkom- mene Theorie ein Ideal im Sinne von etwas Unerreichbarem. Die Form kann immer verbessert und klarer gemacht werden, der Inhalt kann immer erweitert werden, ohne daß hier jemals ein Letztes erreicht würde, das nicht mehr übertroffen werden könnte.

Über diesen Sachverhalt dürfte zwischen E u e k e n und mir kaum eine Meinungsverschiedenheit bestehen. So trifft E u e k e n s Kritik durchaus zu Recht Spann, den er nennt, und andere Sek-

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tierer, die er nicht nennt. Aber sein eigenes System ist nicht völlig gesichert vor der Kritik, und zwar ist es gerade deshalb nicht gesichert, weil er alle Vorgänger verurteilt und ablehnt. Denn was macht er grundsätzlich Neues, das sich von dem Verfahren aller dieser Vor- gänger von Grund aus unterschiede ? Auch er sammelt Tatsachen, auch er konstruiert abstrakte Modelle. Ich möchte noch einmal ausdrücklich hervorheben, daß ich ihm in seiner Grundeinstellung sehr weitgehend Eecht geben kann. Ein Dualismus, der die Wirtschaftswissenschaften in einen historischen Teil, der auf Theorie verzichtet, und einen theo- retischen Teil, der die Geschichte vernachlässigt, spaltet, ist verderb- lich. Erst beide zusammen bilden das Ganze, und sie stehen nicht je für sich abgeschlossen nebeneinander, sondern befruchten sich gegen- seitig. Trotzdem gibt es eine Disziplin Wirtschaftsgeschichte und eine Disziplin Wirtschaftstheorie, und im Laufe der Entwicklung der Ge- samtwirtschaft gibt es Phasen, in denen mehr die eine oder mehr die andere im Vordergrund stehen muß. Es ist deshalb wohl richtig, daß der Theoretiker nicht in der vordersten Linie der Erforschung wirt- schaftsgeschichtlicher und anderer geschichtlicher Tatsachen liegt, während er sich der formalen Verfeinerung des theoretischen Apparates widmet. Aber man darf das nicht so hinstellen, als hemme der Theo- retiker, indem er sich der formalen Verfeinerung des theoretischen Apparates widmet, die Entwicklung der empirischen Forschung. Diese formale Verfeinerung ist vielmehr sehr notwendig, um den Problemen gerecht werden zu können, die eine subtilere Geschichtsforschung stellt (S. 40).

Die Frage, ob die Theorie der Geschichte vorauszugehen habe oder umgekehrt, ist ganz falsch gestellt. Es ist deshalb ganz richtig, wenn E u e k e n immer wieder betont, daß die theoretische Fragestel- lung in der Wissenschaft von vornherein gepflegt werden muß (S. 25). Das will aber nicht besagen, daß die Theorie oder auch nur die primitivste Begriffsbildung der individuell-historischen Erfassung der Tatsachen vorausgehen müsse; es ist vielmehr so: wo immer ein Er- fahrungssatz ausgesprochen wird, da ist uno actu eine konkrete Beob- achtung und eine begrifflich theoretische Einsicht gegeben, wenn viel- leicht auch nur rudimentär.

E u e k e n weiß sehr wohl, daß Erfahrung, auch Alltagserfahrung, ohne Begriffe unmöglich ist (S. 9), aber das Problem, wie wir denn in den Besitz der ersten Begriffe kommen, löst er nicht. Hier schlägt er vielmehr eine Volte. Er wirft plötzlich den Unterschied zwischen wis-

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senschaftlicher und Alltagserfahrung in die Erörterung und behauptet : „Die Wissenschaft ist gar nicht imstande, zu Anfang ihrer Arbeit wissenschaftliche Definitionen zu geben. Will man vor Untersuchung der Tatsachen den Begriff der Wirtschaft bestimmen, so fehlt jedes Fundament" (S. 9). Um nun überhaupt anfangen zu können, meint er die wissenschaftliche Untersuchung vorläufig mit den noch nicht defi- nierten oder unvollkommenen und unbestimmten Begriffen der All- tagserfahrung bestreiten zu müssen. Zwischen dieser Alltagserfahrung und der wissenschaftlichen Erfahrung zieht er einen sehr scharfen Strich. Er bezeichnet die Alltagserfahrung geradezu als „anders ge- artet" als die wissenschaftliche Erfahrung (S. 25). Dem muß ich ent- gegenhalten, daß es einen solchen spezifischen Unterschied zwischen Alltagserfahrung und wissenschaftlicher Erfahrung überhaupt nicht gibt. Es verhält sich mit der wissenschaftlichen Erfahrung etwa so wie mit der höheren Mathematik, die man auch gegenüber der niederen Mathematik nicht scharf abgrenzen kann, es sei denn dadurch, daß man die eine beherrscht und die andere nicht. Der Unterschied ist in Wirklichkeit nur graduell. Denn was ist schließlich Alltagserfahrung anderes als die populär gewordene wissenschaftliche Erfahrung einer älteren Generation! Es ist auch nicht so, daß wir gänzlich neu an die Tatsachen herangehen, wenn wir einen neuen Weg suchen. Wir können nicht über unseren eigenen Schatten springen und den Schritt zur ersten Erfahrung bewußt vollziehen; wir können nur einen gegebenen Erfahrungssatz - mögen wir diesen nun vorwissenschaftlich nennen oder ihn einer früheren wissenschaftlichen Periode zurechnen - auf seine Eichtigkeit prüfen, und das kann nur in der Weise geschehen, daß wir eine Zergliederung dieses Satzes vornehmen und uns regressiv die Grundlagen zum Bewußtsein bringen, auf denen er beruht. Und da werden wir dann empirische und rationale Bestandteile dieser Er-

fahrungserkenntnis finden, wenn wir die empirischen Bestandteile auf ihre anschauliche Evidenz prüfen und uns die rationale Form zum Bewußtsein bringen. Überdies werden wir die logische Bündigkeit et-

waiger Schlüsse überprüfen. Dabei wird sich herausstellen, daß jeder Erfahrungssatz die Vorstellung von einer Einheit enthält, die nicht aus der Beobachtung stammt, sondern die wir kraft unseres Denk-

vermögens konzipiert haben. In dieser Konzeption waren wir bei der

Aufstellung des Erfahrungssatzes frei. Sie können wir durch eine andere ersetzen und so von einem Gedankengebäude zu einem anderen über-

gehen. An diese Vorstellungen denkt offenbar auch E u e k e n , wenn

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er davon spricht, daß in gewissen Fällen Definitionen, die am Anfang der Wissenschaft stehen, ein Axiom enthalten, und wenn er für empi- rische Wissenschaften es ablehnt, solche Axiome unbewiesen hinzu- nehmen.

In der Tat sind diese „Axiome" - wenn wir sie wirklich einmal so nennen wollen - nichts anderes als Hypothesen, d. h. problema- tische Urteile über das Ganze, als dessen Teil wir die einzelne Beob- achtung erkennen. Es ist der Fehler aller Begriffsrationalisten, für eine empirische Wissenschaft Grundprinzipien aufstellen zu wollen, die a priori, d. h. unabhängig von aller Erfahrung etwas Materielles aus- sagen sollen. Insofern ist die Kritik an Spann u. a. völlig berechtigt. Der Begriffsfetischismus führt wirklich nur in die Irre. So berechtigt E u e k e n s Kampf gegen die Begriffsnationalökonomie ist, die den gesamten Gehalt der ökonomischen Theorie aus willkürlich definierten Grundbegriffen deduzieren möchte, so ist doch die These, daß am Anfang der theoretischen Nationalökonomie keine Definitionen stehen dürften, etwas zu allgemein. Wenn man E u e k e n s eigenes System betrachtet, so bemerkt man, daß auch da gewisse Definitionen am Anfang stehen, z. B. „Haushalt", „Betrieb", „Gut", „Wert" usw., und dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Was nicht an den Anfang gehört, sind natürlich Definitionen wie z. B. des „Kapitalismus" oder der „freien Wirtschaft". Welches die Wirtschaftsform der deutschen Volkswirtschaft vor dem Weltkrieg ist, läßt sich nur auf Grund genauer Analyse - sagen wir ruhig der Wirtschaftsordnung im Eucken- sehen Sinn - ausmachen. Die einzelnen Feststellungen, die dazu notwendig sind, lassen sich immer nur machen, indem zunächst die Elementarformen untersucht werden und dann festgestellt wird, welche Elementarformen in der untersuchten Periode wirklich vorkommen.

Die entscheidende methodologische Frage ist, wie man von vagen Hypothesen, deren problematischer Charakter außer Zweifel ist, zu fundierter empirischer Theorie kommt. Hier müssen wir insofern resig- nieren, als auch die beste empirische Wissenschaft, weil sie auf unvoll- ständigen Induktionen aufbauen muß, immer nur zu wahrscheinlichen Grundsätzen kommt. Alle ihre Sätze bleiben insofern Hypothesen, als die Möglichkeit offen gelassen wird, daß neue Beobachtungen zur Ab- änderung der Hypothesen zwingen.

Eine Hypothese ist problematisch, insofern sie zunächst nur als möglicher Grundsatz, aus dem sich die konkreten Vorgänge erklären lassen, konzipiert wird. Als erhärtet ist sie anzusehen, sobald empirisch

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nachgewiesen werden kann, daß sich alle in dem betreffenden Tat- sachenbereich gemachten Beobachtungen wirklich widerspruchsfrei aus ihr verstehen lassen. Der Umstand, daß Schlüsse, die auf Grund einer solchen „Theorie", wie wir eine empirisch begründete Hypothese nen- nen, und aus bestimmten Beobachtungen gezogen werden, sich verifizie- ren lassen, rechtfertigt es auch, derartige Theorien als Quintessenz der Erfahrung zu bezeichnen. E u e k e n s Verdikt gegen diesen Ausdruck, das ohne Begründung ausgesprochen wird, beruht wohl auf einem Miß- verständnis. Es ist einleuchtend, daß diese Quintessenz der Erfahrung, die das Ergebnis der Forscherarbeit ist, in der Definition der Grundbe- griffe nicht vorweggenommen werden kann, obwohl es durchaus an- gängig ist, nach vollzogener Analyse in dem System der Theorie die also erarbeiteten Grundsätze an die Spitze zu stellen und aus ihnen zu deduzieren. Die Definition empirischer Begriffe kann niemals der Erfahrung vorausgehen; sie kann immer nur durch Analyse der Er- fahrung gewonnen werden.

Die Tatsache, daß ein theoretischer Grundsatz nur in einer Ana- lyse des empirischen Materials gewonnen werden kann und infolge- dessen am Ende der Forscherarbeit als Eesultat gefunden wird, schließt nicht aus, daß dieser selbe Grundsatz in einer systematischen Darstel- lung der Forschungsergebnisse an die Spitze der Deduktionen gestellt wird. Man erinnere sich an das Verhältnis von Kritik und System in der Kantschen Philosophie. Die Kritik soll das Lehrstück des tran- szendentalen Idealismus begründen; deshalb steht es in ihr am Schluß als Auflösung der Antinomien der reinen Vernunft. In der Metaphysik steht es an der Spitze des Systems.

In den empirischen Naturwissenschaften ist das Verhältnis zwi- schen der induktiven Begründung eines Naturgesetzes und der syste- matischen Darstellung einer Theorie ganz analog anzusehen.

Die Nationalökonomie als Sozialwissenschaft bietet im Vergleich zur Physik Schwierigkeiten eigentümlicher Art, denn die Grundele- mente, aus denen sich unser Objekt aufbaut, sind nicht im Baum ver- teilte Massenteilchen, sondern menschliche Handlungen und mensch- liche Institutionen, zielstrebige Handlungen einzelner oder in Gruppen zusammengefaßter Volksgenossen. Die Ordnung dieser sozialen Er-

scheinungen zu erkennen, ist unsere Aufgabe. Die Elemente, aus denen sich die soziale Wirklichkeit aufbaut, können wir nicht zerlegen, wie man ein Mosaik zerlegt; wir können nicht so verfahren wie der Phy- siker, ja nicht einmal wie der Anatom. Es sind schon komplizierte

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Abstraktionen notwendig, ehe wir uns überhaupt eine Vorstellung von den Elementen zu machen vermögen, die wir herauspräparieren sollen.

Die Terminologie der Methodenlehre ist nicht einheitlich; die einen sprechen von Modellen, die anderen von Schemata und wieder, andere von Idealtypen. Aber diese Begriffe sind nicht etwa identisch, jeder läßt eine besondere Seite dessen, worauf es ankommt, hervor- treten. E u e k e n vermehrt diese Begriffe um den des Eealtypus. Wir wollen sehen, wie sich diese neue Kategorie zu den alten verhält, ob sie eine Lücke ausfüllt und ob sie unerläßlich ist.

E u e k e n polemisiert gegen die Gepflogenheit, Wirtschaftsstufen oder Wirtschaftsstile Idealtypen zu nennen. Durch solche Typen werde die reale Wirklichkeit in ihrer konkreten Gestalt wiedergegeben und deshalb gebe es für sie nur eine treffende Bezeichnung, „Bealtypen". (S. 50/51.) Es muß zugegeben werden, daß Spiethoffs Bemer- kung, die Stile seien im Gegensatz zur Theorie Abbild der Wirklichkeit (Somb art -Festschrift S. 55 und 59), diese Bezeichnung nahelegt; trotzdem habe ich aus logischen Gründen gewisse Bedenken. - Wes- halb sich E u e k e n so sehr gegen Spiethoffs Idealtypusbegriff sträubt, ist nicht ganz einzusehen, denn er selbst betont gegenüber Weber, wenn auch mit anderen Worten, den gleichen Gedanken. Er lehnt (S. 144) Webers Charakterisierung der Idealtypen als Utopien ab, und das läuft genau auf das gleiche hinaus. - Diesen Bealtypus stellt E u e k e n dem Idealtypus gegenüber, der als ge- dankliches Modell im Gegensatz zu einem Abbild der realen Wirklich- keit bezeichnet. E u e k e n gewinnt den Idealtypus (S. 88/84) vermit- tels des besonderen Verfahrens der „pointierenden Abstraktion* ', d. h. indem er von den konstituierenden Elementen einer konkreten Erschei- nung pointierend ein bestimmtes heraushebt.

Man kann von dem Instrument des Idealtypus in den Sozialwissen- schaften nicht gut sprechen, ohne anMaxWeberzu erinnern, der für diese Methode die klassische Ausdrucksweise gefunden hat x). M a x Weber schildert das Verfahren, Idealtypen zu gewinnen, mit folgen- den Worten (S. 190) : „Dieses Gedankenbild vereinigt bestimmte Be- ziehungen und Vorgänge des historischen Lebens zu einem in sich widerspruchslosen Kosmos gedachter Zusammenhänge. Inhaltlich trägt

*) MaxWeber, Die „Objektivität", sozialwissenschaftlicher und sozial- politischer Erkenntnis, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 19 - 1904. Zitiert nach: Gesammelte Aufsätze zur Wirtschaftslehre, Tübingen 1922, insbesondere S. 189 ff.

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diese Konstruktion den Charakter einer Utopie an sich, die durch ge- dankliche Steigerung bestimmter Elemente der Wirklichkeit gewonnen ist. Ihr Verhältnis zu den empirisch gegebenen Tatsachen des Lebens besteht lediglich darin, daß da, wo Zusammenhänge der in jener Kon- struktion abstrakt dargestellten Art ... in der Wirklichkeit als in irgendeinem Grade wirksam festgestellt sind oder vermutet werden, wir uns die Eigenart dieses Zusammenhanges in einem Idealtypus pragmatisch veranschaulichen und verständlich machen können . . . der Idealtypus ist keine Hypothese, aber er will der Hypothese die Bichtung weisen. Er ist nicht eine Darstellung des Wirklichen, aber er will der Darstellung eindeutige Ausdrucksmittel verleihen." In diesen Worten ist auch das Verfahren geschildert, dem E u e k e n Jen Namen pointierende Analyse gibt. Das Interessante ist nun, daß Weber a. a. 0. als Beispiel für einen solchen Idealtypus gerade die Stadtwirt- schaft wählt, die E u e k e n als Bealtypus angesehen wissen möchte. Es ist unverständlich, weshalb sich E u e k e n nicht wenigstens an dieser Stelle mit MaxWeber ausführlich auseinandersetzt. Einzu- sehen ist die These, daß es sich bei der Stadtwirtschaft um einen Beal- typus handele und nicht um einen Idealtypus handeln könne, trotz der Mahnung, „grün muß grün, rot muß rot genannt werden", nicht. Es mag sein, daß in primitiver Darstellung die Wirtschaft ganzer Jahr- hunderte kurzerhand als Stadtwirtschaft bezeichnet wird. Für W e - ber trifft das zum mindesten nicht zu. Man lese nur: „In seiner begriff- lichen Beinheit ist dieses Gedankenbild nirgends in der Wirklichkeit empirisch vorfindbar. Es ist eine Utopie, und für die historische Arbeit • erwächst die Aufgabe, in jedem einzelnen Falle festzustellen, wie nahe oder wie fern die Wirklichkeit jenem Idealbild steht, inwieweit also der ökonomische Charakter der Verhältnisse einer bestimmten Stadt als „stadtwirtschaftlich*

* im begrifflichen Sinn anzusprechen ist** (S. 191). Auch Eue ken wird zustimmen, wenn es weiter heißt: „Für den Zweck der Erforschung und Veranschaulichung aber leistet jener Be-

griff vorsichtig angewendet seine spezifischen Dienste.** Unter Bealtypus kann man sich in dem Zusammenhang, in dem

er auftritt, nichts Spezifisches vorstellen, es sei denn, man nehme ihn als besonderen Namen für die Bealität selbst. Den Sinn von Durch- schnitt oder Mittelwert kann er ja wohl nicht gut haben, und an ein

gedankliches Modell ist dabei auch kaum gedacht. Ich kann mich also nicht entschließen, die alte Terminologie für schlecht zu halten. Daß man sich trotz dieser Auffassung nicht zu der Annahme bekennen muß,

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eine Wirtschaftsstufenreihe könne den Geschichtsprozeß darstellen, braucht wohl kaum gesagt zu werden. Die einzelnen Wirtschaftsstufen- lehren, die E u e k e n angreift, mögen materiell falsch sein; darüber soll in diesem Zusammenhang nicht gerechtet werden. Ob die Bilder, wie sie Bücher, Schmoller, Below oder S ó m b a r t ent- wickeln, wirklich so „völlig falsch*' sind, wie E u e k e n kategorisch bestimmt, bleibe dahingestellt (S. 55). Jedenfalls kann aber der Ver- such, diese ganze Begriffsbildung wegen verfehlter Methode a limine abzulehnen, nicht als gelungen angesehen werden. Die Polemik verliert vor allem deshalb an Gewicht, weil sich E u e k e n bei der Aufstellung der Wirtschaftsordnungen genau der gleichen Methode bedient wie die Vorläufer, die er angreift. Das theoretische Instrumentarium, das ihm bei der Konstruktion von Wirtschaftsordnungen zu Gebote steht, ist dank den Theoretikern der Marktformen - die ich nicht zu nennen brauche - besser als das seiner Vorläufer, aber die Methode der Be- griffsbildung ist genau die gleiche.

Durch die Ablehnung aller Vorgänger, die ausdrücklich oder fak- tisch mit dem Instrument des Idealtypus arbeiten, werden Unterschei- dungen, die gar nicht so sehr groß sind, übersteigert ; es wäre zweck- mäßiger, hier mehr das Gemeinsame als das Trennende zu betonen. Aus der alten Aristotelischen Lehre ist uns die Unterscheidung zwischen dem Begriff und den Gegenständen, die unter den Begriff fallen, ge- läufig. Die Gegenstände sind im Gegensatz zum Begriff in allen empi- rischen Wissenschaften, anschaulicher Natur. Anschaulich gegebene Objekte sind es, die unter dem Begriff stehen und den Begriffsumfang ausmachen. Auf die Anzahl der Objekte kommt es dabei nicht an. Die anschaulichen Objekte können auch durch Abstraktion gewonnen sein, wie z. B. die Idealtypen; darin sind sich die Verwender dieses methodo- logischen Instrumentes einig, daß der Idealtypus als etwas Anschau- liches gegeben ist, ein Objekt, das zwar nicht zu existieren braucht, ja, das, wenn wir MaxWeber folgen, „stellenweise gar nicht vorhan- dene Einzelerscheinungen enthalten" kann (Max Weber, „Ob- jektivität", 8. 191). Der Idealtypus ist eine anschauliche Vorstellung, die durch Heraushebung gewisser Eigenschaften aus der Erfahrung gewonnen wird. Wie es Idealtypen gibt, so gibt es bei M a x W e b e r auch idealtypische Gattungsbegriffe (a.a.O. 8.205). Spiethoff setzt zwar seine Auffassung gegen die Webersche ab, indem er ausdrücklich ausschließt, daß sein Idealtypus „stellenweise gar nicht vorhandene Einzelerscheinungen enthält" (Spiethoff, Sombart-

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festschrift, S. 58). Aber auch er kennt neben den Wirtschaftsstilen, den , ,arteigene Wirklichkeitserscheinungen nachschaffenden Denkgebil- den" (a. a. 0. S. 56), die Abbild der Wirklichkeit sind, „interessante Stile4* (a. a. 0. S. 61), die aus willkürlich bestimmten Elementen zu- sammengefügt sind, oder ,, heuristische" (ebenda), die der Erklärung der geschichtlichen Stile dienen. Seine Unterscheidung zieht also keine unübersteigliche Grenze.

Auch die Sombartsche Methodologie gehört in die gleiche Gruppe; er sucht („Der moderne Kapitalismus", I. Aufl., S. XXI) nach der „einheitlich geordneten Erklärung aus den das Wirtschafts- leben einer bestimmten Epoche prävalent beherrschenden Motivreihen der führenden Wirtschaftssubjekte". Gerade von S o m b a r t ließen sich noch eine ganze Beihe methodologischer Bemerkungen anführen, die in der gleichen Richtung liegen.

Allen angeführten Verwendern des Begriffs des Idealtypus ist gemeinsam, daß sie unter dem Idealtypus einen anschaulichen Gegen- stand verstehen, der zwar nicht in der Wirklichkeit vorgefunden werden muß, dessen Existenz aber denkbar sein muß.

Der Idealtypus enthält ferner kein normatives Moment. Er dient lediglich der „theoretischen" Erfassung der Realität - im Gegensatz zu ihrer „praktischen" Wertung. Neben diesem Idealtypus ist für einen Realtypus, der noch etwas anderes wäre als ein in der Realität vorkommender Typus, methodologisch schlechterdings kein Baum mehr.

Es könnte so scheinen, als müsse man Spiethoffs Idealtypus, in dem nur wesentliche Momente hervorgehoben werden, die in der Realität wirklich vorkommen, als ein besonderes methodologisches In- strument, das sich grundsätzlich vom Idealtypus Webers unter- scheidet, ansehen. Das wird in etwa dadurch nahegelegt, daß Spiet- h o f f den Versuch macht, die geschichtlichen Stile irgendwie zeitlich zu bestimmen, wenngleich er sagt, daß „diese geschichtlichen Stile . . . nicht in genau anzugebenden Jahren in ihrer Beinheit geschichtliche Wirklichkeit gewesen" (a. a. O. S. 56) sind. Von einer notwendigen zeitlichen Abfolge der verschiedenen Stile, wie bei der älteren Lehre von den Wirtschaftsstufen, ist aber bei ihm nicht mehr die Bede. Seine Wirtschaftsstile sind ganz wie die Weberschen Idealtypen und dieEuckenschen Wirtschaftsordnungen, Hilfsmittel zur Erfas-

sung der geschichtlichen Wirklichkeit und als solche theoretische Kon- struktionen unbeschadet der Forderung, daß sie sich mit der Bealität

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in Einklang befinden müssen, die ja auch von Weber und erst recht von E u e k e n anerkannt wird.

Das Verhältnis der Idealtypen zu den Modellen, deren sich die reinen Theoretiker und insbesondere auch die Mathematiker bedienen, ist enger, als es bei E u e k e n s ablehnender Einstellung zur Mathe- matik zunächst den Anschein haben mag. Die Idealtypen setzen sich zusammen aus Elementen, die die reine Theorie erarbeitet hat und wollen selbst die Möglichkeit einer theoretischen Behandlung der Pro- bleme der konkreten Wirtschaft schaffen. Ihre Stellung zwischen den anschaulichen Gegenständen der konkreten Wirtschaft und der Theorie wird in ausgezeichneter Formulierung von E u e k e n selbst gekenn- zeichnet: „Sie enthalten in ihrer Gesamtheit nicht nur alle Form- elemente, aus denen alle konkreten Wirtschaftsordnungen zu allen Zeiten und überall aufgebaut sind, sondern sie stellen so einfache exakt bestimmbare Bedingungskonstellationen dar, daß in ihnen die Be- dingungszusammenhänge, die innerhalb jeder einzelnen Konstellation gelten, vom Denken erfaßt werden können. Diese Idealtypen sind also haltbare Verbindungsglieder zwischen der Anschauung der geschicht- lich individuellen Wirklichkeit, aus der sie gewonnen sind und der allgemein theoretischen Analyse, die zur Erkenntnis der Zusammen- hänge notwendig ist*' (S. 145). Genau an dieser Stelle zwischen der individuellen Wirklichkeit und dem System der theoretischen Gesetze stehen aber auch die Schemata und Modelle des Mathematikers. Die Mathematik ist die einzige Disziplin, die Anschaulichkeit und Allge- meingültigkeit miteinander verbindet.

Die zentrale Vorstellung, um die sich die ganze materiale Metho- denlehre E u e k e n s dreht, ist die der Wirtschaftsordnung. Dieser Begriff wird bei E u e k e n - konsequenterweise - nicht durch eine Definition eingeführt. Nach der Verurteilung der Stufen und Stile tritt plötzlich die kategorische Forderung auf, die konkrete Wirtschaft stets durch die Besonderheit einer Wirtschaftsordnung zu kennzeichnen.

Ich sagte schon, daß ich die idealtypischen Ordnungen den ideal- typischen Stufen und Stilen vorziehe, weil sie aus theoretisch besser bearbeiteten Bausteinen bestehen als diese. E u e k e n s Formen der zentralgeleiteten Wirtschaft, seine Marktformen, seine Formen der Geldwirtschaft sind klare Modelle der modernen Theorie.

Der Begriff der Wirtschaftsordnung braucht auch kaum definiert zu werden. Wenn unter Wirtschaftsordnung das aus diesen Bausteinen zusammengesetzte Gefüge verstanden werden soll, dann ist Wirt-

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Schaftsordnung ein methodisch einwandfreies Instrument, dessen sich die Wirtschaftsforschung nur mit Nutzen bedienen kann. In dem vor- liegenden Buch steht auch diese Auffassung der Wirtschaftsordnung so sehr im Vordergrund, daß Nebenbedeutungen dieses Terminus wenigstens für die hier behandelte Materie kaum ins Gewicht fallen und daß. man kaum noch an die Bedeutung erinnert wird, die der Be- griff Ordnung sogar in der Freiburger Schule auch noch haben kann, z. B. in der Schriftenreihe: „Ordnung der Wirtschaft."

Unter Wirtschaftsordnung hat man ursprünglich etwas anderes verstanden, als E u e k e n es hier tut. In der Einleitung zu seinem „Modernen Kapitalismus" (8. Aufl., Band I 1, S. XXII1) will Wer- ner Sombart den Begriff der Wirtschaftsordnung durch den der Wirtschaftsweise mit der ausdrücklichen Begründung ersetzt sehen, daß wir es in der Nationalökonomie weniger mit juristischen als mit ökonomischen Begriffen zu tun hätten. Es ist keine Frage, daß E u k - kens neuer Begriff der Wirtschaftsordnung in dieselbe Kategorie gehört wie Sombarts Begriff der Wirtschaftsweise, wenn sich beide Begriffe auch in keiner Weise decken. Jedenfalls sind beide Begriffe aber theoretisch in dem Sinn gebraucht, daß sie das Sein der Wirt- schaft charakterisieren wollen.

Einen ganz anderen Sinn hat jedoch der Begriff der Wirtschafts-

ordnung beiFranzBöhm, „Die Ordnung der Wirtschaft als ge- schichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung". Wenn hier von der Idee der pfleghaften mittelbaren Ordnung (S. 5) die Eede ist, die ein bestimmtes Lenkungsverfahren der Volkswirtschaft kennzeich- net, so ist das ein Begriff, der in die grundsätzlich anders geartete Kate-

gorie der wirtschaftspolitischen Begriffe gehört. Das Verhältnis dieses alten Begriffs der Freiburger Schule zu dem neuen Euckenschen

Begriff läßt sich sehr deutlich erkennen, wenn man den folgenden Satz Böhms analysiert: „Nur soweit der Wettbewerb zur Ordnung führt, kann privatwirtschaftliche Freiheit gewährt werden; soweit dies nicht der Fall ist, darf die Wirtschaft nicht frei sein" (S. 108). In diesem Satz

klingt im Begriff „Ordnung" ein normatives Moment an. Welcher Art es ist, erkennt man aus Darlegungen auf der vorhergehenden Seite

(S. 107), wo eine „nicht geordnete" Wirtschaft folgendermaßen ge- kennzeichnet wird: „Es besteht dann keinerlei begründete Vermutung dafür, daß die an solchem Marktverkehr beteiligten Wirtschaftsgenos- sen von ihrer Handlungs-, Vertrags- und Eigentumsfreiheit einen volkswirtschaftlich nützlichen (von mir gesperrt)

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Die neue Methodologie Walter fiuckeus. 171

Gebrauch machen werden.* * Wir brauchen uns nur darauf zu besinnen, daß eine Wirtschaft, in der Wettbewerb herrscht, eine spezielle Wirt- schaftsordnung im Sinn des neuen Euckenschen Buches ist, um die Beziehung der beiden Ordnungsbegriffe zu erkennen. Böhm fragt hier, ob eine bestimmte „Wirtschaftsordnung" im Sinn des neuen Euckenschen Buches zur „Ordnung" im Sinn der alten Schriften- reihe führt. Der alte Begriff gehört in die Kategorie des normativen, der Zwecke ; der neue Begriff gehört in die Kategorie der Mittel. Der Begriff der Ordnung steht also hart an der Grenze zwischen theoreti- scher und politischer Ökonomik. Das muß vor allen Dingen deshalb angemerkt werden, weil E u e k e n sein Buch ohne Einschränkung die „Grundlagen der Nationalökonomie* * nennt. Es dürfte aus diesem einen Beispiel deutlich werden, daß sein - deshalb nicht weniger wertvolles - Buch auf die Grundlagen der politischen Zielsetzung nicht eingeht. Diese Bemerkung muß gemacht werden, denn sie ist von er- heblicher praktischer Bedeutung. Der Leser, der in einer politischen Ökonomie die Grundlagen für die Zielsetzung einer praktischen Volks- wirtschaftspolitik sucht, wird notwendig enttäuscht, wenn er die Über- zeugung gewinnt, daß inEuckens Buch die gesamten Grundlagen der Nationalökonomie gegeben werden sollen, und er kann dem Ver- fasser dann nur die Absicht unterschieben, er wolle durch diese Grund- lagen der theoretischen Nationalökonomie zugleich auch die politische Zielsetzung begründen. Da er diese Begründung in dem Buch nicht findet - sie ist in ihm nicht beabsichtigt - , so wird er entweder be- reit sein, das Kind mit dem Bade auszuschütten, und die ganze Theorie schlechthin als unzulänglich verwerfen, oder er wird die wirtschafts- politischen Fragen als wissenschaftlich uninteressant betrachten. Beides ist in einer Zeit, die im Zeichen der wirtschaftspolitischen Neuordnung steht, in gleichem Maße bedenklich. Die Wirtschaftstheorie kann ihre große Aufgabe nur lösen, wenn sie sorgfältig auf die Achtung ihrer Grenzen bedacht ist. Innerhalb dieser Grenzen das heute Erreichbare zu schaffen, wird E u e k e n s Lehrbuch der Methode der theoreti- schen Nationalökonomie ein gutes Handwerkszeug sein.

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