Die neue Weltordnung des Islam - Ahmadiyya · 2018-06-18 · Die Neue Weltordnung des Islam...

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  • Die Neue Weltordnung des IslamNiẓām-e nau

    Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud AhmadRA

    Zweiter Khalifa des Verheißenen MessiasAS des IslamZweites Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat

  • Die Neue Weltordnung des Islam

    Niẓām-e nauvon Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud AhmadRA

    Das Original erschien unter dem Titel:

    و َن

    � ام ظ

    ِن

    �[Niẓām-e nau]

    © Islam International Publications Ltd.

    Erste Auflage in Urdu: 1943 – Hervogegangen aus einem 1942

    gehaltenen Vortrag des Autors

    Erste deutsche Auflage: 2018 – Übersetzt aus der 2005

    erschienenen Auflage der englischen Übersetzung

    Aus dem Englischen von Yunus Mairhofer

    Unter der direkten Aufsicht von

    Hadhrat Mirza Masroor Ahmad Khalifatul Masih VABA

    (Fünfter Nachfolger des Verheißenen MessiasAS des Islam)

    ©

    Genfer Straße 11

    D - 60437 Frankfurt am Main

    Mehr Informationen unter www.verlagderislam.de

    ISBN: 978-3-939797-46-3

    PRINTED IN GERMANY

  • 8

    Vorwort zur ersten Ausgabe der englischen Übersetzung  18

    Vorwort zur vorliegenden Ausgabe  22

    Die Neue Weltordnung des Islam  27

    Einleitung  29

    Taḥrīk-e ǧadīd und seine allgemeine Wichtigkeit  29

    Die Erfüllung eines großen islamischen Zieles und die Stärkung der

    Fundamente der menschlichen Gesellschaft  30

    in seinem Kontext  30

    1.  32

    Die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede der Armen und

    Reichen dieser Zeit und ihre Folgen  32

    Das Verhältnis der Wohlhabenden und ihrer Dienerschaft in der

    Vergangenheit und heute  33

    Der Vergleich der Anschauung von Arm und Reich zwischen

    früher und heute und die Konsequenz daraus  34

    Soziale Ungleichheit als Folge der Industrialisierung   35

    Versuche zur Reduzierung der Armut und der Grund ihres

    Scheiterns  36

    Unerträglicher Zustand der Armen im Vergleich zu den

    Wohlhabenden  37

    Der erbärmliche Zustand der Armen und ein grausames Beispiel   38

    Inhaltsverzeichnis

  • 9

    2.  40

    Beginn verschiedener Bewegungen zum Wohl der Armen  40

    Demokratie  40

    Erster Wandel in der Demokratie  41

    Sicherstellung der Rechte durch die Demokratie und die Bemühungen

    der Händler und Handwerker dafür  41

    Sozialismus  42

    Internationaler Sozialismus  42

    Karl Marx und seine drei Grundsätze zur Besserung des Zustands der

    Armen  43

    Erster Grundsatz des Marxismus  44

    Zweiter Grundsatz des Marxismus  45

    Dritter Grundsatz des Marxismus  45

    Die Folgen eine lang anhaltenden Sklaverei   46

    Bemühungen Lenins und seiner Genossen um das Wohl der Armen  46

    Beginn der Parteien der Bolschewisten und Menschewisten  47

    Meinungsverschiedenheiten Lenins und Martows über die

    Organisation der Regierung  47

    Erste Meinungsverschiedenheit  47

    Zweite Meinungsverschiedenheit  48

    Martow zur Abschaffung der Todesstrafe   48

    3.  50

    Sechs wirtschaftliche Grundsätze des Bolschewismus und seine

    Folgen  50

    Die Folge des ersten Grundsatzes: Die Besitzergreifung der Güter

    aller Wohlhabenden  52

    Inhaltsverzeichnis

  • 10

    Die Folge des zweiten Grundsatzes: Sorge tragen für die Bedürfnisse

    der Handwerker  52

    Die Folge des dritten Grundsatzes: der Beschluss, mehr Güter zu

    ergreifen, als der vorgegebene Maßstab der Regierung erlaubt  52

    Die Folge des vierten Grundsatzes: Mangel an Handlungsfreiheit  53

    Die Folge des fünften Grundsatzes: Eingriff in die Religion  53

    Der Versuch, den Atheismus einzuführen  54

    Die Folge des sechsten Grundsatzes: Propaganda eigener Gedanken in

    andere Länder  55

    4.  56

    Der Beginn von drei Bewegungnen als Reaktion auf den Bolschewis-

    mus in Europa: Faschismus, Nazitum und Falangismus   56

    Die neuen Bewegungen als Opposition zum Bolschewismus   57

    Propoganda gegen den Bolschewismus aus Deutschland und

    Italien und deren Befürwortung des Nazitums und Faschismus   58

    Deutschlands und Italiens erstes Mittel der Propaganda gegen den

    Bolschewismus  58

    Das zweite Mittel der Propaganda gegen den Bolschewismus  59

    Das dritte Mittel der Propaganda gegen den Bolschewismus  60

    Befürwortung des Nazitums und Faschismus in Deutschland und

    Italien  61

    Das fünfte Mittel der Propaganda gegen den Bolschewismus: Versuch

    der Auslöschung der Religion durch den Einfluss äußerer Mächte  61

    Die Konsequenz des Versuchs, die Religion auszumerzen  62

    Das sechste Mittel der Propaganda gegen den Bolschewismus:

    Die Verbreitung der arischen Rassenlehre  63

    Inhaltsverzeichnis

  • 11

    5.  65

    Sozialismus für die britische, französische und amerikanische

    Arbeiterschaft  65

    Zwei große Gefahren des Sozialismus: fehlendes Mitgefühl und

    Religionslosigkeit   67

    6.  68

    Sieben grundsätzliche Nachteile des Kommunismus   68

    Erster Nachteil: Unterbindung individueller Anstrengungen  68

    Zweiter Nachteil des Kommunismus: Zwang und Gewalt   70

    Dritter Nachteil des Kommunismus: Opposition gegen die

    Religion und ihre Folgen  71

    Vierter Nachteil des Kommunismus: Einführung der Diktatur im

    Land  71

    Fünfter Nachteil des Kommunismus: Behinderung der geistigen

    Entwicklung  72

    Sechster Nachteil des Kommunismus: Förderung der

    Klassenkämpfe  75

    Siebter Nachteil des Kommunismus: Gefährliche Auswirkungen

    im Falle des Scheiterns  75

    7.  77

    Der Nationalsozialismus und seine Mängel  77

    Erster Mangel  77

    Zweiter Mangel  77

    Dritter Mangel  78

    Inhaltsverzeichnis

  • 12

    Der gegenwärtige Krieg und seine Konsequenzen  79

    Vorteil für Indien, wenn die westlichen Mächte gewinnen  80

    Der Sieg des Bolschewismus als Konsequenz des Sieges der

    westlichen Mächte und seine Folgen  83

    8.  84

    Bemühungen verschiedener Religionen und das Problem der

    sozialen Ungleicheit  84

    Das System im Judentum und seine Konsequenzen  85

    Die Botschaft des Christentums an die Welt  87

    Die Einführung eines neuen Systems ist gemäß der Ideologie des

    Hinduismus unmöglich  89

    9.  94

    Unvergleichliche Lehre des Islam im Vergleich zu anderen

    Religionen und die Ansicht des Islam über ein neues System  94

    Abschaffung der Sklaverei  94

    Islam und die Einschränkung der Sklaverei im Krieg   95

    Der Islam erlaubt alleinig defensive Kriege  97

    Der Islam zur Freilassung der Kriegsgefangenen   101

    Der Islam zur Freilassung der Kriegsgefangenen unter der

    Bedingung, nicht an zukünftigen Kriegen teilzunehmen  102

    Kriegsgefangene beschäftigen und keine Arbeit auferlegen, die

    Fähigkeit oder Kraft überschreitet. Die Lehre des Islam über die

    humane Behandlung von Kriegsgefangenen  102

    Die Lehre des Islam über das Verbot der Anwendung von Gewalt

    gegenüber Kriegsgefangenen  103

    Inhaltsverzeichnis

  • 13

    Die Anweisung, heiratsfähige Kriegsgefangene zu verheiraten  104

    Die Freilassung von Kriegsgefangenen durch das fidya, also Lösegeld-

    bzw. Entschädigungszahlungen   105

    Die Möglichkeit, ohne Lösegeld freizukommen  107

    Unerschöpfliche Versuche des Islam, die Sklaverei abzuschaffen  108

    Die Gefährten des Heiligen PropehtenSAW und die Behandlung

    von Sklaven   109

    Der Heilige ProphetSAW und ein Beispiel der Behandlung für die

    Sklaven   109

    Grund der Sklaven, der Freiheit die Gefangenschaft zu

    bevorzugen  110

    Einige Theorien, die Unrecht gegenüber den Unterprivilegierten

    befürworten  112

    Erste Theorie  112

    Zweite Theorie  113

    Dritte Theorie  113

    Vierte Theorie  114

    Fünfte Theorie  114

    Angewandte Fehlkonzepte, die Unrecht erwirkten  116

    Die Behandlung der durch geistige Sklaverei, also Knechtschaft,

    enstandenen Trauer  116

    Die Lehre des Islam über die Entdeckung von Bodenschätzen  118

    Die Lehre des Islam über die Besitzergreifung der Güter anderer,

    um dort scheinbar Verbesserungsmaßnahmen einzuführen  119

    10.  122

    Vier Grundsätze einer Vereinten Nationen des Islam   122

    Gründe für das Scheitern des europäischen Völkerbunds  125

    Inhaltsverzeichnis

  • 14

    11.  127

    Vier islamische Prinzipien zur Beseitigung der Leiden der Armen   127

    Erstes Prinzip: Verteilung des Erbes  127

    Zweites Prinzip: Horten ist verboten  129

    Drittes Prinzip: Verbot von Zinsen  130

    Viertes Prinzip: Zakat und freiwillige Spenden  131

    Die Lehre des Islam über Privatbesitz und Eigentum  133

    Gründe der Überlegenheit der islamischen Grundsätze gegenüber

    den Grundsätzen des Bolschewismus  133

    Bolschewismus ignoriert das intellektuelle Kapital  134

    Soziale Ungleichheit im Bolschewismus  136

    Die Konsequenzen der Missachtung von geistiger Arbeit im

    Bolschewismus  137

    Gefahr der Rebellion im Land aufgrund des Bolschewismus  139

    12.  141

    Der Staat benötigt die Kontrolle über das nationale Vermögen  141

    Die unzureichende Abdeckung der Bedürfnisse der Armen durch

    Zakat und die Notwendigkeit von freiwilligen Spenden  142

    Erstes Mittel zur Abdeckung der Bedürfnisse der Armen gemäß

    dem Sozialismus und der Beweis der Unmöglichkeit seiner

    Umsetzung  143

    Zweites Mittel zur Abdeckung der Bedürfnisse der Armen  144

    Das Programm Hitlers und Görings zur Abdeckung der

    Bedürfnisse der Armen durch Spendengelder  145

    Das bolschewistische Programm zur Beseitigung der Armut  145

    Inhaltsverzeichnis

  • 15

    13.  148

    Islamisches System zur Abschaffung von Luxusgütern und die

    Gleichstellung von Armen und Reichen  148

    Der Ansporn zu freiwilligen Abgaben im Islam  149

    Der Vorteil der Aufrechterhaltung individueller Anstrengungen   151

    Die Nachteile der Zwangsenteignung von Güter anderer  152

    Der Islam verpflichtet Reiche zu freiwilligen Abgaben  152

    Der Untergang von Völkern aufgrund des Nicht-Spendens auf

    Gottes Wegen von überschüssigen Mitteln  154

    Die Islam stillt die Bedürfnisse der Menschen zu jeder Zeit  155

    System der Abdeckung der Bedürfnisse von Armen zur

    frühislamischen Zeit  156

    Die Anstrengungen organisierter Abdeckung der Bedürfnisse der

    Armen in der Zeit der Kalifen des Islam  157

    14.  160

    Die Notwendigkeit eines neuen Systems zur Deckung der

    Bedürfnisse von Armen gemäß den Anforderungen der Zeit  160

    Das Programm des ḫātamu l-ḫulafāʾ zur Beseitigung des Leides in

    der Welt und die Anwendung der islamischen Grundsätze auf die

    Erfordernisse dieses Zeitalters  162

    Die wichtigsten Punkte des islamischen Systems zur Beseitigung

    der Leiden von Armen   162

    Die Grundlage eines neuen Systems durch den Verheißenen MessiasAS

    zur Beseitigung des Leides aus der Welt im Jahre 1905   163

    Die Anweisung des Heiligen Qur'an zu freiwilligen Spendenopfer

    in Zeiten verschiedener Bedürfnisse  164

    Inhaltsverzeichnis

  • 16

    Das neue System des al-Waṣiyyat  166

    Das Recht der Weisen, Armen und schwachen Muslime auf die

    Gelder des waṣiyyat  166

    Gefahr um den Glauben jener, die nicht am neuen   167

    System teilnehmen  167

    Der Unterschied zwischen dem Bolschewismus und dem al-Waṣiyyat

    in der Übergebung des Besitzes  167

    Die Erreichung des Zwecks auf friedliche Weise durch das

    al-Waṣiyyat im Vergleich zum Bolschewismus  168

    Eine großartige Revolution durch die Beitretung der ganzen Welt

    zur Ahmadiyyat  169

    Der Besitz von Ahmadis gehört nach einigen Generation dem

    System der Ahmadiyyat  169

    Das System des waṣiyyat verbleibt nicht national, sondern wird

    international  171

    Das vom Verheißenen MessiasAS eingeführte System zur Förderung

    der internationalen Brüderlichkeit   171

    Die Freude und Zufriedenheit der Spendenden unter der neuen

    islamischen Weltordnung  172

    15.  176

    Die Grundlage der neuen Weltordnung wurde 1905 in Qadian

    gelegt  176

    Das verschiedenen Verwendungszwecke der waṣiyyat Gelder  176

    Mit Sicherheit wird das waṣiyyat etabliert   178

    Der Überfluss an angesammelten Gelder des waṣiyyat  179

    Die Anerkennung Khwaja Kamaluddins für das im al-Waṣiyyat

    erwähnte System  180

    Inhaltsverzeichnis

  • 17

    16.  181

    Das taḥrīk-e ǧadīd als kleineres Modell für die Neue Weltordnung  181

    Zur Annäherung an die Neue Weltordnung  182

    Das taḥrīk-e ǧadīd als Wegbereiter für die Neue Weltordnung  182

    17.  184

    Eine Unterweisung an alle Mitglieder der Jama'at  184

    Ein Mitglied des waṣiyyat ist Teil der Fundamentlegung der

    Neuen Ordnung  185

    Die Notwendigkeit, zügig Testamente aufzusetzen  186

    Stichwortverzeichnis  188

    Anmerkungen des Herausgebers  198

    Zum Autor  204

    Inhaltsverzeichnis

  • Vorwort zur ersten Ausgabe der englischen Übersetzung

  • 19

    Vorwort zur ersten Ausgabe der englischen Übersetzung

    Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen

    Hier folgt die englische Version eines Vortrags, gehalten vom verstorbenen Amīru-l muʾminīn1, Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud AhmadRA, anlässlich der Jährlichen Ver-sammlung der Ahmadiyya am 28. Dezember 1942. Eine wortgetreue Urdu-Aufzeichnung des Originals wurde im Dezember 1943 und dann nochmals im April 1944 und im März 1945 veröffentlicht.Die englische Version wird gedruckt, um das wichtige The-ma des Vortrags einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.Der Vortrag beantwortet die Frage „Wie schlägt die Ahma-diyyat, der wahre Islam, vor, mit der sozialen Ungleichheit in der Welt umzugehen?“ Die Lösung der Ahmadiyyat ist die Lösung des Islam, zugeschnitten unter göttlicher Lei-tung auf die heutigen Bedürfnisse durch den heiligen Grün-der der Ahmadiyya Bewegung. Sie baut auf der islamischen Lehre auf und betont die fortschrittliche Natur dieser Lehre.Die soziale Lehre des Islam wurde vom Amīru-l muʾminīn selbst 1924 in seinem Werk „Ahmadiyyat – Der wahre Islam“2 erörtert und ist seither wohl bekannt. Sie besteht aus dem gesetzlichen Verbot von Zinsen, das Steuer der Zakat und der Aufteilung des Erbes. Sie schließt aber auch generelle Anweisungen bezüglich freiwilliger Beiträge durch Indivi-duen ein, die die Führer des Islam seit frühesten Zeiten auf

    1 Führer der Gläubigen. (Anm. d. Ü.)2 Dt. Ü.: Ahmadiyyat – Der wahre Islam. Frankfurt am Main 2015. (Anm. d. Ü.)

  • 20

    Vorwort zur ersten Ausgabe der englischen Übersetzung

    verschiedene Weise organisiert und dem Dienst der Gesell-schaft gewidmet haben.Der heilige Gründer der Ahmadiyya Bewegung (gest. 1908) führte unter seinen Anhängern ein System der freiwilligen Widmung des Besitzes individueller Ahmadis ein, was dem Bedarf der islamischen Sache im weitesten Sinne dienen soll-te. Diese Einrichtung wurde von ihm in seiner Schrift „al-Waṣiyyat“ 1905 verkündet, und seither ist das Vermachen von Teilen des Besitzes und Einkommens an das zuständige zen-trale Büro der Ahmadiyyat in Qadian zu einer gewohnten Praxis unter Ahmadis geworden.Der Amīru-l muʾminīn kündigte in seinem Vortrag an, dass die soziale Ordnung des Islam, gegründet auf den Säulen ihrer wirtschaftlichen Lehren, auch künftig weiterwachsen werde. Sie werde durch al-Waṣiyyat wachsen, der Einrichtung des Widmens von Besitz und Einkommen, eingeführt 1905 vom Gründer der Ahmadiyyat. Die Einrichtung des al-Waṣiyyat beantwortet daher jene Frage, die viele Muslime und Nicht-Muslime heutzutage zu stellen scheinen, und zwar, ob der Islam fortschrittlich sei. Sie beantwortet auch die breitere Frage, ob die Religion an sich fortschrittlich sei.Die Ahmadiyya-Lösung des Problems der Ungleichheit, so kann man ebenfalls sagen, wird sich in der Welt so schnell ausbreiten wie sich die Ahmadiyyat selbst ausbreitet. Die Ge-schwindigkeit kann nicht erzwungen werden, da die Ahma-diyyat, den islamischen Lehren folgend, daran gebunden ist, zu ihrer Verbreitung lediglich eine Methode anzuwen-den – die Methode des Arguments und der ehrlichen Über-zeugung. Jene, die das grundlegende Prinzip dieser Lösung akzeptieren, jedoch glauben, das ihre Verwirklichung in der

  • 21

    Welt zu lange dauern würde, können zur Lösung beitragen, indem sie ihre Grundlagen auf ihre eigene Weise anwenden. Wie auch immer, bis das Programm von al-Waṣiyyat Wirk-mächtigkeit erzielt, wird ein anderes Programm, bekannt als das taḥrīk-e ǧadīd (das Neue Programm), an seine Stelle tre-ten. Dieses Programm wurde vom Amīru-l muʾminīn in einer Serie von Freitagsansprachen 1934 verkündet. Seine neun-zehn Punkte können als organisierte Bemühung zusammen-gefasst werden, Disziplin, Einfachheit und freiwillige Op-ferbereitschaft der Anhänger zur Erhaltung eines zentralen Fördertopfes zu fördern, der schließlich zur Stärkung und Förderung der Arbeit dient, die die Ahmadiyyat zur Verbrei-tung des Islam und seiner Einrichtungen unternimmt. Das taḥrīk-e ǧadīd ist daher ein Vorbote der Neuen Weltord-nung des Islam und ist eng mit ihr verbunden. Daher be-ginnt und endet der Vortrag darauf bezugnehmend

    M. Aslamfür den Herausgeber.Qadian, 1946

    Vorwort zur ersten Ausgabe der englischen Übersetzung

  • Vorwort zur vorliegenden Ausgabe

  • 23

    Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen

    Vor dem Hintergrund der damals vorherrschenden Ideologien des Kommunismus und der kapitalistischen De-mokratie hat der zweite Kalif der Ahmadiyya Bewegung, Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mahmud AhmadRA, diesen Vortrag an die jährliche Versammlung der Ahmadiyya am 28. Dezember 1942 gerichtet. Der Vortrag beantwortet die Frage „Wie schlägt die Ahmadiyyat, der wahre Islam, vor, mit dem großen Problem der sozioökonomischen Ungleich-heit in der Welt umzugehen?“ Die Lösung der Ahmadiyyat ist die Lösung des Islam, ausgelegt unter göttlicher Leitung für die heutigen Bedürfnisse vom heiligen Gründer der Ahmadiyya Bewegung. Die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Betuchten und den Benachtei-ligten werden nicht nur täglich intensiver, sondern auch mit zunehmender Bitterkeit erfahren.

    Dass mit dem Fortschritt in allen Bereichen des Lebens die Ungleichheiten weniger werden und schließlich ver-schwinden würden, war die Hoffnung vieler, die sich nicht erfüllt hat. Der Sprecher untersucht und analysiert die Rol-le, die verschiedene Bewegungen bei der Linderung von Armut und Leid gespielt haben, wie zum Beispiel der So-zialismus, der Internationale Sozialismus, der Marxismus, der Bolschewismus, das Nazitum und der Faschismus usw. Weil jede einzelne von diesen Nachteile und Mängel hatte, konnten sie allesamt nur scheitern und taten dies auch. Eine jede dieser Bewegungen strebte entweder nach bevorzugen-den oder begrenzten Vorteilen oder diskriminierte zwischen Klassen, was zur Verbreitung von Spannungen führte oder die menschlichen Potenziale auf körperliche Arbeit redu-

    Vorwort zur vorliegenden Ausgabe

  • 24

    zierte, was wiederum zum Verlust intellektueller kreativer Fähigkeiten und Ansätze führte.

    Der Redner erkundet ebenfalls die großen Weltreligi-onen hinsichtlich der grundlegenden Frage der sozialen Ungleichheit als schwerwiegendes Problem. Verglichen mit dem Islam versäumen es deren Lehren komplett, die-ses Problem anzusprechen; anstatt eine zufriedenstellende Lösung anzubieten, verschlimmern sie es. „Das System des Judentums“, so beobachtet er, „ist ein rein rassisches. Nichts da-ran ist universell… Es legt auch sehr grausame Bedingungen dar, die solchen Nationen auferlegt werden sollen, die sich ihm entge-genstellen.“ Hinsichtlich des Christentums und des Hindu-ismus beobachtet er: „Die Botschaft des Christentums ist jene, dass das Gesetz ein Fluch ist. Wenn das Gesetz ein Fluch ist, dann sind auch jegliche Ge- oder Verbote, die es enthält, ein Fluch…Die Hindu-Religion hat durch die Einführung der Doktrinen des Kar-ma und der Seelenwanderung der Menschheit das Tor zu Frieden und Fortschritt komplett verbaut.“ Die Doktrin der Diskrimi-nierung zwischen den Kasten in der Gesellschaft der Hin-dus verschlimmere gleichzeitig das angesprochene Problem. Nur die islamischen Lehren – moralische, soziale und wirt-schaftliche – können die sozialwirtschaftlichen Leiden der Welt ausmerzen und in Frieden, Harmonie, Gleichheit und Gerechtigkeit umwandeln.

    Hadhrat Mirza Ghulam AhmadAS, der Verheißene Mes-sias und Mahdi und der Gründer der Ahmadiyya Muslim Jamaat, hat den Grundstein für die neue Weltordnung durch die Einführung des waṣiyyat-Programms gelegt, welches er, basierend auf den islamischen Lehren und unter göttli-cher Leitung, 1905 in seiner Schrift „al-Waṣiyyat“ dargelegt hat. Später, 1934, rief Hadhrat Mirza Bashir ud-Din Mah-

    Vorwort zur vorliegenden Ausgabe

  • 25

    mud AhmadRA das taḥrīk-e ǧadīd ins Leben, um den Boden für die vollständige Umsetzung der neuen Weltordnung des waṣiyyat-Systems zu bereiten. Im vorliegenden Vortrag erläutert er die Ziele und Absichten des taḥrīk-e ǧadīd und behauptet, dass die neue Weltordnung in allen ihren Aspek-ten, wirtschaftlicher, sozialer und religiöser Natur, so wie sie durch das System des waṣiyyat eingeführt wurde, am Ende dominieren und eine neue und echte Revolution stattfinden werde.

    Obwohl der vorliegende Vortrag in den frühen 1940er Jahren gehalten wurde, wonach sich die Welt so stark verän-dert hat, dass sie kaum wiederzuerkennen ist, sind die zen-trale Botschaft und viele Details des Vortrags noch immer relevant und werden es bleiben, bis die wahre Botschaft des Islam die Vorherrschaft in der Welt erlangt haben wird und die Welt, nachdem sie von dessen Wahrheit überzeugt ist, den Islam annimmt.

    Für die Veröffentlichung dieser hier vorliegenden deut-schen Übersetzung ist einigen Personen Dank auszuspre-chen. Zuvorderst Yunus Mairhofer, der den Text aus dem Englischen ins Deutsche übersetzte. Tariq Hübsch ist zu danken für Lektorat, Satz und Layout. Nabeel Ahmed Shad und Hasanat Ahmad für weitere Überprüfungen, der Tran-skription arabischer Terminologien und dem Setzen der ara-bischen Texte. Und nicht zuletzt Qamar Mahmood für die Gestaltung des Buchumschlags. Möge Allah sie allesamt segnen.

    Mubarak Ahmad TanveerPublikationsabteilung Ahmadiyya Muslim Jamaat KdöRFrankfurt am Main 2018

    Vorwort zur vorliegenden Ausgabe

  • Die Neue Weltordnung des Islam

  • ِحْیم 3 ْحٰمِن الّرَ ِه الّرَ بِْسِم اللّٰ

    ِْی َعلٰی َرُسْولِِه الَْکِریِْم 4ّ ْحَمُدٗه َو نَُصل

    َن

    Einleitung

    Taḥrīk-e ǧadīd und seine allgemeine Wichtigkeit

    Spezielle Aspekte des taḥrīk-e ǧadīd wurden bereits zu verschiedenen Anlässen eigens erklärt und ausgeführt, aber die umfassende Wichtigkeit des taḥrīk-e ǧadīd wurde der Ja-maat bis heute noch nie dargelegt. Tatsächlich wurde ich mir selbst darüber erst schrittweise bewusst. Als ich den ersten Vortrag über das taḥrīk-e ǧadīd hielt, nahmen seine verschie-denen Ausformungen in meinem Geist, sozusagen durch göttliche Inspiration, erst Gestalt an, und so wie ich von der göttlichen Inspiration geleitet wurde, fuhr ich in meinen Er-läuterungen fort. Die Wahrheit ist deshalb, dass viele der Nutzen und Eigenheiten des taḥrīk-e ǧadīd für mich selbst zuvor nicht ersichtlich waren und nicht einmal ich selbst alle Zusammenhänge erkannt hatte. Es mag Teil der göttlichen Vorsehung gewesen sein, dass erst in einem bestimmten Entwicklungsstadium die Aufmerksamkeit auf die gesam-

    3 Übersetzung: „Im Namen Allahs, des Gnädigen, des immer Barmherzi-gen.“ (Der Heilige Qur’an 1: 1; Anm. d. Ü.)4 Übersetzung: „Wir preisen Ihn und erflehen Seinen Segen für Seinen edlen Gesandten.“ (Anm. d. Ü.)

  • 30

    Die Neue Weltordnung des Islam

    te Wichtigkeit des taḥrīk-e ǧadīd gerichtet werden sollte, und das mag auch der Grund dafür sein, warum man der Sache bis zuletzt keine Beachtung geschenkt hat. Wie dem auch sei, es besteht nun kein Zweifel, dass das Tehrik einen uni-versellen Aspekt erfüllt, und es ist notwendig, diesen Aspekt zu erläutern.

    Die Erfüllung eines großen islamischen Zieles und die Stärkung der Fundamente der menschlichen Gesellschaft

    Was ich daher sagen will, ist, dass das taḥrīk-e ǧadīd, das ich vor einiger Zeit unter göttlicher Inspiration eingeführt habe, in sich den Samen trägt, der unter Entfaltung einer großen islamischen Bestimmung zeitgerecht heranwachsen und dazu dienen wird, die Grundfesten der menschlichen Gesellschaft zu stärken.

    Während ich fortfahre, mögt ihr anfangen, euch zu wun-dern, was das Thema meines Vortrages mit dem taḥrīk-e ǧadīd zu tun hat. Wenn ihr aber bis zum Ende geduldig bleibt und aufmerksam dem folgt, was ich zu sagen habe, werdet ihr sehen, welche Rolle es für das taḥrīk-e ǧadīd spielt.

    Taḥrīk-e ǧadīd in seinem Kontext

    Es ist nicht möglich, eine Sache außerhalb ihres Zusam-menhangs zu verstehen. Aus ihrem Umfeld gerissen, verlie-ren die wunderschönsten Dinge ihren Glanz. Bevor ich euch das taḥrīk-e ǧadīd also nicht in seinem natürlichen Zusam-menhang erkläre, werdet ihr nicht in der Lage sein zu ver-stehen, worum es geht.

    Dies wird umso notwendiger, als die Mehrheit der Mit-glieder unserer Jamaat ländlichen Gegenden entstammt, wo

  • 31

    Die Neue Weltordnung des Islam

    sie nur wenig von den zeitgenössischen Ideen mitbekommt. Das erfordert auch einige Erläuterungen hinsichtlich der Sta-dien, welche die Menschheit zuletzt durchschritten hat und die mich dazu gedrängt haben, diesen Plan einzuführen.

    Ebenso muss ich die Veränderungen beleuchten, die um uns herum geschehen und erklären, inwiefern sie die Zu-kunft beeinflussen, speziell die Zukunft unserer Gemeinde und anderer muslimischer Gemeinschaften.

    Stellen sich die Auswirkungen dieser Veränderungen als wahrscheinlich schädlich heraus, welche Schritte setzen wir dann, um uns dagegen zu schützen? Und für den Fall, dass sie sich als günstig erweisen, inwieweit sollen wir sie dann annehmen?

  • 1.

    Die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede der Ar-men und Reichen dieser Zeit und ihre Folgen

    Ich muss damit beginnen zu sagen, dass die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede, die wir heutzutage zwi-schen Arm und Reich sehen, nicht nur intensiver werden, sondern dementsprechend auch immer bitterlicher spürbar. Unterschiede in Wohlstand und weltlichem Besitz existieren seit jeher, doch die Kluft war noch nie so groß wie heute.

    Großgrundbesitzer hatten die Angewohnheit, die einge-nommenen Mieten und Abgaben unter den Ansässigen und Angestellten wieder umzuverteilen. Dies finden wir in ei-nigen ländlichen Gebieten des Landes auch heute noch. Ich erinnere mich, dass ich vor einigen Jahren nach Lahore reis-te und dort von einem großem Gutsherrn im Punjab hörte, der bettlägrig geworden war. Es wurde mir erzählt, dass er während seiner Krankheit von hunderten Leuten aus seinen Ländereien besucht wurde, die sich nach seinem Wohlbe-finden erkundigten. Jeder Einzelne dieser Besucher brachte dem kranken Gutsherrn ein Präsent, wie z.B. ein Schaf, Reis oder hausgemachten Zucker. Der Gutsherr seinerseits arran-gierte eine große Küche, in der all diese Gaben zur Versor-

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    gung des Gästestroms vom Land verwendet wurden. Sein Krankheitszustand dauerte zwei bis drei Monate an und so lange sorgte man auch für die Verpflegung.

    Das Verhältnis der Wohlhabenden und ihrer Dienerschaft in der Vergangenheit und heute

    Was ich damit sagen möchte, ist, dass trotz des Unter-schieds an Wohlstand die Wohlhabenden die Angewohnheit hatten, ihr Hab und Gut auf eine Weise einzusetzen, die kei-nen Unmut erzeugte. In der Vergangenheit, um dies noch einmal zu wiederholen, stand das Verhältnis zwischen Her-ren und Dienerschaft auf einer ganz anderen Basis als heute. In wohlsituierten Familien wurden Bedienstete und Ange-stellte als Teil der Familie gesehen, wobei man natürlich ge-wisse Grenzen hatte. Beispielsweise hätte ein Hausherr sei-ne Tochter nicht seinem Diener zur Frau gegeben, noch hielt man es für den Herrn selbst angemessen, dass er eine seiner Bediensteten heiratete. Trotzdem war die Distanz zwischen Herrn und Untergebenem nie so groß, noch wurde sie so sehr betont wie heute. Der Herr saß am Boden und seine Diener und Angestellten saßen frei um ihn herum. Genauso verbrachten die Damen des Hauses und ihre Bediensteten die Zeit frei miteinander. Heute sitzt der Herr im Sessel und der Bedienstete hat in Bereitschaft stehend eine respektvol-le Haltung zu zeigen. Ist er auch noch so müde, wagt er es nicht, sich in Anwesenheit des Herrn hinzusetzen. Sogar die neuen Transportmittel tragen dazu bei, Unterschiede zu er-zeugen und zu betonen. Früher ritten der Herr und sein Die-ner gemeinsam durch das Land. Sicher war der Herr etwas besser gesattelt als der Diener, aber beide ritten gemeinsam

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    als Gefährten. Heutzutage reisen die Herrschaften gemein-sam mit den Gehobenen in der Premium- oder ersten Klasse, während die Angestellten unter ihresgleichen zweiter oder dritter Klasse reisen. Weiter demonstrieren die Wohnstät-ten von Reichen und Armen heute weitaus deutlicher, wie unterschiedlich ihre Verhältnisse sind, als es früher der Fall war. So lange die wichtigsten Einrichtungsgegenstände Tep-piche waren, konnte das Material oder Design noch so er-lesen und kostbar sein, die Armen kamen dem mit eigenen Imitaten einigermaßen nahe. Heute haben Möbel und Heime einen derartigen Standard erreicht, den Ärmere nicht einmal nachmachen zu hoffen brauchen. Damals konnte man edle Teppiche der Reichen mit günstigeren Materialien imitieren, aber die heutige Vielfalt an Sofas, Stühlen, Tischen, Polstern und Gardinen lässt einem weniger Bemittelten kaum noch Hoffnung, wenigstens so ähnlich dazustehen. Kurz gesagt, die Unterschiede zwischen den Reichen und den Armen sind groß und deutlich geworden und sie erzeugen einen klaren Kontrast, Enttäuschung und Verbitterung.

    Der Vergleich der Anschauung von Arm und Reich zwi-schen früher und heute und die Konsequenz daraus

    Auf der anderen Seite hat der heutige Zugang zu Bil-dung und Information den Durchschnittsbürger aufmerksa-mer und sensibler gemacht. Früher hat man diese Dinge eher hingenommen. Man dachte, alle materiellen Dinge kämen von Gott. Wenn jemand reich war, dann weil Gott ihn reich gemacht hatte, und wenn jemand arm war, dann weil Gott ihn arm gemacht hat. Diese Anschauung ist nun überholt. Vielmehr fühlt man, dass die Armen arm sind, weil die Rei-

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    chen sie um ihren Anteil gebracht haben und dass die Rei-chen nicht reich sind, weil Gott ihnen den Reichtum beschert hat, sondern weil sie sich ungerechterweise angeeignet ha-ben, was eigentlich den Armen gehört. Dieser Sichtwechsel hat auch dazu beigetragen, dass der Unmut zwischen den Klassen größer geworden ist. Früher war ein armer Mann, der fromm war, auch genügsam und zufrieden. Hatte er Zei-ten von Hunger und Not durchzustehen, so nahm er dieses Los als von Gott auferlegt an und pries seinen Herrn ent-sprechend seiner Not. Und wenn er Gutes und ausreichend an Essen für sich und seine Familie hatte, pries er seinen Herrn in Dankbarkeit.

    War ein armer Mann weniger fromm, selbst dann fand er sich mit seiner Armut und Hilflosigkeit ab und beschwer-te sich nicht. Heutzutage hängt man die Verantwortung, welche man damals auf Gottes Schwelle legte, dem Men-schen um. Es wird so wahrgenommen, dass die Reichen die Armen unterdrücken und dieses Gefühl mehrt die Verbitte-rung zwischen den Klassen.

    Soziale Ungleichheit als Folge der Industrialisierung

    Einst hatte man gehofft, dass mit dem Fortschritt in alle Richtungen die Ungleichheit verschwände, aber diese Hoff-nungen sind bis heute vergeblich. Die aufkommende Indus-trialisierung stieß auch nicht bei beiden Seiten auf Anklang. Die Reichen sagten, die Vielfalt an Maschinen würde zahl-reiche Arbeitsplätze schaffen und andererseits die Arbeits-bedingungen verbessern. Die Arbeiter indes befürchteten, dass eine Maschine mehrere Arbeitskräfte ersetzen und da-mit in einer verminderten Beschäftigungsanzahl resultieren

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    würde. Obwohl die Einführung von Maschinen schließlich zu einer Mehrbeschäftigung führte, wurde der Unterschied zwischen Arm und Reich dennoch größer denn je.

    Versuche zur Reduzierung der Armut und der Grund ihres Scheiterns

    Zugestanden, hat es in einigen Bereichen Verbesserun-gen gegeben, als Ergebnis humanitärer Bemühungen wohl-wollender Staatsmänner und Industrieller. Man kann diese aber lediglich als Erleichterungen sehen und nicht als Ansät-ze, die dem Problem auf den Grund gehen. Die Sozialsyste-me wurden in ihrer Grundidee niemals reformiert und somit blieb die Wurzel des Übels bestehen.

    Täglich bekommt der Hund eines Reichen Leckerbis-sen, die Überreste seiner üppigen Tafel sind, während die Kinder eines Armen hungrig schlafen gehen. Das ist kein übertriebener Vergleich! Es gibt hunderttausende Eltern, die ihre Kinder mit leerem Magen ins Bett schicken müssen. Selbst wenn die Wohlhabenden sich darum sorgten, diesem Zustand Abhilfe zu schaffen, gelänge es ihnen allein durch individuelle Anstrengungen nicht. Ein Reicher, wie wohltu-end er auch sein mag, kann sich einfach nicht vorstellen, wie in einer Hütte auf einen fernen Hügel gerade das Kind eines Armen vor Hunger stirbt.Wie soll ein wohlhabender Städter die Turbulenzen verstehen, welche die gezeichnete Bevölke-rung der Randgebiete gerade durchmacht? Es ist wahr, dass oft schon der Wille zu helfen fehlt, aber angenommen, die wohlhabende Klasse wäre gewillt, ja, sogar darauf bedacht, zu helfen, selbst dann würde es an der nötigen Kenntnis

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    bzw. den notwendigen Mitteln fehlen, um damit Armut und Instabilität aus der Welt zu schaffen.

    Unerträglicher Zustand der Armen im Vergleich zu den Wohlhabenden

    Fühlt sich ein Reicher unwohl, so verschreibt ihm der Arzt teure moderne Medikamente. Und sagt dem Patienten der Geschmack oder Geruch nicht zu, dann bekommt er ent-weder von diesem oder einem anderen Arzt andere ähnlich teure Medizin. Leidet ein Reicher an einer Erkältung, kann es sein, dass er dafür soviel Geld ausgibt, was für einen Ar-men ein Vermögen bedeutet. Andererseits mag es sein, dass eine arme Frau, deren Kind unter einer Lungenentzündung keucht, vergeblich um die paar Cent für Kräuter bettelt, mit denen sie den Tee kochen kann, den ihr ein ansässiger Kräu-terdoktor verschrieben haben mag. Dabei ist die Besorgnis, welche die Mutter eines kranken Kindes im Herzen verspürt, dieselbe, ob es sich nun um das Herz einer armen oder einer reichen Frau handelt. Aber der Wohlstand der einen Frau er-laubt es ihr, bei dem kleinsten Anlass sämtliche Ressourcen der Medizin und Pharmazie aufzufahren, während die Not der anderen ihr nichts anderes übrig lässt, als das Leiden ih-res Kindes in tiefstem Elend mitanzusehen.

    Kommt es nicht immer wieder um Sie herum vor, dass mit den Leben der Armen gespielt wird bzw. man sie ver-spielt, wobei man sie eigentlich mit ganz kleinem Aufwand hätte außer Gefahr bringen oder sogar retten hätte können? Die Auswüchse der Armut um uns herum erreichen oftmals unerträgliche Ausmaße.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Der erbärmliche Zustand der Armen und ein grausames Beispiel

    Einst kam eine arme Frau zu mir und erklärte in langen Details den Grund ihres Besuchs. Wieder und wieder sag-te sie, dass sie mit großen Hoffnungen zu mir gekommen sei und sie schien äußerst besorgt zu sein, mit ihrem Anlie-gen zurückgewiesen werden zu können. Je mehr ich ihr gut zuredete, desto demütiger und vehementer wurde ihr Bit-ten. Ich konnte mir vorstellen, dass sie wahrscheinlich Geld für die Hochzeit ihres Sohnes oder ihrer Tochter brauchte, aber als ich sie schließlich dazu bringen konnte, mir doch zu sagen, was sie benötigte, war alles, worum sie bat, acht Anna.5 Ich kann nicht vergessen, wie erschüttert ich deswe-gen war! Wie lange hatte sie ausgeholt, um auf den Punkt zu kommen, wie demütig und zurückhaltend war sie, als sie ihr Anliegen vorgebracht hat und wie bedauernswert war, gemessen daran, ihre Forderung. Nicht mehr als acht Anna! Kann gut sein, dass sie glaubte, niemand, der bemittelt war, würde bereit sein, einer armen Frau zumindest acht Anna zu geben. Oder dass es überhaupt wenige gäbe, die eine acht Anna Münze besäßen oder für sie übrig hätten. Was auch immer der Grund für ihre Zögerlichkeit und Angst gewesen sein mag, die ganze Begebenheit verdeutlichte die furchtba-re Lage des Elends.

    Wenn dies die allgemeine Wahrnehmung der Leute ih-rer Klasse war, dass niemand bereit sein würde, auch nur acht Anna auszugeben, um einer armen Frau aus einer Not-

    5 Ehemalige Münzeinheit in Indien, entsprach 1/16 einer Rupie. (Anm. d. Ü.)

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    lage zu helfen, dann ist es kein Wunder, dass die Armen die Reichen bitterlich hassen. Wenn die Mittellosen, versunken in Armut und Elend, denken, niemand habe auch nur acht Anna übrig und dass jemand, der sie übrig hat, eine glückli-che Ausnahme ist – was sagt das aus über die Tiefe, auf die weite Teile der Gesellschaft gesunken sind!

  • 2.

    Beginn verschiedener Bewegungen zum Wohl der Armen

    Demokratie

    Es war Ende des 18. Jahrhunderts, als Reaktionen auf diese Zustände eine organisierte Form anzunehmen began-nen. Der Bewegung, die damit ihren Anfang nahm, gab man den Namen Demokratie. Es wurde verstanden, dass die Lö-sung nicht in der Hand von Einzelnen, sondern in der Hand des Staates lag.

    Wie ich schon gesagt habe, kann von jemandem aus La-hore oder Dehli kaum erwartet werden, bescheid zu wissen, wie gerade das Kind einer mittellosen Frau in einer Hütte im Himalaya vor Hunger verendet, noch hat die Mehrheit in den Städten eine Vorstellung von den prekären Zuständen, die auf dem Lande vorherrschen. Aber man könnte vom Staat erwarten, dass er diese Informationen oder zumin-dest die Mittel, diese zu erlangen, besitzt. Aus diesen Grund dachte man, es sei die Pflicht des Staates, Maßnahmen zur Besserung und Reform einzuleiten.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Erster Wandel in der Demokratie

    Als Begleiterscheinung war erforderlich, dass neben den Herrschenden, Adligen und Ministern auch andere eine Stimme haben sollten, wenn es um die Führung der Angele-genheiten des Landes ging, damit zentrale Entscheidungen und Bestimmungen auf Basis größtmöglicher Informationen und Kenntnisse getroffen werden konnten. Die erste Not-wendigkeit der Demokratie war aus diesem Grund, die Re-präsentation verschiedener Klassen und Interessensgruppen zu gewährleisten, damit jene am Ruder der Macht über die Zustände in den verschiedenen Teilen des Landes auf dem Laufenden gehalten werden konnten und ihnen zur selben Zeit die Beratung der unterschiedlichen Seiten zu Verfügung stand. Für einige Zeit erfüllten diese Repräsentanten ledig-lich eine beratende Funktion, dennoch stellte selbst dies einen großen Fortschritt dar, insofern damit sichergestellt wurde, dass jene an der Macht vollständigere Informationen und Kenntnisse hinsichtlich der Bedürfnisse und Schwierig-keiten derer hatten, über die sie regierten.

    Sicherstellung der Rechte durch die Demokratie und die Bemühungen der Händler und Handwerker dafür

    Anfangs gehörten diese Repräsentanten mehrheitlich der grundbesitzenden Klassen an und der Nutzen ihrer Empfehlungen kam daher prinzipiell nur den Angehöri-gen ihrer eigenen Klassen zugute. Schrittweise erhoben sich auch Händler und Handwerker und die Bewegung bekannt als Liberalismus nahm ihren Anfang, deren Anliegen grund-sätzlich die Sicherstellung und Vertretung der Interessen

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    eben jener Klassen war. Infolgedessen wurde die Mitbestim-mung ausgeweitet und jene Klassen miteinbezogen, wonach sie anfingen, die Politik des Staates zu beeinflussen, ja, sogar zu dirigieren.

    Sozialismus

    Später fing eine weitere Klasse an, um Anerkennung zu kämpfen und sich ihre Rechte zu sichern. Dies waren die Ar-beiter in den Fabriken und die Angestellten. Als diese sahen, dass lediglich die Interessen der Grundbesitzer, des Handels und der Industrie in der Legislative vertreten wurden, be-merkten sie, dass Regierungen, die einer derartig zusam-mengesetzten Legislative unterstanden, nicht offen für ihre Bedürfnisse und Leiden waren, weswegen sie auf das Recht Anspruch erhoben, sich selbst direkt zu vertreten. Die Poli-tik bzw. das Programm, welches diese Klasse hervorbrachte, kennt man nun als Sozialismus.

    Das wichtigste Ziel dieser Bewegung ist eine gleichere Verteilung des Wohlstands zwischen den Eigentümern des Kapitals und der Arbeiterklasse. Um dieses Ziel zu errei-chen, sind sie darauf aus, die Regierungsführung in die eige-ne Hand zu nehmen, im Glauben, dadurch einen gerechten Ausgleich für die Beschwerlichkeiten der Arbeiter und der ärmeren Bevölkerungsgruppen erreichen zu können.

    Internationaler Sozialismus

    Die nächste Stufe zeichnete sich ab, als man begann, festzustellen, dass diese Bewegungen allesamt nur national ausgerichtet waren und dass ihre Errungenschaften nur auf

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    bestimmte Länder beschränkt waren. Wie zufrieden konnte man über eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei-spielsweise in England sein, während die gleiche Klasse in Frankreich weiterhin unter schweren Beschneidungen litt. So schlug man vor, dass sich die Arbeiter verschiedener Län-der zusammentun und in internationalen Organisationen und Vereinigungen zusammenarbeiten sollten. Ein weiteres Motiv für diese Bewegung war, dass man glaubte, die kapi-talistischen Klassen würden sich bereits in einigen Ländern aktiv in Opposition zur Arbeiterklasse organisieren. Man meinte, dem einzig entgegenwirken zu können, indem sich die Arbeiter selbst auf internationaler Basis organisierten. Diese Bewegung heißt Internationaler Sozialismus.

    Karl Marx und seine drei Grundsätze zur Besserung des Zustands der Armen

    Der Kampf um Gleichberichtigung für Arbeiter und andere erfuhr einen großen Aufschwung bzw. bekam eine völlig neue Orientierung durch die Lehren von Karl Marx. Dieser Mann war ein Deutscher jüdischer Abstammung, jedoch selber christlichen Glaubens. Nach reiflichen Über-legungen kam er zu dem Schluss, dass der Ansatz des So-zialismus, die kapitalistische Klasse durch Unterdruckset-zung zu bewegen, zu langsam war und man sich dadurch nicht versprechen konnte, das gewünschte Ergebnis inner-halb einer absehbaren Zeit jemals zu erreichen. Er glaubte, es sei vergeblich zu erwarten, dass sich jene am Ruder der politischen Macht jemals lediglich durch Ausübung sozia-len oder politischen Drucks dazu bewegen lassen würden, sich zu ändern. Er vertrat den Standpunkt, dass der einzig

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    wirksame Weg, eine Reform herbeizuführen, war, dass die Arbeiter die Macht ergriffen. Anstatt jahrelang Aufrührung durch spezifische Reformen und Verbesserungen zu betrei-ben, wäre es zielführender, wenn die Arbeiter die staatlichen Maschinen in Besitz nähmen und gleichzeitig eine komplet-te Reform des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Be-reichs durchführten. Deshalb betonte er die Notwendigkeit der direkten politischen Teil- bzw. Einflussnahme, mit dem Hintergrund der politischen Machtergreifung, wodurch eine vollkommene soziale und wirtschaftliche Revolution erreicht werden könnte.

    Erster Grundsatz des Marxismus

    Der Marxismus ist so gesehen eine Entwicklung des In-ternationalen Sozialismus, welcher seine Ziele durch politi-sche Revolution anstatt durch wirtschaftlichen Wandel errei-chen will. Er deutet auch darauf hin, dass ein Grund für das Scheitern des Sozialismus darin läge, dass die Sozialisten an Kooperation mit den kapitalistischen Klassen glaubten, während man ihm zufolge auf keine Verbesserung hoffen konnte, ohne den Sturz der Kapitalisten. Marx zufolge ba-sieren Demokratie und alle Systeme, die auf der Kooperati-on der verschiedenen Klassen beruhen, auf völlig falschen Prinzipien. Unter seinem System steht den kapitalistischen Klassen überhaupt kein Anteil zu, sondern alle Macht und Autorität ist den Arbeitern zu eigen.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Zweiter Grundsatz des Marxismus

    Um dieses Ziel zu erreichen, glaubte er an eine gewaltsa-me Revolution durch Organisation und Angriff. Diese Lehre von Marx nahm später im Bolschewismus Form an.

    Dritter Grundsatz des Marxismus

    Marx war außerdem der Ansicht, dass die kapitalisti-schen Klassen schon so lange an der Macht waren und die Arbeiter bereits derart demoralisiert, dass man von den Ar-beitern nicht erwarten konnte, in der Lage zu sein, nach dem Sturz der Kapitalisten ihre eigenen Interessen zu sichern.

    Sie kennen vielleicht die Geschichte des schlecht bezahl-ten Knechts, dessen Freund ihn anhielt, seinen Herrn um eine Lohnerhöhung zu ersuchen oder ihm andererseits zu drohen, dass er sonst gehen würde. Nach hartnäckigem Zö-gern und langem Einreden entschloss er sich schließlich den Rat des Freundes zu befolgen. Eines Morgens, als sein Meis-ter von seinem Ausritt zurück kam, fragte ihn der Knecht um Erlaubnis, etwas vorbringen zu dürfen. Als ihm gesagt wird, er solle fortfahren, stieß er hervor: „Herr, jeder in mei-ner Position bekommt weitaus mehr bezahlt als ich. Ich bitte deshalb darum, dass mein Lohn erhöht wird, sonst...“ „Sonst was, du Knappe?!“ donnerte der Meister, der ihm flugs mit seiner Peitsche einen gezielten Schmiss verpasste. „Sonst mache ich so weiter wie bisher“, wimmerte der Knecht. Sei-ne ganze Entschlossenheit, sich eine Lohnerhöhung zu ho-len oder ansonsten seinen Herrn zu verlassen, verpuffte mit nur einem einzigen Peitschenhieb.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Die Folgen eine lang anhaltenden Sklaverei

    Es ist wahr, dass langes Leiden und Not die Leute ihrer Standfestigkeit und Willensstärke berauben. Ich habe selbst versucht, Ambitionen und Verbesserungen in den übervor-teilten Klassen hervorzurufen. Die Leute hören durchaus aufmerksam zu, um am Ende eher selbstbestätigend sagen zu können: „Gott hat den Dingen ihren Platz gegeben, es ist sinnlos zu versuchen, sie zu ändern.“ Als ob ein jeder, der versucht, eine bestehende Ordnung zu ändern oder zu refor-mieren, den Verstand verloren hätte.

    Diese Einstellung war es, die Karl Marx erkennen ließ, dass es gefährlich wäre, den Arbeitern und Massen von An-fang an die Macht zu überlassen. Ihm nach war es nötig, mit einer Diktatur zu beginnen, unter der die Arbeiter orga-nisiert und erzogen werden sollten, während der man alle Klassenunterschiede beseitigen würde, damit die nächste Generation in einer Atmosphäre der Gleichheit aufwachsen konnte, ohne ein Gefühl von Minderwertigkeit. Erst dann wäre der Zeitpunkt gekommen, um die politische Autorität auf die Massen übergehen zu lassen. Ein vorzeitiger Transfer der Macht würde die gesamte Bewegung gefährden.

    Bemühungen Lenins und seiner Genossen um das Wohl der Armen

    Marx starb, aber keine schätzenswerten Veränderungen folgten. Tatsächlich wurde die Lage schlechter und schlech-ter. Aber hier und dort begannen einige Männer, Arbeiter ent-sprechend Marxs Richtlinien zu organisieren. Einer davon war Lenin, der schließlich Russlands erster Diktator wurde.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Lenin und seine Genossen ließen die Marx'schen Theorien klare Gestalt annehmen und betrieben unter den Arbeitern aktiv Propaganda. Sie hoben gezielt die Unterschiede her-vor zwischen den miserablen Verhältnissen, unter welchen die Arbeiter lebten, und dem Luxus und der Extravaganz, womit sich die Arbeitgeber und ihre Familien umgaben. Mit der Verbreitung ihrer Propaganda entstanden mehrere anti-kapitalistische Gesellschaften.

    Beginn der Parteien der Bolschewisten und Menschewisten

    Waren die Arbeiter-Organisationen stark genug gewor-den, beriefen ihre Führer ein Treffen ein, um sich auf einen Aktionsplan zur Machterlangung zu einigen. Im Laufe der Diskussionen in diesen Treffen stellten sich ernsthafte Dif-ferenzen zwischen Lenin und Martow heraus, der ebenso ein einflussreicher Führer der Arbeiterbewegung war. Le-nin hatte die Mehrheit hinter sich und seine Partei wurde schließlich bekannt als die Bolschewisten (d.h. die Mehr-heitspartei) und Martows als die Menschewisten (d.h. Min-derheitspartei).

    Meinungsverschiedenheiten Lenins und Martows über die Organisation der Regierung

    Erste Meinungsverschiedenheit

    Lenin war im Vergleich zu Martow ein eher orthodoxer Anhänger von Marx. Er glaubte, um ihre Ziele effektiver er-reichen zu können, sollten die Arbeiter mit keiner anderen

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Gruppierung oder Partei ein Bündnis eingehen. Martow meinte andererseits, dass man bis zur Machterlangung mit anderen aktiven Gruppen zusammenarbeiten solle. Anders gesagt, Lenin hatte vollstes Vertrauen in die Integrität sei-nes eigenen politischen Programms und dachte nicht, dass es notwendig sei, sich auf irgendeine andere Gruppe oder Partei einlassen zu müssen, um Erfolg zu haben.

    Zweite Meinungsverschiedenheit

    Eine weitere Differenz zwischen den beiden war, dass Martow die Einrichtung einer Art Republiksregierung, und zwar von Anfang an, befürwortete, während Lenin der Mei-nung war, dass eine Diktatur in den ersten Phasen unum-gänglich sei. Möglicherweise war Martows Haltung von dem Gedanken getragen, dass im Falle einer Wahl zum Dik-tator, diese offenbar auf Lenin fallen würde.

    Martow zur Abschaffung der Todesstrafe

    Weiter bestand Martow darauf, dass unter der neuen Ordnung in Übereinstimmung mit den orthodoxen sozia-listischen Grundsätzen die Todesstrafe von Beginn an abge-schafft werden sollte. Dagegen stellte sich Lenin, der zwar zugab, dass die Todesstrafe prinzipiell letztendlich abzu-schaffen sei, aber behauptete, das sei unmittelbar praktisch nicht umsetzbar. Er betonte beispielsweise, dass es von Nö-ten wäre, den Zar nach seiner Machtenthebung zu exeku-tieren, da, solange er am Leben sei, dies eine Gefahr für die Republik darstellen würde. Sein Hass gegen den Zar war so tief, dass er bereit war, für die Beibehaltung der Todesstra-

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    fe zu kämpfen, auch wenn es nur der Exekution des Zaren wegen war.

    Wie gesagt, gelang es Lenin, die Mehrheit der Partei hin-ter sich zu bringen, dennoch, als es zum Umsturz kam und der Zar zum Abdanken gezwungen wurde, waren es die Menschewiken, die zuerst an die Macht kamen, da die an-deren Parteien eher bereit und gewillt waren, ihnen Unter-stützung zu leisten. Dies dauerte indes nicht lange und die Bolschewisten erstarkten bald, um die Macht zu ergreifen.

  • 3.

    Sechs wirtschaftliche Grundsätze des Bolschewismus und seine Folgen

    Ich möchte nun damit fortfahren, das Wirtschaftssys-tem zu beschreiben, das die Bolschewisten verfechten. Man muss sich bewusst halten, dass das Ziel dieses Systems ist, den Unterschied zwischen Arm und Reich auszutilgen und dafür zu sorgen, dass jeder Mensch Nahrung, Bekleidung und Zugang zu medizinischer Versorgung hat, dass die täglichen Bedürfnisse aller entsprechend eines Standards gedeckt werden, der für alle derselbe ist. Kurz, ihr Ziel ist es, alle wirtschaftlichen Hürden abzuschaffen, die es den Ar-men schwer machen. Die Grundsätze, worauf dieses System im Einklang mit der Marx'schen Theorie basiert, sind:

    1. Von jedem entsprechend seiner Kapazität. Zur Ver-

    anschaulichung dessen stellen Sie sich vor, ein Mann besitzt etwa fünf Hektar Land und der andere fünf-zig. Die Abgabe beider wird nicht gleich sein, aber auch nicht verhältnismäßig gleich. Jedem wird er-laubt, lediglich den Eigenbedarf zu decken, der Rest wird eingezogen.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    2. Jedem entsprechend seinem Bedarf. Das bedeutet in Kombination mit dem ersten Prinzip, was auch immer jemand produziert, muss abgegeben werden, mit Ausnahme des Eigenbedarfs bzw. der Produzent wird in Ermangelung dessen damit versorgt. Produ-ziert also jemand weniger und hat aber eine große Familie zu versorgen, so gibt er weniger an den Staat ab, bekommt aber mehr im Vergleich zu einem, der viel produziert und eine kleinere Familie hat.

    3. Der Überschuss gehört dem Staat und dient dem Zweck der Umverteilung und Erhaltung des Ge-meinwohls, ungeachtet dessen, ob der Überschuss zufällig zustande kommt oder als Ergebnis harter Arbeit.

    4. Nicht nur Personen sondern auch die Güter stehen unter staatlicher Kontrolle. Das heißt, der Staat hat das Recht zu entscheiden, was an einem bestimm-ten Ort angebaut werden soll und was nicht. Ist zum Beispiel ein bestimmtes Gebiet besonders für den Anbau von Zuckerrohr geeignet, so wird der Staat vorgeben, dort Zuckerrohr anzubauen. Gleicherma-ßen kann der Anbau von Weizen oder Baumwolle (in anderen Gebieten) angeordnet werden. Anders gesagt, der Staat schreibt in jedem einzelnen Fall vor, zu welchem Nutzen die Produktionsmittel einzuset-zen sind und jedermann hat sich daran zu halten.

    5. Intellektuelle Anstrengungen, die nichts mit der Ar-beit zu tun haben, sind nutzlos. Die Basis jeglicher Produktion ist körperliche Arbeit. Jeder muss aus diesem Grund seinen Beitrag in Form körperlicher Arbeit leisten und wer sich weigert, darf beim Staat

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    oder der Gemeinschaft auch keinerlei Anspruch stel-len.

    6. Um die Verbreitung und erfolgreiche Umsetzung dieser Prinzipien zu gewährleisten, soll eine eher of-fensive als defensive Politik betrieben werden.

    Die Folge des ersten Grundsatzes: Die Besitzergreifung der Güter aller Wohlhabenden

    In Anwendung des ersten dieser Grundsätze nahmen die Bolschewisten das gesamte Eigentum, jegliches Vermö-gen und andere Mittel der Produktion in Besitz.

    Die Folge des zweiten Grundsatzes: Sorge tragen für die Bedürfnisse der Handwerker

    Dem zweiten Prinzip entsprechend, zeichnet sich der Bolschewismus verantwortlich, für die Bedürfnisse jedes einzelnen Arbeiters zu sorgen. Die bolschewistische Regie-rung hat die Pflicht, jeder Familie Nahrung, Bekleidung, Be-hausung, Treibstoff, usw. zur Verfügung zu stellen. Einzig und allein jene, die es ablehnen, körperliche Arbeit zu leis-ten, sind von diesem System ausgenommen oder schließen sich sozusagen selbst davon aus.

    Die Folge des dritten Grundsatzes: der Beschluss, mehr Güter zu ergreifen, als der vorgegebene Maßstab der Re-

    gierung erlaubt

    In Übereinstimmung mit dem dritten Prinzip eignet sich der Staat jeglichen Überschuss aus der Produktion sowie aus

  • 53

    Die Neue Weltordnung des Islam

    den Produktionsmitteln an. Ist beispielsweise ein Bauer in der Lage, fünfzig Haufen Getreide auf seinem Betrieb zu produzieren, während sein Eigenbedarf mit zwanzig Hau-fen gedeckt wäre, so nimmt sich der Staat die übrigen drei-ßig. Verfügt außerdem ein Betrieb über mehr Fläche, als zur Versorgung der Familie des Bauern von Nöten ist, hat man das überschüssige Land dem Staat zu übergeben.

    Die Folge des vierten Grundsatzes: Mangel an Hand-lungsfreiheit

    Als Ergebnis des vierten Prinzips hat der Bolschewis-mus Bauern, Händlern und Handwerkern jegliche Hand-lungsfreiheit beraubt, indem jedem einzelnen gesagt wird, was zu machen ist und was nicht. Sämtliche Landwirtschaft, Industrie, Handel und Wirtschaft muss so ablaufen, wie es der Staat vorgibt. Der Staat bestimmt, was in jeweiligen Ge-bieten angebaut oder produziert wird, und die Bauern selbst haben kein Mitentscheidungsrecht. Dasselbe ist der Fall in anderen Bereichen und Aktivitäten. Jede Person wird somit auf das Niveau eines Pflichtarbeiters reduziert.

    Die Folge des fünften Grundsatzes: Eingriff in die Religion

    Das fünfte Prinzip wurde als Waffe gegen die Religion eingesetzt, indem seine Anwendung religiöse Würdenträger jeglicher Grundversorgung beraubte. Da ein Priester norma-lerweise keine handwerkliche Tätigkeit ausübt, war er nicht berechtigt an der Grundversorgung teilzuhaben. Als Resul-tat war die Priesterklasse gezwungen, ihre gesamte oder

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    meiste Zeit der händischen Arbeit zu widmen, d. h. säkula-ren Beschäftigungen nachzugehen.

    Der Versuch, den Atheismus einzuführen

    Einen mächtigen Angriff auf die Religion vollzog der Bolschewismus auch durch Einführung des Grundprin-zips, dass Religion eine Angelegenheit der freien Entschei-dung eines Erwachsenen sein solle. Es wird betont, dass El-tern keinerlei recht hätten, den Geist ihrer Kinder mit den Grundsätzen irgendeiner Religion in Berührung zu bringen. Erziehung und Belehrung wären ausschließlich die Ange-legenheit des Staates. Es wird zudem behauptet, den Geist eines Kindes in Richtung einer bestimmen Religion zu be-einflussen, sei die schlimmste Tyrannei, derzufolge die Kin-der mit dem Glauben der Eltern aufwachsen würden. Der richtige Weg, so erklärt man, sei, den Geist der Kinder vor jeglichem religiösen Einfluss zu bewahren, damit, wenn das Kind erwachsen wird, es in Sachen Religion eine freie Ent-scheidung fällen könne.

    Die Umsetzung dieser Sichtweise ist gleichbedeutend mit der Zerstörung der Religion. Kinder werden darunter in einem frühen Alter von ihren Eltern getrennt. Ihre Erzie-hung und Bildung werden in die Hände einer staatlichen Einrichtung gelegt. Jeglicher Verweis auf Religion oder re-ligiöse Lehren werden aus dem vorgeschriebenen Bildungs-programm ferngehalten. Folglich wächst das Kind völlig gleichgültig gegenüber Religion eingestellt auf, wenn nicht sogar feindlich. Sinnlos dann zu behaupten, wenn das Alter der Mündigkeit erreicht werde, könne man seine Religion frei auswählen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Geist für jeg-

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    lichen religiösen Einfluss bereits völlig verschlossen. Man argumentiert, das System würde hinsichtlich religiöser Bil-dung für eine saubere Tafel sorgen, damit der mündige Er-wachsene die Freiheit genießen könne, darauf zu schreiben, was er wolle. Das ist allerdings ein massiver Trugschluss.

    Unter diesem System wächst das Kind in dem Glauben heran, Religion sei nichts als ein Bündel von Aberglauben, und bis sie das Erwachsenenalter erreicht hat, ist die Person völlig gottlos geworden. Das Ergebnis sieht so aus, dass das System aus den zukünftigen Generationen garantiert gefes-tigte Atheisten macht.

    Die Folge des sechsten Grundsatzes: Propaganda eigener Gedanken in andere Länder

    Dem sechsten Prinzip entsprechend begannen die Bol-schewisten, mit intensiver Propaganda andere Länder zu konvertieren. Abgesandte schwärmten bald über Europa und Teile Asiens aus. Dort sind sie bekannt als „Kommunis-ten“. Sie haben auch eine Organisation im Punjab sowie in anderen Provinzen Indiens.

    Somit erfuhren die Grundsätze, welche der jüdisch-stämmige Deutsche Karl Marx predigte, einen Aufschwung durch Russland und die Bewegung zur Sicherstellung der Grundversorgung jeder Person, zur Abschaffung der Armut und Herstellung der Gleichheit zwischen Arm und Reich be-gann im großen Stil eine praktische Form anzunehmen. Da es das Ziel dieser Bewegung war, eine allgemeine Revoluti-on herbeizuführen, löste sie in anderen Ländern bestimmte Reaktionen aus.

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    Der Beginn von drei Bewegungnen als Reaktion auf den Bolschewismus in Europa: Faschismus, Nazitum und

    Falangismus

    Die Verbreitung der bolschewistischen Anschauungen in Europa wurde von Italien und Deutschland mit großer Besorgnis verfolgt. Diese hatten gehofft, bald die weltweite politische und wirtschaftliche Vormachtstellung zu erlan-gen, während die bis dahin dominierenden Mächte Eng-land, Frankreich und USA diese Position zu verlieren schie-nen. Dieser Vorstellung zufolge hegte man jedenfalls den großen Traum einer Weltherrschaft und Deutschland, Italien und Spanien standen an erster Stelle derer, die sich in dieser Rolle sahen. Für sie war die Ausbreitung des Bolschewismus nicht weniger als ein Läuten der Totenglocken für ihre Hoff-nungen und Ambitionen. Zuvor kreisten sie wie die Aasgei-er über dem toten Bullen. Deutschland und Italien warteten förmlich auf den Zusammenbruch Englands, Frankreichs und der USA, in der Hoffnung, die Welt zu dominieren und sie sich in Zukunft für lange Zeit gefügig machen zu

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    können. Eine Bewegung, deren Ziel es war, die bestehende Ordnung aller anderen Staaten zu stören, wurde von den neuen Mächten als große Bedrohung wahrgenommen und löste eine dementsprechend heftige Reaktion aus. In Italien entstand unter der Führung Mussolinis der Faschismus, in Deutschland legte Hitler den Grundstein für den National-sozialismus und in Spanien wurde Franco zum Führer der Falangisten.

    Die neuen Bewegungen als Opposition zum Bolschewismus

    All diese Bewegungen forderten den Bolschewismus he-raus, der naturgemäß für die ärmeren Schichten aller Länder eine starke Anziehungskraft besaß. Man stellte sich vor, dass unter dem Bolschewismus jeder mit Bergen an Lebensnot-wendigkeiten versorgt werden würde, sei es an Nahrung, Kleidung oder Medizin, und die Bedürfnisse aller damit gestillt würden. Entfernung verklärt den Blick. So gibt es hierzulande auch Leute, die das bolschewistische System gutheißen und glauben, darunter würden Organe des Staats von Haus zu Haus gehen und ihnen Nahrung, Kleidung und andere Dinge bringen, die sie brauchen. Sie sind sich dessen nicht bewusst, dass mit der Verbreitung des neuen, das alte Wirtschaftssystem völlig verschwindet und unter dem neuen System zwar jeder Nahrung und Kleidung hätte, aber gleichzeitig jeglicher Überschuss vom Staat eingezogen wird, der damit macht, was er für richtig hält.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Propoganda gegen den Bolschewismus aus Deutschland und Italien und deren Befürwortung des Nazitums und

    Faschismus

    Die Menschen in Europa jedenfalls fingen an, sich von der bolschewistischen Propaganda beeinflussen zu lassen und ein System zu unterstützen, das einem jeden ein ange-nehmes Leben versprach und das mit jeglichem Kummer und Elend Schluss machen würde.

    Deutschlands und Italiens erstes Mittel der Propaganda gegen den Bolschewismus

    Wie schon gesagt, erfanden Hitler und Mussolini das Nazitum bzw. den Faschismus als Waffe gegen den Bolsche-wismus. Sie erklärten, dass unter ihrem System gleichsam der Staat die Kontrolle über Industrie und Wirtschaft und den Wohlstand der Nation übernehmen und für eine gerech-tere Verteilung sorgen würde, womit die ärmeren Teile der Bevölkerung entlastet würden. Unter diesen Systemen nahm der Staat eine Vermittlerrolle zwischen dem Kapitalisten und dem Arbeiter ein, um dem Arbeiter bessere Rückleis-tungen und bessere Bedingungen zu garantieren. Anderer-seits wurde auch betont, dass es wichtig war, die Ressourcen und den Reichtum des Landes durch verstärkten Handel und eine höhere Industrialisierung zu festigen, um dadurch mehr Mittel zur Verfügung zu haben, die unter den Armen aufgeteilt werden könnten. Es wurde klargemacht, dass, um den nationalen Wohlstand voranzutreiben und den Lebens-standard der Armen zu heben, es nötig wäre, den interna-tionalen Handelsverkehr zu forcieren, wodurch man den

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Reichtum anderer Länder abschöpfen und zur Linderung der Schwierigkeiten und Armut im eigenen Land verwen-den konnte. Zu diesem Zweck war es wichtig, den interna-tionalen Schiffsverkehr, die landeseigene Industrie und den nationalen wie auch internationalen Handel auszubauen. Es wurde erklärt, dass Handelsriesen und Großindustrialisten dabei behilflich seien, den nationalen Wohlstand zu vermeh-ren und, wie die Gans, die goldene Eier legt, eher gefüttert werden sollen als ausgehungert. Je größer das Vermögen sei, das diese produzierten, desto mehr stehe zur Verteilung an die Armen zur Verfügung. Es sei für die Arbeiter und Ar-men vorteilhafter, dass die industriellen und wirtschaften-den Klassen weitermachten, ihr Vermögen zu verdienen und anzuhäufen, damit dieses ständig zum Wohle der Ärmeren verwendet werden könne, anstatt es ein für allemal zu kon-fiszieren.

    Das zweite Mittel der Propaganda gegen den Bolschewismus

    Weiter erklärte man, dass der Bolschewismus dem Im-perialismus entgegenstand und somit die Beherrschung eines Volkes durch ein anderes nicht unterstützte. Auf der anderen Seite hatten England, Frankreich und die Verei-nigten Staaten von Amerika über einen langen Zeitraum andere Länder und Nationen politisch und wirtschaftlich beherrscht und ausgebeutet und nun sollte man selbst an die Reihe kommen, sich auf ähnliche Art zu bereichern. Es war dabei sinnlos, ihnen (den Führern) zu predigen, dass eine derartige Politik auch den einen oder anderen Grund

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    zur Beanstandung aufwerfe, denn sie hatten ja das Recht zu tun, was die anderen Großmächte zuvor getan haben. Da be-hauptet wurde, dass diese Politik die ärmeren Gesellschafts-schichten entlasten würde, wurde sie natürlich von diesen auch unterstützt.

    Das dritte Mittel der Propaganda gegen den Bolschewismus

    Es wurde zudem behauptet, dass England, Frankreich und die USA heimlich den Vormarsch der Bolschewisten unterstützen, damit Deutschland und Italien nicht zu ihrem legitimen Anteil der weltweiten Schätze kommen konnten. Mit dieser Behauptung festigte man die Opposition des deutschen und italienischen Volkes gegen den Bolschewis-mus.

    Ein weiterer Aspekt, mit dem man argumentierte, war, dass Deutschland und Italien wirtschaftlich im Vergleich zu England, Frankreich und den USA eher schwach dastanden und dass selbst eine sofortige Verteilung des gesamten Ver-mögens der Nation an das Volk noch keinen allgemeinen Wohlstand erzeugen würde, weshalb eine Umsetzung der bolschewistischen Grundlagen den ärmeren Schichten nicht wirklich was bringen würde, noch würden sie einen ähnli-chen Wohlstand erzeugen, den man in England, Frankreich und den USA auch ohne den Bolschewismus hatte. Die Ein-führung des Bolschewismus würde sich für diese Länder also als fatal herausstellen.

    Auf der anderen Seite würde die aggressive Politik des Faschismus bzw. Nazitums die Nationen England, Frankreich und USA zum Zusammenbruch bringen und es

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Deutschland und Italien ermöglichen, sich den Hauptteil am weltweiten Reichtum zu sichern, dessen Umverteilung dar-aufhin unter dem nationalsozialistischen Staat das allgemei-ne Niveau des Wohlstands weitaus höher anheben würde, als unter dem bolschewistischen System möglich.

    Befürwortung des Nazitums und Faschismus in Deutschland und Italien

    Diese Theorien, ob wohl- oder schlechtbegründet, fin-gen an, in Deutschland, Italien und Spanien Unterstützung zu finden, obwohl die bolschewistische Propaganda dort zuvor schon Fuß gefasst hatte. Die Bevölkerung in diesen Ländern begann zu hoffen, dass es ihnen unter dem natio-nalsozialistischen System besser gehen würde als unter dem bolschewistischen. Deswegen gab man sich in diesen Län-dern zunehmend dem unter verschiedenen Namen auftre-tenden nationalsozialistischen Programm hin, mit dem Hin-tergrund, England, Frankreich und die USA niederzuringen und sich deren und das Vermögen der restlichen Welt zum eigenen Nutzen aneignen zu können.

    Das fünfte Mittel der Propaganda gegen den Bolschewis-mus: Versuch der Auslöschung der Religion durch den

    Einfluss äußerer Mächte

    Eine weitere Doktrin der Nationalsozialisten war, dass, um ihr nationales System zu stärken, nicht nur der Bolsche-wismus sondern auch solche religiösen Systeme bekämpft werden müssten, die ihre Anleitungen und Inspirationen von außen erhielten. Diese Systeme betrachtete man als

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Quelle des Zwiespalts und der Schwächung. In Verfolgung dieser Theorie fing Hitler an, die Juden und die römisch-katholischen Christen zu verfolgen. Unter der Befürchtung, dass die Juden, die in Russland eine Vormachtstellung be-saßen, sich für die Verbreitung des Bolschewismus stark machen sollten, ging Hitler dazu über, ihre gesamte Rasse in Deutschland auszurotten, selbst wenn viele davon längst den christlichen Glauben angenommen hatten. Da das nicht-katholische deutsche Volk in keiner Weise unter irgendeiner spirituellen Führung außerhalb Deutschlands stand, be-stand für ihn kein Grund zur Besorgnis, dass man beizei-ten nach einer derartigen Führung Ausschau halten würde. Er dachte, die Deutschen sollten ihren eigenen gesonderten Glauben haben, wie barbarisch dessen Glaubenssätze auch sein mochten.

    Die Konsequenz des Versuchs, die Religion auszumerzen

    Diese Theorie hatte gewissen religiösen Bewegungen in Deutschland Aufschwung gegeben, die versuchten, die Deutschen auf ihre vorchristlichen heidnischen Anschauun-gen zurückzuführen. Eine dieser Bewegungen beispielswei-se, die von General Ludendorff und seiner Frau unterstützt wurde, versuchte, in Deutschland die heidnische Praxis der Verehrung des Hundes wiederherzustellen. All das ist das Ergebnis von Hitlers Ansicht, dass in Deutschland keine Religion unterstützt werden sollte, die ihr Zentrum im Aus-land hatte.

    In Italien verfolgte man diese Regel nur in abgeschwäch-ter Form, wofür ein Grund der ist, dass Rom selbst das Zen-trum des römisch-katholischen Glaubens beheimatet. Die

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    faschistische Partei stand deswegen nicht in direkter Op-position zu den Katholiken, versuchte aber bis zu einem gewissen Grad, ihren Einfluss zu beschneiden, damit die Kirche sich nicht „unziemlich“ in die politischen Aktivitä-ten der Partei einmischen sollte. Später begannen die Fa-schisten, unter Hitlers Einfluss einen antisemitischen Kurs einzunehmen, da man ihnen erklärte, dass die Juden nicht nur die Bolschewisten unterstützen würden, sondern auch versuchten, die drei kapitalistischen Großmächte zu stärken. Spanien war zwar gegen den Bolschewismus und gegen die kapitalistischen Mächte, verfolgte darüber hinaus aber keine antisemitische Linie.

    Das sechste Mittel der Propaganda gegen den Bolsche-wismus: Die Verbreitung der arischen Rassenlehre

    Hitler erfand noch eine Lehre, um Unterstützung für sich zu gewinnen. Er sagte, die Evolutionstheorie würde zeigen, dass nur die Besten voran kämen und dass das Vor-anschreiten der ganzen Welt vom Voranschreiten der Besten in einer Position der Vormachtstellung abhänge. Dieser The-orie entsprechend behauptete er, da die arische Rasse sich selbst als die beste herausgestellt hätte, gebühre ihr über al-len anderen die Vormachtstellung, und dass dies speziell für die nordischen Arier gelte, sprich für die Germanen.

    Es fällt mir dabei unweigerlich auf, dass Hitler in die-sem Zusammenhang ein Anhänger Pandit Dayanands ist, denn dieser war der erste, der diese Theorie der Überle-genheit der arischen Rasse vertrat. Wie dem auch sei, Hitler behauptete, das Recht, andere zu beherrschen, gehöre den Deutschen, da sie den besten Teil der großen arischen Rasse

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    verkörpern würden. Er erklärte, dass man sogar bei Tieren die beste Rasse zu bevorzugen pflegte, wenn es jedoch um die Organisation des Staates ging, würde dieses Prinzip ig-noriert. So meinte er, da die Deutschen derzeit allen anderen Rassen überlegen wären, hätten sie den Anspruch, über die-se zu herrschen. Dabei behauptete er, dass dies keineswegs unfair oder ungerecht wäre und es universell anerkannt sei, dass der Mensch das wilde Tier, und nicht das wilde Tier den Menschen beherrscht. Dementsprechend sollte auch eine überlegenen Rasse die niederen beherrschen und aus ihnen Nutzen ziehen, anstatt sich ihnen unterzuordnen. Von den Deutschen wurde diese Theorie euphorisch akzeptiert.

  • 5.

    Wir haben also bis jetzt drei rivalisierende Bewegungen, die allesamt zum Ziel haben, der Armut den Kampf anzusa-gen und Elend und Notstand zu beseitigen.

    Sozialismus für die britische, französische und amerika-nische Arbeiterschaft

    Die erste dieser drei ist der Sozialismus, der hauptsäch-lich in den mächtigsten und fortschrittlichsten Ländern an Boden gewinnt, mit dem Ziel, den ärmeren Schichten schritt-weise einen größeren Anteil an der Macht zuzugestehen und gleichzeitig die staatliche Kontrolle über die Produktionsmit-tel zu verstärken. Des Weiteren wird darin danach gestrebt, durch eine Vermehrung des nationalen Vermögens den Le-bensstandard zu erhöhen und die Bedürftigkeit zu senken. Diese Bewegung ist seit einiger Zeit in England, Frankreich und dem USA wirksam und hat zweifelsohne bis zu einem gewissen Grad Verbesserungen und eine Linderung des Zu-standes der Armen in diesen Ländern bewerkstelligt. Ein Arbeiter in diesen Ländern kann sich durchaus mit einem gutbezahlten Regierungsbeamten hierzulande messen. In unserem Land wird ein stellvertretender Leiter eines Büros

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    oder ein Richter als respektable, gutsituierte Persönlichkeit angesehen. Das Einstiegsgehalt solch eines Beamten beträgt in etwa 250 Rupien im Monat, was dem Durchschnittsein-kommen eines englischen Arbeiters entspricht. In den USA ist der Standard sogar höher. Dort verdient ein durchschnitt-licher Arbeiter im Monat in etwa 500-700 Rupien, dabei gilt er aber als einfacher Arbeiter. Kurzum, diese Länder haben sich nicht nur darum bemüht, den Lebensstandard zu er-höhen, sondern gleichzeitig auch darum, die Quellen des nationalen Wohlstandes zu festigen, um dadurch allgemein Verbesserungen der wirtschaftlichen Lage zu gewährleisten. Diese Vorzüge sind der Anwendung des Sozialismus zu ver-danken, der in diesen Ländern praktiziert wird, der Vorteil beschränkt sich aber auch weitestgehend auf die Menschen dieser Länder. Zweifellos wird tunlichst versucht, diese Vor-teile auf andere Länder auszudehnen, gleichzeitig ist man aber nicht bereit, auch nur die geringste Einschränkung der eigenen Macht und Einflussnahme in Kauf zu nehmen, wel-che derzeit über andere Länder ausgeübt werden.

    Nehmen sie Indien als Beispiel. Größtes Wohlwollen wird Indien gegenüber beteuert und vielleicht tatsächlich empfunden, aber jegliche Bemühungen, die Bedingungen in Indien zu verbessern, werden von der Überlegung ge-tragen, dass den europäischen Interessen in Indien nichts im Wege stehen dürfe. Ihre Einstellung Indien gegenüber ist vergleichbar mit der eines netten Herrchens zu seinen Haustieren. Es macht ihm Freude, den Bestand zu füttern und zu mästen, solange es seinen eigenen Lebensstandard nicht beeinträchtigt. Wenn indes vorgeschlagen wird, Indi-en die einen oder anderen Zugeständnisse zu machen, ist man vorsichtig, dass diese sich unter keinen Umständen

  • 67

    Die Neue Weltordnung des Islam

    nachteilig auf die Interessen der imperialen Macht auswir-ken. Die Briten sind natürlicherweise bedacht darauf, dass der Lebensstandard ihrer eigenen Arbeiter nicht fällt, denn dadurch könnten sie selber auf das Level von Ländern wie Indien oder Afghanistan zurückfallen.

    Diese Bewegung hat also zwei schwerwiegende Mängel.

    Zwei große Gefahren des Sozialismus: fehlendes Mitge-fühl und Religionslosigkeit

    Zum ersten beschränkt sich ihre Sympathie ausschließ-lich auf Menschen jener Länder, die sie angenommen haben, d.h. sie ist nicht universell. In anderen Worten ist der Sozia-lismus ein heimlicher Verbündeter des Imperialismus, sym-pathisiert jedoch mit dem Internationalismus, dabei indes nur zu dem Zweck, um sicherzustellen, dass andere Natio-nen jene, die sich ihm angeschlossen haben, nicht überholen.

    Das zweite Manko, woran dieses System leidet, ist sein ausschließlich säkularer Charakter und das Fehlen eines jeg-lichen religiösen Aspekts, sodass selbst bei einem Nichtvor-handensein des ersten Mangels, d.h. einer vollständigen In-ternationalisierung des Systems, die religiöse Seite komplett verneint wird. Die Bewegung ignoriert die Tatsache, dass spirituelle Bedürfnisse sogar eine noch dringendere Beach-tung erfordern als die rein materiellen. Jene, die sich für die Bewegung interessieren, haben zwar nichts gegen Religion, hegen aber auch keinerlei spezielles Interesse dafür. Da dies so ist, kann man von ihnen auch nicht erwarten, der Religion willen irgendwelche Opfer zu erbringen.

  • 6.

    Die zweite Bewegung ist eine, die derzeit in Russland ausprobiert wird. Die zentralen Punkte dieser Bewegung sind:

    Sieben grundsätzliche Nachteile des Kommunismus

    Erster Nachteil: Unterbindung individueller Anstrengungen

    • dass individuelle Anstrengungen durch eine ge-

    meinsame Anstrengung ersetzt werden.• dass mit ihren eigenen Händen Arbeitende gegen

    Not und Bedürftigkeit abgesichert sein sollen.• dass rein intellektuell Arbeitende keinerlei Anspruch

    auf die Versorgung durch den Staat haben sollen.• dass die gesamten überschüssig produzierten Güter

    dem Staat gehören und dieser exklusiv darüber ver-fügen kann.

    • dass der Staat völlige Kontrolle und Verfügung über die Produktionsmittel besitzen soll.

    • dass die Erziehung und Bildung der Kinder in der Hand des Staats und nicht der Eltern liegen soll.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    • dass die Bewegung sich bemüht, überall Verbreitung und Akzeptanz zu finden.

    Diese Leute glauben an die Herrschaft der Masse, sind aber für eine lange Zeit nicht bereit, dieselbe mit politischer Macht zu betrauen. Diese Bewegung ist in Russland unter dem Namen Bolschewismus, in anderen Ländern unter Kommunismus bekannt.

    Dieser leidet an den folgenden Defiziten:

    Sein schwerwiegendstes Defizit ist, dass er individuelle Anstrengungen untersagt. Zur Zeit wird dies vielleicht nicht ganz verstanden, aber der nachteilige Effekt wird mit der Zeit mehr und mehr spürbar werden. Der Mensch ist so be-schaffen, dass er an jenen Dingen mit größter Begeisterung interessiert ist, die im Sinne seiner eigenen Interessen liegen bzw. im Interesse derer, für die er zu sorgen hat. Dagegen ist er weniger daran interessiert, worin für ihn kein direkter Nutzen erkennbar ist, ja, der vielmehr verborgen liegt.

    Unser Interesse an unserer eigens verrichteten Arbeit oder Beschäftigung wird stimuliert durch das Wissen um die Ergebnisse, die wir damit erzielen. Unter gewöhnlichen Systemen wird das Interesse eines Schülers ständig von dem Drang stimuliert, jenes Ziel zu erreichen, das er sich selbst gesetzt hat. Jemand mag danach streben, eine respektable Anstellung beim Staat zu bekommen, ein anderer mag da-von träumen, sich in die Führungsetage eines Industriebe-triebs hochzuarbeiten. Ein Dritter wünscht sich, es zu einem Handelsmagnaten zu bringen. In jedem dieser Fälle mag das Motiv sein, seinen eigenen Komfort abzusichern bzw.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    den Komfort der von ihm Abhängigen und im Zuge dessen auf einer bestimmten Ebene Macht auszuüben. Wird dieser Anreiz weggenommen und vom Staat bestimmt, dass jede Person, ungeachtet ihrer Bildung oder Erziehung und ihrer intellektuellen Fähigkeiten, dieselbe Be- bzw. Entlohnung erhält, dann ist jede intellektuelle Anstrengung zum Verfall verurteilt. Ein normaler Schüler wird aufhören, sein Bestes zu geben, und Fleiß wird zum Fremdwort. Es wird dann höchstens einige wenige geben, die sich Wissen um des Wis-sens willen aneignen, die Mehrheit wird aber verhältnismä-ßig teilnahmslos werden. Diese Einstellung wird sich über alle Beschäftigungen, Berufe, Künste und Wissenschaften ausbreiten, mit dem Ergebnis eines schrittweisen Rückgangs an intellektuellen Fertigkeiten.

    Zweiter Nachteil des Kommunismus: Zwang und Gewalt

    Der zweite Mangel an dieser Gesellschaft ist, dass sie sich selbst durch Zwang und Gewalt zu verbreiten sucht, anstatt durch Überzeugungsarbeit. Hätte sich die Bewegung angestrengt, eine gleichmäßige Verteilung des Wohlstandes durch Überzeugungsarbeit herbeizuführen, wären die Er-gebnisse möglicherweise durchwegs vorteilhaft gewesen. Es wird jedoch versucht, das Ziel auf einen Schlag mit Gewalt zu erreichen. Dabei wird den Wohlhabenderen in einem Zug ihr gesamter Wohlstand und Besitz entzogen und sie damit in Armut und Elend gestürzt. Diese Art von gewalt-samer Revolution kann gar nicht anders, als zu einem De-saster führen. Um einen fruchtbaren Wandel durchzusetzen, müssen erst die passenden Umstände dafür vorliegen bzw. geschaffen werden.

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    Wenn ein vernünftiger Gärtner beschließt, dass es nötig ist, seine Pflanzen umzusetzen, dann tut er dies erst nach sorgfältiger Vorbereitung und unter möglichst idealen Be-dingungen. Anderenfalls ist es eher wahrscheinlich, dass eine Pflanze verwelkt und schließlich eingeht, anstatt Früch-te zu tragen. Der Bolschewismus schenkte diesem Prinzip keine Beachtung. Als Ergebnis sind die früheren adligen Klassen ins Exil ausgewandert und ihr ganzer Einfluss kam dem anti-bolschewistischen Lager zugute. Dort, in ihrer neuen Wahlheimat, fahren sie mit der Propaganda gegen den Bolschewismus fort und stacheln die Regierungen die-ser Länder gegen Russland auf.

    Dritter Nachteil des Kommunismus: Opposition gegen die Religion und ihre Folgen

    Drittens, indem er sich gegen die Religion stellte, mach-te sich der Bolschewismus gleichzeitig den religiösen Teil der Erdbevölkerung zum Feind. Menschen, die einen wah-ren Bezug zur Religion haben, werden niemals in der Lage sein, den Bolschewismus zu unterstützen.

    Vierter Nachteil des Kommunismus: Einführung der Diktatur im Land

    Viertens hat der Bolschewismus das Tor zur Diktatur aufgestoßen. Es stimmt zwar, dass diese Leute an die Herr-schaft der Massen glauben, sie sagen aber auch, in der ersten Phase sei eine Diktatur notwendig. Dabei wird uns nicht ge-sagt, wann die Diktatur ein Ende hat. Auf Lenin folgte Stalin und nach Stalin mag Molotov an der Reihe sein usw. Prak-

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    tisch gesehen hat diese Bewegung deswegen eigentlich zur Einführung einer starren Diktatur geführt.

    Fünfter Nachteil des Kommunismus: Behinderung der geistigen Entwicklung

    Fünftens blockiert diese Bewegung den Weg der intel-lektuellen Entwicklung. Abgesehen von der Tatsache, die ich diesbezüglich schon herausgestellt habe, dass, wenn jegliche intellektuelle Anstrengung, ob groß oder klein, denselben Lohn einbringt, sich wenige zu höheren intellektuellen Leis-tungen angespornt fühlen werden, verhängt diese Bewe-gung drastische Einschränkungen auf den Austausch von Menschen verschiedener Länder und beschneidet somit eine der Hauptquellen intellektueller Stimulation. Die Schöp-fung hat verschiedene Nationen mit unterschiedlichen intel-lektuellen Fähigkeiten ausgestattet. Der Geist der Chinesen ist in einer Sache überlegen, der der Japaner in einer ande-ren, jener der Franzosen in einer dritten, usw. Die Geschich-te zeigt uns, dass nur durch freien und uneingeschränkten Austausch zwischen Nationen ein intellektueller Fortschritt auf hohem Niveau aufrechterhalten werden kann. Wenn es nur einigen wenigen erlaubt ist, Auslandsreisen zu un-ternehmen bzw. dies sich nur eine beschränkte Anzahl von Leuten einer Nation leisten kann, dann wird diese Nation wohl kaum von den intellektuellen Errungenschaften ande-rer Nationen profitieren können und nützliches technisches und wissenschaftliches Knowhow entgeht ihr.

    Zum Beispiel produzierten die Weber von Dhaka einst einen sehr feinen Musselin (spezielle Stoffart, Anm. d. Ü.). In Europa wurden seither technisch hochentwickelte Ma-

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    schinen zur Textilproduktion hergestellt, die zwar Stoffe in verschiedensten Qualitäten herstellen können, aber trotz-dem immer noch kein Vergleich sind zum Dhaka-Musselin. Ähnlich besaßen die Ägypter das geheime Wissen um die Einbalsamierung und Konservierung der Leichname ihrer Verstorbenen in Form von Mumien. Ich habe mit eigenen Augen einige dieser Mumien in Ägypten gesehen und muss sagen, sie sind wirklich wunderbar erhalten. Sie sind tausen-de von Jahren alt, aber wenn man sie ansieht, meint man, sie seien vor nicht mehr als einigen Momenten verstorben. So-gar die Frische ihrer Gesichtsfarbe ist erhalten geblieben. Die Welt hat seit der Zeit der alten Ägypter große Fortschritte in Sachen Technologie und Wissenschaft gemacht, aber weder in Europa noch in Amerika noch in irgendeinem anderen Teil der Welt war jemand darin erfolgreich, den Prozess zu entdecken, welchen die Ägypter zur Konservierung ihrer er-lauchten Verstorbenen anwandten. Moderne Methoden, Tote einzubalsamieren, sind dagegen armselige Nachahmungen.

    Man überliefert auch, dass es im Mogul-Palast in Delhi ein Marmorbad gab, das man nur mit einer einzigen Lampe aufheizen konnte. Als die Briten Delhi einnahmen, zerleg-ten sie diesen Mechanismus in seine Einzelteile, um das Ge-heimnis hinter dem Heizsystem zu entdecken, waren aber, nachdem sie es auseinander genommen hatten, nicht mehr in der Lage, es zusammenzusetzen.

    Unterschiedliche Geister haben verschiedene Begabun-gen und die Reaktion, die ein Geist beim Aufeinandertreffen auf einen anderen auslöst, ist eine der Hauptquellen intellek-tueller Stimulation, die wiederum zu Entwicklung und Fort-schritt führt. Wenn man auch nur für kurze Zeit bei einem Bauern ist, sammelt man interessante Informationen und er-

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    Die Neue Weltordnung des Islam

    weitert sein Wissen über die Landwirtschaft. Verbringt man gleichermaßen einige Zeit bei einem Schreiner, bekommt man einen erfrischenden Einblick in sein Handwerk. Solche Aufeinandertreffen sind nicht nur stimulierend, sondern ebenso erfrischend für den Geist. Wenn ein Punjabi in die Vereinten Provinzen (von Agra und Oudh, Anm. d. Ü.) oder nach Kaschmir reist, kann er gar nicht anders, als mit neu-em Wissen über viele Dinge in seine Heimatprovinz zurück-zukehren. Dies ist auch der Grund, wieso Gott im Heiligen Qur‘an die Muslime dazu aufruft, in verschiedene Länder zu reisen, um so ihren Wissensschatz zu vergrößern und ih-ren Geist und Intellekt weiterzuentwickeln. Reist ein indi-scher Muslim über den Iran nach Arabien, wird sein Wissen in viele Richtungen bereichert werden, gen