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Technischer Hintergrundartikel (Veröffentlicht in der ATZoffhighway, Ausgabe März 2013) Die neuen MTU-Baureihen 1000 bis 1500 Für die Off-Highway-Emissionsrichtlinien EU-Stufe IV und EPA Tier 4 final bietet die Tognum-Gruppe ab 2014 die neu entwickelten Motoren der Baureihen 1000, 1100, 1300 und 1500 an. Diese Dieselmotoren der Marke MTU decken einen Leistungsbereich von 100 bis 460 kW ab und sind für den Antrieb von land- und forstwirtschaftlichen Maschinen sowie von Bau- und Sondermaschinen konzipiert. Basierend auf den mittelschweren und schweren Nutzfahrzeug-Motorenfamilien OM 93x und OM 47x hat die Daimler AG die Off-Highway-Motoren im Auftrag der MTU Friedrichshafen GmbH weiterentwickelt. Ebenfalls auf dieser Motorplattform basieren die Detroit-Motoren DD13 und DD16 sowie der Fuso-Motor 6R10. Die Motorbaureihen 1000 bis 1500 ergänzen die etablierten Mercedes- Benz-Motoren OM 924 LA, OM 926 LA, OM 460 LA, OM 501 LA und OM 502 LA. Diese Motoren wurden bis zu den Emissionsrichtlinien EU- Stufe IIIB und EPA Tier 4i entwickelt, die im Jahre 2011 in Kraft traten. Emissionsanforderungen Der Dieselmotor stellt die wirtschaftlichste Antriebsmaschine für mobile Maschinen dar. Er wird daher in nahezu allen kommerziellen Anwendungen im On- und Off-Highway-Bereich bevorzugt eingesetzt. Bei MTU reicht das Produktportfolio im Bereich der Dieselmotoren von 75 bis 10.000 kW. Als Antrieb in Minenfahrzeugen, Baumaschinen, in der Landwirtschaft und anderen Off-Highway-Anwendungen finden die MTU-Motoren vielfältig Verwendung. Dabei müssen die Motoren jederzeit ihre volle Leistung erbringen – trotz großer Temperatur- und Höhenunterschiede, bei Schräglage und anderen extremen Betriebsbedingungen. Neben einem

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Technischer Hintergrundartikel (Veröffentlicht in der ATZoffhighway, Ausgabe März 2013)

Die neuen MTU-Baureihen 1000 bis 1500

Für die Off-Highway-Emissionsrichtlinien EU-Stufe IV und EPA Tier 4

final bietet die Tognum-Gruppe ab 2014 die neu entwickelten Motoren

der Baureihen 1000, 1100, 1300 und 1500 an. Diese Dieselmotoren der

Marke MTU decken einen Leistungsbereich von 100 bis 460 kW ab und

sind für den Antrieb von land- und forstwirtschaftlichen Maschinen

sowie von Bau- und Sondermaschinen konzipiert. Basierend auf den

mittelschweren und schweren Nutzfahrzeug-Motorenfamilien OM 93x

und OM 47x hat die Daimler AG die Off-Highway-Motoren im Auftrag

der MTU Friedrichshafen GmbH weiterentwickelt. Ebenfalls auf dieser

Motorplattform basieren die Detroit-Motoren DD13 und DD16 sowie

der Fuso-Motor 6R10.

Die Motorbaureihen 1000 bis 1500 ergänzen die etablierten Mercedes-

Benz-Motoren OM 924 LA, OM 926 LA, OM 460 LA, OM 501 LA und

OM 502 LA. Diese Motoren wurden bis zu den Emissionsrichtlinien EU-

Stufe IIIB und EPA Tier 4i entwickelt, die im Jahre 2011 in Kraft traten.

Emissionsanforderungen

Der Dieselmotor stellt die wirtschaftlichste Antriebsmaschine für mobile

Maschinen dar. Er wird daher in nahezu allen kommerziellen Anwendungen

im On- und Off-Highway-Bereich bevorzugt eingesetzt. Bei MTU reicht das

Produktportfolio im Bereich der Dieselmotoren von 75 bis 10.000 kW. Als

Antrieb in Minenfahrzeugen, Baumaschinen, in der Landwirtschaft und

anderen Off-Highway-Anwendungen finden die MTU-Motoren vielfältig

Verwendung. Dabei müssen die Motoren jederzeit ihre volle Leistung

erbringen – trotz großer Temperatur- und Höhenunterschiede, bei

Schräglage und anderen extremen Betriebsbedingungen. Neben einem

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niedrigen Kraftstoffverbrauch stellt die Einhaltung der gesetzlich limitierten

Schadstoffemissionen im Abgas eine der größten Herausforderungen bei

der Entwicklung dieser neuen Motoren dar.

Von 1999 bis zur Einführung der Off-Highway-Emissionsrichtlinien EU-Stufe

IV und EPA Tier 4 final ab dem Jahr 2014 wurden die Grenzwerte für die

Schadstoffemissionen in mehreren Stufen drastisch verringert. Der Ausstoß

von Stickoxiden und Partikeln bei Industriemotoren zwischen 130 und 560

kW ist in der europäischen Abgasgesetzgebung seitdem um mehr als 95 %

zurückgegangen (siehe Abb. 1).

Abbildung 1: Partikel- und Stickoxidgrenzwerte für Off-Highway-Motoren von 130 bis

560 kW (Quelle: VDMA)

Derart niedrige Emissionsgrenzwerte erfordern insbesondere bei Motoren

unterhalb 560 kW modernste Abgasnachbehandlungssysteme – ein

Umstand, der die Hersteller von Motoren und Fahrzeugen gleichermaßen

vor komplexe Aufgaben stellt. Dazu gehört die Integration der

Abgasnachbehandlung in das Fahrzeugkonzept. Die Bauart der

verwendeten Katalysatoren mindert äußerst effektiv den Abgasschall, so

dass in der Regel auf einen zusätzlichen Schalldämpfer verzichtet werden

kann. Neben der Abgasnachbehandlung wird in der neuen

Motorengeneration eine gekühlte Abgasrückführung eingesetzt, deren

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thermische Last ebenso in den Fahrzeugkühlsystemen berücksichtigt

werden muss. Insgesamt führen die ab 2014 geltenden

Emissionsvorschriften zu erheblichen Neuerungen in den Motor- und

Fahrzeugkonzepten.

Auch wenn die künftige Abgasgesetzgebung über die Off-Highway-

Emissionsrichtlinien EU-Stufe IV und EPA Tier 4 final hinaus noch nicht

endgültig formuliert ist, so ist von einer weiteren Verschärfung der der

Schadstoffgrenzwerte auszugehen. Mit den neu entwickelten

Motorbaureihen 1000 bis 1500 wurde der Grundstein gelegt, auch

zukünftige Emissionsanforderungen zu erfüllen.

Die Motoren müssen jedoch nicht nur die gesetzlichen Emissionsrichtlinien

einhalten, sondern auch für den Kunden alltagstauglich und wirtschaftlich

sein. Neben dem Anschaffungspreis bestimmt der Verbrauch von Kraftstoff

und AdBlue® – einer wässrigen Harnstofflösung zur Reduzierung der

Stickoxide – wie profitabel ein Fahrzeug für den Betreiber ist. Hinzu

kommen die Kosten, die sich aus Wartung und Pflege der Motoren

ergeben.

Auslegen der Motoren auf Kundenanforderungen

Ebenso wie die bisherigen Motoren werden auch die künftigen Motoren der

Baureihen 1000 bis 1500 in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Bereich

C&I, kurz für Construction & Industrial, eingesetzt. Typische Anwendungen

in der Land- und Forstwirtschaft sind Mähdrescher, Maishäcksler,

Rübenroder, Rückezüge, Holzhäcksler sowie Baumerntemaschinen. Im

C&I-Bereich kommen die Maschinen unter anderem in Baggern,

Mobilkranen, Muldenkippern, Radladern, Straßenbaumaschinen,

Müllverdichtern, Pistenpflegegeräten und Kompressoren zum Einsatz. In

Häfen treiben die Motoren beispielsweise Portalkräne, Hafengeräte und

Fahrzeuge zum Be- und Entladen der Schiffe an.

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Kunden solcher Applikationen wollen robuste, zuverlässige Motoren, die

einfach zu warten sind. Auch Bauraum, Leistungsgewicht und

Betriebskosten spielen eine entscheidende Rolle – hohe Anforderungen,

welche die neuen Motoren erfüllen. Aktuell haben noch viele Kunden

Motoren früherer Emissionsstufen ohne Abgasnachbehandlung im Einsatz.

Mit der EU-Stufe IIIB und EPA Tier 4i wurden erstmals

Abgasnachbehandlungssysteme eingesetzt. Ab 2014 bietet MTU für

Anwendungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie C&I die neuen

Motoren 4R 1000, 6R 1000, 6R 1100, 6R 1300 und 6R 1500 an. Diese

erfüllen die neuen Off-Highway-Emissionsrichtlinien EU-Stufe IV und EPA

Tier 4 final mittels Abgasrückführung und einer Abgasnachbehandlung

ohne Partikelfilter.

Eine Frage der Effizienz

Einen Großteil der Lebenszykluskosten in kommerziellen Anwendungen

macht der Kraftstoffverbrauch aus. Trotz verschärften

Emissionsanforderungen wurde der Verbrauch von Kraftstoff und AdBlue®

der EU IV-Motoren im Vergleich zu den Vorgängermotoren für die EU-Stufe

IIIB verringert. Da kein Partikelfilter eingesetzt wird, ist auch keine

Regeneration mit zusätzlichem Kraftstoffverbrauch nötig und es ist kein

teures, aschearmes Öl vorgeschrieben. Am Beispiel der Baureihe 1000 wird

in Kapitel 4 ein Vergleich der Betriebsstoffkosten dargestellt (siehe Abb. 4).

Nicht zu vernachlässigen sind in diesem Zusammenhang aber auch die

Kosten für die Integration der Motoren in die Zielanwendungen. Dank ihrer

kompakten Bauart können die Motoren mit geringem Anpassungsaufwand

eingebunden werden. Die mechanischen Schnittstellen zur Integration der

Motoren in das Fahrzeug und den Antriebsstrang sind über alle Baureihen

standardisiert. Alle Anschraubpunkte am Motor sind mit metrischem

Gewinde ausgelegt. Auch die Anforderungen an die Medienkreisläufe –

beispielsweise Kraftstoff, Kühlmittel oder Ladeluft – sind über alle

Baureihen harmonisiert.

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Ebenso wie bei mechanischen Schnittstellen fordern Kunden auch bei der

Elektronik eine einfache Einbindung des Antriebs in das Fahrzeug. Die

elektronischen Schnittstellen der einzelnen Motoren sind identisch und

erleichtern den durchgängigen Einsatz in Fahrzeugfamilien enorm. Damit ist

über alle Motorvarianten die kundenspezifische Anpassung an die

entsprechende Off-Highway-Anwendung und die Diagnose mit denselben

Werkzeugen möglich. Die neuen Motoren werden mit einem

übergreifendem Einheitssteuergerät ausgeliefert, das mit der elektronischen

Standardschnittstelle für den Off-Highway-Bereich ausgerüstet ist – dem

J1939-CAN.

Zuverlässiger, weltweiter Service von A bis Z

In Bezug auf Betreuung erwarten die Kunden ein dichtes Service-Netzwerk

sowie einfache und günstige Wartung. Eine wichtige Eigenschaft der

Motoren ist deshalb, dass sie modular und gut zugänglich gebaut sind.

Wartungsteile können so schnell und einfach getauscht werden.

Ersatzteile und entsprechende Dienstleistungen erhalten Kunden zeitnah

über das gemeinsame, weltweite Service-Netzwerk von MTU und der

Daimler AG, sowie das Netzwerk von OEMs und Händlern. Dazu gehört

auch, dass die Kunden während des gesamten Integrationsprozesses des

Motors von MTU unterstützt werden, von der Auslegung des

Antriebsstrangs bis hin zur Abnahme des Systems in der Zielanwendung.

Die Merkmale der neuen Motorgeneration

Bei den Baureihen 1000 bis 1500 (siehe Abb. 2) profitieren die Kunden von

einer ausgereiften Technologie. Die Motoren werden auf Basis von bereits

heute im Einsatz befindlichen Nutzfahrzeugmotoren von der Daimler AG im

Auftrag von MTU entwickelt und im Mercedes-Benz-Werk Mannheim

produziert.

Insgesamt wurde die Leistungsdichte der Motoren der Baureihen 1000 bis

1500 erhöht, was sie kompakter als ihre Vorgängermotoren macht und

Downsizing ermöglicht. Schon bei niedrigen Drehzahlen erreichen die

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Motoren ein hohes Drehmoment, das über einen breiten Drehzahlbereich

gehalten wird. Weitere Pluspunkte der neuen Motorgeneration sind eine

gute symmetrische Gewichtsverteilung und ein für die Leistungsklasse

äußerst niedriges Leistungsgewicht. Dieses wird unter anderem durch

entsprechend leichte Materialien erreicht, wie etwa Aluminiumguss bei

Steuergehäusen und Nockenwellenrahmen oder Kunststoffen bei der

Ölwanne und den Zylinderkopfhauben.

MTU 4R 1000 MTU 6R 1000 MTU 6R 1100 MTU 6R 1300 MTU 6R 1500

Hubraum 5,1 Liter 7,7 Liter 10,7 Liter 12,8 Liter 15,6 Liter

Reihenvier-zylinder

Reihensechszylinder Bauart

gekühlte Abgasrückführung

Leistung 100 bis 170 kW 180 bis 260 kW 280 bis 320 kW 320 bis 390 kW 400 bis 460 kW

Turboaufladung einstufige Aufladung bis 129 kW, zwei-stufige Aufla-dung für höhere Leistungen

einstufige Aufladung bis 210 kW, zwei-stufige Aufla-dung für höhere Leistungen

einstufige Aufladung mit asymmetrischer Turbine

einstufige Aufladung in Kombination mit Turbocompound

Leistung Premium-Motorbremse

max. 170 kW @ 3.000 min-1

max. 250 kW @ 3.000 min-1

max. 340 kW @ 2.300 min-1

max. 410 kW @ 2.300 min-1

max. 435 kW @ 2.300 min-1

Höhenperformance

keine Leistungsreduktion bis 2.500 m über NN

keine Leistungsreduktion bis 2.000 m über NN

Kaltstartfähigkeit Standardmäßig bis -30°C

Rädertrieb Optionaler Nebenabtrieb – 110 Nm / 600 Nm

Ein- oder Zweizylinder-Luftpresser

Optionaler Nebenabtrieb – 110 Nm / 650 Nm Ein- oder Zweizylinder-Luftpresser

Riementrieb 2. und 3. Riemenebene optional, hochgesetzte Lüfterlagen und Lüfterhochtrieb

Abbildung 2: Technische Motordaten der MTU-Baureihen 1000, 1100, 1300 und 1500

Die Entwicklung der Baureihe 1000

Grundkonzept

Die MTU-Baureihe 1000 für Off-Highway-Anwendungen wurde von der mit

Euro VI eingeführten, neuen Nutzfahrzeug-Motorenfamilie OM 93x der

Daimler AG abgeleitet. Diese Motorenbaureihe löst nach 15 Jahren

sukzessive die äußerst erfolgreichen Motoren OM 92x ab. Die neue globale

Motorenplattform wurde hierbei konsequent auf geringe Betriebskosten,

eine hohe Lebensdauer und Zuverlässigkeit hin entwickelt. Von vornherein

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stand auch im Fokus, nicht nur die bekannten Fahrzeugapplikationen zu

bedienen, sondern darüber hinaus weiterhin Anwendungen aus dem Off-

Highway-Sektor verwirklichen zu können. Dies wurde unter anderem

dadurch erreicht, dass eine klare Trennung gezogen wurde zwischen leicht

modifizierbaren, anwendungsspezifischen Schnittstellenbauteilen und hoch

integrierten, standardisierten Modulen (zum Beispiel das Öl-Kühlmittel-

Modul), die applikationsübergreifend Anwendung finden. Um das

Baukastenkonzept der On-Highway-Motoren OM 93x für Off-Highway-

Applikationen zu nutzen, wurde der Baukasten um anwendungsspezifische

Komponenten erweitert und die Erprobung um Off-Highway-spezifische

Anforderungen ergänzt.

Schon bei Projektbeginn zeichnete sich die Abgasgesetzgebung für On-

und Off-Highway-Anwendungen klar ab. Kunden- und

Emissionsanforderungen konnten so von Anfang an durch ein hohes Maß

an Gleichteilen erfüllt werden. Ziel war es, die Baureihe 1000 in Bezug auf

Drehmoment und Leistung oberhalb der Vorgängerbaureihe OM 92x zu

platzieren. Bestimmt wurde diese Anforderung durch den Bedarf der

Kunden nach gesteigerter Motorleistung und um die ehemals bestehende

Lücke zwischen den Motorenbaureihen zu schließen. Die Volllastkurven für

Drehmoment und Leistung sind in Abb. 3 dargestellt. Weiterhin war es Ziel

der Entwicklung, die Lebensdauer gegenüber der Vorgängerbaureihe um

20 % zu steigern.

Abbildung 3: Volllastkurven der Baureihe 1000

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Um die Betriebskosten gezielt zu reduzieren (siehe Abb. 4), wurde sehr viel

Wert auf die optimale Auslegung des Einspritzsystems sowie des

Brennraums gelegt. Das Einspritzsystem mit maximalem Einspritzdruck von

2.400 bar und Magnetventil-Injektoren erlauben Vor-, Haupt- und

Nacheinspritzungen, die pro Zyklus voneinander unabhängig realisiert

werden können. Kraftstoffverbrauch und Abgasrohemissionen lassen sich

so auf die geforderte Menge reduzieren. Zur optimalen

Verbrennungsführung im Brennraum wurde ein spezieller

Stufenmuldenkolben entwickelt.

Abbildung 4: Betriebskostenvergleich OM 926 LA (Tier 4i) / 240 kW und 6R 1000 (Tier 4)

/ 260 kW im Bestpunkt

Ein weiterer Vorteil des variablen Einspritzsystems ist, dass auch bei sehr

niedrigen Außentemperaturen auf eine Vorwärmung der Ansaugluft

verzichtet werden kann. Hinzu kommt eine Abgasturboaufladung, die für

Vier- und Sechszylinder jeweils in ein- und zweistufiger Ausführung

umgesetzt wurde – und dadurch Leistung, Verbrauch und Emissionen

weiter optimiert.

Die Konzeptauslegung für die Anordnung der Nebenaggregate, Kreisläufe

und Luftführung wurde durch den kompakten Bauraum des

Reihenvierzylinders bestimmt. Indem das Konzept auf den

Reihensechszylinder übertragen wurde, konnte ein sehr hoher Grad an

Gleichteilen von Vier- und Sechszylindern erreicht werden. Der Motor wird

durch den Querstrom-Zylinderkopf klar in eine kalte und eine heiße Seite

getrennt, wobei auf der kalten Seite unter anderem alle Kraftstoff führenden

Bauteile und die Motorsteuerung angeordnet sind.

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Besondere konstruktive Konzeptmerkmale der Baureihe 1000 sind die

beiden oben liegenden Nockenwellen mit optional im Kipphebelrahmen

integrierter Motorbremse. Die Motorbremse beruht auf einer doppelt

getakteten Dekompressionsbremse. Hierbei wird das Auslassventil über

einen zusätzlichen Bremsnocken auf der Auslassnockenwelle mit zwei

Erhebungen nahe des oberen Totpunkts geöffnet, um den Gasdruck

abzubauen, und im Ansaugtakt geöffnet, um den Füllungsgrad zusätzlich zu

erhöhen. Das Einregeln des Bremsmoments erfolgt hierbei über das

Wastegate des Abgasturboladers und das Abgasrückführventil. Durch das

neuartige Motorbremskonzept konnte eine hoch effiziente Dauerbremse im

vorhandenen Bauraum integriert werden. Diese verfügt im Vergleich zur

Vorgängerbaureihe über 50 % mehr Leistung und eine Bremsleistung, die

bis zu 95 % der zur Verfügung stehenden Antriebsleistung beträgt.

Schon frühzeitig wurden alle potenziellen zukünftigen On- und Off-Highway-

Anwendungen bei der Auslegung berücksichtigt. So konnte eine einheitliche

Lösung für die Riementriebanordnung über alle Anwendungen hinweg

gefunden werden. In der Standardausführung sind Öl-Wasser-Modul und

Generator sowie optional der Kältemittelverdichter in einer Riemenebene

positioniert. Durch die freie Stirnseite des Motors können viele

Lüfterpositionen sowie Frontzapfwellen dargestellt werden. Weitere

riemengetriebene Nebenaggregate wie zusätzliche Generatoren,

Klimakompressoren oder Hydraulikpumpen lassen sich

anwendungsspezifisch in der Riemenebene zwei und drei platzieren.

Spezielle Modifikationen für den Off-Highway-Einsatz

Das Baukastenprinzip, das sich bei Nutzfahrzeugen bereits bewährt hat,

wurde bei der Baureihe 1000 um Off-Highway-spezifische Merkmale

erweitert. Dazu gehören unterschiedliche Ladeluftführungen, die ohne neue

AGR-Abstimmung integriert werden können oder verschiedene

Kühlmittelstutzen, die dem Gerätehersteller und Endanwender einfache und

robuste Schnittstellen bieten. Auch Lösungen für erhöhten Strombedarf und

spezielle Ölwannen wurden berücksichtigt. In Kombination mit dem breiten

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Angebot der On-Highway-Applikationen kann so nahezu jede Off-Highway-

Anwendung bedient werden.

Da der Schwestermotor OM 93x grundsätzlich für den Nutzfahrzeugeinsatz

konzipiert ist, wurde er im Rahmen der Erprobung für den On-Highway-

Einsatz ausführlich getestet. Dazu gehörten diverse Prüfstandprogramme

unter gerafften Bedingungen, die dem Mehrfachen eines Fahrzeuglebens

entsprechen, umfangreiche Fahrzeugtests im Straßendauerlauf und der

Einsatz in Sonderfahrzeugen.

Basierend auf den dort gewonnen Erkenntnissen und den Messungen in

zahlreichen existierenden Off-Highway-Anwendungen wurden spezifische

Dauerläufe gemeinsam mit den Kunden entworfen und erprobt. Diese

Dauerläufe spiegeln die speziellen Off-Highway-Anforderungen an die

Motoren wider. Parallel dazu wurden frühzeitig reale Zielanwendungen mit

den Motoren der Baureihe 1000 ausgestattet, um die herausragenden

Eigenschaften dieser neuen Motorengeneration unter Beweis zu stellen.

Die Entwicklung der Baureihen 1100, 1300 und 1500

Grundkonzept

Ähnlich wie die Baureihe 1000 leiten sich auch die Baureihen 1100, 1300

und 1500 von den bereits bekannten Mercedes-Benz Euro VI-Motoren der

Baureihe OM 47x ab. Der Erfolg dieser neuen Motorenfamilie begann mit

der Einführung der Abgasnorm EPA07 in den USA und setzte sich mit der

Einführung der neuen Emissionsvorschriften JP09 in Asien und Euro VI in

Europa fort. Die Motoren, die speziell für Off-Highway-Anwendungen und

die Emissionsrichtlinien EU-Stufe IV und EPA Tier 4 final weiterentwickelt

wurden, bauen damit auf einer starken Grundlage auf. Auf diese Weise

profitieren die Motoren enorm von der breiten Erprobungsbasis in den

verschiedensten Fahrzeugapplikationen weltweit.

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Das Grundkonzept der Baureihen 1100 bis 1500 ist dem der Baureihe 1000

in vielen Punkten sehr ähnlich, was sowohl bei der Fahrzeugintegration,

aber auch bei Service und Betrieb viele Vorteile bietet. Auch die Baureihen

1100 bis 1500 basieren auf einem hochintegriert gebauten

Reihensechszylinder. Aufgeladen durch einen Turbolader mit

asymmetrischer Turbine, beziehungsweise bei der Baureihe 1500 durch

eine Kombination aus Turbolader und Turbocompound, reicht das

Leistungsspektrum von 280 bis 460 kW (siehe Abb. 5).

Abbildung 5: Volllastkurven der Baureihen 1100, 1300 und 1500

Zur Einhaltung der neuen Emissionsgrenzwerte verwenden die neuen

Baureihen 1100 bis 1500 im Unterschied zur Vorgängerbaureihe eine

geregelte und gekühlte Abgasrückführung. Diese wird ergänzt durch das

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neu entwickelte Einspritzsystem, bei dem durch Magnetventile eine

Druckverstärkung innerhalb des Injektors von 800 bar Raildruck auf bis zu

2.100 bar Einspritzdruck erfolgt. Durch dieses Konzept lässt sich der

Einspritzverlauf in den verschiedenen Kennfeldbereichen individuell

anpassen, indem die Druckverstärkung je nach Bedarf zugeschaltet wird.

Analog zur Baureihe 1000 ermöglicht das System Vor-, Haupt- und

Nacheinspritzungen. Damit lässt sich zum Beispiel das Startverhalten bei

Kälte verbessern oder Emissionen gezielt reduzieren. Zwei oben liegende

Nockenwellen sorgen für einen exakten Ladungswechsel. Das hoch

wirksame Motorbremssystem wird über zusätzliche Nocken und Kipphebel

auf der Auslassseite gesteuert, ist in drei Stufen regelbar und erzeugt bis zu

435 kW Bremsleistung bei 2.300 min-1. Die Nockenwellen sind genau wie

die Hochdruckpumpe und der Luftpresser über einen Rädertrieb hinten am

Motor mit der Kurbelwelle verbunden.

Auf der Vorderseite des Motors befinden sich bis zu drei Riemenebenen,

welche für kundenspezifische Anbauten genutzt werden können. Über die

erste Riemenebene werden die Wasserpumpe, der Generator und der

Klimakompressor angetrieben. Auf Ebene zwei und drei können auch

verschiedene Lüftervarianten angetrieben werden.

Spezielle Modifikationen für den Off-Highway-Einsatz

Die Herausforderung bestand darin, den Motor an die unterschiedlichen

Off-Highway-Kundenanforderungen anzupassen. Diese Einsatzfälle

unterscheiden sich von Nutzfahrzeugen vor allem hinsichtlich der

Betriebsbedingungen, die sich häufig im Bereich hoher Drehzahlen und

hoher Auslastung bewegen.

Um weiterhin von den Erfahrungen aus On-Highway-Anwendungen

profitieren zu können, war es das Ziel, möglichst viele Gleichteile auch in

den Off-Highway-Applikationen zu verwenden. Die thermodynamische

Auslegung erforderte, Bauteile wie Einspritzdüsen oder die

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Turboladergeometrie speziell anzupassen. Diese Anpassung machte es

wiederum möglich, die Abgasnachbehandlung für die Emissionsrichtlinien

EU-Stufe IV und EPA Tier 4 final auf ein einfaches SCR-System zu

beschränken. Dadurch konnte die Schnittstelle zur Abgasnachbehandlung

über alle Baureihen hinweg vereinheitlicht werden.

Einige Änderungen sind aber auch eine direkte Folge der speziellen Off-

Highway-Applikationen, wie zum Beispiel die Ansteuerung des elektro-

pneumatischen Wandlers (EPW) für das Wastegate am Turbolader. Bei

Nutzfahrzeugen wird dieser durch das Druckluftsystem des Fahrzeugs mit

Luft beaufschlagt, in vielen Industrieanwendungen wird jedoch kein

Luftpresser am Motor benötigt. Speziell für die Baureihen 1100, 1300 und

1500 wurde daher die Druckluftversorgung des EPW durch eine direkte

Anbindung an den Turbolader realisiert. Weitere spezielle Anpassungen

erfolgten für die Fahrzeugschnittstellen. MTU-Kunden können so künftig

aus verschiedenen Varianten von Ladeluft- und Abgasrohren und aus einer

Vielzahl von Ölwannen die passende Variante für ihre Anwendung

auswählen.

Abgasnachbehandlung

Seit Beginn der Entwicklung wurden Motor und Abgasnachbehandlung als

integriertes System verstanden. Die komplette Eigenentwicklung der Motor-

wie auch der Abgasnachbehandlungssoftware stellte sicher, dass sie

spezifisch für die Emissionsrichtlinien EU-Stufe IV und EPA Tier 4 final

angepasst werden konnte.

Grundüberlegung bei der Entwicklung der Abgasnachbehandlung war es,

dem OEM ein robustes, bauraumoptimiertes System zur Verfügung zu

stellen. Ergebnis ist das kombinierte Nachbehandlungssystem ACATS

(Advanced Combined After Treatment System). ACATS besteht aus einem

AdBlue®-Aufbereitungsreaktor und einer Abgasbox, die SCR-Katalysator,

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Ammoniak-Sperrkatalysator und Schalldämpfer bündelt (siehe Abb. 6). Zur

Überwachung der Emissionen sind lediglich vier Sensoren notwendig.

Abbildung 6: Schematische Darstellung des Abgasnachbehandlungssystems

Da bereits die Motorrohemissionen der Baureihen 1000 bis 1500 sehr

niedrig sind, können Komponenten der über Jahre erfolgreich im Feld

eingesetzten und über Millionen Kilometer bewährten Euro V-On-Highway-

Abgasboxen eingesetzt werden. Der Vorteil für den OEM: Er kann ein

ausgereiftes System nutzen, das ohne einen zusätzlichen Partikelfilter und

damit ohne aktive Regeneration auskommt. Dadurch ist keine zusätzliche

Kraftstoffverrohrung notwendig, potenzielle Gefahren durch hohe

Temperaturen bei der Regeneration existieren nicht. Neben dem

kompakteren Bauraum entfällt auch der zusätzliche Kraftstoffverbrauch für

die Filterregeneration.

Um die Betriebskosten zu optimieren, werden verschiedene

Motorbetriebsmodi angewandt (siehe Abb. 7). In Abhängigkeit von

Umgebungsbedingungen (unter anderem Höhe und Außentemperatur) und

Temperatur der Abgasnachbehandlung sowie dem Motorbetriebszustand

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wählt das Steuergerät den entsprechenden Modus. Sind Motor und

Katalysator im Normalbetrieb und ändern sich

Parameter wie Kälte und Höhe, führt dies zu einer kennfeldgeregelten

Anpassung dieses Normalbetriebs. Im instationären Betriebszustand kommt

ein weiterer Parameter (Rauch) hinzu. Eine Anpassung der Regelung

erfolgt auch, wenn beispielsweise nach Motorstart eine schnelle SCR-

Erwärmung gewünscht ist. Jedem einzelnen Betriebsmodus sind

entsprechende Kennfelder hinterlegt.

Abbildung 7: Betriebsmodi zur Betriebskostenoptimierung unter Gewährleistung der Einhaltung der Abgasemissionen

Zusammenfassung und Ausblick

Mit Inkrafttreten der Emissionsrichtlinien EU-Stufe IV und EPA Tier 4 final

wird MTU die Baureihen 1000 sowie 1100, 1300 und 1500 für den Off-

Highway-Einsatz anbieten. Diese Baureihen führen die erfolgreiche

Geschichte der Baureihen OM 92x, OM 460, und OM 500 in allen Off-

Highway-Anwendungen fort. Die neuen Baureihen 1000 bis 1500 decken

einen Leistungsbereich von 100 bis 460 kW ab und werden die

Emissionsgrenzwerte durch Abgasrückführung und eine

Abgasnachbehandlung ohne Partikelfilter einhalten. Bei allen Motoren

handelt es sich um Reihenmotoren mit kompaktem Design.

Die On-Highway-Pendants zu diesen Baureihen sind die Daimler-Motoren

des Typs OM 93x sowie OM 47x, die die strengere Abgasnorm Euro VI mit

Page 16: Die neuen MTU-Baureihen 1000 bis · PDF fileTechnischer Hintergrundartikel (Veröffentlicht in der ATZoffhighway, Ausgabe März 2013) Die neuen MTU-Baureihen 1000 bis 1500 Für die

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einem kombinierten SCR- und Dieselpartikelfiltersystem erfüllen. Bei einer

weiteren Verschärfung der Off-Highway-Abgasgesetzgebung steht deshalb

ein fertig entwickeltes System als Basis zur Verfügung, das sich bereits im

On-Highway-Bereich in der Großserie bewährt hat. Somit sind die

Baureihen 1000 bis 1500 bestens für zukünftige Emissionsanforderungen

gerüstet.