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Bertelsmann Stiftung Deutscher Präventionspreis 2005 Gesund in der zweiten Lebenshälfte (50plus) Die Preisträger und Nominierten

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Ber te l sm a n n St i f tung

Deutscher Präventionspreis 2005Gesund in der zweiten Lebenshälfte (50plus)

Die Preisträger und Nominierten

Geschäftsstelle Deutscher Präventionspreisc/o Gunnar Stierle – Projekte im GesundheitswesenRichard-Wagner-Str. 1532105 Bad SalzuflenTel. 05222-930083Fax. 05222-930089www.deutscher-praeventionspreis.de

ein Kooperationsprojekt der Bertelsmann Stiftung,des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherungund der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

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Wir danken unserem Sponsor Takeda Pharma, derdurch sein Engagement hilft, den DeutschenPräventionspreis weiter zu etablieren und denStellenwert der Prävention hervorzuheben.

Takeda Pharma ist Gastgeber der Preisverleihungdes Deutschen Präventionspreises 2005.

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 95Seite 2 | Deutscher Präventionspreis 2005

Die nachfolgend verwendete männliche Form bezieht selbstver-

ständlich die weibliche Form mit ein. Auf die Verwendung beider

Geschlechtsformen wird lediglich mit Blick auf die bessere

Lesbarkeit des Textes verzichtet.

© 2005 Deutscher Präventionspreis

Verantwortlich:Mirjam Stierle, Bertelsmann Stiftung

Redaktion und Texte (soweit im Text nicht anders vermerkt):Mirjam Stierle, Gunnar Stierle,Brigitte Roth (Maßnahmen-beschreibungen)

Koordination:Tanja Vitte, Geschäftstelle Deutscher Präventionspreis

Gestaltung:A.Dreiplus, Gütersloh

Druck:Druckerei festge, Oelde

Bildnachweise:Veit Mette, Mirko Krizanovic,Jules Fraizer, PhotoAlto,Life After, Health and Medicine,imagesource,Fotos aus den Projektenmit freundlicherGenehmigung der Bewerber

Impressum

umschlag_rz 11.06.2005 18:18 Uhr Seite 1

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 3

Grußwort der Träger 4-7

Demographischer Wandel und die Notwendigkeit der Prävention 8-11

Gesundheitsförderung und Prävention in der zweiten Lebenshälfte 12-15

Der Deutsche Präventionspreis – mehr als ein Projekt 16-21

Der Deutsche Präventionspreis 2005 22-23

Vorstellung der Preisträger 2005

1. Preis: Aktive Gesundheitsförderung im Alter 24-29

PATRAS – Paderborner Trainingsstudie 30-33

Kölner Seniorennetzwerke 34-37

Gesund Älter Werden 38-41

Teamwerk – Zahnmedizin für Pflegebedürftige 42-45

Ehrenpreis 2005

Alexander Spirling und Ulrich Grundmann von Begleitetes Wohnen 46-51

Nominierte Maßnahmen 2005

gEMiDe 52-55

Beratungsservice Wohnraumanpassung 56-59

Bewegungs- und Gesundheitsförderung für Hochaltrige 60-63

Wann ist Mann ein Mann? Bedürfnisse von Männern in Altenheimen 64-67

Prävention des Typ-2-Diabetes – TULIP-Studie 68-71

Schlaganfallprävention 72-75

Akademie für Ältere 76-79

SchwertfischKonzept 80-83

Begleitung älterer demenzkranker Menschen und ihrer Familien in Mannheim-Süd 84-87

Die Juroren 2005 88-91

Die Verleihung des Deutschen Präventionspreises 2005 92-93

Deutscher Präventionspreis 2006 94

Inhalt

Seite 4 | Deutscher Präventionspreis 2005

Deutscher PräventionspreisGrußwort der Träger

Gesund alt werden, das geht. Mit Prävention kann mannicht nur die Gesundheit junger Menschen positiv beein-flussen. Man kann auch bei Älteren Krankheiten vorbeugenbzw. bereits eingetretene, chronische Krankheiten imVerlauf günstig beeinflussen oder Krankheiten und Pflege-bedürftigkeit verhindern. Prävention ist eben keine Fragedes Alters.

Der diesjährige Deutsche Präventionspreis „Gesund inder zweiten Lebenshälfte (50plus)“ soll all dies ins Be-wusstsein bringen. Fünf Preisträger und ein geehrtes Enga-gement, weitere neun Nominierte und über 250 Bewerberzeigen, in Deutschland wird bereits hervorragende Präven-tionsarbeit geleistet, die unsere Aufmerksamkeit verdient.

Das Spektrum vorbildlicher Maßnahmen reicht weit.Vomganzheitlichen Angebot der Ernährung, Bewegung undTeilhabe am gesellschaftlichem Leben bis zur Erhaltung vonLebensqualität und Selbstständigkeit durch Verhinderungvon Mangelernährung. Von der professionellen, ehrenamt-lichen Vermittlung des Wissens Älterer nach der Berufs-phase an ihresgleichen in einer Akademie bis zur lebens-,arbeits- und bildungsorientierten Integration von Migran-tinnen. Von der Anpassung des Wohnumfeldes bis zum be-gleiteten Wohnen.

Unsere Gesellschaft ist auf ehrenamtliches Engagementangewiesen, sei es in der Politik oder in der Kultur, im So-zialbereich oder im Sport. Deshalb ist es besonders erfreu-lich, wenn Menschen aus eigener Kraft und mit fachlichenKompetenzen Mitbürger sozial integrieren, Pflegebedürf-tige präventiv betreuen und begleiten sowie Hochaltrigegesundheitsfördernd bewegen und ihnen allen somit Teil-habe an unserer Gesellschaft ermöglichen.

Für diese Eigeninitiative ehren wir dieses Jahr exempla-risch ein junges Team aus Dresden, das aus bescheidenenstudentischen Anfängen heraus bis heute eine professio-nelle und inzwischen tragfähige Maßnahme entwickelte,die älteren Menschen mit Handicap in eigener Häuslichkeitbzw. in stationären Pflegeeinrichtungen weitgehend eineigenständiges und selbstverantwortliches Leben ermög-licht.

Es gibt also viele gute Ansätze, die wir jetzt bündeln undausbauen. Geehrte, Preisträger und Nominierte desDeutschen Präventionspreises haben im Wettbewerb unddurch die Arbeit der Jury aus Experten eine hohe Qualität

bewiesen und stehen damit beispielhaft für die notwendi-ge Qualität. Auf dieser Grundlage soll eine Präventions-bewegung entstehen, die uns allen mehr Lebensqualitätbringt.

Mehr Gesundheit und mehr Lebensqualität – um das zuerreichen, werden viele Mitmacher gebraucht. Deshalb:Unterstützen Sie uns, fördern Sie den Deutschen Präven-tionspreis und helfen Sie den Vorbildern bei der Entwick-lung und Verbreitung. Fangen Sie an. Jetzt!

Ulla SchmidtBundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung

Ulla SchmidtBundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 5

Liebe Leserinnen und Leser,

ich freue mich, Ihnen heute eine Dokumentation zumdiesjährigen Deutschen Präventionspreis in die Händegeben zu können, die mehr ist als ein Bericht. Sie ist deranschauliche Beweis für die eigenverantwortliche undkreative Gestaltung wirkungsvoller Projekte im BereichPrävention.

„Gesund in der zweiten Lebenshälfte“ lautet das Mottodes diesjährigen Wettbewerbs und weist darauf hin, dassPrävention nicht nur auf junge Menschen gerichtet ist. DieAltersgruppe der über 50-Jährigen ist in besonderem Maßegefordert. Zum einen wird sich in den nächsten Jahren dieLebensarbeitszeit für alle Berufstätigen deutlich verlängern,zum anderen stellen ältere Mitarbeiter ein wertvollesPotenzial für Unternehmen dar, da sie oft über langjährigeErfahrungen verfügen, die schon aus ökonomischer Sichtnutzbar gemacht werden müssen.Außerdem zeigen Unter-suchungen, dass präventive Maßnahmen gerade bei Älte-ren den gesundheitlichen Status deutlich verbessern kön-nen und damit helfen, Behandlungskosten zu vermeiden.Darüber hinaus tragen sie mit dazu bei, die persönliche Lebensqualität zu verbessern.

Auch 2005 ist es wieder gelungen, vorbildhafte Inter-ventionen zu identifizieren, zu prämieren und damit zurVerbreitung und Nachahmung anzuregen. Prävention isteine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Deutsche Prä-ventionspreis möchte diese unterstreichen und mit gutenPraxisbeispielen Prävention und Gesundheitsförderunggrößeren gesellschaftlichen Stellenwert verschaffen. Außer-dem leistet er einen wichtigen Beitrag zur Transparenz derLeistungsfähigkeit der Angebote und Kooperationsformenim Gesundheitswesen.

Mitgetragen werden Preis und Projekt „DeutscherPräventionspreis“ vom Bundesministerium für Gesundheitund Soziale Sicherung und der ihr nachgeordneten Bundes-zentrale für gesundheitliche Aufklärung. Beiden Institutio-nen danke ich für die kooperative Zusammenarbeit in derSache.

Mit „Monheim für Kinder“ wurde 2004 ein Projekterster Preisträger, das in herausragender Weise Gesund-heitsförderung, Integration, Bekämpfung von sozialerBenachteiligung, Vernetzung aller beteiligten Akteure,

Bildung und Zukunftssicherung vereint. Die Preisträger desJahres 2005 stehen dem in keiner Weise nach.

Ich wünsche dieser Dokumentation, dass sie ihre Lesernicht nur informiert, sondern auch weiterführendes Inte-resse weckt, Diskussionen initiiert und zur Nachahmunganregt. Den vorgestellten Projekten wünsche ich eine starke Breitenwirkung im Interesse der Menschen, für diePrävention der entscheidende Schritt zu mehr Lebensquali-tät ist.

Herzlichst Ihr Heribert Meffert

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert

Prof. Dr. Dr. h.c. mult.Heribert MeffertVorsitzender des Vorstandes der Bertelsmann Stiftung

Dr. Elisabeth PottDirektorin der Bundes-zentrale für gesundheit-liche Aufklärung

Seite 6 | Deutscher Präventionspreis 2005

Deutscher PräventionspreisGrußwort der Träger

Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen inDeutschland ist erheblich gestiegen. Damit die Zunahme anLebenserwartung nicht mit einer Zunahme an „kranken“und „behinderten“ Jahren einhergeht, hat die Förderungder Gesundheit von Menschen in der zweiten Lebenshälftean Bedeutung gewonnen.

Es ist erfreulich, dass inzwischen ein gesellschaftlicherDiskurs zu diesem Thema in Gang gekommen ist, der dieVielzahl von bislang unausgeschöpften Präventions-potenzialen – sogar bis ins hohe Alter hinein – aufgezeigthat. Beispielhaft nenne ich hier die Arbeitsergebnisse derAG 3 „Gesund altern“ des Deutschen Forums Präventionund Gesundheitsförderung. Die Diskussionen haben sichgelöst von ausschließlichem Risikofaktor-Denken und statt-dessen die Potenziale in den Mittelpunkt gestellt: gesell-schaftliches Engagement der neuen fitten Alten, Ressour-cenorientierung auch bei Krankheit und Behinderung, neueFormen des Zusammenlebens und -wohnens und insbe-sondere eine entsprechende Kommunikation in den Me-dien.

Das Aufgabenspektrum der Gesundheitsförderung undPrävention im Bereich „Gesund altern“ ist enorm breit:• Die Arbeitsfähigkeit von Menschen, die heute im Berufs-

leben stehen, bis zum Eintritt des gesetzlichen Renten-alters erhalten,

• Selbstständigkeit und Lebensqualität nach dem Ausstiegaus dem Berufsleben erhalten,

• Lebensqualität bei pflegebedürftigen Menschen ver-bessern.

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Initiativen undProjekten, die für verschiedene Zielgruppen und mit unter-schiedlichen konzeptionellen Ansätzen und Methodenbereits einen Beitrag zur Gesundheitsförderung von Men-schen in der zweiten Lebenshälfte leisten. Neben der fach-lichen Diskussion über prioritäre Zielgruppen, geeigneteZugangswege, Methoden und notwendige Ressourcen istes wichtig, diese Erfahrungen auszuwerten und in die fach-liche Diskussion einzubringen. Dies sind wichtige Vor-aussetzungen dafür, ein Konzept für nachhaltige bevölke-

rungsweite Interventionen zum Bereich „Gesundes Alter“zu entwickeln.

Ich habe mich deshalb sehr gefreut, dass die Bertels-mann Stiftung den Vorschlag des BMGS und der BZgA auf-gegriffen hat, den zweiten Deutschen Präventionspreis zumThema „Gesund in der zweiten Lebenshälfte“ auszuloben.Obwohl Gesundheitsförderung und Prävention in der zwei-ten Lebenshälfte ein relativ junges Arbeitsfeld darstellt,haben sich mit 258 Bewerbern eine große Anzahl anInitiativen und Maßnahmen an der Ausschreibung beteiligt.Damit ist die Erwartung der BZgA, praktische Erfahrungenals Beiträge für die fachliche Diskussion zu liefern, vollerfüllt worden.

Die Bewerbungen geben einen hervorragenden Einblickin die Projektlandschaft in Deutschland. Sie schaffen dieVoraussetzung für eine systematische Auswertung derPraxiserfahrungen und für die Identifikation erfolgreicherInterventionsstrategien.

Der Jury ist es gelungen, herausragende Maßnahmen alsPreisträger auszuwählen, die wichtige Teilziele und Inter-ventionsfelder abdecken. Besonders erfreulich ist, dass dieProjekte durch Projektdokumentationen, Evaluationen, Be-teiligung der Zielgruppe an der Maßnahmenplanung und -durchführung in dem noch jungen Arbeitsfeld bereits hoheQualitätsstandards erfüllen. Dies ist aus meiner Sicht be-sonders wichtig, da die Überprüfbarkeit und Erfolgskon-trolle von Maßnahmen eine wesentliche Voraussetzung fürihre Übertragbarkeit sind. Außerdem ermöglichen sie dieweitere fachliche Diskussion über prioritäre Maßnahmenund Strategien.

Hervorheben möchte ich folgende Einzelaspekte derPreisträgerprojekte:• Zur Beeinflussung der Lebensqualität und des

Morbiditätsgeschehens sind Ernährung und Bewegungvon zentraler Bedeutung. Dies gilt für alle Lebensphasen,so auch für Menschen in der zweiten Lebenshälfte. DieseAspekte der Gesundheitsförderung und Prävention wer-den von einem Preisträgerprojekt vorbildlich umgesetzt.

• Kommunale Strategien sind wichtig, um ältere Men-schen zu erreichen. So zeigt auch ein Preisträgerprojekt,

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 7

dass die Vernetzung lokaler Angebote und die damit ver-bundene Möglichkeit, die Versäulung der kommunalenDienste, Ämter und Institutionen aufzubrechen, einewesentliche Voraussetzung für ganzheitliches Arbeitenund damit für den Erfolg kommunaler Maßnahmen ist.

• Die Mitarbeit von Ehrenamtlern ist – anders als in ande-ren Feldern der Gesundheitsförderung – bei Maßnahmenfür ältere Menschen besonders häufig. Eindrucksvoll indiesem Zusammenhang ist eine Initiative, die den Be-reich der Ehrenamtlichkeit einbezieht und dabei – nachdem Prinzip „Jung für Alt” – soziale Verantwortung undsoziales Engagement generationsübergreifend nutzt, umdie Lebensqualität der älteren Menschen zu verbessern.

• Ein anderes Preisträgerprojekt zeigt auf vorbildlicheWeise, dass auch mit begrenzten medizinischen Prophy-laxe-Maßnahmen Lebensqualität bei pflegebedürftigenMenschen erhöht werden kann.

• Angesichts knapper Ressourcen in öffentlichen und pri-vaten Haushalten ist es in Zukunft wichtig, den ökono-mischen Nutzen von Interventionen im Bereich der Ge-sundheitsförderung und Prävention aufzuzeigen. EinPreisträgerprojekt greift diesen Aspekt auf hohem wis-senschaftlichen Niveau auf und setzt ihn erfolgreich um.

• Niedrigschwellige Zugangswege sind auch für dieZielgruppe älterer Menschen von zentraler Bedeutung.Erfreulich ist daher, dass mehrere Projekte aufsuchendeAngebote als Zugangsweg nutzen und weitere Maßnah-men darauf aufbauen.

• Um individuelles Verhalten erfolgreich zu ändern undgesundheitsfördernde Lebensstile zu ermöglichen, ist dieVerknüpfung verhaltens- und verhältnispräventiver An-sätze notwendig. Einige Preisträgerprojekte greifen die-sen Aspekt vorbildlich auf.

Gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung möchte ichmich in Zukunft dafür engagieren, dass die Preisträgerpro-jekte nachhaltige Wirkung entfalten. Wir möchten mit ihrerPräsentation den fachlichen Erfahrungsaustausch anstoßenund Impulse geben für die konzeptionelle Weiterentwick-lung des Arbeitsfeldes „Gesund in der zweiten Lebens-hälfte“.

Allen Bewerbern möchte ich für ihr Engagement und ihregute Arbeit danken, den Preisträgerprojekten gratuliere ichrecht herzlich.

Mein Dank gilt außerdem der Bertelsmann Stiftung undden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstellefür die professionelle und innovative Vorbereitung undDurchführung des Wettbewerbs sowie der Jury für ihreengagierte Diskussion und sorgfältige Auswahl.

Dr. Elisabeth Pott

Seite 8 | Deutscher Präventionspreis 2005

Demographischer Wandel und dieNotwendigkeit der Prävention

Die private demographische Dividende

Aktive und fitte Senioren sind zu einem selbstverständ-lichen Teil unserer Gesellschaft geworden. Im Vergleich zuden Generationen vor ihnen sind die heutigen Seniorennicht nur wohlhabender, für die meisten sind eine gesundeLebensführung und aktive Gesundheitsförderung, geradein der Phase nach dem Austritt aus dem Berufsleben,selbstverständlich geworden. Nicht nur materielle, auch dieausreichend vorhandenen zeitlichen Ressourcen werdeninvestiert. Man denke nur an die Scharen der NordicWalker, die unsere Wege und Wälder durchwandern. Standfür die Senioren der 60er Jahre noch der geruhsameLebensabend als erstrebenswertes Ziel an erster Stelle, sohat sich die Einstellung zur so genannten drittenLebensphase gewandelt. Durch die im Durchschnitt deut-liche Zunahme der verbleibenden Lebenszeit nachRenteneintritt haben viele Ältere heute die Chance, ihrepersönliche demographische Dividende zu erleben. Somitist der demographische Wandel zunächst eine sehr erfreu-liche Entwicklung. Wer würde sich nicht über die Aussichtauf zusätzliche Lebensjahre voll Aktivität und in Gesundheitfreuen?!

Jedoch verbinden viele Bürger mit dem demographi-schen Wandel die Angst vor einem Horrorszenario geprägtvon unsicheren Renten, kollabierender Pflegeversicherung,wachsenden Gesundheitsbeiträgen und allgemeinemWohlstandsverlust in einem Deutschland, wo immer weni-ger Junge immer mehr Ältere stützen müssen. Es lohnt des-halb zunächst ein Blick auf die demographischen Faktenund Trends, bevor die Rolle der Prävention angesichts desdemographischen Wandels bewertet wird.

Das „demographische Uhrwerk“Der demographische Wandel ist kein deutsches Phäno-

men. Der internationale Vergleich zeigt, dass mit der Zu-nahme der Lebenserwartung und des Wohlstands dieGeburtenzahl auf allen Kontinenten und in fast allenLändern deutlich unter das bestandserhaltende Niveau von2,1 Kindern pro Frau gesunken ist. Ausnahmen bilden hierlediglich Frankreich und die USA. Während in Deutschland

im Jahr 1964 noch 1,3 Millionen Kinder geboren wurden,waren es im Jahr 2003 nur noch 0,7 Millionen Kinder. DieGeburtenzahl in Deutschland beträgt heute durchschnitt-lich 1,4 Geburten pro Frau. Damit liegt die Quote um einDrittel unter dem Niveau, das für eine langfristig konstanteBevölkerungszahl ohne Zuwanderung erforderlich wäre.

Renate Köcher, Leiterin des Instituts für DemoskopieAllensbach, spricht von einer wachsenden „Kinderdistan-ziertheit“ innerhalb der deutschen Gesellschaft, in derKinder als Kosten- und Störfaktor empfunden würden.Neben dem Fehlen eines Partners und der Angst um denJob geben 75 Prozent der Befragten einer aktuellenAllensbach-Studie vom Januar 2005 das kinderfeindlicheKlima als Grund für Kinderlosigkeit an. Nach Ergebnisseneiner Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschungvom Mai 2005 liegt der Durchschnittswert für die Zahl dergewünschten Kinder bei den Frauen zwischen 20 und 39Jahren mit 1,74 nur noch wenig über der tatsächlichenKinderzahl bei den Frauen. Bei den Männern ist dieserDurchschnittswert mit 1,57 sogar noch niedriger. DieBevölkerung wird auch dann deutlich schrumpfen, wennalle Frauen und Männer ihren Kinderwunsch vollständigverwirklichen. Bislang ist keine Trendumkehr feststellbar.Die Zahl junger Menschen, die überhaupt keine Kindermehr haben wollen, ist sogar in den letzten Jahren nochgewachsen: Im Jahre 1992 wünschten sich nur 9,9 Prozentder Frauen und 11,8 Prozent der Männer keine Kinder,heute liegt dieser Wert bei den Frauen bei 14,6 Prozent undbei den Männern sogar bei 26,3 Prozent.

Die Ursachen dieser Entwicklung sind vielfältig: Kinderwerden von Kinderlosen häufig als Bedrohung ihres derzei-tigen Lebensstandards wahrgenommen. Viele potenzielleEltern befürchten, dass ihre Selbstverwirklichung leidenkönnte, so die aktuelle Studie des Bundesinstituts fürBevölkerungsforschung. Auch die Anforderungen des mo-dernen Berufslebens – Flexibilität in räumlicher, zeitlicherund qualifikatorischer Hinsicht – führen dazu, dass derKinderwunsch oftmals immer weiter aufgeschoben wird.Der Bildungsforscher Professor Hans Bertram spricht voneinem Lebensstau, wo Ausbildung, Beruf, Karriere und Part-nerschaft zwischen 20 und 39 zugleich bewältigt werden

Dr. Johannes MeierMitglied des Vorstandsder Bertelsmann Stiftung

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 9

wollen in einem zunehmend härteren Konkurrenzkampf.Am anderen Ende der Lebensbiographie tragen der

medizinisch-technische Fortschritt, bessere Ernährung undgesündere Lebensweisen dazu bei, dass die Lebenser-wartung auch in den nächsten Jahren weiter ansteigenwird. Wenn wir die Chance haben, bis ins hohe Altergesund und fit zu bleiben, ist das für jeden Einzelnen positiv. Die Verlängerung unserer Lebensspanne wird auchzu einem Gewinn an aktiven Jahren beitragen. So ist in denhohen Altersgruppen der Geburtsjahrgänge 1917, 1922,1927 schon heute eine deutliche Zunahme aktiverLebenszeit, Selbstständigkeit und Mobilität messbar.

Demographische Prozesse sind langfristiger Art:Auch einunmittelbar einsetzender Wertewandel – ebenfalls meistein langwieriges Geschehen –, an dessen Ende ein Anstei-gen der Geburtenrate über den aktuellen Wert hinaussteht, würde die für das Jahr 2050 bestehenden Herausfor-derungen der deutschen Gesellschaft nicht grundsätzlichändern. Wohlgemerkt, für die langfristige Nachhaltigkeitder Gesellschaft ist dieser Wertewandel notwendig. Mittel-fristig ist aber unabhängig davon klar: Das Verhältnis derMenschen im Rentenalter zu den Erwerbstätigen (der sogenannte Altenquotient) wird sich in den kommenden Jahr-zehnten erheblich erhöhen – selbst wenn es gelingen soll-te, die Geburtenrate signifikant zu steigern. Die Zunahmeder Lebenserwartung und damit die Alterung der Be-völkerung sind unumstößlich, solange Kriege und Seuchenuns hoffentlich erspart bleiben. Es wird also in den kom-menden Jahrzehnten zu einem umfassenden Strukturwan-del der Bevölkerung kommen, der durch Binnenwande-rungen sich sehr unterschiedlich in den Regionen ausprägt.

Grenzen unserer heutigen sozialenSicherungssysteme

Selbst wenn eine neue Einwanderungspolitik die erfolg-reiche Integration kinderreicher Familien ermöglicht, wirdsich die ältere Bevölkerung ab dem Jahr 2020 von der heu-tigen deutlich unterscheiden: Die Zahl der Kinderlosen beiden über 65-Jährigen wird zunehmen. Bis zu 30 Prozentder Menschen im Rentenalter werden keine eigenen Kinderhaben und können familiären Austausch nur über ihre

ebenfalls abnehmende Seitenverwandtschaft realisieren.Pflegeleistungen von Angehörigen, die heute noch 70 Pro-zent des Pflegebedarfs abdecken, müssen durch andereNetzwerke und Versorgungseinrichtungen ersetzt werden.

Eine besondere Herausforderung an unsere Sozialleis-tungssysteme stellen vor diesem Hintergrund die geburten-starken Jahrgänge dar. Wenn sie die Systeme nicht mehrdurch ihre Beitragszahlungen stützen, sondern selbst aufdie Seite der Leistungsempfänger wechseln, bedeutet diesleicht nachvollziehbare Überforderungen für die sozialenSicherungssysteme in ihrer heutigen Konstitution.

Insbesondere haben diese Entwicklungen umfassendeAuswirkungen auf unser Gesundheitssystem. Die an Sozial-beiträge gekoppelte Finanzierung des Gesundheitswesenswird zum größten Teil über ein demographieempfindlichesUmlageverfahren gedeckt, das den Faktor Arbeit belastet.Zu den durch die Alterung der Bevölkerung entstehendenKosten gibt es zwei Thesen: Mit der Zunahme der Lebens-erwartung steigen die Gesundheitsausgaben mit einemHöhepunkt kurz vor dem Tod, so nimmt die Medikalisie-rungsthese an. Die Kompressionsthese geht davon aus,dass sich die kostenintensive Phase der Multimorbidität inein höheres Lebensalter verschiebt, aufgrund verbesserterLebensbedingungen jedoch die längere Phase davor nichtkostenintensiver als die Phase der Erwerbstätigkeit ist.Noch ist nicht geklärt, welche der beiden Annahmen zu-trifft, die Kosten sinken jedenfalls nicht im Alter. Der techni-sche Fortschritt mit seinen gesundheitspolitisch und indivi-duell erfreulichen, jedoch oft kostensteigernden Wirkungenbirgt zusätzliches Konfliktpotenzial.

Die Herausforderung liegt also in einer demographiefes-ten Gestaltung eines umfassenden „Systems der Gesund-heit“. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Aufgabe vordem Hintergrund einer wachsenden Verschuldung desStaates zu bewältigen ist. Zu den notwendigen Reformensind emotionalisierte Diskussionen zu erwarten – der Um-bau des gesetzlichen Rentenversicherungssystems hat be-reits zu einem solchen Diskurs geführt. Um die zu erwarten-de Kostensteigerung im Gesundheitswesen zu begrenzen,wird es auch darauf ankommen, Wirtschaftlichkeitsreservenauszuschöpfen.

Seite 10 | Deutscher Präventionspreis 2005

Demographischer Wandel und die Notwendigkeit der Prävention

Prävention und die Potenziale einer alterndenGesellschaft

Wir sind überzeugt, dass die Verbesserung der vorbeu-genden Prävention wichtig und notwendig ist zur Ge-staltung eines robusten Systems der Gesundheit. Derzeitmachen Gesundheitsförderung und Prävention nur einengeringen Anteil von zirka 4,5 Prozent aller öffentlichen undprivaten Gesundheitsausgaben aus. In der Rentenversiche-rung wird für Rehabilitationsmaßnahmen ein Vielfaches der Mittel aufgewandt, die Krankenversicherungen für die Gesunderhaltung aufbringen. Ein transparentes undlogisches System der Leistungen der Kostenträger, das nachVerantwortungsbereichen gegliedert ist, ist notwendig zurSchaffung von Transparenz und als Grundlage klarer Kom-munikation. Konsequent wäre es, die Aufgabe der ver-schiedenen Sozialversicherungszweige darauf zu beschrän-ken, ihren Versicherten solche präventiven Angebote undLeistungen zu unterbreiten, die durch ihren jeweiligenAuftrag auch gedeckt sind.

Dass Präventionsausgaben sich sowohl aus Sicht desIndividuums als auch der Gesellschaft lohnen, liegt nahe.Studien zeigen, dass Kraft-, Ausdauer- und Bewegungs-

training bei älteren Menschen sowie eine ausgewogeneErnährung zu den wirksamsten Maßnahmen gehören. 70Prozent aller mit der Alterung verbundenen Vorgänge sindbeeinflussbar. Es ist erwiesen, dass sich die körperlicheFlexibilität auch im Alter noch um etwa 60 Prozent steigernlässt. So ließen sich durch eine Ausdehnung der Grund-pflege hin zu einer ganzheitlichen Pflege weitere Potenzialeerschließen – um Kosten zu sparen, aber vor allem auch ummehr Lebensqualität für den Einzelnen zu erreichen.

Angesichts der bevorstehenden Schrumpfung der akti-ven Gruppe der Berufstätigen sind eine erhöhte Leistungs-fähigkeit und Produktivität älterer Mitbürger von großervolkswirtschaftlicher Bedeutung. Es bedarf keiner großenPhantasie, um eine schrittweise Anhebung des effektivenRenteneintrittsalters zu prognostizieren über die nächstenDekaden.

Finanzierung und Anreize zur PräventionDie Akteure des Gesundheitswesens, der Politik und der

Wirtschaft müssen dazu motiviert werden, Prävention zufördern. Der Ansatz, die lebensweltbezogene Präventionund Gesundheitsförderung durch die umlagegestützte

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 11

Sozialversicherung zu finanzieren, muss aber vor demHintergrund der demographischen Entwicklung kritischhinterfragt werden. Dem Anspruch, Prävention undGesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabezu definieren, werden Bund und Länder so nicht gerecht.Darum müssen alle gesellschaftlichen Gruppen einen finan-ziellen Beitrag leisten.

Konsequenter wäre es, denjenigen Teil von Gesundheits-förderung und Prävention, der in gesellschaftlicher Verant-wortung liegt, aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzie-ren. So würde – wie im Sozialgesetz formuliert – „ein Bei-trag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit vonGesundheitschancen“ geleistet. Damit wäre ein ersterSchritt hin zu einer demographiefesten Finanzierung ge-macht.

Durch eine transparente und effektiv vernetzte Ange-botsstruktur kann die Eigenverantwortung des Individuumsunterstützt werden. Neue Strukturen können demEinzelnen als „selbstlernendem Unternehmer“ in Sacheneigener Gesundheit die notwendigen und differenziertenAngebote eröffnen. Flächendeckende Strukturen zu schaf-fen und zu erhalten ist vor dem Hintergrund der schrump-fenden Bevölkerung und der damit zum Beispiel einherge-henden Ausdünnung der Versorgung mit Hausärzten füreinige Regionen schon heute eine große Herausforderung.Wichtig erscheint hier eine koordinierte Gesamtpolitik, vonder Bundes- bis zur kommunalen Ebene, die den Ansatz derintegrierten Versorgung ausbaut. Noch besteht auf Seitendes Einzelnen häufig ein Zielkonflikt zwischen gesundheits-förderlichem Verhalten und Lebensqualität. Der bishergewählte Ansatz der Bonusprogramme ist in der breitenÖffentlichkeit nicht hinreichend verankert und zeigt nochkeine messbare Wirkung.

Kommunikation, Kommunikation, KommunikationDa erfolgreiche Prävention Verhaltensänderungen in

allen Teilen der Bevölkerung voraussetzt, liegt eine zentra-le Herausforderung in der Kommunikation. Konzepte zurKommunikation müssen nach Zielgruppen differenziertwerden, um auch solche Bevölkerungsteile anzusprechen,die bislang noch nicht erreicht werden.

Angesichts einer zunehmenden Herausbildung einerKlassengesellschaft, die sich entlang Ernährung, Gesund-

heit, Bildung und Mediennutzung nahezu identisch aus-prägt, stehen Kommunen mit einem hohen Anteil in derBevölkerung an bildungsfernen Schichten und Migrations-hintergrund vor einer besonderen Herausforderung. Esüberrascht nicht, dass heute Prävention positiv mit sozia-lem Status korreliert.

In der Forschung, Aus-, Weiter- und Fortbildung ist diePrävention noch nicht hinreichend verankert. In sozialenund gesellschaftlichen Institutionen, insbesondere derSchule, sollte der Präventionsgedanke bereits jungenZielgruppen vermittelt werden. Besonderes Augenmerksollte künftig auch auf den Familien liegen.

FazitAls erster Schritt sollten nun messbare Gesundheitsziele

und die zur Erreichung notwendigen Maßnahmen aufBundes- und Länderebene vereinbart werden. Dieser An-satz schließt die präventive Vermeidung von Krankheitenund eine verbesserte Versorgung im Krankheitsfall ein. DieAkteure des Gesundheitswesens sollten sich verpflichten,diese Ziele und Maßnahmen mit vorhandenen Ressourcenumzusetzen. Die größten Potenziale liegen aber in der Stär-kung der Eigenverantwortung. Verbesserte Lebensqualität,gewonnene gesunde Lebensjahre und erhöhte Leistungs-fähigkeit sind für viele Menschen – etwa die eingangserwähnten Nordic Walker – Motivation, die Gesundheits-förderung selbst in die Hand zu nehmen. Diesen Bewusst-seinswandel zu festigen und weiter auszubauen hat höchs-te Priorität – gerade vor dem Hintergrund des demographi-schen Wandels.

Um einer steigenden Zahl von Menschen die Chance aufein langes, gesundes Leben eröffnen zu können, sind guteBeispiele gefragt. Die Dokumentation des Deutschen Prä-ventionspreises 2005 „Gesund in der zweiten Lebenshälfte(50plus)“ zeigt zahlreiche solcher guten Beispiele auf.

Dr. Johannes Meier

Wir alle wünschen uns Gesundheit. Bis ins hohe Altergesund zu bleiben und gesund alt zu werden ist in unsererGesellschaft mit einem zunehmenden Anteil älterer Men-schen ein vorrangiges Ziel.

Der demographische Wandel und die damit verbundeneBelastung unserer Sozialsysteme macht eine gemeinsameintensive Auseinandersetzung mit dem Thema Altern erfor-derlich. Bereits heute sind 25 Prozent unserer Bevölkerungüber 60 Jahre alt.

Immer mehr Menschen werden aber nicht nur älter, son-dern leiden im Alter auch an Krankheiten, mitunter auch aneiner Vielzahl von Erkrankungen, man spricht von derMultimorbidität.

Dies muss aber keineswegs so sein. Alter muss nichtzwangsläufig zu Krankheit oder Hilfsbedürftigkeit führen.Neben genetischen Faktoren, auf die wir ja alle keinen Ein-fluss haben, liegt es auch ein Stück weit an jedem Einzel-nen von uns, mitzubestimmen, wie man alt wird.

Wir wissen heute, dass uns unser Körper eine gesundeLebensweise schon in frühen Jahren, im Alter ganz be-sonders dankt. Aber es ist auch im Alter nicht zu spät, sichgesundheitsbewusst zu verhalten und Risiken zu vermei-den.

Gesund alt zu werden ist erreichbar, denn wir wissen,dass frühzeitige und lebensbegleitende Maßnahmen zurFörderung eines gesunden Lebensstils die besten Vor-aussetzungen für ein gesundes Altern und für die möglichstlange Gesunderhaltung im Alter sind. Prävention ist keineFrage des Lebensalters. Selbst wenn man im fortgeschritte-nen Alter anfängt, kann man noch gute Ergebnisse erzie-len. Auch bei Menschen im höheren Alter, die bereits krankoder pflegebedürftig sind, können spürbare Verbesse-rungen erreicht werden. Verbesserungen, die sich ganzpraktisch in einer höheren Lebensqualität auszahlen.Jeder Mensch trägt Verantwortung für seine Gesundheit.Aber vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie etwastun können, um gesund zu bleiben. Regelmäßige körper-liche Bewegung und eine ausgewogene Ernährung fördernund erhalten die Leistungsfähigkeit und wirken sich auchauf den Stoffwechsel und praktisch alle Organsystemepositiv aus. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungenwird deutlich reduziert, aber auch der Stabilität der

Knochen tut ausreichende körperliche Bewegung gut. Dazugenügen schon regelmäßige Alltagsaktivitäten wie Wan-dern, Schwimmen, Radfahren und Ähnliches.

Regelmäßige geistige Aktivität bis ins hohe Alter hilftsowohl die Flexibilität des Denkens als auch die Leistungs-fähigkeit des Gedächtnisses zu erhalten. Hierzu trägt be-reits jede konzentrierte Beschäftigung wie Zeitung lesen,Briefe schreiben, Kreuzworträtsel lösen etc. bei.

Wer Risikofaktoren wie Übergewicht, Fehlernährung,Bewegungsarmut, übermäßige Sonnenexposition und vorallem Nikotin und übermäßigen Stress vermeidet, hat eindeutlich geringeres Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, bestimmte Krebserkrankungen, Erkran-kungen der Atemwegsorgane und Stoffwechselkrankheitenwie z.B. Diabetes mellitus Typ 2. Die Änderung der Lebens-weise ist auch dann noch sinnvoll und notwendig, wennbereits eine solche Erkrankung vorliegt.

Die Nutzung von Angeboten der gesetzlichen Kranken-kassen zur Früherkennung von Krankheiten erlaubt es, häu-fige Krankheiten oder ihre Risikofaktoren in einem frühen,therapeutisch gut beeinflussbaren Stadium festzustellen.

Stürze sind bei älteren Menschen häufig die Ursache vonKnochenbrüchen wie dem Oberschenkelhalsbruch. Körper-liche Bewegung und eine barrierefreie Gestaltung derWohnung vermindern das Risiko, zu stürzen. Auch gezieltesBeinmuskulaturtraining sowie die Förderung des dynami-schen Gleichgewichts verringern dieses Risiko. Im Hinblickauf ein erhöhtes Sturzrisiko spielt die Einnahme vonMedikamenten, insbesondere Psychopharmaka, eine wich-tige Rolle. Effektive Maßnahmen zur Eindämmung vonMedikamentenabhängigkeit im Alter versprechen einenpositiven Effekt auf das Sturzgeschehen, insbesondere beiFrauen.

Es ist also weder besonders aufwändig noch schwierigoder zeitraubend, etwas für seine Gesundheit zu tun.

Das Bundesministerium für Gesundheit und SozialeSicherung arbeitet bereits seit dem Weltgesundheitstag1999 erfolgreich mit der Bundesvereinigung für Ge-sundheit auf dem Gebiet der Prävention im Alter zusam-men. Im Vordergrund steht, das Alter als Chance und Erfolgzu werten und unter dem Aspekt des Zugewinns an Le-bensqualität zu gestalten. Hierbei spielen die präventiven

Seite 12 | Deutscher Präventionspreis 2005

Gesundheitsförderung und Prävention in der zweiten Lebenshälfte

Dr. Horst PeretzkiLeitung Referat 323,Medizinische Grundsatz-fragen der Prävention,Bundesministerium fürGesundheit und SozialeSicherung

Potenziale im Alter eine zentrale Rolle.Darauf, dass die hohen präventiven Potenziale bei älte-

ren Menschen unterschätzt werden, hat auch der Sachver-ständigenrat der Konzertierten Aktion im Gesundheits-wesen in seinem Gutachten 2001 hingewiesen.

Wir wollen gezielt aufzeigen und darüber informieren,was man selbst tun kann, um aktiv Krankheiten im Alterentgegenzuwirken und die eigene Gesundheit zu fördern,und zum Mitmachen motivieren.

Daher stellt das Bundesministerium für Gesundheit undSoziale Sicherung die Broschüre „Gesund altern – Präven-tion und Gesundheitsförderung im höheren Lebensalter“im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit den Bürgerinnenund Bürgern kostenlos zur Verfügung.

Die Expertise von Prof. Kruse ist eine umfassendeAnalyse der Faktoren, die Einfluss auf die gesundheitlicheSituation der Menschen im Alter haben. Wichtige Inhaltesind die Bedeutung der körperlichen Bewegung für daspsychosoziale Wohlbefinden und auf die Reduktion der

Mortalität. So weist die Expertise auf eine Studie hin, dem-zufolge die kontinuierliche Ausübung von Sport- und Be-wegungsaktivitäten mit mittlerem physischem Anforde-rungsgrad die Wahrscheinlichkeit der Mortalität gegenüberPersonen, die keinen Sport betrieben haben, um 23 Prozentreduziert hat.

Weiterhin wird in der Expertise die Bedeutung gesunderErnährung, kognitiver Aktivität und Stressbewältigung dar-gestellt.

Auch bei Menschen im höheren Alter, die bereits krankoder pflegebedürftig sind, kann man noch viel erreichen,denn auch im Alter können noch bereits verloreneFähigkeiten wiedergewonnen werden. Wichtige Maßnah-men, um dies zu erreichen, sind: die Rehabilitation und dieaktivierende Pflege.

Prävention ist auch eine Antwort auf chronische Er-krankungen. Sie nützt den Bürgerinnen und Bürgern undsie kann zur Kostenreduktion im Gesundheitswesenbeitragen. So verursachen chronische Rückenschmerzen

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 13

Seite 14 | Deutscher Präventionspreis 2005

Krankenbehandlungskosten in Höhe von rund 3,5 Milliar-den Euro und weit darüber hinausgehende zusätzliche indi-rekte Kosten durch Arbeitsausfälle und Frühverrentung.

Wir haben die Erkenntnisse der Expertise in die Arbeitdes Deutschen Forums Prävention und Gesundheitsförde-rung eingebracht und gemeinsam mit dem Forum den Kon-gress „Gesellschaft mit Zukunft“ am 29. und 30. April2004 in Berlin veranstaltet.

Um möglichst viele Menschen zu erreichen, soll Präven-tion im direkten Lebensumfeld der Menschen verankertwerden. Das heißt, Gesundheitsförderung muss in den Kin-dergärten, Schulen, in den Betrieben, in Senioreneinrich-tungen etc. erfolgen.

Unser Gesundheitssystem ist bisher sehr stark auf Kura-tion, Rehabilitation und Pflege ausgerichtet. Wir wollen dasändern und die Prävention zu einer eigenständigen Säuleim Gesundheitswesen ausbauen. Das vom Deutschen Bun-destag am 22. April 2005 verabschiedete Gesetz zur Stär-

kung der gesundheitlichen Prävention wurde bedauer-licherweise am 27. Mai 2005 vom Bundesrat gestoppt undan den Vermittlungsausschuss überwiesen. Offen ist, inwelcher Form der gemeinsam von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitete Gesetzestext verändert wird. Zieldes Präventionsgesetzes sollte sein, die primäre Präventionals wesentlichen und festen Bestandteil des Gesundheits-systems zu verankern. Die bisher bereits vorhandenen Prä-ventionsanstrengungen sollten gebündelt werden, so dassihre Wirksamkeit sich erhöht. Gemeinsame Präventionszielesollten dafür sorgen, dass die Mittel dort eingesetzt wer-den, wo sie den größten Nutzen bringen. Durch Präven-tionsziele wären die Maßnahmen nicht nur nachvollzieh-bar, sondern auch kontrollierbar. Das Robert-Koch-Instituthätte dann auch die Möglichkeit, den Grad ihrer Erreichungim Rahmen der Gesundheitsberichterstattung darzustellen.

Auf der Bundesebene soll es eine Stiftung Präventionund Gesundheitsförderung von den Sozialversicherungs-

Gesundheitsförderung und Prävention in der zweiten Lebenshälfte

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 15

zweigen geben. Hier sollen die Präventionsziele undQualitätsstandards bestimmt und Kampagnen durchge-führt werden, um in der Bevölkerung das Bewusstsein fürPrävention und Gesundheitsförderung zu stärken. Auch dieBundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll sichhier mit ihrem Wissen einbringen.

Damit wir mit den Präventionsangeboten möglichst vieleMenschen zielgerecht erreichen, ist es erforderlich, denSetting-Ansatz zu stärken, das heißt, Prävention soll dastattfinden, wo die Menschen sind: in ihrem jeweiligenLebensumfeld. Fast die Hälfte der Mittel sollen daher fürsolche Projekte in den Lebenswelten zur Verfügung gestelltwerden. Im Ergebnis sollen pro Jahr 250 Millionen Euro vonder gesetzlichen Kranken-, Renten-, Unfall- und der sozia-len Pflegeversicherung für Präventionszwecke zur Verfü-gung gestellt werden.

Um die Erkenntnis, dass präventive und gesundheitsför-derliche Interventionen auch in der zweiten Lebenshälftesinnvoll sind, weiter umsetzen zu können, müssen zentraleFragen geklärt werden, u.a.:1. Wie können Menschen in der zweiten Lebenshälfte in

ihren Lebenswelten erreicht werden? – Hierzu erstelltdie Bundesvereinigung für Gesundheit eine Expertise.

2. Welche Altersgruppen und welche Präventionszielehaben Priorität? – Hieran arbeitet eine Arbeitsgruppedes Deutschen Forums Prävention und Gesundheitsför-derung.

3. Wo ist eine Differenzierung nach Geschlecht und sozia-ler Lage erforderlich? – Im Hinblick auf präventivePotenziale bei älteren Frauen (ab 55 Jahre) läuft derzeiteine Studie, die bzgl. Risiken und Ressourcen dieZusammenhänge von Geschlecht und Krankheit analy-siert und ganzheitlich bewertet. Ziel ist die Identifi-zierung von weiteren Ansatzpunkten der geschlechter-sensiblen Prävention bzw. Empfehlungen für verhältnis-präventive Maßnahmen für diese Zielgruppe.

4. Welche Interventionsstrategien haben sich bereits nach-weislich bewährt? – Im Deutschen Forum Präventionund Gesundheitsförderung wird derzeit der Interven-tionsansatz des „Präventiven Hausbesuchs“ im Hinblickauf die Machbarkeit geprüft.

Diese Klärungen sind notwendig, um in diesem Bereichdie flächendeckende Umsetzung von prioritären Maß-nahmen empfehlen zu können. Neben der Auswertung vorhandener Daten und Studien sowie zusätzlichen For-schungsanstrengungen ist die systematische Auswertungbereits vorhandener Praxiserfahrungen vordringlich. Mitdem Deutschen Präventionspreis 2005 „Gesund in derzweiten Lebenshälfte“ wurde erstmalig ein Einblick in diebereits vorhandenen vielfältigen Aktivitäten der Präventionund Gesundheitsförderung in der zweiten Lebenshälfte ge-schaffen. Ein erfreulich hoher Anteil von Wettbewerbsbei-trägen weist bereits eine Dokumentation bzw. Evaluationnach.

Damit wurden die Voraussetzungen für eine systemati-sche Auswertung der Praxiserfahrungen und die Identifi-kation erfolgreicher Interventionsstrategien geschaffen.

Dr. Horst Peretzki

Seite 16 | Deutscher Präventionspreis 2005

„Und dann bitte ich die Preisträger dieses Jahresauf die Bühne: ...“ Mit diesem Satz sind wir aufdem Höhepunkt eines Preisjahres angekommen.Bereits zweimal konnten jeweils am 22. Juni über250 geladene Gäste im axica in Berlin dieSpannung im Saal und zwischen ihren Schul-terblättern spüren. Erst an diesem Tag der Preisver-leihung erfahren die Öffentlichkeit und auch diePreisträger und Geehrten selbst, welche Projektein dem einjährigen Wettbewerb bis an die Spitzegelangt sind.

Für viele war es ein langer Weg. Im Herbst des Vorjahreskonnten sie erstmals die Ausschreibung des Preisthemas imInternet, im Flyer oder E-Mail von der Geschäftsstelle, inFach- oder Publikumsmedien lesen. Ab Mitte Novemberhatten sie die Möglichkeit, ihre Online-Bewerbung abzu-senden, und bis Ende Januar, sie nachzubessern.

Obwohl im zweiten Wettbewerbsjahr die Bewerbungs-dauer drei Wochen länger war, zeigte sich doch das gleicheBild wie im Vorjahr: Erst in den letzten drei Wochen schnell-te die Zahl von ca. 50 rasant auf den Endstand von 445bzw. 258 Bewerbungen. Zudem ergänzten und korrigiertendie meisten in dieser Endphase noch einmal ihreBewerbung: Über 300 Neubewerbungen und Änderungenregistrierte die Geschäftsstelle allein in der letzten Woche.Und dann – von einem Tag auf den anderen – Funkstille.

Für die Bewerber begann jetzt bis zur Preisvergabe einlanges Warten. Die zwischenzeitlichen Mitteilungen, wieviele sich beworben haben und welcher Art dieTeilnehmerprojekte sind, trugen auch nicht gerade zurBeruhigung der Nerven bei. Was dauert denn bloß solange?

Ganz anders in der Geschäftsstelle, hier begann schonam Tag nach dem Bewerbungsschluss die Offline-Sicherungund Sichtung der Bewerberdaten. Die Datenbank wurdezunächst mit Prüftools ausgewertet: Welche Bewerbungenenthalten vollständig verwertbare Angaben, welche erfül-len die Mindestvoraussetzungen wie Thema oder Laufzeit?Einige Bewerber hatten nur irgendwelche Zeichen in man-che Pflichtfelder getippt und wohl gehofft, sie später gegensinnvollen Text auszutauschen, waren aber nicht mehr dazugekommen. Ein Bewerberprojekt betraf die Gesundheits-

förderung bei Kindern – das Thema des letzten Jahres.Schwieriger wurde die Beurteilung, ob die gewünschte

Vernetzung und Integration sowie die geforderteVerknüpfung von Zielthemen vorlag. Hier reichte die pro-grammierte Auswertung nicht allein, weil manche Ja- oderNein-Angabe nicht mit den übrigen Textaussagen überein-stimmte. In der Geschäftsstelle wurde eifrig gelesen... Aufdiese Weise kamen manche maschinell aussortiertenBewerbungen wieder ins Rennen, andere dagegen wurdennun herausgenommen.

Insgesamt schieden in dieser Plausibilitätsprüfung undVorselektion 60 Bewerbungen aus. Das einstimmige Votumder Kooperationspartner reduzierte die Zahl der Teilnehmerauf 198 – dies entspricht in etwa der Anzahl des Vorjahres.Von diesen Teilnehmern vervielfältigte die Geschäftsstellealle Bewerbungsunterlagen für die acht Juroren diesesPreisjahres und bereitete sie für deren Bewertung auf.

Damit waren die vorbereitenden Arbeiten der Geschäfts-stelle abgeschlossen: Unabhängig voneinander beurteiltennun jeweils zwei Juroren eine Bewerbung nach denKriterien der Steuerungsgruppe wie Dokumentation,Fortführbarkeit, Übertragbarkeit, Innovation, Berücksichti-gung von Problemlagen und vergaben hierzu ihre Punktenach der Schulnoten-Skala. Dafür hatte die Jury zweiWochen Zeit. Ihr Votum wurde in der Geschäftsstelleerfasst und im vorgegebenen Rechenverfahren inGesamtpunktzahlen für jedes bewertete Projekt umgewan-delt. Daraus ergab sich eine gerankte Liste als Grundlagefür die erste Jurysitzung.

Wir befinden uns Mitte März in einem Hotel amFrankfurter Flughafen. Juroren, Mitglieder der Steuerungs-gruppe, Projektleitung und Mitarbeiter der Geschäftsstellesitzen vor Ordnern mit Listen und Bewerbungen,Benotungen und Rankings. Projekt- und Geschäftsstellen-leiter hinterfragen zunächst Abweichungen in denBewertungen: Warum hält ein Juror dieses Projekt fürbesonders innovativ, die andere Jurorin weniger? Weil sieaus ihrer Tätigkeit bereits einige Vorläufer kennt! Ein Teilder Juroren nickt bestätigend, aha! Der Juror ist angesichtsdieser Sachlage bereit, seine Note zu reduzieren. So wirdjede Fragwürdigkeit ausgeräumt. Dann beginnen diePlädoyers – die Abwägung von Für und Wider derBewerberprojekte. Ihnen folgt das gemeinschaftliche Urteil.

Der Deutsche Präventionspreis –mehr als ein Projekt

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 17

Kein Zweifel, diese Jury würde auch in jedem Gericht einegute Figur machen. Inzwischen hat sich die Rangfolge derProjekte immer wieder verschoben. Zum Schluss verbleibteine Spitzengruppe preisverdächtiger Bewerber. Jetzt folgtder letzte Akt: Die Jury beauftragt die Visitationen derProjekte, von denen sie (weitere) Kenntnisse vor Ort erlan-gen will.

Einen Monat lang besuchen Mirjam und Gunnar Stierledie Bewerberprojekte zwischen Hamburg und München,Düsseldorf und Dresden. Jedes Mal erfragen sie gezieltzusätzliche Informationen, sehen sich weitere Unterlagenan, nehmen – so weit möglich – an typischen Projekt-abläufen teil, diskutieren, notieren, fotografieren. DasErgebnis einer nachmittäglichen Visitation wird abendsgemeinsam besprochen und am folgenden Vormittag ineinem standardisierten Bericht für die Jury festgehalten.Dann geht es weiter zur nächsten Adresse.

Anfang Mai liegen alle Berichte – gedruckt und um viel-fältige Unterlagen und Abbildungen ergänzt – für die Juryvor. Diese hat nun zwei Wochen Zeit, das Material zu sich-ten und sich auf den entscheidenden Moment, die Wahl derPreisträger vorzubereiten. Der kommt Ende Mai, diesmal ineinem Berliner Hotel. Im Raum der Jury hat die Geschäfts-stelle für jedes nominierte und visitierte Projekt eine große

Metaplanwand mit den wichtigsten Daten aufgestellt,davor ein Tisch mit allen gebündelten Informationen. In derMitte dieser geballten Präsenz entscheidet die Jury – ein-fach mit fünf zu vergebenden Klebepunkten und klar in derAussage: Es gibt einen eindeutigen ersten Preisträger, vierweitere klar führende Projekte und ein einstimmiges Votumfür eine persönliche Ehrung. Einen Monat später werden esdie Auserwählten erfahren: „Und dann bitte ich diePreisträger dieses Jahres auf die Bühne: ...“

Vielleicht haben Sie diesen großen Moment ja soebenmiterlebt, vielleicht lesen Sie jetzt erst davon. „Es tut rich-tig gut“ und „ermuntert zum Weitermachen“ – diesenspontanen Äußerungen von Preisträgern können wir unsnur anschließen. Und deswegen machen wir ja schon wei-ter, sind bereits in diesem Moment der Preisverleihungdabei, die diesjährigen Preisträger und Nominierten publikzu machen und parallel dazu, das nächste Preisjahr vorzu-bereiten.

Schon im Frühjahr begannen die ersten konkretenAbstimmungen zum neuen Preisthema 2006. Aus derVerdichtung von vielen einzelnen Gesprächen mit Expertender Gesundheitsförderung und Prävention, den Inputs derOrganisationen der Kooperationspartner und Anregungen,die über die Website oder spontan geäußert wurden, zeich-

Die Jury 2005 bei der Preisträgerauswahl

Seite 18 | Deutscher Präventionspreis 2005

net sich der Rahmen des künftigen Themenfeldes ab. Ineinem aufwändigen Recherche- und Abstimmungsprozesswerden nun die Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Praxis,Medien in diesem Themenfeld eruiert, vorgeschlagen,gewogen, angefragt und letztlich als die Juroren des nächs-ten Preises verpflichtet.

Auf sie wartet eine Menge Arbeit. Anders als in den bei-den Vorjahren werden sie – als ein Ergebnis des kontinu-ierlichen Erkenntnis- und Verbesserungsprozesses imProjekt – bereits zur Konkretisierung des Themas, zur wort-genauen Definition des Ausschreibungstextes, zur detail-lierten Gestaltung des Bewerbungsbogens und ergebnis-orientierten Programmierung des Auswertungsverfahrensherangezogen. So gehen bereits zu Beginn des neuenPreisjahres Jury, Träger und Geschäftsstelle in eine zweitä-gige Klausur, um eine noch bessere Konsistenz desWettbewerbes zu erzielen.

Jeder Ergebnisschritt setzt weitere Aktivitäten frei.Sobald der Ausschreibungstext freigegeben ist, veröffent-

licht ihn die Geschäftsstelle über die Webagentur StudioBlickfang auf der Internetseite des Deutschen Präven-tionspreises, gestaltet mit der KommunikationsagenturA.DREIplus GmbH den Flyer, textet und versendetInformationsmails an über 2.000 Multiplikatorenadressen,informiert Fach- und Publikumsmedien und verbreitet dieInformation durch Präsentationen, Fachveranstaltungenund Kongresse.

Ist der Bewerbungsbogen fertig, erarbeitet dieGeschäftsstelle mit dem Softwareentwickler BaseworkGmbH das Layout und die Funktionalität der Bewerber-datenbank sowie die Auswertungstools für die Plausibili-tätsprüfungen und Vorselektionen. Hierin eingebunden istdie Iquer.net GmbH & Co KG, die als Webhoster die erfor-derlichen Technologien und Kapazitäten für das Online-Bewerbungsverfahren und die Online-Datenbanksicherungbereitstellt.

Wenn zum Ende des Jahres alle Tests positiv ausgefallenund alle Freigaben erfolgt sind, kann der nächste Online-

Der Deutsche Präventionspreis – mehr als ein Projekt

Die Website www.deutscher-praeventionspreis.de

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 19

Wettbewerb beginnen. Dann beginnt für die Geschäfts-stelle eine mehrwöchige Betreuung der Interessenten undder lange Weg für die Bewerber.

Sie haben schon gemerkt: Es sind viele fleißige Händeam Werk und einige sind noch gar nicht aufgezählt:Fotografen, Texter, Filmer, Drucker und Techniker. Dazukommen Projektleitung, Juristen, Mitarbeiter des Event-,Kommunikations- und Servicemanagements, die von derBertelsmann Stiftung partiell für Aufgaben des Preis-projektes ebenso pro bono eingebunden werden wie ihreKollegen in den Pressestellen und Sekretariaten des BMGSund der BZgA. Ihnen allen sei an dieser Stelle Dank gesagt,denn ohne sie – nein, stellen Sie sich gar nicht erst vor, essei Preisverleihung und keiner ginge hin.

Dass nun (fast) alle gekommen sind, ist daher keinZufall: Die Begeisterung aller dieser Mitwirkenden hat dieBewerber ins Internet und die Gäste nach Berlin bewegt.Dazu haben unsere Medienpartner und Multiplikatoren alsTransmitter beigetragen. 2004 trieb der STERN mit zwei

Beiträgen die Bewerberzahlen nach oben, 2005 belebte n-tv mit Ausstrahlungen über beispielhafte Projekte dasInteresse am Event.

Organisationen wie die Bundesvereinigung für Ge-sundheit, die BAGSO, die Volkssolidarität und der DeutscheSportbund sorgten durch ihre Informationsverteiler fürwachsende Aufmerksamkeit und über 150 Online-Erwäh-nungen, zig Abdrucke in regionalen, überregionalen undFachmedien sowie die Verbreitung über Nachrichtendiensteund Radiosender wecken die Neugier: Im Durchschnitt ver-zeichnen wir im Monat durchschnittlich rund 10.000 Page-views auf unserer Website sowie 100 Mail- und Telefon-anfragen.

Die Öffentlichkeits- und Medienarbeit ist ein immer wäh-render Prozess im Projekt und wird nun – nachdem dieGeschäftsstelle in den ersten beiden Projektjahren dieInfrastruktur und die Wettbewerbsorganisation aufgebautund fortentwickelt hat – in den nächsten beiden Pro-jektjahren forciert. Über die eigenen Medien wie Website,

Das Team des DeutschenPräventionspreises nachder Preisverleihung 2004

Newsletter, Flyer, Publikationen (wie diese) und Informa-tionsmails hinaus gehören dazu nicht nur die laufendeKontaktanbahnung und -pflege zu Redaktionen der Print-,TV-, Radio- und Onlinemedien, sondern auch die persön-liche Präsentation des Preises und der Projekte aufFachveranstaltungen und Kongressen.

Hier treffen sich zwei Ziele: die Publizität des DeutschenPräventionspreises und die Verbreitung der ausgezeichne-ten Projekte. Beides ist nicht allein mit den von denKooperationspartnern zur Verfügung gestellten Ressourcenzu bewältigen – und soll es auch nicht: Der DeutschePräventionspreis ist zwar in erster Linie ein Preisprojekt,beim zweiten Hinsehen fällt auf, dass dieses in einemPublic-Private-Partnership zwischen Bundes- und NGO-Organisationen getragen und durchgeführt wird, und wer ein Stück weiter blickt, erkennt, wie viele andere imRahmen der gewünschten „gesamtgesellschaftlichen Ver-antwortung“ zum Gelingen des Projektes beitragen.

(Hoffentlich) offensichtlich sind dies die Sponsoren.2004 stockte Janssen-Cilag das Preisgeld auf und führteeine Regionalveranstaltung mit unseren Preisträgerpro-jekten durch. 2005 ist die Takeda Pharma GmbH Gastgeberder Preisverleihung des Deutschen Präventionspreises. Inbeiden Jahren unterstützt TÜV Management Systems denAufbau des Qualitätsmanagements im Projekt und TÜV

Industrie Service hat sich bereit erklärt, die QM-Zerti-fizierung zu tragen. Das „Haus im Park“ in Hamburg, eineEinrichtung der Körber-Stiftung, und die HamburgerLandesvereinigung für Gesundheit stellen im Herbst aufeiner regionalen Fachveranstaltung die herausragendenProjekte dieses Jahres vor.

Eher im Verborgenen fördern dieses Projekt seine„Sympathisanten“: Experten und Juroren der ersten beidenPreisjahre, die uns im „privaten Nebenjob“ etliche ihrerfachkundigen Tage schenkten, Stephan Meyer von icore,der die IT der Geschäftsstelle rund um die Uhr überwacht,sie vor Viren, Würmern und sonstigen Anomalien beschütztund manche Stunde über den Vertrag hinaus uns und die ITpsychotherapeutisch betreut – Holger Thamm von base-work, der in seiner freien Zeit an der Verbreitung derProjekte über das Internet arbeitet – wie viele andere hierUngenannte in Organisationen aus Politik, Wirtschaft,Verband und Medien oder als einzelne, interessierteInformations- und Ratgeber. Ihre Sympathie – das hat sichin den ersten beiden Jahren erwiesen – ist belastbar unddamit tragfähig für die weiteren beiden Jahre diesesProjektes. Danke!

Sie alle tragen dazu bei, dass der Deutsche Präventions-preis inzwischen weit mehr ist als nur ein Preis-Projekt,eine Public-Private-Partnership-Erprobung, ein Medien-partner-Multipikatoren-Sponsoren-Experiment – es ist eineBewegung vieler geworden, wenngleich noch längst nichtaller – im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Verant-wortung. Der Deutsche Präventionspreis braucht dasEngagement dieser offiziellen wie inoffiziellen Förderer –ebenso wie seine Preisträger, Nominierten und Teilnehmer,um Gesundheitsförderung und Prävention gesamtgesell-schaftlich tragfähiger zu machen.

Wir alle sind hier auf einem langen Weg und mit kargerWegzehrung unterwegs. Das Planbudget des DeutschenPräventionspreises wurde unter anderem aufgrund derwirtschaftlichen Folgen des 11. September 2001 und derElbe-Hochwasser-Katastrophe 2002 um rund ein Drittelreduziert. Die Projektaufgaben dagegen blieben und wach-sen – wie diese Preisträgerbroschüre, die in diesem Jahr infünffacher Auflage erscheint, nicht nur verteilt, sondern aufAnforderung auch versendet wird und sowohl Preisträgerals auch zusätzlich die nominierten Projekte verbreitet –auch wenn dies alles einige zehntausend Euro mehr kostet.

Seite 20 | Deutscher Präventionspreis 2005

Der Deutsche Präventionspreis – mehr als ein Projekt

Dr. Marcel Mangen vonJanssen-Cilag übergibt2004 einen Preis an Dr. Rainer Hanewinkelvon dem Projekt „Eigen-ständig werden“

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 21

Daher stellt die Gewinnung von Sponsoren sowohl eineRessourcenentlastung dar als auch die Grundlage für dieFortentwicklung unseres Preisprojektes und der von unsbekannt gemachten, nachahmenswerten Projekte.

Sponsoren des Preisvergabe-Events, der regionalenFachveranstaltungen, der Publikationen, der geplanten Be-werberdatenbank oder Organisation des Deutschen Prä-ventionspreises unterstützten also unmittelbar sowohl denDeutschen Präventionspreis heute und seinen Fortbestandmorgen als auch mittelbar die derzeitige Existenz sowiekünftige Entwicklung und Verbreitung innovativer und effi-zienter Präventionsprojekte.

Wie wirksam diese Mehrfachförderung ist, zeigen dieEntwicklungen des vergangenen Jahres. Wettbewerbs-,Medien- und Sponsorenarbeit des Deutschen Präventions-preises haben Gebietskörperschaften, Medien undSponsoren veranlasst, die hervorragenden Projekte desPreisjahres 2004 zu festigen und zu multiplizieren:• Der erste Preisträger „Mo.Ki“ ist nun kein Projekt mehr,

sondern ein fester Bestandteil der Jugendhilfe für prä-ventive Angebote – insbesondere für benachteiligteFamilien und deren Kinder. Die Leitungsstelle wurde festbewilligt. Zudem erfolgt eine Ausweitung auf das ge-samte Monheimer Stadtgebiet. Inzwischen gibt es aucheinen Nachahmer in einer norddeutschen Großstadt.Eine besondere Ehre: Mo.Ki wurde OECD-Modellprojekt.Die Projektleiterin schreibt hierzu: „Die Preisvergabe unddie damit verbundene Pressearbeit und Imagever-besserung ... sind maßgeblich dafür verantwortlich, dassMo.Ki dauerhaft fortgeführt wird.“

• Das Schülermultiplikatorenprojekt „free your mind“ hatseine Pilotphase beendet und wurde als ein eigenständi-ges Projekt der Stadt Leipzig anerkannt – es gibt eineselbstständige Projektleitung: „Wir schätzen den Erfolgfür unser Projekt durch die Preisvergabe als sehr hochein. Es gab viel Anerkennung von außen und nun einestrukturelle Weiterentwicklung des Projektes. Auch gabes weitere finanzielle Unterstützung von anderenPartnern. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit wird es abMitte des Jahres sein, qualitative Standards für dieSchülermultiplikatorenausbildung im Bereich der primä-ren Suchtprävention mit anderen Schülermultiplika-torenprojekten zu erarbeiteten.“

• Ein weiterer Preisträger – die Hauptschule in Frankenthal– berichtet: „Unsere Partnerschulen (Grund- und Haupt-Schule Glan-Münchweiler sowie die regionalen SchulenAltenglan und Idar-Oberstein) übernahmen weite Teileunseres Konzepts und passten sie ihrer Situation an.

• Das Preisträgerprojekt „Anna & Marie“ berichtet: „DasProjekt hat durch die Preisverleihung eine noch breitereBasis bekommen. Der Bekanntheitsgrad ist deutlichgestiegen. Akzeptanz und Wertschätzung des Projekts inder Öffentlichkeit haben ebenfalls erheblich zugenom-men. Im Juli 2004 wurden alle 38 Gesundheitsämter inBaden-Württemberg vom Landesgesundheitsamt schrift-lich mit diversen Unterlagen informiert, im Oktober 2004Vorstellung des Projektes beim Ehrenamtforum inHeilbronn, im Mai 2005 Vorstellung des Projektes an derPH in Reutlingen.“

Ein weiterer wesentlicher Effekt ist die Vernetzung derProjekte untereinander. So hat Mo.Ki Kontakt zu einemanderen Preisträger, Pro Kita, aufgenommen. Ein Austauschvor Ort führte zu der Überlegung, Mo.Ki durch weitereAspekte zu ergänzen. Für diese beginnende Vernetzung auseigener Initiative gibt es mehrere Beispiele, aber auch starkbegrenzende Erkenntnisse: Die Ressourcen in denProjekten reichen kaum für die Durchführung der Projekteselbst. So groß die Freude am Interesse anderer und soengagiert der eigene Einsatz in der Weitervermittlung ist,für den anhaltenden Dialog und die nachhaltigeVerbreitung ist eine langfristig verlässliche und professio-nell organisierte Plattform erforderlich. Dies ist eine wichti-ge Aufgabe für die kommenden Jahre.

Hieran sehen wir, dass die Förderung des DeutschenPräventionspreises nicht nur ein Preisprojekt unterstützt,sondern zudem viele ausgezeichnete und hervorragendeProjekte fördert sowie den von diesen Projekten betreutenMenschen hilft und – dass auch hier eine Bewegung ent-steht, die kaum besser auszudrücken ist als mit den Worteneiner Frau, die schon viel bewegt hat, der Mo.Ki-Koordinatorin Inge Nowak: „Herzlichen Dank, für uns warund ist die Auszeichnung ein großes Erlebnis. Wir schauenüber den Tellerrand und sehen die Welt!“

Gunnar Stierle

Seite 22 | Deutscher Präventionspreis 2005

Der Deutsche Präventionspreis 2005

Rund 7.000 Dateien – eine Datenmenge von gutzwei Gigabyte – bescherte das Preisjahr 2005 derGeschäftsstelle des Deutschen Präventionspreises.

Dabei fing alles so unscheinbar an mit den ersten Recher-chen, Sammlungen und Aufbereitungen für den Themen-komplex „Alter“ seit Mitte 2003. Ein Jahr später warendiese Informationen bereits deutlich verdichtet und in denExpertenrunden Mitte 2004 zeichnete sich das Preisthemafür den Wettbewerb 2005 ab.

Offiziell wurde es mit dem Beschluss der Steuerungsgruppeim Oktober 2004:• „Der Deutsche Präventionspreis 2005 wird für reali-

sierte / laufende Maßnahmen der Gesundheitsförderungund Prävention ausgeschrieben, die in der zweitenLebenshälfte (50plus) vernetzt und integriert

• Eigenverantwortung / -kompetenz stärken sowie körper-liche, soziale und geistigseelische Aktivitäten fördern,

• Partizipation ermöglichen und• Umfeld- wie Umweltaspekte einbeziehen.

Die Maßnahme muss mehrere Aspekte berücksichtigen,diese müssen jedoch nicht alle in gleicher Weise umgesetztsein.“

Das Thema wurde auf der Website „www.deutscher-praeventionspreis.de“ bereits im Juli 2004 angekündigt unddann im Oktober dort und im Flyer 2005 ausgeschrieben.

Ebenfalls wurden im Sommer die Beurteilungskriterien füreine Bewerbung bekannt gegeben:• definierte, überprüfbare Zielsetzung • definierte Zielgruppe(n) der Maßnahme (innerhalb der

Zielgruppe 50plus) • aktiver Einbezug der Zielgruppe(n) in Maßnahmenge-

staltung und -durchführung • bestehende Dokumentation der Maßnahme • Nachweis der Zielerreichung in Bezug auf die Zielset-

zung • Fortführbarkeit der Maßnahme auch nach der Anschub-

finanzierung • Übertragbarkeit der Maßnahme • Innovation, z. B. der Maßnahme als solche, bei der Ko-

operationsform oder Finanzierung • Erreichbarkeit für Bevölkerungsgruppen in besonderen

Problemlagen (sozial Benachteiligte, hochbetagte Frauenund Männer, Migranten und Migrantinnen).

Für eine Bewerbung um den Deutschen Präventionspreismussten – wie im Jahr davor – grundsätzliche Kriterien er-füllt werden:• Die Maßnahme wird in Deutschland durchgeführt.• Die Maßnahmeträger haben ihren (Firmen-)Sitz in

Deutschland bzw. auf deutschem Hoheitsgebiet.• Die Bewerber und Bewerberinnen müssen mit einer Ver-

öffentlichung ihrer Maßnahme (ggf. inkl. Materialien)und einer nachfolgenden Modellevaluation einverstan-den sein.

• Das Preisgeld wird für die Fortführung der prämiertenMaßnahme verwendet.

Mit der Ausschreibung teilte die Geschäftsstelle auch denAblauf des Preisjahres mit: „Der Wettbewerb zum Deut-schen Präventionspreis 2005 besteht aus den Phasen:• Preisankündigung seit dem 22. Juni 2004 • Ausschreibung seit September 2004 • Online-Bewerbung vom 15. November 2004 bis zum 31.

Januar 2005 • Nominierung einer Vorauswahl von Projekten, die in die

Endauswahl kommen

Die Website während der Bewerbungsphase

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 23

• Besuch nominierter Teilnehmer, voraussichtlich im Märzund April 2005

• Auswahl der Preisträger durch eine unabhängige Fachjury• Preisverleihung durch die Schirmherrin Ulla Schmidt,

Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung,am 22. Juni 2005 in Berlin.“

Am 15. November 2004 ging es dann los. Die Websiteforderte alle Besucher zur Teilnahme am Online-Wettbe-werb auf: „Holen Sie sich den Preis 2005: Gesund in der zweiten Lebenshälfte“. Mit zwei Clicks kamen die Inte-ressenten direkt zum Online-Bewerbungsformular und fan-den wichtige Hinweise, wie sie sich den Preis holen können.

Zusätzlich konnten sie ihre Bewerbung mit Hilfe einer20-seitigen Information offline ausprobieren und offeneFragen zudem über einen E-Mail-Dialog direkt mit derGeschäftsstelle oder vorher in der FAQ-Datei klären, zumBeispiel:

? Was heißt in der Ausschreibung „integriert“? Wir füh-ren für die Zielgruppe mehrere Teilmaßnahmen zumThema Eigenverantwortung, Förderung von körper-licher Aktivität und Ermöglichung von Partizipationdurch. Allerdings geschieht die Umsetzung in jeweilsunterschiedlichen Gruppen und unabhängig voneinan-der.

! Integriert bedeutet, dass verschiedene Präventionsas-pekte gemeinsam in einer Maßnahme berücksichtigtwerden. Nicht alle Aspekte müssen dabei jedoch ingleicher Weise bereits umgesetzt sein. So wie Sie IhreMaßnahme schildern, sind die Themen bei Ihnen nichtverknüpft.

? Was bedeutet in der Ausschreibung „vernetzt“?! Vernetzt meint, dass mehrere Akteure zusammen-

arbeiten bzw. an der Maßnahme direkt oder indirektbeteiligt sind. Vernetzt meint auch, dass sie mit ande-ren Maßnahmen oder Anbietern von Gesundheitsför-derung und Prävention zusammenarbeiten, um den Er-folg ihrer Maßnahme zu stärken.

? Unsere Maßnahme ist bereits abgeschlossen – könnenwir teilnehmen?

! Ja, auch mit bereits abgeschlossenen Maßnahmenkönnen Sie sich bewerben.

? Unsere Maßnahme ist noch nicht bewilligt, noch nichtangelaufen – können wir teilnehmen?

! Nein, Sie können sich nur mit bereits realisierten oderzurzeit laufenden Maßnahmen bewerben.

258 Bewerber nehmen die Herausforderung zum Online-Wettbewerb um den Deutschen Präventionspreis 2005 an – ein bunt gemischter Strauß an Projekten wie Mund-pflege in Pflegeeinrichtungen, multifunktionelle dynami-sche Wirbelsäulentherapien, tiergestützte Ergotherapiegegen psychische Erkrankungen wie Demenz oder Depres-sion, Sturzprophylaxe, Prävention der Kriminalisierung älte-rer schwuler Männer, Organisation von Selbsthilfe, Aufar-beitung von Biografien, Zeitung von Senioren für Senioren,„Märchenoma“, Wanderausstellung, Wunschgroßeltern-dienst, qualifizierte Bildungsangebote für ältere Men-schen, Erfahrungswissen Älterer zur Personal- und Organi-sationsentwicklung, Pflege zu Hause, begleitetes Wohnen,Pflegehotel, ganzheitliche Stressbewältigung für pflegendeAngehörige.

Jeweils 11 bis 13 Prozent der Bewerbungen entfielen aufdie Zielthemen Eigenverantwortung und Eigenkompetenz,körperliche, soziale und geistig-seelische Aktivitäten sowieErmöglichung von Partizipation. Ein Viertel der Projektewird in Nordrhein-Westfalen durchgeführt, 15 Prozent inBaden-Württemberg, 12 Prozent in Bayern, Schlusslichtersind mit unter einem Prozent das Saarland und Mecklen-burg-Vorpommern.

Nach eigenen Angaben dokumentieren knapp 90Prozent der Bewerber ihre Projekte und rund 75 Prozenthaben sie evaluiert. 80 Prozent geben an, ihre Zielgruppebei der Planung der Maßnahme beteiligt zu haben, über 90Prozent beteiligen sie bei der Durchführung.

Über 90 Prozent der Maßnahmen laufen noch und sol-len auch nach der Anschubfinanzierung fortgeführt wer-den. Ebenfalls halten weit über 90 Prozent der Bewerberihre Maßnahmen für übertragbar. Damit wurden wesent-liche Kriterien des Wettbewerbes erfüllt.

Von den insgesamt 258 Bewerbungen schafften 198 diehohen Teilnahmebedingungen.

Am 14. März nominierte die Jury die Gruppe der 15 Teil-nehmer, die als Preisträger in Frage kommen können. Siewurden vor Ort besucht (Visitation), um weitere Eindrückezu erhalten. Ende Mai wählte die Jury aus den nominiertenund visitierten Maßnahmen die Preisträger 2005.

Seite 24 | Deutscher Präventionspreis 2005

1. Preis PreisträgerAktive Gesundheitsförderung im Alter

Bewerber: Albertinen-Diakoniewerk e.V.Anschrift: Süntelnstraße 11a, 22457 Hamburg Tel. / Fax: 0 40-55 81 13 01 / Fax 0 40-55 81 13 04E-Mail: [email protected]: www.albertinen.deProjektleitung: Prof. Dr. med. Hans-Peter Meier-Baumgartner, Direktor des Albertinen-Hauses und

stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Albertinen-Diakoniewerks (ADW) e.V.Rechtsräger: Albertinen-Diakoniewerk e.V.Initiatoren: Ulrike Dapp, Diplom-Geographin mit dem Schwerpunkt medizinische Geographie,

zusammen mit der Ärztin Dr. Jennifer AndersPräventive Niedrigschwelliges Angebot für selbstständige Ältere, deren Lebensqualität undZielthemen: Eigenständigkeit möglichst lange zu erhalten, erfolgreiches AlternIntegration: Interdisziplinäres Programm mit Ärzten, Ökotrophologen, Bewegungsspezialisten

und Sozialpädagogen, eingebunden in das Netzwerk mit allen Institutionen, die mit älteren Menschen zu tun haben, darunter Sportverbände, Bildungsorgani-sationen und Seniorenvereine

Zielgruppen: Selbstständig lebende ältere Menschen, die nicht pflegebedürftig sind; im wissenschaftlich begleiteten Programm Bürger über 60 Jahre

Laufzeit: Seit Anfang 2001, fortlaufend Schulung, Einzelgespräche und ein persönlicher Empfehlungsbrief

BeweggrundProfessor Meier-Baumgartner wurde im Rahmen eines

Auftrags um die Prüfung einiger Fragebögen aus geriatri-scher Sicht gebeten. Daraus ergaben sich eigene Überle-gungen und Nachforschungen, die letztlich das vorliegendeProjekt auslösten.

Das Konzept (intern als Hausarzt-Studie bezeichnet)wurde mit Unterstützung des Bundesministeriums fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend im Jahr 2000 in derForschungsabteilung des Albertinen-Hauses entwickelt, seit2001 wird es in der Praxis erprobt.

Das Albertinen-Haus in Hamburg ist ein Zentrum fürGeriatrie und Gerontologie mit angegliedertem Pflege-heim. Seit Mitte der neunziger Jahre arbeitet die Ein-richtung verstärkt mit niedergelassenen Hausärzten zusam-men, denn fast jeder ältere Mensch hat einen Hausarzt.Das Motto des Programms lautet daher auch „niemalsohne den Hausarzt“, der eine Person des Vertrauens für dieälteren Patienten ist – in medizinischen, aber auch in sozi-alen Fragen.

Weil die meisten älteren Menschen selbstständig leben,will das Albertinen-Haus sein Engagement in der Präven-

tion verstärken und das geriatrische Netzwerk, in dem auchder Qualitätszirkel für Hausärzte angesiedelt ist, um diesenAspekt bereichern. Zwar ist die medizinische Versorgungälterer Menschen in Deutschland sehr gut. Dennoch wärees besser, wenn jemand gar nicht erst ins Krankenhaus odernach einem Schlaganfall mit schweren neurologischenStörungen in ein Pflegeheim muss. Das soll durch früh-zeitige gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmenmöglichst verhindert werden.

Beschreibung der MaßnahmeIm Vordergrund stehen die Entwicklung und das niedrig-

schwellige Angebot eines ganzheitlichen Programms alsKombination von Ernährung, Bewegung und sozialemUmfeld (beispielsweise zwischenmenschliche Beziehungen,Teilhabe an gesellschaftlichem Leben), das in didaktischaufbereiteter Form durch ein interdisziplinär besetztesTeam in Verbindung mit Hausärzten an über Sechzigjährigevermittelt wird, die nicht pflegebedürftig sind und nochunabhängig und ohne kognitive Beeinträchtigungen zuHause leben.

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 25

Die Durchführung der Maßnahme umfasst:• eine halbtägige Informationsveranstaltung und Beratung

in Kleingruppen,• einen individuellen Ernährungs- und Aktivitätenbrief mit

den Ergebnissen der Beratung und entsprechenden An-geboten – die Möglichkeit zu einem freiwilligen Erfah-rungsaustausch und der Teilnahme an Workshops einhalbes Jahr später.

Der Zugang zu dem Projekt erfolgt über derzeit 30 bis 40beteiligte Hausärzte aus dem gesamten Hamburger Stadt-gebiet, die sich regelmäßig zu geriatrischen Qualitätszirkelntreffen, fortbilden und austauschen. Diese regelmäßigstattfindenden Runden sind Bestandteil des Präventions-programms und sind von der Landesärztekammer und derKassenärztlichen Vereinigung als Fortbildungsmaßnahmenanerkannt. Damit erfüllt das Albertinen-Haus als geriatri-sches Zentrum über die Patientenversorgung hinausgehen-de Aufgaben, insbesondere wird Fachwissen an niederge-lassene Ärzte und das Netzwerk lokaler Altenhilfestruk-turen weitergegeben. Weiterhin werden Fortbildungen fürArzthelferinnen angeboten.

Zunächst wurde mit den Hausärzten gesprochen undvereinbart, dass Akutmedizin, Vorsorge, Impfungen, Anam-nese und medikamentöse Therapie in ihren Händen blei-ben. Das interdisziplinäre, vierköpfige Team, bestehend auseinem Arzt, einem Ökotrophologen, einem Bewegungsspe-zialisten und einem Sozialpädagogen des Albertinen-Hauses, hat in Abstimmung mit den Medizinern die Beratungzu Fragen des Lebensstils mit den Schwerpunkten Ernäh-rung, Bewegung, soziale Teilhabe übernommen. Zwar ver-fügen grundsätzlich auch Hausärzte über die erforderlichenKenntnisse, um solche Gespräche zu führen. Doch daskostet Zeit, die die Ärzte in der Praxis meist nicht haben.

Für das wissenschaftlich evaluierte Programm 2001/2002 (die Arbeit wird aber fortgesetzt) wurden seinerzeit800 Patienten angesprochen, über 62 Prozent (503 Perso-nen) haben auch tatsächlich mitgewirkt. 77 über Sechzig-jährige gaben an, sie wollten zwar gerne zu den Veran-staltungen im Albertinen-Haus kommen, aber sie seien inihrer Mobilität eingeschränkt. Ihnen wurden außerhalb desProgramms präventive Hausbesuche angeboten. Die 503Teilnehmer haben im Laufe der zwei Jahre einmal eine vier-stündige, interdisziplinäre Veranstaltung mit den vier Exper-ten besucht.

Zunächst werden die Gruppen mit je zwölf Personen inForm von Referaten auf einen einheitlichen Wissensstandgebracht. Denn die Gruppen sind sehr heterogen, die Achtzigjährige, die seit Jahren dasselbe kocht, gehörtgenauso dazu wie die esoterisch interessierte Frau, die sichnach der Blutgruppen-Diät ernährt. Im Anschluss an dieseetwa 90-minütige Veranstaltung werden die einzelnenThemen in Kleingruppen vertieft, und es werden auf Basisder Protokolle gemeinsam mit den Experten individuelleEmpfehlungen entwickelt. So ist es wenig sinnvoll, jeman-dem zum Beispiel Milchprodukte aufzwingen zu wollen,wenn er Joghurt, Quark und Käse nicht mag. Um die not-wendige Kalziumzufuhr zu steigern, müssen dann andereWege gefunden werden.

Seite 26 | Deutscher Präventionspreis 2005

Aktive Gesundheitsförderung im Alter

Dasselbe gilt für die Bewegung. Es macht keinen Sinn,jemandem Wassergymnastik ans Herz zu legen, derSchwimmbäder generell meidet, oder eine Frau von Kraft-Training an Geräten überzeugen zu wollen, für die jedesStudio eine „Muckibude“ ist. Zunächst werden Protokolleangefertigt, um einen Einblick in die Aktivitäten jedesEinzelnen zu bekommen. Dabei geht es um Fragen wie:Haben Sie einen Hund, mit dem Sie regelmäßig an die fri-sche Luft gehen? Arbeiten Sie im Garten? Was machen Sieim Haushalt? Oder auch: Welche Sportart haben Sie frühergerne betrieben? Welcher gehen Sie heute nach? Ziel wares, dass die Schulung von Kraft, Ausdauer undGleichgewicht in den Alltag integriert wird. Um konkreteAngebote in Wohnortnähe zu vermitteln, wird dasHamburger Netzwerk genutzt.

Der Motivation zur Veränderung des Lebensstils dienenaber nicht nur Einzelgespräche. Darüber hinaus werdengezielt gruppendynamische Effekte und ähnliche Interessenvon Teilnehmern genutzt. So kann selbstverständlich je-mand aus der Gruppe einem anderen aus eigener Er-

fahrung einen Tipp geben, der oft leichter angenommenwird als von einem professionellen Mitarbeiter.

Zwei Wochen nach der Veranstaltung im Albertinen-Haus erhält jeder Teilnehmer von den Experten einen Briefmit Empfehlungen zu den Themen Ernährung undBewegung. Die individuellen Schreiben, die die Infor-mationen noch einmal zusammenfassen und um weiterebereichern, werden als eine Art „Auffrischungs-Impfung“verstanden.

Außerdem bekommen die Teilnehmer Vorschläge, wobeziehungsweise mit welcher Unterstützung sie dieEmpfehlungen umsetzen können. Dafür wird eine Daten-bank von derzeit 24.000 Angeboten im Stadtgebiet Ham-burgs fortlaufend aktualisiert. In dieser Datenbank sind Ernährungs-, Bewegungs-, Gesundheitsförderungs- undBildungsangebote für Ältere zusammengefasst. Eine Ein-Euro-Kraft ist laufend damit beschäftigt, die Angebote zuspezifizieren (was genau, nach welchem Programm, Dauer,Kosten, Teilnehmerstruktur usw.).

Ein zweiter Termin wird mit den Teilnehmern etwa ein

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 27

halbes Jahr nach der Erstberatung angeboten. Er dient demErfahrungsaustausch. Zudem besteht die Möglichkeit,Schnupperangebote zu den BeratungsschwerpunktenErnährung und Bewegung zu nutzen.

Ziele und WirksamkeitSechs Monate nach der Auftaktveranstaltung werden die

Programm-Teilnehmer eingeladen und nach ihremLebensstil befragt, um Einblicke in die Veränderungen zugewinnen. Wichtige Schwerpunkte für eine „aktiveGesundheitsförderung im Alter“ sind körperliche Aktivität,Ernährung und soziale Vorsorge. Dazu werden umfang-reiche Einzelparameter mittels standardisierter, validierterInstrumente erhoben. Diese orientieren sich an Vorgabenwie: fünf Portionen Obst / Gemüse am Tag, Zufuhr von 1,6Litern Flüssigkeit täglich, Vermeidung versteckter Fette,Erhöhung von ausdauerfördernden Sportarten, Sturzprä-vention, Teilhabe an sozialen Ehrenämtern, altengerechtesWohnen.

Ziel war es, dass zehn Prozent der Teilnehmer sechsMonate nach der Veranstaltung mindestens eine, imAktivitätsprotokoll gemessene Trainingsform mindestenseinmal wöchentlich in den Alltag integriert haben. Diesesollte unter fachlicher Anleitung erfolgen und sowohl miteiner quantitativen als auch einer qualitativen Steigerungder körperlichen Aktivität einhergehen. So zum Beispiel:Teilnahme an einer für Senioren geeigneten Ausdauer-sportart wie Nordic Walking, Balancetraining wie Tai-Chioder Krafttraining an Geräten. Tatsächlich erreichten 67Prozent der Teilnehmer dieses Ziel.

In Bezug auf die Ernährung haben ein halbes Jahr später77 Prozent ausreichend getrunken und damit ihr Trink-verhalten positiv verändert. Etwas mehr als die Hälfte hates bisher geschafft, regelmäßig mehr Obst und Gemüse zuessen.

Zum Erfolg haben besonders das Zusammenspiel vonVorträgen, Kleingruppenarbeit, allgemeinen Informations-materialien und einem individuellen Ernährungs- undBewegungsbrief beigetragen, aber auch die Hotline, diegerne und von vielen genutzt wurde.

Kooperation und VernetzungEine enge Zusammenarbeit besteht mit den Haus-

ärzten des Qualitätszirkels. Darüber hinaus kooperiert das

Albertinen-Haus mit weiteren Hausärzten in der ganzenStadt. Eingebunden sind in das Präventionsprogramm auchder Berufsverband der Allgemeinmediziner und dasHamburger Netzwerk mit allen Institutionen, die mit älte-ren Menschen zu tun haben, darunter Sportverbände,Bildungsorganisationen und Seniorenvereine.

FinanzierungDie Finanzierung des wissenschaftlich evaluierten

Programms (2001 bis 2002) erfolgte durch das Bundes-ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowiedie Max und Ingeburg-Herz-Stiftung in Hamburg. In denJahren 2003 bis 2004 wurde eine moderate finanzielleBeteiligung der Teilnehmer von 29 Euro erhoben.

Von 2005 an entfällt die finanzielle Unterstützung durchexterne Partner. Die Infrastruktur (Räume, Verwaltung) wirddurch das Albertinen-Haus zur Verfügung gestellt. DieKosten für die Teilnehmer (Personalkosten für Gesundheits-berater-Team) belaufen sich auf 89 Euro. Die meistenKrankenkassen bezuschussen die Maßnahme für ihre Mit-glieder mit bis zu 80 Prozent.

Seite 28 | Deutscher Präventionspreis 2005

ÜbertragbarkeitDas Konzept lässt sich eins zu eins auf alle geriatrischen

Zentren mit einem interdisziplinären Team übertragen. Mitdiesem Ziel können ähnliche Teams entsprechenderEinrichtungen in Deutschland geschult werden. DasAlbertinen-Haus bietet hierzu spezielle Weiterbildungen inseiner Akademie an.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitDas Programm wurde von Anfang an, dann allerdings

nur punktuell durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet. ZumBeispiel: Meier-Baumgartner HP., Dapp U.,Anders J. (2004):Aktive Gesundheitsförderung im Alter. Ein neuartigesPräventionsprogramm für Senioren, Kohlhammer Stuttgart2004.

Es gab diverse Beiträge auf deutschen und europäischenTagungen und Kongressen. Die meisten Abstracts dazu sindin verschiedenen Fachzeitschriften publiziert.

Auf der Hompage des Albertinen-Diakoniewerks(www.albertinen.de) findet sich eine Gesamtübersicht allerVeröffentlichungen.

NachhaltigkeitDurch die finanzielle Beteiligung der Krankenkassen wird

eine Nachhaltigkeit hergestellt.Inzwischen haben 1.100 Menschen über 60 Jahre an

dem Programm teilgenommen. Denn dieses ist über daswissenschaftliche Projekt hinaus zum festen Bestandteil imAlbertinen-Haus geworden.

Auf Initiative des geriatrischen Zentrums ist das wissen-schaftliche Programm inzwischen auf breiter kommunalerEbene implementiert. In Hamburg-Eimsbüttel, dem Bezirk,in dem auch das Albertinen-Haus liegt, gibt es seit 2004eine regelmäßige Gesundheits- und Pflegekonferenz mitdem Fokus auf „gesunde alte Menschen“; dieGeschäftsführung obliegt dem Gesundheitsamt. UlrikeDapp ist Mitglied der Lenkungsgruppe der Konferenz, unddamit ist das wissenschaftliche Programm direkt in derPraxis angekommen.

Dokumentation und EvaluationEs handelt sich bei dem Programm „Aktive Gesund-

heitsförderung im Alter“ um einen innovativen Ansatz derGesundheitsförderung bei selbstständig lebenden älterenBürgern, der im Albertinen-Haus entwickelt, durchgeführtund evaluiert wurde. Das Material der Dokumentation undEvaluation ist sehr umfangreich und detailliert. So fließenunter anderem ein: Dokumentation der Schulung des vier-köpfigen Experten-Teams, Dokumentation der Durch-führung des neuartigen Programms am geriatrischenZentrum inklusive verschiedener Pre-Tests, Dokumentationder Kosten, der Akzeptanz aller Beteiligten und eine Er-gebnisdokumentation. Darüber hinaus werden die Teil-dokumentationen regelmäßig zusammengefasst.

ZukunftsperspektivenSeit dem Jahr 2005 entfällt die finanzielle Unterstützung

durch die Geldgeber ganz. Das Albertinen-Haus stelltweiterhin die Infrastruktur (Räume, Verwaltung) kostenfreizur Verfügung, sodass das Programm nach wie vor ange-boten wird. Allerdings sind die Teilnehmerbeiträge, die seit2003 erhoben werden, gestiegen, um eine Kostendeckungzu gewährleisten (Personalkosten für die Experten). Schon2003/2004 haben sich die meisten Krankenkassen an denKosten beteiligt und ihren Versicherten bis zu 80 Prozentder Entgelte erstattet. Es ist zu hoffen, dass die Kassenauch weiterhin einen Teil der Gebühren von 89 Euro für daskomplette Programm übernehmen (inklusive interdiszplinä-re Beratung durch das vierköpfige Expertenteam sowie dieindividuellen Ernährungs- und Bewegungsempfehlungenper Post). Auch die telefonische Unterstützung über dieHotline kann weiter in Anspruch genommen werden und istin der Teilnahmegebühr enthalten.

Aktive Gesundheitsförderung im Alter

Laudatio

Hier lag es vor uns, das nach unserer Einschätzung im Vergleich zu den anderen Bewerbern

umfassendste Konzept im Sinne der diesjährigen Preisausschreibung: vernetzt, integriert, kör-

perlich wie geistig-seelisch aktivierend, Eigenverantwortung und Eigenkompetenz stärkend, die

aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben fördernd, das Umfeld einbeziehend, sogar durch

einen präventiven Hausbesuch ergänzt, strukturbildend, individualisiert, wissenschaftlich ent-

wickelt und begleitet, in der Praxis erprobt, dokumentiert, evaluiert, übertragbar – kurz: ein

Vorbild, wie wir es uns gewünscht haben, oder auf den Punkt gebracht: der erste Preisträger

des Jahres; darin waren wir uns sofort einig.

Bestechend ist das mit Unterstützung des BMFSFJ sowie der Max und Ingeburg-Herz-

Stiftung in der eigenen Forschungsabteilung des Albertinen-Hauses didaktisch hervorragend

aufbereitete ganzheitliche Konzept der Ernährung, Bewegung und gesellschaftlichen Teilhabe

und dessen Umsetzung als niederschwelliges Angebot für unabhängige, zu Hause lebende

60-jährige und ältere Personen ohne kognitive Beeinträchtigung und Pflegestufe durch ein

interdisziplinär besetztes Team unter Einbezug und Qualifizierung von Hausärzten und ihren

Mitarbeitern und zudem der Nutzung lokaler Strukturen.

Wer an der halbtägigen Informationsveranstaltung und Beratung in Kleingruppen teilnimmt,

erhält einen individuellen Ernährungsvorschlag und eine nach den gemeinsam ermittelten

Präferenzen persönlich zugeschnittene Bewegungsempfehlung. Für die Umsetzung dieser

Bewegungsempfehlung suchen die Berater aus einer selbst erstellten Datenbank mit 500

Hamburger Organisationen und ihren rund 24.000 – von den Beratern sukzessive geprüften –

Angeboten die passende Maßnahme heraus. In einem vertiefenden Workshop werden ein hal-

bes Jahr später Erfahrungen ausgetauscht und Erfolge ausgewertet.

Enorm ist die begleitende Bildungsleistung. Die Teilnehmer werden über Pharmakotherapie,

Selbstmedikation und mögliche Arzneimittel-Interaktionen aufgeklärt sowie für die

Schmerzwahrnehmung sensibilisiert, deren Hausärzte in einem geriatrischen Qualitätszirkel

unterstützt und ihre Arzthelferinnen – sowie bisher rund 1.000 Mitarbeiter des Medizinischen

Dienstes der Krankenkassen – zum Konzept „Aktive Prävention im Alter“ geschult. Auch hierin

ist die konsequente Praxisorientierung erkennbar.

Kann man hier noch mehr fordern? Ja: Der präventive Hausbesuch ist eine ergänzende

Maßnahme des Albertinen-Hauses: Wer das Angebot nicht annimmt, weil er sich den Weg dort-

hin nicht zutraut, wird auf Wunsch zu Hause aufgesucht. An der zielgruppenspezifischen

Fortentwicklung des Programms für Frauen mit Migrationshintergrund wird derzeit in

Kooperation mit dem Landesseniorenrat sowie einem Seniorentreff für Migranten gearbeitet.

Wir sehen: Was gut ist, hat die Tendenz, besser zu werden.

Wir wünschen dieser Maßnahme die angemessene Aufmerksamkeit und Verbreitung – sie

bietet alle Voraussetzungen dafür. Wir freuen uns darauf, sie andernorts wiederzusehen! Das

Albertinen-Haus bietet natürlich in seiner Akademie spezielle Weiterbildungen hierzu an. Sie

sehen, man hat auch schon an Sie gedacht. Gehen Sie hin!

Prof. Dr. Thorsten Nikolaus,Juror

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 29

Seite 30 | Deutscher Präventionspreis 2005

PreisträgerPATRAS – Paderborner Trainingsstudie

Beweglichkeit fördern – Mangel-ernährung vorbeugen

BeweggrundProfessor Heseker befasste sich im Rahmen seiner uni-

versitären Tätigkeit in mehreren Studien zunächst mit demErnährungszustand gesunder, selbstständig lebenderMenschen – sowohl berufstätiger als auch älterer. Später(seit 1993) erweiterte er die Untersuchungen auf Alten-heime und stellte fest, dass Heimbewohner häufig unterer-nährt sind – obwohl es sich um gut geführte Häuser han-delte und die Heimbewohner ein Mitspracherecht bei derAuswahl ihrer Speisen hatten. Als er der Frage der Mangel-ernährung weiter nachging, bemerkte er, dass sich einGroßteil der Heimbewohner zu wenig bewegte. So verlie-ßen 30 Prozent von ihnen die Einrichtung höchstens einmalim Monat, obgleich sie ausreichend mobil waren. Somitwurde klar, dass der Kalorienverbrauch zwischen denMahlzeiten fehlte, sodass die alten Leute keinen Hungerhatten und ihnen das Essen nicht schmeckte. Hinzu kamein fehlendes Problembewusstsein der Mitarbeiter. So wur-den Mahlzeiten im abgedeckten Tablett auf die Zimmer

gebracht und wieder abgeholt; erst in der Küche fielen diehalb vollen Teller auf. Doch dort konnte nicht mehr zuge-ordnet werden, wer wie viel Essen zurückgehen ließ.Situationsanalyse und genaues Erfassen der Ernährungs-gewohnheiten zeigten schließlich auch, dass die Bewohnerschon vor der Heimunterbringung untergewichtig waren.

Daraufhin entwickelte Heseker mit seiner Arbeitsgruppefür Menschen in Altenheimen ein Programm zur Muskel-kräftigung, das er im Jahr 2002 vier Monate lang in einerklinischen Studie mit Vorher-Nachher-Messungen testete.Ziel war es, durch mehr Bewegung den Appetit zu steigernund damit die Ernährung zu verbessern. Tatsächlich stellteer Erfolge fest (mehr Appetit, bessere Stimmung). DieErkenntnisse der Untersuchung fanden Niederschlag ineinem speziellen Bewegungskonzept. Da sich beispiels-weise Hanteln für Kräftigungsübungen als ungeeigneterwiesen hatten, weil sich alte Menschen mit diesenGeräten zu oft verletzten, wurden für die Übungen statt-dessen Metallkugeln in Säckchen eingenäht. Parallel dazuentwickelte Heseker mit seinem Team ein Ernährungskon-zept mit konkreten Vorgaben, in das die in Studien gewon-nenen Erkenntnisse einflosssen.

Bewerber: Universität PaderbornAnschrift: Warburger Straße 100, 33095 PaderbornTel. / Fax: 0 52 51-60 38 35 / Fax 0 52 51-60 34 25E-Mail: [email protected] der Maßnahme: Professor Dr. Helmut HesekerRechtsträger: Universität PaderbornInitiatoren: Professor Dr. Helmut HesekerPräventive Verbesserung des Ernährungszustands und Förderung vonZielthemen: Bewegung bei hochbetagten Menschen in Einrichtungen der

Altenpflege mit dem Ziel, Lebensqualität, Selbstständigkeit,Wohlbefinden und Mobilität zu erhalten beziehungsweise zu fördern

Integration: Ernährungswissenschaftler, Diplom-Sportlehrer, Diplom-Ökotrophologen,Mitarbeiter der Altenhilfe, Diözesan Caritasverband Paderborn,Meinwerk-Institut, Paderborn

Zielgruppen: Bewohner in Einrichtungen der AltenhilfeLaufzeit: Seit 1. Oktober 2003; Ende offen

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 31

Beschreibung der MaßnahmeIm Caritas-Verband der Erzdiözese Paderborn mit über

100 stationären Einrichtungen und 50 tagesstationärenEinrichtungen fand der Wissenschaftler einen geeignetenPartner für die praktische Erprobung seiner in je einemHandbuch festgehaltenen Anleitungen für optimaleVerpflegung und Bewegung. Bisher haben 44 Einrich-tungen der Caritas an dem im Oktober 2003 begonnenenProgramm teilgenommen. Die Paderborner Trainingsstudie(PATRAS) richtet sich besonders an hochbetagte Menschenund an Personen mit vielfältigen physischen und psychi-schen Einschränkungen bei der oralen Nahrungsaufnahmein Einrichtungen der Altenpflege. Bei der Zielgruppe han-delt es sich vor allem um hochbetagte Frauen.

Die auf wissenschaftlicher Grundlage entwickeltenHandbücher sind sehr praxisnah, genannt werden bei-spielsweise die 32 wichtigsten Ernährungsrisiken (darunterSchluckstörungen, Mundtrockenheit, Kauprobleme). Siewerden in diesem Sommer im Behr’s Verlag, Hamburg,erscheinen und in Buchhandlungen erhältlich sein.

In der Paderborner Trainingsstudie werden die Mitar-beiter aus Pflege, Hauswirtschaft und sozialem Dienst derjeweiligen Einrichtung zunächst innerhalb von zwei Tagennach dem Ernährungs- und Bewegungskonzept geschult.

Ein umfangreiches Verpflegungskonzept sieht unteranderem vor, beim Einzug beispielsweise Ernährungs-zustand, Ess-Biographie, diätetische Erfordernisse und vor-handene Risiken im Zusammenhang mit der Ernährung zuerfassen. Dazu gehören etwa Lieblingsessen an Weih-nachten oder Ostern oder Trinkgewohnheiten. Die Heimbe-wohner haben ein Mitspracherecht bei der Gestaltungeines abwechslungsreichen Speiseplans, der sich an denRichtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung orien-tiert. Festgehalten wird beim Einzug auch das Gewicht,sodass später eine Gewichtskurve erstellt werden kann.Falls die Nährstoffversorgung aus Alters- oder Krankheits-gründen mit einer ausgewogenen Ernährung nicht zu

gewährleisten ist, werden maßgeschneiderte Lösungengesucht. So haben viele alte Menschen einen kleinen Ma-gen und können deshalb pro Mahlzeit nur kleine Mengenzu sich nehmen. In diesen Fällen helfen viele kleine Mahl-zeiten, ein frühes Frühstück und eine geschickte Erhöhungder Kalorienzufuhr, zum Beispiel durch einen extra StichButter mehr in das Kartoffelpüree. Die Nahrungsmenge und-konsistenz sind an die Kau- und Schluckfähigkeiten sowiean andere besondere Bedürfnisse der Bewohner ange-passt.

Neben einer regelmäßigen Gewichtskontrolle werdenEssens- und Trinkprotokolle der Bewohner geführt und inzweiwöchentlichen Abständen miteinander verglichen. Solässt sich genau feststellen, was sich verbessert hat oderauch nicht, und den Bewohnern kann gezielt geholfen wer-den.

Das Konzept berücksichtigt auch die Schnittstellenpro-bleme der Kommunikation und Verantwortlichkeiten zwi-schen Küche, Pflege und sozialem Bereich in den stationä-ren Einrichtungen.

Neben dem Ernährungskonzept bildet das Bewegungs-konzept die zweite Säule. In einem zwei- bis dreimalwöchentlichen Muskelkräftigungsprogramm über etwaeine Stunde unter der Leitung von Gymnastik- undSportlehrern oder aber Ehrenamtlichen werden alle für einselbstständiges Leben im Alter wichtigen Muskelgruppentrainiert, zum Beispiel die Kraft der Hände, um mit demMesser ein kräftiges Stück Fleisch schneiden zu können,oder Muskelpartien, um sich zum Aufstehen vom Stuhlabdrücken zu können. Das ausgeklügelte Programm nimmtauch Rücksicht auf die individuellen Voraussetzungen derTeilnehmer, beispielsweise indem die Säckchen mit den eingenähten Metallkugeln in verschiedenen Gewichtenangeboten werden. Zudem werden Entspannungs- und iso-metrische Übungen vorgenommen.

Seite 32 | Deutscher Präventionspreis 2005

Ziele und WirksamkeitZiele von PATRAS sind die Verhütung von Mangel-

ernährung und die Verbesserung des Ernährungszustandsunter Erhalt und Stärkung der körperlichen Mobilität, umLebensqualität und Selbstständigkeit bestmöglich zu erhal-ten beziehungsweise zu fördern. In dem interdisziplinärenProjekt werden die vorliegenden wissenschaftlichenErkenntnisse über die Ursachen von Mangelernährung so-wie das neu entwickelte und evaluierte Programm zurMuskelkräftigung und zur Verbesserung der Mobilität aufbreiter Ebene in die Praxis umgesetzt. Durch PATRAS sollensowohl die pflegenden als auch die zu pflegendenPersonen in Einrichtungen der Altenpflege für die Proble-matik von Mangelernährung und körperlicher Inaktivitätsensibilisiert werden.

Das Bewegungsprogramm wurde im Rahmen einer klini-schen Studie evaluiert. Es führte unter anderem dazu, dassdie Teilnehmer mobiler wurden, besser Treppen steigen undauch sonst Strecken schneller zurücklegen konnten.Einzelnen gelang es zudem, durch das Muskel-Kräfti-gungstraining auf ihre Gehhilfen zu verzichten. Teilnehmergaben an, sich insgesamt deutlich besser zu fühlen, waswichtig für die weitere Motivation ist. Pflegende sprechenvon zufriedeneren Menschen.

Kooperation und Vernetzung An der interdisziplinären Arbeit sind Ernährungs-

wissenschaftler, Sportlehrer, Pflegekräfte und andere in derAltenarbeit tätige Menschen beteiligt. Für die praktischeDurchführung wurde eine Steuerungsgruppe gebildet, dieaus Projektbeteiligten der Universität, des Meinwerk-Insti-tuts und weiteren Fachleuten sowie Vertretern der Caritasbesteht.

FinanzierungDie Kosten für die Anschubfinanzierung (inklusive

Material und Personal) in Höhe von 120.000 Euro haben zuje 50 Prozent die Universität Paderborn und der Caritasver-band übernommen. Seit März dieses Jahres ist das Pro-gramm in die Routine übergegangen und wird von derCaritas unter Beteiligung des Meinwerk-Instituts (Bildungs-institut im Erzbistum Paderborn) weiterfinanziert. Nach undnach sollen alle Einrichtungen der Caritas im Erzbistum Pader-born einbezogen werden, doch die Teilnahme ist freiwillig.

ÜbertragbarkeitDie Einrichtungen der Altenpflege stehen alle vor dem

gleichen Problem, eine zunehmende Zahl von Personen mitEinschränkungen bei der oralen Nahrungszufuhr mit einerbedarfs- und bedürfnisgerechten Nahrung und mit Flüssig-keit versorgen zu müssen. PATRAS berücksichtigt viele ein-richtungsspezifische Besonderheiten und hat daherModellcharakter. Durch die anvisierte Publikation derHandbücher steht das Programm auch anderen interessier-ten Institutionen zur Verfügung. Das Konzept ist aufgrundseiner praxisnahen Dokumentation und Schulungs-einheiten reproduzierbar. Das zeigt auch die bereits laufen-de Umsetzung in unterschiedlichen Einrichtungen.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitIm Sommer 2005 erscheinen die Handbücher zu PATRAS

im Behr’s Verlag. Herausgeber sind H. Heseker (UniversitätPaderborn) und V. Odenbach (Caritas Paderborn).

Das Handbuch zur Ernährung stellt einen praxisnahenLeitfaden dar und enthält alle relevanten Informationeninklusive des Verpflegungskatalogs bei speziellen Ernäh-rungsproblemen sowie zahlreiche Kopiervorlagen für dasAssessement und die Dokumentation. Ein besondererSchwerpunkt ist die Ernährung dementer Menschen. DasHandbuch zur Bewegung gibt detaillierte Anweisung fürdie Durchführung der Übungen und enthält auch eineDemonstrations-DVD.

NachhaltigkeitDas Konzept ist in das Regelprogramm der Caritas im

Erzbistum Paderborn übergegangen. Die Studie ergab be-reits Hinweise zur Nachhaltigkeit im Erprobungsumfeld.Über die Nachhaltigkeit der Umsetzung in den Alltag derEinrichtungen wird die laufende Evaluation Aussagen treffen.

Dokumentation und EvaluationÜber die Sitzungen der PATRAS-Steuerungsgruppe lie-

gen Protokolle vor. Die Ergebnisse der Arbeit fließen in diebeiden genannten Handbücher ein. Parallel zur Praxiserpro-bung läuft die Evaluation durch die Universität Paderbornmittels standardisierter Befragungen, Ergebniserfassungenund Vorher-Nachher-Vergleichen.

PATRAS

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 33

ZukunftsperspektivenMit der Veröffentlichung der Handbücher ist der Weg

auch für andere Einrichtungen der Altenhilfe frei, dasKonzept von PATRAS zu übernehmen.Die Initiatoren von PATRAS gehen inzwischen weiter: VieleÄltere weisen bereits beim Einzug in eine Einrichtung derAltenhilfe (durchschnittliches Eintrittsalter 85/86 Jahre)Mangelernährung auf, und es ist sehr viel aufwändiger, ausdiesem Zustand wieder herauszukommen, als diesen prä-ventiv zu verhindern.

Eine ambulante Vorarbeit wäre in mehrfacher Hinsicht fürstationäre Einrichtungen vorteilhaft, zum Beispiel:• Ihnen wird derzeit der Vorwurf gemacht, ihre Bewohner

seien aufgrund ihrer Betreuung schlecht ernährt, obwohldie Bewohner bereits in schlechtem Zustand in dieEinrichtungen einziehen. Diesem unberechtigtenVerdacht würde vorgebeugt.

• Sie müssen erhebliche Anstrengungen vornehmen, umden Mangel zu beheben, erhalten dafür jedoch keinezusätzlichen finanziellen Mittel.

• Würden bessere Ernährungs- und Bewegungskonzeptein jüngeren Jahren verinnerlicht, könnten die Auf-wendungen (für Koordination, Schulungen, Durch-führungen) zum Neuerlernen und Wiederherstellen opti-malen Verhaltens reduziert werden. Derzeit wird eineEinrichtung aufgrund der gesetzlichen Grundlage finan-ziell eher „bestraft“, wenn sie den Bewohner aus einemschlechten Pflegestatus in einen besseren versetzt unddiesen nachhaltig erhält.

Für die Betroffenen selbst ergibt sich eine Verbesserungder Lebensqualität insgesamt. Sie sind allgemein mobiler,und natürlich ist ihr Ernährungszustand besser.

Ausgearbeitet wird daher derzeit ein für den ambulantenSektor angepasstes Verpflegungs- und Bewegungs-Pro-gramm, in das Hausärzte, ambulante Pflegedienste undpflegende Angehörige einbezogen werden sollen. Für dieseZielgruppen werden Broschüren erstellt. Professor Hesekermöchte mehr Menschen für die beschriebenen Problemesensibilisieren. Er kann sich vorstellen, Schulungen für pfle-gende Angehörige zum Beispiel in Familienbildungsstättenanzubieten.

Laudatio

Ernährung und Bewegung – zwei wichtige Säulen der Prävention. Da ist es wenig überra-

schend, wenn zahlreiche Bewerber diese in den Mittelpunkt ihrer Projekte stellen. Das war beim

letzten Wettbewerb so, das ist auch diesmal so.

Allerdings konzentrieren sich die meisten dieser Projekte auf das „Zuviel“ an Ernährung. Unser

diesjähriger Preisträger hat sich dagegen auf das „Zuwenig“ konzentriert: Der Mangelernährung

der Menschen in Altenheimen.

Um jetzt gleich gängigen Vorurteilen vorzubauen: Diese Menschen werden nicht im Altenheim

schlecht ernährt. Im Gegenteil. Sie kommen unterernährt in diese Einrichtungen. Die Heime haben

nun die undankbare Aufgabe, 85-jährigen Menschen neue Ess- und Bewegungsgewohnheiten bei-

zubringen. 85 Jahre ist übrigens das durchschnittliche Alter für den Eintritt in ein Altenheim.

Wann haben Sie, verehrte Gäste, das letzte Mal versucht, Ihre Ernährungsgewohnheiten umzu-

stellen? Wie oft haben Sie schon versucht, diesmal – aber wirklich – mehr Bewegung zu machen?

Wenn Sie sich das vor Augen führen, dann erhalten Sie einen Eindruck davon, wie aufwändig

und teuer es ist, diese Menschen wieder gesund zu ernähren und körperlich aufzubauen.

Ich will Ihnen ein kleinen Eindruck verschaffen, mit welchen Gegnern Sie es zu tun bekommen. Da sind:

• Zeitpunkt und die Art des Essens: „das ist zu früh“, „das mag ich nicht“,

• Aversionen wie zum Beispiel gegen den Geruch des Glases – „riecht nach Spüli“ – und die Form

des Tellers,

• die Appetitlosigkeit, weil die appetitanregende Bewegung fehlt: Heimbewohner verlassen das

Haus nur einmal durchschnittlich im Monat,

• schlichte Organisationsprobleme im Heim: Wer serviert, räumt ab, registriert, ob, was und wie

viel gegessen wurde?

• fehlende Qualifikationen und mangelnde Aufmerksamkeit der Heimmitarbeiter: Viele Probleme

hängen eben nicht mit dem Alter der Bewohner zusammen, sondern mit der Motivation der

Mitarbeiter.

Mit Akribie erfassten Professor Heseker und sein Team von der Universität Paderborn in ihrem

Projekt PATRAS die Widrigkeiten, die zu einer Mangelernährung beitragen. Dann begannen sie,

diese Schritt für Schritt abzubauen. Sie entwickelten Lösungen für eine bessere Organisation der

Heime, eine fachliche Qualifizierung der Mitarbeiter sowie Programme für eine altersgerechte

Bewegung und Ernährung der Bewohner. Diese Konzepte erprobten sie in 44 Einrichtungen der

Caritas der Erzdiözese Paderborn.

Die Erfolge können sich sehen lassen: Beweglichkeit und Appetit der Heimbewohner haben

zugenommen, die Muskeln sind kräftiger, der Ernährungszustand insgesamt hat sich verbessert.

Damit einher kommt mehr Leben in die Heime: Die Stimmung der Bewohner ist besser, sie nehmen

aktiver an der Umwelt teil, selbst die Zahl der Depressionen hat sich verringert. Auch die Defizite

bei den Mitarbeitern hat PATRAS angepackt: In Zusammenarbeit mit dem Träger wurden durch

Schulungen mehr Verständnis und Motivation für eine altersgerechte Betreuung erreicht – nur so

kann das Programm für bessere Ernährung und mehr Bewegung erfolgreich umgesetzt werden.

PATRAS hat also nicht nur geforscht, sondern aus den Erkenntnissen der Forschung ein lebens-

nahes Konzept entwickelt, dieses selbst erprobt und evaluiert und schließlich umgesetzt. PATRAS

hat damit aus der Praxis heraus die Qualität des Lebens in Altenheimen verbessert.

Aus allen Erkenntnissen und Erfahrungen erstellte PATRAS Schulungsunterlagen sowie ein

Ernährungs- und Bewegungskonzept und bietet dies nun in einem umfangreichen Loseblattwerk

mit weiterem Hintergrundwissen, Studienergebnissen sowie umfangreichen Check- und To-do-

Listen für die Praxis an. Bitte zugreifen und umsetzen!

Harald Mandl, Juror

Seite 34 | Deutscher Präventionspreis 2005

PreisträgerKölner Seniorennetzwerke

Neue Lebensperspektiven durch Netz-werke im Stadtteil

BeweggrundAngesichts eines wachsenden Anteils älterer Menschen

an der Gesamtbevölkerung und den damit verbundenenHerausforderungen an die Seniorenpolitik hat die StadtKöln 2001 eine umfassende Bestandsaufnahme und Analy-se der „offenen Altenarbeit“ vorgenommen. Die Ergebnissehaben gezeigt, dass bei älteren Menschen nicht mehrmaterielle Bedürfnisse im Vordergrund stehen, sondern diesoziale Integration oft problematisch ist. So entsprechendie bestehenden Angebote häufig nicht den Bedürfnissenalter Menschen. Jüngere unter ihnen, das heißt die unterSiebzigjährigen, finden wenig, was sie anspricht. Gänzlichdurch das Raster fallen Menschen im Vorruhestand. Dabeiwird diese Gruppe immer stärker, die Bevölkerungs-strukturen ändern sich. Wer jedoch beruflich nicht mehreingebunden ist, vereinsamt leicht. Das gilt es zu vermei-den. Vor diesem Hintergrund werden stadtweit sozialeNetzwerke aufgebaut, wo sich Menschen ihren Bedürf-nissen entsprechend einbringen können. Es geht darum,dass sie aktiv mitgestalten können und nicht einfach zu Teil-nehmern von Angeboten werden, die eine Institution XYorganisiert hat. Bürgerschaftliches Engagement ist gefragt.

In Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und

den politischen Vertretern wurden mit dem „Plan für einseniorenfreundliches Köln 2001/2002“ neue Leitlinien fürein zukunftsorientiertes Konzept der offenen Altenhilfe for-muliert.

Auf dieser Basis wiederum entstand ein Stufenplan für dieWeiterentwicklung der Seniorenarbeit in Köln mit denZielen:• Förderung von Integration und Vermeidung von Isolation• Stärkung der Eigenbeteiligung, Eigenverantwortung

und Solidarität• Unterstützung von Selbsthilfe, ehrenamtlicher Arbeit,

bürgerschaftlichem Engagement und Nachbarschafts-hilfe

• Vermittlung altersspezifischer Beschäftigungsangeboteunter Berücksichtigung unterschiedlicher Lebensstile

Als wesentlicher Schritt des Stufenplans wurde derAufbau von zwölf stadtteil- und lebensraumorientierten Se-niorennetzwerken beschlossen. Diese Aufgabe haben 2003die sechs Wohlfahrtsverbände in Köln übernommen. Unterden 80 Stadtteilen Kölns wurden zwölf mit besonderemBedarf ausgewählt. In diesen Stadtteilen sind soziale Netz-werke entstanden, an denen alle Institutionen und Gene-rationen mitwirken, um für ältere Bürger überschaubareLebensräume zu schaffen. Hierzu ein Beispiel: Eine kunst-

Bewerber: Liga der Wohlfahrtsverbände Köln, i.V. Caritasverband für die Stadt KölnAnschrift: Bartholomäus-Schink-Straße 6, 50825 KölnTel.: 02 21-95 57 02 31 Anschrift 2: Paritätischer Wohlfahrtsverband, Marsilstein 4-6, 50676 KölnTel. 2: 02 21-95 15 42 29Rechtsträger: Jeder Verband der Liga hat einen eigenen RechtsträgerInitiatoren: Die Stadt Köln gemeinsam mit der Liga der WohlfahrtsverbändePräventive Förderung von Integration, Vermeidung von Ausgrenzung und Isolation,Zielthemen: Einbeziehung von Randgruppen, Schaffung von Netzwerken über die gesamte StadtIntegration: Politiker, Seniorenvertreter, alle Institutionen, die in einem Stadtteil mit alten

Menschen in Kontakt kommen – vom Kioskbesitzer und Friseur über Vereine undWohnungsbaugenossenschaften bis hin zu Apothekern und Ärzten

Zielgruppen: In erster Linie Senioren im Stadtteil mit besonderem Bedarf an Hilfen (allein stehend,pflegebedürftig, betreuungsbedürftig, von Altersarmut betroffen), drei Altersgruppen (die jungen Alten, das heißt jenseits der 50, 65-80-Jährige und Hochbetagte), Migranten

Laufzeit: Seit Oktober / November 2003, fortlaufend

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 35

begeisterte Frau ging regelmäßig mit ihrem Ehemann insMuseum. Als er starb, verlor sie jedoch die Lust an derarti-gen Unternehmungen. Im Netzwerk findet sie jüngereMenschen mit ähnlichen Interessen wieder. Indem die älte-re Dame mit Jüngeren ins Museum geht, profitieren diesevon ihrem Wissen. Sie tut somit etwas für sich und fürandere.

Beschreibung der MaßnahmeFür jedes Netzwerk wurde eine hauptamtliche, halbe Stellegeschaffen und für zunächst zwei Jahre von der Stadt Kölnfinanziert. Die Wohlfahrtsverbände haben die Trägerschaftfür die jeweiligen Netzwerke übernommen. Diese sind inden Stadtteilen:• Poll• Ostheim• Kalk • Mülheim• Humboldt-Gremberg• Holweide• Seeberg• Niehl• Lindenthal• Meschenich• Ehrenfeld• Südstadt (Altstadt Süd)

Diese Netzwerke mit sehr unterschiedlichen Herausfor-derungen haben die Wohlfahrtsverbände miteinander ver-knüpft. Dazu gehören vor allem die Treffen der hauptamt-lichen, speziell qualifizierten Koordinatoren mit Vertreternverschiedener Verbände und der Stadt Köln in Abständenvon zwei Monaten, um Erfahrungen auszutauschen, Zielefestzulegen und Synergieeffekte zu nutzen – Stichwort„Stadtkonferenz“. Ein besonderes Anliegen der Netzwerk-Koordinatoren ist es, Menschen zu erreichen, die nicht inVerteilern sozialer Organisationen stehen und unterUmständen sogar Berührungsängste haben, mit diesenKontakt aufzunehmen.

Im Laufe der Zeit ist eine Vielzahl von Projekten entstan-den, in Seeberg zum Beispiel eine Anlauf- und Informa-

tionsstelle für Senioren: Seeberg ist ein eher kleinbürger-licher Stadtteil mit hohem Ausländeranteil im Schatten deszentralen Stadtteils Chorweiler, einer Hochhaussiedlung imKölner Norden. Wenn die Seeberger etwas unternehmenoder sich beraten lassen wollten, mussten sie bisher nachChorweiler fahren. Durch das Netzwerk hat sich nun eineGruppe von Seebergern gegründet, die ältere Menschen imStadtteil anspricht und informiert. Dieser Gruppe gehörenunter anderem Albaner, Polen, Russen, Türken undDeutsche an, die entsprechende Angebote in ihrer jeweili-gen Muttersprache zur Beratung und Information machen.Zwei örtliche Wohnungsbaugesellschaften – die SOKA Bauund die GAG – stellen hierfür die Räume zur Verfügung.

In Ostheim mit viel öffentlichem Wohnungsbau ist eseine besondere Herausforderung, die Senioren aus denehemaligen GUS-Ländern in das Altenhilfesystem zu inte-grieren. Dort ist „Annas Treff“ entstanden, eine offeneGruppe, die zweimal im Monat zusammenkommt. „AnnasTreff“ ist ein gutes Beispiel dafür, welche Initiativen sichweiterentwickeln. So organisiert diese Gruppe unter ande-rem Informationsveranstaltungen über gesundheitspoliti-sche Themen in russischer Sprache. Zudem wird derzeit für„Annas Treff“ eine Bibliothek mit Büchern in russischerSprache eingerichtet, was durch eine Spende von 1.800Büchern möglich wurde.

Ziele und WirksamkeitMit den Netzwerken sollen auch Randgruppen angespro-chen werden, die durch traditionelle Institutionen eherschlecht erreicht werden:• psychisch kranke, ältere Menschen – häufig nach

stationären Aufenthalten und in Krisensituationen• Langzeitarbeitslose, süchtige und suchtgefährdete

Männer• verwitwete Frauen• von Gewalt betroffene alte Menschen• ältere Aussiedler• ältere Migranten – vor allem aus der Türkei• hochbetagte, allein stehende Menschen• pflegende Angehörige von Demenzkranken

Seite 36 | Deutscher Präventionspreis 2005

Alle diese Zielgruppen tauchen in den Netzwerkenzunehmend auf. Es wurden aber auch viele jüngere Men-schen in die Netzwerke eingebunden, zum Beispiel in Poll.

Im Sinne echter Nachbarschaftshilfe ist es darüber hin-aus gelungen, ältere Männer im Ruhestand zu aktivierenund ihre Fähigkeiten zu nutzen. So hilft ein ehemaligerHandwerker alten Mitbürgern bei kleinen Reparatur-arbeiten, ohne dabei jedoch in Konkurrenz zu hauptberuf-lichen Handwerkern zu treten. Ähnliche Projekte gibt esinzwischen viele und weitere sind im Entstehen, darunterEDV-Kurse in Schulräumen, die jüngere ihren älteren Mit-menschen anbieten.

In Ehrenfeld, Südstadt und Mülheim wurden Besuchs-dienste für hochbetagte, vereinsamte Menschen aufge-baut, die nicht pflegebedürftig sind, aber dennoch immobil.Gerade diese Gruppe fällt üblicherweise durch das Rasterdes bestehenden Hilfssystems, denn die Pflegedienste sindnoch nicht zuständig, die Begegnungsstätten nicht mehr.Diese Lücke lässt sich schließen, indem jüngere Seniorendie älteren zu Hause besuchen, ihnen bei Kleinigkeiten zurHand gehen, ihnen etwas vorlesen, Besorgungen für sieerledigen oder einfach ein Schwätzchen mit ihnen halten.Solche Besuchsdienste haben zwei Effekte: Die jüngerenSenioren haben eine sinnvolle Aufgabe, die älteren werdenbeim Erhalt einer selbstständigen Lebensführung unter-stützt. Die Projektgröße (zwölf Netzwerke) hat ein erhebli-ches politisches Gewicht geschaffen und zu einer hohenÖffentlichkeitswirksamkeit beigetragen. Das Ausmaß derProjektarbeit trägt auch dazu bei, dass das Thema von denMedien aufgegriffen und somit der Bewusstseinsprozessfür die Netzwerkidee positiv beeinflusst wird. Netzwerkar-beit bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Altenhilfe –weg von institutionellen Lösungen und Erwartungshal-tungen hin zu Selbstinitiative, Mitwirkung und Beteiligung.

Vorteile einer engen Zusammenarbeit der Netzwerke sind:• optimaler Einsatz vorhandener Ressourcen,• Organisation von Fortbildungsveranstaltungen,• flexible Gestaltung und Möglichkeiten, aktuelle Erfah-

rungen einzubeziehen.

Positiv zu bewerten ist auch die kontinuierliche Einbe-ziehung des Kostenträgers und der politisch Verantwort-lichen in den laufenden Entwicklungsprozess. Der integra-tive Ansatz hat auf der Umsetzungsebene bewirkt, dass

verschiedene Generationen einander besser verstehen undakzeptieren.

Kooperation und VernetzungenAlle Institutionen, aber auch Einzelpersonen, die mit

älteren Menschen Kontakt haben oder etwas für sie tunwollen, werden angesprochen und nach Möglichkeit einbe-zogen. Auch Wohnungsbaugesellschaften konnten zur Mit-arbeit motiviert werden. In Seeberg beispielsweise stellensie dem Netzwerk Räume zur Verfügung, wo sich eineGruppe von Witwen und eine Gymnastikgruppe für türki-sche Frauen regelmäßig treffen. Jeder, der einen Beitrag zurSeniorenarbeit leisten kann, ob personell, finanziell oderräumlich zum Beispiel, wird angesprochen und in die Netz-werkarbeit eingebunden. Die hauptamtlichen Koordina-toren haben dabei die Aufgabe, die Beteiligten zu unter-stützen, Ressourcen ausfindig zu machen, die Aufbaupro-zesse zu begleiten und die Verselbstständigung derAngebote anzustreben.

FinanzierungDie Stadt Köln hat die Kosten für die hauptamtlichen

Koordinatoren sowie die Sach- und Verwaltungskostenübernommen, außerdem jedem Netzwerk für sein Engage-ment etwas Geld zur Verfügung gestellt. Mit insgesamtjährlich rund 500.000 Euro ist die Maßnahme weitgehendkostendeckend finanziert. Die Initiatoren gehen davon aus,dass diese Summe weiter jährlich in den städtischenHaushalt eingestellt wird, um weitere Netzwerke mit Hilfevon professioneller Unterstützung aufzubauen.

ÜbertragbarkeitAls Modell ist die Arbeit in Köln grundsätzlich für jede

Kommune in Deutschland geeignet. Netzwerke und derenVerknüpfung machen die Stadt zu einer tatsächlichenHeimat für ihre Bewohner und bieten die Möglichkeit fürflächendeckende Innovationen. Dabei ist auch jede einzel-ne Aktivität für sich geeignet, von Stadtteilen aufgegriffenzu werden.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitDer Aufbau einer verbesserten Seniorenarbeit mit Netz-

werken wurde von Anfang an und regelmäßig durch pro-fessionelle Öffentlichkeitsarbeit begleitet.

Kölner Seniorennetzwerke

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 37

Unter anderem wurden alle zwölf Netzwerke zwischenAugust 2003 und September 2004 ausführlich in jeweilseiner Ausgabe im Stadtmagazin „Kölner Leben“ (Senioren-zeitschrift) vorgestellt, herausgegeben von der Stadt Köln,zum Beispiel:• 2/2004: Netzwerk Altstadt-Süd, S. 25-27• 4/2004: Netzwerk Humboldt-Gremberg, S. 24-25• 5/2004: Netzwerk Lindenthal, S. 20-21• 6/2004: Netzwerk Ostheim, S. 23-24Darüber hinaus gab es Veröffentlichungen in Stadtteilbro-schüren.

NachhaltigkeitDie Netzwerke bleiben bestehen und werden weiter aus-

gebaut. Dabei soll die Arbeit der professionellen Koordi-natoren erst dann beendet werden, wenn die Netzwerkegefestigt sind und weitgehend selbstständig bestehen kön-nen.

In einem weiteren Schritt soll das Modell der Netzwerk-arbeit auf traditionelle Begegnungsstätten übertragen wer-den, und zwar in dem Sinne, dass diese ein bürgerschaft-liches Engagement einfordern, statt Menschen bestimmteAngebote „nur“ zu unterbreiten. Auf diese Weise sollenimmer mehr Mitbürger selbst die Initiative für Aktivitätenergreifen.

Dokumentation und EvaluationEs wurde jedes Jahr ein umfangreicher Sachbericht für

die Stadt Köln als Kostenträger angefertigt. DieseDokumentation schließt eine Evaluation mit ein. So wurdebeispielsweise erfasst, wie viele Menschen in welcheProjekte eingebunden sind, wie und wann diese funktio-nieren. Diese Arbeit übernimmt jedes Netzwerk für sichselbst. Daraus wiederum gehen Gespräche mit der Stadthervor, um neue Ziele zu vereinbaren.

ZukunftsperspektivenDie Netzwerke sollen schließlich in der Lage sein, weit-

gehend ohne hauptamtliche Betreuung zu funktionieren.Sobald ein Netzwerk stabil ist, sollen die frei werdendenRessourcen des professionellen Mitarbeiters zum Aufbaueines neuen Netzwerks genutzt werden. Es ist eine Vielzahlvon innovativen Projekten entstanden, die motivierend undimpulsgebend für weitere Modelle sein werden.

Laudatio

Ein besonderes Ausschreibungskriterium beim diesjährigen Wettbewerb war die Förderung der

positiven Effekte von Vernetzungen durch strukturbildende Maßnahmen. Ein zur Nachahmung zu

empfehlendes Beispiel für eine gelungene Vernetzung ist das Seniorennetzwerk in Köln.

Es zeichnet sich – in mehrfacher Hinsicht – durch einen Paradigmenwechsel in der Seniorenarbeit

aus:

• Auf die zentrale Steuerung durch die Stadtverwaltung wurde zugunsten einer dezentralen

stadtteilorientierten Koordination verzichtet.

• Die inhaltliche Zuständigkeit für die Seniorenarbeit auf Stadtteilebene übernimmt die Liga der

in Köln vertretenen freien Wohlfahrtsverbände. Die Stadt ist nur mehr Auftrag- und Kapitalgeber

der zwölf Modellnetzwerke, die miteinander in der Stadtteilkonferenz vernetzt sind.

• Gleichzeitig fand ein Wechsel von abstrakten Richtlinien und festen Vorgaben hin zu konkreten

Zielvereinbarungen und einem offenen Prozess der Netzwerkbildung statt.

• An die Stelle von außen vorgegebener Angebote treten nunmehr und mehr Maßnahmen, die

aus dem Bedarf der Betroffenen selbst und mit ihnen vor Ort generiert werden.

• Die Betroffenen werden motiviert, ihren benannten Bedarf zunehmend selbst in Netzwerken

durch Eigenleistung und Eigenverantwortung zu decken; die Kommune fördert diese Netzwerk-

und Partizipationsentwicklung durch parallele Übertragung der Leistung und Verantwortung.

Strukturbildung, Vernetzung und Partizipation sind die eine, die rahmengebende Seite des

Seniorennetzwerkes in Köln. Die andere, die inhaltliche Seite erfüllt in der Summe alle anderen

Ausschreibungskriterien unseres Wettbewerbes „Gesund in der zweiten Lebenshälfte (50plus)“:

• In Stadtteiltreffen werden bei der Ermittlung des Bedarfs und vor allem im Rahmen der

Bedarfsdeckung Eigenverantwortung und Eigenkompetenz gestärkt.

• Eine Vielzahl von Maßnahmen (Nordic Walking, Wanderungen, Wirbelsäulen-Gymnastik) för-

dern die körperliche Gesundheit.

• Spiele, Theaterbesuche, Gesprächskreise regen geistig-seelische Aktivitäten an.

• Die Beteiligung der Betroffenen an Stadtteiltreffen und -konferenzen sowie an einzelnen Maß-

nahmen ermöglicht die aktive Teilnahme von Senioren und Seniorinnen am gesellschaftlichen

Leben.

• Die Einbeziehung weiterer Akteure in den Stadtteilen wie Wohnungsunternehmen, Vereine,

Betriebe usw., erweitern das Spektrum der Akteure und erschließen vorhandene Ressourcen für

das Engagement im Stadtteil.

Die Seniorenarbeit erfolgt zielgruppen- und bedarfsorientiert und berücksichtigt zudem vor

allem soziale Brennpunkte und besondere Lebenslagen wie die von Migranten. Die

Seniorennetzwerke sind auf andere Stadtteile und Kommunen sowohl von der Form als auch von

den Inhalten übertragbar.

Nach den bisherigen positiven Erfahrungen haben Stadt und Wohlfahrtsverbände beschlossen,

auch die bestehende Altenarbeit in den Seniorenbegegnungsstätten nach dem Vorbild der Arbeit

in den Seniorennetzwerken umzugestalten.

Die bisherigen Erfahrungen und Ergebnisse der Kölner Seniorennetzwerke zeigen, dass bürger-

schaftliches Engagement, Eigeninitiative und gemeinsames Tun zu einer qualitativ anderen

Seniorenarbeit führen können, wenn die Stadt die entsprechenden Voraussetzungen dazu schafft.

Wir wünschen allen Beteiligten noch viele gute gedankliche Anstöße in ihrer Arbeit und emp-

fehlen anderen Kommunen die Nachahmung derartiger Netzwerke in der Seniorenarbeit.

Ulla-Kristina Schuleri-Hartje,Jurorin

Seite 38 | Deutscher Präventionspreis 2005

PreisträgerGesund Älter Werden

AOK-Berater kommen ins Haus

BeweggrundDas Programm „Gesund Älter Werden“ ist eine Antwort

auf die Überalterung der Gesellschaft, von der die AOKNiedersachen besonders betroffen ist. So waren im Jahr2003 über ein Drittel der Versicherten (34,5 Prozent) 60Jahre und älter. Das entspricht einem Anteil, der für die Gesamtbevölkerung Deutschlands erst für das Jahr 2040erwartet wird.

Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass sich ältereMenschen so lange wohl fühlen, wie sie eigenständig lebenund ihren Haushalt alleine führen können.

Unbestritten ist inzwischen wissenschaftlich auch, dassjeder seinen Gesundheitszustand mehr beeinflussen kannals früher angenommen: durch regelmäßige Bewegungund eine ausgewogene Ernährung zum Beispiel.

Bestehende Kontakte sowie ein Workshop mit dem Epi-demiologen Karl Lauterbach im Mai 2001 lösten dasProjekt als einen Versuch aus, um den Anforderungen deralternden Gesellschaft auf eine angepasste Weise gewach-sen zu sein. Im Juni 2003 wurde eine Kooperationsverein-

barung mit der WHO Europa getroffen, im März 2004 dasProjektteam gebildet und mit den Schulungen der Berater-Innen begonnen. Mitte 2004 wurde mit der Beratung undder Zusammenarbeit mit den Netzwerken des kommunalenSeniorenservice begonnen.

Beschreibung der MaßnahmeDas Programm wird in zehn ausgewählten Stadtteilen

Hannovers erprobt und ist als kontrolliert randomisierteStudie konzipiert: Im März 2004 wurden aus dem Daten-pool der AOK Niedersachsen 4.300 Versicherte bestimmt,die in den betreffenden Stadtteilen wohnen und zumZeitpunkt der Auswahl zwischen 68 und 79 Jahre und nichtpflegebedürftig waren. Aus diesen 4.300 Versichertenwurde eine Zufallsstichprobe gezogen, die 1.300 Frauenund Männer umfasst. Diese bilden die Interventionsgruppe.Ihnen wird der Hausbesuch telefonisch oder schriftlichangeboten. Erst wenn sie zustimmen, kommt ein Beraterins Haus, was bisher bei rund 350 Personen erfolgt ist.Warum einige wenige den Hausbesuch ablehnen, wird ineiner kleinen qualitativen Studie erhoben. Nach einerersten Arbeitshypothese gibt es zwei Extreme: Die einen

Bewerber: Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) NiedersachenAnschrift: Hildesheimer Straße 273, 30519 HannoverTel. / Fax: 05 11-8 70 11 61 41 / Fax 05 11-8 70 11 61 09E-Mail: [email protected]: www.aok.deLeitung derMaßnahme: Dr. Christiane Perschke-Hartmann, Diplom-SozialwissenschaftlerinRechtsträger: AOK Niedersachsen, Körperschaft des öffentlichen RechtsInitiatoren: AOK Niedersachsen gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) EuropaPräventive Erhaltung der Selbstständigkeit im Alter mit dem vorrangigen Ziel, dass Menschen Zielthemen: weiter alleine leben und ihren Haushalt führen könnenIntegration: WHO-Europa-Büro, Kopenhagen, mit dem Demonstrationsprojekt „Gesundes Altern“,

das auch in Wien und Radevormwald läuft, Berufsverband der DeutschenAllgemeinmediziner, Hausärzte, Kommunaler Seniorenservice Hannover

Zielgruppe: Menschen zwischen 68 und 79 Jahren, die nicht pflegebedürftig sind und in den zehnausgewählten Stadtteilen Hannovers – Linden, Limmer, Wettbergen, Mühlenberg,Ricklingen, Oberricklingen, List, Vahrenwald, Arnum und Bornum – wohnen

Laufzeit: Beratung von Juni 2004 bis 31. Dezember 2006. Das wissenschaftliche Projekt soll imSommer 2007 abgeschlossen sein

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 39

sind noch so fit und mobil, dass sie an einem Hausbesuchkein Interesse und dafür auch gar keine Zeit haben; dieanderen sind sehr krank und immobil, werden vonAngehörigen betreut und lehnen fremde Menschen ab.

Die übrigen 3.000 Versicherten fungieren als Kontroll-gruppe. Die Vergleichsdaten sollen unter anderem Auskunftüber die Effekte der Hausbesuche auf Einweisungen inPflegeheime oder Krankenhäuser geben.

Die „aufsuchende Aktivierung“ mit Hausbesuchen (ins-gesamt fünf bis sechs) ist wesentlicher Baustein des Pro-jekts. Diese Hausbesuche beinhalten geriatrisches Assess-ment, Beratung der Klienten (unter anderem Erkennen undEinleiten von Interventionen), Vermittlung, Stadtteiltreffenund eine Zielvereinbarung über die Aktivierungen. ZweiterProjektbaustein ist die „Zusammenarbeit / Vernetzung“.Dazu gehören die Teilnahme an Stadtbezirksnetzwerkendes kommunalen Seniorenservice und die Zusammenarbeitmit Hausärzten. In den Netzwerken erfolgt ein Austauschüber vorhandene und fehlende Angebote für Senioren.Derzeit beteiligen sich zirka 70 Hausärzte. Wenn derTeilnehmer damit einverstanden ist, erhalten sie dieErgebnisse des geriatrischen Assessments mit Interven-tionsvorschlägen. Diese sind ein Angebot für den Hausarzt,mit ihren Patienten ins Gespräch zu kommen, zielge-rechter arbeiten zu können und die entsprechenden Inter-ventionen einzuleiten. Die Patienten sind fast immer ein-verstanden, einige wenige wollen lieber selbst mit demAssessment zum Hausarzt gehen oder sie haben keinenHausarzt.

Für die Hausbesuche wurde ein Team aus zehn Mitarbei-tern unterschiedlicher Berufsgruppen zusammengestellt(neun Frauen und ein Mann), darunter Krankenschwestern,Sozialpädagogen, Psychologen, Sozialwissenschaftler und

Ernährungsberater. Alle haben Erfahrung darin, Patientenzu beraten, und wurden durch Schulungen speziell auf dieHausbesuche vorbereitet und über alterstypische Er-krankungen informiert. Es geht um Fragen wie: Was ist imAlter noch normal, was krankhaft? So wundern sich alteMenschen oft, dass sie um 21 oder 22 Uhr noch nicht ein-schlafen können. Doch das ist normal, denn sie sind alsRuheständler tagsüber meist weniger beansprucht als frü-her im Berufsleben. Außerdem braucht der Mensch mitzunehmenden Jahren weniger Schlaf.

Im Rahmen der präventiven Hausbesuche werden dieKlienten umfassend zum Thema Gesundheit sowie gesun-der Lebensstil informiert und beraten. Die Beratung erfolgtauf der Grundlage der systemisch-lösungsorientierten Kurz-zeitberatung.

Der Gesundheitsstatus der Klienten wird durch ein stan-dardisiertes geriatrisches Assessment festgehalten. Gegen-stand der ersten drei bis vier Hausbesuche ist auch dieErfassung der Lebensqualität. Dazu wird ein standardi-sierter Fragebogen der WHO eingesetzt.

Um die älteren Menschen zu aktivieren, wollen die Bera-ter schließlich wissen, was jemand gerne unternehmenwürde. Sie unterstützen die Teilnehmer bei der Suche nachentsprechenden Lösungen. Dabei wird auch die finanzielleSituation berücksichtigt. Falls nötig, informieren die Beraterdie Klienten bei wirtschaftlicher Not über Förderungsmög-lichkeiten und vermitteln sie an entsprechende Hilfestellen.

Hannover bietet ein vielfältiges Angebot für Senioren,doch viele wissen gar nicht, was es an geeigneten Betäti-gungsmöglichkeiten in ihrem Umfeld gibt. Diese Informa-tion aber ist wichtig, um überhaupt den ersten Schritt zumachen.

Seite 40 | Deutscher Präventionspreis 2005

Gesund Älter Werden

Damit es nicht bei guten Vorsätzen bleibt, wird zwischenBeratern und Versicherten eine individuelle Zielverein-barung abgeschlossen und auch unterschrieben. Bei Ab-schluss einer Zielvereinbarung erhält der Klient von derAOK einen Individualbonus nach § 65 b SGB V.

Während des Projekts hat sich gezeigt, dass die Klientenein großes Interesse an sozialen Kontakten haben.Daraufhin haben die Berater in allen drei Stadtbezirkeneinmal monatliche Stadtteiltreffs initiiert (die zehn ausge-wählten Stadtteile sind in drei Stadtbezirke unterteilt).

Ziele und WirksamkeitDas Programm verfolgt zwei globale Ziele: Auf der indi-

viduellen Ebene ist beabsichtigt, den Gesundheitsstatusund die Lebensqualität der Versicherten zu verbessernsowie ihre Eigenständigkeit zu erhalten. Zu den konkretenZielen zählen unter anderen folgende: geringere Rate anHerzinfarkten und Schlaganfällen, weniger Schenkelhals-brüche, weniger Einweisungen ins Pflegeheim oder insKrankenhaus, geringerer Pflegebedarf. Eine entsprechendeAuswertung ist erst möglich, wenn im Jahr 2007 die Ergeb-nisse von Interventionsgruppe und Kontrollgruppe aus-gewertet und verglichen werden.

Ein Drittel der eingebundenen Versicherten hat bisherdie Zielvereinbarung unterzeichnet, die Einschätzung derBerater wird von den beteiligten Klienten ernst genommen.

Berater wie Klienten betonen, dass besonders die sozia-len Kontakte zu den Mitarbeitern der AOK sowie zu ande-ren älteren Menschen positive Wirkung zeigen. Die beteilig-ten Hausärzte reagieren sehr unterschiedlich – von Zustim-mung und Unterstützung der Klienten in der Umsetzungder Ergebnisse bis hin zu Ignoranz. Hoffnung setzen dieInitiatoren auf den EBM 2000 plus, in dem ein geriatrischesAssessment für Hausärzte abrechenbar ist. Außerdem sol-len die beteiligten Hausärzte über eine kostenfreie Fortbil-dung zur ambulanten Geriatrie stärker einbezogen werden.

Auf der systemischen Ebene ist das Programm um einestärkere Vernetzung regionaler Angebote des Gesundheits-und Sozialwesens bemüht (siehe Kooperation und Ver-netzung).

Kooperation und VernetzungDas Projekt arbeitet außerdem eng mit dem kommu-

nalen Seniorenservice der Stadt Hannover zusammen.Dieser hat sich verpflichtet, bestehende Angebote fürSenioren mehr miteinander zu vernetzen. Dazu wurdenNetzwerke auf Stadtbezirksebene (Zusammenfassung meh-rerer Stadtteile) ins Leben gerufen.

Im Verlauf des Programms haben sich auf Initiative derBerater ältere Menschen zu Stadtteil-Gruppen zusammen-geschlossen, die sich monatlich treffen und gemeinsametwas unternehmen.

Es gibt regelmäßig Zusammenkünfte von Vertretern desAOK-Modellprojekts mit Vertretern der WHO Europa undMitarbeitern der anderen beiden Demonstrationsprojekte.

FinanzierungDie AOK Niedersachsen finanziert das Programm zu 100

Prozent.

ÜbertragbarkeitPräventive Hausbesuche älterer Menschen sind in ande-

ren Ländern selbstverständlich, zum Beispiel in Dänemarkund Großbritannien. Ihre Wirksamkeit ist erwiesen. DasKonzept der AOK Niedersachsen ist auf andere Kosten-träger übertragbar.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitDas Programm wurde von Anfang an durch Öffentlich-

keitsarbeit begleitet, zum Auftakt 2004 mit einer Presse-konferenz. Punktuell erschienen Beiträge in der Presse, zumBeispiel:• Bergische Post vom 29.9.2004• Niedersächsisches Ärzteblatt, Heft 9, 2004, S. 20,• Ärztezeitung vom 20.10.2004• Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 8.10.2004, S.14• Ein Internetauftritt (www.aok.de/gesund-aelter-werden)

ist im Aufbau.

NachhaltigkeitNach Abschluss des Projekts – die Beratungen im Rah-

men des Projekts laufen noch bis Ende 2006, Mitte 2007

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 41

sollen die Auswertungen vorliegen – wird eine gesund-heitsökonomische Berechnung erfolgen. Sollten die Ergeb-nisse eine Kostensenkung sowie eine Verbesserung derLebens- und Gesundheitssituation aufgrund der im Pro-jekt initiierten Lebensstilveränderungen der Probanden be-legen, wäre dieser Weg nachhaltig. Erste Zwischener-gebnisse weisen darauf hin, dass dieses erreicht wird. Dannkönnten die präventiven Hausbesuche zur Regelleistungwerden.

„Gesund Älter Werden“ ist nach Angaben der Projekt-leitung die erste kontrolliert randomisierte Studie zu prä-ventiven Hausbesuchen in Deutschland sowie die ersteTestung und Eignungsprüfung eines geriatrischen Assess-ments außerhalb der hausärztlichen Praxis. Mit dem Projektbeschreitet die AOK Niedersachsen einen neuen Weg derKooperation (Ziel integrierte Versorgung) zur umfassendenBetreuung ihrer Versicherten unter Einbeziehung derPrävention.

Dokumentation und EvaluationDokumentation und Evaluation sind sehr umfangreich.

Die Gespräche werden anhand standardisierter Frage-bögen (STEP-Assessment für geriatrisches Assessment,WHO QOL-Bref zur Messung der Lebensqualität) geführt.Die wissenschaftliche Evaluation hat Frau Prof. Dr. GiselaCharlotte Fischer übernommen. Sie ist Mitglied desSachverständigenrats im Gesundheitswesen und leitete biszu ihrer Emeritierung Ende 2004 die Abteilung fürAllgemeinmedizin der Medizinischen Hochschule Hanno-ver. Der Aufbau der gesamten Maßnahme ist streng wis-senschaftlich aufgebaut mit Kontroll- und Interventions-gruppe.

ZukunftsperspektivenDie AOK Niedersachsen erwägt, das Projekt bei einer

erfolgreichen Kosten- / Nutzen-Berechnung in ihre Regel-versorgung aufzunehmen. Es wäre angesichts des demo-graphischen Wandels wünschenswert, dass andereKrankenkassen das Konzept aufgreifen und die AOKNiedersachsen als Initialzünder fungiert hätte.

Laudatio

Angesichts der demographischen Entwicklung in unserem Land wird es zunehmend wichtig,

präventive Verhaltensweisen für einen gesunden Lebens- und Alterungsprozess aufzuzeigen.

Mit dem Projekt „Gesund Älter Werden“ beschreitet die AOK Niedersachsen neue Wege in

der Prävention. Es ist nach Angaben der Projektleitung die erste kontrolliert randomisierte

Studie zu präventiven Hausbesuchen in Deutschland sowie die erste Testung und

Eignungsprüfung eines geriatrischen Assessments außerhalb der hausärztlichen Praxis – also

ein innovatives Projekt. Als Ergebnis der Studie ist eine solide Datenlage zu erwarten.

Die Studie besticht durch die methodische Vorbereitung und Durchführung sowie die

Einbindung verschiedener Organisationen, Professionen und Funktionen und die Tatsache, dass

eine Krankenkasse den Weg einer integrierten Versorgung unter Einbindung der Prävention

beschreitet. Für die Studie wurden 4.300 Versicherte der AOK ausgewählt. 1.300 wurden der

Betreuung im Projekt zugeordnet, 3.000 bilden die Vergleichsgruppe. Von den 1.300 wurden

bisher ca. 200 bis 300 aktiv angesprochen und zum Teil beraten.

Wesentlicher Projektbaustein in der Durchführung ist die „aufsuchende Aktivierung“, zu der

Hausbesuche mit „geriatrischem Assessment“ sowie Interventionen zur Ernährung, Bewegung

und Mobilität gehören. Die Betreuung vor Ort umfasst das Erkennen und Einleiten von

Interventionen, beispielsweise zur seniorengerechten Gestaltung des Haushaltes.Vermittlungen

an den Hausarzt, von professionellen Diensten wie Handwerkern oder kommunalen Angeboten

ergänzen die Leistung der AOK-Betreuerinnen.

Die betroffenen Versicherten äußerten sich überwiegend positiv über die Projektbetreuung:

Sie sahen zum Teil Veränderungen ihres Lebensstils, hoben die Geselligkeit hervor, betonten die

Möglichkeit einer „neutralen“ Besprechung wirtschaftlicher und gesundheitlicher Angelegen-

heiten, die in dieser Weise auch familiär nicht erfolgen würden, berichteten von einer deutlich

höheren Partizipation und wachsenden Selbstständigkeit, auch durch die diversen, selbst

organisierten Aktivitäten.

Über diese Aktivierungen wird mit den Versicherten eine Zielvereinbarung getroffen und für

den Abschluss ein Bonus nach § 65b SGB V gewährt. Um die Aktivierungen zu gewährleisten,

arbeitet das Projekt mit Hausärzten und mit Stadtbezirksnetzwerken des kommunalen

Seniorenservice zusammen. Die derzeit ca. 70 beteiligten Hausärzte erhalten die Ergebnisse des

geriatrischen Assessments mit Interventionsvorschlägen. In den Netzwerken erfolgt ein

Austausch über vorhandene und fehlende Angebote für Senioren bzw. deren bedarfsgerechte

Gestaltung und Initiierung.

Nach Abschluss der Projektlaufzeit wird eine gesundheitsökonomische Berechnung erfolgen.

Sollte die Studie kostensenkende Ergebnisse erbringen und eine Verbesserung der Lebens- und

Gesundheitssituation aufgrund der im Projekt initiierten Lebensstilveränderungen bei den

Probanden aufzeigen, würde sich der hier eingeschlagene Weg als nachhaltig erweisen.

Wir freuen uns, dass die AOK Niedersachsen als alleiniger Träger der Studie erwägt, das

Projekt bei einer erfolgreichen Kosten- / Nutzen-Berechnung in ihre Regelversorgung aufzuneh-

men. Diese Studie ist grundsätzlich nachvollziehbar und die damit verbundene Durchführung

der Projektbausteine – abgesehen von der Finanzierung – auch auf andere Institutionen und

Regionen übertragbar. Dies wünschen wir ihr und gratulieren zu dem bereits erreichten Erfolg!

Regina Schmidt-Zadel, Jurorin

Seite 42 | Deutscher Präventionspreis 2005

PreisträgerTeamwerk – Zahnmedizin für Pflegebedürftige

Der Zahnarzt kommt ins Pflegeheim

BeweggrundEs ist ein fast flächendeckendes Problem in Deutschland,

dass die Mundpflege in Pflegeeinrichtungen bislang nahe-zu vollständig unterbleibt. Das war früher, als alte Men-schen überwiegend Prothese trugen, nicht so relevant.Doch heute besitzen sie immer häufiger noch ihre eigenenZähne. So konnte die dritte Deutsche Mundgesundheits-studie (DMS III, Deutscher Ärzteverlag, Köln 1999) zeigen,dass durchschnittlich 75 Prozent in der Altersgruppe der 64bis 74-Jährigen noch über die Hälfte ihrer natürlichenZähne verfügen. Das ist zwar erfreulich, aber Zähne müssenregelmäßig und gründlich geputzt werden. Andernfalls dro-hen irreparable Schäden. Darüber hinaus beschreiben wis-senschaftliche Untersuchungen, dass der Mund eine wich-tige Eintrittspforte für Bakterien in den Körper ist. Dieregelmäßige Mundreinigung sollte daher im längerfristigenResultat zum Beispiel das Risiko für Lungenerkrankungenund Schlaganfälle senken.

Hinzu kommt, dass die Generation der Betagten vonheute oft mit aufwändigem Zahnersatz versorgt ist, mit

Implantaten und Brücken beispielsweise. Diese müssenebenfalls gut gepflegt werden. Dem sind demente Men-schen aber nicht gewachsen.

Das Pflegepersonal in den Einrichtungen ist ebenfallsnicht auf die neuen Herausforderungen vorbereitet. Wiesoll eine solche Kraft einem an Demenz erkrankten Manndie Zähne putzen, der die Notwenigkeit dazu nicht einsiehtund den Mund nicht aufmachen will?

1995 berichtete Oberarzt Dr. Haffner seinem KollegenProfessor Benz von dem verheerenden Zahnstatus der be-hinderten Patienten, die er in kurzen Abständen immer wie-der behandelte, weil eine regelmäßige Zahnpflege fehlte.Daraus ergab sich die Idee einer ambulanten Zahnpräven-tion für alte und behinderte Menschen, die selbst keinenZahnarzt aufsuchen können. Bei einer Auftaktveranstaltung2001 bewarben sich 1.600 pflegebedürftige Menschen für600 angebotene „Plätze“. Ein Jahr später entstand aus derZusammenarbeit die Teamwerk GbR Dr. Benz / Dr. Haffner.

Problematisch ist aber nicht nur die Prävention vonZahnerkrankung, sondern auch die Therapie. So sind diemeisten Bewohner eines Pflegeheims demenziell erkranktund können nicht ambulant, sondern nur stationär und in

Bewerber: Teamwerk GbRAnschrift: Kiefernstraße 22a, 81549 MünchenTel. / Fax: 0 89-51 60 76 09 / Fax 0 89-51 60 76 18E-Mail: [email protected] der Maßnahme: Prof. Dr. Christoph Benz, Dr. Cornelius Haffner, ZahnärzteRechtsträger: Teamwerk GbR, MünchenInitiatoren: Prof. Dr. Christoph Benz, Dr. Cornelius HaffnerPräventive Verbesserung der Mundgesundheit von pflegebedürftigen Menschen,Zielthemen: d.h. weniger Schmerzen, bessere Kaufähigkeit, weniger große Zahnbehandlungen

bei behinderten und pflegebedürftigen Menschen Integration: Ausgewählte Pflegeeinrichtungen in München mit insgesamt 600 Menschen, Sozial-

referat der Stadt, Gesundheitsbeirat der Stadt, AOK Bayern, Landeszahnärztekammer,72 Patenzahnärzte (niedergelassene Zahnärzte), Universität

Zielgruppen: Pflegebedürftige und behinderte Menschen, die weder in der Lage sind, einen Zahnarztaufzusuchen noch die Verantwortung für ihre Mundpflege zu übernehmen. Meist handeltes sich um Frauen und Männer der Pflegestufen II und III. Insbesondere bei ihnen mussman von einer sehr eingeschränkten Fähigkeit zur Mundhygiene ausgehen

Laufzeit: Seit 1. Juni 2002, fortlaufend

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 43

Vollnarkose zahnmedizinisch behandelt werden. Auch die-ses Problem greift die Teamwerk GbR auf.

Beschreibung der MaßnahmeDie im Teamwerk zusammengeschlossenen Zahnärzte

wollen Menschen in Pflegeeinrichtungen das Maß an Mundpflege bieten, das für gesunde Bürger in Deutschlandheutzutage selbstverständlich ist: zweimal täglich Zähneputzen und regelmäßige Vorsorgebehandlungen durcheinen Zahnarzt und ein Prophylaxeteam, das eine pro-fessionelle Zahnreinigung vornimmt.

Mit diesem Ziel wurde das Pflegepersonal zunächst inneun Einrichtungen Münchens (Wohnstift Entenbach,Altenheim St. Elisabeth, Seniorenappartement amIsarhochufer, Altenheim in der Rühmannstraße, AltenheimSt. Josef, München Stift, Seniorenresidenz Wettersteinplatz,Betreuungszentrum Steinhöring, Seniorenzentrum MarthaMaria) so geschult, dass diese sich um eine richtigeMundpflege der Heiminsassen kümmern können.Inzwischen sind in diese Schulungen 42 von 72 Pflege-einrichtungen in München einbezogen. Darüber besuchenzwei zahnmedizinische Prophylaxe-Teams, bestehend auseinem gerostomatologisch ausgebildeten Zahnarzt undeiner Prophylaxe-Assistentin, die alten Menschen in diesenEinrichtungen dreimal jährlich. Es erfolgt eine professionel-le Mund-, Zahn- und Zahnersatzreinigung – was zumBeispiel das Aufbringen von antibakteriellen Lacken undfluoridhaltigen Pasten mit einschließt, die Entfernung vonZahnstein und bei Bedarf eine Paradontose-Behandlung.Wie häufig der einzelne Bewohner aufgesucht wird, hängtvon dessen Risiko für Zahnerkrankungen ab. So benötigtjemand, der gerne und viel Süßes isst, öfter den Zahnarzt.

Die bayerische Zahnärztekammer hat infolge desProjektes Ende 2004 in München den „Patenzahnarzt“eingeführt. Diese Zahnärzte besuchen alle 72 Pflegeinrich-tungen in der bayerischen Landeshauptstadt.

Darüber hinaus wurde am Krankenhaus Harlaching II inMünchen Anfang 2004 ein „Kompetenz-Zentrum“ gegrün-

det. Es ist für die Patienten gedacht, die nicht im Pflege-heim behandelt werden können. Das betrifft zum BeispielMenschen mit einer Demenz. Diese Risikopatienten müssenin Vollnarkose zahnmedizinisch behandelt werden, wegenihrer zahlreichen Begleiterkrankungen kommt nur eineKlinik mit Intensivstation infrage. Die Patienten erhalten imKompetenzzentrum eine ganzheitliche Betreuung durchAnästhesisten, Internisten, Mund-, Kiefer- und Gesichts-chirurgen, Kieferorthopäden, Psychologen sowie eine not-fallmedizinische Versorgung. Ein Vorteil für Patient undKostenträger ist die durch vorbereitende Arbeit in denHeimen verkürzte Verweildauer von bisher drei bis fünf Be-handlungstagen auf einen Tag. Außerdem entfallen teureMehrfachtransporte für Voruntersuchungen sowie Folge-kosten für die Behandlungen.

FazitDas Projekt besteht aus zwei wesentlichen Bausteinen:• der Prävention mit Schulungen von Pflegekräften und

mobiler Prophylaxe in Heimen,• der Therapie mit Behandlung durch Patenzahnärzte und

im Kompetenzzentrum.Die Projektorganisation erfolgt durch die Gründer und eineProjektassistentin.

Ziele und WirksamkeitEin wichtiges Ziel ist die Verbesserung der Mundge-

sundheit Pflegebedürftiger durch eine professionelle zahn-medizinische Betreuung und Pflege. Diese allerdings ist nurwirksam, wenn sie durch tägliches Zähneputzen ergänztwird. Das Pflegepersonal auf diese Aufgaben durch Schu-lungen vorzubereiten, ist und bleibt daher ein weiteres Ziel.

Um den Erfolg der Maßnahmen zu messen, wurde ausethischen Gründen auf die Bildung einer Kontrollgruppeverzichtet. Es konnten jedoch Vergleichsdaten gewonnenwerden. Generell ist festzustellen: bessere Mundpflege undGesundheit bei den Teilnehmenden, weniger Schmerz-Not-fälle, weniger Kosten für Narkosebehandlungen. Zu Beginn

Seite 44 | Deutscher Präventionspreis 2005

der Studie war bei 81 Prozent der Pflegebedürftigen dieMundpflege dramatisch schlecht, das heißt nahezu nichtvorhanden. Bei 76 Prozent dieser Menschen konnten rele-vante Mundpflegeparameter signifikant verbessert werden.Sie hatten anschließend beispielsweise weniger Zahnbelag,das Zahnfleisch war in einem besseren Zustand und weni-ger entzündet. Um das zu erfassen, werden standardisiertezahnmedizinische Befunde erhoben. Ein weiteres Ziel ist es,dass die Bewohner seltener unter akuten Zahnschmerzenleiden und im Notfall schneller und besser versorgt werden.Auch in diesem Punkt konnten Fortschritte beobachtet wer-den. In den ersten zwei Jahren, in denen die Teamwerk-Mitarbeiter unterwegs waren, traten 65 Prozent wenigerSchmerzen auf als zuvor, und es wurden 70 Prozent weni-ger natürliche Zähne entfernt. Und schließlich sollte durcheine angemessene Prophylaxe die Zahl der Behandlungengesenkt werden, die mit einer Vollnarkose verbunden sind.Tatsächlich zeigten sich auch hier positive Effekte. Die Zahlder erforderlichen Narkosen reduzierte sich um 40 Prozent.Daraus ergeben sich auch Einsparungen infolge von mög-lichen Folgeerkrankungen.

Insgesamt konnte die Lebensqualität der betroffenenMenschen deutlich gesteigert, ihre allgemeine gesundheit-liche Verfassung verbessert werden. Es können nachweis-lich Kosten für das Gesundheitswesen gespart werden. DasBesondere an diesem Projekt ist die echte Verzahnung vonPrävention und Behandlung in einem durchgehendenBetreuungspfad.

Das Projekt genießt ein mittlerweile großes Interesse inder Öffentlichkeit. Außerdem ist ein vom Teamwerk initiier-tes, strukturiertes Fortbildungs-Curriculum in Deutschlandzur Schulung von Zahnärzten für die Betreuung Pflegebe-dürftiger entstanden, das die bayerische Zahnärztekammerorganisiert.

Kooperation und VernetzungenIn München hat sich ein recht großes zahnmedizinisches

Netzwerk für pflegebedürftige Menschen entwickelt. Daranbeteiligt sind das bayerische Gesundheitsministerium, poli-tische Parteien, Krankenkassen und der Gesundheitsbeiratder Stadt München, dem alle wichtigen Entscheidungs-träger angehören – von der Heimaufsicht über den Medi-zinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bis hin zuStandesvertretungen wie der LandeszahnärztekammerBayern.

FinanzierungDie Anschubfinanzierung der Maßnahme ist einem

Sponsor zu verdanken. Der Münchener Industrielle ErichLejeune spendete für die ersten zwei Jahre (2002 bis 2004)gut 100.000 Euro – getragen durch die Erich-Lejeune-Stif-tung für Zahnmedizin. Im Jahr 2004 stellte die Stiftung50.000 Euro zur Verfügung, das Sozialreferat München20.000.

Ab Sommer 2005 wird die Arbeit zunächst in Form einesModellprojekts nach § 63 SGB V für AOK-Versicherte mitjährlich 1,5 Millionen Euro in allen 72 PflegeeinrichtungenMünchens weiterfinanziert. Die Initiatoren der Zahnmedizinfür Pflegebedürftige sind zuversichtlich, dass sich andereKrankenkassen bald anschließen werden, und stehen mitden Versicherungen in Verhandlungen.

ÜbertragbarkeitDie zahmmedizinische Versorgung, wie sie die Teams in

ausgewählten Pflegeheimen Münchens initiiert haben, lässtsich grundsätzlich in jeder Alteneinrichtung jeder Kommuneeinführen. Derzeit finden Gespräche von Teamwerk mitÖsterreich und Schleswig-Holstein statt. Blockiert wird dieEntwicklung im Wesentlichen durch die bestehenden un-einheitlichen Strukturen und dem realen Leben nicht ange-passten Rechtsbestimmungen des Sozial- und Standes-rechts.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitDas Projekt wurde punktuell durch Öffentlichkeitsarbeit be-kannt gemacht, zum Beispiel:1. in der Tagespresse• TZ-München, 3.5.2004, S. 6: Schande! Kein Zahnarzt für

kranke Heimsenioren• Süddeutsche Zeitung, 5.5.2004: Die Brücken und

Implantate verrotten• Münchner Merkur, 10./11.7.2004, S. MM3: Wenn die

Zähne verfaulen

2. in der Fachöffentlichkeit• Deutsche Zahnärztliche Wochenschrift, 33. Woche 2004,

S. 3: Endlich Abhilfe schaffen gegen Missstände undUnterversorgung

• Bayerisches Zahnärzteblatt, September 2004, S. 58:Zahnmedizinische Betreuung von Menschen in Senio-renheimen

Teamwerk – Zahnmedizin für Pflegebedürftige

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 45

NachhaltigkeitDie regelmäßigen Schulungen der Pflegekräfte zur kon-

tinuierlichen Mundpflege bewirken die Nachhaltigkeit derArbeit.

Die von Prof. Dr. Christoph Benz und seinem Kollegen Dr. Cornelius Haffner angestoßene Betreuung von Pflege-bedürftigen wird für alle AOK-Versicherten fortgesetzt(siehe auch Finanzierung). Weitere Kassen sollen folgen.

Dokumentation und EvaluationTeamwerk strebt eine flächendeckende Ausweitung des

Modells auf ganz Deutschland an. Doch das lässt sich nachAuffassung von Benz und Haffner nur erreichen, wenn manBeweise über Nutzen und Wirtschaftlichkeit einer Maß-nahme erbringt. Mit wissenschaftlichen Methoden wurdendie Mundbefunde der Bewohner zu verschiedenen Zeit-punkten durch die zahnmedizinische Abteilung der Univer-sität München erhoben und verglichen, zum BeispielTaschentiefe, Entzündungsgrad des Zahnfleisches oderZahnbelag. Das folgende Modellprojekt der AOK wird inForm einer Qualitätssicherung durch den MedizinischenDienst unterstützt. Zudem wurde Professor Nagel alsGesundheits-Ökonom hinzugezogen, der die gesundheits-ökonomische Seite der Arbeit bewerten wird.

ZukunftsperspektivenDie zahnmedizinische Betreuung von Pflegebedürftigen

soll auf ganz Deutschland ausgeweitet werden. In Bayernsind die Zahnärzte von Teamwerk schon im Sinne einer Ver-breitung aktiv, indem sie Vorträge vor Kollegen und inHeimen leiten.

Professor Benz kritisiert, dass die zahnmedizinische Ver-sorgung von pflegebedürftigen Menschen zwar eine beson-dere Herausforderung darstellt, es in Deutschland jedochnicht die Möglichkeit gibt, während des Universitätsstudi-ums eine entsprechende Zusatzqualifikation zu erwerben.Sein Ziel ist es daher, eine solche Ausbildungsmöglichkeitzu etablieren.

Laudatio

Was die klinisch tätigen Zahnärzte Dr. Haffner und Professor Benz in ihrer Ambulanz erlebten,

ist leider deutscher Alltag: Bei alten, behinderten und demenziellen Menschen fehlt eine regelmä-

ßige Zahnpflege, ist der Zahnstatus bereits zwei Jahre nach teuren Zahnversorgungen wieder ver-

heerend und die Erhaltung natürlicher Zähne erheblich eingeschränkt. Die ambulante zahnärzt-

liche Versorgung dieser Gruppe ist ein stark vernachlässigtes Gebiet der Gesundheitsförderung.

Allein schon deshalb gebührt den Münchener Zahnmedizinern Anerkennung für ihre Idee einer

ambulanten Zahnprävention für alte und behinderte Menschen, die selbst keinen Zahnarzt auf-

suchen können, und deren professionelle und konsequente Umsetzung. Wie groß der Bedarf ist,

zeigt das Interesse der Betroffenen: Schon zur Auftaktveranstaltung 2001 bewarben sich 1.600

pflegebedürftige Menschen – rund 600 Heimbewohner können heute mit den bestehenden ehren-

amtlichen Ressourcen versorgt werden.

Die professionelle Zahnreinigung ist keine obligate Leistung der Sozialversicherung. Dabei wis-

sen wir doch, dass Zähne weitaus mehr sind als nur Kauwerkzeuge und ihre Erhaltung allein schon

Lebensqualität bewahrt und Kosten spart. Die Zahngesundheit beeinflusst das Ernährungs-

verhalten und trägt zu einem allgemeinen Wohlbefinden bei; sie beeinflusst aber erst recht die

Sprachfähigkeit und wirkt sich damit positiv auf soziale Kontakte aus; und letztendlich trägt die

Zahngesundheit zu einer positiveren äußeren Erscheinung bei, auf die auch alte Menschen achten.

In vielen Senioreneinrichtungen fehlen das Bewusstsein und die Kompetenz zur fachgerechten

Zahnpflege.

Hier setzt das Münchener Teamwerk folgerichtig an:

• Es führt nicht nur Zahnpflege durch,

• sondern schult darin auch die Heimmitarbeiter,

• stellt ihnen dafür einen zweckmäßigen Pflegeset, Materialien und Anleitungen zur Verfügung,

• kontrolliert fortlaufend den Erfolg und

• erreicht durch die strukturierte Vernetzung mit über 70 niedergelassenen „Patenzahnärzten“

zusätzlich eine zeitnahe Zahnversorgung, wenn diese erforderlich wird.

Da zahnmedizinische Behandlungen bei demenziellen Patienten oft nur unter Narkose möglich

sind, werden sie im zahnmedizinischen Kompetenzzentrum von Teamwerk durchgeführt. Die

Patienten erhalten dort eine ganzheitliche Betreuung durch einen Anästhesisten, Internisten,

Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgen, Kieferorthopäden, Psychologen sowie eine notfallmedizini-

sche Betreuung. Durch die ehrenamtliche ambulante Betreuung sowie Vor- und Nachuntersuchung

im Heim wird die Verweildauer von bisher drei bis fünf Behandlungstagen auf einen Behand-

lungstag verkürzt, entfallen Folgekosten für Behandlungen sowie teure Mehrfachtransporte.

Dies alles sind fachlich hochwertige Leistungen, Kostenvorteile für Patient und

Sozialversicherung, gesellschaftliche Mehrwerte der Integration und Vernetzung. Und vor allem

sind es Gesundheit fördernde, präventiv wirksame und Partizipation (wieder-) ermöglichende

Geschenke an eine diesbezüglich vernachlässigte Gruppe unserer Gesellschaft.

Auf dieses hohe Engagement wollen wir mit unserem Preis aufmerksam machen und darauf

hinweisen, was außerhalb des Sozialversicherungssystems an Vorleistung erbracht wird und nun

praxisreif übernommen werden sollte. Dies würde ein weiteres Ziel des Deutschen

Präventionspreises erfüllen: die Implementierung hervorragender Projekte in das bestehende

System. Wir freuen uns schon, davon zu erfahren.

Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Lehr,Jurorin

EhrenpreisAlexander Spirling und Ulrich Grundmann von der nominierten Maßnahme Begleitetes Wohnen

Seite 46 | Deutscher Präventionspreis 2005

Alexander und Angela Spirling begannen mit UlrichGrundmann, eine entsprechende Konzeption zu entwickelnund gründeten 1996 mit einigen Freunden den Verein„Begleitetes Wohnen“.

Nach dem Studium sammelten sie erste Erfahrungen,knüpften Kontakte und nahmen mehr und mehr (ohneFremd- und Eigenkapital) den Geschäftsbetrieb auf. Im Jahr2000 stellten sie erstmals eine Mitarbeiterin fest ein undbieten seither die vorliegende Maßnahme „BegleitetesWohnen“ an.

Beschreibung der MaßnahmeAlleiniger Träger ist der Verein „Begleitetes Wohnen“. Im

Vorstand ist der Arzt Alexander Spirling; zu den zwölfMitgliedern zählen Mitbegründer wie Ulrich Grundmann,der Referent der Diakonie Sachsen und einige ehemaligeehrenamtliche Mitarbeiter der Maßnahme. Hauptamtlichund mit einer vollen Stelle tätig sind die Diplom-Psychologin Steffi Bartsch, ein Sozialarbeiter sowie einSozialpädagoge, dem Qualitätsmanagement und Evalua-tion obliegen. Weiterhin sind in Vollzeit zwei Praktikantender Technischen Universität und der Fachhochschule Dres-

Begleiter erhalten Eigenständigkeit

BeweggrundDie Gründungsmitglieder des Vereins „Begleitetes

Wohnen“ hatten die Erfahrung gemacht, dass trotz Pflege-versicherung viele Bedürfnisse älterer Menschen, die auffremde Hilfe angewiesen sind, nicht befriedigt werden.Abgedeckt werden über die Versicherung pflegerische Leis-tungen. Unterhaltungen, Zuwendung oder Erledigungenaber bleiben außen vor. Doch viele ältere Menschen sindeinsam, ihre sozialen Kontakte sind weggebrochen,Freunde, Bekannte, Verwandte verstorben. Sie sind auf eineUnterstützung angewiesen, die über die Pflege hinausgeht.

Mitte der neunziger Jahre stellte sich daher aus laufen-den Diskussionen ein Kreis befreundeter Studenten inDresden die Frage, wie eine Einrichtung aussehen müsste,die es schafft, durch psychosoziale und soziokommunikati-ve Unterstützung älteren und behinderten Menschen zuhelfen, in ihrem sozialen Umfeld zu bleiben, und zwar ohnesich durch sozialgesetzliche Vorgaben einschränken be-ziehungsweise in unzweckmäßiger Weise verpflichten zulassen.

Bewerber: Begleitetes Wohnen e.V.Anschrift: Elsa-Brändström-Straße 1, 01219 DresdenTel. / Fax: 03 51-3 17 23 23 / 03 51-3 17 23 20E-Mail: [email protected]: www.begleiteteswohnen.deLeitung der Maßnahme: Vereinsvorstand Alexander Spirling, Assistenzarzt für Anästhesie / NotfallmedizinRechtsträger: Begleitetes Wohnen e.V.Initiatoren: Alexander Spirling, Angela Spirling, Ulrich GrundmannPräventive Stärkung von Eigenverantwortung und Eigenkompetenz, Motivation zu Aktivitäten,Zielthemen: zum Beispiel selbst einkaufen oder den Haushalt führenIntegration: Zusammenarbeit vor allem mit gesetzlichen Betreuern, ambulanten und stationären

Pflegeeinrichtungen, Sozialamt, Arbeitsgruppen der Stadt, Dienstleister wie Einkaufsfirmen,Hauswirtschaftsfirmen

Zielgruppen: Ältere Menschen, die aufgrund körperlicher oder seelischer Erkrankungen,Pflegebedürftigkeit oder fehlender sozialer Kontakte auf fremde Unterstützung angewiesen sind

Laufzeit: Seit April 2000, fortlaufend

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 47

den eingesetzt sowie je nach Bedarf und individuellenMöglichkeiten bis zu zehn Ehrenamtliche, die zum Teil alsehemalige studentische Mitarbeiter ihre Bezugspersonennach Abschluss des Praktikums weiter betreuen.

Teils durch werblich-kommunikative Aktionen, insbeson-dere jedoch durch persönliche Empfehlungen kommenInteressenten auf den Verein zu. Grundlage für eineBetreuung ist ein privatwirtschaftlicher Vertrag mit einemindividuell vereinbarten Leistungskatalog (siehe auchFinanzierung).

Das „Begleitete Wohnen“ ist das einzige Betätigungs-feld des Vereins in Dresden. Dessen Mitarbeiter sind rundum die Uhr für ihre Klienten da. So erreichte sie kürzlich amfrühen Morgen folgender Hilferuf: Eine Fünfundsiebzig-jährige, die an Demenz leidet, wollte nach Leipzig fahren.Ihre Tochter setzte sie noch in den Zug, doch die Dame kamnie in Leipzig an. Was genau sich zutrug, kann sie nichterklären. Doch sie muss in Coswig ausgestiegen sein undsich dort ein Taxi zurück nach Dresden genommen haben.Die Tochter, die damit gerechnet hatte, dass ihre Mutterverreist ist, hatte ebenfalls einen Urlaub geplant und konn-te sich deshalb über Ostern nicht um die altersverwirrte

Frau kümmern. Die Tochter rief deshalb beim Verein Be-gleitetes Wohnen an, der die Frau regelmäßig zu Hausebetreut und auch einen Schlüssel hat. Ein Mitarbeiter sorg-te umgehend dafür, dass der Kühlschrank aufgefüllt wurdeund die Dame das Gefühl hat, dass jemand für sie da ist.

Unabhängig von diesem Sondereinsatz sind Mitarbeiterdes Vereins dreimal in der Woche etwa eine Stunde lang beidieser Dame zu Hause: Sie räumen dann zum Beispiel dieWohnung auf, übernehmen Hausarbeiten oder gehen mitihr zum Hausarzt, was sie aufgrund der Demenz nicht mehralleine kann. Die Dame nimmt auch an Veranstaltungenteil, die der Verein zwei- bis dreimal im Monat anbietet, anAusflügen, Museumsbesuchen oder Bastelnachmittagenzum Beispiel. Diese Einladungen, darunter auch Sprach-kurse, Sitztanz, Gedächtnistraining, Gesprächs- und Spiel-kreise werden generell gerne genutzt, selbst von Rollstuhlfahrern, die von einem Fahrdienst sozialerHilfseinrichtungen wie dem Deutschen Roten Kreuzgebracht werden. Manche Teilnehmer holt der Verein selbstab, andere sind noch in der Lage, alleine mit öffentlichenVerkehrsmitteln zu kommen.

Der Dresdner Verein begleitet derzeit laufend ca. 60 älte-

Alexander Spirling und Ulrich Grundmann

Seite 48 | Deutscher Präventionspreis 2005

re Menschen – in ihrer eigenen Wohnung, im Krankenhausoder auch im Pflegeheim. Insgesamt erfolgten seit demJahr 2000 rund 180 Betreuungen, nachdem zuvor Bedarfund passende Angebote in einem Gespräch geklärt wur-den. Die Inanspruchnahme der Leistungen ist individuellunterschiedlich. Zeitlich gesehen, reicht sie von einigenTelefonaten und einem kurzen Besuch im Vierteljahr bis zutäglich ein- und mehrstündigen Besuchen und sonstigenLeistungen.

Nach einem Umzug ins Pflegeheim werden die Klientenüblicherweise weiterhin betreut. Grundsätzlich soll die bis-herige Lebensweise der Menschen so wenig wie möglichverändert werden, vorhandene Ressourcen und Gewohn-heiten werden integriert. Es geht bei jeder Maßnahme umeine ganzheitliche Sicht der Person und ihre speziellenBedürfnisse. Die Begleitung reicht von Haushaltshilfen undEinkäufen, Betreuung im Krankheitsfall, die Organisationmedizinischer und pflegerischer Maßnahmen über Behör-dengänge und Schriftverkehr bis hin zur Organisation einesUmzugs. In alle Planungen sind die Klienten aktiv mit ein-bezogen.

Wenn es keinen anderen Ausweg gibt, bemühen sich dieMitarbeiter des Vereins auch um einen Pflegeplatz, organi-

sieren den Umzug und setzen sich dafür ein, den Einzug insHeim so erträglich wie möglich zu gestalten. Das bedeutetzum Beispiel auch, Dinge mitzunehmen, mit denen derBetreffende wichtige Erinnerungen verbindet. Das könnenein Fotoalbum, ein Kissen oder eine Decke sein. Egal wosich der ältere Mensch befindet, versuchen die Mitarbeiterdes Vereins Begleitetes Wohnen eine Bezugsperson zu sein.Manche besuchen ihn fast täglich im Pflegeheim, reden mitihm, machen kleine Spaziergänge oder Gedächtnistraining.Nicht selten werden die Begleiter zu einer Art Ersatzfamilieund erhalten den älteren Menschen die Lebensfreude.

Ziele und WirksamkeitEs geht den Mitarbeitern darum, die Selbstständigkeit

ihrer Teilnehmer so weit wie möglich zu erhalten. Dazu ver-suchen sie, das Aktivitätsniveau der Klienten zu erhöhen.Wichtigstes Ziel ist es, dass sie sich wenigstens eine gewis-se Zeit an einem Tag wohl fühlen. Bei der Unterstützungeines älteren Herrn im Pflegeheim zum Beispiel wechselnsich zwei Mitarbeiter ab, die der Mann inzwischen alsBezugsperson angenommen hat. Das Bemühen darum, diesubjektive Befindlichkeit eines Menschen zu stabilisierenund zu verbessern, ist objektiv nicht messbar. Doch wird in

Begleitetes Wohnen

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 49

regelmäßigen Gesprächen mit dem Klienten beziehungs-weise dem gesetzlichen Vertreter sowie in Fallbespre-chungen im Team geprüft, ob die verschiedenen Schritteerfolgreich waren, zum Beispiel: Hat sich das Allgemeinbe-finden gebessert? Hat sich der Gesundheitszustand positivverändert oder zumindest stabilisiert? Ist eine soziale Ein-bindung gelungen?

Der Prävention von Rückzugs- und Isolationstendenzendienen die verschiedenen Veranstaltungen wie Ausflüge,Basteln oder ein Englischkurs, den eine achtzigjährigeTeilnehmerin für andere anbietet. Dies wirkt zugleich se-kundären psychischen Erkrankungen wie Depressionenentgegen, die sich leicht aus einer Isolation und Verein-samung ergeben. Ist eine Person durch die regelmäßigeBegleitung besser sozial eingebunden, ist das ein Erfolg.Die Wirksamkeit der Maßnahmen lässt sich jeweils amEinzelfall beurteilen. Es ist zweifelsohne eine Leistung,wenn der Lebensunterhalt einer Person gesichert werdenkonnte, wenn erfolgreich Wohngeld beantragt wurde oderwenn die wichtigen Arztbesuche geregelt sind.

„Begleitetes Wohnen“ soll eine selbstständige Lebens-führung fördern und erhalten. Auch in dieser Hinsicht isteine Beurteilung der Maßnahmen immer nur im Einzelfallmöglich. Zunächst wird mit dem Betreffenden erarbeitet,was er noch selbst kann, zum Beispiel die Wohnung auf-räumen, und wozu er nicht mehr in der Lage ist, alleine ein-kaufen zu gehen etwa. Dann wird nach Lösungen gesucht,Menschen werden beim Einkaufen begleitet oder es wirdein Rollator als Gehhilfe angeschafft. Wenn die Ressourcenermittelt sind, werden sie in den Alltag der Teilnehmer miteinbezogen.

Kooperation und VernetzungDie Mitarbeiter des Vereins „Begleitetes Wohnen“ arbei-

ten eng mit Pflegeheimen sowie Krankenhäusern zusam-men. Der Verein arbeitet darüber hinaus regelmäßig im„Arbeitskreis der Sozialarbeiter in der Altenhilfe“ der StadtDresden mit. Ein ständiger Austausch findet mit demSozialamt statt. So nimmt die Behörde den Kontakt zumVerein auf, wenn die Unterstützung oder Begleitung einesMenschen erforderlich scheint. Das war zum Beispiel beizwei Obdachlosen der Fall, die wieder erfolgreich in dieGesellschaft integriert werden konnten. Ihnen waren dieMitarbeiter nicht nur eine wichtige Bezugsperson, sie

brachten auch das Leben der Obdachlosen wieder in gere-gelte Bahnen. Aber auch umgekehrt wendet sich der Vereinan das Sozialamt, beispielsweise wenn der Lebensunterhalteines Klienten nicht gesichert ist.

FinanzierungDie Finanzierung erfolgt durch die Klienten. Sie zahlen

auf der Basis eines Leistungskatalogs und nach Abschlusseines Betreuungsvertrags die Dienstleistungen des Vereins;das sind monatlich 25 Euro Regelbetrag plus einer Ver-gütung für Sonderleistungen.

Für die häusliche Betreuung sowie für die Unterstützungin Krankenhäusern und Pflegeheimen sind jeweils entspre-chende Leistungen definiert.

Falls der Betreffende dieses Geld nicht aufbringen kann,sucht der Verein nach Lösungsmöglichkeiten. Aufgrund derPersonalstruktur mit Ehrenamtlichen und Praktikantenbesteht zudem ein finanzieller Spielraum, sonst wäre dieArbeit zu diesem Preis sicher nicht zu leisten. Investitionendes Vereins werden überwiegend gesponsert.

ÜbertragbarkeitEs gab in den letzten Jahren immer wieder Interessen-

ten, die etwas Ähnliches initiieren wollten. So haben sichunter anderem Sozialamtsleiter von Stadtverwaltungennach dem Konzept erkundigt. Allerdings sind die angebote-nen Leistungen weder über die Kranken- noch über diePflegeversicherung abzurechnen. Die Sozialhilfe kommt nurin Einzelfällen für die Betreuung auf.

Grundsätzlich jedoch ist das Programm des „BegleitetenWohnens“ bei entsprechend qualifiziertem Personal leichtvon anderen Organisationen zu übernehmen, und überallin Deutschland könnten ähnliche Vereine entstehen. Auchgroße Träger von Altenhilfeeinrichtungen könnten ein sol-ches Angebot schaffen. Der wesentliche Erfolgsfaktor istdas Engagement der haupt- und ehrenamtlichen Mitar-beiter. Nur damit wird „Begleitetes Wohnen“ wirtschaftlichtragfähig.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitSeit Beginn der Tätigkeit wird regelmäßig Öffentlich-

keitsarbeit geleistet. So erarbeitet und vertreibt der Vereinfür das „Begleitete Wohnen“ regelmäßig zielgruppenorien-tierte Falt- und Informationsblätter, die die Angebote näher

Seite 50 | Deutscher Präventionspreis 2005

vorstellen und publik machen. Der Vertrieb erfolgt vor allemüber Betreuer, Pflegeeinrichtungen und Dienstleister.

Für die Klienten, Freunde, Förderer und Dienstleister er-stellt der Verein im Quartal die Vereinszeitschrift „Wege“.Diese enthält neben aktuellen Informationen auch Unter-haltung und Rätsel, die das Gedächtnis anregen sollen.

Ein besonderes Augenmerk richtet der Verein auf dieFahrzeuge als „bewegliche Visitenkarte“.

NachhaltigkeitEs sind nachhaltige Strukturen geschaffen, die ebenso

auf andere Zielgruppen und Regionen übertragbar sind.Die Nachhaltigkeit der Arbeit selbst ist – aufgrund be-schränkter Ressourcen – nicht umfassend genug evaluiert.Einzelfälle wie die Rückkehr aus dem Heim in die eigeneWohnung oder die Wiederaufnahme gesellschaftlicherBeziehungen belegen die Wirksamkeit der Arbeit positiv.

Die systematische Dokumentation macht es möglich,dass die Arbeit auch bei Personalwechsel im Sinne derBetreuten fortgesetzt werden kann. Die Auswahl derMenschen, die durch den Verein eine Unterstützung erfah-ren, beschränkt sich nicht auf die beschriebene Zielgruppe.

Je nach Bedarf handelt der Verein auch, wenn Obdachloseoder jüngere psychisch Kranke seiner Hilfe bedürfen.

Dokumentation und EvaluationFür jeden Teilnehmer wird mit dem Vertragsabschluss

eine Dokumentationsmappe angelegt. Diese enthält nebenPersonalien und Anschrift unter anderem Angaben zurWohnsituation, medizinischen Betreuung, zu Familienver-hältnissen und sozialem Umfeld, zu lebenswichtigenEreignissen und Interessen. Nach jedem Kontakt fertigendie jeweiligen Bezugspersonen ein detailliertes Verlaufs-protokoll an.

Pro Person werden bestimmte Ziele festgelegt, und inbestimmten Abständen wird deren Erfüllung überprüft.Wurde das Angestrebte nicht erreicht, wird nach neuenLösungen gesucht. Die interne Evaluation der Maßnahmenerfolgt im Sinne einer klientenbezogenen Bewertung inwöchentlichen Fallbesprechungen mit dem gesamtenTeam.

Zur internen Evaluation der Leistungsprozesse des„Begleiteten Wohnens“ arbeitet ein hauptamtlicher Sozial-arbeiter mit den Studienschwerpunkten Sozial- und Quali-

Begleitetes Wohnen

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 51

Laudatio

Wenn du willst, dass die Menschen Brücken bauen, dann lehre sie die Sehnsucht nach der

anderen Seite. Wir wissen nicht, wer der Lehrer war – ein Mentor, ein Professor vielleicht –,

dem es gelang, Mitte der 90er Jahre in Dresden diese Sehnsucht in einem befreundeten

Studentenkreis zu wecken.

Die Freunde machten sich Gedanken, welcher psychosozialen und soziokommunikativen

Unterstützung ältere und behinderte Menschen zum Verbleib in ihrem eigenen Umfeld

bedürfen – wir wissen, was der Verbleib in der vertrauten Umgebung für ältere Menschen

bedeutet! Sie verglichen ihr ideales Ergebnis mit der realen Seite des Lebens und kamen zu

dem ernüchternden Schluss, dass die institutionelle Bedarfsdeckung in unserem Sozialsystem

zu stark auf Leistungen fokussiert ist, die bezahlt werden, und damit jene Bedürfnisse außer

Acht lässt, deren Befriedigung nicht entlohnt wird.

An sich war und ist dies noch heute kein neuer Befund, er ließe sich sogar spielend auf

andere Bereiche unseres sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens erweitern.

In der Regel werden diese Befunde – je nach Betroffenheit – mit Achselzucken, Bedauern

oder Rechtfertigung abgetan. Dass dies in Dresden nicht ebenso passierte, ist das Besondere

und veranlasst uns heute zu dieser Ehrung.

Die damaligen Studenten Alexander Spirling, seine Frau und seine Freunde, unter ihnen

auch Ulrich Grundmann, beließen es nicht bei dem Befund, sie kamen zu dem Entschluss,

eine Einrichtung zu schaffen, die ältere und behinderte Menschen in ihrem Wohnumfeld so

begleitet, dass sie dort verbleiben und in ihren Bedürfnissen befriedigt werden, ohne sich

durch die sozialgesetzlichen Vorgaben einschränken bzw. in unzweckmäßiger Weise ver-

pflichten zu lassen.

Diese für sie selbst und einige ihrer Mitarbeiter heute noch ehrenamtliche Initiative haben

sie inzwischen um eine privatwirtschaftliche Unternehmung namens „Begleitetes Wohnen

e.V.“ erweitert, die vier Diplom-Psychologen, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen vollzeitig

beschäftigt. Fachlich qualifiziert, umfassend dokumentiert, beeindruckend aufgearbeitet, ver-

netzt mit weiteren Dresdner Einrichtungen, integriert in ergänzende Pflege und Versorgung

ermöglicht „Begleitetes Wohnen“ älteren Menschen heute ein eigenständiges und selbst-

verantwortliches Leben in eigener Häuslichkeit bzw. stationären Einrichtungen.

Diese Menschen äußern große Zufriedenheit mit den praktischen Haushalts-, Weck-,

Erinnerungs-, Fahr-, Begleit-, Einkaufs-, Versorgungs-, Korrespondenz-, Antrags- und

Vermittlungsdiensten, vor allem jedoch empfinden sie in den Besuchen und Gesprächen, dem

sozialen Einbezug und der Mitarbeiter eine große Befriedigung des Beachtetwerdens und

Beteiligtseins.

Für sie haben Ulrich Grundmann, Alexander Spirling, seine Frau, Freunde und Mitarbeiter

eine wichtige Lebensbrücke gebaut, und sie konnten damit auf die andere Seite gelangen.

Wer sie dort sieht, den könnte auch die Sehnsucht packen, und möglicherweise wird dann

einer beginnen, eine neue Brücke zu bauen, vielleicht einer von Ihnen?

Herr Spirling und Herr Grundmann, wir danken Ihnen stellvertretend für Ihren Brücken-

schlag in eine bessere Zukunft!

Dr. Beate Robertz-Grossmann,Jurorin

tätsmanagement an einem Qualitätshandbuch. Für eineexterne Evaluation werden strukturierte Gespräche mitBeteiligten und Dienstleistern genutzt. Außerdem werdenneue Praktikanten nach einiger Zeit gebeten, die Arbeit desVereins zu beurteilen. So entstanden mehrere Praktikums-und Diplomarbeiten, die sich mit der Arbeit auseinander setzen.

ZukunftsperspektivenDer Verein „Begleitetes Wohnen“ denkt zurzeit darüber

nach, wie die Zahl der Festangestellten erhöht werdenkönnte. Denn die Nachfrage nach diesem Betreuungsange-bot wächst stetig, und der Verein möchte dem nachkom-men.

In diesem Zusammenhang wird beraten, welche Projektedie finanzielle Lage des Vereins verbessern könnten. In derDiskussion ist ein Engagement in der Erwachsenenpäda-gogik.

Der Verein will sich qualitativ und quantitativ weiterent-wickeln. Dass die Mitglieder merken, wie stark sie ge-braucht werden, empfinden sie als großen Ansporn. Auf dieFrage: „Warum sind Sie noch immer dabei?”, antworteteein Gründungsmitglied ganz spontan: „Weil es immer nochso viel Spaß macht!“

Seite 52 | Deutscher Präventionspreis 2005

Nominierte MaßnahmegEMiDe

Integration selbst in die Hand nehmen

BeweggrundHinter dem Projekt stehen sehr persönliche Erfahrungen

der Initiatorin und objektive Notwendigkeiten. In Hannoverleben fast 510.000 Menschen, gut 75.500 haben eineandere Staatsangehörigkeit als die deutsche. Zwar respek-tieren sich die verschiedenen Nationalitäten weitgehendgegenseitig, doch Berührungspunkte bleiben meist aufMusik- oder ähnliche Kulturereignisse beschränkt. Die Kommunikation im täglichen Leben findet zwischen Ein-heimischen und Zugewanderten in der Regel ausschließlichauf geschäftlicher Ebene statt. Und weil sie die deutscheSprache nicht beherrschen, leben viele Migranten in Deut-schland isoliert.

Hülya Feise kommt aus Ankara und lebt seit zehn Jahrenin Deutschland. Anfangs hat sie sich nur unter ihrenLandsleuten bewegt, weil sie kein Deutsch konnte. An die-ser Situation wollte sie etwas ändern, setzte bei dem an,

was sie aus ihrer Heimat kannte. Das war die ehrenamt-liche Arbeit, zum Beispiel mit Straßenkindern und beimRadio. Darauf wollte sie aufbauen und auch in Hannoverehrenamtlich tätig werden. Weil sie jedoch die deutscheSprache nicht beherrschte, blieben ihre Versuche bei ver-schiedenen Organisationen vergeblich. Erst nachdem FrauFeise Deutsch gelernt hatte, konnte sie in der deutschenGesellschaft Fuß fassen. Sie begann aus der Isolation aus-zubrechen und sich selbst zu integrieren, arbeitete inWohlfahrtsverbänden und Selbsthilfeorganisationen. „Daswar für mich eine große Entwicklung.“ Diese Erfahrungwollte sie anderen Migranten weitergeben und beschloss,auch ihre Landsleute zu unterstützen.

Im Jahr 1999 begann sie mit einem Projekt für die Inte-gration türkischer Frauen („Lachendes Gesicht“). Als sie er-kannte, dass es nicht genügt, türkische Frauen mit ihres-gleichen zusammenzubringen, öffnete sie die Zielgruppefür andere Migranten und Deutsche.

2001 entstand daraus das Projekt „gEMiDe“, das sie bei

Bewerber: Modellprojekt zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements von Migrantinnen und eingebürgerten Deutschen durch ehrenamtliche Tätigkeit (Modellprojekt gEMiDe)

Anschrift: Wilhelm-Bluhm-Straße 20, 30451 HannoverTel. / Fax: 05 11-2 13 53 63 / Fax 05 11-2 13 35 29E-Mail [email protected] Web: www.bteu.deLeitung der Maßnahme: Hülya Feise, Diplom-SozialpädagoginRechtsträger: Bund Türkisch-Europäischer Unternehmer e.V. (BTEU)Initiatorin: Hülya FeisePräventive Gegenseitige Integrationsbereitschaft zwischen Migranten und Deutschen fördern,Zielthemen: ehrenamtliche Tätigkeit als Notwendigkeit in der Gesellschaft und zur Stärkung von

Eigenkompetenz und Eigenverantwortung sowie zur Förderung individueller Fähigkeiten,Angebot von Bewegungs- und Ernährungsmaßnahmen

Integration: Jugendtreff Linden-Nord, Kulturbüro Linden-Süd, Volkshochschule Hannover,Informations- und Koordinationsstelle für ehrenamtliche Mitarbeit, DiakonischerBetreuungsverein, Evangelische Fachhochschule Hannover, Bildungsverein Hannover,Netzwerke, Sportjugend im Landessportbund Niedersachsen

Zielgruppen: Alle Migranten und eingebürgte Deutsche; zurzeit sind 60 Prozent der TeilnehmerInnenüber 50 Jahre alt, gEMiDe ist offen für alle

Laufzeit: Seit Juli 2001; das Projekt wird jährlich verlängert und bei der LandeshauptstadtHannover genehmigt

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dem Träger „Initiative für internationales Kulturzentrum“ansiedelte. Als die Teilnehmerzahl auf 54 ehrenamtlichAktive wuchs und neue Strukturen erforderlich wurden,wurde das Projekt ab dem 1. April 2004 im Benehmen mitder Stadt Hannover auf den heutigen Träger „BundTürkisch-Europäischer Unternehmen“ (BTEU e.V.) übertra-gen.

Beschreibung der MaßnahmeDas Modellprojekt bildet eine Schnittstelle zwischen Mi-

granten, die an ehrenamtlicher Arbeit interessiert sind, undEinheimischen, die einsam, an neuen Kontakten interessiertoder auf fremde Hilfe angewiesen sind. Die Voraussetzungfür den Einsatz der Ehrenamtlichen schafft Frau Feise,indem sie Migranten in ihrem Umfeld aufsucht. Sie gehtdurch das Stadtviertel, schaut auf die Namen auf denWohnungsklingeln und findet auf diese Weise ihreTeilnehmer („Ehrenamtliche“). Alternativ besucht sie Orte,an denen Migranten anzutreffen sind, wie Schulen,Kirchengemeinden und Kindergärten. Sie verwickelt dieFrauen dann in ein Gespräch, stellt sich vor und fragt, obsie Interesse an einem Deutsch-Kurs haben, den „gEMiDe“mit der Volkshochschule entwickelt hat. Oder sie lädtMütter in die Frauengruppe ein. Während dieser wöchent-lichen Treffen werden Aufgaben koordiniert; es wirdbesprochen, wer sich für welche Tätigkeit interessiert undeignet. In der Runde werden die Frauen zudem motiviert,ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu nutzen undKompetenzen einzubringen. Ziel ist es, dass bei der freiwil-ligen Arbeit die persönliche Entwicklung nicht aus demBlickfeld gerät. Die Tätigkeiten wechseln, um die ehren-amtliche Tätigkeit attraktiv zu erhalten.

Besuchsdienste werden in dem Projekt groß geschrie-ben. Das kann im Pflegeheim sein, damit ältere, einsameMenschen eine Ansprache haben, oder bei überfordertenMüttern, deren Kinder gehütet werden. Andere geben im

Alphabetisierungskurs türkischen Frauen Unterricht, dieweder lesen noch schreiben können.

Oft stellt Frau Feise den Kontakt zu Organisationen her,die ehrenamtliche Mitarbeiter suchen. Inzwischen kommenInstitutionen aber auch von sich aus auf „gEMiDe“ zu. Diesergibt sich aus der Zusammenarbeit mit Netzwerken undzahlreichen Organisationen. Das Spektrum dessen, was die insgesamt 97 ehrenamtlichen Mitarbeiter (vor allemMigranten), die in dem Projekt betreut werden, leisten, istgroß. Sie übersetzen mündlich Informationsmaterial, sielesen Kindern Märchen vor oder betreuen Flüchtlinge. Siebegleiten alte Menschen zum Arzt oder zum Friseur, helfenbeim Ausfüllen von Formularen, erledigen kleine Besor-gungen und informieren über Drogen.

Zu den Tätigkeiten werden ihnen Weiterbildungsmög-lichkeiten und fachliche Beratung angeboten. So werdenMigranten an andere Institutionen vermittelt und dort ent-sprechend geschult. Ein Beispiel: Drei ehrenamtliche Mitar-beiterinnen wollten sich über Drogen informieren, weil inihren Familien oder im Bekanntenkreis jemand suchtge-fährdet oder bereits abhängig war. Sie wurden zu Semi-naren und Fortbildungsveranstaltungen über Drogen, derenWirkungen, Gefahren und Suchtpotenziale geschickt.

Von Anfang an waren auch ältere Migrantinnen zwi-schen 54 und 75 Jahren dabei, die aufgrund von psychi-schen oder psychosomatischen Leiden zu Frührentnerinnengeworden waren. Sie verließen ihre Wohnung kaum, abergingen sehr oft zum Arzt. Durch ehrenamtliche Arbeitenhaben sie sich geöffnet und Selbstbewusstsein aufgebaut.Wenn sie jetzt zum Arzt gehen, dann nur, wenn sie tat-sächlich krank sind. Viele haben – erst im Alter – Deutschgelernt, um sich gesellschaftlich engagieren zu können.

Aufgrund der wachsenden Teilnehmerzahl wurdeninzwischen neun ehrenamtliche Gruppenleiter zur Entlas-tung der Projektleitung und zum strukturellen Aufbau desProjekts geschult.

gEMiDe

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Ziele und WirksamkeitZiel des Projekts ist die Integration von Migranten. Der

Weg hierfür ist die „ehrenamtliche Tätigkeit“ nach demMotto „wer anderen hilft, hilft sich selbst“.

In der ehrenamtlichen Arbeit entfällt das Geschäfts-mäßige einer Beziehung; Migranten und Einheimischehaben die Möglichkeit, ihr eigenes Potenzial zu entfaltenund sich vorurteilsfrei, gleichberechtigt und auf gleicherAugenhöhe zu begegnen. Ziel ist es, das ehrenamtlicheEngagement und damit die Integration und gegenseitigeAkzeptanz zu fördern. Der Wunsch nach Integration sollvon beiden Seiten kommen.

„gEMiDe“ wurde 2002 „für vorbildliches Engagementbei der Integration von Zuwanderern“ im „Wettbewerb zurIntegration von Zuwanderern“ vom Bundespräsidentenund der Bertelsmann Stiftung ausgezeichnet. Im „DialogGlobal – Leitfaden für die interkulturell kompetente Kom-mune“ wurde „gEMiDe“ als Good-Practice-Projekt fürinterkulturelle Kompetenzvermittlung in Deutschland auf-geführt.

In Zahlen lassen sich die Erfolge nicht messen. Doch gibtes viele positive Rückmeldungen von Institutionen undEinzelpersonen. Eine Türkin zum Beispiel, die vor zweiein-halb Jahren nach Hannover gekommen war, beherrschtjetzt die deutsche Sprache und ist Elternvertreterin in derSchule geworden.

Einige genießen es, nicht mehr als Ausländer beurteilt zuwerden, sondern als ein Mensch, der etwas tut. So berich-tet eine Frau: Seit sie als freiwillige Lehrerin arbeite, stelleman ihr plötzlich Fragen zu ihrer Arbeit, etwa: „Wie ist es,mit Analphabeten zu arbeiten?“

Es geht auch darum, Freundschaften aufzubauen. Da istdie Fünfzigjährige, die in der Türkei in gehobener Positiontätig war und in Deutschland aufgrund mangelnder Sprach-kenntnisse in einer Fabrik arbeitete. Sie brachte Frau Feise

mit einer Deutschen zusammen, die aus beruflichenGründen Türkisch lernen musste und sich an sie gewandthatte. Zunächst hatten beide Frauen ihre Vorbehalte, inzwi-schen sind sie Freundinnen geworden, unternehmen vielzusammen und kochen gemeinsam. Die Arbeit der ehren-amtlich bei „gEMiDe“ Tätigen hat somit einen doppeltpositiven Effekt: Sie nutzt der Gesellschaft und hilft denMigranten, mit der Gesellschaft in Kontakt zu kommen.

Kooperation und VernetzungEs gibt eine Vielzahl von Kooperationen und Vernetzun-

gen. Das Projekt ist an kommunalen und Integrationsnetz-werken beteiligt, steht mit Kommune, Sozialeinrichtungenund Wohlfahrtsverbänden in Kontakt und wird inzwischenauch von anderen Kommunen und Organisationen interna-tional nachgefragt (siehe Übertragbarkeit). Weiterhin sindFrau Feise und Ehrenamtliche in Netzwerken tätig, unter-halten Kontakte zu kommunalen Organisationen und stellenihr Projekt in anderen Kommunen und Organisationen vor.

Das jüngste Projekt ist aus der Zusammenarbeit mit demLandessportbund Niedersachsen entstanden. Dieser bildetehrenamtliche Mitarbeiter zu Übungsleitern für zwei Kurseaus, die besondere Rücksicht auf die Bedürfnisse vonMusliminnen nehmen, zum Beispiel, dass diese Mädchenihren Körper nicht zeigen und beim Sport nicht gesehenwerden möchten. Um die Intimität zu wahren, wurde einRaum für den Sportunterricht gewählt, der die Mädchenund Frauen vor unerwünschten Blicken bewahrt.

Beliebt sind bei Migranten die Kurse, die Mitarbeiter von„gEMiDe“ gemeinsam mit der Volkshochschule Hannoverfür ihre spezielle Zielgruppe ausgehandelt haben.

Es werden Referenten eingeladen oder besucht, um sichüber die Tätigkeiten anderer Vereine zu informieren. Beiden Ehrenamtlichen handelt es sich überwiegend umTürkisch Sprechende, aber es sind zunehmend auch Irane-

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rinnen und Russinnen (Spätaussiedlerinnen) sowie Frauenaus Irak, Iran, Aserbaidschan, Turkmenistan und Georgiendabei. Fünf Deutsche sind ebenfalls darunter. Auch Männer,oft Ehemänner, Verwandte und Bekannte engagieren sich,indem sie Transporte übernehmen oder bei Veranstaltungenmithelfen. Jene, die in Deutschland zur Schule gegangensind, übernehmen Büroarbeiten bei „gEMiDe“.

FinanzierungDie Stadt Hannover finanziert die 75-Prozent-Stelle von

Frau Feise und Sachmittel. Der Verein BTEU leistet organi-satorische und werbliche Hilfestellung.

ÜbertragbarkeitJede andere Stadt kann sich an dem Konzept orientieren,

um über das Ehrenamt die Integration von Migranten zufördern. Es gab bereits viele Anfragen von anderen Städten,selbst aus dem Ausland. Die erste Stadt, die sich für dasModell interessierte, war Zürich, wo Hülya Freise ihr Projektvorstellte. Weitere Vorträge folgten, so nach Berlin, Mainz,Osnabrück und Stuttgart. Frau Feise referiert auf Tagungen,bietet Workshops an und gibt konkrete Tipps, wie Men-schen für eine ehrenamtliche Tätigkeit gewonnen werdenkönnen.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitÜber das Modellprojekt zur Förderung des gesellschaft-lichen Engagements von Migrantinnen und eingebürgertenDeutschen durch ehrenamtliche Tätigkeit wurde in unregel-mäßigen Abständen in verschiedenen Medien berichtet,zum Beispiel:• Hannoversche Allgemeine Zeitung, Elisabeth Voss,

11. 7.2002• Dialog Global – Schriftenreihe der Servicestelle

Kommunen in der Einen Welt / InWent gGmbH, Heft 6:„Faires Miteinander, Leitfaden für die interkulturell kompetente Kommune 2012“, Bonn, August 2003,S. 59-60

NachhaltigkeitDie Mitarbeiter des Modellprojekts sind auf der Bundes-

ebene aktiv, um auf ihre Bemühungen und das Thema auf-merksam zu machen (Bundesnetzwerk bürgerschaftlichesEngagement).

Ein Stamm ehrenamtlicher Mitarbeiter ist von Anfang anbei dem Projekt, damit ist eine Kontinuität der Tätigkeitengewahrt, die zugleich stetig weiterentwickelt werden. Nachdem Schneeballsystem verbreiten sich die Integrations-Ideen, indem Mitarbeiter anderen Menschen davon erzäh-len, Bekannten, Freunden, Verwandten und allen Interes-sierten.

Dokumentation und EvaluationHülya und Eric Feise haben ihre Diplomarbeiten als So-

zialpädagogen über das Projekt geschrieben.Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit der Stadt Han-

nover besuchen Vertreter des Migrationsausschusses derLandeshauptstadt sowie Vertreter der kommunalenParteien in unregelmäßigen Abständen die Mitarbeiter von„gEMiDe“.

Seit April 2004 sind zeitweise Studentinnen derEvangelischen Fachhochschule Hannover im Rahmen desStudiengangs „Sozialwesen“ jeweils für ein Jahr bei„gEMiDe“ tätig. Eine systematische Dokumentation undEvaluation gibt es noch nicht.

ZukunftsperspektivenDie Menschen, die an dem Modellprojekt mitwirken,

haben sich persönlich weiterentwickelt und in die Gesell-schaft integriert. Diese Erfahrungen sollen weitergegebenwerden, sodass sich mehr Bürger für die Integration enga-gieren. Die Initiatorin des Modellprojekts hofft, dass Mi-granten in Deutschland durch eine Verbreitung ihresKonzepts ernst genommen werden und Einheimische inihnen nicht ausschließlich Ausländer sehen, sondern Men-schen, die an der Gesellschaft teilhaben. Das soll künftigselbstverständlich sein.

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Nominierte MaßnahmeBeratungsservice Wohnraumanpassung

Wohnen ohne Stolperfallen

BeweggrundAls sich Professor Kreuter 1995 für eine Professur an der

Hochschule Magdeburg-Stendal bewarb, sollte er einenProbevortrag zur „Installierung neuer Projekte“ halten. Erentschied sich aus persönlicher Betroffenheit für das Thema„Prävention im Alter“ mit dem Schwerpunkt der Wohn-raumanpassung, da er sich schon damals mit dem Zusam-menhang von Wohnen, Bauen und Gesundheit befasste.Werden ältere Menschen nach ihren Wünschen gefragt, sonennen sie an erster Stelle fast immer, dass sie in den eige-nen vier Wänden wohnen bleiben möchten. Außerdem ver-bringt ein über Fünfundsechzigjähriger statistisch betrach-tet doppelt so viel Zeit in seiner Wohnung wie ein Vierzig-jähriger.

Beschreibung der MaßnahmeAn der Hochschule Magdeburg begann Professor

Kreuter mit einem kleinen studentischen Team mit ersten,vereinzelten Beratungen und der Erarbeitung eines

Konzepts, das sich in der Arbeit des Vereins Aktivitasniederschlug.

Die Pflegekasse der AOK Sachsen-Anhalt erkannte dieNotwendigkeit der Wohnraumanpassung und Nützlichkeitder Hochschularbeit und förderte 2000/2001 die Pilot-phase in Form eines Modellprojekts der Hochschule: denBeratungsservice „Wohnraumanpassung“, der in einemvon der Hochschule neu gegründeten Selbsthilfe-Kontakt-büro für Prävention im Alter – kurz PiA – durchgeführtwird.

PiA unterstützt ältere und behinderte Menschen beim„barrierefreien Umbau“ ihrer Wohnung. Dabei reicht dieHilfe von der Analyse der Wohnsituation und des Anpas-sungsbedarfs über das Einholen von Angeboten, die finan-zielle Beratung zur Erlangung von Fördermitteln bis zurAbnahme der Umbaumaßnahmen. Die Inanspruchnahmedieser umfassenden Beratung und Begleitung ist für Ver-sicherte der AOK-Pflegekasse seit 2002 kostenfrei, seitherwird die Wohnungsanpassung als Routineleistung von PiAin Zusammenarbeit mit der Pflegekasse der AOK Sachsen-Anhalt angeboten.

Bewerber: Hochschule Magdeburg-Stendal mit dem Selbsthilfe-Kontaktbüro für „Prävention im Alter“ (PiA)

Anschrift: Breitscheidstraße 2, 39114 MagdeburgTel. / Fax: 03 91-8 86 43 09 / Fax 03 91-8 86 42 93E-Mail: [email protected]: www.hs-magdeburg.deLeitung der Professor Dr. Hansheinz Kreuter, Diplom-Volkswirt (wissenschaftlicher Leiter),Maßnahme: Yvonne Jahn, Dipl.-Gesundheitswirtin (verantwortlich für die Wohnraumanpassung)Rechtsträger: Hochschule Magdeburg-Stendal (FH)Initiatoren: Professor Dr. Hansheinz KreuterPräventive Selbstständigkeit im Alter, Leben in der eigenen WohnungZielthemen: und Verhinderung einer Einweisung ins PflegeheimIntegration: Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Sachsen-Anhalt, Ministerium für Bau und

Verkehr des Landes, Versorgungsämter, Sozialämter, Wohlfahrtsverbände,Selbsthilfegruppen, Gesundheitseinrichtungen, Behindertenverbände, Behörden

Zielgruppen: Menschen, für die das Verbleiben in der eigenen Wohnung zunehmend problematischwird, das sind vor allem ältere Mitbürger, aber auch Menschen mit einer Behinderung

Laufzeit: Kooperation mit der AOK seit dem Jahr 2000; zunächst befristet bis Ende Juni 2005 –über eine Verlängerung des Projekts wird jedes Jahr neu verhandelt

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Im Einzelnen beinhaltet die Arbeit von PiA zur „Wohnungs-anpassung“ das folgende prototypische Set von Strategien,Methoden und Aktivitäten:• Durch mediale Aktionen in Printmedien (ausführliche

Berichte Tageszeitungen, Wochenblätter, Fachzeitschrif-ten), in Rundfunk und Fernsehen sowie durch Ausstel-lungen, Tagungen und Informationsveranstaltungen wirddie Bevölkerung über die Chancen und Möglichkeitender Wohnraumanpassung informiert.

• Information und unabhängige Beratung per Telefon, imBüro des Projekts und der eigens für diese Zwecke ge-schaffenen „barrierefreien“ Musterwohnung für poten-zielle Klienten und deren Angehörige. Die etwa 60Quadratmeter große Musterwohnung mit Wohnzimmer,Schlafzimmer, Küche, Bad ist mit Mitteln von Unterneh-men ausgestattet, die in Zusammenarbeit mit PiA Wohn-raumanpassungen vornehmen, und zeigt die für barrie-refreies Wohnen wichtigen Elemente, zum Beispiel einerollstuhlgerechte Küche mit höhenverstellbarenSchränken.

• Individuelle Beratung mit Hausbesuch, um die Wohn-situation zu analysieren und Vorschläge einer möglichenAnpassung zu machen.

• Einholen von Angeboten für Anpassungsmaßnahmenund Hilfen bei der Entscheidung.

• Beratung zur Inanspruchnahme von Fördermitteln undUnterstützung bei Formalitäten.

• Begleitung der Umbauarbeiten und Unterstützung beider Abnahme der abgeschlossenen Wohnungsanpas-sung.

• Fortsetzung des Kontakts für Rückfragen oder andereWünsche.

Diese skizzierten Leistungen werden von zwei haupt-amtlichen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, studenti-schen Kräften und der Projektleitung erbracht. Studierendedes Fachbereichs Sozial- und Gesundheitswesen derHochschule Magdeburg-Stendal sind stark in die Projekt-arbeit eingebunden. Projektarbeit ist obligatorischerBestandteil des Hauptstudiums über mindestens drei Se-mester. Damit sind durchschnittlich etwa zehn Studenten indie präventiven und evaluierenden Aktivitäten von PiAinvolviert. Studenten, die sich besonders bewährt haben,können anschließend auch die obligatorische ein- oder

zweisemestrige Praxisphase im Projekt absolvieren. Aufdiesem Weg übernahm Frau Jahn als Diplom-Gesund-heitswirtin die erste finanzierte Stelle. Später ist eineKommilitonin dazugekommen, die jetzt ebenfalls fest ange-stellt ist.

Die Wohnungsanpassung als Hauptaufgabe von PiA isteingebettet in ein Set präventiv ausgerichteter Aktivitäten,welche der Vernetzung von Angeboten für ältere Menschenin der Region dienen. So ist im Jahr 2000 ein Netzwerk auf-gebaut worden, an dem sich unter anderem das Minis-terium für Bau und Verkehr des Landes, die AOK Sachsen-Anhalt, Sanitätshäuser, Einrichtungshäuser und DeutschesRotes Kreuz beteiligen (siehe Kooperation und Vernetzung).Somit wissen alle Beteiligten, wo beispielsweise qualifizier-te Handwerker in erreichbarer Nähe zu finden sind und woes die gewünschten Teile für Umbaumaßnahmen gibt.

Ziele und WirksamkeitDie Arbeit von PiA ist vor allem darauf ausgerichtet, die

Gesundheit älterer und behinderter Menschen zu fördern,ihre Lebenszufriedenheit zu steigern und Beeinträchtigun-gen zu mildern. Um das zu erreichen, werden strategischeMaßnahmen eingesetzt, die Unfällen und Krankheiten vor-beugen und der Verschlechterung von Krankheitsbildernentgegenwirken sollen.

Wenn die Wohnung eines in die Pflegestufe I eingrup-pierten Menschen entsprechend umgebaut wird, erhält daslänger seine Selbstständigkeit und die Unterbringung in einHeim wird hinausgezögert. Im Falle eines Mannes, der sichnur noch mit einer Gehhilfe fortbewegen kann, wäre dieszum Beispiel die Beseitigung von Schwellen und schlechtverklebten Teppichen; zudem würde eine barrierefreieDusche gebaut, die leichter zu benutzen und wenigergefährlich ist.

Seit dem Jahr 2000 erfolgten im Rahmen des ProjektsPiA gut 700 Beratungen von in der AOK versicherten älteren Menschen inklusive intensiver Betreuung und Haus-besuchen (bei nach Aussagen der Pflegekasse rund 2.000Anträgen). Aus den Beratungen ergaben sich über 300 ab-geschlossene Wohnungsanpassungen im Sinne der Schaf-fung eines barrierefreien Zuhauses. Etwa 1.700 Personenbesuchten bisher die Informationsveranstaltungen von PiA.

Wird der Umzug ins Pflegeheim verhindert beziehungs-weise hinausgezögert, spart das Geld für die Pflege- und

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Beratungsservice Wohnraumanpassung

Sozialkassen. Eine Befragung von rund 300 Klienten überdie Zufriedenheit mit der Arbeit von PiA hat ergeben, dass95 Prozent mit dem Service sehr zufrieden waren.Viele füh-len sich sicherer und wohler in ihrer Wohnung; sie habenerkannt, dass sie jetzt weniger unfallgefährdet sind. Weilalte Menschen oft einsam sind, haben sie das Gefühl,intensiv betreut zu werden, sehr genossen.

Eine wissenschaftliche Untersuchung zu konkretenKosteneinsparungen und dem Nutzen für die Klienten istgeplant. Zwecks finanzieller Förderung gibt es Gesprächemit dem Bundesfamilienministerium.

Kooperation und VernetzungEs besteht eine enge Zusammenarbeit mit der AllgemeinenOrtskrankenkasse (AOK) Sachsen-Anhalt und demMinisterium für Bau und Verkehr des Landes. Darüber hin-aus sind eingebunden:• die gesetzliche Pflegeversicherung• das Landesamt für Versorgung und Soziales (Integra-

tionsamt)• Amt für Versorgung und Soziales (Schwerbehinderten-

recht / Kriegsopferfürsorge)• Gesetzliche Unfallkassen• Sozialämter• Wohlfahrtsverbände• Selbsthilfegruppen

• Gesundheitseinrichtungen (Apotheken beispielsweise)• Behindertenverbände• Betreuungsbehörde

FinanzierungNach § 40 SGB 11 fördern die gesetzlichen Pflegekassen

die einzelnen Maßnahmen zur Wohnraumanpassung miteinem Betrag von maximal 2.557 Euro, sofern der Be-treffende pflegebedürftig ist und entsprechend eingrup-piert wurde. Die durchschnittlichen Kosten der vergange-nen Jahre liegen bei 4.000 Euro (ohne den Wert der Bera-tungsleistung von PiA).

Der für AOK-Versicherte der Pflegestufen I bis III kosten-freie und umfangreiche Beratungsservice wird aus Eigen-mitteln der Hochschule Magdeburg-Stendal und durch dieAOK Sachsen-Anhalt finanziert. Ohne diese Unterstützungmüsste von den Klienten für die Beratungen Geld verlangtwerden, was diese sich in der Regel aber nicht leistenkönnten. Da über 80 Prozent der Pflegebedürftigen inMagdeburg Mitglied der AOK sind, ist der Beratungsserviceweitgehend abgedeckt. Versicherte anderer Kassen erhal-ten das erste Gespräch zwar ebenfalls kostenfrei, nicht aberdie intensive Betreuung, für die Versicherte anderer Kassenselbst aufkommen müssen. Der Betrag richtet sich nachdem Umfang der Unterstützung.

Die Mitarbeiter des Selbsthilfe-Kontaktbüros (zweiDiplom-Gesundheitswirtinnen, unterstützt durch zehn Stu-denten) sowie Räume und Büromittel werden von derFachhochschule gestellt und finanziert.

ÜbertragbarkeitHinsichtlich des regionalen Transfers wurde bereits beim

Übergang von der Pilot- in die Routinephase der Nachweisder Übertragbarkeit erbracht. In den Jahren 2000 und 2001waren Magdeburg und der Landkreis Jerichower LandErprobungsregion des Modellvorhabens. Als Vergleichs-region wurden Halle und der Landkreis Merseburg-Querfurtausgewählt. Mit Beginn der Routinephase wurde dasProjekt sukzessive in weitere Räume des Landes Sachsen-Anhalt transferiert. Bis zum Ende des Jahres 2004 war dasBeratungsangebot auf ganz Sachsen-Anhalt ausgedehnt,wobei jedoch unterschiedliche Intensitäten der Inanspruch-nahme zu konstatieren sind. Diese ergeben sich allein aus

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 59

logistischen Gründen mit wachsender Entfernung des PiA-Beratungsbüros und der Musterwohnung in der InnenstadtMagdeburgs. Das allerdings könnte leicht durchAufstockung des Personals und intensivere Reisetätigkeitsowie eine Kooperation mit zusätzlichen Netzwerkpartnernkompensiert werden. Dem Wohnungsanpassungsprojektmit „Low-budget“-Ausstattung sind damit deutlich Gren-zen gesetzt. Vom Grundsatz her ist das Angebot jedochproblemlos transferierbar.

Bundesweit ließen sich nach § 40 SGB 11 derartigeKooperationen installieren. Professor Kreuter will mitAllgemeinen Ortskrankenkassen in andern Bundesländernund anderen Hochschulen sprechen, um ähnliche Projekteanzustoßen. Dabei wird sich der Wissenschaftler zunächstauf die neuen Bundesländer konzentrieren, weil zahlreicheErhebungen dort einen erheblich größeren Bedarf als imWesten ermittelt haben.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitDas Programm wurde von Anfang an durch Öffentlich-

keitsarbeit gefördert. Es gab Veröffentlichungen in lokalenZeitungen (zum Beispiel Volksstimme, MitteldeutscheZeitung), in Mitgliederzeitungen (zum Beispiel Wohnungs-unternehmen, Krankenkassen); des Weiteren die Infor-mationsbroschüre „Wohnen zu Hause“ (herausgegebenvon der Hochschule Magdeburg-Stendal, der Pflegekassebei der AOK Sachsen-Anhalt, dem LandesförderungsinstitutSachsen-Anhalt und dem Ministerium für Bau und VerkehrSachsen-Anhalt) und die Informationsbroschüre „Wohn-umfeldverbessernde Maßnahmen“ (herausgegeben vonder Pflegekasse der AOK Sachsen-Anhalt unter Mitwirkungder Hochschule Magdeburg-Stendal)

NachhaltigkeitDurch das auf Nachhaltigkeit ausgelegte Projekt ist das

Thema in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. AndereFörderungsmöglichkeiten sollen erschlossen, mehr Verant-wortliche für die Notwendigkeit der Wohnraumanpassungim Alter sensibilisiert werden, denn der gegenwärtigeBestand an Wohnraum ist auf Bedürfnisse älterer Men-schen nicht ausgerichtet.

Dokumentation und EvaluationJeder einzelne Fall wird nach einem einheitlichen Muster

dokumentiert. Diese Daten werden monatlich an die AOKweitergegeben.

Es werden jedes Jahr umfassende Gesamtberichte mitEvaluation der Berichtsbögen geschrieben, und es gibt jähr-lich Zufriedenheitsbefragungen.

ZukunftsperspektivenProfessor Kreuter hofft, dass der Vertrag mit der AOK

weiter verlängert und der Beratungsservice erhalten wer-den kann. Politiker sollen von der Notwendigkeit und demNutzen der Wohnraumanpassung überzeugt werden, damitdiese mit öffentlichen Mitteln unterstützt wird.

Seite 60 | Deutscher Präventionspreis 2005

Nominierte MaßnahmeBewegungs- und Gesundheitsförderung für Hochaltrige

Körperlich fit jenseits der 80

BeweggrundDer Deutsche Turnerbund (DTB) führte im Jahr 2000 eine

Expertentagung zu gesellschaftlichen Umbrüchen undihren Folgen für den Verband durch. Dabei wurden für dieAngebote des DTB drei Bewegungs-Zielgruppen mit unter-schiedlichen Bedürfnissen, Motiven und Verhaltensweisenidentifiziert: Menschen zwischen 30 und 70 Jahren, 70- bis85-Jährige und über Fünfundachtzigjährige. Weil sich zwi-schen 1996 und 2004 eine steigende Zahl ältererMenschen in den Vereinen (ab 60 Jahren) von 73 Prozentergeben hatte, wurde der Beschluss gefasst, passende An-gebote für Ältere zu entwickeln – insbesondere für Hoch-betagte. Gerade die Beweglichkeit dieser Altersgruppe soll-te besonders gefördert werden. So sind viele nicht in derLage, sich beispielsweise alleine die Strümpfe anzuziehen,weil sie nicht auf einem Bein stehen können. Oder es fehltdie Orientierung im Raum, weil der Kopf nicht gedreht wer-den kann. Wer wiederum nicht in der Lage ist, sich auf dieZehenspitzen zu stellen, kommt in der Wohnung nicht an

Gegenstände in oberen Regalen. Vor allem ältere Frauensind oft auf Hilfen angewiesen, weil es ihnen an Kraft fehlt.Sie sind zu schwach zum Treppensteigen oder aus einemSessel wieder aufzustehen, weil die vordere Oberschenkel-muskulatur nicht trainiert ist. Kraft ist der entscheidendeFaktor für die Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit.Kraftverlust muss nicht sein, sondern ist abhängig davon,ob die Muskulatur beansprucht wird. Doch viele alteMenschen sind antriebslos, ziehen sich zurück und sitzenden ganzen Tag in ihrer Wohnung. Aber je weniger jemandkörperlich aktiv ist, umso mehr verlässt ihn die Kraft undumso weniger kann er alleine erledigen. Ein Teufelskreisbeginnt.

Für über Achtzigjährige sind geistige und körperlicheAnregungen unverzichtbar, um ihre Selbstständigkeit zuerhalten und eine Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Sokann ein gezieltes Training von Kraft, Beweglichkeit undKoordination in hohem Maße dazu beitragen, dass alteMenschen ihren Alltag selbstständig bewältigen können.Ein spezielles und an den individuellen Fähigkeiten orien-tiertes Bewegungsprogramm aktiviert das Gehirn und wirkt

Bewerber: Deutscher Turner-Bund e.V. (DTB)Anschrift: Otto-Fleck-Schneise 8, 60528 FrankfurtTel. / Fax: 0 69-67 80 11 72 / Fax 0 69-67 80 11 79E-Mail: [email protected]: www.dtb-online.deLeitung der Maßnahme: Petra Regelin, Diplom-Sportlehrerin Rechtsträger: Deutscher Turner-Bund e.V.Initiatoren: Deutscher Turner-Bund e.V.Präventive Stärkung von Eigenverantwortung und Eigenkompetenz, Förderung von körperlichen,Zielthemen: sozialen und geistig-seelischen Aktivitäten, Ermöglichung von Partizipation,

Umfeldaspekte Integration: Sportwissenschaftler, Ärzte, Alten- und PflegeheimeZielgruppen: Frauen und Männer über 80 Jahre, gesunde, aber auch solche mit alterstypischen

Erkrankungen wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen oder Arthrose, einer Demenz oder Herz-Kreislauf-Erkrankung

Laufzeit: Ausbildung von Multiplikatoren mit dem Ziel „Fit und gesund bis ins höchste Alter“ seit Mai 2004; die Ausbildungen sind fortlaufend

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 61

sich positiv auf die Psyche aus. Deshalb möchte derDeutsche Turnerbund bundesweit und flächendeckendmehr Bewegungsmöglichkeiten für Hochbetagte schaffenund die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aus-schöpfen.

In den Jahren 2001 bis 2003 wurden daher mit Expertenaus Sport, Sportwissenschaft und Altenheimen verschiede-ne Modelle entworfen und erprobt. Es entstand eine erstePublikation, die das Angebot beschrieb. Ende 2003beschloss der Vorstand, dieses noch einmal hinsichtlichgesundheitlicher und präventiver Aspekte zu überarbeitenund daraus ein Angebots- und Schulungskonzept zu ent-wickeln. Daraus entstand das vorliegende Projekt „Bewe-gungs- und Gesundheitsförderung für Hochaltrige“.

Beschreibung der MaßnahmeDas Konzept einer Ausbildung „Bewegungs- und

Gesundheitsförderung für Hochaltrige“ war im Rahmeneines vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauenund Jugend teilfinanzierten Projekts vom Deutschen Turner-bund entwickelt worden. Es umfasst die Schulung vonMultiplikatoren sowie drei Modell-Ausbildungen in Baden,Niedersachsen und Bayern.

Bisher wurde das Ausbildungsangebot von zehn Landes-turnverbänden (das entspricht etwa der Hälfte aller Turn-verbände) angenommen und umgesetzt.

Die Modellausbildungen erfolgten zwischen Oktober undDezember 2004:• Von den 16 Teilnehmern in Baden leiten inzwischen alle

spezielle Bewegungsgruppen für Hochaltrige bezie-hungsweise haben diese in bestehende Senioren-gruppen integriert.

• 26 Teilnehmer waren in Niedersachsen dabei. Davon bie-ten sieben Hochaltrige-Bewegungsgruppen in Einrich-tungen der Altenpflege an, 19 leiten mindestens eineGruppe im Sportverein, und drei arbeiten in beidenBereichen.

• In Bayern nahmen 15 Übungsleiter teil; fünf bietenGruppen für Hochaltrige in Vereinen an, fünf in Alten-heimen und drei planen eine Einrichtung.

Zu einem maximal einstündigen Bewegungsprogrammgehören unter anderem Übungen zur Sturzprophylaxe und

Gehübungen. Die Teilnehmer einer Gruppe bekommen jenach ihren individuellen Fähigkeiten unterschiedlicheAufgaben. Das können für diejenigen, die noch stehen kön-nen, Kniebeugen sein, während andere im Sitzen auf derMatte die Beine im Wechsel anziehen und wieder strecken.Es wird geübt, eigenständig vom Stuhl aufzustehen, stabilzu stehen und sicher zu gehen.

Bestandteil aller Schulungen ist Theorie und Praxis. Sowird darüber informiert, in welcher Lebenssituation sichalte Menschen befinden und wie sie sich körperlich, see-lisch und geistig verändern. Viele leiden unter alterstypi-schen Erkrankungen des Bewegungsapparates wieGelenkverschleiß und Osteoporose.

In einem weiteren Teil der Schulungen werden konkreteÜbungsbeispiele gegeben. Eine sehr große Rolle spieltdabei die Sturzprophylaxe. Aus Mangel an Koordinierungs-und Orientierungsfähigkeit fallen alte Menschen oft hin,manchmal mit schweren Folgen. Typisch ist der Ober-schenkelhalsbruch, von dem sich mancher nie mehr erholt,

Seite 62 | Deutscher Präventionspreis 2005

Bewegungs- und Gesundheits-förderung für Hochaltrige

immobil und pflegebedürftig wird. Viele Übungen habendeshalb das Ziel, das Gleichgewicht und die Koordinierungzu schulen. Balance halten, lautet die Vorgabe. Eine Übungbesteht daher darin, einen Moment lang fest auf einemBein zu stehen. Bei einer anderen dürfen die älteren Men-schen zwar auf beiden Beinen stehen, müssen aber dieAugen schließen und das Gewicht leicht zur einen oderanderen Seite, nach vorne oder hinten verlagern. Undschließlich heißt es: Bitte ganz langsam rückwärts gehen –wieder mit geöffneten Augen. Zusätzlich ist ein Krafttrai-ning unverzichtbarer Bestandteil. Denn wenn die Muskula-tur gekräftigt ist, kann sich der Mensch besser halten und,sollte er ins Straucheln kommen, leichter abfangen. Undwenn Ausdauertraining auf dem Programm steht, kann dasfür einen Fünfundachtzigjährigen nicht bedeuten, ihn zueinem zügigen Gehen von einigen Minuten zu aktivieren.

Das Schulungskonzept wird ebenfalls in der DTB-Akademie angeboten, dort können auch Nichtmitglieder(Mitarbeiter aus Altenheimen, Fitness-Studios beispiels-weise) teilnehmen. Aufgrund der großen Nachfrage wirddas Konzept auch in den Folgejahren angeboten. Esbestand jedoch Bedarf an einer konkreten Ausarbeitungder Übungen im Sinne eines standardisierten Programms.Da auch die Krankenkassen großes Interesse zeigten, wirdin einer zweiten Phase ein Programm („Fit und gesund bisins höchste Alter“) nach den Anforderungen des SGB V ent-wickelt (siehe Zukunftsperspektiven).

Ziele und WirksamkeitDer Deutsche Turnerbund möchte dazu beitragen, dass

die Menschen auch das höchste Alter möglichst gesund,zufrieden und selbstständig erleben können. Mit Blick aufdieses Anliegen sollen körperliche, soziale sowie geistig-seelische Aktivitäten gefördert werden, indem qualifizierteProgramme für diese Zielgruppe entwickelt und etabliertwerden. Dabei trägt die bundesweite flächendeckendePräsenz des Deutschen Turnerbunds mit seinen engenKontakten zu Vereinen und Übungsleitern zum Erfolg bei.Es ist dem Deutschen Turnerbund, dem 5,2 Millionen Mit-glieder angehören, gelungen, seine Landes- und Kreisver-bände von dieser Notwendigkeit zu überzeugen. Die Reso-nanz der ehrenamtlichen Übungsleiter, die sich gerne fürHochbetagte engagieren möchten, war unerwartet groß.

Die bisher rund 200 ausgebildeten Übungsleiter schaffen inSportvereinen und Alteneinrichtungen neue Bewegungs-angebote für Menschen, die älter als 80 Jahre alt sind. ZurWirksamkeit der Maßnahme trägt auch bei, dass vieleExperten in die Entwicklung und Umsetzung der Konzep-tion einbezogen worden sind.

Kooperation und VernetzungenAm Ausbildungskonzept waren maßgeblich beteiligt Dr.

Jörg Winkler, Sportwissenschaftler und examinierterKrankenpfleger, sowie Dr. Michael Brach, Sportwissen-schaftler an der Universität Bonn im Studiengang „Sport imAlter“, und der Gerontologe Dr. Christoph Rott vom Deut-schen Zentrum für Alternsforschung in Heidelberg. DerWissenschaftliche Beirat des Deutschen Turnerbunds be-gleitet und unterstützt die Maßnahme: Professor Klaus Bös,Universität Karlsruhe, Professor Jürgen von Troschke,Universität Freiburg, Professor Jürgen Schulke, UniversitätBremen, Professor Walter Brehm, Universität Bayreuth,Professor Christoph Breuer, Deutsche SporthochschuleKöln, Professorin Iris Pahmeier, Fachhochschule Vechta.

Der Deutsche Turnerbund arbeitet eng mit seinenLandes- und Regionalverbänden zusammen, außerdem mitEinrichtungen der Alten- und Pflegehilfe.

FinanzierungDas Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und

Jugend hat die Realisierung und Erprobung der Übungslei-ter-Ausbildung „Bewegungs- und Gesundheitsförderungfür Hochaltrige“ im Rahmen einer Fehlbedarfsfinanzierungmit Mitteln des Bundesaltenplans im Jahr 2004 finanziellunterstützt. Das Konzept für die Weiterbildung ist vollstän-dig abgeschlossen und auf Bundes- sowie Länderebeneintegriert. Der Deutsche Turnerbund möchte jetzt ein detail-liertes Kursprogramm „Fit und gesund bis ins hohe Alter“mit zehn Einheiten über maximal 60 Minuten entwickeln,evaluieren und in Deutschland flächendeckend einführen.Dafür sucht der Turnerbund Unterstützung.

ÜbertragbarkeitDie Schulung von Multiplikatoren und Übungsleitern

und die Etablierung qualitätsgesicherter Bewegungspro-gramme ist für jede Einrichtung der Alten- und Pflegehilfe

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möglich. Dasselbe gilt für jeden Ausbildungsträger desorganisierten Sports. Ein evaluiertes Kursprogramm wiede-rum kann jeder entsprechend ausgebildete Übungsleiteroder Therapeut anbieten.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitÖffentlichkeitsarbeit hat die Maßnahme zwar von

Anfang an begleitet, allerdings nur punktuell und in deneigenen Medien des Turnerbunds: So wurden im Übungs-leitermagazin neben allgemeinen Informationen über Ge-sundheit und Beweglichkeit im Alter konkrete Übungenveröffentlich. Im Organ für Vereinsführungskräfte „Deutsches Turnen“ gab es ebenfalls Beiträge.

NachhaltigkeitDie Ausbildung von Übungsleitern wurde von den Lan-

desverbänden angenommen und kann fortgesetzt werden.Aufgrund der Gliederung des Turnerbunds in Landes- undKreisverbände, engen Kontakten zu Vereinen und Übungs-leitern sowie der Einbeziehung der Altenhilfe kann ein dich-tes Netz an Bewegungsangeboten für hochbetagte Men-schen geschaffen werden.

Dokumentation und EvaluationDie Ausbildungsinhalte wurden in Form einer Broschüre

dokumentiert, das Konzept, unter anderem mit Unter-richtseinheiten und Themen, ist ebenfalls dokumentiert.

Zu den Modell-Lehrgängen wurden Fragebögen ent-wickelt; deren Auswertung hat gezeigt, dass 80 Prozent derTeilnehmer tatsächlich Hochbetagten-Gruppen leiten, fastalle Teilnehmer (98 Prozent) leiten Gruppen für Menschenab 60 Jahren.

Eine weitere Befragung, dieses Mal der Ausbildungs-und Organisationsleiter, hat ergeben, dass nur zwei Prozenterfolgreich mit der Altenpflege kooperieren.

Das geplante evaluierte Kursprogramm für Hochbetagte„Fit und gesund bis ins höchste Alter“ soll ebenfalls doku-mentiert und von einem sportwissenschaftlichen Instituteiner Universität evaluiert werden. Geplant ist eine stan-dardisierte Fragebogenerhebung der Teilnehmer vor undnach den Kursen, Interviews mit Teilnehmern und Übungs-leitern ergänzen die Evaluation. Dabei soll es um Inhalte,Aufbau und subjektiv wahrgenommene Wirkungen des

Bewegungsprogramms gehen. Die Ergebnisse der Erhe-bung gehen in die Konzeption ein.

ZukunftsperspektivenAufgrund der unerwartet großen Resonanz der ehren-

amtlichen Übungsleiter, die sich für Hochbetagte einsetzenwollen, wird der Deutsche Turnerbund die Übungsleiter-Ausbildung fortsetzen. Weiter wird ein standardisiertes undevaluiertes Durchführungsprogramm nach § 20 SGB V ent-wickelt. Mit Hilfe dieses Programms „Fit und gesund bis inshöchste Alter“, das Mitte 2005 begonnen werden soll,können die entsprechend ausgebildeten Übungsleiter dannim Verein oder im Altenheim ein qualifiziertes Bewegungs-programm zur Erhaltung der körperlichen und geistigenLeistungsfähigkeit anbieten. Es ist vorgesehen im Laufedieses Jahres rund 200 Übungsleiter zu schulen, die dieBewegungsförderung für Hochaltrige in Vereinen undAltenheimen verwirklichen.

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Nominierte MaßnahmeWann ist Mann ein Mann? Bedürfnisse von Männern in Altenheimen

So bleibt ein Mann ein Mann

BeweggrundDie Initiatorin, Andrea Bender-Nickel, ist seit 20 Jahren

als Psychogerontologin in der Altenhilfe tätig, hält in denEinrichtungen Seminare und schult Personal. Dabei ist sieimmer wieder auf bestimmte Defizite der stationären Be-treuung aufmerksam geworden. Die Menschen in denAlten- und Pflegeheimen sind oft in einer sehr schwierigenSituation. Sie leiden an mehreren Krankheiten zugleich –Diabetes, Stoffwechselstörungen, Gelenkverschleiß, Herz-Kreislauf-Leiden –, sind pflegebedürftig und müssen denVerlust von Freunden oder Lebenspartnern verkraften. Eskommen somit viele kritische und belastende Lebens-umstände zusammen. Gleichzeitig bedeutet der Umzug insPflegeheim die letzte Station eines Lebens. Mit dem frühe-ren Leben und dem Alltag von einst hat dieses Leben ineinem Pflegeheim nur noch wenig gemein. Zwar befindetsich die Altenpflege in einem Prozess des Wandels, und ausgroßen Stationen werden kleine Wohngruppen, derenAlltag sich an der Normalität von früher zu orientieren ver-sucht, zum Beispiel durch gemeinsames Kochen, Waschen,

Kaffeenachmittage, Basteln, Singkreise und Gymnastik.Doch erstens spiegeln derartige Aktivitäten nicht tatsäch-lich den früheren Alltag wider. Und zweitens wollenMänner in der Regel nicht basteln, Kuchen backen, kochenoder zur Gymnastik gehen. Doch wird für Männer in einemPflegeheim noch immer zu wenig geboten, was häufig zuRückzug, Inaktivität, Immobilität, Resignation und Depres-sion führt. Ohnehin sind sie oft nicht mehr in der Lage,einen Tag aus eigener Initiative und selbstständig zu gestal-ten. Diese Erkenntnisse gaben für Frau Bender-Nickel denAusschlag, in dieser Richtung ehrenamtlich aktiv zu wer-den. Als sie 2002 im Rahmen ihrer Tätigkeit im Senioren-park Carpe Diem im hessischen Niederselters den Aufbaueiner Wohngruppe für fünf demenzkranke Männer beglei-tete, machte sie sich Gedanken darüber, was diesen nochFreude machen könnte. Denn an Demenz erkrankte Men-schen können nicht mehr selbst planen, sie brauchenInspiration und Anleitung.

Zu diesem Zeitpunkt kamen Frau Bender-Nickel und dieHeimleiterin Brigitte Westerfeld-Lehberger miteinander inKontakt und entwickelten gemeinsam ein Konzept für dieBetreuung der männlichen dementen Bewohner des Heims.

Bewerber: inverso. Institut für Bildung und Entwicklung in der AltenhilfeAnschrift: Bebelstraße 56, 55128 MainzTel. / Fax: 0 61 28-94 43 29 / Fax 0 61 28-94 43 30E-Mail: [email protected]: www.inverso-mainz.deLeitung der Maßnahme: Andrea Bender-Nickel, Diplom-PsychogerontologinRechtsträger: Carpe Diem, Gesellschaft für den Betrieb von Sozialeinrichtungen mbH, MettmannInitiatoren: Andrea Bender-Nickel, Brigitte Westerfeld-Lehberger, Heimleiterin des Seniorenparks

Carpe Diem, NiederseltersPräventive Stärkung von Eigenverantwortung und Eigenkompetenz von hilfs- und pflegebedürftigenZielthemen: Männern, Steigerung der Lebensqualität durch die Förderung individueller RessourcenIntegration: In die Arbeit im Seniorenpark Carpe Diem in Niederselters im Taunus sind ehrenamtliche

Mitarbeiter, ein Männergesangsverein und ein Fußballclub einbezogenZielgruppen: Hilfs- und pflegebedürftige Männer in stationären EinrichtungenLaufzeit: Seit 1. Januar 2004, fortlaufend, Maßnahmen sollen fester Bestandteil in dem

Seniorenpark werden

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Dies führte zu:• einer Wohnraumanpassung (offene Bereiche, eigener

Bereich für Demente im Obergeschoss mit Dachgarten)• Schulung und fortlaufendes Coaching der Mitarbeiter in

der Praxis• Aktivitäten / Angebote für (demente) Heimbewohner

Beschreibung der MaßnahmeIn der zweiten Phase erfolgte seit Anfang 2004 die Auswei-tung der Angebote auf alle 44 männlichen Heimbewohnerin den folgenden Schritten:• Befragung der Zielgruppe im Heim• Formulierung / Abstimmung von Angeboten• Ankündigung / Durchführung der Aktivitäten (Neben regel-

mäßigen Informationen werden die Bewohner zum Zeit-punkt der Maßnahme erinnert und, falls sie dies nichteigenständig tun können, zu den Terminen gebracht. Dieeinzelnen Termine dauern etwa ein bis zwei Stunden.)

Frau Bender-Nickel führt die Befragung der Zielgruppeund deren Auswertung durch. Die daraus resultierendenAktivitäten werden gemeinsam mit der Heimleiterin geplant

und strukturiert. Die Weitergabe der Informationen an die Be-wohner erfolgt durch persönliche Mitteilung, interne Briefe andie Bewohner und Aushänge auf allen Stationen. An der Du-rchführung der Maßnahmen sind ehrenamtliche Helfer,Hausmeister, Mitglieder von Sportvereinen und Chören be-teiligt.

Weil Handwerken bekanntlich Männersache ist und sichdies in einer Befragung mit Bewohnern des Heims undAngehörigen bestätigte, wurde dieses Angebot als Erstesrealisiert. Ziel war zugleich, dass die handwerkliche Tätig-keit nicht als Last, sondern als Freude empfunden wird. Zu-nächst wurde eine kleine Gruppe aufgebaut, die sich regel-mäßig handwerklich betätigen wollte. Unter Anleitung eines Ehrenamtlichen – dem 71 Jahre alten Vater der Initia-torin, der noch gesund, fit und handwerklich sehr interes-siert ist – wurde als erstes Projekt ein altes NSU-Fahrradrestauriert.Als Nächstes bauten die fünf Männer der Wohn-gruppe eine Hundehütte. Der Mischlingshund namens Lillyeiner Mitarbeiterin, den sie während ihres Urlaubs immerim Pflegeheim ließ, bekam auf diese Weise ein Zuhause.Weil dieser Hund so beliebt ist, gab das Geleistete denBetreffenden ein gutes Gefühl und die Gewissheit, etwas

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Wann ist Mann ein Mann? Bedürfnisse von Männern in Altenheimen

wirklich Notwendiges bewerkstelligt zu haben.Auf großes Interesse stieß auch das Angebot, eine

Modell-Eisenbahn aufzubauen und an einem Frühschop-pen mit Brezeln und alkoholfreiem Bier teilzunehmen. Umdie Aktivitäten auszuweiten und für mehr der insgesamt 44männlichen Heim-Bewohner eine passende Aktivität zu fin-den, führte Frau Bender-Nickel persönliche Gespräche underkundigte sich danach: „Was haben Sie früher in IhrerFreizeit gemacht?“ Doch allein das Wort Freizeit stieß indieser Generation, die nur Arbeit, aber keine Freizeit kann-te, auf Ablehnung. Wohlwollender beantworteten dieMänner die Frage danach, ob und an welchen Aktivitätenim Hause sie interessiert seien. In den persönlichen Inter-views kristallisierte sich ein besonderes Bedürfnis nachFußball heraus. Seither werden gemeinsam Videos angese-hen, und es entstand eine Patenschaft mit einem Fußball-verein. Einzelne Interessenten werden abgeholt und habenso die Möglichkeit, ein Fußballspiel live zu erleben.

Eine Gesprächsgruppe befasst sich mit der „verschwie-genen Zeit der Kriegsjahre“. Viele Männer haben ihreErlebnisse im Krieg verdrängt und nie darüber gesprochen,auch mit ihren Ehefrauen nicht. Als Therapeutin ist es FrauBender-Nickel ein Anliegen, dass Männer ihre Erlebnisse,zum Beispiel aus der Gefangenschaft, loswerden und somitsie emotional aufgearbeitet werden können. Zu diesemZweck hat sie alte Reichsmark, Zinnsoldaten und andereUtensilien besorgt, die alte Erinnerungen wecken sollen.

Es bedarf einiger Geduld, Heimbewohner für Neues zugewinnen, viele haben resigniert und kapseln sich ab. Siemüssen langsam und behutsam an Aktivitäten herange-führt werden. Weil die Gespräche mit Heimbewohnernauch gezeigt hatten, dass viele früher in einemGesangsverein waren und im Chor gesungen haben, wirdauch dem seit einiger Zeit Rechnung getragen. Drei bis vierSänger eines Männergesangsvereins kommen regelmäßigins Heim. Es wird gemeinsam gesungen, und es werdenErinnerungen an alte Zeiten ausgetauscht.

Zieldefinition und ErfüllungWenn alte Menschen nicht mehr aktiv sind, reduziert

sich ihr geistiges, körperliches und psychosoziales Wohl-befinden. Dem soll mit den angebotenen Aktivitäten von„Wann ist Mann ein Mann?“ entgegengewirkt werden. Es

geht aber auch darum, vorhandene Ressourcen und Fähig-keiten, die brachliegen, zu reaktivieren. Statt Männer inAlten- und Pflegeheimen nur auf ihre Krankheiten zu redu-zieren und darauf, was sie alles nicht mehr können, sollenihre besonderen Fähigkeiten gefördert werden. Durch dieAktivierung ihrer körperlichen und geistigen Ressourcensollen sie nach ihren individuellen Möglichkeiten zu Exper-ten werden. Das steigert die Lebensqualität und das Selbst-wertgefühl der Betreffenden. Es geht darum, einer zuneh-menden Pflegebedürftigkeit und psychischen Erkrankungenwie Depressionen beispielsweise vorzubeugen, indem sichältere Menschen wieder nützlich fühlen.

Frau Bender-Nickel konnte immer wieder beobachten,wie sehr sich die Männer, die in der Wohngruppe für De-menz-Kranke leben, auf die Handwerksstunden einmalwöchentlich freuen. Die Betreffenden konnten aus ihrerLethargie geholt werden, indem sie mit Hammer, Schrau-benzieher und Zange zu Werke gingen oder auch mit Pinselund Farbe, um unter Anleitung einen Raum zu renovieren.Die Maßnahmen führen zu deutlichen Stimmungsauf-hellungen, mehr Eigeninitiative, sie fördern die Kom-munikation der Bewohner untereinander, und diese ent-decken verloren geglaubte Fähigkeiten wieder. Immer wie-der sind auch die Mitarbeiter erstaunt über die Fertigkeitender Bewohner, die sie nicht für möglich gehalten hätten.Aufgrund der Nachfrage konnten die Angebote inzwischenvon der Wohngruppe auf das gesamte Heim ausgeweitetwerden. Alles in allem haben sich die Bewohner positiv ver-ändert, die Einrichtung ist lebendiger geworden. DurchKontakte nach außen haben die Bewohner zudem neuenBezug zur Realität bekommen. Diese Erfahrungen sollenanderen Einrichtungen Mut machen, ebenfalls neue Wegezu beschreiten, um die Identität und Selbstwahrnehmungmännlicher Bewohner von Alten- und Pflegeheimen zustärken.

Ziel war und ist auch, Mitarbeiter zu qualifizieren undderen Blickwinkel zu erweitern: weg von der medizinisch-pflegerischen Perspektive hin zu einer flexiblen, kreativenBerücksichtigung psychosozialer Bedürfnisse. Dieses Inte-resse der Angestellten konnte geweckt werden. ImSeniorenpark Carpe Diem gelingt dies auch, da Heim-leiterin Brigitte Westerfeld-Lehberger stets offen ist fürneue Ideen und Kreativität ausdrücklich unterstützt.

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Kooperation und Vernetzung„Wann ist Mann ein Mann?“ arbeitet mit einem Män-

nerchor und einem Fußballverein zusammen. Im Aufbau istdie Kooperation mit zwei Pflegeheimen – in Limburg undWeilburg –, um Skatspiele zu organisieren. Vorab wirdgeklärt, wie viele Männer in den Einrichtungen dieses Spiel(noch) beherrschen. Wenn das feststeht, soll abwechselndin den Heimen einmal im Monat die Gelegenheit zum Skat-spiel gegeben werden. Die jeweils ausrichtende Einrichtungist dann auch verantwortlich für den Fahrdienst, das heißt,die Heimbewohner müssen „eingesammelt“ und wiederzurückgebracht werden.

FinanzierbarkeitAlle bisherigen Aktivitäten gehen auf das ehrenamtliche

Engagement von Andrea Bender-Nickel zurück. Der Senio-renpark stellte ihr im Februar 2005 Geld für 50 StundenTätigkeit im Carpe Diem zur Verfügung. Damit wurde eineweitere Befragung der Heimbewohner nach ihrenInteressen möglich, die bereits ausgewertet ist und derenErgebnisse in die Praxis umgesetzt wurden. Dazu gehörenAktivitäten wie der Besuch von Fußballspielen, das Singenmit Sängern eines Männerchors sowie Gesprächsgruppenüber die „verschwiegene Zeit der Kriegsjahre“.

ÜbertragbarkeitDie Aktivitäten von „Wann ist Mann ein Mann?“ kön-

nen Vorbild und Anleitung für alle Alten- und Pflegeheimein Deutschland sein, um den männlichen Bewohnern wie-der mehr Lebensqualität zu verschaffen. Denn die beschrie-benen Missstände und Defizite sind in allen Einrichtungender Altenhilfe mehr oder weniger ausgeprägt anzutreffen.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitBisher erfolgte die Öffentlichkeitsarbeit punktuell. So

sind Beiträge in der regionalen Presse erschienen und es

gab einen Artikel „Ankunft im Alltag“ in der Zeitschrift„Altenpflege“, Vincentz Verlag, Hannover, September2004, S. 38-42.

NachhaltigkeitDurch die Einbeziehung externer Vereine kommt es zu

einem Erfahrungsaustausch verschiedener Generationen.Da sich Alten- und Pflegeheime auch für ehrenamtlichTätige öffnen, werden Grenzen abgebaut, ein fließenderProzess entsteht. Wenn zwei Mitarbeiter und Ehrenamt-liche die Angebote unterstützen, werden diese zumSelbstläufer und dauerhaft etabliert.

Dokumentation und EvaluationMit dem von der Heimleitung zur Verfügung gestellten

Honorar wurde eine differenzierte Befragung möglich, dieinzwischen auch ausgewertet ist. Dokumentation undAnalyse nimmt Frau Bender-Nickel vor.

Die Initiatorin der Maßnahme würde darüber hinausgerne die Veränderungen der Bewohner wissenschaftlichfesthalten. Dazu allerdings fehlen noch die finanziellenMittel. Diese vorausgesetzt, möchte die Initiatorin derAktivitäten auch ein Handbuch für andere Einrichtungenzur eigenen Umsetzung von „Wann ist Mann ein Mann?“verfassen.

ZukunftsperspektivenFrau Bender-Nickel bereitet die Mitarbeiter von „Wann

ist Mann ein Mann?“ im Seniorenpark Carpe Diem daraufvor, das Projekt dort auch ohne sie durchzuführen: So wer-den die Ehrenamtlichen im Umgang mit hilfs- und pflege-bedürftigen alten Männern unterrichtet; die Mitarbeiterwerden so geschult, dass sie Management und Organi-sation künftig selbstständig übernehmen können.

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Nominierte MaßnahmePrävention des Typ-2-Diabetes TULIP-Studie – Tübinger Lebensstil Interventionsprogramm

Den Gründen für ein erhöhtes Diabetes-Risiko auf der Spur

BeweggrundDie Zahl der Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (auch

Alterszucker genannt) hat in den vergangenen Jahren er-heblich zugenommen. Schon im Jahr 2000 zeigte eine Er-hebung der EU eine kommende „Diabetes-Epidemie“ auf:Demnach waren im Jahr 2000 weltweit 151 MillionenMenschen an Typ-2-Diabetes erkrankt, für 2010 werden221 Millionen Erkrankungen prognostiziert. Die Bedeutungeiner Primärprävention steht daher ökonomisch und medi-zinisch außer Frage. Präventionsprogramme für die gesam-te Bevölkerung zu etablieren, wird allein finanziell nichtmöglich sein. Außerdem sind die Ursachen für die skizzier-te Entwicklung wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt.

Es spricht vieles dafür, dass sich die westliche Lebens-weise, gekennzeichnet durch wenig Bewegung und vielFastfood (viel Fett und schnell resorbierbare Kohlenhydrate,ein Mangel an Ballaststoffen) ungünstig auswirkt. So ist dieZahl der Diabetiker in China beispielsweise gestiegen,

nachdem die einst Fahrrad fahrenden Asiaten dort auf dasAuto umgestiegen sind.

Wer mehr isst, als er verbraucht, wird dick. So ist nachAngaben des Statistischen Bundesamts jeder Zweite inDeutschland zu dick, etwa 50 Prozent der Bevölkerung hateinen Body-Maß-Index (BMI) von mehr als 25. Dabeischneiden die Männer etwas schlechter ab als die Frauen.Während 58 Prozent der Männer zu viele Kilos auf dieWaage bringen, sind es bei den Frauen „nur“ 42 Prozent.

Übergewicht und ein hohes Alter sind die Haupt-risikofaktoren für Diabetes mellitus Typ 2. Neben einer stei-genden Zahl von zu dicken Menschen in Deutschland –schon viele Kinder haben zu viel Speck auf den Rippen –nimmt zugleich die Zahl derer zu, die ein immer höheresAlter erreichen. Somit bereiten zwei parallel verlaufendeEntwicklungen den Nährboden für eine Epidemie.

Eine 2001 im New England Journal of Medicine publi-zierte finnische Studie zeigte, dass sich der Typ-2-Diabetesdurch einen veränderten Lebensstil verhindern, zumindestaber hinauszögern lässt. Allerdings wurden in dieseUntersuchung nur Teilnehmer mit weit fortgeschrittener ge-

Bewerber: Medizinische Universitätsklinik TübingenAnschrift: Otfried-Müller-Straße 10, 72076 TübingenTel. / Fax: 0 70 71-2 98 05 90 / 0 70 71-29 59 74E-Mail: [email protected]: www.medizin.uni-tuebingen.de/extweb/labor/tulip/Leitung der Maßnahme: Dr. med. Andreas Fritsche, ArztRechtsträger: Universität, Anstalt des öffentlichen RechtsInitiatoren: Hans-Ulrich Häring, Professor für Innere Medizin und Dr. Andreas FritschePräventive Identifizierung prädiktiver Parameter für die Notwendigkeit und das AnsprechenZielthemen: präventiver Strategien im Sinne einer Lebensstilveränderung, Motivation zu einem

gesünderen Lebensstil, das heißt mehr Bewegung und bessere Ernährung, Vermeidungvon Zivilisationskrankheiten wie Typ-2-Diabetes, aber auch von Gefäßverkalkung undHerzinfarkt

Integration: Ärzte, Ernährungsspezialisten, Sportwissenschaftler, Sportärzte, Krankenschwestern,Austausch mit anderen europäischen Ländern

Zielgruppen: Menschen mit einem erhöhten Risikoprofil für Typ-2-Diabetes mellitus - Menschen,deren Eltern an Diabetes leiden, Frauen, die während der Schwangerschaft einen Diabetes entwickelt haben, Menschen mit eingeschränkter Glukosetoleranz, ältere Übergewichtige (über 50) mit einem BMI von mehr als 27

Laufzeit: Seit 1. Mai 2003, soll mindestens über sechs Jahre laufen

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störter Glukosetoleranz einbezogen. Das heisst, beiMenschen, die knapp vor der Erkrankung standen, hattenmehr Bewegung und eine gesündere Ernährung einen posi-tiven Einfluss auf die Gesundheit.

Ein Forscherteam der Universitätsklinik Tübingen unterProfessor Hans-Ulrich Häring, zu dem als Mitbegründer Dr.Andreas Fritsche gehört, stellte sich 2001 der Aufgabe,offenen Fragen aus dieser Studie nachzugehen:• Wer profitiert besonders von einer Veränderung des

Lebensstils?• Was hilft den gefährdeten Menschen besonders?• Ist Sport wichtiger oder die Ernährung? Reicht es, regel-

mäßig Sport zu treiben und eine gesunde Ernährung zuvernachlässigen? Oder ist umgekehrt die Wahl derLebensmittel entscheidend, und es ist gleichgültig, obsich jemand körperlich betätigt?

• Sind Prädiktoren identifizierbar, anhand derer die Risiko-population erkennbar und die geeigneten Präventions-strategien verifizierbar werden?

Beschreibung der MaßnahmeVor diesem Hintergrund begann im Jahr 2002 die

Planung des Projekts „TULIP“, des Tübinger-Lebensstil-Interventionsprogramms. Ein Jahr später wurde mit derPatientenrekrutierung begonnen. Über 1.000 bisherigePatienten der Uniklinik wurden zwecks Teilnahme an derStudie kontaktiert, rund 100 willigten ein. Über 100 weite-re Probanden wurden aus dem Umkreis von 100Kilometern um Tübingen rekrutiert.Teilnehmen können Menschen mit einem erhöhten Diabe-tes-Risiko. Indikatoren sind:• erstgradige Verwandte mit Typ-2-Diabetes• früherer Schwangerschaftsdiabetes

• Übergewichtige (BMI über 27)• eingeschränkte Glukosetoleranz

Derzeit sind 240 Menschen eingeschlossen, weit überdie Hälfte der Teilnehmer ist über 50 Jahre alt. Zwei Drittelsind Frauen. Angestrebt wird, die Zahl der Probanden suk-zessive auf 400 zu erhöhen.

An der Durchführung der Studie, die die Betreuung derProbanden über mindestens zwei Jahre vorsieht, sind der-zeit vier Fachärzte für Innere Medizin, drei Ernährungsbe-rater, vier Medizinstudenten, drei Krankenschwestern, eineSportwissenschaftlerin und in weiteren Teilprojekten achtÄrzte in Teilzeitbeschäftigung (Sportmediziner, Radiologen,psychologisch weitergebildete Ärzte, Ärzte für Laboratori-umsmedizin) sowie MTAs beteiligt.

Zunächst wird der Gesundheitszustand der Probandendurchleuchtet: Dazu gehören Untersuchungen des Zucker-und des Fettstoffwechsels; Hormone werden bestimmt, perUltraschall die Gefäßwanddicke und Gefäßdehnbarkeitgemessen; mit Hilfe einer Kernspintomographie in derRadiologischen Klinik wird ohne Strahlenbelastung dieFettverteilung im Körper analysiert (sitzt das Fett amBauch? an den inneren Organen? in den Muskelzellen?).So wirkt sich zu viel Fett in der Leber beispielsweise beson-ders nachteilig auf den Stoffwechsel aus.

Es folgen Untersuchungen in der Sportmedizin. Wie beiLeistungssportlern wird die körperliche Fitness über eineLaktatmessung auf dem Laufband bestimmt. Bei Personenmit besonders guter Ausdauerfähigkeit steigt dieser Werterst spät an, bei extrem gut Trainierten bei zirka 200 Watt.

Anhand dieser Daten wird für die Teilnehmer ein indivi-dueller Trainingsplan erarbeitet. Danach gehen die Teilneh-mer einem gemeinsam festgelegten Ausdauersport sonach, dass sie im Bereich der ermittelten Herzfrequenz trai-nieren. Dazu bekommen sie eine Pulsuhr zur Verfügunggestellt, die zudem Daten über die ausgeübte sportlicheAktivität speichert, unter anderem die Dauer der Bewe-gung, die maximale sowie die durchschnittlich erreichteHerzfrequenz und die dabei verbrauchte Energie.

Vor allem bei älteren Menschen spielt bei der Auswahlneben der Belastbarkeit die Geselligkeit eine wichtigeRolle, weshalb die meisten Teilnehmer in Walking-Kursevermittelt wurden. Sie sollten pro Woche ungefähr dreiStunden flott gehen.

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Prävention des Typ-2-Diabetes TULIP-Studie – Tübinger Lebensstil Interventionsprogramm

Die individuelle Ernährungsberatung verteilt sich auf 16Termine innerhalb von zwei Jahren. Die Gespräche findenin den ersten vier Wochen wöchentlich statt, danach imAbstand von je einem Monat und nach einem halben Jahrin Intervallen von je drei Monaten. Zunächst schreiben dieTeilnehmer auf, was genau sie wann essen und trinken.Anhand dieser Tagebücher werden Fehler identifiziert unddurch gesündere Elemente ausgeglichen. AngenommenHerr Meier möchte auf seine tägliche Ration Wurst nichtverzichten. Dann werden ihm „Salami und Co“ nicht ver-boten, doch werden sie in einer Mahlzeit durch fettarmesGeflügel oder durch deutlich kleinere Portionen ersetzt.

Es hat sich gezeigt, dass viele Teilnehmer zu Beginn desProgramms komplette Mahlzeiten ganz auslassen und ihren Hunger zwischendurch stillen, indem sie zu Fastfoodgreifen. Sie sollen lernen, mit Genuss und in der Familie zuessen. Günstig wirkt sich dabei aus, dass Ehemänner, Kinderoder Geschwister oft mit zur Ernährungsberatung kommen.

Alle Änderungen des Speisen- und Getränkeplans erfol-gen gemeinsam mit den Studienteilnehmern.

Inhalt der Beratungsgespräche ist auch die Zieldefini-tion. Gemeinsam mit dem Berater legen die Teilnehmerfest, welches Wunschgewicht sie erreichen wollen und wel-chen und wie viel Sport sie in der nächsten Zeit treibenwollen.

Zweimal – zunächst nach sechs (demnächst nach neunMonaten), dann nach zwei Jahren – stehen klinische Unter-suchungen an, um zu prüfen, ob und was sich physiolo-gisch verändert hat. Zu allen Untersuchungen erhalten dieProbanden eine ausführliche schriftliche und mündlicheErgebnisinformation und Erläuterung. Die Studienergeb-nisse werden anschließend in Bezug auf die Fragestellungder Studie analysiert und mit anderen wissenschaftlichenErkenntnissen abgestimmt.

Ziele und WirksamkeitDie TULIP-Studie wurde initiiert, um Aussagen dazu tref-

fen zu können, welche Faktoren (zum Beispiel Fettver-teilung, Ernährung, Trainingszustand) vorhersagen, ob eineVeränderung des Lebensstils bei älteren Menschen miterhöhtem Diabetes-Risiko erfolgreich ist. Es sollen Mecha-nismen aufgeklärt werden, die zur Entwicklung eines Typ-2-Diabetes führen und auf dieser Basis Vorsorgekonzepteentwickelt werden.

Zuckerstoffwechsel und Fettstoffwechsel der Probandensollen verbessert, Körpergewicht und Körperfett (Bauch-fett) reduziert werden. Die persönliche körperliche Aus-dauer soll erhöht werden. Eine Zwischenauswertung zeigterste Erfolge. So ist es den Probanden durchschnittlichgelungen, durch mehr Bewegung und gesündere Ernäh-rung den Blutzuckerspiegel zu senken und das Körper-gewicht um durchschnittlich zwei bis drei Kilogramm zureduzieren.

Zirka die Hälfte der Teilnehmer schaffte es, denBallaststoffanteil in der Nahrung auf mehr als 15 Gramm je1000 Kilokalorien zu erhöhen. Ebenfalls 50 Prozent derProbanden verminderten ihre Fettzufuhr auf weniger als 30Prozent der täglichen Kalorienaufnahme. Und ebenfalls etwa die Hälfte brachte es auf mehr als drei Stunden körperliche Betätigung pro Woche.

Zu diesen ersten Erfolgen tragen die persönliche Zuwen-dung durch Ernährungs- beziehungsweise Lebensstilbe-rater bei, aber auch die regelmäßigen geselligen Treffen mitanderen Teilnehmern sowie die wissenschaftlich fundierteIntervention.

Erste Ergebnisse zeigen, dass jene am deutlichsten vonder Intervention profitieren, die vor Studienbeginn bereitsrelativ fit waren. Probanden mit nur schlechten Fitness-werten müssen deutlich mehr abnehmen und trainieren alsdie erste Gruppe, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen.

Die bisher vorliegenden Daten weisen darauf hin, dassnicht der Gesamtfettgehalt des Körpers, sondern der visze-rale Fettgehalt (das Fett um die inneren Organe im Bauch)und der Fettgehalt in den Leberzellen gute Prädikatoren für das wahrscheinliche Auftreten eines Diabetes mellitusTyp 2 sind.

Bei der Umstellung des Ernährungsverhaltens zeigt diebisherige Datenlage, dass die deutliche Erhöhung desBallaststoffgehalts in der Nahrung mit der Senkung desBlutdruckwertes korreliert.

Schließlich besteht die Vermutung, dass durch dieBestimmung des Hormons Adiponektin eine treffsichereRisikoselektierung und -klassifizierung möglich ist.

Kooperation und VernetzungEs besteht eine enge Zusammenarbeit mit Sportmedi-

zinern, Ernährungsberatern und Psychologen.Im Rahmen des europäischen Projekts Eugene2 zur Er-

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forschung des genetischen Hintergrunds von Diabetes mel-litus Typ 2 tauscht sich die Forschergruppe aus Tübingenmit Wissenschaftlern von Universitäten in Italien, Finnlandund Schweden aus.

FinanzierungDie Studie wird jeweils zur Hälfte durch die Deutsche

Forschungsgemeinschaft (DFG) und die UniversitätTübingen finanziert. Zwecks Austauschs auf europäischerEbene kommen EU-Mittel hinzu.

Finanzierungsmöglichkeiten über das Jahr 2008 hinaussind Mittel der Krankenkassen, Forschungsgelder der Euro-päischen Union und Mittel im Rahmen der geplantenDeutschen Diabetes-Präventions-Studie.

ÜbertragbarkeitDie Vorgehensweise des Forscherteams ist auf jede

Region übertragbar. In Tübingen arbeitet man daran, dieaufwändigen Untersuchungen, wie sie derzeit im Rahmender klinischen Studie in Tübingen durchgeführt werden, aufein in jeder Hausarztpraxis durchführbares Maß zu reduzie-ren.

Das Konzept zur Veränderung der Lebensgewohnheitenhat die Universitätsklinik mit dem Programm „UK fit“ be-reits für Mitarbeiter übernommen.

Bei Daimler Chrysler in Stuttgart und Sindelfingen sindebenfalls entsprechende Programme entstanden. AndereUnternehmen und öffentliche Arbeitgeber könnten diesemVorbild folgen, ebenso Krankenkassen.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitÜber die Studie wurde in der lokalen Presse in unregel-

mäßigen Abständen immer wieder berichtet. Im März 2005griff der Fernsehsender „arte“ das Projekt unter dem Titel„Die Wohlstands-Epidemie“ auf.

NachhaltigkeitDie wissenschaftlich begründete Erkenntnis, wie Lebens-

stil-Interventionen für eine Risikopopulation medizinischzweckmäßig und sozialökonomisch vertretbar durchzufüh-ren sind, wäre nicht nur für Deutschland ein Novum.Erhärten sich die bisherigen Vermutungen, würde dies auch

die bisherige Vorgehensweise bei der Diabeteserkennungund -behandlung deutlich nachhaltig verändern und kos-tengünstiger gestalten.

Die Teilnehmer der wissenschaftlichen Untersuchung sol-len weiterhin in regelmäßigen Abständen einmal jährlich zuVeranstaltungen eingeladen werden, zum Beispiel zumWandern oder zu Vorträgen. Denn Ziel ist es, dieseMenschen nicht aus den Augen zu verlieren.

Dokumentation und EvaluationDie Studie muss die Anforderungen der Deutschen

Forschungsgemeinschaft (DFG) erfüllen und ist dieser zurregelmäßigen Berichterstattung verpflichtet.

Da es sich um eine wissenschaftliche Erhebung handelt,werden alle patientenbezogenen Daten standardisiertdokumentiert und in einer umfangreichen Fallakte zu-sammengefasst. So werden Ernährungstagebücher geführt;die Auswertung dieser Daten erfolgt mit einem Computer-programm. Pulsuhren dienen dem Nachweis der körper-lichen Bewegung und des effektiven Trainings im idealenHerzfrequenz-Bereich.

ZukunftsperspektivenEs ist geplant, Menschen mit Depressionen in die Unter-

suchungen einzubeziehen. Diese Patienten sind einerseitsbesonders schwer zu Aktivitäten zu motivieren und leidenandererseits oft an Diabetes.

Darüber hinaus soll die Studie der Grundstein für einebundesweite Diabetes-Studie sein. Um eine solche flächen-deckende Studie zu initiieren, werden derzeit Modelle mitsechs weiteren universitären Forschungseinrichtungensowie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft geplant, dieauch die Einbeziehung von Hausärzten vorsieht.

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Nominierte MaßnahmeSchlaganfallprävention

Bewerber: Schlaganfall-InformationsbüroAnschrift: Kölner Straße 180, 40227 DüsseldorfTel. / Fax: 02 11-8 99 66 54 / Fax 02 11-8 92 93 84E-Mail: [email protected]: www.duesseldorf.de/gesundheit/gesundheitskonferenz/schlaganfallbueroLeitung der Maßnahme: Renate Hopp, Geschäftsführerin der GesundheitskonferenzRechtsträger: Gesundheitsamt der Stadt DüsseldorfInitiatoren: Düsseldorfer Gesundheitskonferenz, Gesundheitsamt und der Verein

Düsseldorfer Initiative gegen den SchlaganfallPräventive Verbesserung der Kenntnisse über Risiken und SymptomeZielthemen: des Schlaganfalls in der Bevölkerung, richtiges Verhalten im Notfall durch

Erkennen der Anzeichen eines Schlaganfalls, Vermeidung von Schlaganfällen und damit verbundenen Folgen

Integration: Alle neurologischen Kliniken in Düsseldorf, Ärztekammer Nordrhein,Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, örtliche Hilfsangebote und Beratungsstellen,Selbsthilfegruppen, Zusammenarbeit mit anderen Kommunen am Niederrhein

Zielgruppen: Alle Bürger sind angesprochen, insbesondere jedoch die älterenLaufzeit: Präventionsarbeit seit 2002, zunächst bis Ende 2005 geplant,

Fortsetzung wahrscheinlich

Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall

BeweggrundDie Notwendigkeit für Präventionsaktivitäten ergab sich

aus zwei Untersuchungen. Zunächst hatte das DüsseldorferSchlaganfall-Projekt in den Jahren 1998 bis 2000 unteranderem eklatante Defizite in der Versorgung vonSchlaganfall-Patienten deutlich gemacht. So waren nur 35Prozent dieser Patienten innerhalb des Zeitfensters von dreiStunden nach dem Auftreten der ersten Symptome zurBehandlung im Krankenhaus. 16 Prozent der vonHausärzten behandelten Schlaganfall-Patienten wurdengar nicht in eine Klinik eingewiesen. Und zirka 45 Prozentder Schlaganfall-Patienten erhielten im Anschluss an denstationären Aufenthalt keine Rehabilitationsmaßnahme –und das vor dem Hintergrund, dass der Schlaganfall diehäufigste Ursache für erworbene Behinderungen imErwachsenenalter ist.

Daneben wurden bei einer repräsentativen telefonischenUmfrage durch das Landesinstitut für den ÖffentlichenGesundheitsdienst im Jahr 2000 große Wissenslücken inder Bevölkerung über Risiken und Symptome des

Hirninfarktes deutlich. Etwa 36 Prozent der 1.062Befragten konnten nicht ein einziges typisches Zeichennennen, weitere 25 Prozent kannten lediglich einSymptom. Somit war mindestens ein Drittel derDüsseldorfer Bevölkerung nicht, beziehungsweise kaum inder Lage, bei ersten Anzeichen eines Schlaganfalls eineschnelle und effektive medizinische Versorgung zu veran-lassen. Vor allem als Antwort auf diese Untersuchungenentstand im Jahr 2002 das Schlaganfall-Informationsbüroder Landeshauptstadt Düsseldorf.

Primäres Ziel der Aktivitäten dieser Einrichtung ist es da-her, den Wissensstand der Bevölkerung über die wichtigs-ten Anzeichen eines Schlaganfalls zu verbessern. Darüberhinaus sollen die Bürger dafür sensibilisiert werden, dassjeder Schlaganfall ein Notfall ist und umgehend die Notruf-Nummer 112 zu wählen ist. Auch das war bei der erstenUmfrage nur einem Drittel der Befragten bekannt.

Die Warnzeichen eines Schlaganfalls sind vielfältig. Zu denSymptomen zählen:• Sehstörungen (plötzliche Erblindung, Gesichtsfeldaus-

fälle, Doppelbilder)

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 73

• Sprachstörungen (Sprachverständnis, Sprachproduktion)• Halbseitige Lähmungserscheinungen oder Taubheits-

gefühle• Schwindel• Übelkeit• Erbrechen• Gangstörungen• Schluckbeschwerden• Herabhängender Mundwinkel oder plötzliche Bewusst-

losigkeit

Werden die Symptome als Befindlichkeitsstörung abge-tan, geht wertvolle Zeit verloren. Und mit jeder unnütz ver-strichenen Minute nimmt das Gehirn weiteren Schaden. Jeschneller der Betroffene indes in die Klinik gebracht wird,desto größer sind die Chancen zu überleben und bleibendeBehinderungen zu vermeiden beziehungsweise so geringwie möglich zu halten.

Anzeichen für einen Schlaganfall müssen daher immerernst genommen werden, auch wenn sie von alleine wiederverschwinden. Das Einleiten einer lebenswichtigenNotfallversorgung und die adäquate Behandlung imKrankenhaus sind aber nur möglich, wenn die Bürger ent-sprechend instruiert sind.

Beschreibung der MaßnahmeDas Schlaganfall-Informationsbüro ist im Gesundheits-

amt angesiedelt. Dessen Team klärt auf über Risikofaktorendes Schlaganfalls, Warnsignale und Symptome sowie dieNotwendigkeit einer schnellen und effektiven Akutver-sorgung. Darüber hinaus weisen die Mitarbeiter aufSelbsthilfe-Gruppen, Fachkliniken, Ärzte und therapeuti-sche Angebote hin; bei Bedarf vermitteln sie weitere Hilfendes Gesundheitsamts. Die Ärzteschaft ist in die Arbeit des

Schlaganfallbüros integriert; Informationen über denSchlaganfall werden von der Kassenärztlichen VereinigungNordrhein per Rundschreiben verschickt.

Zur Aufklärung werden die verschiedensten Möglich-keiten genutzt, von der Telefon-Hotline, Informations-Kampagnen in Medien, Kinowerbung und Leuchttafeln inU-Bahn-Stationen über Aktionstage in Fußgängerzonen bishin zu betrieblicher Gesundheitsförderung in Kooperationmit Betriebskrankenkassen regionaler Firmen und Vor-trägen für ausgewählte Zielgruppen. So wurden 200 Groß-flächenplakate und 1.600 Citylight-Poster mit denentsprechenden Botschaften versehen. Ungefähr 81.000Faltblätter gingen unter anderem an alle städtischen Be-schäftigten in Düsseldorf, an Friseurbetriebe, an alle Filialender Stadtsparkasse Düsseldorf, an Arztpraxen, Altenheime,Krankenkassen sowie an weitere Multiplikatoren, darunterrund 1.200 in türkischer Sprache.

Die Palette verschiedener Initiativen ist groß: In interes-sierten Betrieben wurden in Zusammenarbeit mit dembetriebsärztlichen Dienst diverse Ratespiele organisiert, beidenen es rund um den Schlaganfall ging, zum Beispiel:Welche Symptome kennen Sie? Was würden Sie tun, wennjemand einen Schlaganfall erleiden würde? Auch dieGewinne – Fahrräder oder Sportgeräte etwa – standen imDienst der Gesundheit.

Die Aktionen in Fußgängerzonen boten neben Informa-tionen die Möglichkeit zu verschiedenen Untersuchungenwie Cholesterin- oder Blutdruckmessung in einem eigensbereitgestellten Bus. Auf der Basis der individuell ermittel-ten Risikofaktoren schloss sich eine ärztliche Beratung an.

Um die Prähospitalzeit zu verkürzen, wurden alle Mitar-beiter der Düsseldorfer Rettungsdienste geschult und inden Rettungsdiensten wurde eine Dienstanweisung„Schlaganfall“ installiert. Bestimmte Düsseldorfer Kliniken

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haben Akutbetten für Schlaganfallpatienten eingerichtet(keine Stroke Units). Diese Häuser werden von denRettungsdiensten im Notfall direkt angefahren.

Außerdem berät das Schlaganfallbüro Patienten nach derEntlassung aus dem Krankenhaus über Rehabilitations-möglichkeiten. Das schließt therapeutische und pflegerischeMaßnahmen mit ein sowie die Versorgung mit Hilfsmitteln,Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung und psycho-soziale Beratung. Es wird ein Hilfeplan erstellt, der sich anden individuellen Bedürfnissen des Patienten orientiert.

Ziele und WirksamkeitZiel der Präventionsbemühungen ist es, dass die Bürger

besser über Risiken, Symptome des Schlaganfalls und rich-tiges Verhalten im Notfall Bescheid wissen. Als wesent-licher Inhalt soll auf verschiedenen Wegen transportiertwerden, dass es sich bei jedem Schlaganfall um einenNotfall handelt und die 112 gewählt werden sollte. Ummöglichst viele Menschen zu erreichen, wurden dieBotschaften bewusst auf das Wesentliche reduziert. ImErgebnis sollen die Maßnahmen dazu führen, dass die Zeitzwischen dem Auftreten der ersten Symptome und demEintreffen im Krankenhaus unter drei Stunden liegt.

Im vergangenen Jahr (Oktober / November 2004) wurden1.018 Düsseldorfer Bürgern noch einmal ähnliche Fragenam Telefon gestellt wie im Jahr 2000. Demnach hat sich derKenntnis-Stand deutlich verbessert, was sich in der Antwortauf folgende Frage zeigt: An wen wenden Sie sich, wennSie plötzlich Symptome eines Schlaganfalls an sich merken?Im Jahr 2000 wollten noch 20 Prozent Angehörige undNachbarn verständigen, 2004 dagegen nur noch 13,6 Pro-zent. Den Hausarzt hätten im Jahr 2000 noch 37 Prozent

gerufen, der späteren Umfrage zufolge 25 Prozent. Undwährend bei der ersten Befragung nur 33 Prozent Notarzt /Feuerwehr / Rettungsdienst 112 alarmiert hätten, gaben imOktober / November vergangenen Jahres bereits 52,7 Pro-zent diese Möglichkeit an. Darin sieht das Schlaganfall-Büro eine der wesentlichsten Veränderungen. Die Klinikenin Düsseldorf, die solche Daten schriftlich fixieren, gabenan, dies sei inzwischen der Fall.

Das Schlaganfall-Informationsbüro wertet die Aussagevon Krankenhäusern und die Umfragen als erste positiveErgebnisse der Aufklärungs-Kampagne. Erfreulich ist auch,dass das Büro nach gut dreijähriger kontinuierlicher Arbeitnunmehr bei 15 Prozent der Bevölkerung bekannt ist.

Kooperation und VernetzungDas Schlaganfall-Informationsbüro Düsseldorf arbeitet

eng zusammen mit allen Einrichtungen der Landeshaupt-stadt, die sich um die Schlaganfall-Prävention bemühen (soÄrztekammer Nordrhein, Apothekerkammer, Kassenärzt-liche Vereinigung Nordrhein, Selbsthilfe), außerdem mitdem Netzwerk „Gesunder Niederrhein“, dem die StädteDüsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach sowie die KreiseNeuss, Viersen und Wesel angeschlossen sind.

FinanzierungBisher wurden Honorarkräfte eingesetzt und aus dem

Etat der Stadt in Höhe von 100.000 Euro bezahlt. Ab demJahr 2005 sind zwei BAT-Planstellen für das Projekt einge-stellt. Die Dienstleistungen und Sachleistungen werdenteils von der Stadt, teils von Sponsoren finanziert. So helfenPharmafirmen und Betriebskrankenkassen; die StiftungDeutsche Schlaganfall-Hilfe unterstützt die Arbeit durch

Schlaganfallprävention

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Informationsmaterial und die Schulung von Mitarbeiterndes Büros. Darüber hinaus engagiert sich die Apotheker-kammer, indem sie Aufklärungs-Broschüren an Apothekenverschickt, die Kassenärztliche Vereinigung, indem sie Pla-kate an Arztpraxen sendet, und die Ärztekammer, indem sieFortbildungsveranstaltungen organisiert und den Arbeits-kreis „Akutversorgung“ leitet.

ÜbertragbarkeitDieses Projekt lässt sich auf jede beliebige andere Stadt

übertragen, wenn unter anderem Ärzte, Krankenhäuser,Krankenkassen und Firmen eingebunden werden. VieleRisikofaktoren für einen Schlaganfall begünstigen auch dieEntstehung eines Herzinfarktes, zum Beispiel Bluthoch-druck und ein hoher Cholesterinwert. Daher sind die Prä-ventionskampagnen auch in dieser Hinsicht ein wertvollerBeitrag.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitAlle Aktionen der Schlaganfall-Informationskampagne

sind Öffentlichkeitsarbeit – von der Ankündigung von Ver-anstaltungen über die Aktionen in der Öffentlichkeit bis hinzu publizierten Zwischenberichten. Darüber hinaus berich-tete die regionale Presse über die verschiedenen Projektedes Büros; zu einzelnen Themen wurden die Journalisten zuPressekonferenzen eingeladen.

NachhaltigkeitDie Aufklärung breiter Bevölkerungsschichten verbessert

das Wissen rund um den Schlaganfall, wodurch Patientenschneller angemessen behandelt und Folgeschäden verhin-dert werden können. Allerdings müssen die Bemühungenum die Prävention kontinuierlich fortgesetzt werden, damitsich das Erlernte weiter vertieft.

Ein Schlaganfall kann zwar grundsätzlich jeden treffen,das persönliche Risiko lässt sich jedoch senken. In Düssel-dorf erleiden jährlich gut 2.000 Menschen einen Schlag-anfall. Nahezu die Hälfte könnte verhindert werden, wennWarnsignale und Risikofaktoren ernst genommen und so-fort eine geeignete Therapie eingeleitet würde. DieAktionen wollen deshalb den Einzelnen motivieren, mehrVerantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen;gleichzeitig werden als Ziele eine „angemessene körper-liche Aktivität“, „ausgewogene Ernährung“ und „Nicht-rauchen“ mit einbezogen.

Dokumentation und EvaluationDa Kampagnen zur Kernaufgabe des Schlaganfall-Infor-

mationsbüros gehören, gibt es diverse Veröffentlichungen.Die Projektarbeit ist im Zwischenbericht „Schlaganfall-Informationsbüro“ dokumentiert, über die BefragungenDüsseldorfer Bürger zum Wissen über Schlaganfall liegenaußerdem Dokumentationen vor.

Das Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein(IQN) ist ebenfalls mit einbezogen. Dort werden die prästa-tionären Zeiten bei Schlaganfallpatienten erhoben.

Auch Berichte liegen vor, zum Beispiel zur telefonischenUmfrage im September / Oktober 2000, „Schlaganfall inDüsseldorf“, Landesinstitut für den Öffentlichen Gesund-heitsdienst NRW.

ZukunftsperspektivenDie Aktivitäten sollen fortgesetzt und ausgebaut wer-

den. So haben die Mitarbeiter des Schlaganfall-Büros eini-ge Ideen, wie sie noch mehr Bürger noch besser erreichenkönnen, zum Beispiel durch Aufdrucke mit wenigen wichti-gen Informationen auf Mineralwasserflaschen. Mit kurzenSpots würden sie gerne in Fußballstadien oder bei Konzer-ten mit einprägsamen Zeilen für ihre Sache werben. AufMessen könnten Stände mit Beratungs- und Unter-suchungsmöglichkeiten eingerichtet werden – vergleichbarden Informations-Bussen in Fußgängerzonen, wo dieMenschen erfahrungsgemäß Schlange stehen. DieMitarbeiter haben die Erfahrung gemacht, dass Menschenfür Ratschläge dann besonders offen sind, wenn sie per-sönlich angesprochen werden.

Sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten werdendurch die Aufklärung noch nicht so gut erreicht. Hier soll inZukunft nachgearbeitet werden.

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Nominierte MaßnahmeAkademie für Ältere

Bewerber: Akademie für Ältere e.V. / gGmbHAnschrift: Bergheimerstraße 76, 69115 HeidelbergTel. / Fax: 0 62 21-97 50 10 / Fax 0 62 21-97 50 97E-Mail: [email protected]: www.akademie-fuer-aeltere.deLeitung der Herbert Gressler, Geschäftsführer der Akademie für Ältere gGmbH,Maßnahme: Manfred Massinger, 1. Vorsitzender der Akademie für Ältere e.V.Rechtsträger: Akademie für Ältere gGmbHInitiatoren: Dr. Werner Boll, Gründer der Stiftung Rehabilitation in HeidelbergPräventive Erhaltung der Mobilität bis ins hohe Alter, geistige und körperlicheZielthemen: Fitness im Alter, geistige Regsamkeit, Förderung der EigeninitiativeIntegration: Alle Senioren in Heidelberg und Umgebung, die älter als 60 Jahre

sind – darunter Behinderte, sozial Benachteiligte und EinwandererZielgruppen: Menschen im dritten Lebensabschnitt, die trotz altersbedingter

Einschränkungen beim Sehen, Hören, beim Gedächtnis, in der körperlichen Beweglichkeit und im psychischen Bereich nicht aufgeben wollen und die Gemeinschaft suchen, Einwanderer, sozial Benachteiligte

Laufzeit: Beginn der Kurse im Mai 1985, die Selbsthilfeeinrichtung läuft ohne Pause – auch in den Ferien

Freude am lebenslangen Lernen

BeweggrundDr. Boll, der bei der Gründung der Selbsthilfe-Initiative

selbst um die 60 Jahre alt war, wollte zusammen mit eini-gen pensionierten Freunden einerseits das Wissen dieserGeneration anderen zur Verfügung stellen und andererseitsdafür sorgen, dass mehr für Bürger dieser Altersgruppegetan wird. Denn diese war nach dem Krieg voll auf denAufbau Deutschlands konzentriert: Die Männer sind arbei-ten gegangen, die Frauen haben die Kinder großgezogen.Es blieb keine Zeit, eigenen Interessen nachzugehen, zumBeispiel eine Fremdsprache zu erlernen oder sich mitPsychologie zu beschäftigen. Vor diesem Hintergrundhaben sich vor 21 Jahren Menschen, die aus demBerufsleben ausgeschieden waren, unter dem Motto „aktivsein im Alter“ zusammengeschlossen, um in Form einerSelbsthilfeeinrichtung dem eigenen Leben und dem ande-rer sinnvolle Inhalte zu vermitteln und sich so geistig undkörperlich fit zu halten. Die Gründung des Vereins erfolgteim Sommer 1984, im Mai des darauf folgenden Jahresbegannen die ersten Kurse. Steigende Mitgliederzahlen

führten 1993 zur Gründung eines Wirtschaftsbetriebs desVereins in Form der gGmbH.

Beschreibung der MaßnahmeEhrenamtliche geben in Kursen, Vorträgen, sportlichen

Gruppen und auf Reisen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten anMenschen in gleicher Lebenssituation weiter und nehmenihrerseits deren Kompetenzen in Anspruch. Das Angebotfolgt dabei einem ganzheitlichen Konzept, das jede ge-wünschte Aktivität zulässt und sehr auf individuelle Voraus-setzungen eingeht.

Derzeit arbeiten rund 220 ehrenamtliche Kursleiter, Re-ferenten sowie Reiseleiter für die Akademie, weitere ehren-amtliche sind neben den neun hauptamtlichen Mitarbeiternin der Verwaltung tätig. Ursprünglicher Träger ist der Vereinmit heute 48 Mitgliedern, die sich zweimal jährlich mit derFortentwicklung der Akademie befassen. Die gGmbH ist derWirtschaftbetrieb mit den genannten neun hauptamtlichTätigen.

Allein im Fachbereich „Gesundheit, Sport und Bewe-gung“ bietet die „Akademie für Ältere“ im ersten Halbjahr2005 wöchentlich durchgehend folgende Aktivitäten: elf

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Gruppen Gymnastik beziehungsweise rhythmische Gym-nastik (teilweise kombiniert mit Gedächtnistraining), vierGruppen QiGong, zwei Gruppen Feldenkrais, eine GruppeEntspannungstraining nach Jakobson, ein Atemtrainingund einmal Yoga auf dem Stuhl. Geboten werden darüberhinaus unter anderem Walking, Rückenschule und Rudern,Bogenschießen, Tischtennis und Golf. Weiterhin: geselligesTanzen für jedes Alter, historische Tänze und Wander-gruppen.

Medizinische Vorträge und Patientenseminare in Koope-ration mit Ärzten und Kliniken helfen den Teilnehmern, ihreHandlungsmöglichkeiten einzuschätzen und Vorsorge zutreffen. In Veranstaltungen mit Juristen werden zum Bei-spiel Testamente verfasst oder Patientenverfügungen erläu-tert. Seminare, die darüber informieren, wie sich jemandvor kriminellen Übergriffen schützt, werden in Kooperationmit der Heidelberger Polizei angeboten, die auch dasMobilitätstraining unterstützt, um die Sicherheit alterMenschen im Straßenverkehr zu erhöhen. In dem Kurs„Rüstig und fit“ beispielsweise lernen die Teilnehmer, sichzu behaupten. Dabei wird ihnen vermittelt, sich nicht zuducken, wenn sie ein Jugendlicher in der Bahn anrempelt,sondern sich laut zu wehren, etwa mit den Worten: „Hörzu, so geht das nicht.“ In Vorträgern über Trickdiebstahlerfahren die Zuhörer, wie alten Menschen bei „Kaffee-fahrten“ das Geld aus der Tasche gezogen wird und wie siesich vor Taschendiebstahl schützen.

Im Fachbereich „Weiterbildung und Kultur“ nehmenSprachen den größten Raum ein, besonders begehrt sindKurse in Englisch und Französisch, seit neuestem wird auchPolnisch und Latein gelehrt. Es gibt Vorträge über undSeminare in Theologie, Philosophie und Zeitgeschichte.Sehr beliebt sind Filme, Vorträge und Dia-Vorträge überLänder und Regionen. Das Reiseprogramm schließlich istbesonders auf die Bedürfnisse älterer Menschen abge-stimmt und nimmt Rücksicht darauf, dass diese mehrBequemlichkeit wünschen als jüngere. Darüber hinausbesteht die Möglichkeit, sich als Gasthörer der UniversitätHeidelberg im „Studium ab 60“ anzumelden, für das dieAkademie ein spezielles Vorlesungsverzeichnis bereithält,die Anmeldungen entgegennimmt und bei der Orientierungan der Universität hilft.

Sehr viele Teilnehmer der Aktivitäten sind hochbetagt,also älter als 80 oder 90 Jahre. Das gilt auch für dieDozenten, der derzeit älteste ist 95 Jahre alt. Es gibt keine

Bildungsvoraussetzungen. Die Teilnehmer kommen ausHeidelberg, der gesamten Kurpfalz, dem Odenwald und derVorderpfalz.

Gegen einen Jahresbeitrag von 68 Euro kann jederBürger an beliebig vielen Aktivitäten teilnehmen. FürReisen, Eintrittsgelder und die Computernutzung fallenExtrakosten an. Bei sozialen Härtefällen, die sich auch beilangjährigen Teilnehmern etwa durch den Tod des Ehe-partners plötzlich ergeben können, wird der Beitrag ermä-ßigt oder sogar ganz erlassen. Die Zahl der Stamm-Teilnehmer, die regelmäßig das Programm nutzen undeinen jährlichen Beitrag entrichten, schwankt jährlich zwi-schen 3.500 und 4.000. Sie nutzen die insgesamt etwa1.093 Veranstaltungen im Jahr – Kurse, Seminare, Vorträge,Reisen, Exkursionen.

Ziele und WirksamkeitDie Akademie für Ältere möchte körperliche Aktivitäten

fördern und hat daher ein umfangreiches Sportprogrammzusammengestellt. Dabei haben die Angebote das Ziel,Sicherheit der Bewegungen, Gleichgewicht, Kraft,Ausdauer, Reaktions- und Koordinationsfähigkeit zu schulen. Damit auch Menschen mit eingeschränkter Be-weglichkeit etwas finden, was ihnen Freude macht und vor-handene Fähigkeiten erhält, nimmt das Kursangebot aufunterschiedliche Schwierigkeitsgrade Rücksicht.

Es gibt Gymnastikgruppen, die schon seit 20 Jahren be-stehen und noch zur Hälfte von denen besucht werden, dievon Anfang an dabei waren. Dadurch kann lange auf kost-spielige Therapien verzichtet werden. Mit gutem bis sehrgutem Erfolg wurden Gesundheits-Kurse im Jahr 2004 zumBeispiel von knapp 2.000 Menschen besucht. Die Beliebt-heit der Kurse und die Treue der Teilnehmer sprechen fürsich.

Darüber hinaus sollen soziale sowie geistig-seelischeAktivitäten gefördert werden. Da die Dozenten ehrenamt-lich tätig sind, können sie flexibler vorgehen als bezahlte,unter Leistungsdruck stehende Kollegen; sie können in derGruppe das Lern- und Arbeitstempo variieren und indivi-duell auf die Lernenden eingehen. Oft kümmern sich dieDozenten in zusätzlichen Einzelgesprächen um die Sorgenvon Kursteilnehmern. Das gemeinsame Lernen, verbundenmit der Anteilnahme in Lebenskrisen, stärkt die Beziehungder Teilnehmer zueinander, aber auch das Selbstwertgefühljedes Einzelnen.

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Akademie für Ältere

Auch wenn durch diese Betreuung Zeit verloren zugehen scheint, so sind die Lerneffekte doch mit jenen ande-rer Einrichtungen vergleichbar, die höhere Gebühren ver-langen.

Die Teilnehmer von Französisch-Kursen konnten sichnach drei Jahren problemlos selbstständig in Heidelbergs Partnerstadt Montpellier zurechtfinden und unterhalten.Nach etwa einem Jahr ist bei den Besuchern von PC-Kurseneine Sicherheit im Umgang mit dem Computer zu beob-achten.

Die von der Akademie initiierte und im April 1992 ein-geführte „Karte ab 60“ ermöglicht die Nutzung des ge-samten Verkehrsverbundes für derzeit 25 Euro monatlich.Davon machen aktuell 55.000 Menschen Gebrauch.

Erfreulicherweise nutzen viele sehr alte Menschen dasAngebot der Heidelberger Akademie. Auch Menschen mitleichter Behinderung, sozial Benachteiligte und ältereEinwanderer sind integriert.

Kooperation und VernetzungDie Akademie für Ältere pflegt eine enge Zusammenarbeitmit zahlreichen Partnern, darunter folgende:• Ambulantes Therapiezentrum der Stiftung Rehabilitation

Heidelberg• Augustinum Heidelberg• Botanischer Garten der Uni Heidelberg• Gartenakademie Baden-Württemberg e.V.• Verkehrsverbund Rhein-Neckar• Institut für Sport und Sportwissenschaft der Uni Heidel-

berg• Polizeidirektion Heidelberg• Odenwaldklub Heidelberg e.V.• Volkshochschule• Landeswohlfahrtsverbände

FinanzierungDie Akademie für Ältere mit einem jährlichen Gesamt-

etat von 550.000 Euro finanziert alle personellen undeinen großen Teil der Sachkosten über einen Jahresbeitragder Teilnehmer in Höhe von 68 Euro. Das macht ungefähr40 Prozent aus. Weitere 40 Prozent werden von Land,Stadt, Landeswohlfahrtsverbänden und Stiftungen einge-nommen; der Rest kommt aus Erlösen der Reisen sowieSpenden. Etwa 68 Prozent der Einnahmen werden für

Personalkosten ausgegeben, über 15 Prozent fürRaumkosten, der Rest für den Geschäftsbetrieb. DieAkademie expandiert, die Zuschüsse sind eher rückläufig.

ÜbertragbarkeitAuch in anderen Regionen kann die Akademie-Idee auf-

gegriffen werden. Der Aufbau ähnlicher Organisationenwird dadurch begünstigt, dass immer mehr Ältere länger fitsind und aktiv bleiben wollen. Innovativ war die Akademiezu ihrer Gründung, inzwischen gibt es eine Reihe ähnlicherOrganisationen. Etwas Besonderes sind bis heute das hoheMaß an Ehrenamtlichkeit, der Umfang des Angebots unddie große Nachfrage.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitVon Anfang an wurde die Arbeit der Akademie durchÖffentlichkeitsarbeit begleitet. Beispielhaft seien folgendePublikationen genannt:• Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und

Jugend: Markt der Möglichkeiten, Bonn 1998, S. 215• Mömken-Reinhard, Josefine: Die Akademie für Ältere

und das „Studium ab 60“ an der Uni Heidelberg, in:Graeßner, G.E.T. Korflür. L. Veelken (Hrsg.) „Bestands-aufnahme und Perspektiven des Seniorenstudiums,Bielefeld 1994

• Tägliches Programm in der Rhein-Neckar-Zeitung• Programmübersicht in kleineren Blättern der Region• Mehrmals jährlich Fernsehberichte

NachhaltigkeitDie Akademie soll weiter bestehen bleiben. Sie ist durch

die große Zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter vorbildhaft.3.744 Menschen zählen inzwischen zum festen Stamm,das heißt, sie entrichten einen Jahresbeitrag, manche nehmen mehrmals wöchentlich an Kursen zur Förderungvon Körper, Geist und Seele teil. Für alle Teilnehmer ist dieAkademie zweifellos nachhaltig. Und für viele ist sie der Le-bensmittelpunkt nach dem Ausscheiden aus dem Berufs-leben.

Aus den Kursen hervorgegangen sind eine Arbeits-gruppe, die die Homepage der Akademie betreut, und meh-rere Gruppen, die bei dem Aufbau von Datenbanken bezie-hungsweise der Erstellung der Halbjahresschrift assistieren.

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Dokumentation und EvaluationJährlich werden Statistiken erstellt. Der Geschäftsbericht

der Akademie umfasst zudem die Gesamtabläufe in einzel-nen Arbeitsbereichen. Alle Veranstaltungen werden in derHalbjahresschrift erläutert und angekündigt. 1994 erschieneine zusammenfassende Dokumentation „Zehn JahreAkademie für Ältere“.

Zur Evaluation erfolgen regelmäßig Fragebogenaktionenund Direktbefragungen. Die Dozenten und Reiseleiter tref-fen sich mindestens zweimal im Jahr zu Fachkonferenzen.Auch wissenschaftliche Evaluationen werden vorgenom-men.

ZukunftsperspektivenDie Akademie für Ältere soll nicht nur in ihrem Bestand

gesichert werden, sie soll darüber hinaus ausgebaut wer-

den. So ist daran gedacht, künftig jüngere Familien mitKindern zu unterstützen, in denen beide Elternteile arbei-ten. Ältere Damen könnten hier zum Beispiel auf die Kinderaufpassen.

Das Potenzial von älteren Menschen, die im Laufe ihresLebens viel Wissen und Erfahrung gesammelt haben, sollnoch mehr genutzt werden. Sie könnten etwa arbeitslosenJugendlichen bei der Jobsuche behilflich sein und mit ihnenzusammen Bewerbungen schreiben.

Die Akademie für Ältere möchte die „jungen Alten“, alsojene um die 60 Jahre, noch mehr für sich interessieren. Undes sollen mehr Männer motiviert werden, Kurse zu besu-chen oder sich ehrenamtlich zu engagieren. Denn bisherliegt der Anteil der Frauen sowohl bei den Ehrenamtlichenals auch bei den Kursteilnehmern bei zwei Dritteln.

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Nominierte MaßnahmeSchwertfischKonzept

Bewerber: Forschungsgruppe Körper und Gesundheit der Universität KasselAnschrift: Heinrich-Plett-Straße 40, 34132 KasselTel. / Fax: 05 61-80 445 62 / 05 61-8 04 45 25E-Mail: [email protected]: www.schwertfischkonzept.deLeitung der Maßnahme: Professor Dr.-Ing. Hans ImmlerRechtsträger: Universität KasselInitiatoren: Professor Dr.-Ing. Hans ImmlerPräventive Abbau des täglichen Energieüberhangs als PrimärpräventionZielthemen: von Übergewicht und StoffwechselerkrankungenIntegration: Förderer und Multiplikatoren wie die Hessisch-Niedersächsische

Allgemeine Zeitung, Verlag Wort und Bild, Deutsche Diabetes StiftungZielgruppen: Menschen mit einem BMI von 25-30Laufzeit: Seit 1. September 2004; das Ende ist offen

Den Energieüberschuss auf null bringen

BeweggrundSeit 1950 ist der Bewegungsumsatz des Einzelnen

durchschnittlich um über 40 Prozent gesunken. Die Gründesind hinreichend bekannt, darunter der technische Fort-schritt und die damit einhergehende Verminderung körper-licher Arbeit. Die Auswertung zahlreicher Studien zeigt,dass der Rückgang des Energieumsatzes zu Glukose- undFettstoffwechselstörungen führt. Zur Prophylaxe desMetabolischen Syndroms (Stoffwechselerkrankungen infol-ge von Übergewicht, das heißt Störungen des Zucker-,Insulin- und Fettstoffwechsels) kommt es daher darauf an,die nicht ausgelasteten „Kraftwerke“ in den Muskelzellenwieder hochzufahren, das heißt über mehr körperlicheAktivität wieder das physiologische Bewegungsminimumzu erreichen. Ergänzend dazu bleibt es sinnvoll, auch dieKalorienzufuhr durch ein verändertes Ess-Verhalten inBalance zu bringen.

Vor zehn Jahren befasste sich Professor Immler mitVeränderungen der Gesellschaft, Arbeitswelt und ihrenAuswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit.Daraus zog er unter anderem folgende Erkenntnisse:• Der Mensch hat sich eine Umwelt geschaffen, in der er

sich zu wenig bewegt und zu viel isst; Professor Immlerspricht von einer „Umwelt-Anpassungskrise“.

• Die Volkswirtschaft gewährleistet keine sicherenArbeitsplätze mehr, was für den Einzelnen eine enormeHerausforderung bedeutet. Um sich dieser stellen unddie erforderliche persönliche Verantwortung überneh-men zu können, müssen Menschen körperlich, geistigund psychisch gesund sein. Denn wenn sich der Staatimmer mehr zurückzieht (leere Kassen), müssen Men-schen selbst aktiv werden (allgemeine Daseinsvorsorge,spezielle Prävention).

• Viele der häufigsten Erkrankungen haben einen langenVorlauf. Wenn es gelingt, Stoffwechselerkrankungen zuverhindern, können die Folgen individuell abgewehrtwerden.

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Diese und weitere Erkenntnisse führten zur Entwicklungdes „SchwertfischKonzepts“. Der Schwertfisch symbolisiertdie Zunahme der Energieaufnahme bei gleichzeitig abneh-mender körperlicher Aktivität in den vergangenen 40 Jah-ren. Diese kulturell verloren gegangene Aktivität sollzurückgeholt werden in Form von angenehmer Bewegung.Dabei berücksichtigt das Konzept, dass Menschen nur dannzur Primärprävention motiviert werden können, wenn diesesich leicht in den Alltag integrieren lässt.

Beschreibung der MaßnahmeDie bisherige Primärprävention befindet sich in dem

Dilemma, dass sie von den Menschen als eine ArtVorleistung über Wochen und Monate eine Gewichts-reduktion verlangt, an der die meisten scheitern. Der neueAnsatz des „SchwertfischKonzepts“ besteht vor allem da-rin, dass weniger das Übergewicht selbst im Mittelpunktsteht, sondern mit dem „Täglichen Energieüberschuss“(TÜ) gearbeitet wird. Zunächst wird für jeden individuellder tägliche TÜ errechnet und dem Betreffenden ein Wegaufgezeigt, wie er diesen Überschuss durch eine Kombi-nation aus Bewegung und Ernährung auf null bringenkann. Wurde beispielsweise für jemanden ein täglicher TÜ-Wert von 400 kcal ermittelt, wird für ihn ein Verhaltensplanentwickelt, um seine Bewegung täglich um 200 kcal zusteigern (zum Beispiel durch 20 Minuten Nordic Walkingoder 15 Minuten Fahrrad fahren) und die Nahrungszufuhrum 200 kcal zu verringern (zum Beispiel nur eine halbeWurst oder ein Drittel Pizza).

In dem entwickelten Konzept wird versucht, Verhaltens-änderungen in Bezug auf Ernährung und Bewegung mitden genetischen und quasigenetischen Konditionierungendes Individuums in Übereinstimmung zu bringen: Denn von

Natur aus isst der Mensch, was auf den Tisch kommt, undspart möglichst jeden Schritt. Die Kombination dieser bei-den Veranlagungen ist verhängnisvoll. Außerdem ist eszwar leicht, Informationen über mehr Bewegung und weni-ger Ernährung zu bekommen, es fällt aber schwer, auch nureinen Teil des Gelernten in die Praxis umzusetzen. ImSchwertfischKonzept geht es daher darum, nicht weniger,sondern anders zu essen sowie Bewegung mittlererIntensität in den Alltag zu integrieren. Eine Kehrtwende imErnährungs- und Bewegungsverhalten in Richtung einerFrühprophylaxe von Gesundheitsstörungen soll durch täg-lich 30 bis 60 Minuten mehr körperliche Aktivität in Berufund Freizeit erreicht werden (das heisst Treppe stattAufzug; mal zu Fuß einkaufen gehen statt mit dem Autovor dem Supermarkt vorfahren, Nordic Walking, Joggen,Rad fahren oder Schwimmen beispielsweise) und dadurch,dass die tägliche Kalorienzufuhr gesenkt wird. DaHungerkuren und Verbote bekanntlich langfristig dengegenteiligen Effekt haben, setzt das SchwertfischKonzeptauf eine Verlagerung der Speisen in Richtung Gemüse, Obstund Salat. So ist der gesundheitliche Nutzen der Mittel-meerkost (senkt das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankun-gen, Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes und erhöhtenBlutfettwerten) wissenschaftlich unstrittig, wo es genauumgekehrt wie in der deutschen Küche Fleisch nur alsBeilage gibt und Hauptbestandteile einer Mahlzeit frischesObst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse sind.

Als Zielgruppe wurden vor allem Personen mit einemBMI von 25 bis 30 identifiziert. Das Problem des Überge-wichts betrifft besonders die Fünfzig- bis Sechzigjährigen inDeutschland, verursacht durch ein hohes Maß an kalori-scher Überernährung und körperlicher Unterforderung inBeruf und Freizeit.

Logo der gemeinsamen Aktion zu SchwertfischKonzept und HNA

Seite 82 | Deutscher Präventionspreis 2005

SchwertfischKonzept

Um das SchwertfischKonzept publik zum machen, gab esmehrere öffentliche Aktionen:• Werbung in der Apotheken-Umschau (4,5 Millionen Auf-

lage) über drei Monate und eine kostenfreie, individuel-le Betreuung via Internet (Berechnung des TÜ und Hand-lungsanweisungen zur Verbesserung der Energieba-lance). Die Internetseite wurde über 10.000-mal ange-klickt, der Betreuungsgrad war unterschiedlich.

• Die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine Zeitung hatdas Projekt drei Monate redaktionell begleitet. Darausergaben sich Informationen und fünf Veranstaltungen inder Universität Kassel mit jeweils 300 bis 400 Leutensowie Untergruppen zur persönlichen Analyse mit je-weils 50 Personen. Aus diesen beiden Aktivitäten(Apotheken-Umschau und Niedersächsische Allgemeine)gingen Gruppen hervor, die sich einmal wöchentlichunter Anleitung einer Psychotherapeutin trafen, um sichauszutauschen.

• In Zusammenarbeit mit Urania, einer Volksbildungs-einrichtung in Berlin, fanden zehn Treffen mit jeweils 300Menschen statt. Neben Informationen wurden wiederumkonkrete Tipps gegeben.

Während in den Großveranstaltungen zunächst all-gemeine Informationen vermittelt werden, finden in an-schließend gebildeten Gruppen persönliche Analysen mitErmittlung des TÜ und konkreten Handlungsanweisungenstatt.

Über Medien (Homepage des „SchwertfischKonzepts“,Zeitschriften,Aufklärungs-Kampagne der Deutschen Diabe-tes-Stiftung) kann sich jeder über das Präventionsprojektinformieren und bei Interesse das Material zur Handlungs-anleitung über die Forschungsgruppe „Körper und Gesund-heit“ anfordern.

Ziele und WirksamkeitBeim „SchwertfischKonzept“ geht es nicht primär ums

Abnehmen, sondern um die Eliminierung des täglichenEnergieüberschusses infolge von zu viel Essen und zuwenig Bewegung. Das Motto lautet „Nicht mehr tanken alsfahren“. Durch die Maßnahmen soll die individuelleGesundheit gefördert und das Erkrankungsrisiko gesenktwerden. Dies wird durch mehr körperliche Fitness, ein ver-bessertes Ernährungsverhalten und mehr Körperbe-wusstsein erreicht. Hilfreich ist es, die individuellen Ziele inkleinen Schritten, aber nachhaltig zu verfolgen.

Gelingt es, den täglichen TÜ auf null zu bringen, führtdas innerhalb von wenigen Tagen zu deutlichen Stoff-wechselverbesserungen und einem körperlichen Wohlbe-finden. Die gewünschte Primärprävention tritt also un-mittelbar ein und motiviert daher mehr als Diäten undKuren über lange Zeiträume. Nachweislich erfolgt innerhalbvon drei Monaten auch eine deutliche Gewichtsreduktion.So hat sich in den Gruppen in Kassel und Berlin gezeigt,dass 80 Prozent der Teilnehmer das Ziel der Energiebalanceund Gewichtsreduktion innerhalb von diesem Zeitraumerreichten, nach einem Jahr war dieser Erfolg noch bei 50Prozent nachweisbar.

Das Konzept ist motivierend, einfach und verständlichaufbereitet.

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 83

Kooperation und VernetzungDie Stadt Kassel hat die Schwertfisch-Aktion „Kassel

speckt ab“ nach einem Beschluss der Stadtverordnetenunterstützt. Beteiligt waren neben der Hessisch-Nieder-sächsischen Allgemeinen Zeitung und der Apotheken-Umschau niedergelassene Ärzte, die Diabetes-Stiftung (diedas Konzept über Plakate verbreitet hat) und die KasselerSparkasse (von rund 1.000 Mitarbeitern haben zehnProzent an dem Projekt teilgenommen).

An der Entwicklung und Durchführung des Projekts derFachgruppe „Körper und Gesundheit“ ist eine Arbeits-gruppe der Universität Kassel beteiligt, bestehend aus Pro-fessor Dr. Hans Immler, Gabriele Hirsemann (PsychologischePsychotherapeutin), Matthias Schwarz (Dipl.-Ökotropholo-ge), Fran Mandel (Germanistin und Mediengestalterin),Petra Brücker (Sekretärin).

FinanzierungDie Universität Kassel übernimmt Personal- und Sach-

kosten. Laufende Kosten werden über den Verkauf der imProjekt eingesetzten Handbücher (siehe Dokumentationund Öffentlichkeitsarbeit) finanziert. Die Kosten für dasForschungsprojekt mit Qualitätskontrolle von AnfangSeptember 2004 bis April 2005 hat „Wort und Bild“(Verlag der Apotheken-Umschau) zusammen mit derDeutschen Diabetes Stiftung übernommen.

ÜbertragbarkeitMit Hilfe der Handlungs- und Grundlagenbücher, die via

Internet, per Fax oder durch ein Anschreiben bei ProfessorImmler bestellt werden können, ist das Projekt jederzeit ananderen Orten zu reproduzieren.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitDas Konzept wurde von Anfang an über die Medien ver-breitet. Darüber hinaus wird es in mehreren Broschürenund Büchern dargestellt, zum Beispiel:• Immler, H.: SchwertfischKonzept. Fit und gesund. Das

Buch zum Handeln, Universität Kassel, 2003, 140 Seiten• Immler, H.: Bewegung-Bewusstsein-Handeln, Universität

Kassel 2003, 169 Seiten

• Immler, H.: Der Körper in der Evolutionskrise, UniversitätKassel, April 2002, 14 Seiten

• Immler, H.: Der Körper in der Renaissance, UniversitätKassel, April 2002, 24 Seiten

NachhaltigkeitÜber die Nachhaltigkeit können keine Aussagen getrof-

fen werden. Es fehlen objektivierbare Eingangs- undAusgangsmessungen entsprechender Parameter: DieTeilnehmer errechnen ihre Werte selbst beziehungsweisegeben diese subjektiv an. Gegebenenfalls erbringen dieErprobungen im Rahmen des DDS-Forschungsprojekts(Deutsche Diabetes-Stiftung) mit Unterstützung des VerlagsWort und Bild entsprechende Werte. Der Bericht wird imSommer 2005 vorliegen.

Zurzeit ist ein weiteres Handbuch in Arbeit mit dem Titel„täglich 500“. Dieses vereinfachte und massentauglicheKonzept geht von einem täglichen Energieüberschuss von500 kcal aus. Diese Normgröße wird nach der bewährtenMethode in ein verändertes Ernährung- und Bewegungs-verhalten aufgeteilt, das zur Energiebalance führen soll.Dabei sollen die Tipps so gehalten sein, dass sie leicht inden Alltag zu integrieren sind.

Dokumentation und EvaluationDie wissenschaftliche Erprobung erfolgt im Rahmen

eines 40 Personen umfassenden DDS-Forschungsprojekts,das auch Grundlage der späteren Evaluation sein soll. Fest-gehalten werden unter anderem Teilnehmerzahl, Gewicht,täglicher Energieüberschuss, geplante Verhaltensänderungund Erfolgskontrolle.

ZukunftsperspektivenDas „SchwertfischKonzept“ soll auf betrieblicher und

kommunaler Ebene ausgebaut werden. Dabei ist bei einerbreiten Umsetzung auf kommunaler Ebene wieder an eineZusammenarbeit mit den Medien gedacht; in Betrieben solldas Konzept in Kooperation mit Betriebsärzten eingeführtwerden.

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Nominierte MaßnahmeBegleitung älterer demenzkranker Menschen und ihrer Familien in Mannheim-Süd

Bewerber: DemenzBeratungsstelle Neckarau-AlmenhofAnschrift: Karl-Blind-Straße 4, 68199 MannheimTel. / Fax: 06 21-8 32 56 77 / Fax 06 21-8 28 05 53E-Mail: [email protected] der Maßnahme: Rosemarie Hoevels, Diplom-SozialarbeiterinRechtsträger: Sozialstation Neckarau-Almenhof e.V.Initiatoren: Pfarrer Günther Welker, ev. Lukaskirche Mannheim, Sozialstation

Neckarau-Almenhof, Professor Dr. Astrid Hedtker-Becker, Dozentin an der Hochschule für Sozialwesen in Mannheim

Präventive Vernetzung der Angebote für Demenzkranke und ihre Angehörigen,Zielthemen: enge Kooperation aller an der Betreuung dieser Menschen beteiligten Berufsgruppen,

Entlastung der Sozialstation und Verbesserung der Lebensbedingungen von Betroffenenund Angehörigen (durch positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs, Hilfe bei derKrankheitsbewältigung und Aktivierung vorhandener Ressourcen)

Integration: Demenzkranke und ihr familiäres sowie soziales Umfeld (Angehörige, Nachbarn), ehren-amtliche Helfer in den Gemeinden und verschiedene Berufsgruppen wie zum BeispielAltenpfleger, Sozialpädagogen, Ärzte, Seniorenberatung, Fachhochschule Mannheim

Zielgruppen: Demente ältere Menschen und ihre Angehörigen, auch ältere Menschen, die wegenzunehmender Vergesslichkeit bei sich selbst eine Demenzerkrankung befürchten und nach laienverständlichen Informationen suchen

Laufzeit: 1. Januar 2003 bis Ende 2005

Zum Wohle Demenzkranker und ihrer Familien

BeweggrundEine Demenzerkrankung empfinden die Betroffenen

selbst, aber auch ihr unmittelbares familiäres Umfeld alsbelastend. Hier mildernd einzugreifen, war ein Grund fürdie Initiative. Auch die Mitarbeiter der SozialstationNeckarau fühlten sich zunehmend damit überfordert, älte-re demente Menschen zu betreuen. Als im Jahr 2002 dieerforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung standen,wurde in einer „Zukunftswerkstatt“ unter Beteiligung vonGemeinde, Trägerverein und Fachhochschule ein Konzepterarbeitet, dessen Ergebnis die DemenzBeratungstelle ist.Mit Projektstart am 1. Januar 2003 wurden bereits ersteKontakte zur Klientel geknüpft (durch wöchentliche Sprech-stunden, erste Beratungsgespräche und Hausbesuche).

Es gab zwar bereits zahlreiche Angebote für Demenz-kranke und Angehörige in der Stadt, die jedoch nebenein-

ander existierten. Diese besser aufeinander abzustimmen,gemeinsam zu planen und Transparenz zu schaffen, war einweiterer Beweggrund für das Projekt.

Beschreibung der MaßnahmeDie DemenzBeratungsstelle in Mannheim wendet sich

mit verschiedenen Angeboten der Beratung, Begleitungund Information sowie als Forum für demenzkranke ältereMenschen und ihre Angehörigen an Bewohner der Stadt-teile Neckarau und Almenhof mit insgesamt 31.091 Ein-wohnern. Diese Stadtteile Mannheims wurden ausgewählt,weil sie zum Einzugsbereich der Sozialstation gehören. DieSozialstation stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung.

Die Angebote der Beratungsstelle ergänzen einanderund werden im Sinne eines prozesshaften Geschehens undzur möglichst umfassenden Begleitung von Rat und HilfeSuchenden eingesetzt. Die Maßnahme hat einen niedrig-schwelligen Charakter. Betroffene und ihre Familien suchendie Beratungsstelle von sich aus auf oder werden von der

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 85

Gemeinde oder der Sozialstation auf das Angebot hinge-wiesen. Dieses ist darauf ausgerichtet, möglichst differen-ziert und individuell auf Einzelne einzugehen und sieumfassend psychosozial zu begleiten, sowohl akut im Sinneeiner Feuerwehrfunktion als auch langfristig.

Zentraler Ausgangspunkt der Aktivitäten der Beratungs-stelle ist es, die vorhandenen Infrastrukturen der ökumeni-schen Sozialstation zu übernehmen.

Der erste Kontakt wird durch Hausbesuche vertieft, inweiteren Gesprächen (etwa mit behandelnden Ärzten oderMitarbeitern der Sozialstation) die Lebensweise des Patien-ten, sein Umfeld und seine gesundheitliche Verfassung inErfahrung gebracht. Aufgrund der in vier bis sechs Wochengewonnenen Erkenntnisse wird entschieden, ob der De-mente besser in eine Gruppe aufgenommen oder indivi-duell betreut wird. Im Forschungsprojket KISMED (Koope-ration interdisziplinärer Zusammenarbeit von Sozialarbeitund Familienmedizin der Hochschule für SozialwesenMannheim und der medizinischen Universitätsklinik Heidel-berg 1999-2001) bearbeitete Module werden hierbei mo-difiziert verwendet.

Die individuelle Betreuung erfolgt in Form von Hausbe-suchen und richtet sich nach den speziellen Bedürfnissender Erkrankten und ihrer Angehörigen. Neben Einzelge-sprächen mit den Patienten oder aber auch mit Familien-mitgliedern wird gemeinsam gekocht, eingekauft oderetwas unternommen; das kann ein Spaziergang oder jedeandere Aktivität sein, an der der Betreffende Freude hat.

In der einmal wöchentlich stattfindenden Betreuungs-gruppe (Dienstagskreis) für maximal acht demenzkrankeMenschen kommt die gesellige Komponente hinzu. Ange-

hörige bringen den Patienten zu diesen Treffen und holenihn wieder ab, wobei es oft zu hilfreichen Gesprächen„zwischen Tür und Angel“ kommt. Die Betreuung erfolgtdurch eine Fachkraft (Sozialpädagogin mit 20 ProzentStundendeputat), Altenpflegerin (15 Prozent Stunden-deputat), fünf Ehrenamtliche und zwei bis vier Studentender Fachrichtung Sozialarbeit / Sozialpädagogik. Entspre-chend den Empfehlungen der Alzheimer Gesellschaft ist jenach Stadium der Demenzerkrankung eine Eins-zu-Eins-Be-treuung erforderlich. Ablauf und Inhalt der Gruppenaktivi-täten werden sorgfältig und entsprechend der Fähigkeitenund Interessen der Teilnehmer unter Mithilfe von Angehöri-gen und Ehrenamtlichen vorbereitet.

In der Gruppe soll unter anderem Folgendes geleistet wer-den:• Aufleben von sozialen Rollen, Kompetenzen und Fertig-

keiten• Austausch von Erinnerungen• Förderung von geistigen und körperlichen Aktivitäten• Aufbau des Selbstwertgefühls• Entlastung der Angehörigen

Familienangehörige können an einer monatlich stattfin-denden Gruppe speziell für sie teilnehmen. Ähnlich wie ineiner Selbsthilfegruppe werden bei diesen Zusammen-künften Erfahrungen und Informationen ausgetauscht.Die Betroffenen helfen sich auf diese Weise gegenseitig. Somüssen die Angehörigen lernen, mit Verständnis, Geduldund Einfühlungsvermögen auf den Erkrankten zu reagierenund einen Zugang zu seiner Welt zu finden. Die Gruppe ist

Seite 86 | Deutscher Präventionspreis 2005

Begleitung älterer demenzkranker Menschen und ihrerFamilien in Mannheim-Süd

offen für die genannten Stadtteile und, sofern genügendPlätze vorhanden sind, auch für andere Bewohner Mann-heims. Leitende Sozialarbeiter der Beratungsstelle organi-sieren und betreuen die Angehörigengruppe.Diese hat zudem folgende Funktionen:• Informationsvermittlung zum Thema Demenz durch die

Leitung• Tipps für den Umgang mit demenzkranken Menschen

durch eingeladene Referenten • Emotionale Unterstützung und Begleitung durch die psy-

chotherapeutisch ausgebildete Fachkraft• Vermittlung von Bewältigungsstrategien durch die Fach-

kraft• Gemeinsame Unternehmungen, zum Beispiel Kinobe-

such oder Teilnahme an einem Seminar.

Ergänzt wird das Angebot durch Veranstaltungen, wiebeispielsweise die Reihe „Wenn die Vergesslichkeitzunimmt“ oder einzelne Referate über die Erkrankung undden Umgang mit Patienten, die unter anderem inSeniorenzentren der umliegenden Gemeinden stattfinden.Bisher wurden knapp 300 Menschen durch dieseVeranstaltungen erreicht. Bei der Wissenvermittlung wirdWert darauf gelegt, den Kenntnisstand aller Zuhörer zuberücksichtigen. In praxisorientierten Seminaren beziehendie Referenten die Teilnehmer durch Übungs- undSelbsterfahrungselemente mit ein.

Fazit:Das Projekt besteht im Wesentlichen aus den vier Bau-steinen:• Demenzgruppe (vier bis acht Teilnehmer) mit wöchent-

lich zirka drei Stunden• Einzelberatungen, zirka zehn Personen (einmal bis mehr-

mals jährlich)• Angehörigengruppe mit maximal zwölf Teilnehmern• Informationsveranstaltungen, einmal monatlich

Bei Bedarf werden die demenziell Erkrankten auch imKrankenhaus besucht, um den Kontakt zu halten.

Ziele und WirksamkeitDie gut besuchten Veranstaltungen haben zu einer Ent-

tabuisierung der Erkrankung beigetragen, die normaler-weise eher verheimlicht wird.

Gemeinsames Ziel der Bemühungen ist es, allen Betei-ligten zu helfen, besser mit der Demenzerkrankung zu-rechtzukommen und deren Fortschreiten zu verzögern.Dazu sollen die Ressourcen und Interessen der Erkranktengefördert und die Angehörigen entlastet werden.

Kooperation und VernetzungDurch die enge Kooperation mit der Sozialstation sind

deren Patienten besonders angesprochen. Darüber hinaussind die örtlichen evangelisch / katholischen Kirchenge-meiden einbezogen und alle Bewohner der StadtteileNeckarau und Almenhof. Ehrenamtliche, die bei der Betreu-ung von Demenzkranken mitwirken, werden überwiegendaus den zwei der Sozialstation nahe stehenden Kirchen-gemeinden rekrutiert und engmaschig an die Beratungs-stelle angebunden.

In einem 2004 gegründeten Arbeitskreis treffen sich ein-mal monatlich Psychiater, Ärzte und andere Berufsgruppen,die ältere Menschen betreuen, darunter Altenpfleger,Krankengymnasten, Logopäden.

Verschiedene stationäre und teilstationäre Einrichtungensind einbezogen, indem dort Veranstaltungen ausgerichtetwerden. Zu diesen Veranstaltungen sind alle eingeladen,die in der Altenhilfe arbeiten.

Insgesamt ist der Zeitaufwand für die Kommunikationinnerhalb der Projektgruppe und zwecks Austausch mit beteiligten Organisationen erheblich: wöchentliche Be-sprechung zu Methoden, Inhalten, Planung, Durchführung;Fachbesprechung im Sechs-Wochen-Rhythmus; wöchent-liche Vor- und Nachbereitung des Gruppennachmittags;monatliches „Arbeitsfrühstück“ mit Ehrenamtlichen undStudenten zu Fallbesprechungen; Fortbildung und Erfah-rungsaustausch; monatliche Dienstbesprechung in derSozialstation; laufende Besprechungen zwischen derPflegedienstleitung der Sozialstation und der Leitung derBeratungsstelle; Austausch mit der Seniorenberatungsstelleder Diakonie im Rhythmus von sechs Wochen.

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 87

FinanzierungDie Kosten liegen bei jährlich rund 25.000 Euro für die

Demenzgruppe zuzüglich Einzelbetreuung, Angehörigen-gruppe, Hausbesuche,Veranstaltungen,Verwaltung. Finan-ziert wird die Arbeit durch Mittel des Trägervereins, durch § 45 c SGB 11 (niedrigschwellige Betreuungsangebote fürDemenzkranke und Angehörige) und Spenden. FürTeilnehmer ist das Angebot unentgeltlich, sie können dieArbeit durch Spenden unterstützen.

ÜbertragbarkeitAuch in anderen Kommunen könnten Beratungsstellen

und Sozialstationen in dieser Weise zusammenarbeiten.

Kommunikation und ÖffentlichkeitsarbeitEs gab unter anderem ein Pressegespräch mit dem

Mannheimer Morgen und fünf Berichte. Öffentlichkeitsar-beit fand zudem in Form von Vorträgen (zum Beispiel„Schlüsselkompetenzen für den Aufbau und die Durch-führung niedrigschwelliger Betreuungsangebote“) undeinem Workshop für Pflegekräfte zum Thema „Demenz ist… wenn die Vergesslichkeit überhand nimmt“ statt.

NachhaltigkeitEs ist noch nicht geklärt, wie sich die Arbeit über den

31.12.2005 fortsetzen lässt, weil der Träger kein Geld mehrzur Verfügung stellen kann.

Dokumentation und EvaluationDie Arbeit wird gegenüber dem Träger in einem jähr-

lichen Tätigkeitsbericht dokumentiert. Für 2003 und 2004wurde eine Statistik über die Anzahl von Gesprächen,Hausbesuchen und Veranstaltungen geführt.

Zur Evaluation wurde eine dreiteilige Diplomarbeit zurArbeit der Beratungsstelle verfasst: „Altersverwirrte Men-schen – Eine qualitative und quantitative Situationsanalyseaus Sicht von Betroffenen, von Angehörigen und von Ärz-ten im Umfeld der DemenzBeratungsstelle MannheimNeckarau / Almenhof, Nicola Egle, Inga Hennig, MariaSkiendziel, Fachhochschule Mannheim für Sozialwesen,August 2004“.

ZukunftsperspektivenDie Initiatoren hoffen, die Beratungsstelle etablieren zu

können. Falls dies gelingt, soll das Angebot stärker anmännlichen und weiblichen Interessen orientiert werden.So haben die Männer wenig Freude daran, beispielsweisegemeinsam Mahlzeiten zuzubereiten. Sie bevorzugenAktivitäten im Freien und Bewegung. Darüber hinaus soll-ten die multiprofessionelle Zusammenarbeit und die ehren-amtliche Tätigkeit ausgeweitet, die Verzahnung von ambu-lanter und stationärer Versorgung intensiviert und dieZusammenarbeit mit evangelischen und katholischenGemeinden verstärkt werden. Es könnten weitereDemenzgruppen entstehen und mehr kulturelle Angebotefür die Patienten gemacht werden, Lesungen und Konzertebeispielsweise.

Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Lehr, Bonn Ursula Lehr promovierte 1954, habilitierte 1968

und arbeitete als Universitätsprofessorin für Psycho-logie an den Universitäten Bonn und Köln, bevor sieals Professorin für Gerontologie an die UniversitätHeidelberg wechselte, wo sie zuletzt als wissenschaft-liche Direktorin des Deutschen Zentrums für Alterns-forschung tätig war. 1998 emeritierte sie in den täti-gen (Un-)Ruhestand. Ihre universitäre Laufbahnwurde von 1988 bis 1991 unterbrochen, als sie zurBundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Ge-sundheit berufen wurde, von 1991 bis 1994 war sieordentliches Mitglied des Deutschen Bundestages.

Ihre lange beruf- und nachberufliche Tätigkeit hatbleibende Spuren hinterlassen, so in über 700 Publi-kationen, Zeitschriftenartikeln, Handbuchartikeln und20 Monographien, u.a. „Psychologie des Alterns“(1972; 10. völlig überarbeitete Auflage 2003); Über-setzungen ins Niederländische, Italienische, Spani-sche, Türkische, Japanische. „Interventionsgeronto-logie“ (1978).

Wenn Ursula Lehr heute freie Mittel für Präven-tionsmaßnahmen zu vergeben hätte, würde sie sie zurMotivation von Jungen und Mädchen, Männern undFrauen eines jeden Alters für einen gesundheitsbe-wussten Lebensstil einsetzen. Darunter versteht siedie Motivation zu körperlicher Aktivität, Sport (natürlich gehört dazu auch gesundheitsbewussteErnährung, ebenso Training von Stressbewältigung),zur geistigen Aktivität: Training der grauen Zellen, undzur sozialen Aktivität, zu Sozialkontakten – und zubürgerlichem Engagement, und nicht zuletzt: dieWahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen.

Seite 88 | Deutscher Präventionspreis 2005

Die Juroren 2005

Ein Team aus acht unabhängigen Juroren bildete die Jury des DeutschenPräventionspreises 2005. Die Juroren sind erfahrene und ausgewieseneFachleute in der Gesundheitsförderung und Prävention im jeweiligen Preis-thema und repräsentieren ein breites Erfahrungs- und Meinungsspektrum.

Die Auswahl der Juroren geschieht durch die Träger desDeutschen Präventionspreises. Wenn das Preisthemaeines Wettbewerbsjahres feststeht, recherchiert das Teamder Geschäftsstelle Experten zum Preisthema, bringen dieTrägervertreter Vorschläge aus den eigenen Häusern ein,und gemeinsam wird beraten, wer die Expertise undUnabhängigkeit mitbringt, um die besten Projekte ausden Bewerbungen auszuwählen. Dabei achten die Trägerdarauf, dass die Interessenschwerpunkte gut verteilt sindund alle Aspekte, die ein Preisthema mit sich bringt, aus-reichend durch die Juroren vertreten sind. Zusätzlich legensie Wert darauf, dass Theorie, Praxis und Meinungs-bildung gleichermaßen repräsentiert werden. Mit einemAltersspektrum von 40 bis 78 Jahren repräsentiert die Juryin diesem Jahr auch die verschiedenen Generationen, dievom Preisthema berührt werden.

Für 2005 fiel die Wahl auf:

Prof. Dr. Andreas Kruse, Heidelberg Andreas Kruse promovierte 1986 in

Psychologie (Dr. phil.) an der Universität Bonnzum Thema „Strukturen des Erlebens undVerhaltens bei chronischer Erkrankung“. Erhabilitierte 1991 im Fach Psychologie an derUniversität Heidelberg mit dem Thema derHabilitationsschrift: „Kompetenz im Alter inihren Bezügen zur objektiv gegebenen undsubjektiv bewerteten Lebenssituation“. Seinberuflicher Werdegang führte ihn über Bonn,Heidelberg, Berlin, Greifswald zurück nachHeidelberg, wo er seit 1997 als Direktor desInstituts für Gerontologie, Lehrstuhl fürGerontologie, arbeitet.

Zahlreiche weitere Ämter nimmt er zusätz-lich wahr. So entwickelte Kruse als alleinigerBeauftragter der Welt-Gesundheits-Organisa-tion (WHO Genf) eine Forschungsstruktur„Gerontologie“ in den nord-ost-europäi-schen Staaten, 1996/1997, bereitete er denWeltgesundheitstag 1999 im Auftrag derWelt-Gesundheits-Organisation (WHO Genf)und des Bundesministeriums für Gesundheitvor, war Mitglied der Sachverständigenkom-mission der Bundesregierung zum Ersten undZweiten Altenbericht, Vorsitzender derSachverständigenkommission der Bundesre-gierung zum Dritten Altenbericht. Derzeit ister Vorsitzender der Sachverständigenkom-mission der Bundesregierung zum FünftenAltenbericht.

Harald Mandl, München Der Diplom-Journalist arbeitete u.a. für die

„Süddeutsche Zeitung“ und den SDR, warMedizin-Redakteur der Zeitschrift „natur“und baute mehrere Online-Dienste auf, bevorer als Chefredakteur die Online-Redaktion imWort & Bild Verlag übernahm. Damit zeichneter verantwortlich für die Portale Gesundheit-Pro.de, BabyundFamilie.de, DiabetesPro.deund SeniorenPro.de.

Das Portal GesundheitPro.de ist die Online-Ausgabe der Apotheken-Umschau, demMarktführer bei den Gesundheitsmagazinender Apotheken. Die angeschlossenen Por-tale Baby und Eltern, DiabetesPro und SeniorenPro bieten zielgruppenspezifischeInformationen.

Außerdem engagiert sich Mandl im afgis(Aktionsforum Gesundheitssystem) und gibtseine Fachkenntnis als Dozent der DeutschenJournalistenschule weiter.

Für Mandl ist wichtig, dass Mittel zur Prä-vention dafür eingesetzt werden, Menschenein selbstbestimmtes und würdiges Altern zuermöglichen.

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 89

Dr. Beate Robertz-Grossmann, Bonn Beate Robertz-Grossmann arbeitete nach

dem Lehramtsstudium zunächst als Redak-teurin bei einer Ärztezeitschrift. Danachwechselte sie als wissenschaftliche Referentinund stellvertretende Geschäftsführerin zurBundesvereinigung für Gesundheit e.V. IhrArbeitsschwerpunkt liegt im Thema „Gesund-heit und Alter“.

So leitet sie die AG 3 des Deutschen Fo-rums Prävention und Gesundheitsförderung,die sich mit dem Thema „Gesund altern“ beschäftigt. Robertz-Grossmann ist Mithe-rausgeberin eines Loseblattwerks, einesStudienbuchs Gesundheit und von diversenVeröffentlichungen. Ihre Expertise ist in ver-schiedenen Gremien gefragt, wie der Experten-kommission „Ziele in der Altenpolitik“ derBertelsmann Stiftung oder in der AG „Ethikund Recht“ im Rahmen des Programms„Leben mit Demenz“ der Robert-Bosch-Stif-tung.

Mittel zur Prävention und Gesundheits-förderung würde Dr. Robertz-Grossmann indie Verbesserung und Weiterentwicklung vonQualitätssicherung und Evaluation in Präven-tion und Gesundheitsförderung investieren.

Seite 90 | Deutscher Präventionspreis 2005

Die Juroren 2005

Regina Schmidt-Zadel, Ratingen Ihren Berufsweg begann Regina Schmidt-Zadel als

Sozialarbeiterin grad. in verschiedenen Bereichen derSozialarbeit. Sie war Abteilungsleiterin bei der Kreisver-waltung in Mettmann, Kreisverwaltungsrätin, Mitgliedder Landschaftsversammlung Rheinland, Vorsitzende desGesundheitsausschusses der Landschaftsversammlungdes Landschaftsverbands Rheinland, von 1990 bis 2002Mitglied des Deutschen Bundestages, unter anderemgesundheitspolitische Sprecherin und Behindertenbe-auftragte der SPD-Fraktion, stellvertretende Landes-vorsitzende der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen,Vorsitzende der Aktion Psychisch Kranke, stellvertretendeVorsitzende der Alzheimergesellschaft Nordrhein-West-falen, Mitglied im Kuratorium Deutsche Altershilfe sowiein Fördervereinen von Altenheimen und Behindertenein-richtungen. Von Juni 2004 bis Mai 2005 setzte sie sichals erste Landesbehindertenbeauftragte in Nordrhein-Westfalen für Behindertenverbände, Organisationen,Selbsthilfegruppen und Betroffene ein.

Fördermittel für Prävention und Gesundheitsförderungwürde sie vergeben für die Verbesserung der Situationbehinderter Menschen, zur Frühförderung und Verbesse-rung der Situation Demenzkranker.

Prof. Dr. Thorsten Nikolaus, Ulm1981 approbierte Nikolaus als Arzt und bildete sich

zum Facharzt für Innere Medizin weiter. Er ergänzte dieseWeiterbildung in Neurologie und Urologie und erwarbdie Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Naturheilver-fahren, Rehabilitationswesen, Physikalische Therapie undKlinische Geriatrie.

Seit 1996 hat er den Lehrstuhl für Geriatrie an derUniversität Ulm inne und ist Chefarzt der Bethesda Geri-atrische Klinik Ulm, seit 2003 zusätzlich Geschäftsführerder Bethesda Kliniken.

Seine Forschungsschwerpunkte sind Sturzprävention,Rehabilitation nach Frakturen, Fehl- und Mangelernäh-rung im Alter, chronische Schmerzen im Alter sowie Prä-vention von Behinderungen durch präventive Hausbe-suche.

Nikolaus ist Mitglied der European Academy forMedicine of Ageing als Teaching Professor (Akademie bil-det europäischen geriatrischen Nachwuchs in Zwei-jahreskursen wissenschaftlich aus), Mitglied des Aca-demic Board der European Geriatric Medicine Society.Seine langjährige Erfahrung gibt er auch in zahlreichenwissenschaftlichen Publikationen und Buchbeiträgen undals Herausgeber mehrerer Bücher zum Thema Geriatrieweiter, darunter im Handbuch „Klinische Geriatrie“.

Wenn Thorsten Nikolaus Mittel zur Unterstützung vonPrävention und Gesundheitsförderung frei hätte, würdeer so handeln: „Da die Prävention von chronischenKrankheiten im hohen Lebensalter bereits in der Jugendbeginnt, würde ich schwerpunktmäßig Präventionspro-gramme im Jugendalter und frühen Erwachsenenalterfördern. Die Bereiche gesunde Ernährung und körperlicheBewegung sowie Förderung geistiger Fähigkeiten sindjedoch über das gesamte Lebensalter präventiv wirksamund daher förderungswürdig.“

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 91

Ulla-Kristina Schuleri-Hartje, BerlinDie studierte Volkswirtin war u.a. Mitarbeiterin in der

Stabsabteilung eines Wirtschaftsunternehmens, stellver-tretende Leiterin der Planungsleitstelle der SenatskanzleiBerlin, bevor sie 1980 als wissenschaftliche Mitarbei-terin in das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) wech-selte, wo sie für den Arbeitsschwerpunkt Sozialpolitik(Ausländer, alte Menschen, Armut) zuständig ist. Siearbeitet u.a. in der Programmbegleitung des Bund- undLänderprogramms „Förderung von Stadtteilen mitbesonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“, istForschungsbegleitung des Verbundprojekts „Zuwandererin der Stadt“, Mitarbeiterin im Projekt „Lokale Agenda –Umwelt und Gesundheit“ und Mitglied in der Arbeits-gruppe gesundheitsfördernde Gemeinde- und Stadt-entwicklung.

Durch zahlreiche themenspezifische Veröffentli-chungen wie „Migranten im Alter – Möglichkeiten kom-munaler Altenhilfe“ oder „Armutsbekämpfung im Stadt-teil“ verbreitet Ursula Schuleri-Hartje ihr Fachwissen.

Mittel zur Prävention und Gesundheitsförderungwürde sie bevorzugt in der Kinder- und Jugendarbeit ein-setzen.

Roswitha Verhülsdonk, ParlamentarischeStaatssekretärin a.D., Koblenz

Roswitha Verhülsdonk arbeitete u.a. als Referentin inder Jugend- und Erwachsenenbildung der Stadt Koblenz.Ihre politische Tätigkeit begann sie 1969 als Mitglied imRat der Stadt Koblenz, dem sie bis 1991 angehörte. Von1972 bis 1994 war sie Mitglied des Deutschen Bundes-tages, von 1991 bis 1994 Parlamentarische Staats-sekretärin im Bundesministerium für Familie undSenioren.

Schwerpunktthemen ihrer politischen Arbeit bildetendie Sozialpolitik, Mitwirkung an der Gesetzgebung in denBereichen Sozialrecht, Arbeitsrecht, Familienrecht undGesundheitspolitik.

Zahlreiche weitere Ämter nimmt und nahm RoswithaVerhülsdonk wahr, u.a. als Vorstand in einem großenCaritas-Verband. Seit 1996 ist sie Vorsitzende der BAGSO(Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisa-tionen mit 86 Mitgliedsverbänden).

Zur Verwendung von finanziellen Mittel für Gesund-heitsförderung und Prävention macht RoswithaVerhülsdonk gezielte Vorschläge:1. Bundesweite Kampagne zeitgleich in den Medien und

in Vereinen und Verbänden mit einer Auftaktveran-staltung zum Thema: „Fit ins Alter, fit im Alter“.(Schwerpunkte: Bewegung, Sport, Spiel, gesunde Er-nährung, Werbung für freiwilliges Engagement).

2. Präventions-Infomobil, das von Städten, ländlichenGemeinden angefordert werden kann, wenn eine Prä-ventions-Aktionswoche o.Ä. geplant wird.

(Alle Angaben haben wir den Selbstauskünften der Juroren entnommen)

Seite 92 | Deutscher Präventionspreis 2005

Die Verleihung des DeutschenPräventionspreises 2005

• Videografie- und Toneindrücke aus den nominierten Projekten stimmen die Gäste auf das bevorstehendeErlebnis ein. Die Moderation des Tages liegt bei ThomasHegemann aus Leimen, TV-Moderator, Autor und Inno-vationsberater im Gesundheitswesen.

• Die zweistündige Preisverleihung beginnt um 11 Uhrmit der Begrüßung durch Dr. Elisabeth Pott, an-schließend fragt Thomas Hegemann eine Runde hervor-ragender Projekte dieses und des letzten Jahres„Können wir voneinander lernen?“ und regt damitInspirationen zum Dialog der Projekte untereinander an –ein wesentliches Anliegen des Deutschen Präventions-preises.

• Danach präsentiert Frank Rossi auf eine ganz unge-wöhnliche und faszinierende Weise seine Eingebungenzum Thema: als Bauchredner im Dialog mit seiner„Begleitung“.

• Nun kribbelt es schon ganz gewaltig – die Verleihungder Preise steht bevor. Und wirklich, es passiert: derfeierliche Akt der Preisverleihung. Vier Preisträgerwerden nacheinander von den Juroren des DeutschenPräventionspreises in einer Laudatio vorgestellt, auf dieBühne gerufen und erhalten aus den Händen von FrauDr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale fürGesundheitliche Aufklärung, und Frau Dr. Brigitte Mohn,Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung, ihremit jeweils 7.500 Euro dotierten Preise überreicht.

• Evergreens aus acht Jahrzehnten geben Gästen undGeehrten Gelegenheit, sich auf das nächste High-light einzustimmen. Sie werden präsentiert von„vocaldente“, dem Hannoveraner A-capella-Ensem-ble mit Biss: Fünfstimmiger perfekter Satzgesang,vokale Rhythmus- und Instrumentenimitationen, einge-bettet in eigene, satte Arrangements, das Ganzegewürzt mit selbstironischen Conférencen und witzigenShoweinlagen.

• Nun ist die Spannung greifbar: Wer wird dieNummer 1? Diese Frage klärt die Schirmherrin desDeutschen Präventionspreises, Bundesministerin UllaSchmidt. Sie ergreift das Wort und überreicht anschlie-ßend dem ersten Preisträger die 12.500 Euro wertvolleUrkunde in Anerkennung eines in jeder Hinsicht hervor-ragenden Projekts.

• Die fehlenden 7.500 Euro Preisgeld werden ebenfallseine gute Verwendung finden: Auch in diesem Jahr eh-ren die Kooperationspartner des Deutschen Präventions-preises Persönlichkeiten, die sich mit ihrer Arbeitum die Prävention und Gesundheitsförderungverdient gemacht haben – und auch sie erhaltenhierfür wie die anderen Preisträger eine finanzielleAnerkennung zugunsten ihres Projekts aus den Händenvon Dr. Erich Brunn, Geschäftsführer des GastgebersTakeda Pharma GmbH aus Aachen.

Zum zweiten Mal – wieder am 22. Juni und wieder im axica, dem Kongress- undTagungszentrum am Pariser Platz 3 in Berlin – begrüßen wir geladene Gäste zurPreisverleihung, zur Ausstellung und zur Fachveranstaltung des DeutschenPräventionspreises. In der atemberaubenden Architektur von Frank O. Gehrysind sie eingeladen, an diesem Tag die ausgezeichneten Bewerberprojekte desPreisjahres 2005 zu feiern und sich von ihnen für ihre eigene Arbeit inspirierenzu lassen.

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 93

• Die Preisträger bilden die Spitze eines hervorragendenBewerberfeldes. Wie hoch die Qualität der Arbeit aufdem Preisgebiet an vielen Stellen schon ist, beweisen dievon der Jury auch für den Deutschen Präventionspreisnominierten Maßnahmen. Auch sie verdienen eineWürdigung. Diese Aufgabe übernimmt stellvertretend füruns alle Moderator Thomas Hegemann, der dieGelegenheit auch nutzt, um nach den Erfahrungen derProjektvertreter zu fragen.

• Sie haben sich ihre Arbeit wirklich nicht leicht und dafürsehr gut gemacht: die Juroren dieses Preisjahres, insbe-sondere Frau Professorin Ursula Lehr und Frau Dr. BeateRobertz-Grossmann, die bereits als Experten der erstenStunde an der Themendefinition beteiligt waren. Nie-mand kann es besser bezeugen als die ProjektleiterinMirjam Stierle – und deshalb tut sie es auch an dieserStelle.

• Die Preisverleihung geht zu Ende, der Deutsche Präven-tionspreis geht weiter – nicht nur an diesem Tag, son-dern auch im kommenden Jahr. Dr. Brigitte Mohn stelltdas Preisthema 2006 vor und lädt die Teilnehmer ein,sich für die Verbreitung der guten Praxisbeispiele ausdiesem Wettbewerb einzusetzen.

• In der Pause ab 13 Uhr haben alle Besucher die Gele-genheit, sich körperlich bei einem Imbiss und geistigbeim Besuch der Ausstellung zu stärken sowie neueKontakte zu knüpfen und alte Beziehungen zu pflegen.

• Dann wird es von 14 bis 17 Uhr noch einmal fachlich.Dr. Johannes Meier, Vorstandsmitglied der BertelsmannStiftung, referiert über den demographischen Wandelin Deutschland und seine Bedeutung für die Zukunft.Auch die Gäste der Veranstaltung sind aufgefordert, ihreSicht auf den demographischen Wandel zu äußern undzu diskutieren. Die Antworten, die die Preisträger hieraufgefunden haben, geben sie uns in einer Fragerunde.

• „Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Agenda“werden Gäste und Experten sich drei Zukunftsfragenzuwenden. Welche Rolle kann oder soll das Ehrenamtzur Unterstützung von Prävention in Zukunft spielen?Sind Systemveränderungen nötig, um Beispiele guterPraxis, wie sie heute geehrt wurden, in die Fläche zubringen? Wie kann Eigenverantwortung für die Gesund-heit in der zweiten Lebenshälfte gefordert und gefördertwerden?

• Das Fazit des Tages zieht Dr. Brigitte Mohn, die dieGäste einlädt, die Herausforderungen des demographi-schen Wandels auf dem Gebiet der Gesundheits-förderung und Prävention anzunehmen, gemeinsamklare Ziele zu priorisieren und die notwendigenAktivitäten zur Umsetzung zu beginnen.

Der besondere Dank der Träger des Projekts DeutscherPräventionspreis und der Gäste dieses lebendigen Tagesgilt dem Gastgeber Takeda Pharma GmbH ausAachen!

Seite 94 | Deutscher Präventionspreis 2005

„Eltern werden ist nicht schwer, Eltern seindagegen sehr!“ Die alte Weisheit von Wil-helm Busch hat nichts von ihrer Aktualitätverloren. Die Anforderungen, die ein Kindfür (werdende) Eltern und seine weiterenKontaktpersonen mit sich bringt, sind viel-fältig und werden oft erst in Krisensituatio-nen bewusst.

Wir wissen heute mehr als je zuvor überSchwangerschaft, prä- und postnatale Entwick-lung, über die notwendigen und die hinreichen-den Faktoren, die zu einem möglichst gesundenAufwachsen eines Kindes führen. Dennoch sindviele (werdende) Eltern verunsichert: Was ist nor-mal, was eine Entwicklungsstörung? Was macheich, wenn das Baby nur noch schreit? Wann fütte-re ich was? Was tut uns und unserem Kind gut?Sind Laufstall oder Gehhilfe nützlich? Was kannich / was können wir tun, damit unser Kind so pro-blemlos wie irgend möglich aufwächst? Sind wirgute Eltern? Unabhängig von Bildungs- und sozi-aler Schicht wünschen Eltern sich mehr Unter-stützung bei der Erziehung von Kleinkindern.

Hinzu kommen die Parameter der individuellenkindlichen Entwicklung selbst. Sie verläuft in denersten Lebensjahren besonders rasant und ist da-bei sensibel und störanfällig. Frühkindliche Regu-lationsstörungen stellen dabei die Vorläufer fürEntwicklungsverzögerungen und -störungen inder späteren Kindheit dar. Die Grundmuster derPersönlichkeit werden in dieser Lebensphase fest-gelegt (Lebensstil, Selbstwert, Ich-Stärke etc.) undviele Fehlentwicklungen im späteren Kindes- undJugendalter lassen sich auf Probleme der frühenEltern-Kind-Beziehung zurückführen.

Hier kommen die Rahmenbedingungen für dieEntwicklung im Kleinkindalter ins Spiel. Auch dasUmfeld, in dem Kinder aufwachsen, unterliegteinem permanenten Wandel. Die familiärenLebensformen und die gesellschaftlichen Rahmen-bedingungen haben sich in den letzten Jahrzehn-ten stark verändert. Eineltern- und Patchwork-Familien nehmen zu, ebenso soziale Ungleichheit

und das gesellschaftliche demographische Un-gleichgewicht Jung-Alt. Mütter sind häufigerberufstätig, Betreuung muss organisiert werden,und Eltern stehen dann vor der Frage, ob diesedenn gut für ihr Kind sei. Psychosoziale Risikenwie etwa ein niedriges Bildungsniveau, dieHerkunft aus zerrütteten Familienverhältnissen,chronische familiäre Schwierigkeiten und psychi-sche Auffälligkeiten der Eltern wirken sich negativauf das Versorgungs- und Erziehungsverhaltenaus. Fachleute sind sich einig, dass besonders dieFamilien, die zahlreichen psychosozialen Risiko-belastungen ausgesetzt sind, auf erreichbare, nie-drigschwellige Angebote angewiesen sind.

In den ersten drei Lebensjahren gibt es inDeutschland keinen institutionalisierten Zugangzu den Kindern und ihren Familien. Unterstützungs-angebote für die vielfältigen Fragen und Anliegenmüssen sich also an die Familie selbst als zentra-les Setting richten.

Hierfür sind in den vergangenen Jahren vorbild-liche Initiativen und Projekte zur Gesundheitsför-derung und Prävention in der frühren Kindheit insLeben gerufen worden. Sie konzentrieren sich zumeinen auf die Familien selbst, zum anderen auf dieaußerfamiliären sozialen Beziehungen und denöffentlichen Raum, z. B. Schreiambulanzen, Eltern-schulen, aufsuchende Beratung, Familienhebam-me.

Träger solcher Projekte sind Wohlfahrts-verbände, Hochschulen, E&C Quartiersmanager-innen und viele andere freie Initiativen.

Der Deutsche Präventionspreis 2006 soll dazubeitragen, solche Initiativen und die Modelle guterPraxis zu identifizieren, der Öffentlichkeit zugäng-lich zu machen und damit eine flächendeckendeImplementierung zu unterstützen.

Ab Herbst 2005 können sich Projekte undMaßnahmen um den Deutschen Präventionspreis2006 bewerben, die die bis dahin von der Fachjuryerarbeiteten Ausschreibungsbedingungen zumPreisthema 2006 erfüllen. Alle Informationen hierzu finden Sie dann im Internet unterwww.deutscher-praeventionspreis.de

Unterstützer gesuchtDamit Beispiele guter Praxis gefunden und in

die Breite gebracht werden können, brauchen wirPartner. Wir freuen uns über jeden, der zurBekanntheit des Deutschen Präventionspreisesoder zur finanziellen Unterstützung beiträgt. Waskönnen Sie tun, um den Deutschen Präventions-preis und seine Ziele und Ergebnisse noch erfolg-reicher zu machen?

Hier einige Beispiele:• uns bei der Preisverleihung unterstützen,• die Publikation zum Wettbewerb finanzieren,• zur Realisierung vorbildlicher Modelle in der

Fläche beitragen,• Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfü-

gung stellen,• sich für das Gesamtprojekt engagieren,• Anzeigen in den eigenen Medien veröffent-

lichen,• Informationsveranstaltungen zu den Preisträ-

gerprojekten durchführen,• Berichte veröffentlichen,• Flyer zum Wettbewerb versenden.

Auch Ihre Ideen sind uns willkommen. Wir kon-kretisieren gerne mit Ihnen die für Ihr Haus pas-senden Unterstützungsbausteine.

Ansprechpartner ist Gunnar Stierle Tel. 0 52 22-93 00 [email protected]: Geschäftsstelle DeutscherPräventionspreis, c/o Gunnar Stierle – Projekte im Gesundheitswesen,Richard-Wagner-Straße 15, 32105 Bad Salzuflen

Deutscher Präventionspreis 2006„Gesundheitsförderung und Prävention für werdende Eltern sowie Kinder bis zu drei Jahren und ihre Erziehenden“

Wir danken unserem Sponsor Takeda Pharma, derdurch sein Engagement hilft, den DeutschenPräventionspreis weiter zu etablieren und denStellenwert der Prävention hervorzuheben.

Takeda Pharma ist Gastgeber der Preisverleihungdes Deutschen Präventionspreises 2005.

Deutscher Präventionspreis 2005 | Seite 95Seite 2 | Deutscher Präventionspreis 2005

Die nachfolgend verwendete männliche Form bezieht selbstver-

ständlich die weibliche Form mit ein. Auf die Verwendung beider

Geschlechtsformen wird lediglich mit Blick auf die bessere

Lesbarkeit des Textes verzichtet.

© 2005 Deutscher Präventionspreis

Verantwortlich:Mirjam Stierle, Bertelsmann Stiftung

Redaktion und Texte (soweit im Text nicht anders vermerkt):Mirjam Stierle, Gunnar Stierle,Brigitte Roth (Maßnahmen-beschreibungen)

Koordination:Tanja Vitte, Geschäftstelle Deutscher Präventionspreis

Gestaltung:A.Dreiplus, Gütersloh

Druck:Druckerei festge, Oelde

Bildnachweise:Veit Mette, Mirko Krizanovic,Jules Fraizer, PhotoAlto,Life After, Health and Medicine,imagesource,Fotos aus den Projektenmit freundlicherGenehmigung der Bewerber

Impressum

umschlag_rz 11.06.2005 18:18 Uhr Seite 1

Ber te l sm a n n St i f tung

Deutscher Präventionspreis 2005Gesund in der zweiten Lebenshälfte (50plus)

Die Preisträger und Nominierten

Geschäftsstelle Deutscher Präventionspreisc/o Gunnar Stierle – Projekte im GesundheitswesenRichard-Wagner-Str. 1532105 Bad SalzuflenTel. 05222-930083Fax. 05222-930089www.deutscher-praeventionspreis.de

ein Kooperationsprojekt der Bertelsmann Stiftung,des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherungund der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Deut

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