Die Rolle der Kultur in der Selbstoffenbarung und Privatsphäre in sozialen Onlinenetzwerken;...

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WI – AUFSATZ Die Rolle der Kultur in der Selbstoffenbarung und Privatsphäre in sozialen Onlinenetzwerken Interkulturelle Dynamik des Privatsphärekalküls Soziale Onlinenetzwerke (SON) sind weltweit extrem beliebt geworden. Sie basieren auf nutzergeneriertem Inhalt, um ihre Popularität beizubehalten. Kulturelle Unterschiede könnten hierbei die Motivation der Nutzer beeinflussen, Inhalte auf SON zu erzeugen und zu teilen. Diese Studie nutzt das Privatsphärekalkül, um die Rolle der Kultur bei der individuellen Entscheidung zur Selbstoffenbarung zu untersuchen. Die Autoren verwenden Strukturgleichungsmodelle und Multi-Gruppen-Analyse, um diese Dynamik zu ermitteln. Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung von Individualismus und Unsicherheitsvermeidung bei kognitiven Prozessen von Nutzern von SON mit verschiedenen kulturellen Hintergründen. DOI 10.1007/s11576-012-0323-5 Die Autoren Dr. Hanna Krasnova ( ) Institute of Information Systems Humboldt-Universität zu Berlin Spandauer Straße 1 10178 Berlin Deutschland [email protected] Natasha F. Veltri Information and Technology Management The University of Tampa 401 W. Kennedy Blvd. Tampa, FL 33606 USA [email protected] Prof. Oliver Günther Universität Potsdam Am Neuen Palais 10, Haus 09 14469 Potsdam Deutschland [email protected] Eingegangen: 2011-07-01 Angenommen: 2012-02-15 Angenommen nach zwei Überarbei- tungen durch Prof. Leidner. Online publiziert: 2012-04-26 This article is also available in English via http://www.springerlink.com and http://www.bise-journal.org: Krasno- va H, Veltri NF, Günther O (2012) Self-disclosure and Privacy Calculus on Social Networking Sites: The Role of Culture. Intercultural Dynamics of Privacy Calculus. Bus Inf Syst Eng. doi: 10.1007/s12599-012-0216-6. Zusätzliche Information ist in der Online-Version dieses Beitrags (doi: 10.1007/s11576-012-0323-5) enthalten. © Gabler Verlag 2012 1 Einleitung Millionen Menschen weltweit haben so- ziale Onlinenetzwerke (SON), wie z. B. Facebook (FB), VKontakte und Google+, zu einem festen Bestandteil ihres Alltags gemacht. Die Gründe für diese bemer- kenswerte Beliebtheit liegen in der noch nie dagewesenen Einfachheit, die diese Internetplattformen bieten, um mit Be- kannten in Kontakt zu bleiben, Bezie- hungen aufzubauen und soziales Kapital zu erzeugen – dies ist ein wichtiger Bei- trag zur modernen Gesellschaft und ei- ne Ursache für die Bedeutung von SON für die Allgemeinheit (Koroleva et al. 2011a). Unternehmen, Personen des öf- fentlichen Lebens und Regierungsbehör- den haben sich die SON für die Informa- tionsverbreitung und Werbung zu eigen gemacht, indem sie die Nutzer dazu er- muntern, Onlineinhalte mit ihren Netz- werkkontakten zu teilen, und erzeugen so eine elektronische Mundpropaganda. Da sich SON auf nutzergenerierte In- halte stützen, ist die Stimulierung der ak- tiven Nutzerbeteiligung entscheidend für den Erhalt der Beliebtheit und der Be- deutung dieser Internetplattformen. Tat- sächlich kommen SON ohne das fortlau- fende Erzeugen und Teilen von Inhalten aus der Mode, was zu einem geringeren Nutzerinteresse und eingeschränkter Im- mersion und somit zum Verlust der Nut- zerloyalität führt. Außer zur Gewährleis- tung des Nutzerengagements ist der fort- laufende Austausch von Nutzerinforma- tionen auch entscheidend für die finan- zielle Überlebensfähigkeit der Anbieter von SON. Im Gegensatz zu konventionel- len Unternehmen scheint die Unterneh- mensbewertung von SON eher auf der aktiven Teilnahme der Netzwerknutzer statt auf tatsächlichen Geschäftszahlen zu basieren. Während die Werbetreibenden großen Enthusiasmus zeigen, die Nutzer- daten für ihre Zwecke zu verwenden, ist ihr Interesse abhängig von den nutzer- generierten Inhalten (Bonneau und Prei- busch 2009, S. 29). Infolgedessen ste- hen die Anbieter sozialer Netzwerke un- ter dem permanenten Druck, die Nut- zer zur Selbstoffenbarung zu ermuntern WIRTSCHAFTSINFORMATIK 3|2012 123

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Die Rolle der Kultur in der Selbstoffenbarungund Privatsphäre in sozialen Onlinenetzwerken

Interkulturelle Dynamik des Privatsphärekalküls

Soziale Onlinenetzwerke (SON) sind weltweit extrem beliebt geworden. Sie basieren aufnutzergeneriertem Inhalt, um ihre Popularität beizubehalten. Kulturelle Unterschiedekönnten hierbei die Motivation der Nutzer beeinflussen, Inhalte auf SON zu erzeugen undzu teilen. Diese Studie nutzt das Privatsphärekalkül, um die Rolle der Kultur bei derindividuellen Entscheidung zur Selbstoffenbarung zu untersuchen. Die Autoren verwendenStrukturgleichungsmodelle und Multi-Gruppen-Analyse, um diese Dynamik zu ermitteln.Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung von Individualismus und Unsicherheitsvermeidungbei kognitiven Prozessen von Nutzern von SON mit verschiedenen kulturellenHintergründen.

DOI 10.1007/s11576-012-0323-5

Die Autoren

Dr. Hanna Krasnova (�)Institute of Information SystemsHumboldt-Universität zu BerlinSpandauer Straße 110178 [email protected]

Natasha F. VeltriInformation and TechnologyManagementThe University of Tampa401 W. Kennedy Blvd.Tampa, FL [email protected]

Prof. Oliver GüntherUniversität PotsdamAm Neuen Palais 10, Haus 0914469 [email protected]

Eingegangen: 2011-07-01Angenommen: 2012-02-15Angenommen nach zwei Überarbei-tungen durch Prof. Leidner.Online publiziert: 2012-04-26

This article is also available in Englishvia http://www.springerlink.com andhttp://www.bise-journal.org: Krasno-va H, Veltri NF, Günther O (2012)Self-disclosure and Privacy Calculuson Social Networking Sites: The Roleof Culture. Intercultural Dynamics ofPrivacy Calculus. Bus Inf Syst Eng.doi: 10.1007/s12599-012-0216-6.

Zusätzliche Information ist in derOnline-Version dieses Beitrags(doi: 10.1007/s11576-012-0323-5)enthalten.

© Gabler Verlag 2012

1 Einleitung

Millionen Menschen weltweit haben so-ziale Onlinenetzwerke (SON), wie z. B.Facebook (FB), VKontakte und Google+,zu einem festen Bestandteil ihres Alltagsgemacht. Die Gründe für diese bemer-kenswerte Beliebtheit liegen in der nochnie dagewesenen Einfachheit, die dieseInternetplattformen bieten, um mit Be-kannten in Kontakt zu bleiben, Bezie-hungen aufzubauen und soziales Kapitalzu erzeugen – dies ist ein wichtiger Bei-trag zur modernen Gesellschaft und ei-ne Ursache für die Bedeutung von SONfür die Allgemeinheit (Koroleva et al.2011a). Unternehmen, Personen des öf-

fentlichen Lebens und Regierungsbehör-den haben sich die SON für die Informa-tionsverbreitung und Werbung zu eigengemacht, indem sie die Nutzer dazu er-muntern, Onlineinhalte mit ihren Netz-werkkontakten zu teilen, und erzeugen soeine elektronische Mundpropaganda.

Da sich SON auf nutzergenerierte In-halte stützen, ist die Stimulierung der ak-tiven Nutzerbeteiligung entscheidend fürden Erhalt der Beliebtheit und der Be-deutung dieser Internetplattformen. Tat-sächlich kommen SON ohne das fortlau-fende Erzeugen und Teilen von Inhaltenaus der Mode, was zu einem geringerenNutzerinteresse und eingeschränkter Im-mersion und somit zum Verlust der Nut-zerloyalität führt. Außer zur Gewährleis-tung des Nutzerengagements ist der fort-laufende Austausch von Nutzerinforma-tionen auch entscheidend für die finan-zielle Überlebensfähigkeit der Anbietervon SON. Im Gegensatz zu konventionel-len Unternehmen scheint die Unterneh-mensbewertung von SON eher auf deraktiven Teilnahme der Netzwerknutzerstatt auf tatsächlichen Geschäftszahlen zubasieren. Während die Werbetreibendengroßen Enthusiasmus zeigen, die Nutzer-daten für ihre Zwecke zu verwenden, istihr Interesse abhängig von den nutzer-generierten Inhalten (Bonneau und Prei-busch 2009, S. 29). Infolgedessen ste-hen die Anbieter sozialer Netzwerke un-ter dem permanenten Druck, die Nut-zer zur Selbstoffenbarung zu ermuntern

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oder dabei zuzusehen, wie ihr Marktwertrapide abnimmt.

Die Erfüllung dieser Aufgabe wird je-doch durch die immer größer werdendekulturelle Vielfalt der Nutzer von SONverkompliziert. Facebook zum Beispielbietet seine Website in über 70 Spra-chen an und mehr als 80 % der mo-natlich aktiven Nutzer stammen von au-ßerhalb der USA (Facebook 2012). Dadie jeweilige Landeskultur die Motiva-tionsmuster der Menschen beeinflusst(Hofstede 2001, S. 180), wird das Nut-zerverhalten in den SON wahrschein-lich von Land zu Land verschieden sein.So sollen sich zum Beispiel die ita-lienischen FB-Nutzer auf der Internet-plattform mit Spielen und Anwendun-gen amüsieren, während sich die US-amerikanischen Nutzer auf die Status-aktualisierungen konzentrieren (Vasalouet al. 2010, S. 727). Ebenso wurden beiUS-amerikanischen, französischen, chi-nesischen und südkoreanischen Nutzernvon SON erhebliche Unterschiede in denMustern der Selbstdarstellung, der ver-folgten Ziele und des Kommunikations-verhaltens festgestellt (Chapman und La-hav 2008, S. 3126). Angesichts dieserNutzungs- und Motivationsvielfalt müs-sen die Anbieter von SON kulturelle Un-terschiede identifizieren, verstehen undüberbrücken während sie Strategien ver-folgen, um die Nutzer zur Selbstoffenba-rung zu ermuntern.

In Anbetracht der signifikanten Vor-teile, die Einzelne, die Gesellschaft undOrganisationen aus der Nutzung vonSON ziehen könnten, sowie der entschei-denden Rolle, die die Selbstoffenbarungder Nutzer für die Zukunftsfähigkeit vonSON spielt, baut die vorliegende Studieauf bestehenden Theorien auf, um einForschungsmodell für die Selbstoffenba-rung in SON abzuleiten. Zwei kulturel-le Aspekte – Individualismus und Unsi-cherheitsvermeidung – werden als Mo-deratorvariablen in das Modell einge-führt, um zu untersuchen, welche Rol-le sie bei den Entscheidungen der Nut-zer über deren Selbstoffenbarung spielen.Danach wird das Modell unter Verwen-dung der Daten von US-amerikanischenund deutschen Umfrageteilnehmern em-pirisch überprüft. Durch die Identifika-tion interkultureller Unterschiede hin-sichtlich der Motivation, die hinter derSelbstoffenbarung in SON steht, stelltunsere Studie den Anbietern von SONwichtige Einblicke für ihre Bemühun-gen, die Nutzer zum Austausch persön-licher Informationen zu ermuntern, zurVerfügung.

2 Hinführung zumForschungsmodell

2.1 Theoretischer Hintergrund

Betrachtet man den Umfang an Infor-mationen, die ein Nutzer auf der In-ternetplattform über sich selbst preisgibt(Wheeless und Grotz 1976, S. 47), findetdie Selbstoffenbarung in SON dann statt,wenn ein Nutzer persönliche Details,Neuigkeiten, Stimmungen, Meinungen,Gedanken und Überzeugungen direkt inseinem Profil sowie im Zuge der öffentli-chen Kommunikation mit anderen Nut-zern teilt. Auf der persönlichen Netz-werkseite des jeweiligen Nutzers zusam-mengefasst können diese Inhalte dazuverwendet werden, um Schlussfolgerun-gen über die Persönlichkeit, Gewohnhei-ten und Leistung des Nutzers zu ziehen(Kluemper und Rosen 2009, S. 574). Ins-gesamt ist die Selbstoffenbarung des Ein-zelnen essentiell, um das Nutzerengage-ment in und das Interesse der Werbetrei-benden an den sozialen Onlinenetzwer-ken zu unterstützen. Um dieses Verhal-ten zu fördern, bieten soziale Onlinenetz-werke ihren Nutzern eine Reihe funktio-naler Möglichkeiten, um persönliche In-formationen in ihrem sozialen Netzwerkund darüber hinaus zu teilen. FB-Nutzerwerden beispielsweise dazu aufgefordert,zusätzlich zu solch grundlegenden Da-ten wie Wohnort, Geschlecht, Spracheund Geburtsdatum, auch ihre religiösenund politischen Ansichten, Lieblingszi-tate und Vorlieben bei Filmen, Büchernund Musik anzugeben. Gross und Ac-quisti (2005, S. 5) berichten, dass in ih-rem Datensatz 87,8 % der FB-Nutzerihr Geburtsdatum preisgeben, 50,8 %ihren aktuellen Wohnort mitteilen unddie Mehrheit Auskunft über ihren Be-ziehungsstatus, politische Ansichten undandere Interessen gibt. Über diese imVoraus festgelegten Datenfelder hinauskönnen sich die Nutzer von SON mit-tels Statusaktualisierungen, Kommenta-ren oder dem Hochladen von Bildernauch über Neuigkeiten, ihre Stimmun-gen und Überzeugungen austauschen. InAnbetracht der Rolle, die sie bei derUnterstützung der Zukunftsfähigkeit vonSON spielt, stellt sich die Selbstoffenba-rung in unserem Forschungsmodell alsentscheidende abhängige Variable her-aus. Die Identifikation der wichtigen De-terminanten der Selbstoffenbarung unddie Interpretation ihres Einflusses an-gesichts kultureller Unterschiede ist einbedeutendes Ziel in diesem Abschnitt.

Eine Vielzahl von Vorgehensweisenwurde bisher angewendet, um die Be-reitwilligkeit, mit der Einzelpersonenim Internet Informationen austauschen,zu erklären. In einigen Studien wur-de die Selbstoffenbarung mittels demo-grafischer Merkmale der Nutzer unter-sucht (z. B. Fogel und Nehmad 2009,S. 159). Im Kontext der sozialen Online-netzwerke wurde insbesondere die Rol-le des Geschlechts hervorgehoben, wo-bei die meisten Studien herausfanden,dass Frauen eine höhere Auskunftsbe-reitschaft zeigten als Männer (z. B. Tu-fekci 2008, S. 27). Ein anderer For-schungsansatz konzentriert sich darauf,Entscheidungen über die Selbstoffenba-rung als Ergebnis individueller Überzeu-gungen darzustellen. Chiu et al. (2006,S. 1874) wenden beispielsweise die sozi-alkognitive Theorie und die Sozialkapi-taltheorie an, um die Determinanten desWissensaustauschs in einer virtuellen Ge-meinschaft zu erforschen. Hsu und Lin(2008, S. 65) übernehmen die Theoriedes überlegten Handelns, um das Verlan-gen Einzelner, Informationen in einemWeblog zu teilen, zu erklären. Trotz desWerts dieser Vorgehensweisen verlangtder andersartige Charakter der sozialenOnlinenetzwerke einen zielgerichteterentheoretischen Rahmen. Meistens gebendie Nutzer von SON ihre wahre Identi-tät preis und tauschen persönliche De-tails aus (Gross und Acquisti 2005, S. 6).Außerdem lassen die Langlebigkeit derin einem sozialen Onlinenetzwerk geteil-ten Informationen und die unendlichenMöglichkeiten für deren Ansammlungund Herausnahme aus dem ursprüngli-chen Kontext den Austausch selbst harm-losester Einzelheiten zu einem riskan-ten Unterfangen werden. Erst vor kurz-em hat ein Krankenversicherer die Zah-lungen des Krankengeldes an eine an De-pressionen erkrankte Versicherungsneh-merin aufgrund von Fotos auf der In-ternetplattform Facebook, auf denen sie„fröhlich“ aussieht, eingestellt (Berets-ky 2009). Da sich die Nutzer der so-zialen Onlinenetzwerke dieser Gefahrenbewusst werden, werden Datenschutzbe-denken – ein Faktor, der in Studien, dieeinen anderen Kontext behandeln, häufigausgelassen wurde – wahrscheinlich einewichtige Rolle bei Entscheidungen überdie Selbstoffenbarung spielen (Bulgurcuet al. 2010, S. 6).

Da sie die Bedeutung Datenschutz-überlegungen erkannt haben, befürwor-ten Dinev und Hart (2006, S. 63) die Ver-wendung eines Privatsphärekalküls (PK)

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jedes Mal, wenn die Teilnahme in einerInternetplattform ein gewisses Risiko fürden Datenschutz birgt. Die PK-Theoriehat ihren Ursprung in der Theorie dessozialen Austauschs und behauptet, dassdie Selbstoffenbarung im Internet dasProdukt dreier gegensätzlicher Einflüssesei. Auf der negativen Seite halten dieDatenschutzbedenken, die „die Sorge übereinen möglichen Verlust der Privatsphäreals Folge der Offenlegung von Informa-tionen“ wiederspiegeln (Xu et al. 2008,S. 4), die Nutzer davon ab, Informationenim Internet preiszugeben. Auf der posi-tiven Seite motiviert die Erwartung vonVorteilen, wie z. B. Vergnügen und ge-sellschaftliche Akzeptanz, die Nutzer da-zu, Informationen zu offenbaren (z. B.Sledgianowski und Kulviwat 2008, S. 85).Ferner zeigte sich, dass die Vertrauensan-nahmen, die „die Wahrnehmung des Ver-trauensgebers“ wiederspiegelt, „dass derVertrauensnehmer Eigenschaften hat, diedem Vertrauensgeber nützen“, den Infor-mationsaustausch im Internet erleichtern(McKnight et al. 2002, S. 303). Man kanndavon ausgehen, dass die Nutzer ihr Ver-halten hinsichtlich der Selbstoffenbarungbewusst steuern, indem sie jene Über-zeugungen gegeneinander abwägen. Frü-here Studien liefern eine Fülle von An-haltspunkten für die Anwendbarkeit die-ser Theorie auf soziale Onlinenetzwer-ke. Auf der Grundlage von Interviewda-ten zeigen Koroleva et al. (2011b, S. 4)beispielsweise, dass das Bewusstsein fürden Datenschutz und die wahrgenomme-ne Zugänglichkeit zu Informationen Ju-gendliche dazu zwingen, ihre Auskunfts-bereitschaft zu zügeln, während Unter-haltung, Selbstinszenierung und gesell-schaftliche Anpassung sie dazu motivie-ren, Informationen preiszugeben. Kras-nova et al. (2010a, S. 121) stellen die Rol-le der Vertrauensannahmen, der Wahr-nehmung von Datenschutzrisiken sowiedie Rolle einer Reihe von Vorteilen beider Entscheidung über die Selbstoffen-barung in SON empirisch dar. Indem esdie entscheidendsten Determinanten derSelbstoffenbarung im Internet genau be-stimmt, bietet das PK insgesamt einenpassenden Rahmen, um das hinsichtlichihres Datenschutzes heikle Verhalten derNutzer in SON zu erforschen.

Daher integrieren wir Datenschutz-bedenken, erwartete Vorteile und Ver-trauensannahmen als Schlüsselprädikto-ren der Selbstoffenbarung in unser Mo-del, um den Einfluss dieser Überzeu-gungen in einer interkulturellen Um-gebung zu untersuchen. In Anbetracht

der geschlechtsspezifischen Unterschie-de, die in früheren Forschungsarbeitenherausstachen, werden wir diesen Fak-tor in unserer Untersuchung zusätzlicheinbeziehen.

2.2 Die Rolle der Kultur

Während das PK den Grund für die Ein-beziehung von wahrgenommenen Vortei-len, Datenschutzbedenken und Vertrau-ensannahmen als unmittelbare Prädikto-ren der Selbstoffenbarung in SON lie-fert, wird der Aspekt Kultur die Auswir-kungen dieser Faktoren wahrscheinlichbeeinflussen. Die jeweilige Landeskultur,die in Wertvorstellungen, Überzeugun-gen und Traditionen verwurzelt ist, be-stimmt die Art und Weise, wie die Nut-zer ihre Erfahrungen interpretieren unddarauf reagieren (Hofstede 2001). Daherist es nur natürlich anzunehmen, dasskulturelle Normen solch alltägliche Ak-tivitäten wie das soziale Netzwerken imInternet beeinflussen werden (Lim et al.2004, S. 547). Veltri et al. (2011, S. 4–9) berichten beispielsweise über Unter-schiede in der Wahrnehmung der Pri-vatsphäre und in Offenbarungsmusternbei US-amerikanischen und marokka-nischen FB-Nutzern. Auf gleiche Wei-se zeigen Zhao und Jiang (2011, S. 3),dass die visuelle Selbstinszenierung ei-ner Online-Identität abhängig ist vonder jeweiligen Landeskultur, wobei chi-nesische Nutzer von SON eher als US-amerikanische Nutzer dazu neigen, ihreProfilbilder individuell zu gestalten.

Während sich eine Vielzahl von For-schungsarbeiten mit den kulturellen Un-terschieden befasst, fand eine Studie vonHofstede (2001) die breiteste Akzep-tanz. Hofstede (2001, S. 500–502) be-schreibt die Kultur in Form von fünfwesentlichen Merkmalen: Machtdistanz(MDI), Individualismus (IDV), Mas-kulinität (MAS), Unsicherheitsvermei-dung (UVM) und langfristige Ausrich-tung (LFA). Die Kombination dieser fünfMerkmale soll die Unterschiede zwischenden Ländern hinsichtlich Wahrnehmungund geübter Praxis erklären. Wenn es je-doch um solch riskante Aktivitäten wiez. B. das Einkaufen im Internet geht, be-tonen frühere Studien besonders die Rol-le der Merkmale IDV und UVM (z. B.Lim et al. 2004, S. 546–547; Sia et al. 2009,S. 494).

Greenfield (2000, S. 229) erkann-te den allgemeinen Bedarf aller Kul-turen, den Gegensatz zwischen Einzel-und Gruppenbeziehung zu definieren

und verweist auf IDV als die „tie-fe Struktur“ hinter kulturellen Unter-schieden. Ihrer Meinung nach liefert dieAnwendung des Merkmals Individua-lismus/Kollektivismus das Grundgerüstfür weitere Theorien zur Kulturdifferen-zierung. Im Umfeld des elektronischenHandels zeigte sich, dass IDV eine zen-trale Rolle bei der Entwicklung vom Ver-trauen in Bezug auf den Anbieter einerWebseite spielt (Sia et al. 2009, S. 494;Lim et al. 2004, S. 552). Außerdem be-hauptet Triandis (2001, S. 909), dassMenschen mit einem IDV-Hintergrundihren Zielen Priorität einräumen unddiese konsequent verfolgen. Folglich wirdIDV die Entschlossenheit der Netzwer-knutzer, Informationen auszutauschen,um erwartete Vorteile zu erhalten, wahr-scheinlich verstärken. Durch die Über-tragung dieser Erkenntnisse auf sozialeOnlinenetzwerke glauben wir, dass IDVeine Schlüsselrolle bei der Bestimmungder Einflussstärke von zwei Komponen-ten des PK spielt: erwartete Vorteile undVertrauensannahmen.

Gleichzeitig nehmen wir an, dass dieUVM – die das Ausmaß wiederspiegelt,bis zu welchem sich die Mitglieder einerGesellschaft durch ungewisse Bedingun-gen bedroht fühlen – die Auswirkung derDatenschutzbedenken im Umfeld vonSON beeinflusst. In der Tat geht die Rol-le der Datenschutzbedenken bei Einzel-entscheidungen über die Preisgabe vonInformationen einher mit der Grundhal-tung gegenüber Unsicherheiten. Beson-ders Einzelpersonen aus Kulturen mit ei-nem hohen UVM-Grad haben sich alsrisikoaverser, ängstlicher und pessimis-tischer in Bezug auf die Folgen ihrerHandlungen erwiesen; sie nehmen dieWelt auch als feindseliger wahr (Hofstede2001, S. 169). Außerdem fanden Leidnerund Kayworth (2006, S. 366) heraus, dassUVM in Studien, die den Einfluss derKultur auf die Übernahme und Verbrei-tung der Informationstechnologie unter-suchen, das am häufigsten verwendeteMerkmal ist, und deuten somit an, dassUVM eine entscheidende Rolle hinsicht-lich des Verhaltens der Nutzer in Bezugauf Technologie spielt.

Aufbauend auf diesen Einblicken dis-kutieren wir in den folgenden Abschnit-ten den potentiellen Einfluss der Merk-male IDV und UVM auf die spezifischenBeziehungen in unserem Modell.

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2.3 Forschungshypothesen

2.3.1 Erwartete Vorteile: Vergnügen

Nutzer können signifikante Vorteile ausder Offenlegung ihrer Informationen inSON ziehen. Eine verbesserte Verbun-denheit (Hogben 2007, S. 6), ein höhe-res Selbstwertgefühl (Boyd 2007, S. 11),eine größere emotionale Unterstützungsowie der Wert, der sich daraus ergibt,Teil eines Netzwerks zu sein (Korolevaet al. 2011a, S. 5), wurden beispielswei-se als positive Auswirkungen der akti-ven Teilnahme in einem sozialen Online-netzwerk identifiziert. Während alle dieseAnreize wichtig sind, unterstreichen For-schungserkenntnisse die Rolle des Ver-gnügens bei Einzelentscheidungen überdie Selbstoffenbarung in sozialen Onli-nenetzwerken. In der Tat behaupten Ro-sen und Sherman (2006, S. 1221), dassdie Teilnahme in SON an sich hedonis-tisch sei, wobei die Nutzer bei sozialenInteraktionen im Internet Unterhaltungsuchen. Moon und Kim (2001, S. 224–227) betrachten ein breiteres Spektrumvon Internetanwendungen und zeigen,dass die wahrgenommene Spiellust einenstärkeren Einfluss auf die Grundein-stellung gegenüber den Anwendungenausübt als die wahrgenommene Nütz-lichkeit. Dies stimmt überein mit Vander Heijden (2004, S. 701), der empi-risch darlegt, dass, während die wahr-genommene Nützlichkeit bei der Über-nahme von hedonistisch ausgerichtetenInformationssystemen eine Rolle spielt,das Vergnügen einen stärkeren Einflussausübt. In ähnlicher Weise identifizie-ren Sledgianowski und Kulviwat (2008,S. 8) die Spiellust – ein dem Vergnügenverwandter Faktor – als stärksten Prä-diktor der beabsichtigten und tatsächli-chen Nutzung sozialer Onlinenetzwerke.Zusammengefasst lässt sich sagen, dass,während eine Reihe von Motiven wich-tig sein kann, der Nutzen des Vergnügens– welches das Ausmaß widerspiegelt, biszu welchem die Aktivität als angenehmund unterhaltsam wahrgenommen wird– sich als entscheidender Faktor hinterdem Informationsaustausch in SON er-weist (Davis et al. 1992, S. 1113). Daherintegrieren wir ihn in unserem Modellals positive Ursache der Offenlegung vonInformationen.

Insgesamt unterstreichen jüngste For-schungserkenntnisse die Bedeutung he-donistischer Motive für individualisti-sche Kulturen (z. B. Hofstede 2001,S. 226). In der Tat ist das Streben nach

Vergnügen ein weit verbreitetes Verhal-ten in individualistischen Kulturen, wobeider Spaß eines der wichtigen Ziele im Le-ben einzelner Personen, die aus diesemkulturellen Umfeld stammen, ist. Bei derErforschung der Ursachen von Glück fürStudenten mit unterschiedlichem kultu-rellen Hintergrund haben Chiasson et al.(1996, S. 673) beispielsweise herausge-funden, dass nordamerikanische Unter-suchungsteilnehmer eher hedonistischeAspekte als Schlüsselinstrument für dasglücklich werden nannten. Da Indivi-dualisten eher dazu tendieren, ihr Ver-halten auf ihre eigenen Bedürfnisse undPrioritäten auszurichten (Hofstede 2001,S. 226), teilen die Nutzer mit indivi-dualistischem Hintergrund Informatio-nen vielleicht ganz bewusst, weil sie sichdavon angenehme Interaktionen erwar-ten (Hsu und Lin 2008, S. 67), oder umaus dem sog. „Impression Management“,der Selbstdarstellung in der Öffentlich-keit, Vergnügen zu ziehen (Boyd 2007,S. 11). Unter Berücksichtigung dieserEinflüsse stellen wir folgende Hypotheseauf:

Hypothesis H1: Der positive Einflussdes Vergnügens auf die Selbstoffenba-rung ist in individualistischen Kulturenstarker als in kollektivistischen.

2.3.2 Datenschutzbedenken

Da soziale Onlinenetzwerke aufgrund ih-rer Ausgestaltung öffentliche Internet-plattformen sind, birgt der Informations-austausch auf diesen Internetplattformensignifikante Datenschutzrisiken. In derTat können sich die Anbieter der SON so-wie Dritte, wie z. B. Werbetreibende, Per-sonalverantwortliche und staatliche Si-cherheitsbehörden, an der Ansammlungund Nutzung von Mitgliederinformatio-nen zur Erzielung wirtschaftlichen Er-folgs beteiligen (Hogben 2007, S. 8). Dadie Fälle des Datenmissbrauchs stark zu-nehmen (Rizk et al. 2009, S. 5), sinddie Nutzer der SON zunehmend besorg-ter, was die Sicherheit ihrer Daten angeht(Bulgurcu et al. 2010, S. 6). Angetriebenvon der negativen Berichterstattung inden Medien und aus Frust über ihre Un-fähigkeit, ihre Identität und den Kontextihrer preisgegebenen Informationen zusteuern, werden die Nutzer vielleicht da-mit beginnen, ihre Selbstoffenbarung imSON einzuschränken – ein Szenario, vordem sich jeder Anbieter eines SON fürch-tet (Bonneau und Preibusch 2009, S. 29).

Noch ist jedoch unklar, wie wahrschein-lich es ist, dass ein derartiges Verhaltenin jedem Land an den Tag gelegt wird.Einerseits zeigen Krasnova et al. (2010a,S. 121), die hauptsächlich Daten aus einerin Deutschland durchgeführten Stich-probe verwenden, dass es einen signifi-kant negativen Zusammenhang zwischenDatenschutzbedenken und Selbstoffen-barung gibt. Gleichzeitig stellen Acquistiund Gross (2006, S. 11) in ihrer Studiemit US-amerikanischen Nutzern keinenZusammenhang fest. Diese Widersprü-che deuten an, dass die Stärke des Zusam-menhangs zwischen Datenschutzbeden-ken und Selbstoffenbarung noch in eineminterkulturellen Rahmen untersucht wer-den muss. Daher integrieren wir die Da-tenschutzbedenken in unserem Modell alsnegative Ursache der Selbstoffenbarung.

Wie oben erwähnt, ist der UVM-Grad,der einer Kultur innewohnt, wahrschein-lich der dominante Faktor bei der Be-stimmung der Tendenz Einzelner, Daten-schutzbedenken in ihrer Entscheidungüber die Selbstoffenbarung im Internetzu berücksichtigen. Da Menschen ausLändern, in denen der UVM-Grad hochist, sich durch unklare Situationen undUnsicherheiten stärker bedroht fühlen,haben sie in der Tat eher größere Angstvor den Folgen ihrer Handlungen (Hofs-tede 2001, S. 160–161, S. 169). Cao undEverard (2008, S. 47) unterstützen die-se Annahme und berichten über einenstarken positiven Zusammenhang zwi-schen UVM und Datenschutzbedenkenbei Nutzern von Instant Messaging. InAnbetracht dessen, dass die langfristi-gen Auswirkungen des Informationsaus-tauschs in SON nicht bekannt sind, wer-den risikoaverse Nutzer vielleicht eherweniger über sich preisgeben, um ihreUngewissheit möglichst gering zu hal-ten und um unerwünschte Auswirkun-gen zu vermeiden. In der Tat findet Park(1993, S. 342–348) einen positive Zu-sammenhang zwischen UVM und Versi-cherungsdurchdringung auf Landesebe-ne und deutet an, dass risikoaverse Per-sonen risikoreduzierendes Verhalten vor-ziehen. Im Gegensatz dazu begünstigendie individuelle Unabhängigkeit und in-nere Kontrollüberzeugung, die charakte-ristisch für Kulturen mit einem niedri-gen UVM-Grad sind, das Eingehen vonRisiken (Hofstede 2001, S. 161). Daherstellen wir folgende Hypothese auf:

Hypothesis H2: Der negative Ein-fluss der Datenschutzbedenken auf dieSelbstoffenbarung ist in Kulturen, die

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Unsicherheiten vermeiden, stärker als inKulturen, die Unsicherheiten gegenüberaufgeschlossen sind.

2.3.3 Vertrauensannahmen

Vertrauen ist immer ein zentrales Kon-strukt, wenn eine Beziehung einen gewis-sen Risikograd mit sich bringt (McKnightet al. 2002, S. 300). Auch wenn Vertrau-en Risikoüberzeugungen vielleicht nichtnotwendigerweise beseitigt, behauptenDinev und Hart (2006, S. 66), dass esderen negativen Einfluss aufheben kann.Gemäß dem Threshold-Modell wird sichder Vertrauensgeber auf ein riskantesVerhalten einlassen, wenn der Vertrau-ensgrad den Grad des wahrgenomme-nen Risikos übersteigt (Gefen et al. 2003,S. 6).

Basierend auf Fokusgruppen mit Nut-zern von SON, die aus einem multikul-turellen Umfeld stammen, haben Kras-nova et al. (2010a, S. 114) herausgefun-den, dass der Anbieter des SON undandere Mitglieder des Netzwerks häufigals zwei wichtige Ursachen für Daten-schutzbedenken hervorgehoben werden.Da die Anbieter der SON unbegrenz-ten Zugang zu allen Nutzerdaten haben,fürchten die Nutzer, dass die Anbieterdie Daten fortlaufend sammeln, bearbei-ten und an Dritte verkaufen. Gleichzei-tig übernehmen andere Mitglieder desSON vielleicht Verhaltensweisen, die mitdem Datenschutz unvereinbar sind, wiez. B. Stalking, Mobbing oder das Preis-geben von Geheimnissen. Die Autorenbestätigen diese Risiken und sprechensich dafür aus, dass sowohl das Ver-trauen in den Anbieter eines SON alsauch das Vertrauen in die Mitgliedereines Netzwerks gefördert werden soll-te, damit Selbstoffenbarung stattfindet.In Anbetracht der großen kulturellenund gesellschaftlichen Vielfalt der betei-ligten Gruppen ist dies jedoch eine Her-ausforderung. Hinzu kommt, dass, auchwenn sich die Vertrauensannahmen ent-wickeln, die Nutzer aus verschiedenenLändern diese bei ihren Entscheidungenüber die Selbstoffenbarung unterschied-lich gewichten könnten. Um diese Dy-namik zu erforschen, integrieren wir dieKonstrukte – Vertrauen in den Anbietereines SON und Vertrauen in die Mitglie-der eines SON – als positive Prädiktorender Selbstoffenbarung in unser Modell.

Die Rolle des Vertrauens in den An-bieter eines SON Doney et al. (1998,

S. 604, 609) behaupten, dass die Un-terschiede in der Dimension Kollekti-vismus/Individualismus unterschiedlicheMechanismen bei der Vertrauensbildungauslösen könnten. Während Individua-listen ihre Vertrauensannahmen vorwie-gend entwickeln, indem sie die Kostenund Vorteile des Wechselverhaltens desVertrauensnehmers berechnen, konzen-trieren sich Kollektivisten auf die Vorher-sagbarkeit des zukünftigen Verhaltens desVertrauensnehmers; sie suchen nach An-zeichen für das Wohlwollen des Anbie-ters des SON und übertragen Vertraueninnerhalb ihrer Gruppe mühelos.

Angesichts der Art der Beziehung zwi-schen einem Anbieter und einem Nut-zer in einem typischen SON könntees Mitgliedern, die aus einem kollekti-vistischen Umfeld stammen, besondersschwer fallen, Vertrauen zu entwickeln.In der Tat wird der Übertragungsprozessund die Entwicklung der Wahrnehmungdes Wohlwollens durch den schlechtenRuf, den die Anbieter von SON in denmeisten Ländern haben, verkompliziert(Rizk et al. 2009, S. 5). Unter den mehrals 240 Unternehmen aus der Privat-wirtschaft, die von ForeSee (2011) un-tersucht wurden, ist beispielsweise derWert, den Facebook bei der Kundenzu-friedenheit erzielt hat, einer der niedrigs-ten – eine unvermeidbare Folge der an-geblichen Datenschutz-Fauxpas des Un-ternehmens. Darüber hinaus ist es, ange-sichts der signifikanten sozialen Distanzzwischen den Gruppen, in gleichem Ma-ße herausfordernd, vernünftige Vorhersa-gen über das zukünftige Verhalten einesSON-Anbieters zu machen.

Im Gegensatz dazu könnten die Nut-zer mit einem individualistischen Hin-tergrund ohne Weiteres einen auf Be-rechnung basierenden kognitiven Rah-men anwenden und annehmen, dass einAnbieter eines SON durch die Verletzungdes Datenschutzes mehr verlieren als ge-winnen kann. Die Überarbeitung der Da-tenschutzeinstellungen, die vor kurzembei FB vorgenommen wurde, war fürden Anbieter beispielsweise sehr schäd-lich, da internationale Datenschutzbe-hörden eine beeindruckende Welle ge-richtlicher Untersuchungen in die Wegeleiteten (Phillips 2010). Da es für die Nut-zer mit einem individualistischen Hin-tergrund einfacher ist, Vertrauen in dieUmwelt eines SON aufzubauen, nimmtman an, dass sie diese Überzeugungenauch schneller auf ihr Verhalten über-tragen. Dinev et al. (2006, S. 396) fan-den z. B. heraus, dass im Gegensatz zum

weniger individualistisch geprägten Ita-lien das Vertrauen in den stark indivi-dualistisch geprägten USA ein viel stär-kerer Prädiktor für die Nutzung des elek-tronischen Handels ist. Daher stellen wirfolgende Hypothese auf:

Hypothesis H3: Der positive Einflussdes Vertrauens in den Anbieter des so-zialen Onlinenetzwerks auf die Selbstof-fenbarung ist in individualistischen Kul-turen viel stärker als in kollektivistischenKulturen.

Die Rolle des Vertrauens in die Mitglie-der eines SON Im Rahmen unserer Stu-die spiegelt Vertrauen in die Mitglieder ei-nes SON die individuellen Überzeugun-gen hinsichtlich der Vertrauenswürdig-keit anderer in Bezug auf die persön-lichen Informationen, die eine Personpreisgibt, wider (McKnight et al. 2002,S. 303). Beim Aufbau zwischenmensch-lichen Vertrauens nimmt man an, dassMenschen aus kollektivistisch geprägtenKulturen stark zwischen Mitgliedern derEigen- und Fremdgruppe differenzieren.Während Kollektivisten Freude daran ha-ben, mit den Mitgliedern aus ihrer Eigen-gruppe, denen sie „vertrauen“, zu kom-munizieren, begegnen sie Vertretern derFremdgruppe mit Misstrauen und Vor-sicht (Hofstede 2001, S. 211–225). VomStandpunkt der Kollektivisten sollten dieAbermillionen Mitglieder auf Facebookper Definition als Fremdgruppe wahrge-nommen werden. Da die Nutzer bereit-willig Freundschaftsanfragen an entfern-te Bekannte, Kollegen, Lehrer und sogarFremde senden und Anfragen von die-sen annehmen (Krasnova et al. 2010b,S. 5), weisen ihre Freundschaftslisten zu-nehmend Züge einer „Fremdgruppe“auf.Veltri et al. (2011, S. 8) liefern Belege fürdieses Argument und zeigen, dass die kol-lektivistisch geprägten, marokkanischenFB-Nutzer tiefes Misstrauen gegenüberanderen FB-Nutzern hegen. Da sie miss-trauisch sind gegenüber jenen Nutzernder Fremdgruppe, ist es unwahrschein-lich, dass Nutzer mit einem kollektivisti-schen Hintergrund eine vertrauensseligeGrundhaltung annehmen und jene Über-zeugung auf ihr Verhalten übertragen.

Andererseits ist es weniger wahrschein-lich, dass Individualisten einen Unter-schied zwischen Mitgliedern der Eigen-und Fremdgruppe wahrnehmen (Trian-dis 2001, S. 914). Da ihre Vertrauens-bildung auf Berechnung basiert (Do-ney et al. 1998, S. 610), dürften sie die

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Abb. 1 Forschungsmodell

große Bandbreite an Sanktionen, die ge-genwärtig im Onlinenetzwerk zur Verfü-gung stehen, zu schätzen wissen. Den FB-Mitgliedern ist es nun insbesondere mög-lich, Nachrichten zu blockieren und zulöschen, und sogar Nutzer, die sich falschverhalten, mit nur ein paar Mausklicks zumelden. Individualistisch geprägten Nut-zern liefert diese Funktion eine vernünf-tige Grundlage für die Entwicklung vomVertrauen und dient als Basis für dieanschließende Integration dieser Über-zeugungen in den Entscheidungsprozess.Daher stellen wir nachfolgende Hypothe-se auf:

Hypothesis H4: Der positive Einflussvon Vertrauen in die Mitglieder eines so-zialen Onlinenetzwerks auf die Selbstof-fenbarung ist in individualistischen Kul-turen stärker als in kollektivistischen Kul-turen.

Jenseits der individuellen Überzeugun-gen ist die Selbstoffenbarung in SONwahrscheinlich ein Ergebnis persönlicherEigenschaften der Nutzer. Indem sie be-sonders die Rolle des Geschlechts hervor-heben, deuten bestehende Forschungs-ergebnisse an, dass Frauen eher dazuneigen, persönliche Informationen preis-zugeben und mit anderen in SON zukommunizieren. Man fand beispielswei-se heraus, dass die Wahrscheinlichkeitbei Studentinnen, Nachrichten auf derFB-Pinnwand ihrer Freunde einzustellen(Fogel und Nehmad 2009, S. 159) so-wie Auskunft über ihre Lieblingsmusik,

-bücher und sogar religiöse Ansichten(Tufekci 2008, S. 27) zu geben, höher ist.Diese Unterschiede lassen sich auf die un-terschiedliche Rollenverteilung und dieangeborenen Motivationsmuster, die bei-den Gruppen innewohnen, zurückfüh-ren. Während die Erfüllung sachbezo-gener Tätigkeiten traditionell als Män-nerdomäne angesehen wird, konzentrie-ren sich Frauen mehr auf Beziehungs-und Gruppenprozesse, die Kommunika-tion und Informationsaustausch beinhal-ten (Jackson et al. 2001, S. 368). Daherstellen wir die folgende Hypothese auf:

Hypothesis H5: Weibliche Nutzer sozia-ler Onlinenetzwerke geben mehr von sichpreis als männliche Nutzer.

Abbildung 1 fasst die Beziehungen inunserem Modell zusammen.

3 Empirische Studie

3.1 Länderauswahl

Um unsere Hypothesen zu überprüfen,baten wir FB-Nutzer aus Deutschlandund den USA, an unserer Studie teilzu-nehmen. Zwei wichtige Gründe veran-lassten uns zur Auswahl dieser Länder.

Zunächst einmal unterscheiden sichdie deutsche und US-amerikanische Kul-tur signifikant bezüglich der MerkmaleIDV und UVM – zwei kulturelle Merk-male, die für unsere Studie von zentraler

Bedeutung sind –, während sie bei denMerkmalen MDI, LFA und MAS starkeÄhnlichkeiten aufweisen (Hofstede 2001,S. 500–502). Die US-amerikanische Kul-tur hat einen auffallend höheren IDV-Wert (91 in den USA vs. 67 in Deutsch-land), was eine stärkere Selbstorientie-rung sowie eine höhere Gewichtung vonHedonismus und Eigenständigkeit an-deutet. Andererseits hat der Kollektivis-mus in Deutschland „the form of a legal-bureaucratic orientation combining loweconomic individualism, low affectivecollectivism, and an emphasis on for-mal rules and categories“ (Morris undLeung 2000, S. 112). Außerdem weistdie deutsche Kultur einen viel höherenUVM-Grad (65 in Deutschland vs. 46in den USA) auf, was eine größere Be-sorgnis hinsichtlich der Zukunft, einenniedrigeren Grad subjektiven Wohlbefin-dens sowie die Bereitschaft, nur bekann-te Risiken einzugehen, zeigt (Hofstede2001, S. 161–227). Diese Unterschiedein den Merkmalen IDV und UVM er-lauben uns, systematische Schlussfolge-rungen über die Rolle der Kultur aufdas Beziehungsgeflecht in unserem Mo-dell zu ziehen. Wie oben erwähnt, füh-ren wir den unterschiedlichen Einflussder Vertrauensannahmen und des erwar-teten Vergnügens nur auf die Unterschie-de zwischen der US-amerikanischen unddeutschen Kultur hinsichtlich des Merk-mals IDV zurück. Zusätzlich wird da-von ausgegangen, dass die Auswirkungder Datenschutzbedenken durch die Un-

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terschiede im Merkmal UVM beeinflusstwird.

Zweitens sind beide Länder Schlüs-selmärkte für Anbieter von SON. DasUS-amerikanische FB-Publikum ist dasgrößte weltweit und macht gegenwärtig22,7 % aller FB-Nutzer aus. Deutschland,die größte Volkswirtschaft Europas, weistmit 4,3 % den drittgrößten Anteil amgesamten FB-Publikum auf (Alexa.com2012). Folglich verspricht das Verstehender Nutzer in diesen zwei bedeutendenLändern einen signifikanten praktischenWert.

3.2 Erhebungsinstrument

Während wir versuchten, uns wenn mög-lich auf erprobte Skalen zu verlassen,mussten wir einen signifikanten Teil derSkalen modifizieren oder selbst entwi-ckeln, um den besonderen SON-Kontextzu berücksichtigen. Insbesondere wurdeneinige Items zur Selbstoffenbarung Kras-nova et al. (2010a, S. 117) nachempfun-den und andere wurden selbst entwickelt.Die von Nambisan und Baron (2007,S. 61) und Krasnova et al. (2010a, S. 117)vorgeschlagenen Items wurden als Ba-sis für die Operationalisierung des Kon-strukts Vergnügen verwendet. Die Itemszur Messung der Datenschutzbedenkenwurden ursprünglich aus Dinev und Hart(2006, S. 77) entnommen und erheb-lich modifiziert und erweitert, um siean den Rahmen von SON anzupassen.Die Skalen für Vertrauen in den An-bieter eines SON wurden McKnight etal. (2002, S. 318–319) entlehnt. EinigeItems für Vertrauen in die Mitglieder einesSON wurden Chiu et al. (2006, S. 1879)und Malhotra et al. (2004, S. 352) ent-nommen, aber die meisten Items wur-den selbst entwickelt. Die Validität un-serer Skalen wurde mittels einer Vor-prüfung sichergestellt. Das Erhebungsin-strument wurde zunächst in englischerSprache entwickelt und dann sorgfältigin die deutsche Sprache übersetzt. Denin Deutschland wohnhaften Studienteil-nehmern wurde sowohl die englische alsauch die deutsche Version des Umfrage-bogens angeboten. Jedes Konstrukt wur-de mittels einer 7-Punkte-Skala gemes-sen und reflektierend ausgestaltet. DieUmfrage-Items und die deskriptiven Sta-tistiken sind in Tab. A.1 und A.2 im An-hang A der Onlineversion dieses Beitragsdargestellt.

3.3 Eigenschaften der Stichproben

Die Studienteilnehmer aus Deutsch-land und den USA wurden durch dasVersenden von Mitteilungen mittelsUniversitäts-Mailinglisten, durch Aus-hänge an Schwarzen Brettern in Univer-sitäten und das Einstellen von Mittei-lungen in FB-Gruppen gewonnen. Dendeutschen und US-amerikanischen Um-frageteilnehmern wurde eine Entlohnungin Höhe von € 5 bzw. $ 5 angeboten. Inden USA nahmen 193 Personen an derStudie teil und gaben an, Amerikaner zusein. In Deutschland nahmen insgesamt237 Personen teil: davon waren 138 Deut-sche und 99 Ausländer. Für die nachfol-gende Analyse wurden nur die Antwor-ten der 138 deutschen Studienteilnehmerverwendet. Um die Inhaltsvalidität derdeutschen Übersetzung zu bestätigen,verglichen wir die Antworten deutscherMuttersprachler mit denen internatio-naler Studienteilnehmer, die angaben,bereits seit sehr langer Zeit in Deutsch-land zu wohnen, jedoch die englischeVersion des Umfragebogens wählten. DerMann-Whitney-U-Test, mittels dem wirdie Antwortbögen dieser beiden Grup-pen verglichen, zeigte keine signifikantenUnterschiede, was wiederum auf die An-gemessenheit der Übersetzung schließenlässt. Insgesamt wurden beide Stichpro-ben von Studenten dominiert – einerwichtigen Gruppe des FB-Publikums.Unter Anerkennung der demografischenUnterschiede, die in Tab. 1 zusammenge-fasst sind, erachten wir beide Stichprobenals vergleichbar.

3.4 Evaluierung des Modells

Wir haben die Partial-Least-Squares(PLS)-Methode ausgewählt we-gen der Nicht-Normalverteilung unse-rer Daten, des begrenzten Umfangs derdeutschen Stichprobe und wegen desexplorativen Charakters unserer Stu-die. Alle Konstrukte wurden als latenteMulti-Item-Variablen in unser Modelleinbezogen. Das Geschlecht wurde alsEin-Item-Dummy-Variable (männlich =0; weiblich = 1) einbezogen (Malhotra etal. 2004, S. 347). Das daraus resultieren-de Forschungsmodell wurde für die USAund Deutschland voneinander getrenntmittels der SmartPLS 2.0.M3-Softwarebewertet (Ringle et al. 2005).

Zunächst wurde das Messmodell(MM) beurteilt. Die Parameter für Indi-katorenreliabilität (IR), Faktorenreliabi-lität (CR) und Durchschnittlich Erfasste

Tab. 1 Demografische Merkmale

USA Deutschland

Geschlecht

Weiblich 65,3 % 40,6 %

Männlich 34,2 % 57,2 %

Alter

18-19 51,83 % 11,6 %

20-29 42,41 % 84,1 %

30+ 5,76 % 4,3 %

Varianz (AVE) wurden, wie in Tab. B.1des Anhangs B der Onlineversion die-ses Beitrags zusammengefasst, bewertet,um die Konvergenzvalidität sicherzustel-len. Um die Indikatorenreliabilität zugewährleisten, sollten die Ladungen derItems vorzugsweise einen Wert von 0,7übersteigen. Items mit Werten von un-ter 0,4 sollten entfernt werden (Hulland1999, S. 198). Im US-Modell hatten le-diglich zwei Items Ladungen von 0,467(PC2) und 0,482 (PC4), während alleanderen Items in beiden Stichprobenden Schwellenwert von 0,7 überstiegen,was wiederum die Indikatorenreliabilitätbelegt. In beiden Modellen überstiegenferner die Werte der Faktorenreliabilitätfür alle Konstrukte den erforderlichenWert von 0,7 (Hulland 1999, S. 199). DieWerte der durchschnittlich erfassten Va-rianz überschritten für alle gemessenenKonstrukte den Schwellenwert von 0,5bei Weitem (Fornell und Larcker 1981,S. 46). Schließlich lag auch CronbachsAlpha (CA) – ein Maß für die interneKonsistenz – in beiden Modellen für al-le Konstrukte über dem erforderlichenSchwellenwert von 0,7 (Hulland 1999,S. 199). Im nächsten Schritt wurde dieDiskriminanzvalidität bewertet, indemsichergestellt wurde, dass die Quadrat-wurzel der durchschnittlich erfasstenVarianz für jedes Konstrukt höher warals die Korrelation zwischen diesem Kon-strukt und jedem beliebigen anderenKonstrukt in diesem Modell (Hulland1999, S. 200). Wie in Tab. B.2 und B.3im Anhang B zusammengefasst, wurdedieses Erfordernis in beiden Modellen füralle Konstrukte erfüllt. Zusammengefasstlässt sich sagen, dass die Messmodellefür beide Länder einwandfrei spezifiziertsind.

Als nächstes wurde das Strukturmo-dell (SM) bewertet. Wir fanden heraus,dass bei der Selbstoffenbarung eine Va-rianz von 29,5 % und 17,4 % in denUSA bzw. Deutschland durch vier De-terminanten erklärt wird. Da wir nur

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Tab. 2 StandardisiertePfadkoeffizienten,Signifikanzniveaus undp-Werte für MGA

Signifikanz: * bei 10 %; ** bei

5 %; *** bei 1 % oder niedriger

Hypo-thesen

Konstrukt/Variable →Selbstoffenbarung

Pfadkoeffizient p-Wert ausMGAUSA/DEU

Hypothesen-ErgebnisDeutschland USA

H1 Vergnügen 0,282*** 0,220*** 0,270 Widerlegt

H2 Datenschutzbedenken −0,207** 0,065 0,019** Bestätigt

H3 Vertrauen in den Anbieter eines SON 0,052 0,247*** 0,025** Bestätigt

H4 Vertrauen in die Mitglieder eines SON 0,094 0,259*** 0,079* Bestätigt

H5 Geschlecht (m = 0; w = 1) −0,027 −0,089 0,260 Widerlegt

die Faktoren, die für das PK relevantsind, einbezogen haben – wodurch wahr-scheinlich andere beeinflussende Varia-blen nicht berücksichtigt wurden – istdiese Aussagekraft angemessen. Die Grö-ße und die Signifikanz der Pfadkoef-fizienten wurden, wie in Tab. 2 sowiein Abb. C.1 und C.2 im Anhang Czusammengefasst, auf Basis eines PLS-Algorithmus und eines Bootstrapping-Verfahrens bewertet. Schließlich wurdeeine Multi-Gruppen-Analyse (MGA), diedie Pfadkoeffizienten über beide Mo-delle hinweg vergleicht, unter Anwen-dung einer Implementierung des PLS-MGA-Verfahrens via Tabellenkalkulati-on durchgeführt (Henseler et al. 2009,S. 308–309). Wie in Tab. 2 dargestelltbelegen signifikante p-Werte, die mit-tels dieser Analyse gewonnen wurden, dieExistenz von Unterschieden in der Stär-ke der Pfadkoeffizienten zwischen denbeiden Ländern. Aufgrund des explo-rativen Charakters unserer Studie wur-de ein Signifikanzniveau von 10 % überdie gesamte Studie hinweg als akzeptabelerachtet.

Sowohl bei den deutschen als auch US-amerikanischen Nutzern tritt das Ver-gnügen als eine gleichermaßen relevanteDeterminante der Selbstoffenbarung auf,was die Rolle von IDV in der Bezie-hung zwischen diesen Variablen wider-legt. Als nächstes bestätigen wir, dassdie Vertrauensannahmen bei Nutzernmit einem individualistischen Hinter-grund hervorsticht: Während das Ver-trauen in den Anbieter eines SON unddas Vertrauen in die Mitglieder einesSON den Grad der Selbstoffenbarungder stark individualistisch geprägten US-amerikanischen Studienteilnehmer be-einflussen, ist ihr Einfluss in Deutsch-land nicht existent. Schließlich stellte sichheraus, dass UVM entscheidend ist fürdie Bedeutung, die die Nutzer den Da-tenschutzbedenken zuschreiben: Währendsich die Datenschutzbedenken auf die ri-sikoaversen deutschen Nutzer signifikantauswirken, ist ihr Einfluss auf die risi-kofreudigen US-amerikanischen Nutzer

nicht signifikant. Außerdem stellen wir inbeiden Stichproben keinen Einfluss desGeschlechts auf die Selbstoffenbarung fest.

4 Implikationen für Theorie undPraxis

Soziale Onlinenetzwerke sind eine globa-les Phänomen, das Einzelpersonen, Or-ganisationen und der Gesellschaft imAllgemeinen viele Vorteile bietet. Dasich Kommunikationstechnologien aufder ganzen Welt stärker verbreiten, wer-den sich immer mehr Menschen denSON und der weltweiten Kommunikati-on über das Internet anschließen. Die Er-gebnisse unserer Studie liefern eine Rei-he von Erkenntnissen über die interkul-turelle Dynamik der Selbstoffenbarungauf diesen Internetplattformen. Von da-her helfen unsere Erkenntnisse, das Ver-ständnis darüber, wie die Kultur die Er-gebnisse individueller, Datenschutz rele-vanter Entscheidungsfindungen bestim-men könnte, zu vertiefen.

Zunächst fanden wir heraus, dass dieMotivationsstärke des Vergnügens vomIDV-Grad in einer bestimmten Kulturunabhängig ist. Während frühere For-schungsarbeiten das Motiv der Freu-de hauptsächlich auf IDV zurückfüh-ren (Hofstede 2001, S. 226), zeigt un-sere Studie, dass Nutzer mit stärkerund schwächer ausgeprägtem IDV glei-chermaßen danach streben, hedonisti-sche Vorteile durch die Selbstoffenba-rung in SON zu erlangen. Offensicht-lich schätzen Menschen aus kollektivis-tisch geprägten Kulturen Eigengruppen-Interaktion und geben ihre Informatio-nen folglich als Teil des Gruppenkom-munikationsprozesses gerne preis. Die-se Erkenntnisse tragen zu dem wach-senden Forschungszweig, der die Un-terschiede und Gemeinsamkeiten inter-kultureller Motivationsmuster feststellenmöchte, bei (z. B. Chiasson et al. 1996).

Angesichts der Motivationsstärke desVergnügens über alle Kulturen hinweg

sollten Anbieter von SON die angeneh-men Erfahrungen in ihren weltweitenMarketingstrategien hervorheben. Bis-her hat FB bedeutende Fortschritte beider Einbindung von Spaßfunktionen indie Internetplattform gemacht. Durchdie frühzeitige Einführung der Funkti-on News Feed und die Öffnung des Sys-tems für Drittentwickler – Innovationen,die hauptsächlich geschaffen wurden, umdas Verlangen der Nutzer nach Unter-haltung zu stillen – war es FB in vielenLändern möglich, seine größten Wett-bewerber zu schlagen. Jüngste Erkennt-nisse deuten jedoch an, dass viele Nut-zer den bestehenden Filtermechanismusvon News Feed als ungeeignet empfin-den, was zu Langeweile und der mangeln-den Bereitschaft, Informationen auf derInternetplattform auszutauschen, führt(Koroleva et al. 2010, S. 4). Daher soll-te die Verbesserung der Auswahl sozialerInhalte auf Basis verfügbarer Nutzerda-ten und Vorlieben Priorität haben. Goo-gle+ hat beispielsweise vor kurzem ei-ne „What’s hot“-Funktion eingeführt, dieden Nutzern einen Einblick in die belieb-testen, und häufig unterhaltsamen, Inhal-te, die in diesem Netzwerk ausgetauschtwerden, gibt – dies ist ein perfektes Bei-spiel dafür, wie das Motiv des Vergnügensgenutzt werden kann.

Zweitens zeigen unsere Ergebnisse,dass, während Nutzer aus Ländern mithohem UVM-Grad ihre Selbstoffenba-rung als Reaktion auf Datenschutzbe-denken einschränken, Nutzer mit nied-rigem UVM dies nicht tun. Da die in-nere Kontrollüberzeugung typisch ist fürKulturen mit niedrigem UVM (Hofs-tede 2001, S. 161), fallen diese Nut-zer ihrer „optimistischen Veranlagung“eher zum Opfer, indem sie an der„Das wird mir schon nicht passieren“-Haltung festhalten (Hoorens und Bu-unk 1993, S. 298). Daher dürften sieihre Datenschutzbedenken ignorieren,selbst wenn einige vorhanden sind. Vonder theoretischen Perspektive aus lie-fert unsere Studie einen Beweis für die

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„Einstellung/Verhalten“-Dichotomie, diein einigen Ländern beobachtet wird, inanderen jedoch nicht (z. B. Krasnova etal. 2010a, S. 121; Acquisti und Gross2006, S. 11).

Auch wenn die Auswirkung der Daten-schutzbedenken auf die Selbstoffenbarungnicht universell ist, stellen wir fest, dassdie Nutzer in beiden Ländern über mä-ßig hohe Datenschutzbedenken berich-ten, mit denen die Anbieter von SONumgehen müssen. Viele Studien unter-streichen die Bedeutung von Kontrollme-chanismen als Mittel zur Minderung vonDatenschutzbedenken seitens der Netz-werknutzer (z. B. Xu et al. 2008, S. 10).Bulgurcu et al. (2010, S. 9) empfeh-len z. B. die Minimierung der „Trig-gerbedingungen“, da sie die Entstehungvon Datenschutzbedenken hervorrufen.Als Beispiele nennen die Autoren dieaufgezwungenen Veränderungen bei Da-tenschutzeinstellungen oder die wahrge-nommenen Mängel bei der Datenschutz-steuerung. Um diese Probleme anzuge-hen, hat die US-amerikanische FederalTrade Commission FB vor kurzem dazugezwungen, alle zukünftigen Änderun-gen bei den Datenschutzeinstellungen sovorzunehmen, dass sie der Zustimmungdurch die Nutzer unterliegen; dadurchwerden Nutzer vor ungewollten Über-raschungen geschützt (Constine 2011).Insbesondere in Ländern mit hohemUVM sollte die Verbesserung der Benut-zerfreundlichkeit der Datenschutz-Toolsund die Weiterentwicklung des Schutz-niveaus für Anbieter von SON Prioritäthaben (Bulgurcu et al. 2010, S. 9). Umder Unsicherheit der Nutzer entgegen-zutreten, könnten SON-Anbieter Aufklä-rungskampagnen nutzen, um das Be-wusstsein für die Datenschutzfunktionenzu erhöhen (Malhotra et al. 2004, S. 339).Schließlich könnten rechtliche Mittel hel-fen, die Datenschutzbedenken der SON-Nutzer abzuschwächen (Krasnova undVeltri 2011, S. 8). Nutzer mit hohemUVM werden solche Bemühungen wahr-scheinlich begrüßen, da sie sich stark aufinstitutionelle Zuverlässigkeit verlassen(Doney et al. 1998, S. 609). Daher ratenwir den Anbietern von SON dringend,gesetzgeberische Anstrengungen zu be-grüßen und sich in Ländern mit hohemUVM sogar politisch für mehr gesetzlicheSicherheitsvorschriften einzusetzen.

Drittens bestätigen wir, dass Nut-zer mit einem kollektivistischen Hinter-grund eher keinen Glaubenssprung ma-chen und eigentlich nicht aufgrund vomVertrauen agieren (Hofstede 2001, S. 160,

169). Gleichzeitig ermöglicht ein hoherIDV-Grad Vertrauen in andere SON-Nutzer und in den Anbieter und führtsomit zu einer erhöhten Selbstoffenba-rung auf der Internetplattform. In Anbe-tracht der Tatsache, dass die Nutzer ausden USA – dem Land mit dem höchs-ten IDV-Grad der Welt (Hofstede 2001,S. 500–502) – gegenwärtig die größteGruppe des FB-Publikums ausmachen(Alexa.com 2012), sollte das Ansprechendes Vertrauens dieses Publikums Priori-tät haben. Insgesamt bietet die existie-rende Literatur eine Fülle von Einblickendarüber, wie Vertrauensbildung im Inter-net erleichtert wird. Belanger et al. (2002,S. 265) zeigen, dass Komfort, einfache Be-dienbarkeit und eine optische Verschöne-rung der Webseite einen starken Einflussauf die Kaufabsicht haben – was eine Fol-ge einer vertrauensseligen Grundeinstel-lung ist. Zhou et al. (2010, S. 930) er-forschten den Kontext mobiler SON undfanden heraus, dass sowohl die Qualitätder Informationen als auch die Qualitätdes Systems das Nutzervertrauen signifi-kant beeinflussen. Aufbauend auf diesenErkenntnissen empfehlen Bonneau undPreibusch (2009, S. 30) den Anbieternvon SON, in die Verbesserung der Qua-lität und Professionalität einer Websei-te zu investieren, da sie diese Maßnah-men als förderlich für die Vertrauens-bildung erachten. Ferner zeigen Hassan-ein und Head (2007, S. 702) empirischauf, dass soziales Auftreten einen „wär-menden Effekt“ auf Onlinemedien hat,indem es die Internetplattform vertrau-enswürdiger erscheinen lässt. Im Um-feld von SON könnte dies erreicht wer-den durch die Einführung menschenähn-licher elektronischer Assistenten, die dieNutzer hinsichtlich der Datenschutzein-stellungen beraten. Tatsächlich könntedas simple Einstellen von Kundenbera-terfotos an auffälligen Stellen im SON be-reits Menschlichkeit vermitteln und dasVertrauen fördern.

Schließlich deutet unsere Studie an,dass Männer persönliche Details in SONgenauso gerne austauschen wie Frau-en. Dies steht im starken Gegensatzzum persönlichen Umgang miteinander,bei dem man herausfand, dass Frauenmehr von sich preisgeben – eine Fol-ge der traditionellen Rollentrennung, dieMännern vorschreibt, bei der Kommu-nikation mit anderen weniger emotionalund nicht sentimental zu sein (Jourardund Lasakow 1958, S. 98; Jourard 1971,S. 35). In SON können der Mangel

an sozialem Auftreten, die Konzentrati-on auf das eingebildete Publikum unddie geografische Distanz zwischen Ge-sprächspartnern jedoch zusammenwir-ken, so dass sich die männlichen Nut-zer dafür öffnen, sich zu offenbaren oh-ne die typischen, gesellschaftlichen Nach-teile, die Männern, die in der Öffent-lichkeit Emotionen zeigen, gewöhnlichwiderfahren. Durch die Erforschung deseinzigartigen Kontexts der SON trägtunsere Studie zum theoretischen Dis-kurs über die Rolle des Geschlechtsbei der Selbstoffenbarung bei. Zukünf-tige Arbeiten könnten sich auf die Er-forschung der unterschiedlichen Motiveder Selbstoffenbarung beider Geschlech-ter konzentrieren.

5 Abschließende Bemerkungen

Unsere Studie wendet das PK an, umdie Faktoren, die die Selbstoffenbarungin SON beeinflussen, zu untersuchen.In Anerkennung der kulturellen Vielfaltder Nutzer von SON stellen wir fest,dass IDV und UVM die Auswirkungender Datenschutzbedenken bzw. der Ver-trauensannahmen beeinflussen. Ein hö-herer IDV-Grad erleichtert die Entwick-lung vom Vetrauen, und motiviert da-durch die Nutzer dazu, Informationenpreiszugeben. Andererseits veranlasst einniedriger Grad an UVM die Nutzer dazu,ihre Datenschutzbedenken sogar dannzu ignorieren, wenn sie welche haben.Durch die Widerlegung des universellenCharakters des PK auf SON verlangenunsere Erkenntnisse nach einem größe-ren kulturellen Verständnis bei der Erfor-schung und Beeinflussung des Verhaltensder Nutzer von SON.

Die Studie unterliegt einigen Ein-schränkungen, die interessante Ansatz-punkte für zukünftige Forschungsarbei-ten bieten. Wir sehen insbesondere IDVund UVM als einzige kulturelle Deter-minanten, die hinter dem Einfluss vonVertrauensannahmen/erwarteten Vortei-len bzw. Datenschutzbedenken stehen.Auch wenn diese Annahme auf der ein-gehenden Überprüfung früherer Arbei-ten basiert, muss sie in zukünftigen For-schungsarbeiten, die sich mit SON be-fassen, empirisch validiert werden. Fer-ner sollten neben Universitätsstudentenandere demografische Gruppen unter-sucht werden, um ein vollständiges Bildder interkulturellen Dynamik in SON zuerhalten.

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Zusammenfassung / AbstractHanna Krasnova, Natasha F. Veltri, Oliver Günther

Die Rolle der Kultur in der Selbstoffenbarung und Privatsphärein sozialen Onlinenetzwerken

Interkulturelle Dynamik des Privatsphärekalküls

Soziale Onlinenetzwerke (SON) stützen sich ausschließlich auf nutzergenerierten In-halt um ihren Mitgliedern ein ansprechendes und lohnendes Erlebnis zu bieten.Infolgedessen sind die Belebung der Kommunikation zwischen Nutzern sowie dieStimulierung ihrer Selbstoffenbarung im Netz unerlässlich für die Zukunftsfähigkeitvon SON. Soziale Netzwerke sind weltweit beliebt und deren Nutzer werden zuneh-mend kulturell vielfältiger. Um ihre Mitglieder zu motivieren Informationen zu tei-len bedarf es des Verständnisses kultureller Feinheiten. Bisher bietet die derzeitigeForschung nur begrenzte Einblicke in die Rolle der Kultur, die hinter dieser Bereit-willigkeit von Selbstoffenbarung der Nutzer in Onlinenetzwerken steht. Aufbauendauf dem Privatsphärekalkül untersucht diese Studie die Rolle zweier kultureller Di-mensionen – Individualismus und Unsicherheitsvermeidung – bei der Selbstoffen-barung auf SON. Die Umfrageergebnisse deutscher und amerikanischer Facebook-Nutzer bilden hierbei die Basis für die Analyse. Die Resultate des Strukturgleichungs-modells und der Multi-Gruppen-Analyse offenbaren deutliche Unterschiede in denkognitiven Strukturen dieser beiden Kulturen. Hierbei spielen Vertrauensannahmeneine entscheidende Rolle bei der Selbstoffenbarung von Nutzern mit individualisti-schem Hintergrund. Gleichzeitig beeinflusst die Unsicherheitsvermeidung die Aus-wirkung von den Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre. Der Beitrag der Autoren zuder Theorie ist die Ablehnung des universellen Charakters des Privatsphärekalküls.Die Forschungsergebnisse geben den Betreibern von SON eine Reihe von Empfeh-lungen, um die Erstellung und Teilung von Inhalten ihrer heterogenen Zielgruppenzu stimulieren.

Schlüsselwörter: Soziale Onlinenetzwerke, Selbstoffenbarung, Privatsphäre, Ver-trauen, Kultur

Self-disclosure and Privacy Calculus on Social Networking Sites:The Role of Culture

Intercultural Dynamics of Privacy Calculus

Social Network Sites (SNSs) rely exclusively on user-generated content to offer en-gaging and rewarding experience to its members. As a result, stimulating user com-munication and self-disclosure is vital for the sustainability of SNSs. However, consid-ering that the SNS users are increasingly culturally diverse, motivating this audienceto self-disclose requires understanding of their cultural intricacies. Yet existing re-search offers only limited insights into the role of culture behind the motivation ofSNS users to self-disclose. Building on the privacy calculus framework, this study ex-plores the role of two cultural dimensions – individualism and uncertainty avoidance– in self-disclosure decisions of SNS users. Survey responses of US and German Face-book members are used as the basis for our analysis. Structural equation modelingand multi-group analysis results reveal the distinct role of culture in the cognitivepatterns of SNS users. The authors find that trusting beliefs play a key role in the self-disclosure decisions of users from individualistic cultures. At the same time, uncer-tainty avoidance determines the impact of privacy concerns. This paper contributesto the theory by rejecting the universal nature of privacy calculus processes. The find-ings provide for an array of managerial implications for SNS providers as they striveto encourage content creation and sharing by their heterogeneous members.

Keywords: Social networking sites, Self-disclosure, Privacy, Trust, Culture

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