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LOGFILE Nr. 27 / Juli 2014 Maas & Peither AG – GMP-Verlag Die Rolle der Qualitätssicherung im Pharmazeutischen Qualitätssystem von Dr. Bernd Renger Die Verantwortlichkeit für die Etablierung und Gestaltung eines funktionierenden Pharmazeuti- schen Qualitätssystems (PQS) liegt beim Pharmazeutischen Unternehmer. Regulatorische Anfor- derungen hierzu finden sich im revidierten Kapitel 1 des EU-GMP-Leitfadens Teil I, sowie in der ICH-Leitlinie Q10 und der FDA–Leitlinie zu Qualitätssystemen 1 . Als Kernelement eines solchen Qualitätssystems gilt die Qualitätseinheit (Quality Unit), über deren Aufgaben und hierarchische Einbindung in die Qualitätsorganisation jedoch durchaus unterschiedliche Auffassungen bestehen. Obwohl sich aus den Regularien keine Verpflichtung ableiten lässt, die Aufgaben einer Qualitätsfunktion in zwei unabhängige Abteilungen "Quali- tätskontrolle" und "Qualitätssicherung" zu unterteilen, haben sich in den letzten Jahren in der Pharmazeutischen Industrie gewisse Standardstrukturen für die Organisation der Qualitätsfunk- tion etabliert. Ob diese Standardstrukturen allerdings – wie manchmal fast schon dogmatisch eingefordert – zwingend umzusetzen sind, muss kritisch hinterfragt werden. Vor allem in kleineren Firmen mit begrenzten Ressourcen kann es sinnvoll sein, nur eine Quality Unit (QA) zu etablieren, die sowohl Aufgaben der Qualitätssicherung als auch der Qualitätskontrolle übernimmt. In solchen Fällen ist es auch möglich, dass der Leiter dieser Qualitätseinheit in Personalunion als Sachkundi- ge Person agiert. Das muss dann in der Stellenbeschreibung klar geregelt werden. Entscheidet sich ein Pharmazeutisches Unternehmen jedoch, die Aufgaben der Qualitätsfunktion in eine „kontrollierende“ und eine „sichernde“ Einheit zu unterteilen, müssen Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar definiert werden, um zu gewährleisten, dass weder einzelne Aspekte nicht korrekt abgedeckt werden, noch dass es zu kontraproduktiven Redundanzen und Rei- bungsverlusten kommt. Eine eigenständige Qualitätssicherung kann dabei durchaus unterschied- liche Ausrichtungen haben: 1 Guidance for Industry “Quality Systems Approach to Pharmaceutical CGMP Regulations” Die Qualitätssicherung als Betreuer des PQS Auf den ersten Blick scheint es naheliegend, die Aufgabe einer QS darin zu sehen, für die korrek- te Umsetzung der im EU-GMP-Leitfaden geforderten Elemente eines pharmazeutischen Quali- tätssystems zu sorgen. Dies ist in vielen Fällen jedoch nur durch eine vernetzte Organisation unter voller Einbindung der entsprechenden Fachabteilungen realisierbar. Eine solche Ausrich- tung der QS lässt sich daher am Besten in Form einer Stabsfunktion realisieren. http://www.gmp-verlag.com © 2014 Maas & Peither AG – GMP-Verlag, Schopfheim, Germany, All rights reserved Seite 1

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Die Rolle der Qualitätssicherung im Pharmazeutischen Qualitätssystem

von Dr. Bernd Renger

Die Verantwortlichkeit für die Etablierung und Gestaltung eines funktionierenden Pharmazeuti-

schen Qualitätssystems (PQS) liegt beim Pharmazeutischen Unternehmer. Regulatorische Anfor-

derungen hierzu finden sich im revidierten Kapitel 1 des EU-GMP-Leitfadens Teil I, sowie in der

ICH-Leitlinie Q10 und der FDA–Leitlinie zu Qualitätssystemen1.

Als Kernelement eines solchen Qualitätssystems gilt die Qualitätseinheit (Quality Unit), über deren Aufgaben und hierarchische Einbindung in die Qualitätsorganisation jedoch durchaus unterschiedliche Auffassungen bestehen. Obwohl sich aus den Regularien keine Verpflichtung ableiten lässt, die Aufgaben einer Qualitätsfunktion in zwei unabhängige Abteilungen "Quali-tätskontrolle" und "Qualitätssicherung" zu unterteilen, haben sich in den letzten Jahren in der Pharmazeutischen Industrie gewisse Standardstrukturen für die Organisation der Qualitätsfunk-tion etabliert.

Ob diese Standardstrukturen allerdings – wie manchmal fast schon dogmatisch eingefordert – zwingend umzusetzen sind, muss kritisch hinterfragt werden. Vor allem in kleineren Firmen mit begrenzten Ressourcen kann es sinnvoll sein, nur eine Quality Unit (QA) zu etablieren, die sowohl Aufgaben der Qualitätssicherung als auch der Qualitätskontrolle übernimmt. In solchen Fällen ist es auch möglich, dass der Leiter dieser Qualitätseinheit in Personalunion als Sachkundi-ge Person agiert. Das muss dann in der Stellenbeschreibung klar geregelt werden.

Entscheidet sich ein Pharmazeutisches Unternehmen jedoch, die Aufgaben der Qualitätsfunktion in eine „kontrollierende“ und eine „sichernde“ Einheit zu unterteilen, müssen Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar definiert werden, um zu gewährleisten, dass weder einzelne Aspekte nicht korrekt abgedeckt werden, noch dass es zu kontraproduktiven Redundanzen und Rei-bungsverlusten kommt. Eine eigenständige Qualitätssicherung kann dabei durchaus unterschied-liche Ausrichtungen haben: 1 Guidance for Industry “Quality Systems Approach to Pharmaceutical CGMP Regulations”

Die Qualitätssicherung als Betreuer des PQS

Auf den ersten Blick scheint es naheliegend, die Aufgabe einer QS darin zu sehen, für die korrek-te Umsetzung der im EU-GMP-Leitfaden geforderten Elemente eines pharmazeutischen Quali-tätssystems zu sorgen. Dies ist in vielen Fällen jedoch nur durch eine vernetzte Organisation unter voller Einbindung der entsprechenden Fachabteilungen realisierbar. Eine solche Ausrich-tung der QS lässt sich daher am Besten in Form einer Stabsfunktion realisieren.

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Abbildung 1: Mögliche Organisationsstruktur mit einer Stabsstelle Qualitätssicherung (QA)

In diesem Fall fokussiert sich die Aufgabe der Qualitätssicherung auf die Bereitstellung der ent-sprechenden Systeme und deren Beschreibung in übergeordneten Anweisungen und SOPs, sowie umgekehrt auf die Bereitstellung entsprechender Informationen und Kennzahlen für das Senior Management.

Die Qualitätssicherung als Vorbereiter der Zertifizierung durch die Sachkundige Person

Man kann die Funktion der Qualitätssicherung aber auch deutlich operativer verstehen und unter dem Gesichtspunkt der Bereitstellung von Daten für die Sachkundige Person zur Zertifizie-rung und Freigabe von Chargen betrachten. In diesem Modell wäre es dann die Aufgabe einer Qualitätssicherung, Teile der chargenbezogenen Daten zu generieren, über entsprechende Reportsysteme bereitzustellen und parallel dazu die Funktionsfähigkeit der klassischen Qualitäts-systeme sicherzustellen. Eine solche operative Aufgabenstellung setzt die hierarchische Gleich-stellung der Bereiche voraus, damit käme der Qualitätssicherung eine Linienfunktion zu.

Abbildung 2: Mögliche Organisationsstruktur mit einer operativen Qualitätssicherung (QA)

Quality on the Floor

Besonders in größeren Organisationen mit weiten Wegen sowie hoher Spezialisierung kann es aber auch sinnvoll sein, die zentrale Funktion einer Qualitätssicherungseinheit (unabhängig ob Stabs- oder Linienfunktion) aufzubrechen und Mitarbeiter vor Ort in die anderen operativen Abteilungen, insbesondere in die Produktion, zu delegieren, die dort als "Quality on the Floor" rund um die Uhr als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Dazu müssen die Qualitäts-mitarbeiter mit entsprechender Entscheidungsbefugnis ausgestattet sein, die kurze Entschei-dungswege sicherstellt. Damit Qualitätsmanager und die Manager der operativen Einheiten gleichberechtigte Partner sein können, müssen die Qualitätsmitarbeiter über eine hohe Fach-kenntnis der Abläufe in der operativen Einheit verfügen.

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Letztendlich entscheidet die Größe und Komplexität des Unternehmens über die angemessene Struktur des Pharmazeutischen Qualitätssystems sowie die Strukturierung des Qualitätsmanage-ments. Eine Überwachungsfunktion der Qualitätssicherung über andere Qualitätsabteilungen ist dabei aus keinem europäischen oder US-amerikanischen Regelwerk ableitbar. Autor: Dr. Bernd Renger, Bernd Renger Consulting Email: [email protected]

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