Die Rolling Stones treffen den Teufel und den Heiligen ... · Die Rolling Stones treffen den Teufel...

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Die Rolling Stones treffen den Teufel und den Heiligen Geist am 20.September 2017 An ihrem Konzert in Zürich Stadion Letzigrund holten die Rolling Stones Anlauf im Blues,vor 50.000 Fans. Die Höhepunkte setzten sie dann in eigenen Klassikern und in einem Dylan-Song. Mick Jagger, cool und charmant. Und noch einmal ein Rolling-Stones-Konzert. Und einmal mehr fragt man sich: Wird es das letzte sein? Die Frage scheint sich ja insofern aufzudrängen, als die britischen Rockpioniere schon einige Jahre auf ihren Silberrücken tragen. Ihr Alter zeigt sich etwa darin, dass sie bereits vor fünfzig Jahren zum ersten Mal in Zürich aufgetreten sind. Auch Mick Jagger selbst erinnert am Mittwochabend im vollen Letzigrundstadion daran – und findet es unglaublich. Sollte es also nicht einmal genug sein mit dem Rock'n'Roll, zumindest mit der harten Bühnenarbeit? Nein, eigentlich nicht. Das Publikum hat weiterhin seine Freude an den klassischen Rock-Songs. Und erst recht die Musiker selbst. Der Beginn – Götterdämmerung! Der gigantische Bühnenbau blitzt und flammt in feurigen Zungen, als würde gleich der Heilige Geist erscheinen. Dabei wird nun Luzifer besungen von einem, der so vital und magistral wirkt mit seinen 74 Jahren, als hätte er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Breit- und langbeinig posiert er zunächst, als stünde ihm ein Kampf mit erfolgreichem Ausgang bevor. Und der Elan fliesst sofort auch in die Musik, in die Performance.

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Die Rolling Stones treffen den Teufel und den Heiligen Geist am 20.September 2017 An ihrem Konzert in Zürich Stadion Letzigrund holten die Rolling Stones Anlauf im Blues,vor 50.000 Fans. Die Höhepunkte setzten sie dann in eigenen Klassikern und in einem Dylan-Song.

Mick Jagger, cool und charmant. Und noch einmal ein Rolling-Stones-Konzert. Und einmal mehr fragt man sich: Wird es das letzte sein? Die Frage scheint sich ja insofern aufzudrängen, als die britischen Rockpioniere schon einige Jahre auf ihren Silberrücken tragen. Ihr Alter zeigt sich etwa darin, dass sie bereits vor fünfzig Jahren zum ersten Mal in Zürich aufgetreten sind. Auch Mick Jagger selbst erinnert am Mittwochabend im vollen Letzigrundstadion daran – und findet es unglaublich. Sollte es also nicht einmal genug sein mit dem Rock'n'Roll, zumindest mit der harten Bühnenarbeit?

Nein, eigentlich nicht. Das Publikum hat weiterhin seine Freude an den klassischen Rock-Songs. Und erst recht die Musiker selbst. Der Beginn – Götterdämmerung! Der gigantische Bühnenbau blitzt und flammt in feurigen Zungen, als würde gleich der Heilige Geist erscheinen. Dabei wird nun Luzifer besungen von einem, der so vital und magistral wirkt mit seinen 74 Jahren, als hätte er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Breit- und langbeinig posiert er zunächst, als stünde ihm ein Kampf mit erfolgreichem Ausgang bevor. Und der Elan fliesst sofort auch in die Musik, in die Performance.

Frische und Engagement Mit «Sympathy For The Devil» beginnt der Auftritt, dann geht es programmatisch weiter mit «It's Only Rock'n'Roll (But I Like It)» und «Tumbling Dice». Während Jagger, projiziert auf einen grossen Bildschirm, fast wie ein Halbgott erscheint, kann dasselbe von seinen Kumpanen zwar nicht behauptet werden. Aber auf Charlie Watts am Schlagzeug ist weiterhin Verlass, auch wenn die Feinmotorik etwas gelitten haben mag durch all die Jahre. Auch Ron Wood, ein Hampelmann mit bübischem Schalk, und Keith Richards, ein Rocker in Altersmilde, zeigen sich an ihren Gitarren sehr engagiert. Wie streunende Hunde wedeln sie links und rechts durch den Groove und schnuppern dann manchmal auch an einer falschen Note.

Der Sound klingt anfangs frisch, manchmal allerdings auch etwas chaotisch. Da ist es gut, dass sich die Rolling Stones bald etwas zurücklehnen in die Musikgeschichte, um dort nochmals Anlauf zu holen, wo sie einst begonnen haben: beim Blues. Zwei Titel aus ihrem letztjährigen Blues-Album «Blue & Lonesome» geben sie zum Besten. Und die knappe Form bringt die Band etwas näher zusammen.

Jaggers Höhenflug

Tatsächlich setzt Mick Jagger zum Höhenflug an: In «You Can't Always Get What You Want» schafft er einen grossen dynamischen Bogen von folkig-subjektiven Klängen bis hin zum Gospel-Pathos. Und dann interpretiert er Bob Dylans «Like A Rolling Stone». Der Song scheint ihm auf den Leib, die Kehle, die Zunge geschrieben. Jagger hat stets den Drang, seine Phrasierung im heiseren Sprechgesang etwas zu forcieren, zu puschen. Dadurch macht er aus dem Dylan-Klassiker nun ein bedrohliches, wütendes, letztlich furioses Stossgebet.

Zur rituellen Ordnung eines jeden Stones-Konzerts gehört das Interlude mit Keith Richards als Crooner. Man soll aber nicht meinen, bei den Rolling Stones handle es sich um einen Frontmann mit Begleitung. Und dass Keith Richards nach wie vor sehr viel Sympathie geniesst beim Publikum, zeigt der warme Applaus, der seinen Gesangseinlagen vorausgeht. Ein netter Kerl, denkt man sich, während er mit froher Miene sein «Happy» trällert. Bei «Slipping Away» hingegen, an sich eine schöne Ballade, die einen Kontrast zu den vielen stampfenden Mid-Tempo-Nummern schafft, lässt ihn seine Stimme immer wieder im Stich.

Keith Richards, ein netter Kerl Für Minuten sinkt die Spannung. Das eher gesetzte Publikum – darunter viel Prominenz aus Musik (Pepe Lienhard), Sport (Bernhard Russi) und Politik (Stadtrat Daniel Leupi) – kann kurz durchatmen. Aber vom fiebrigen Funk von «Miss You» wird es bald wieder mitgerissen. «Alles easy, alles gut?», fragt Mick Jagger, der seine Coolness mit Anstand verbindet und immer wieder ein paar Worte auf Deutsch radebrecht. Übrigens wendet er sich auch explizit an das Publikum aus der Romandie und aus dem Tessin.

Alles easy! Alles easy, alles locker, möchte man dem Rock-Star antworten. Dann aber wird es erst richtig laut. Der Mann am Mischpult dreht die Regler auf zehn. Und die Stones spielen Hit um Hit, Klassiker um Klassiker – «Start Me Up», «Brown Sugar», «I Can't Get No Satisfaction» zum Beispiel. Schliesslich ertönt «Jumpin' Jack Flash» – die letzten satten Akkorde entladen sich in einem Feuerwerk am freundlichen Nachthimmel. War vielleicht doch ein Heiliger Geist im Stadion?

Zürich, Stadion Letzigrund, 20. September.2017

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Die Rolling Stones mit v.l.n.r. Mick Jagger, Bill Wyman (leicht verdeckt), Brian Jones, Charlie Watts (leicht verdeckt) und Keith Richards bei ihrer Ankunft in Kloten. Die

Das erste Schweiz-Konzert der Rolling Stones

Vor 50 Jahren flogen die Stühle1967 spielten die

Rolling Stones erstmals in der Schweiz. Damals gingen im Zürcher

Hallenstadion Stühle und Wände in die Brüche. Wir kramen die schönsten

Bilder von anno dazumal aus dem Archiv.

© Keystone

Das wilde Gebaren von Sänger Mick Jagger haute die Schweizer Fans 1967 komplett um und

entfachte einen handfesten Krawall.

Sie haben geruhigt - sehr sogar. Das erstaunt wohl auch nicht allzu

sehr. Schliesslich tragen die Mitglieder der Rolling Stones allesamt

70Plus auf dem Buckel. Doch noch immer rocken sie die grössten

Bühnen der Welt. Heute Mittwochabend treten Mick Jagger, 74, Keith

Richards, 73, Charlie Watts, 76, und Ronnie Wood, 70, im Zürcher

Letzigrund auf. Auf ihrer Europatour «Stones – No Filter» besucht die

Band die Schweiz bereits zum 13. Mal.

Blicken wir 50 Jahre zurück: Da gings noch einiges wilder zu und her. Vor

einem halben Jahrhundert, am 14. April 1967, spielten die Stones im Zürcher

Hallenstadion zum ersten Mal in der Schweiz - und entfachten einen

regelrechten Krawall.

© RDB/Blick/Bruno Torricelli

Erster Auftritt in der Schweiz: Am 14. April 1967 spielten die Rolling Stones im Zürcher

Hallenstadion.

Das wilde Gebaren der Rock-Ikonen, allen voran Sänger Mick Jagger, haute die Schweizer

Fans regelrecht um, wie ein Augenzeuge in einem Rückblick der «NZZ» gegenüber

berichtete. Es war der erste internationale Top-Act der neuen Beat-Musik in einer Schweizer

Halle - vor 12 000 Fans! Da gab es für viele kein Halten mehr. Klappstühle flogen,

Sperrholzwände gingen zu Bruch. Es wurde gekreischt und getobt.

© Keystone

Vier Exemplare der berühmten Klappstühle aus dem Stones-Konzert von 1967 gehören heute

dem Landesmuseum.

Ein historischer Moment in der Pop- und Rockgeschichte der Schweiz. Vier Exemplare der zu

Kleinholz geschlagenen Klappstühle befinden sich heute im Besitz des Landesmuseum. Auch

das Polizei-Aufgebot war beachtlich und die Einsatzkräfte gingen mit den randalierenden

Konzertbesuchern nicht gerade zimperlich um.