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Die Theologie Martin Luthers Von Gerhard Ebeling 1. Zur Luther-Forschung a) Geschichtliches Die Geschichte des L.-Verständnisses ist mit der Geistesgeschichte der letzten vier Jh.e eng verwoben. Darin dokumentiert sich nicht nur die in alle Lebensbereiche ausstrahlende Nachwirkung dieses Theologen, sondern auch die fortdauernde, unüberholte Aktualität des durch ihn zur Sprache gekommenen Fragens und Verstehens. Von einer L.-Forschung kann freilich erst seit etwa 100 Jahren die Rede sein; im strengen Sinne ist sie eine Sache sogar erst des 20. Jh.s. Wiederholte systematisch-theol. Impulse der Hinwendung zu L. (konfessionelle Restauration: Th. Harnack; Vermittlungstheologie: J. Köstlin; Ritschlianer: J. Gottschick, W. Herrmann; sog. L.-Renaissance: K. Holl; Dialektische Theologie: F. Gogarten) ließen, namentlich seit 1917 (Gründung der Luther-Gesellschaft) die Zahl der L.-Forscher und ihrer Publikationen stark anwachsen. Dabei wurden drei Faktoren bes. wichtig: 1. das in vieler Hinsicht stimulierende Unternehmen der kritischen Gesamtausgabe 1883 ff; 2. die Auffindung einer Fülle wertvollsten Quellenmaterials (vor allem aus den Jahren 1509-18: Randbemerkungen zu Augustin, Petrus Lombardus, Faber Stapulensis, Tauler, Biel; Vorlesungen über Pss, Röm, Gal, Hebr; aber auch des reifen L.: bes. die Predigtnachschriften Rörers 1522-46, Nachschriften von bis dahin nur in Druckbearbeitung bekannten Vorlesungen, Disputationsprotokolle u. a.); 3. die zuerst von kath. Seite (Denifle) mit Recht eingeschärfte Frage nach L.s Verhältnis zur mittelalterlichen Tradition. Diese Frage konnte, zusammen mit der nach der Genesis von L.s Theol., erst dank der neueren Textfunde in Angriff genommen werden. Daraus erklärt sich das verhältnismäßig starke Übergewicht der Erforschung des jungen L. Es braucht darin nicht die (methodisch bedenkliche und sachlich unberechtigte) wertende Antithetik von »jungem« und »altem« L. wirksam zu sein. Die trotz zunehmender philologisch- historischer Akribie bleibende Verflochtenheit in die Wandlungen der systematischen Theol. sollte nicht überraschen und darf nicht grundsätzlich verurteilt werden. Die L.- document.doc 1 5 10 15 20 25 30 35 40

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Die Theologie Martin Luthers

Von Gerhard Ebeling

1. Zur Luther-Forschung

a) Geschichtliches

Die Geschichte des L.-Verständnisses ist mit der Geistesgeschichte der letzten vier Jh.e eng verwoben. Darin dokumentiert sich nicht nur die in alle Lebensbereiche ausstrahlende Nachwirkung dieses Theologen, sondern auch die fortdauernde, unüberholte Aktualität des durch ihn zur Sprache gekommenen Fragens und Verstehens.

Von einer L.-Forschung kann freilich erst seit etwa 100 Jahren die Rede sein; im strengen Sinne ist sie eine Sache sogar erst des 20. Jh.s. Wiederholte systematisch-theol. Impulse der Hinwendung zu L. (konfessionelle Restauration: Th. Harnack; Vermittlungstheologie: J. Köstlin; Ritschlianer: J. Gottschick, W. Herrmann; sog. L.-Renaissance: K. Holl; Dialektische Theologie: F. Gogarten) ließen, namentlich seit 1917 (Gründung der Luther-Gesellschaft) die Zahl der L.-Forscher und ihrer Publikationen stark anwachsen. Dabei wurden drei Faktoren bes. wichtig: 1. das in vieler Hinsicht stimulierende Unternehmen der kritischen Gesamtausgabe 1883 ff; 2. die Auffindung einer Fülle wertvollsten Quellenmaterials (vor allem aus den Jahren 1509-18: Randbemerkungen zu Augustin, Petrus Lombardus, Faber Stapulensis, Tauler, Biel; Vorlesungen über Pss, Röm, Gal, Hebr; aber auch des reifen L.: bes. die Predigtnachschriften Rörers 1522-46, Nachschriften von bis dahin nur in Druckbearbeitung bekannten Vorlesungen, Disputationsprotokolle u. a.); 3. die zuerst von kath. Seite (Denifle) mit Recht eingeschärfte Frage nach L.s Verhältnis zur mittelalterlichen Tradition. Diese Frage konnte, zusammen mit der nach der Genesis von L.s Theol., erst dank der neueren Textfunde in Angriff genommen werden. Daraus erklärt sich das verhältnismäßig starke Übergewicht der Erforschung des jungen L. Es braucht darin nicht die (methodisch bedenkliche und sachlich unberechtigte) wertende Antithetik von »jungem« und »altem« L. wirksam zu sein. Die trotz zunehmender philologisch- historischer Akribie bleibende Verflochtenheit in die Wandlungen der systematischen Theol. sollte nicht überraschen und darf nicht grundsätzlich verurteilt werden. Die L.-Forschung hat exemplarisch teil an der komplexen Weite des hermeneutischen Problems. Als wichtigstes Korrektiv ist neuerdings die interkonfessionelle (vgl. auf kath. Seite den Wandel von H. Denifle und H. Grisar zu J. Lortz, A. Herte, J. Hessen u. a.) und internationale Zusammenarbeit in der L.-Forschung (neben dem deutschen und skandinavischen Sprachbereich jetzt zunehmend auch der angelsächsische; vgl. internationale Kongresse für L.-Forschung: 1956 Aarhus, 1960 Münster/W.) hinzugetreten.

b) Methodisches

Die Grundsätze historischer Methodik sind bei der Erforschung von L.s Theol. vor allem in folgender Hinsicht zu beachten: 1. Der Überlieferungswert der Texte ist genau zu prüfen (ob handschriftlich von L. selbst, ob Nachschrift oder Druckbearbeitung durch Schüler usw.). 2. Die Interpretation muß sich primär begrenzten Textkomplexen zuwenden, um L.s theol. Denkstrukturen zur Geltung kommen zu lassen (statt eigener Systematisierung von atomisiertem Zitate-Material). 3. Die geschichtliche Bewegung von L.s Denken ist zu erarbeiten: in Hinsicht auf die Genesis und auf spätere Wandlungen seiner Theol. sowie auf die Situationsbedingtheit seiner Äußerungen. Nur so kann die keinesfalls zu vernachlässigende Frage nach der sich durchhaltenden Einheit und Strukturganzheit seiner Theol. geklärt werden. 4. Das Verhältnis zur Tradition bedarf eingehender Untersuchung - in erster Linie (aber nicht nur) bei der Erforschung der Initia. Es geht dabei nicht um kausale

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Erklärung durch historische Herleitung, sondern um profilierende Interpretation des reformatorischen Sprachgeschehens in dessen vielseitigen Beziehungen. Auf das Verhältnis zu Augustin, zur Scholastik (bes. zum Ockhamismus), zur Mystik, zur exegetischen Tradition und zum Humanismus ist schon viel Mühe verwandt worden. Doch bleiben hier - ungeachtet der nie endenden Interpretationsaufgabe - noch große Forschungsdesiderien. Dazu gehört auch, daß L.s Theol. als Schriftauslegung kritisch bedacht sein will, sowie das Fernziel einer umfassenden Erhellung seiner Sprache (L.-Lexikon).

Die Darstellung von L.s Theol. kann darum nicht nach üblichem dogmatischem Schema rein systematisch vorgehen. Sie muß, der hier vollzogenen Denk- und Sprachbewegung folgend, zumindest zwei Hauptzäsuren beachten: den Beginn der expliziten kritischen Auseinandersetzung mit der herrschenden kirchlichen Lehre (1517/18) und den (mit dem Abschluß dieses Vorgangs ungefähr gleichzeitigen) Beginn der innerreformatorischen Auseinandersetzungen und Klärungen (1521/22).

2. Die Genesis von Luthers Theologie

Mit der Frage nach der Genesis von L.s Theol. ist das Problem des sog. reformatorischen Durchbruchs (nach WATR 3, Nr. 3232a »Turmerlebnis«) in komplizierter Weise verquickt. Das Werden seiner Theol. in ihrer Besonderheit läßt sich auf dem Hintergrund des durch Studiengang, Lektüre und sonstige Einflüsse Empfangenen schrittweise aus den frühen Texten erheben. In der Frage nach der reformatorischen Wende dagegen geht es um die Fixierung des spezifisch Reformatorischen als der Keimzelle ev. Lehre - in Abhebung nicht gegen bloße Schultraditionen, sondern gegen die innersten Motive der herrschenden kath. Lehre. Um die Tiefe des konfessionellen Gegensatzes aufzuspüren, bedarf es zwar eines gewissen Leitbildes; aber man muß für Korrektur und Kritik von den Texten her offen sein. Denn die Bestimmung des spezifisch Reformatorischen ist vornehmlich eine theol. Interpretationsaufgabe und nicht nur eine Sache biographischer Datierung. L.s spätere Rückblicke sind dabei als behutsam zu verwertende Wegweisung unentbehrlich. Sie allein deuten die biographische und gedankliche Konkretion der entscheidenden Wende an. Daraus erwachsen Schwierigkeiten: Die theol. Sachfrage scheint absorbiert zu sein von dem persönlichen Erleben. Und für dieses biographisch Ereignishafte fehlt ein entsprechender Anhalt in den Texten der in Frage kommenden Zeit. Die diffizilen Interpretationsprobleme haben die Auffassungen und chronologischen Ansetzungen weit auseinandergehen lassen. Trotzdem besteht kein Grund, das Problem der reformatorischen Wende resigniert zu übergehen. Es muß vielmehr im Rahmen der Genesis von L.s Theol. mit Rücksicht auf die besonderen methodischen Bedingungen zunächst, soweit möglich, gesondert untersucht werden.

a) Die reformatorische Wende

Die häufigen biographischen Äußerungen über seine mönchische Vergangenheit und über die Anfechtungen im Kloster (früheste Andeutungen: 3, 436, 29 ff.; 447, 25 ff.; 4, 665, 15 ff.; bes. 1, 557, 33 ff.) fügen sich zu einem klaren und überzeugenden Gesamteindruck: Trotz strenger Einhaltung monastischer Disziplin und intensiven Gebrauchs der kirchlichen Gnadenmittel stellte sich - natürlich unter Schwankungen, bis zur Prädestinationsanfechtung gesteigert - das Empfinden ein, der Gnade nicht teilhaftig zu sein. Die ihm in erster Linie vertraute ockhamistische Ausprägung der Gnadenlehre (Ockham) verschärfte gerade durch die Betonung der göttlichen liberalitas (Anerkennung eines meritum de congruo in der Vorbereitung auf die Gnade: Si homo facit quod in se est, Deus dat gratiam; der Mensch könne ex suis naturalibus Gott über alles lieben) das Gefühl des eigenen, schuldhaften Versagens. Doch lag das Grundproblem jenseits der innerscholastischen Differenzen: Die kirchlich geordnete Gnadenzueignung blieb wirkungslos, ja hatte ihr Gegenteil zur Folge. Daß

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dies über quälende Selbstkritik hinaus zu theol. Kritik und Überwindung der herrschenden kirchlichen (nicht etwa nur der ockhamistischen) Gnadenlehre führte, ist zu erklären nur aus dem Anspruch des biblischen Textes, der L. ergriffen hatte. Dieser Anspruch verpflichtete ihn, die Theol. in Hinsicht auf die eigene Existenz zu treiben, aber auch umgekehrt: die Anfechtung theol. durchzustehen. So erhob sich die persönliche Erfahrung über die Sphäre privater Erlebnisse zu tradierbarer Lehre, die sich auf Texte berufen konnte.

Unter den Selbstzeugnissen über die reformatorische Grunderkenntnis (O. Scheel, M. L. II, 569 Anm. 1) ist das in der Vorrede zu Bd. I der Opp. latt. der Wittenberger Ausgabe 1545 (54, 185 f.) das wichtigste. Sie wird charakterisiert als ein das verzweifelte Gewissen gewiß machendes Verstehen des Evangeliums als Evangeliums, und zwar in bezug auf den Sinn von »iustitia Dei« in Röm 1, 17. Er habe es zunächst als die göttliche Eigenschaft distributiver Gerechtigkeit verstanden (philosophice... de iustitia... formali seu activa, qua Deus est iustus et peccatores iniustosque punit). Es sei ihm dann aber am Verhältnis von V. 17a zu b als das durch den Glauben mitgeteilte rechtfertigende Handeln aufgegangen (qua iustus dono Dei vivit, nempe ex fide... iustitiam Dei, sc. passivam, qua nos Deus misericors iustificat per fidem). Dieses Verständnis habe sich ihm sofort an analogen genitivisch konstruierten Gottesprädikationen (opus Dei, virtus Dei usw.) bestätigt, und später auf Grund der Lektüre von De spiritu et littera auch durch die ähnliche augustinische Auffassung. Es gilt zunächst, diese direkten Angaben in den frühen Texten zu verifizieren. Die Kenntnis von De sp. et litt. ist deutlich erst in der Röm-Vorlesung bezeugt. Die passive Deutung von iustitia Dei findet sich ausdrücklich erst 1525 (18, 768 f.), weist aber, unter Berührung mit scholastischer Terminologie (gratia activa und passiva), auf Beobachtungen zum hebr. Sprachgebrauch zurück, wie sie schon in der 1. Pss-Vorlesung vorliegen. Darüber hinaus begegnen alle in der Vorrede von 1545 erwähnten Momente bereits in der 1. Pss-Vorlesung (vgl. Schol. zu Ps 70 und 71: 3, 457, 38 - 458, 11; 465, 33-35; 466, 26-34; so E. Vogelsang in Fortführung von E. Hirsch). Von da an werden sie in zunehmender Präzisierung wiederholt (z. B. 56, 171, 26 - 172, 11; 57 [Hebr], 187, 5 - 188, 3; 5, 144, 1-22).

Die anderen Rückblicke bringen sachlich kaum Neues hinzu: neben Röm 1, 17 die Erwähnung von Ps 30 (70), 2 als Quelle der Anfechtung und die Charakterisierung der Neuentdeckung als Unterscheidung von Gesetz und Evangelium (vgl. dazu ebenfalls 3, 456 f. 461 ff.). Gegen die Datierung des reformatorischen Durchbruchs auf 1514 wird eingewandt: 1. Der in der Praefatio entstehende Anschein eines chronologischen Anschlusses an den vorausgehenden kirchenpolitischen Bericht über die Jahre 1517-19. L. greift jedoch mit der Darlegung der reformatorischen Grundentdeckung ohne genauere Datierung zurück und betont nur den Kontrast seiner theol. Position bei Wiederaufnahme (1518) des ersten Vorlesungsgegenstandes, des Psalters, gegenüber dem Beginn seiner Lehrtätigkeit (1512/13). 2. Beobachtungen zu L.s theol. Entwicklung, die entweder schon am Beginn der 1. Pss-Vorlesung (vgl. 3, 31, 3 ff.) das neue Rechtfertigungsverständnis nachweisen sollen oder die Präzisierung des Gnadenmittel-Verständnisses um 1518 als eigentlichen Inhalt der in den Rückblicken gemeinten Wende ausgeben (so E. Bizer). Doch muß man sich, soweit es um die Datierungsfrage geht, streng an die Angaben der Rückblicke halten und sich auf deren Identifizierung in den Äußerungen der Frühzeit beschränken. Allerdings kann das erzielte Ergebnis nur von der Gesamtinterpretation der Genesis von L.s Theol. her fruchtbar werden. Denn einerseits ist die reformatorische Grundentdeckung die Frucht theol. Wandlungen auf breiter Front, anderseits sichern die formelhaften Charakterisierungen des neuen Verständnisses von iustitia Dei in den späten Rückblicken nicht hinreichend gegen die Verwechslung mit der augustinischen Auffassung, der man neben anderen auch in der exegetischen Tradition der Scholastik begegnet. Daran zeigt sich der nur begrenzte Wert von L.s späten Rückblicken auf die reformatorische Wende.

b) Sentenzenlektur

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Der reformatorische Durchbruch war selbstverständlich weder allererster Anfang noch Endpunkt der umstürzenden theol. Wandlung, die L. zum Reformator werden ließ. Die Randbemerkungen von 1509/10 lassen als früheste Anzeichen erkennen: die - aus dem »Erfurter Nominalismus« nicht hinreichend erklärbare - scharf antiphilosophische Haltung; entsprechend eine starke Hervorhebung der Autorität der Schrift und ihres Sprachgebrauchs; trotz nominalistischer Interpretationstendenz eine Bevorzugung Augustins und des Lombarden gegenüber der hoch- und spätscholastischen Theol.; endlich, auf das Inhaltliche gesehen, leise, aber bedeutsame Verschiebungen in der Gnadenlehre: Während der Ockhamismus die ontologische Notwendigkeit habitueller Gnade unter dem Vorzeichen der potentia Dei absoluta bestritt, ficht L. in der Gnadenlehre den habitus-Begriff vom Wirken des Hl. Geistes her an (also de potentia Dei ordinata). Die drei »theol. virtutes« (fides, spes, caritas) versteht er ausschließlich aktual und als untrennbare Einheit. Abweichend von der scholastischen Tradition setzt er die fides informis der fides acquisita gleich, spricht ihr also überhaupt den Charakter des Glaubens im theol. Sinne ab. Während nach scholastischer Auffassung die fides infusa auch bei Verlust der Gnaden-forma (caritas) Glaube bleibt, kann nach L. der eingegossene Glaube nicht zusammen mit Todsünde bestehen. Hier kündigt sich schon die fundamentale Bedeutung des Glaubens an. Als Grundmotiv ist dahinter eine ungewöhnliche Resonanz des Anspruchs Gottes zu spüren. Darin war eine Radikalisierung des Sünden- und eine Aktualisierung des Gnadenverständnisses angelegt. Es hielt ihn zu einem aufs Letzte gehenden Theologietreiben an (vgl. WAB 1, 17, Nr. 5, 40 ff.), führte aber notwendig in tiefe Konflikte. Denn nun war die Frage nach der iustificatio anders gestellt, als es den Voraussetzungen der traditionellen Gnadenlehre entsprach. Von dieser war darum keine befreiende Antwort zu empfangen. Die Anfechtungen waren bereits Folge einer beginnenden theol. Neuorientierung.

c) 1. Psalmen-Vorlesung

Auch wenn man die Überlieferungslücke 1511/12 in Rechnung stellt, ist es erstaunlich, wie schnell leidenschaftlich bewegtes Denken aus den nur mit der Lupe erkennbaren Besonderheiten eines spätscholastischen Theologen eine Theol. von eigener Prägung und einzigartiger Geladenheit hervorbrachte. Gewiß begegnet man in der 1. Pss-Vorlesung viel übernommenem Material aus der exegetischen (Augustin, Cassiodor, Glossa ordinaria, Nikolaus von Lyra, Paulus von Burgos, Perez von Valencia, Reuchlin, Faber Stapulensis u. a.), systematisch-scholastischen (Ockham, Gregor von Rimini, Petrus von Ailli, Biel u. a.) und mystisch- erbaulichen (Bernhard von Clairvaux, Gerson u. a.) Tradition. Doch stets ist die selbständige Wahl und Verarbeitung spürbar, und der eigene Denkstil dominiert. Die bewußte weitgehende Ausschaltung scholastischer Denkformen und Begriffe ist auch bei exegetischer Arbeitsmethode auffallend. Der biblische Sprachgebrauch wird in kritischer Abgrenzung gegen die aristotelische metaphysische und psychologische Terminologie erarbeitet. Fundamentale theol. Verstehensstrukturen kommen meditativ zur Anwendung. An abstraktem dogmatischem Maßstab gemessen liegen »Katholisches« und schon »Evangelisches« verwirrend ineinander. (Vgl. auch das nicht zufällige Fehlen ganzer Themenkreise, wie Mariologie, Papsttum u. dgl.) Auf die theol. Denkbewegung gesehen beeindruckt jedoch die Einheitlichkeit des Grundzuges: das Ringen um »geistliches« Verstehen der Schrift als Gottes Wort (Hermeneutik). Dieses Fragen nach der Methode meinte die Sache selbst: das Wirken des Hl. Geistes und damit den Vollzug des heilschaffenden opus Dei.

Der (wohl auf Staupitz zurückzuführende) entschiedene Christozentrismus läßt ihn die traditionelle christologische Pss-Auslegung viel konsequenter handhaben. Der christologische Sinn liegt als sensus litteralis dem vierfachen Schriftsinn zugrunde. So wird im Psalter-Text Christus selbst zum Grundtext, der zum Verstehen kommt, indem er primär den Menschen (sensus tropologicus), dann das Volk Gottes (sensus allegoricus) und das die endliche Welt begrenzende Geheimnis (sensus anagogicus) zum Verstehen bringt. Neu ist nicht nur die Art, wie hier aus dem traditionellen Schematismus ein (dessen Überwindung anbahnendes) document.doc 4

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sinnvolles Ganzes wird, in dem alle theol. Aussagen vom Zentrum her bestimmt werden, sondern vor allem die Erfassung der Korrespondenz von Christus und Glaube als der darin wirksamen Grundrelation. So allein kommt der spezifisch theol. Gesichtspunkt zur Geltung: die Unterscheidung von littera und spiritus (Geist und Buchstabe). L. verwendet sie in einer vor ihm nicht nachweisbaren Intensität als Inbegriff eines umfassenden (neuplatonisch gefärbten) Dualismus (visibilia - invisibilia, sensibilia - intelligibilia usw., aber auch: praesentia - futura), um diesen, statt im Sinne getrennter Bereiche, als Alternative des Daseinsverständnisses zu interpretieren. Da der Mensch stets zugleich coram Deo und coram mundo existiert, stellt die mit littera (= lex Mosi) und spiritus (= lex Christi, Evangelium) gegebene Alternative notwendig in die Gleichzeitigkeit widersprechender Urteile. Was die Menschen erwählen, verdammt Gott, und umgekehrt (1Kor 1, 18 ff.). Der Struktur der geistlich verstandenen Sünde als Heuchelei der Eigengerechtigkeit entspricht darum die Struktur der Offenbarung als absconditas sub contrario, wie sie sich als Vollendung der Inkarnation im Kreuz Christi vollzogen hat und von daher die Signatur des Hl. Geistes ist. Deshalb ist gemäß Hebr 11, 1 der Glaube die Weise, wie sich das opus Dei in Christus am Menschen vollzieht. Durch den litteralen Bezug auf Christus kommt überraschend scharf das Menschsein Christi und gerade so das Verständnis Christi als opus Dei zur Geltung im Unterschied zur traditionellen Christologie. Entsprechend bewirkt die tropologische Deutung auf die fides Christi, abweichend von der traditionellen Gnadenlehre, die engste Durchdringung von Christologie und Rechtfertigungslehre. Daß die iustitia Dei nur zuteil werden kann, indem die eigene Gerechtigkeit zugrunde geht, der Gerechte also, im Gegensatz zum Sünder (= defensor sui), accusator sui (Spr 18, 17) ist und die Rechtfertigung als confessio peccati ein Gott Rechtgeben (iustificare Deum, vgl. Röm 3, 4) und darum Anteilhaben an der Wahrheit Gottes: das wird dadurch theol. klargestellt, daß iustitia Dei ad litteram Christus in Person ist und darum tropologice fides Christi. Die Gottesprädikationen (iustitia, gloria Dei usw.) meinen nicht in sich ruhende göttliche Vollkommenheiten, sondern kausativ ein Wirken am Menschen (Jes 26, 12). Gottes iustitia macht den Sünder gerecht, indem er diesen zu einem macht, der Gott recht gibt. Dieses von Christus her durch das Wort den Glauben wirkende Handeln Gottes setzt darum auch nicht eine habituale iustitia im Menschen; vielmehr ist (in Umprägung des scholastischen virtus-Begriffs und in Umkehrung der scholastischen Rangfolge von fides und caritas) die das Herz des Menschen treffende fides (Apg 15, 9) die aktuale virtus Dei, aus der die Liebe hervorgeht.

Die sprachlichen Anleihen bei Mystik und mönchischer Devotion, bes. die Gleichsetzung von fides und humilitas, erwecken den Eindruck einer aktiven dispositio ad gratiam durch die Tugend der Demut. Doch gerade die Heranziehung des humilitas-Begriffs dient zur Uminterpretation des traditionellen Verständnisses des Glaubens als eines habitus des Intellekts zu einem den ganzen Menschen betreffenden passiven Geschehen (humiliatio) und somit zur Überwindung der scholastischen Tugendlehre. Die Konsequenzen dieses Ansatzes - der sich im sensus allegoricus auch auf die Kirche auszuwirken beginnt - bleiben freilich noch verborgen unter dem Anschein einer zwar kühnen und tiefgrabenden, doch in den Grenzen der kirchlichen Lehre bleibenden Theol.

d) Paulus-Exegese

Die Röm-Vorlesung enthält kaum etwas, das nicht schon keimartig in der 1. Pss-Vorlesung begegnete. Dennoch bringt die Paulus-Exegese, unterstützt durch die Lektüre der antipelagianischen Schriften Augustins, einen erheblichen Fortschritt zu treffsicherer Konzentration auf das Wesentliche, zur Präzisierung der theol. Sprache und zu entschiedener Abgrenzung gegen die Scholastik (vorläufig gipfelnd in der Disputatio contra scholasticam theologiam, Sept. 1517), aber nun auch - erstmals zu Röm 5, 2 - gegen die areopagitische Mystik (Dionysius Areopagita). Das von mystischen Denkformen beeinflußte (vgl. 56, 229) »extra nos« richtet sich zunächst gegen die ockhamistische Auffassung von der praeparatio ad gratiam und gegen die gemeinscholastische Lehre von der gratia habitualis als qualitas animae document.doc 5

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(dagegen L.: externa et aliena iustitia; vgl. 56, 337, 18: maledictum vocabulum illud »formatum«), wird aber zugleich zu dem entscheidenden Stichwort auch gegen die Mystik und das künftige Schwärmertum. Es zielt nicht auf eine Objektivität, die vom Menschen absieht, sondern auf das rechte Verständnis der Betroffenheit der Existenz durch das Glauben wirkende Heilswort. Die zu äußerster Schärfe gesteigerte Polemik gegen Aristoteles und die Philosophie überhaupt schließt nicht aus, daß das theol. Denken wichtige philosophische Impulse hervorbringt (z. B. 56, 371 f.), die als solche freilich unentfaltet bleiben. Die Hauptkritik richtet sich weniger gegen Aristoteles als gegen die scholastische Verwendung seiner Tugendlehre zur Auslegung der Existenz vor Gott.

Für die Kritik an der scholastischen Gnadenlehre ist die Einsicht in die bleibende Erbsünde wesentlich. Im Gegensatz zur Scholastik versteht L. die (mit dem Unglauben identische) concupiscentia selbst als das Wesen der Erbsünde, die als das peccatum radicale die Person auf sich selbst verkrümmt sein läßt und darum so lange besteht, wie der Mensch am Leben bleibt. Der Wille des sündigen Menschen ist notwendig unfrei. Das facere quod in se est kann nur Sünde zutage fördern. Die einzige dispositio ad gratiam ist die göttliche Erwählung. Das Gnadengeschehen ist nicht eine akzidentelle Veränderung am Menschen, sondern ein Neuwerden der Person selbst in mortificatio und vivificatio. Nur wenn die Person recht ist, können auch ihre Werke recht sein. (Dieser schon in der 1. Pss-Vorlesung begegnende, später häufig wiederholte Grundsatz z. B. WAB 1, 70, Nr. 27, 29ff: Non... iusta agendo iusti efficimur..., sed iusti... fiendo et essendo operamur iusta. Prius necesse est personam esse mutatam, deinde opera.) Die Rechtfertigung der Person sola fide (auch diese Wendung gelegentlich schon in der 1. Pss-Vorlesung) ist jedoch nicht eine für sich bestehende Zuständlichkeit, sondern hängt durch den Glauben am Zuspruch Gottes, bleibt also ein Gerechtfertigtwerden. Dieses Geschehen schließt zwar das Moment des Sanativen in sich, aber trotzdem uneingeschränkt - ebenfalls sola fide - die Anerkenntnis des Sünderseins. Im Glauben ist darum der Mensch gerecht und Sünder zugleich, und zwar beides als totus homo: peccator in re, iustus in spe. Grundsätzlich, wenn auch nicht schon immer hinreichend klar in der Formulierung, ist der Glaube zwischen praesumptio und desperatio nicht, wie in der Scholastik, als Schwebehaltung der Ungewißheit, sondern als Heilsgewißheit verstanden. Denn der Glaube, der die Furcht Gottes in sich schließt, hält sich in der ihn begleitenden Anfechtung an die Gewißheit der göttlichen Verheißung. Die völlige Klärung dieses Rechtfertigungsverständnisses hängt an der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Deren Präzisierung macht in diesen Jahren zwar bedeutsame Fortschritte, kommt aber noch nicht zum Abschluß.

3. Die antirömische Entfaltung von Luthers Theologie

Die seit L.s theol. Anfängen begegnenden und bis 1517 z. T. in ungewohnter Schärfe sich steigernden kritischen Äußerungen über die scholastische Theol., aber auch über mancherlei kirchliche Mißstände verbanden sich bis dahin mit eindeutiger Verwerfung häretischer Neigung als typischer Erscheinungsweise der Selbstgerechtigkeit (vgl. 3, 578 f.). Daß er nun in wenigen Jahren - zögernd und dann doch in atemberaubender Folge - Lehre und Gestalt der Kirche in kritischer Revision von Jh.en angriff, ohne in den Strudel völliger Destruktion zu geraten, zeugt von der Fundierung und Tragfähigkeit der bisher errungenen theol. Position. Die theologia crucis (diese Bezeichnung prägte L. 1518 während des Ablaßstreits in Antithese zur theologia scholastica als der theologia gloriae: 1, 354. 613 f.) war zum Protest herausgefordert gegen ein den Ablaß legitimierendes Buß- und Rechtfertigungsverständnis. Dieser nur scheinbar periphere Anlaß machte nun unvermeidlich die von L. bisher neben der Gnadenlehre selbst noch kaum explizit behandelte Lehre von den Gnadenmitteln zum Thema. Es verbinden sich darin die Probleme der Lehrautorität, der Sakramentslehre und des Kirchenbegriffs. Der Weg aus der Konzentration in die Weite der antiröm. Konsequenzen

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fördert zugleich die Klärung der Grundposition durch schärfere Ausbildung der Lehre vom Wort Gottes.

a) Ablaß und Buße

In den 95 Thesen geht L. von der nt. Bedeutung von Buße (These 1) in Abhebung gegen das sakramentale Verständnis aus, um zu klären, was der Ablaß als Appendix des Bußsakraments vermag. Er führt damit sofort das Grundmotiv der theologia crucis (crux = poenitentia) ein, wie es - bei fast durchgehender Vermeidung der traditionellen Bußterminologie - schon das Generalthema der 1. Pss-Vorlesung gewesen war. Dabei verdankte er Staupitz die Erkenntnis, daß wahre Buße aus der Liebe zu Gott hervorgehe (vgl. Widmung der Resolutiones, 1, 525). Der Ablaß kommt allenfalls als Nachlaß kanonischer Strafen für Lebende in Betracht. Aber seine den Strafen feindliche Grundtendenz widerspricht dem Evangelium wie dem Gebot der Nächstenliebe. Die scholastische Begründung mit der Theorie vom Schatz der Verdienste Christi und der Heiligen ist nicht stichhaltig. Es gibt keine überschüssigen guten Werke der Heiligen. Der wahre thesaurus ecclesiae ist das Evangelium selbst, d. h. die durch Christi Verdienst geschenkte Schlüsselgewalt.

Im Verlauf des Ablaßstreits kam es - neben einer Verdeutlichung der Rechtfertigungslehre (Ablehnung jeder Verdienstlichkeit der Werke, vgl. Heidelberger Disputation) - vor allem zu einem neuen Verständnis dessen, wozu es des besonderen sakramentalen Aktes bedarf: Als gewiß machender Zuspruch des Wortes Christi dient er zur pax conscientiae. Die traditionell- sakramentale, aber auch jurisdiktionelle Begründung des Bußsakraments entfällt. Das Sakrament verleiht nicht die fides iustificans, sondern setzt sie voraus, hilft ihr aber, da sie wesenhaft angefochten ist, zu der ihr gleichfalls wesenhaften Gewißheit. Cajetan inkriminierte außer der Verletzung der päpstlichen Autorität (Extravagante »Unigenitus« Clemens' VI. zur Frage des thesaurus ecclesiae, Mirbt Nr. 385) vor allem L.s Auffassung vom Verhältnis von Glaube und Sakrament in den Resolutiones zur 7. These (1, 539 ff.) als »neue Lehre« (2, 7 ff.). Damit hat er die entscheidenden Probleme genannt, hinter denen die Ablaßfrage als zweitrangig zurücktrat.

b) Lehrautorität

Auch ohne daß sich der Streit um das Gnadenverständnis an der Ablaßfrage entzündet hätte, hätte der Sachzusammenhang die Frage der Gnadenmittel brennend gemacht. Die Diskussion von L.s Rechtfertigungslehre mußte die darin implizierte, von der kirchlichen Lehre abweichende Auffassung der Gnadenmittel zur Entfaltung bringen. Die Notwendigkeit dieses Zusammenhanges entscheidet über das Recht, L.s theol. Grunderkenntnis als reformatorische Wende zu bezeichnen, die den Schritt zum reformatorischen Geschehen ermöglichte und erforderte. Zum Problembereich der Gnadenmittel gehört aber zunächst die Autorität, durch die das Gnadenverständnis vermittelt und bestimmt ist.

Das Ablaßwesen war durch seine Geschichte und Handhabung so eng mit dem Papsttum verflochten, daß der Papst in mehr als einem Drittel der 95 Thesen erwähnt wird. Die Lehrautorität des Papstes hatte L.s theol. Denken zuvor nicht beschäftigt und besaß darin auch keinen Anhaltspunkt. Gegenüber den ersten Angriffen hat er sofort ohne Zögern die Fehlbarkeit des Papstes vertreten. Daß auch Konzile irren können, sprach er schon im Aug. 1518 grundsätzlich aus (1, 656, 32). Die Anwendung auf das Konstanzer Konzil (Reformkonzile) im Juli 1519 wirkte der Sache (Hus!) und dieses Konzils (Konziliarismus!) wegen sensationell. Viel bedeutsamer war die prinzipielle Bestreitung eines unfehlbaren kirchlichen Lehramtes überhaupt. Damit war die hermeneutische Frage dem Jurisdiktionellen entzogen und dieses seines geistlichen Anspruches beraubt. Das hatte umstürzende Folgen für den Kirchenbegriff.

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Dieser Zusammenbruch der Autoritäten war für L. nur die Auswirkung der Autorität der Hl. Schrift. Von Anfang an praktizierte er mit Selbstverständlichkeit ein unausgesprochenes »Schriftprinzip«. Dessen theoretische Entfaltung wurde erst erforderlich, um die damit eingenommene hermeneutische Position gegen die röm. Forderung hermeneutischer Funktion der Tradition zu vertreten. Die Schrift ist sui ipsius interpres (7, 95 ff). Diese These ist Ausdruck des Sachverständnisses, um das es in der Schrift geht, und richtet sich darum nicht minder gegen ein formal biblizistisches Schriftprinzip. Das sola scriptura entspricht der Particula exclusiva in bezug auf Christus, verbum und fides. Die Autorität der Schrift und die Autorität des im Rechtfertigungsverständnis ausgelegten Evangeliums sind eine und dieselbe. Der normative Sinn von Autorität ist der auctoritas im Sinne von Urheberschaft in bezug auf das verbum fidei untergeordnet. Darum ist das verkündigte Wort Gottes (d. h. die Schrift im Vollzug der Selbstauslegung) als Quelle des rechtfertigenden Glaubens das Gnadenmittel schlechthin.

c) Sakramente

Die thematische Behandlung der Sakramentslehre setzte, im Zusammenhang mit dem Ablaßstreit, erst in der Hebr-Vorlesung ein, vollzog sich dann nahezu unpolemisch als Unterrichtung der Gewissen über den rechten Gebrauch der Sakramente (Sermone 1519), bis schließlich - für die Öffentlichkeit plötzlich und erschreckend radikal - die umfassende Kritik an der geltenden Lehre erfolgte (De capt. Babyl. Ecclesiae, 1520). Dieser erste direkte und sogleich zentrale Angriff auf das Dogma declaratum war der entscheidende Schritt von der Rechtfertigungslehre zu deren reformatorischen Folgen, die sich auf die gesamte Struktur der Kirche und der Gesellschaft erstreckten.

Die sehr spärlichen Äußerungen über die Sakramente vor 1517 lassen erkennen, daß die schon ganz frühe Korrektur und Kritik an der Lehre von den »theol. Tugenden« und die Schwerpunktverlagerung in die Beziehung von verbum und fides zumindest Zurückhaltung gegenüber der herrschenden Sakramentslehre verursachte. Die Trennung von der Auffassung ausschließlich sakramentaler Vermittlung der gratia iustificans hat sich bei L. offenbar ohne innere Konflikte, jedenfalls ohne Spuren theol. Ringens vollzogen. Der Konflikt mit der röm. Sakramentslehre bricht darum primär an dem Verhältnis von Glaube und Sakramentsempfang auf (fides iam est gratia iustificans, 57 [Hebr], 191, 24), während der Ansatz zum positiven Verständnis des Sakraments die es konstituierende, Gewißheit verleihende promissio, das testamentum Christi ist. Der Glaube ist der rechte usus sacramenti. Entgegen der scholastischen Unterscheidung der at. (bloß ex opere operante, d. h. dank dem vorauszusetzenden Glauben der Vollziehenden nützlichen) und der nt. Sakramente (die als efficacia signa gratiae ex opere operato die Gnade enthalten und mitteilen, sofern nur kein obex im Wege steht) stellt L. beide als sacramenta fidei einander gleich und unterscheidet diese von den rein zeremonialen sacramenta operis. Er kann deshalb in Polemik gegen das opus operatum zeitweilig das opus operans (bzw. operantis) betonen, jedoch nicht, um den Anteil menschlicher Mitwirkung hervorzuheben. Der Glaube ist opus Dei und steht, als Erfüllung der Verheißung, in strenger Relation zum verbum Dei (promissio). Das Sakrament ist nur eine besondere Erscheinungsweise des Wortgeschehens; das Wort selbst wirkt sakramental.

Im Sinne von mystêrion im NT gibt es nur ein einziges sacramentum: Christus (6, 501, 37, vgl. 86, 7). Obwohl der kirchliche Sakramentsbegriff nicht nt. ist, wird er doch, in Beschränkung auf signa sacramentalia, übernommen. Zu einem Sakrament in diesem Sinn bedarf es eines Wortes der Verheißung, das kraft göttlicher Einsetzung mit einem Zeichen verbunden ist. Diesen Kriterien entsprechen nur Taufe und Abendmahl; doch will L. - pro tempore - um Beichte und Absolution willen auch die Buße zu den sakramentalen Zeichen zählen. Aber nicht in der Reduktion der Zahl der Sakramente, sondern in der Wiedergewinnung des wahren Sinnes der bejahten Sakramente liegt der Schwerpunkt der

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antiröm. Kritik. Am Sakramentsverständnis entscheidet sich die Befreiung der Kirche aus ihrer babylonischen Gefangenschaft.

Beim Altarsakrament ist der entscheidende röm. Mißbrauch nicht die (allerdings schriftwidrige, doch zur Not zu ertragende) Versagung der Kommunion in beiderlei Gestalt; auch nicht die Transsubstantiationslehre, die als (noch dazu schlechte!) philosophische und christologisch bedenkliche Interpretation der außer Diskussion stehenden Realpräsenz willkürlich für glaubensnotwendig erklärt worden ist; sondern das Verständnis der Messe als Opfer und damit als Werk anstatt als Verheißung, der allein der Glaube entspricht, als summa et compendium Euangelii (6, 525, 36; vgl. 521, 28: non... communicamus active, sed... communicamur passive). Lautes Sprechen der Einsetzungsworte und Verzicht auf Applizierung der Messen für bestimmte Zwecke zeichnen sich darum als erste liturgische Konsequenzen ab.

Trotz anderen Anscheins ist beim Taufsakrament (dem sacramentum iustificationis!) der Gegensatz nicht geringer. Dank der Kindertaufe ist es zwar vor äußerlichem Mißbrauch bewahrt geblieben. Aber Mißdeutung hat den rechten Taufgebrauch unkenntlich gemacht. Der Glaube ist die virtus (= efficacia, nicht = effectus!) der Taufe; er ist, entsprechend der Einmaligkeit des Taufaktes, der Einmaligkeit des ganzen Lebens zugeordnet als das sich erst im leiblichen Tode vollendende Sterben und Auferstehen (6, 535, 10: semel es baptizatus sacramentaliter, sed semper baptizandus fide, semper moriendum, semperque vivendum. 24: Quicquid enim vivimus, Baptismus esse debet). Die traditionellen Probleme betr. Taufformel, Tauftermin und momentanen Effekt im Getauften werden unwichtig, während die Heilsbedeutung der Taufe als unüberholbar aktuell in unvergleichlicher Weise herausgestellt wird. Die Tauflehre ist darum bereits Lehre von der Buße, ändert jedoch deren scholastisches Verständnis ebenfalls fundamental (statt der Dreigliederung in contritio, confessio, satisfactio Konzentration auf promissio - fides) bei entschiedenem Festhalten an der Heilsamkeit der Beichte für das angefochtene Gewissen. Doch werden Beichtzwang, Verpflichtung zu vollständiger Aufzählung der begangenen Todsünden und Bindung an den Priester verworfen.

d) Kirche

Die Kritik an der herrschenden Lehre von den Gnadenmitteln griff so tief, daß in dem entsprechenden Verständnis der Kirche das Selbstverständnis der röm. Kirche verneint und deshalb der zur Entscheidung zwingende Gegensatz gar nicht mehr innerhalb der röm. Kirche austragbar war. Ketzerprozeß und Bann, Titulierung des Papstes als Antichrist und Verbrennung des kanonischen Rechts kennzeichnen zwar spektakulär, aber genau die Problemlage: In dem Streit um den Kirchenbegriff war die Substanz der Kirche strittig. Die röm. Kirche, die noch nie zu einer solchen Grundentscheidung herausgefordert war, identifizierte sich mit der sie offiziell repräsentierenden Tradition und lehnte darum die Infragestellung dieses Selbstverständnisses als absurde Selbstpreisgabe ab. L.s Theol. wies auf eine Reformation der Kirche, die die Reformmöglichkeiten dieser röm. Kirche sprengte. Mit Verwerfung der Scheidung von Klerus und Laien (Sakrament des ordo), der unfehlbaren Repräsentation der ecclesia universalis und des ius divinum des Papsttums war an die Stelle der für die Existenz der Kirche fundamentalen dreifachen potestas ecclesiae (ordinis, magisterii, iurisdictionis) die eine potestas Verbi divini getreten. L.s persönlicher, naheliegende Ausweichmöglichkeiten mißachtender Einsatz dafür verrät, wie wichtig die Kirche in seiner Theol. ist. Die im Zusammenhang damit auf ihn zukommenden Fragen nach den geistlichen Folgen ungerechtfertigter Exkommunikation und nach den Möglichkeiten reformierenden Handelns bei Versagen der bestehenden kirchlichen Organe gaben erste Veranlassung, vom Wesen der Kirche her die ihr gemäße Ordnung zu bedenken.

Daß die Kirche Christi, weil geistlich, verborgen sei, war Grundtenor schon der frühen theologia crucis und wurde nun in seinem eschatologischen Sinn dadurch präzisiert, daß L.

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der überkommenen Ineinssetzung von Kirche und Reich Gottes als kritischen Skopus die Unsichtbarkeit der Kirche entnahm (Mt 24, 24 ff.; Lk 17, 20 f.; Joh 18, 36; vgl. 6, 293). Die »Christenheit« (um des eindeutig personalen Wortsinns willen bevorzugt) als »geistliche Versammlung der Seelen in einem Glauben« (6, 296, 5) ist darum nicht durch bestimmte leibliche und lokale Faktoren konstituiert und rechtlich ausweisbar, sondern Glaubenssache (sola fide perceptibilis: 7, 710, 3). Die Unsichtbarkeit der Kirche meint, entsprechend der absconditas sub contrario, nicht Flucht aus der Leiblichkeit, sondern die Existenz in carne non secundum carnem (7, 719, 34). Die »Unsichtbarkeit« wird nicht eingeschränkt, sondern begründet, wenn auf die methodische Leitfrage: »Was macht die Kirche zur Kirche?« das leibliche Wortgeschehen als Erkennungszeichen der Kirche angegeben wird (einschließlich, notfalls ohne Sakramente, vgl. 6, 301, 3 ff.; 7, 720, 32 ff.). Denn allein durch das Wort Gottes (verbo promissionis per fidem) existiert die Kirche als creatura verbi (6, 560, 33 ff.). Dieses Wortgeschehen ist die Weise, wie Christus selbst (ohne vicarius!) Haupt der Kirche ist und kraft des darin sich vollziehenden Austausches zwischen ihm und den Seinen (z. B. 1, 593, 7 ff.) diese untereinander communio sanctorum sein und erfahren läßt (2, 757, 22 ff.; 6, 131, 7 ff.). So ist die Kirche wesenhaft eine. Ihr ist nur ein Amt gegeben: das Schlüsselamt (Mt 16, 18 f. behält also, in antiröm. Interpretation, fundamentale Bedeutung für den Kirchenbegriff) als ministerium verbi, dessen potestas kraft der Taufe jedem Christen als Priestertum verliehen ist. Dessen öffentliche Ausübung erfordert jedoch »vocatio« durch eine Gemeinde, ohne daß sich damit etwa die Vollmacht des geistlichen Amtes »von unten« herleitete.

e) Wort Gottes

Wie die verschiedenen Momente in L.s Kritik an der röm. Lehre von den Gnadenmitteln eine unteilbare Einheit bilden, so stellt die Lehre vom Wort Gottes, auf die sich seine Lehre von den Gnadenmitteln konzentriert, die Grundstruktur seiner Theol. überhaupt dar. Wer »solo verbo« sagt, muß auch »sola fide« sagen und kann, weil beides miteinander nur als Explikation des »solus Christus« verantwortbar ist, »Wort Gottes« ebensowenig wie »Glaube« soteriologisch neutral verstehen. Daß vom Wort das Heil kommt, impliziert ein bestimmtes Verständnis von »Heil« sowie von dem, was »Wort« eigentlich ist. Wort ist mündliches, geschehendes, wirkendes Wort. Gemäß Röm 3, 4 (Deus verax - omnis homo mendax) ist es entweder als Gottes Wort gutes, verläßliches, lebendig machendes, oder als Menschenwort böses, versagendes, tötendes Wort (2, 452, 28 ff.; 462, 23 f.). Wort Gottes ist als »verbum fidei« eo ipso Evangelium. Menschenwort ist als solches Menschensatzung (verba moralia) und darum prinzipiell gesetzlichen Charakters. Das eine wirkt coram Deo iustitia fidei als iustitia aliena; das andere allenfalls coram mundo iustitia operum als iustitia propria, und d. h. coram Deo: iniustitia.

Die (scheinbar verwirrende) Gleichsetzung von Wort Gottes und Evangelium, Menschenwort und Gesetz, unterstreicht: Nicht durch bessere legislatio (Gottesgesetz gegen Menschensatzungen) kommt das Heil, sondern durch Mitteilung der in Christus geschehenen impletio legis (verbum fidei als Zuspruch der remissio peccatorum). Dadurch ist das Gesetz als Heilsweg abgetan; d. h. es ist radikal interpretiert als das den Glauben zwar fordernde, aber nicht gebende, den Menschen als Sünder behaftende Wort (lex non impleta, accusans, occidens, impossibilis ad iustificationem); und zugleich »abgeschafft« (lex abrogata, impleta), weil »gegenstandslos« geworden in bezug auf die iustificatio der persona (secundum conscientiam), aber gerade so in Geltung gesetzt als sachliche Anleitung zu guten Werken. Nur vom Evangelium her ist es darum sinnvoll, das Gesetz als Gottes Wort anzusprechen. Während Gesetz einerseits Inbegriff aller Weisen ist, wie der Sünder Gott und Gottes Gaben mißversteht und mißbraucht, ist es anderseits - »geistlich« interpretiert - gerade in seiner aufgedeckten tötenden Wirkung in seinem wahren, theol. usus. Als das Wort, in dem Gott sich versagt, verhält es sich zu dem Wort, in dem Gott sich zusagt, wie das opus Dei alienum zum opus Dei proprium. Weil zu dem Wort als Geschehen das gehört, was es wirkt, kann vom Gesetz nicht an sich, sondern nur in bezug auf den Sünder, und vom Evangelium nicht an document.doc 10

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sich, sondern nur in bezug auf den Menschen unter dem Gesetz die Rede sein. Als Lehre vom Evangelium muß sich darum die Lehre vom Worte Gottes auf die Lehre vom Gesetz in dessen Ambivalenz von Göttlichkeit und Heillosigkeit einlassen.

Die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium ist darum die Grundformel theol. Verstehens. (... paene universa scriptura totiusque theologiae cognitio pendet in recta cognitione legis et Euangelii: 7, 502, 34.) In ihr kommt L.s reformatorische Theol. zur Reife, indem Unklarheiten und Befangenheiten, die ihr von der Frühzeit her anhaften, als solche erkannt und ausgeschieden werden. »Evangelium« wird strikt gefaßt als das konkrete Wort der promissio. Selbstverständlich ist es in eigentlichem Sinne nicht ein Buch, überhaupt nicht »Schrift«, sondern mündliches Wort und darf auch nicht in seiner Unterschiedenheit vom »Gesetz« historisiert werden (= AT - NT). Vor allem muß die Interpretation des Evangeliums als »lex spiritus« (d. h. als geschehende Erfüllung) gegen das Mißverständnis gesichert werden, als käme und bliebe die impletio legis anders als in der Weise des Zukunft eröffnenden Zuspruchs, der Geist anders als in der Relation von verbum und fides. Um des Wortcharakters und d. h. um der Reinheit des Evangeliums willen tritt die Verwendung von lex als auch das Evangelium umgreifenden Begriffs und die einst so dominierende Terminologie »littera - spiritus« in den Hintergrund. Entsprechend wird, ohne Preisgabe der untrennbaren Zusammengehörigkeit, zwischen contritio (als dem eigentlichen officium legis) und fides (als der Gabe des Evangeliums) theol. scharf unterschieden und darum der beides in sich vereinigende Begriff »humilitas« zurückgedrängt. Der Glaube erhält nun als Wortförmigkeit (2, 490) und als so verstandene Vereinigung mit Christus den entschiedenen Charakter der Freiheit des Gewissens (»Glaubst du, so hast du!«: 7, 24, 13), deren Frucht die Liebe als mitmenschliche Dienstbarkeit ist. So kann in neuer Weise von »guten Werken« gesprochen werden, welche allein durch den Glauben gut sind und (statt an einer religiösen Wertskala der Selbstvervollkommnung) an der Not des Nächsten orientiert sind. Es gibt keine besonderen »geistlichen« Werke.

4. Der antischwärmerische Ausbau von Luthers Theologie

Auch über den Abschluß der antiröm. Entfaltung hinaus bleibt L.s Theol. in beispielloser Weise dem Geschehen ausgesetzt. Mit dem notwendigen Übergang von reformatorischer Lehre zu reformatorischem Handeln und zu fortdauerndem Verantworten von Entscheidungen trifft die beginnende Differenzierung der reformatorischen Bewegung zusammen, die zu Auseinandersetzungen und Scheidungen Anlaß gibt. Daß es dabei nicht um bloße Anwendung und Verteidigung eines fertigen Lehrsystems geht, sondern um theol. Bedenken konkreter Aufgaben und Anfechtungen, macht L.s Theol. weiterhin als Vorgang so instruktiv.

Die von ihm selbst geprägte und auf sehr verschiedenartige Erscheinungen pauschal angewandte Bezeichnung »Schwärmer« ist, ungeachtet des damit getriebenen Mißbrauchs, eine treffende Charakterisierung radikalistischer Tendenzen zur »Vollendung« der Reformation: des enthusiastischen Offenbarungsverständnisses, des ungeduldigen Drängens auf religiöse Verwirklichung und der spiritualistischen Mißachtung des geschichtlich-welthaft Gegebenen. Obwohl, als unsachgemäßes »Geistlichmachen« des Leiblichen, dem papistischen »Leiblichmachen« des Geistlichen extrem entgegengesetzt (18, 181, 30; vgl, 10/II, 12, 1), ist das Schwärmertum doch nur eine Spielart der Verkehrung christlicher Freiheit in Gesetzlichkeit (18, 111, 13), wie anderseits das Papsttum ebenfalls »eitel Enthusiasmus« ist (50, 245 f.). So hält sich auch den neuen Fronten gegenüber das Grundthema von L.s Theol. durch, wird jedoch zu Variationen veranlaßt, deren gemeinsamer Nenner - in einem weiten Verständnis - das Problem des Gesetzes ist.

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Der neuralgische Punkt ev. Reformmaßnahmen (betr. Messe, Kommunion, Beichte, Fastensitte, Bilder, Zölibat, Mönchswesen usw.) war für L. weder der Sachgehalt der Änderungen noch die dazu befugte Instanz, sondern die Weise des Vollzugs (vgl. Invokavit-Predigten 1522). Seine Kritik an Karlstadts »Eilen« war ein Kampf um das Evangelium selbst: Dieses befreit die Gewissen von der Herrschaft des Gesetzes, wird also durch Gewissenszwang bei Aufrichtung ev. Ordnungen um sein Wesen gebracht. Reformation der Kirche kann nicht gesetzlich durch die Tat, sondern nur ev. durch das Wort in Gang gesetzt werden und zu Entscheidungen führen. In der Rücksicht auf das irrende Gewissen tritt die Liebe nicht in Widerspruch zum Glauben, sondern gibt als Frucht des Glaubens dem andern die Freiheit zu eigenem Glauben, dessen Gewißheit auch die Einsamkeit des Sterbens durchsteht. Denn im Unterschied zu den »freigelassenen Dingen« (Adiaphora) ist das schlechterdings »Nötige«, von Gott Gebotene und darum undispensierbar das Gewissen Angehende allein Glaube und Liebe (der Glaube als Täter, die Liebe als Tat: 17/II, 98, 25).

Daß die an der Frage des reformierenden Handelns aufbrechende Differenz das Wesen des Wortes Gottes selbst betraf, zeigte sich schon 1520 an Karlstadts Verteidigung eines biblizistisch-gesetzlichen Kanonsverständnisses gegen L.s freimütige Sachkritik (am Jak zuerst 1519: 2, 425, 10; vgl. später die Vorreden im Septembertestament: WADB 7). Das Problem spitzte sich zu auf die Geltung des mosaischen Gesetzes für die Christen (vgl. bes. 16, 363 ff.). Die Konzentration auf das Bilderverbot war dabei nicht zufällig. Denn die durch Karlstadt in den Vordergrund gerückte Außerkraftsetzung des Zeremonialgesetzes durch Christus fand am mosaischen Bilderverbot scheinbar einen Anhalt: als an einer antikultischen »Zeremonialbestimmung« und gesetzlichen Fassung der (so begrenzten) abrogatio legis. Demgegenüber bezog L. die abrogatio legis auf das ganze, unteilbare mosaische Gesetz, einschließlich des Dekalogs, sprach aber unabhängig davon dem mosaischen Gesetz als solchem Gesetzeskraft für den Nicht-Juden ab. Als »der Juden Sachsenspiegel« ist es diesen von Gott gegeben, ohne daß deshalb den Gesetzen anderer Völker entsprechende Offenbarungsdignität zu- und dem mosaischen Gesetz jegliche Relevanz für den Christen abzusprechen wäre. Selbst der Dekalog ist nicht offenbarungspositivistisch als mosaisch in Geltung, vielmehr weil und sofern darin die lex naturalis, d. h. das jedes Menschen Gewissen treffende, mit der Existenz gegebene, sie immer schon angehende Gesetz prägnant formuliert ist. Auch sonstige mosaische Vorschriften können als Vorbild für Gesetzgebung dienen. Die eigentliche Bedeutung des AT liegt jedoch in dem, was wir nicht von Natur haben: den Verheißungen und den Exempeln des Glaubens, der Liebe und des Kreuzes.

An der Frage des mosaischen Gesetzes klärte sich ein Problemaspekt des Gesetzes, der angesichts der chaotischen Doppelbedrohung des Evangeliums durch erneute Verkehrung in Gesetz und durch fleischlichen Mißbrauch ev. Freiheit akut wurde: der »zivile« Sinn des Gesetzes. Während L. bis 1521 das Gesetz nahezu nur im Horizont der Rechtfertigungslehre auf seine geistliche, d. h. tötende Funktion hin erörtert und die allenfalls gewirkte iustitia als iniustitia coram Deo theologisch ausschließlich negativ verstanden hatte, wurde nun die als solche stets unangetastet gelassene iustitia coram mundo als iustitia civilis und damit das Gesetz in seinem üblichen positiven Verständnis als Mittel zur iustitia ausdrücklich in die theol. Reflexion einbezogen. Nicht als Korrektur, sondern als Explikation des bisher über lex und iustitia Gesagten wurde die Lehre vom Gesetz zur Lehre vom duplex usus legis (zuerst 1522: 10/I, 1, 454 f.; vgl. 40/I, 479 f.). Gerade zur Reinerhaltung des theol. usus legis (cognitio peccati) muß davon der usus civilis (cohercere peccata) unterschieden werden, der freilich in diesem seinem nicht »theol.« Charakter richtig nur theol. interpretierbar ist. Noch 1519 hatte L. von duplex iustitia im Sinne von iustitia fidei (infusa) und iustitia actualis (als Frucht des Glaubens) gesprochen (2, 145 ff.). Jetzt ging es ihm in Unterscheidung von der Glaubensgerechtigkeit um iustitia civilis überhaupt. Darunter verstand er in erster Linie eine bloß äußerliche Gerechtigkeit, entsprechend der durch das Gesetz allgemein erzwingbaren Eindämmung der äußeren Sündenfolgen. Doch ist die iustitia activa auch des Glaubenden als

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iustitia der Werke ihrer Struktur nach iustitia civilis gegenüber der strikten theol. Bedeutung von iustitia als iustitia passiva (fidei) der Person.

Da sich im primus usus legis (civilis) notwendig verschiedene Problemlinien schneiden, sind folgende naheliegende Mißverständnisse abzuwehren: 1. Der duplex usus legis ist, streng genommen, nicht auf verschiedene Personenkreise aufzuteilen. L. erläutert zwar häufig in diesem Schema (die rohen Leute - die Christen) die Verschiedenheit der Effekte beider usus (äußerlich - geistlich). Konstitutiv ist jedoch die jeden Menschen betreffende Zweiheit von coram mundo und coram Deo, von opus und persona. Der primus usus legis steht zwar letztlich, aber nicht nur, im Zeichen des Schwertes. Er erzwingt auf jeden Fall »Legalität«, umschließt aber auch den ganzen Bereich der »Moralität«. 2. Der duplex usus legis darf darum nicht mißdeutet werden als duplex lex (profan - religiös, oder: civilis - christiana; vgl. die Stufenfolge von virtutes morales und virtutes theologicae). Bei aller Variabilität der interpretatio legis ist es letztlich eine und dieselbe lex, die Gott auf zweierlei Weise gebraucht. 3. Die beiden usus legis stehen nicht etwa beziehungslos nebeneinander. Zwar vollzieht sich der primus usus (im Unterschied zum usus theol.!) nicht eigentlich als Predigt, sondern als faktisches Walten des Gesetzes und besteht darum grundsätzlich unabhängig von der christlichen Verkündigung. Doch wird er allein vom Evangelium her zu seinem wahren Verständnis als usus civilis gebracht. Nur der Glaube hält die iustitia civilis frei von der Selbstrechtfertigung. Darum diente es indirekt auch der Klärung des primus usus, daß in der Auseinandersetzung mit den Antinomern noch einmal das Problem des secundus usus legis zur Erörterung kam (s. 4e).

b) Zwei Reiche

Die fundamentaltheol. Erörterung der mit dem primus usus legis zusammenhängenden Probleme erfolgte im Rahmen der sog. Zwei-Reiche-Lehre. Anlaß und Modell gaben vornehmlich die Fragen der politischen Ethik: zunächst nach den Grenzen weltlicher Obrigkeit; und deswegen auch nach deren positiver Begründung, vor allem, als die Schwärmer deren Unvereinbarkeit bzw. revolutionäre Verschmelzung mit der Herrschaft Christi vertraten (Müntzer, Bauernkrieg), aber auch gegenüber der mittelalterlichen Einordnung in das Stufenschema von Natur und Übernatur. Jedoch unangemessener noch als die Einengung des primus usus legis auf die Schwertgewalt ist die Restriktion der Zwei-Reiche- Lehre zu einer Theorie der politischen Ethik. Als Zwei-Reiche- und Zwei-Regimente-Lehre ist sie an sich gar nichts Neues. Die terminologische Anlehnung an das heilsgeschichtlich-apokalyptische Schema Augustins (jedoch statt »civitates« biblisch: »regna«) und an das mittelalterliche Ordnungsschema der zwei potestates innerhalb der Christenheit leistet einer verengenden Deutung Vorschub und verdeckt leicht die umfassende Fragestellung L.s und die Besonderheit seines Verständnisses der Unterscheidung. Doch läßt die in der Tradition nicht übliche Kombination beider Schemata aufmerken.

Das Ineinander des kontradiktorischen und des konträren Moments in L.s Zwei-Reiche-Lehre macht diese zur charakteristischen Reflexionsgestalt seines theol. Denkens: Die ihn von Anfang an bestimmende dualistische Antithetik scheidet nicht die Wirklichkeit in getrennte Bereiche, sondern die Gewissen in einander ausschließende Weisen des Verstehens und Gebrauchs der einen Wirklichkeit: des Unglaubens, als heilloser Vermischung (oder Trennung, jedenfalls: Widerspruchs) von Schöpfung und Schöpfer, und des Glaubens, als deren heilsamer Unterscheidung (und darum Entsprechung). Von daher erklärt sich die Ambivalenz des regnum mundi in seinen höchsten Möglichkeiten (ratio, opera, mores, iustitia civilis, politia, philosophia, religio) als regnum diaboli oder als mundus, d. h. creatura Dei. Konstitutiv für die Unterscheidung beider Reiche ist deshalb nicht etwa die Verschiedenheit von Gesetzen und Rechtssystemen, sondern die das kontradiktorische und das konträre Moment umschließende Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. So ist für das Reich der Welt das Gesetz und für das Reich Christi das Evangelium konstitutiv, aber nicht so, daß

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dadurch Gesetz und Evangelium voneinander getrennt wären. Gerade die Rückführung auf die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium bindet den Vollzug der Unterscheidung der zwei Reiche an das Wortgeschehen der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium und richtet das Interesse auf das, was sich in der Begegnung von Reich Christi und Reich der Welt ereignet. Darum ist die Zwei-Reiche- Lehre verfehlt, wenn sie auf eine bloße Trennung von primus usus legis und Evangelium hinauszulaufen scheint und nicht beachtet wird ihr Abzielen auf die conscientia (und damit: auf den Zusammenhang mit dem secundus usus legis und dem wahren Verständnis der iustitia civilis).

Die Orientierung an den beiden Weisen von Gottes Regiment gegenüber der sündigen Welt und darum an der Unterscheidung von iustitia activa und passiva (40/I, 40 ff.) läßt die Zwei-Reiche-Lehre alle Probleme umspannen, die das In-der-Welt-Sein des Christen betreffen, macht aber anderseits die Vordringlichkeit des politischen Problems verständlich. Denn hier wird die Verschiedenheit beider Regimente Gottes extrem. Darum kann L., abweichend von der mittelalterlichen Tradition, die Eigenständigkeit des Politischen am nichtchristlichen Staat exemplifizieren und zugleich einer minderen ethischen Einschätzung weltlicher Obrigkeit entgegen- und für eine saubere Unterscheidung weltlicher und geistlicher Gewalt eintreten. Sahen die Schwärmer in weltlicher Obrigkeit und Bergpredigt einander widersprechende Gesetze, so kann L. den Christen die Einfügung in, ja die aktive Verantwortung für die politia als Werk der Liebe und Gottesdienst zur Pflicht machen. Das zielt auf sehr enge Beziehung des weltlichen und des geistlichen Regiments ab; in der elterlichen Gewalt sind beide vereint (10/II, 301, 25). Die Bergpredigt gilt uneingeschränkt für jeden Christen, sofern es um ihn selbst geht, jedoch nicht für ihn als »Weltperson« (persona hier = Rolle, also Amtsperson) in Verantwortung für andere. In beidem geht es um die Liebe, die das jeweils Vernünftige tut und im Unrechtleiden wie im Unrechtwehren gemäß den beiden Regierungsweisen Gottes der Welt gerecht wird. Damit sind die möglichen Konflikte nicht aus der Welt geschafft. Als äußerste Grenzen markiert L.: Kein Unrecht der Obrigkeit gibt Recht zu Aufruhr; aber keines Unrechts der Obrigkeit darf man sich teilhaftig machen.

c) Kirche

Nach L.s Verständnis der zwei Reiche gilt der Begriff »Obrigkeit« nur für das weltliche, nicht für das geistliche Reich (die Kirche) (11, 270, 30). Mit der Preisgabe der anfänglich vertretenen Auffassung, Röm 13 verpflichte auch einem unrechten Kirchenregiment gegenüber zu leidendem Gehorsam (noch 1520, z. B. 6, 321, 31 ff.), war der Tatbestand des »Aufruhrs« ausschließlich in das weltliche Reich verwiesen und reformatorisches Handeln u. U. gegen die bestehende Hierarchie legitimiert. Weil das Evangelium das Reich Christi konstituiert, ist die Kirche weder durch Gesetze zu regieren noch durch Rechtsunterschiede personell gestuft. Das gibt zugleich den positiven Ansatz ev. Kirchenrechts: Das Evangelium ist das im Reich Christi geltende, allen Christen gemeinsame Recht (eiusdem iuris sumus omnes: 12, 189, 9). Aus derselben Wurzel leiten sich die beiden Grundfaktoren ev. KO her: die Verkündigung des Evangeliums und das Priestertum aller Getauften.

Nachdem sich Hierarchie und Reich einer Reformation von oben her versagt hatten, eröffnete der Fortgang der reformatorischen Bewegung unter Duldung oder Förderung territorialer und lokaler Obrigkeiten einen Weg zu kirchlicher Neuordnung, der reformatorischem Verständnis der Kirche entsprach: auf der Ebene der Ortsgemeinde als Folge der Verkündigung die Bildung einer dem Verkündigungsgeschehen entsprechenden und dienenden Gottesdienstordnung. Denn KO ist identisch mit Gemeindeordnung, und Gemeindeordnung ist gottesdienstliche Versammlungsordnung. Neben der Reform der Messe lag zunächst der Schwerpunkt in der Gestaltung des als Dienst verstandenen Amtes. Das Priestertum aller Getauften fand dabei (außer in der Verantwortung der Gemeinde für die Berufung von Predigern und abgesehen vom Notfall) faktisch keinen Ausdruck in neuen Formen des Dienstes von »Laien«, war aber - der primären Intention dieser Lehre durchaus gemäß -

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maßgebend für das Verständnis des Amtes. Waren alle nun »Priester«, so waren die berufenen ministri, gemessen am traditionellen Verständnis, »Laien« (sacerdotem non esse quod presbyterum vel ministrum, illum nasci, hunc fieri: 12, 178, 9). Einerseits wird darum dem geordneten Amt die Bezeichnung als Priestertum entschieden versagt, anderseits wird das »Priestertum« des Christen als die geistliche Vollmacht gedeutet, die im ministerium verbi öffentlich ausgeübt wird (Verkündigung, Taufe, Abendmahl, Schlüsselamt, Selbsthingabe, Fürbitte, Urteil über die Lehre: 12, 180 ff.). Das »Priestertum«, das in seinem herkömmlichen Verständnis nur als »besonderes« Sinn hat, ist als »allgemeines« dessen Ende, aber, als so von dem einen Christus und der einen Taufe her neu verstandenes, auch eine Neubegründung des einen Amtes (ministerium verbi summum in ecclesia officium esse prorsus unicum et omnibus commune: 12, 181, 17). Doch kann sich dieses in eine Mannigfaltigkeit von Diensten konkretisieren.

Trotz der Prävalenz der Predigt erhält die Frage der KO ihre äußerste Profilierung erst durch das Abendmahl. Die Predigt ergeht unterschiedslos an alle; doch kann nicht jeder zum Sakrament zugelassen werden. Zu seinem Empfang gehört das Bekenntnis, das Gemeinde sichtbar werden läßt (propter confessionem coetus ecclesiae est visibilis: 39/II, 161, 8). Die Gründung von bekennenden Gemeinden hat L. als »die rechte Art ev. Ordnung« zwar grundsätzlich bejaht (bes. 19, 75, 3 ff.), aber entgegen dem Drängen Schwenckfelds (vgl. dessen Unterredung mit L.: ZKG 13, 1892, 554 f.) nicht verwirklicht, weil er die Leute dazu nicht habe und damit nicht Rotterei daraus werde. Da L. nicht eine »ecclesiola in ecclesia« meinte, sondern die geordnete Versammlung der Christen im Unterschied zur »öffentlichen Reizung zum Christentum«, wäre unverantwortbare Auflösung volkskirchlicher Gegebenheiten die Folge gewesen. Der faktische geschichtliche Verlauf, der es nicht in der Verfolgungssituation, sondern im Schutz der Obrigkeit zum Aufbau ev. Gemeinden kommen ließ, verdeckt leicht die in L.s Theol. angelegten weiteren Möglichkeiten. Auch ist neben L.s Bejahung des Notdienstes der Obrigkeit bei der Durchführung der Visitationen sein theol. Widerspruch gegen das heraufziehende landesherrliche Kirchenregiment zu beachten. Das Vorgehen des weltlichen Schwerts gegen die Schwärmer ist allein im Fall des Aufruhrs berechtigt.

Vor allem die durch die Konzilsfrage in Gang gehaltene Auseinandersetzung mit Rom (Luther: I, 5), aber auch die Polemik gegen Schwärmer und Juden, ließ L. bis zuletzt mit den Fragen des Kirchenbegriffs beschäftigt sein. Die »zwei Reiche« sind in ihrem eschatologischen Aspekt »zweierlei Kirchen« von Anfang bis Ende der Welt (51, 477, 13, vgl. 50, 644 ff.). Das macht die Scheidung von Rom einerseits so tief, anderseits unmöglich! Der Anspruch, die alte, wahre Kirche zu sein, ist ebenso entschieden gegen Rom zu vertreten, wie anzuerkennen ist, daß auch unter dem Papst Kirche erhalten blieb. Gerade als Antichrist hat der Papst seinen Ort nicht außerhalb, sondern innerhalb der Kirche. Die Scheidung von ihm ist darum nur geistlich, nicht leiblich vollziehbar (38, 251, 5 ff.). Genau genommen handelt es sich nicht um Kirchenspaltung, sondern um Einsicht in einen äußerlich nicht zu beseitigenden Zustand der Vermengung von Christentum und Antichristentum in der einen Christenheit. So hält L. auch im Alter die Grundmotive seines Verständnisses von Kirche durch: ihre Verborgenheit (51, 507, 14 ff.), ihren personalen Charakter als »christlich heiliges Volk« (statt des »blinden, undeutlichen Wortes 'Kirche'«: 50, 625, 5) und ihre Faßbarkeit an Wort und Sakrament, deren Kraft nicht von der Person des »minister« abhängt (vgl. über den Teufel als Pfarrer: 38, 240, 24 ff.; die Predigt ist kein vergebungsbedürftiges Tun: 51, 516, 15 ff.).

d) Wort und Sakrament

Die Kulmination des antischwärmerischen Kampfes im Streit um Wort und Sakrament ist in besonderem Maß von menschlicher Tragik und nicht hinreichend bewältigter Problematik überschattet. Aber trotz persönlicher Unzulänglichkeiten und sachlicher Vergröberungen erschließt sich nachdenkender Interpretation gerade hier das reformatorische Generalthema

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»Wort und Glaube« in ungewöhnlicher Tiefe. Der Schwerpunkt verlagerte sich nicht etwa rekatholisierend vom Wort in die Sakramente, vom Glauben in das opus operatum. Ohne Schwanken hielt L. bis zuletzt an dem Vorrang des Wortes fest: Die Sakramente können nicht ohne das Wort sein, wohl aber das Wort ohne die Sakramente; zur Not könnte einer ohne Sakrament, aber nicht ohne das Wort selig werden (38, 231, 9 ff.). Streng genommen ist es gar keine Zweiheit. Im Sakramentsstreit ging es um das Verständnis des Wortes. Die krasse Abwertung des verbum externum zugunsten enthusiastischer oder mystischer Geistunmittelbarkeit hielt L. nur für die grobe Parallele zu einer subtilen Verachtung des Wortes bei den »Sakramentierern«. In der Zerreißung bzw. Umkehrung des Zusammenhanges von »äußerlich« und »innerlich«, »leiblich« und »geistlich« im Wortgeschehen sah er die Auflösung von Gott gesetzter Ordnung. Gott »will niemand den Geist noch Glauben geben ohne das äußerliche Wort und Zeichen« (18, 136, 17). So wurden für L. Obrigkeit (Müntzer) und Sakrament (Karlstadt, Oekolampad, Zwingli) strukturverwandte theol. Probleme (23, 263, 8 ff.). Denn Gottes Werk, das leiblich begegnet, ist in Gottes Wort gefaßt und will darum durch Gottes Wort geistlich, d. h. im Glauben, erfaßt sein. Alle Kreaturen sind Gottes Larven. Aber das mit ihnen verbundene Wort Gottes ist nicht ihnen, sondern »den hellen und gewissen Sprüchen der Schrift« zu entnehmen. Trotz anscheinend rückläufiger Tendenz zu gesetzlichem Positivismus durch schroffe Berufung auf geschichtliche Gegebenheiten und den Buchstaben der Schrift gegen die Vernunft ist das gemeinte Wortverständnis gerade nicht das gesetzliche. Die zu wahrende Ordnung Gottes, sein Gebot, ist nicht abstraktes, auf Verwirklichung harrendes, sondern konkretes Wort, das als von Gott her geschehenes Wort an seinen leiblichen Gaben (z. B. Eltern: 30/I, 214, 18 ff.) haftet und als mündlich geschehendes Wort diese leiblichen Gaben zu wahrem, geistlichem Gebrauch bringt. Im Wort ist also Leibliches (Kreatürliches) und Geistliches (Göttliches) vereint. Der Kampf gegen die Spiritualisten geht um die Wahrung der unumkehrbar schenkenden Bewegung des verbum Dei und damit des Rechtfertigungsgeschehens (vgl. 18, 139).

Die Gültigkeit der Taufe vom Glauben abhängig machen ist Werkerei. Dadurch würde die Taufe ungewiß, so daß man niemand taufen dürfte. Gottes Ordnung wird durch Mißbrauch nicht ungültig. Denn Gottes Wort als das Gründende und Unwandelbare ist größer als der wandelbare Glaube. Statt »Wiedertäufer« sollte man »Wiedergläubler« sein (26, 173, 3). Gewiß muß man selbst glauben wie selbst getauft werden. Aber wann auch immer das Glauben geschieht, ist damit der Taufe Genüge getan, selbst wenn die Gewißheit, getauft zu sein, auf einer Täuschung beruhte (26, 171, 25). Das theol. Recht der Kindertaufe steht darum so fest, daß die Theorie vom Kinderglauben nur als Folgerung, nicht als Begründung auftritt.

Viel weitschichtiger ist die Problemlage beim Abendmahl. Die von L. trotz zeitweiliger Bedenken (15, 394, 12) stets gelehrte, seit 1523 (vgl. 11, 431 ff.) aber zunehmend hervorgehobene Realpräsenz erhebt das Sakrament nicht etwa durch eine andere, höhere Heilsgabe über das Wort. Es liegt alles am Wort, um des willen im Abendmahl auch ohne Realpräsenz Vergebung der Sünden geschähe (18, 204, 15 ff.). Die Realpräsenz läßt Glaubende und Nicht-Glaubende im leiblichen Essen dasselbe empfangen (manducatio impiorum), während das Wort das geistliche Essen des Glaubenden wirkt und allein dadurch das leibliche Essen (das »ohne Geist und Glaube Gift und Tod« ist: 26, 293, 1) zum Heil qualifiziert. Wie ja selbst Gott, Christus und Hl. Geist nichts nützen ohne Wort und Glauben (18, 202, 32 ff.; 26, 353, 10 ff.). Der Glaube hält sich an das Wort, das die Begegnung im Leiblichen ansagt, aber fragt von sich aus nicht nach Wozu und Wie der Realpräsenz. Daß L. in der Auseinandersetzung sich doch auf beide Fragen einließ, war theol. unumgänglich, unterliegt aber am Maßstab seiner Intention, den Leib Christi nicht vom Wort zu scheiden, der Prüfung, wie hier die Lehre vom Wort durchgeführt ist. Bedeutsam ist vor allem, daß das Abendmahl Anlaß gab, die durch das Wort geschehende Verbindung von »geistlich« und »leiblich« von der Christologie und von der Gotteslehre her zu begründen. (Vgl. zum Ansatz der Ubiquitätslehre 26, 333, 6: »Wo du mir Gott hinsetzest, da mußt du mir die Menschheit

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mit hinsetzen«; 23, 133, 19ff: »Die allmächtige Gewalt Gottes...zugleich nirgend...und doch an allen Orten«.)

e) Rechtfertigung

Die Rechtfertigung fand als Schnittpunkt der antiröm. und antischwärmerischen theol. Explikation intensive Behandlung in L.s akademischer Wirksamkeit der 30er Jahre (vor allem Gal- Vorlesung 1531 und Disputationen). Infolge des Angriffs aus dem eigenen Lager (J. Agricola; antinomistische Streitigkeiten) wurde sie nach der Seite des Gesetzes hin umfassend durchdacht. Obwohl Agricola aus Äußerungen des jungen L. über Gesetz und Evangelium sein Pathos schöpfte und auch im antischwärmerischen Kampf an dessen Seite stand, war doch seine Grundthese eine der schwärmerischen Trennung von »geistlich« und »leiblich« analoge Trennung des Evangeliums vom Gesetz: Buße sei nicht durch das Gesetz, sondern durch das Evangelium zu predigen; »Decalogus gehört auf das Rathaus, nicht auf den Predigtstuhl.« Nach L.s Urteil war durch diese Isolierung von dem Gesetz das Evangelium in illusionärer Weise von der Wirklichkeit des Menschseins abgeschnitten und damit um seinen Sinn gebracht.

Die Differenz meldet sich schon im Gesetzesbegriff an. Im Unterschied zu Agricolas gegenständlicher Verteilung von Gesetz und Evangelium auf verschiedene Texte (Dekalog - NT) und Räume (Welt - Kirche) ist L. nicht am lexikalischen Bezeichnungssinn der Vokabel »lex« orientiert, sondern an dem Vermögen und Wirken der lex als dem theol. relevanten Sachverhalt. Darum redet er nicht primär neutral vom »Inhalt« und den Möglichkeiten der lex. Obwohl das Gesetz und entsprechend die Vernunft in ihren Grenzen höchst notwendig sind, ja das hervorragendste am Menschen darstellen (z. B. 40/I, 306, 5; 39/I, 175, 9), kommen sie theol. in erster Linie in bezug auf den Menschen als peccator coram Deo in Betracht. Das Gesetz ist deshalb seiner Funktion nach als nicht erfülltes Gesetz Gewissensanklage (Quicquid ostendit peccatum, iram seu mortem, id exercet officium legis: 39/I, 348, 25). Es tritt nicht zum Menschen hinzu, sondern ist immer schon da (39/I, 477, 7), weil von Sünde und Tod nicht zu trennen, und darum nur zu beseitigen, indem dieser Mensch beseitigt wird. Zwar bleibt es als lex impleta in Ewigkeit, doch nicht eigentlich als lex, sondern als res, als creatura nova (39/I, 350, 1).

Gerade das gegensätzliche Verhältnis von Gesetz und Rechtfertigung (lex non est necessaria ad iustificationem, sed inutilis et impossibilis: 39/I, 382, 2; lex est negatio Christi: 40/II, 18, 4; vgl. 39/I, 47, 23) begründet die Notwendigkeit der Predigt des Gesetzes. Gesetz und Evangelium dürfen so wenig voneinander getrennt werden wie Buße und Vergebung der Sünden. Gegen die antinomistische Auffassung, daß beides zugleich durch das Evangelium gewirkt werde und deshalb das bloß verdammende Gesetz auszuschalten sei, wendet L. ein: Auch der Aufweis der Sünde »ex violatione Filii« ist, theol. gesehen, officium legis. Doch nur dann, wenn das Gesetz so zur Sprache kommt, wie es über jeden Menschen seine (nicht erkannte, aber wirksame) strafende Gewalt schon ausübt, also in der ganzen Breite, Tiefe und Furchtbarkeit menschlicher Erfahrung, die als Gesetzeserfahrung vernichtende Gotteserfahrung ist (39/I, 370 f. 389 f.), wird ganz deutlich, wer Christus als Erfüllung des Gesetzes ist. Die antinomistische Scheidung von Gesetz und Evangelium führt zu einer Vermischung beider unter dem Namen »Evangelium«. Mit der Tiefe des Gesetzes geht dabei auch die Tiefe des Evangeliums verloren.

Weil das Leben des Christen als Leben in der Rechtfertigung Leben in der Buße bleibt, bleiben Gesetz und Evangelium beieinander. Das officium legis hört allerdings in dem Maße auf, wie die Sünde aufhört (39/I, 431 f.). Das geschieht imputativ für den Glauben, der als fides apprehensiva (nicht: acquisita, historica) Christus im Wort als »pro me« gegeben ergreift (39/I, 44 ff.). Den Glaubenden geht das Gesetz nichts an; er ist »supra legem«. Fides est creatrix divinitatis, non in persona, sed in nobis (40/I, 360, 5 f.). Anstelle des Gesetzes hat

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Christus vom Gewissen Besitz ergriffen und wirkt im Gerechtfertigten gute Werke ohne Zutun des Gesetzes (39/I, 354, 5 ff.). Die iustificatio ist als solche regeneratio (39/I, 48, 14), allerdings nur anfangsweise. Die Sünde weicht formaliter nur in dem ständigen Kampf der mortificatio, die erst im leiblichen Sterben an das Ziel kommt. In diesem Kampf bleibt um der reliquiae peccati willen und nur insofern der Christ unter dem Gesetz; und zwar in dessen usus theologicus, der allerdings je nachdem gemildert sein kann durch die Rechtfertigung (39/I, 474, 8 ff.). Denn im konkreten Wortgeschehen vollzieht sich das Unterscheiden von Gesetz und Evangelium nicht schematisch und uniform, sondern entsprechend dem, was an der Zeit ist in bezug auf Strafen, Mahnen, Trösten und kühne Ermutigung. Der Unterschied von Gesetz und Evangelium ist ein Unterschied der Zeiten: des tempus legis und tempus gratiae (40/I, 209 ff.; Christianus est divisus in 2 tempora: quatenus caro, est sub lege; quatenus spiritus, est sub Euangelio: 40/I, 526, 2 ff.). Der Sinn dieser Zweiheit, die L.s ganze Theol. bestimmt, darf nicht verwischt werden durch einen tertius usus legis, der in die Struktur von L.s Lehre vom Gesetz nicht paßt. Berechtigte Gesichtspunkte bei der Ausbildung der Lehre vom tertius usus durch Melanchthon haben bei L. durch die seelsorgerlich differenzierte Auffassung vom secundus usus und durch die Orientierung des primus usus an der Weite der iustitia activa in der Weise Berücksichtigung gefunden, daß der Verwandlung des Evangeliums als des verbum fidei in eine lex caritatis gewehrt ist (40/I, 141, 6) und Gott allein causa iustificationis bleibt (39/I, 470, 10).

f) Gott

Daß allein der articulus de iustificatione wahre Theologen macht und schlechterdings notwendig ist, liegt daran, daß sein Thema das Grundthema der Theol. ist: das Gottsein Gottes. Christlich kann nicht von Gott an sich und dem Menschen an sich die Rede sein, sondern nur von Gott und Mensch in Christus (de Deo incarnato vel homine deificato: 8, 126, 23 ff.) und deshalb von dem Deus iustificans und dem homo peccator als dem einen subiectum theologiae (40/II, 327 f.). Davon hängt ab, ob nicht nur vom Menschen und allen theol. Teilfragen, sondern gerade auch von Gott theologice geredet wird in dem unauflöslichen Zusammenhang von cognitio Dei et hominis. Das kommt deswegen an der Rechtfertigungslehre heraus, weil in ihr das Schöpfersein Gottes an dem ihm radikal Widersprechenden, dem Sünder, bekannt wird. Gott erweist sich am Sünder dadurch als Schöpfer, daß die Rechtfertigung ebenso wie die Schöpfung (: V) ausschließlich sein, nicht des Menschen Werk ist (18, 754, 1 ff.). Im Menschen die Rechtfertigung begründet sehen ist die gleiche Gotteslästerung wie sich als eigenen Gott und Schöpfer ausgeben (39/I, 48, 28). Glauben heißt, Gott (: V, 12) als Gott anerkennen. Gott seine Gottheit zusprechen, ist das einzige, was der Mensch Gott »geben« kann (40/I, 360, 2 ff.).

Nach L. hat deshalb unter seinen Gegnern als einziger Erasmus - freilich ahnungslos - den Kernpunkt getroffen. Was dieser als verworrenes, dem Christen gar nicht wissensnotwendiges Thema ansieht und aufgreift: die biblische Auffassung vom Vermögen des menschlichen Willens zur Seligkeit und vom göttlichen Vorherwissen, ist nach L. die entscheidende Frage. Wer nicht weiß, was der Mensch Gott gegenüber vermag - nämlich nichts! -, weiß auch nicht um Gottes Macht als wirklich ausgeübte Allmacht (nicht bloß in potentia). Mit der Bejahung Gottes ist das liberum arbitrium verneint und umgekehrt. Nicht erst eine ausdrückliche Leugnung Gottes, sondern schon die Behauptung einer gewissen Unabhängigkeit des menschlichen Willens Gott gegenüber ist Gottlosigkeit. Liberum arbitrium ist, streng genommen, Gottesprädikat (18, 636, 27 ff.). So erscheint das Problem im theol. (nicht im moralischen oder metaphysischen) Fragehorizont. Zur Debatte steht die menschliche Willensfreiheit nicht in bezug auf die Natur, sondern in bezug auf die Gnade, die Geltung vor Gott (18, 752, 6 ff.). Das Verhältnis von Gott und Mensch kommt dabei nicht als das zweier sich begrenzender Bereiche in Betracht, sondern als Gottes Wirken, das Zeit gewährt und damit auch einräumt, daß diese Gewährung nicht »wahr-genommen« wird. Indifferentismus und Determinismus liegen darum fern. Determinismus verlangt entscheidungslose document.doc 18

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Verursachung durch ein metaphysisches Prinzip. Doch L. bezeichnet den Willen des Menschen nicht deshalb als unfrei, weil er von Gott bestimmt wäre, sondern weil er nicht von Gott bestimmt sein will. Wäre er von Gott bestimmt, so wäre er zwar nicht Gott gegenüber, aber durch Gott »frei«, weil frei von der Sorge um das Heil, die ja konstitutiv ist für das theol. Problem der Willensfreiheit. Als allein im wirkenden Willen Gottes existierend, ist der menschliche Wille nie sein eigener Herr, sondern gehört Gott entweder willig oder aber widerwillig (und d. h.: dem Satan; 18, 635, 17 ff., 670, 6 ff.). Den einmal geschehenen Herrschaftswechsel vermag (wie den Selbstmord) der Wille des Menschen nicht rückgängig zu machen. Der Widerwille gegen Gott kann nicht Willen zu Gott erzeugen. Doch verrät diese Unfreiheit noch das Verlorene: Das servum arbitrium befindet sich zwar notwendig, doch nicht gezwungen, sondern freiwillig im Gefängnis der Sünde und Verblendung, die dies sogar für Freiheit hält. Und obwohl die von Gott gewährte Zeit nicht wahrgenommen ist, bleibt sie auch im Mißbrauch von Gott gewährt. Das Tun des Bösen ist, als durch die Kreatur geschehend, in Bewegung gehalten durch Gottes unmittelbares allmächtiges Wirken. Mit der wirkenden Präszienz Gottes wäre seine Gottheit bestritten. Dies kann Anlaß zu abgründiger Verzweiflung sein, freilich einer heilsamen Verzweiflung, nahe der Gnade (18, 719, 4 ff.). Recht verstanden aber ist es Grund der Gewißheit, daß Gottes unveränderlicher Wille seine Verheißungen wahrmacht (18, 619, 16 ff.).

Der Glaube gründet allein im Deus incarnatus, crucifixus, praedicatus (18, 633, 7 ff.; 685, 3 ff.). Nur der Unglaube sucht den Deus absconditus zu erforschen (in maiestate et natura sua). Der Glaube wahrt die Unterscheidung zwischen verbum Dei und Deus ipse. Denn weil das Wort Gottes das Wort des sub contrario verborgenen Gottes ist, der sich allein so gibt, daß er sein Wort gibt, gehören Gott und Glaube zusammen. Um der absconditas Gottes willen (in seiner Majestät, in der »Mummerei« der Geschichte sowie in Inkarnation und Kreuz) geschieht Gottes Heil solo verbo sola fide. Darum dient das Reden vom Deus absconditus der rechten Bezeugung des Deus revelatus.

Stellenangaben beziehen sich auf WA.

Literatur

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Zu 2a: H. DENIFLE, L. u. Luthertum I/2: Die abendländ. Schriftausleger bis L. über Iustitia Dei (Rom. 1, 17) u. Iustificatio, 1905 - FR. LOOFS, Der articulus stantis et cadentis ecclesiae (ThStKr 90, 1917, 323-420) - E. HIRSCH, Initium theologiae Lutheri (Festg. f. J. Kaftan, 1920, 150-169 = E. H. L.studien II, 1954, 9-34) - E. STRACKE, L.s großes Selbstzeugnis über seine Entwicklung zum Reformator hist.-krit. untersucht (SVRG 140), 1926 - HOLL III, 171-188 - H. WENDORF, Der Durchbruch der neuen Erkenntnis L.s im Lichte der handschriftl. Überlieferung (HV 27, 1932, 124-144. 285-327) - U. SAARNIVAARA, L. discovers the Gospel, St. Louis 1951. - Ferner die Arbeiten von H. BORNKAMM, E. BIZER, G. PFEIFFER (Luther: I, 1).

Zu 2b: P. VIGNAUX, L., commentateur des Sentences (livre 1, dist. 17) (EPhM 21), 1935 - DERS., Sur L. et Ockham (FS 32, 1950, 21-30) - L. MEIER, Research that has been made and is yet to be made on the Ockhamism of M. L. at Erfurt (AFrH 43, 1950, 56-67) - L. SAINT-BLANCAT, L.s Verhältnis zu Petrus Lombardus (ZSTh 22, 1953, 300-311) - DERS., La théol, de L. et un nouveau plagiat de Pierre d'Ailly (Positions luthériennes 4, 1956, 61-81).

Zu 2c: A. W. HUNZINGER, L.-Studien I: L.s Neuplatonismus in der Pss-Vorl. von 1513-16, 1906 - H. THOMAS, Zur Würdigung der Pss-Vorl. L.s von 1513-16, 1920 - H. BOEHMER, L.s erste Vorl. (BAL 75, 1), 1923 - J. FICKER, L.s erste Vorlesung - welche? (ThStKr 100, 1928, 348-353) - E. VOGELSANG, Die Anfänge von L.s Christologie nach der ersten Pss-Vorl. (AKG 15), 1929 - F. HAHN, Faber Stapulensis u. L. (ZKG 57, 1938, 356-432) - W. A. QUANBECK, The Hermeneutical Principles of L.s Early Exegesis, Princeton 1948 - G. EBELING, Die Anfänge von L.s Hermeneutik (ZThK 48, 1951, 172-230) - DERS., L.s Psalterdruck vom Jahre 1513 (ebd. 50, 1953, 43-99) - DERS., L.s Auslegung des 14. (15.) Psalms im Vergleich mit der exeget. Tradition (ebd. 280-339) - H. FAGERBERG, Die Kirche in L.s Pss-Vorl. 1513-15 (Gedenkschr. f. W. Elert, 1955, 109-118) - H. VOLZ, L.s Arbeit am lat. Psalter (ARG 48, 1957, 11-56) - W. MAURER, Kirche u. Gesch. nach L.s Dictata s. Psalt. (L.-Forschung heute, 1958, 85-101) - S. RAEDER, Das Hebr. bei L. untersucht bis z. Ende der 1. Pss-Vorl. Eine philol.-theol. Studie (Diss. Zürich), 1958.

Zu 2d: A. SCHLATTER, L.s Deutung des Röm (BFChTh 21, 7), 1917 - F. W. SCHMIDT, Der Gottesgedanke in L.s Röm-Vorl. (ThStKr 93, 1920/21, 117-248) - R. HERMANN, Das Verhältnis von Rechtfertigung u. Gebet nach L.s Auslegung von Röm 3 (ZSTh 3, 1926, 603 bis 647) - H. LANG, Die Bedeutung Christi für die Rechtfertigungslehre in L.s Röm-Vorl. (NKZ 39,1928, 509-547) - E. VOGELSANG, Die Bed. der neuveröffentl. Hebr-Vorl. L.s von 1517-18 (SgV 143), 1930 - DERS., Unbekannte Fragmente aus L.s zweiter Pss-Vorl. 1518 (AKG 27), 1940 - H. APPEL, Anfechtung u. Trost im Spät-MA u. bei L. (SVRG 165), 1938 - J. HILBURG, L.s Frömmigkeit in seiner Vorlesung über den Röm, 1951 (Mikr.) - H. BEINTKER, Zur Datierung u. Einordnung eines neueren L.-Fragmentes (WZ Greifswald 1, 1951/52, 70-78) - H. VOLZ, Eine neue studentische Nachschrift von L.s erster Gal-Vorl. von 1516-17 (ZKG 66, 1954/55, 72-96).

Allgemeines u. Verschiedenes: F. NITZSCH, L. u. Aristoteles, 1883 - W. KÖHLER, L. u. die KG nach seinen Schriften, zunächst bis 1521, Tl I/1, 1900 - C. STANGE, Studien z. L.s Theol. I, 1928 - E. SEEBERG, Der Gegensatz zw. Zwingli, Schwenckfeld u. L. (R. Seeberg-Fest-schr. I, 1929, 43-80) - ELERT, ML I, 1931- M. LUDWIG, Religion u. Sittlichkeit bei L. bis zum »Sermon v. d. guten Werken« 1520 (QFRG 14), 1931 - H. OBENDIEK, Der Teufel bei M. L., 1931 - M. A. H. STOMPS, Die Anthropologie M. L.s. Eine philos. Unters., 1935 - W. LINK, Das Ringen L.s um die Freiheit der Theol. v. d. Philos. (FGLP IX, 3), (1940) 19552

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- FR. GOGARTEN, Die Verkündigung Jesu Christi, 1948, 275 ff. - W. MAURER, Die Einheit der Theol. L.s (ThLZ 75, 1950, 245-252) - W. DELIUS, L. u. die Marienverehrung (ebd. 79, 1954, 409-414) - E. HIRSCH, L.studien I. II, 1954 - DERS., L.s Predigtweise (LML 25, 1954, 1-23) - H. D. PREUSS, Maria bei L. (SVRG 172), 1954 - R. WELLMER, Sprache u. Stil in L.s reformat. Schriften (Diss. FU Berlin), 1954 - CHR. WETZEL, Die theol. Bedeutung der Musik im Leben u. Denken M. L.s I. II (Diss. Münster), 1954 - E. WOLF, Peregrinatio. Studien z. reformat. Theol. u. z. Kirchenproblem, 1954 - B. HÄGGLUND, Theol. u. Philos. bei L. u. in der occamist. Tradition, Lund 1955 - J. KOOPMANS, Das altkirchl. Dogma in d. Reformation (BEvTh 22), 1955 - K. G. STECK, L. u. die Schwärmer (ThSt[B] 44), 1955 - U. MANN, Ethisches u. Ontisches in L.s Theol. (KuD 3, 1957, 171-207) - P. MEINHOLD, L.s Sprachphilos., 1958 - B. LOHSE, Ratio u. Fides. Eine Unters. über die ratio in d. Theol. L.s (FKDG 8), 1958 - E. BÖRSCH, Geber - Gabe - Aufgabe. L.s Prophetie in d. Entscheidungsjahren...1520/25 (FGLP X, 13), 1958.

Gott, Christus, Glaube, Rechtfertigung: K. ZICKENDRAHT, Der Streit zw. Erasmus u. L. über die Willensfreiheit, 1909 - E. HIRSCH, L.s Gottesanschauung, 1918 - DERS., Gesetz u. Ev. in L.s Predigten (LML 25, 1954, 49-60) - F. KATTENBUSCH, Deus absconditus bei L. (Festg. f. J. Kaftan, 1920, 170-214) - F. BLANKE, Der verborgene Gott bei L., 1928 - E. SCHOTT, Fleisch u. Geist nach L.s Lehre unter bes. Berücksichtigung des Begriffs totus homo, 1928 - DERS., L.s Lehre vom servum arbitrium in ihrer theol. Bed. (ZSTh 7, 1929/30, 399-430) - G. JACOB, Der Gewissensbegriff in d. Theol. L.s (BHTh 4), 1929 - H. M. MÜLLER, Erfahrung u. Glaube bei L., 1929 - E. VOGELSANG, Der confessio-Begriff des jungen L. 1513-22 (LuJ 12, 1930, 91-108) - DERS., Der angefochtene Christus bei L. (AKG 21), 1932 - DERS., Die unio mystica bei L. (ARG 35, 1938, 63-80) R. HERMANN, L.s These »Gerecht u. Sünder zugleich«, 1930 - DERS., L.s Lehre vom unfreien Willen, 1931 - DERS., zur Frage: Vorsehungs- u. Heilsglaube bei L. (ZSTh 16, 1939, 189-232) - DERS., Die Rechtfertigungslehre u. der ev. Glaube (ebd. 18, 1941, 286-361) - DERS., Zu L.s Lehre von Sünde u. Rechtfertigung (SgV 200/01), 1952 - DERS., Zum Streit um die Bedeutung d. Gesetzes. Erörterungen zu L.s Antinomerthesen, 1958 - P. ALTHAUS, Gottes Gottheit als Sinn der Rechtfertigungslehre L.s (LuJ 13, 1931, 1-28 = P. A., Theol. Aufs. II, 1935, 1-30) - DERS., Paulus u. L. über den Menschen, (1938) 19512 - DERS., Die luth. Rechtfertigungslehre u. ihre heutigen Kritiker, 1951 - DERS., Der Schöpfungsgedanke bei L. (SAM 1959, 7) - C. STANGE, Die Gottesanschauung L.s (ZSTh 8, 1931, 45-89) - DERS., Der johanneische Typus der Heilslehre L.s im Verhältnis zur paulin. Rechtfertigungslehre, 1949 - H. BORNKAMM, Äußerer u. innerer Mensch bei L. u. den Spiritualisten (Festschr. G. Krüger, 1932, 85-109) - R. BRING, Das Verhältnis von Glauben u. Werken in der luth. Theol., 1933; dt.: FGLP X, 7, 1955 - A. KURZ, Die Heilsgewißheit bei L., 1933 - H. THIMME, Christi Bedeutung für L.s Glauben. Unter Zugrundelegung des Röm-, des Hebr- u. des Gal-Kommentars von 1531 u. der Disputationen, 1933 - H. LAMMERS, L.s Anschauung vom Willen, 1935 - M. SCHÜLER, L.s Gottesbegriff nach seiner Schrift De servo arbitrio (ZKG 56, 1936, 532-593) - L. PINOMAA, Der Zorn Gottes in d. Theol. L.s, Helsinki 1938 - DERS., Der existentielle Charakter der Theol. L.s, ebd. 1940 - F. FREY, L.s Glaubensbegriff, 1939 - O. GÜHLOFF, Gebieten u. Schaffen in L.s Auslegung des ersten Gebotes (Diss. Göttingen), 1939 - J. HAAR, Initium creaturae Dei. Eine Unters. über L.s Begriff der »Neuen Creatur« im Zusammenhang mit seinem Verständnis von Jak 1, 8 u. mit s. »Zeit«-Gedanken, 1939 - K. STÜRMER, Gottesgerechtigkeit u. Gottesweisheit bei M. L. (Diss. Heidelberg), 1939 - H. J. IWAND, Glaubensgerechtigkeit nach L.s Lehre (ThEx 75), (1941) 19512 - DERS., Die Freiheit des Christen u. die Unfreiheit des Willens (Festschr. R. Hermann, 1957, 132-146 = H. J. I., Um den rechten Glauben, Ges. Aufs., 1959, 247-268) - DERS., Die grundlegende Bedeutung der Lehre vom unfreien Willen für den Glauben (Um den rechten Glauben, 1959, 13-30) - P. TH. BÜHLER, Die Anfechtung bei L., 1942 - H. DÖRRIES, Gottesgehorsam u. Menschengehorsam bei L. (ARG 39, 1942, 47-84) - W. KOEHLER, Der verborgene Gott (SAH 1942/43, 4), 1946 - R. PRENTER, Spiritus Creator. Studien zu L.s

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Kirche, Gottesdienst, Sakramente: F. KATTENBUSCH, Die Doppelschichtigkeit in L.s Kirchenbegriff, 1927 - P. ALTHAUS, Communio sanctorum I: Die Gemeinde in L.s Kirchengedanken (FGLP I, 1), 1929 - DERS., M. L. über die Kindertaufe (ThLZ 73, 1948, 705-714) - P. W. GENNRICH, Die Christologie L.s im Abendmahlsstreit 1524-29, 1929 - E. SOMMERLATH, Der Sinn des Abendmahls nach L.s Gedanken über das Abendmahl 1527/29, 1930 - F. HILDEBRANDT, Est, das luth. Prinzip, 1931 - E. RIETSCHEL, Das Problem der unsichtbaren Kirche bei L. (SVRG 154), 1932 - H. GOLLWITZER, L.s Abendmahlslehre (BEvTh 3, 1937, 94-121) - H. GRASS, Die Abendmahlslehre bei L. u. Calvin (BFChTh II, 47), (1940) 19542 - E. METZKE, Sakrament u. Metaphysik, 1948 - J. HECKEL, Initia juris ecclesiastici Protestantium (SAM 1949, 5), 1950 - E. ROTH, Sakrament nach L., 1952 - DERS., Aporien in L.s Tauflehre (ZSTh 22, 1953, 99-124) - E. ISERLOH, Der Kampf um die Messe in den ersten Jahren der Auseinandersetzung mit L., 1952 - V. VAJTA, Die Theol. des Gottesdienstes bei L. (FKDG 1), (1952) 19583 - H. STORCK, Das allg. Priestertum bei L. (ThEx NF 37), 1953 - E. SCHOTT, Die ekklesiologische Begründung des ev. Kirchenrechts im Lichte der Zwei-Reiche-Lehre (ZSTh 22, 1953, 335-351) - R. HERMANN, Die Probleme der Exkommunikation bei L. u. Th. Erastus (ebd. 23, 1954, 103-136) - H.-W. GENSICHEN, Damnamus. Die Verwerfung von Irrlehre bei L. u. im Luthertum des 16. Jh.s, 1955 - E. BIZER, Die Entdeckung des Sakraments durch L. (EvTh 17, 1957, 64-90) - H. J. IWAND, Zur Entstehung von L.s Kirchenbegriff (Festschr. G. Dehn, 1957, 253-264) - K. BRINKEL, Die Lehre L.s von der Fides infantium bei der Kindertaufe, 1958 - K. TUCHEL, L.s Auffassung vom geistl. Amt (LuJ 25, 1958, 61-98) - E. KINDER, »Realpräsenz« u. »Repräsentation« (ThLZ 84, 1959, 881-894).

Gesch. u. Eschatologie: H. LILJE, L.s Geschichtsanschauung, 1932 - J. MÜLLER-BARDORFF, Gesch. u. Kreuz bei L., 1938 - H.-H. PFLANZ, Gesch. u. Eschatologie bei L., 1939 - E. KOHLMEYER, Die Geschichtsbetrachtung L.s (ARG 37, 1940, 150-170) - P. ALTHAUS, L.s Gedanken über die letzten Dinge (LuJ 23, 1941, 9-34) - H. ZAHRNT, L. deutet Gesch., 1952 - H.-W. KRUMWIEDE, Glaube u. Gesch. in d. Theol. L.s (FKDG 2), 1953.

[Luther, Martin, P. 45 pp.Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart, P. 20298 (cf. RGG Bd. 4, P. 495 pp.) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)]

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