Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen...

55
(Aus der Psychia~rischen und Nervenklinik der Universit~t Breslau [Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. Wollenberg].) Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k~rperlichen Merkmalen. Von Dr. Siegfried Fischer und Harry Hirschberg, Assistenzarzt der K l i n i k . Medizinalpraktikant. Mit 11 Kurven. (Einqeqangen am 4. August 1923.) Inhaltsverzeiehnis. Einleitung (S. 242). I. Versuchsanordnung (S. 245). 1. Psychologische Untersuchung (S. 245). 2. KSrperliche Untersuchung (S. 249). 3. Anamnestisehe Erhebungen (S. 250). I][. Ergebnisse der psyehologisehen Untersuchung (S. 250). 1. Allgemeine Ergebnisse (S. 250). 2. Spezielle Ergebnisse (S. 269). Vorstellungsbilder. -- Anschauungsbilder. -- Naehbilder. III. Ergebnisse der kSrperlichen Untersuehung (S. 276). IV. Die eidetisehe Anlage in ihren Beziehungen zu k0rperlichen Merkmalen (S. 286). V. Anhang: Das Erlebnis der Ansehauungsbilder im Vergleieh zu den Hallu- zinationen und PseudohaUuzinationen (S. 292). Zusammenstellung der wichtigsten Ergebnisse (S. 294). Einleitung. Vor etwa anderthalb Jahrzehnten verSffentlichte der Wiener Otologe v. Urbanschitsch 1) zum ersten Male Beobachtungen und Untersuehungen fiber eigenartige psyehisehe Phi~nomene, die er sub]e~ive optische An- schauungsbilder nannte. Er bezeiehnete damit ,,gegeniiber den einfach vorgestellten optisehen Gedi~chtnisbildern solche, bei denen ein voraus- gegangener Gesichtseindruck bei Versehlu$ der Augen, im Dunkeln, zuweilen bei offenen Augen subjektiv wiedergesehen wird". Die Mit. teflungen yon Urbanschitsch fanden wi~hrend einer Reihe yon gahren keine wesentliehe Beachtung, z. T. sogar eine Ablehnung [Stump/S)/, 1) v. Urbanschitsch, ~ber subjektive optische Ansehauungsbilder. Leipzig und Wien 1907, und Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psyehiatrie 41. 1918. 2) C. Stump/, Empfindung und Vorstellung. Abhandl. d. Kgl. preu0. Akad. d. Wissensch. Berlin 1918. Z. f. d ges. Neut. u. Psych, LXXXVIII. ]6

Transcript of Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen...

Page 1: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

(Aus der Psychia~rischen und Nervenklinik der Universit~t Breslau [Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. Wollenberg].)

Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k~rperlichen Merkmalen.

Von Dr. Siegfried Fischer und Harry Hirschberg,

Assistenzarzt der Kl in ik . Medizinalpraktikant. Mit 11 Kurven.

(Einqeqangen am 4. August 1923.)

Inhaltsverzeiehnis. Einleitung (S. 242).

I. Versuchsanordnung (S. 245). 1. Psychologische Untersuchung (S. 245). 2. KSrperliche Untersuchung (S. 249). 3. Anamnestisehe Erhebungen (S. 250).

I][. Ergebnisse der psyehologisehen Untersuchung (S. 250). 1. Allgemeine Ergebnisse (S. 250). 2. Spezielle Ergebnisse (S. 269).

Vorstellungsbilder. -- Anschauungsbilder. -- Naehbilder. I II . Ergebnisse der kSrperlichen Untersuehung (S. 276). IV. Die eidetisehe Anlage in ihren Beziehungen zu k0rperlichen Merkmalen (S. 286). V. Anhang: Das Erlebnis der Ansehauungsbilder im Vergleieh zu den Hallu-

zinationen und PseudohaUuzinationen (S. 292). Zusammenstellung der wichtigsten Ergebnisse (S. 294).

Einleitung. Vor e twa ander tha lb J ah rzehn t en verSffentl ichte der Wiener Otologe

v. Urbanschitsch 1) zum ersten Male Beobach tungen und Untersuehungen fiber eigenartige psyehisehe Phi~nomene, die er sub]e~ive optische An- schauungsbilder nannte . E r bezeiehnete dami t ,,gegeniiber den einfach vorgestel l ten opt isehen Gedi~chtnisbildern solche, bei denen ein voraus- gegangener Gesichtseindruck bei Versehlu$ der Augen, im Dunkeln, zuweilen bei offenen Augen subjekt iv wiedergesehen wird" . Die Mit. tef lungen yon Urbanschitsch fanden wi~hrend einer Reihe yon gahren keine wesentliehe Beachtung, z. T. sogar eine Ablehnung [Stump/S)/,

1) v. Urbanschitsch, ~ber subjektive optische Ansehauungsbilder. Leipzig und Wien 1907, und Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psyehiatrie 41. 1918.

2) C. Stump/, Empfindung und Vorstellung. Abhandl. d. Kgl. preu0. Akad. d. Wissensch. Berlin 1918.

Z. f. d ges. Neut. u. Psych, LXXXVIII. ]6

Page 2: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

242 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

bis vor einigen Jahren E. R. Jaensch 1) die Mitteilungen yon Urbanschitsch aufgriff und in mustergfiltiger, exakter Arbeit diese Phanomene syste- matisch untersuehte, die Gesetze feststellte, denen sie folgen, und die Bedeutung nachweisen konnte, die diese Erlebnisse ffir den Aufbau der Wahrnehmungswelt besitzen.

Nach Jaensch haben manche Individuen die Fahigkeit, eine Vorlage selbst nach kurz dauernder Betrachtung spater mit sinnlicher Deut- lichkeit vor sich zu sehen. Solche Individuen nennt Jaensch Eidetiker, die Anlage zur Erzeugung solcher Bflder die eidetische. Eine Definition dieser Erlebnisse, die Jaensch ebenso wie v. Urbanschitsch subjektive optische Anschauungsbilder nennt, finder sich in den bisher vorliegen- den Arbeiten der Jaenschschen Schule nicht. Wir glauben uns nicht in Widerspruch mit diesem Autor zu setzen, wenn wir bestimmen: Subjektive optische Anschauungsbilder (AB) sind optische Gedachtnis- bilder, die spontan oder willkfirlich nach Betrachten eines Gegen- standes oder auch ohne vorausgegangene Betra~htung auftreten, die in ausgesprochenen Fallen ein Bild des Gegenstandes mit allen Einzelheiten und urbildmaBig gefarbt, zuweilen auch in komplemen- tater oder grauer Farbe wiedergeben, und die das Individuum buch- stablich sieht, ohne dab es deswegen -- in den allermeisten ~allen wenigstens -- an die Realitat eines in der AuI~enwelt befindlichen Gegenstandes glaubt.

Nach den Untersuchungen yon Jaensch und seinen Schfilern steht das AB hinsichtlich der Gesetze, denen es folgt, zwischen dem Nach- bfld (NB) und dem Vorstellungsbild (VB). Es bilden NB, AB und VB eine kontinuierliche, in praxi haufig nicht scharf voneinander zu tren- nende, aufsteigende Reihe yon Gedachtnisbildern. Charakteristisch ffir das AB ist abet immer -- mag es nun im einzelnen Falle dem NB oder dem VB naherstehen --, da~ das Individuum das Bild buchstablich sieht. Bedenken, die in der Richtung erhoben werden kSnnten, dab die AB nichts anderes als Suggestionsprodukte seien, hat Jaensch ~) im einzelnen widerlegt, insbesondere mfissen aber die exakten Arbeiten yon ibm und seinen Schfilern jeden Verdacht in dieser Richtung zer- streuen. Nach unseren Untersuchungen, um das hier vorwegzunehmen, dfirfen wir behaupten: Es gibt tatsachlich Individuen, die fiber die Fahigkeit zur Erzeugung yon Anschauungsbildern verffigen, und wir k5nnen mit Jaensch jeden, der diesen Dingen zweifelnd gegenfiber steht, nur auffordern, sie nachzupriifen, dann wird sich ihm, wie dieser Forscher treffend bemerkt, das Wort auf die Lippen drangen: man muB das selbst einm~l gesehen haben.

1) E. R. Jaensch, Sitzungsber. d. Gesellsch. z. Bef5rd. d. ges. Naturwiss. zu Marburg 1917.

2) Zeitschr. f. Psychol. 85. 47.

Page 3: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen l~Ierkmalen. 243

Dutch die Untersuchungen von Edith Gottheil 1) ist es gelungen, auch die latente eidetische Anlage nachzuweisen, d. h. eine eidetisehe Anlage bei solchen Individuen, die nicht die Fi~higkeit zur Erzeugung von AB besitzen. Diese Stigmata werden insbesondere an den NB, z. T. auch an den VB gewonnen; es folgen diese Gedi~chtnisbilder (GB) ni~mlich beim ausgesprochenen und latenten Eidetiker im allgemeinen nicht den Gesetzen, die ffir den Nichteidetiker Geltung hahen.

Schon v. Urbanschitsch hatte darauf hingewiesen, dab die eidetische Anlage besonders hi~ufig bei Jugendliehen auftritt, auch die Unter- suehungen der Jaenschschen Schule wurden im wesentlichen an Jugend- lichen durchgeffihrt. Vereinzelt wurde auch bei Erwachsenen die F~hig- keit zur Erzeugung von AB festgestellt.

Nachdem die relative Hi~ufigkeit der eidetischen Anlage nach- gewiesen war, waft W. Jaensch ~) die Frage auf, ob die AB vielleicht zu den Merkmalen eines bcstimmtcn Konstitutionstypus gehSren und datum als Aquivalente somatischer Stigmata zu betrachten seien. Bei Untersuehungen von gesunden Schulknaben zwischen 10 und 15 Jahren und darfiber, Jugendlichen, Erwachsenen und alteren Individuen land er, dab die AB zu den Merkmalskomplexen zweier Konstitutionstypen, dem T- (tetanoiden) und dem B- (basedowoiden) Typus gehSren. Er faBt deshalb die AB als optische Aquivalente der somatischen Stigmen dieser Konstitutionen auf und behauptet, dab die AB in ihren ni~heren Eigentiimlichkeiten -- je nachdem sie zum B- oder T-Typ gehSren einen wesentlich verschiedenen Charakter aufweisen.

Als k6rperliche Zeichen des T-Typus gibt W. Jaensch an: ,,Gal- vanisehe und mechanische (~bererrregbarkeit, hi~ufig Chvosteks Facialis- ph~nomen, 5fter zugleich Phobien, Schlafreden, Pavor nocturnus, Nachtwandeln, anamnestisch oder familienanamnestisch leichte Crampi, Laryngospasmus oder Eklampsie, Par~sthesien, angeblich unauf- gekli~rte Temperatursteigerungen, Urticariaanf~lle, Farbcnsehen im Dunkeln oder auch bei Tage beim Lesen, Raehitis, in einigen Fi~llen Sehmelzdefekte, Pupillendifferenz, Andeutung des Uffenheimerschen Tetaniegesichts, zuweilen ,,eine grSBere Zahl yon StSrungen, die den ,neurasthenischen', ,epileptisehen' -- wie leichte Absencen und Schwin- deigeftihle -- mitunter aueh ,hysterischen' Erscheinungen zugerechnet wiirden, sofern sie dem Arzt iiberhaupt zu Gesicht kommen."

Das AB, das naeh den Untersuchungen yon E. R. Jaensch in seinem VerhaRen im allgemeinen eine Mittelstellung zwischen NB und VB einnimmt, steht beim T-Typ nach W. Jaensch in seinem Charakter dem NB nahe; ,,gleieh diesem ist es relativ ,start', d. h. sowohl durch i~uBere

1) Zeitschr. f. Psychol. 87. ~) Walther Jaensch, ~ber Wechselbeziehungen yon optischen, cerebralen und

somatischen Stigmen bei Konstitutionstypen. Diese Zeitschr. 59. 1920.

16"

Page 4: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

244 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

experimentelle Einflfisse (StSrungsreize usw.) wie durch den Willen und die Vorstellung des Beobaehters relativ schwcr zu bceinflussen und abzuandern. Ferner wird es beim spontanen Auftreten oft als fremd und aufgedrangt und meist nieht in den Vorstellungsablauf passend empfunden; nur in den ausgesprochenen Fallen ist es urbildmaBig gef~irbt und (bei k6rperlichen Gegenstanden als Vorlagc) dreidimcn- sional; in den weniger ausgepragten Fallen zumeist fl~chenhaft und komplementar zum Urbild ahnlich wie das physiologische Nachbild." Das NB soll hier yon verlangerter Nachdauer sein, periodisch auftreten und wieder verschwinden und in seinen Farben komplementar zum Urbild sein.

Als k6rperliche Zeichen der Individuen, die zu dem B-Typus gehSren, gibt W. Jaensch an: Respiratorische Arythmie oder Pulsus respiratorius, leichtes Schwitzen, lebhafte Hautreflexe, niedriger Hautwiderstand, haufig Augensymptome (Moebius), were Lidspalte, lebhafter Wechsel der Pupfllenweite, das Schwimmende im Bliek, Glanzauge, gelegentliche leichte Protrusio bulbi, Stellwag, leichte Halsverdickung. Psychisch soll es sich haufig um bewegliche, geistig regsamc Individuen, mitunter yon stark labiler Psyche handcln. Das AB vom ausgesprochenen B-Typ soll von grSBter Deutlichkeit sein, bei kSrperlichen Vorlagen nicht flachenhaft, meist urbildm~Big gefarbt, von starkster BeeinfluBbarkeit und Veranderlichkeit dureh ~uBere experimentelle Maf~nahmen sowie durch den Willen und die Vorstellung des Beobachters. Zuweilen soll es yon selbst kaleidoskopartige Abwandlungen erl~iden, im allgemeinen auch ohne Vorlage aus der Erinnerung miihelos crzeugbar sein. Bei spontan auftretenden Bfldern soll es Ms vollstandig dem Vorstellungs- ablauf zugeh5rig und nicht als fremd empfunden werden. Die zu diesem Typ gehSrenden Individuen sollen fiber ihr AB lieber als die zum T-Typ gehSrendcn sprechcn, da sie es als eine reiche Gabe freudig empfinden; das zum B-Typ gchSrende AB soll dem gewShnlichen VB dem Verhaltcn nach am nachsten stehen.

Zuweilen fand W. Jaensch bei einzelnen Individuen Verkniipfungen yore B- und T-Typ. Da die AB beim T-Typ dureh Calcium zum Sehwin- den gebraeht werden sollen, soll bei diesen Misch]dillen eine reinliehe Scheidung durch Zuffihrung von Calcium in einzelnen Fallen mSglich sein.

Die Bedeutung der yon W. Jaensch aufgestellten Satze sind, falls sie sich bestatigen sollten, yon so auBerordentlicher Tragweite, dab eine Naehprfifung an anderem Material uns wichtig erschien.

Wir untersuchten zu diesem Zwecke 70 Knaben und 70 Madchen im Alter yon 9--18 Jahren, und zwar je 7 yon jeder Altersstufe und jedem Gesehleeht. Dabei ergab sich von selbst die Aufgabe, Erhebungen fiber die Verbreitung der eidetisehen Anlage zu maehen und erst

Page 5: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 245

dann die Beziehungen dieser Anlage zu kSrpcrlichen Symptomen fest- zustellen.

Soviel wit sehen, existieren bisher noch keine Zahlen tiber die Ver- breitung der eidetischen Anlage im jugendlichen Alter, die an grSl~erem Material gewonnen wi~ren. E. R. und W. Jaensch 1) haben an 38 Quar- tanern im durchschnittlichen Alter von 12,35 Jahren Untersuchungen dariiber angestellt. Bernhard Herwig ~) hat 205 Knaben im durchschnitt- lichen Alter yon 10--141/2 Jahren auf AB untersucht, allerdings, wie er selbst angibt, mit nicht zureichenden Mitteln. Es finden sich auBer- dem noeh bei Krellenberg 3) kurze Bemerkungen tiber Untersuchungen

�9 in Schulen. I. Versuehsanordnung.

1. Psychologische Untersuchung. Die Auswahl der Versuehspcrsonen (Vpn.) wurde, um das Resultat

in keiner Weise zu beeinflussen, den Lehrern vSllig tiberlassen, ohne dal~ unsererseits irgendwelche diesbeziiglichen Wtinsche gei~ul~ert wur- den. Die Versuche wurden vom November 1922 bis Mi~rz 1923 aus- geftihrt. Die weiblichen Vpn. waren bis auf eine si~mtlich Schtilerinnen der Augustaschule zu Breslau, und zwar des Lyzeums und des Real- gymnasiums; die mi~nnlichen Vpn. bestanden bis auf 3 aus Schtilern des Friedrichsgymnasiums ebenfalls zu Breslau. Die Untersuchungen wurden in den Schulen in einem besonders daftir zur Verftigung ge- stellten Zimmer in den Vormittagsstunden ausgeftihrt.

Dem Provinzial-Sehulkollegium der Provinz Niedersehlesien, wie �9 den Lcitern der beiden Anstalten, den Herren Oberstudiendirektoren Dr. Reichert und Dr. Friedrichs, danken wir fiir ihr Entgegenkommen und die Unterstiitzung *oei dcr Durchftihrung der Versuche. --

Geprtift wurden das VB, AB und NB, und zwar nach ~6glichkeit in dieser Reihenfolge, da -- wie aueh Krellenberg 4) bemerkt -- bei anderer Reihenfolge die Bilder der h6heren Gedi~chtnisstufen yon den- jenigen der niedereren beeinflul3t werden.

Si~mtliche Gedi~chtnisstufen wurden mit Vorlagen, das VB und AB auSerdem noch ohne Vorlagen geprtift. Wo irgend mSglich wurden die Versuehc ohne Vorlage immer an die Versuehe mit Vorlage derselben Gedachtnisstufe angeschlossen. Unsere Versuchsanord- hung lehnte sich an diejenige an, die insbesondere yon P. Busse und Edith Gottheil angegeben worden ist. Busse hatte festgestellt, d a b ftir das AB nieht das Emmertsehe Gesetz giiltig ist. Es besagt dieses, dab die lineare Gr61~e des NB proportional mit der Entfernung des

1) Zeitschr. f. Psychol. 87. 2) Zeitschr. f. Psychol. 87. 3) Zeitschr. f. Psychol. 88, 59. 4) Zeitschr. f. Psychol. 88, 64.

Page 6: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

246 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

Projektionsschirmes yon Auge des Beobachters wachst, sofern mall die Gr6ge des NB immer auf dem Projektionsschirm mist . Gottheil hat te ffir die Erkennung der latenten eidetisehen An]age nachgewiesen, daS bei solchen Individuen, die fiber keine AB verffigGn, eine eidetische Anlage auf dem Umwege fiber das NB nachgewiesen werden kann. Es folgt namlich bei latenten Eidetikern das NB nicht dem Emmertschen Gesetz. Die Abweichung yon diesem Gesetz ist abet nicht notwendig mit der eidetischen Anlage verkniipft. Nur das Vorhandensein der Abweiehung ist Gin Zeichen ffir das Bestehen einer eidetischen Anlage.

- - Durch die Untersuchungen von Busse wurde ferner festgestellt, dab das GB die Tendenz hat, auf eine h6here Gedaehtnisstufe zu steigen, wenn wahrend der Beobachtung eines GB ein St6rungsreiz ausgefibt wird. Es ist daher eine eidetische Anlage mit Hilfe des St6rungsreizes noch bei denjenigen Fallen nachweisbar, bei denen das NB dem Emmertschen Gesetz folgt. Wird namlich bei der Priifung des NB etwa in der doppel- ten Entfernung ein St6rungsreiz ausgeiibt und die Gr6Be des NB dann gemessen, so zeigt sich zuweilen, dab das NB seine GrSBe verandert hat.

P. Busse hat augerdem gefunden, dag die Beeinflussung der GB dGr verschiedenen Gedachtnisstufen durch eine J~nderung in der Stel- lung des beobaehtenden Subjekts vGrschieden groB ist. Je nachdem die Beeinflussung eine kleinere oder gr6gere ist, spricht sie yon einem h6heren oder niedrigeren Invarianzgrad der betreffenden Gedachtnis- stufe. So geht z. B. bei einer Kopfneigung um einen best immten Winkel das VB am wenigsten, das NB am starksten mit, wahrend das AB in der Mitre zwischen beiden steht, d. h. der Invarianzgrad des gew6hn- lichen NB ist am kleinsten, der des VB am gr6Bten, der des AB steht in der Mitre zwisehen beidGn. Bei der Messung des Neigungswinkels der verschiedenen GB ist allerdings der EinfluB der Augenrollung zu beriieksichtigen. Es ist dieser nach Donders der Kopfneigung ent- gegengesetzt und betragt bei einer Kopfneigung von 45 ~ 5,5--7 ~ Dieses Ergebnis Busses benutzte Gottheil zum Nachweis latenter eide- tischer Anlage, und in einigen Fallen konnte sie zeigen, dag das NB einen gr6geren Invarianzgrad aufwies, als zu erwarten war, d. h. dab das NB sich in seinem Verhalten dem AB naherte. - - Wahrend bei der ~ehrzahl der von Gottheil untersuchten Erwachsenen das VB bei Kopf- neigung die urspriingliche Lage behielt oder nur eine sehr geringG Neigung aufwies, stellte sie bei eidetischen Individuen in den meisten Fallen e inen gr6fleren Neigungswinkel des VB lest. - -

In einzelnem war unsere Versuchsanordnung folgende:

Die Vp. sag vor einem in 50 em Abstand stehenden, dunkelgrauen Papp- schirm, der Kopf lag in einer Kinnstiitze; diese war so eingerichtet, dab sie dureh einen einfachen Mechanismus nach der reehten Seite um 45 ~ geneigt werden konnte. Die allgemeine Instrukfion lautete: ,,Ieh werde dir auf diesem 8chirm versehiedene Gegenst/tnde zeigen. Sieh sie dir genau an; wenn ich die Gegenst~nde yon dem

Page 7: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 247

Schirm wegnehme, dann mul~t du immer auf den Sehirm sehen und darfst reich nicht ansehen, auch dann nieht, wenn wir miteinander sprechen."

Es wurde die Instruktion, immer auf den Schirm zu sehen, deswegen gew~hlt, weil die GB bei Fixation des Schirms am leichtesten zu beobachten sind und Messungen nur auf dem Schirm ausgeftihrt werden konnten.

Zun~ehst wurde der Vp. ein Quadrat aus roter Pappe yon 5 cm Seitenlange 5 Sekunden lang dargeboten. Das Quadrat war an zwei schwarzen Faden so be- festigt, dab es etwa in AugenhShe der Vp. auf dem Sehirm auflag. Die Vp. wurde aufgefordert, das Quadrat nach allen Richtungen bin anzusehen. Nach Wegnahme der Vorlage wurde die Vp. gefragt, ob sie etwas sahe. Sah die Vp. niehts, so wurde zun~chst das VB geprfift. Um den jugendlichen Vpn. klar zu maehen, was man unter einem VB verstehe, wurden sie zunachst aufgefordert, einmal an den Vater, die Mutter oder einen Klassengenossen zu denken, und darauf wurde die Frage an sie gerichtet, ob sie die Personen innerlieh vorstellen k6nnten. Im bejahenden Falle wurden sie weiter gefragt, ob sie das Gesicht und einzelne Gesiehtsteile genau vorstellen k6nnten, und ob das aueh mit Farben z. B. des Haares oder des Kleides mSglich sei. Darauf hatte die Vp. die Aufgabe, sich das rote Quadrat vorzustellen. Sie mu~te nun dariiber Auskunft geben, ob sic das Quadrat auf dem Schirm auf- liegend oder yon ibm abstehend oder an welchem Or~e sonst und ob sie die Form und die Farbe vorstellen k6nne. Die Gr80e des vorgestellten Quadrats wurde mit dem Zirkel gemessen, darauf der Schirm in eine Entfernung yon 100 cm yon der Vp. geriickt, das VB jetzt wieder gemessen und schlieBlich bei einer Schirment- fernung yon 50 cm die Kopfstiitze geneigt und der Drehungswinkel an der oberen Seite des Quadrats gemessen. Die Messung wurde bier wie bei den fibrigen GB so ausgeffihrt, dab ein he]lgrauer Pappstreifen naeh den Angaben der Vp. in die Lage der oberen Quadratseite gebracht wurde.

Trat naeh einer Expositionszeit yon 5 Sekunden schon ein Bild auf, so wurde zunachst das AB geprfift; die Expositionsdauer wurde dabei niemals -- ebenso wie in den Untersuehungen der Jaensehsehen Sehule -- fiber 20 Sekunden aus- gedehnt, dagegen wurden nach MSglichkeit kiirzere Zeiten gewahlt. Zur Priifung des AB wurde der Vp. aufgegeben, das vorgezeigte Objekt ruhig naeh allen Rich- tungen bin zu betrachten, so etwa wie man ein Bild betrachte. Sah die Vp. nach Wegnahme des Quadrats etwas, so muBte sic dariiber Auskunft geben, welehe Form das Bild hatte, ob die Form sich veranderte, welehe Farbe es hatte, ob es sehaff begrenzt sei, oder ob die Rander verschwommen seien, und schlieBlich, ob das Bild auf dem Sehirm auflage, oder ob es abstehe. Die Gr6Be wurde gemessen. Darauf wurde der Sehirm in eine Entfernung yon 100 cm gebracht und nun die Seitenl~nge des Quadrats gemessen. Besonderer Wert wurde hier sowohl wie bei. allen fibrigen Messungen des AB und des I~B darauf gelegt, dab das Bild scharfe R~nder hatte. In manchen Fallen war dieses Ziel selbst nach vielfaehen Exposi- tionen nieht zu erreichen. Derartige Bilder wurden nicht gemessen. Entsprechend den Angaben yon Paula Busse und Alfred G6sser 1) wurde vom V1. ein St6rungsreiz in Form eines Pfiffs abgegeben und darauf festgestellt, ob sieh das Bild hinsieht- lieh der Gr6Be, der Form und des Abstandes von dem Hintergrund ver~nderte. Darauf wurde bei einem Sehirmabstand yon 50 em die Kopfstfitze um 45 o geneigt und wiederum der D.rehungswinkel der oberen Seite des Bildes gemessen.

Da nach Jaensch AB h~ufig yon komplizierten, nicht yon einfachen Gegen- st~nden auftreten, wurden zur Prfifung der AB auBerdem noch 3 kompllziertere Vor/agen verwendet, u. zw. zun~ehst Bilder, die auf Pappkarton aufgeklebt waren. Das eine yon ihnen stellte eine hellblaue Vase dar, in der sich ein Blumenstrau~ mit 3 roten Blumen und griinen Bl~ttern befand. Auf der Vase befand sich ein

1) Zeitschr. f. Psychol. 87.

Page 8: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

248 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

vierteiliger Lichtreflex und um das ganze Bild ein schwarzer Rand. Das andere Bild stellte eine Kirche dar, deren Unterbau weiB, deren Turin und Daeh braun gefarbt waren; an dem Turin befand sieh eine Uhr und unter derselben zwei Feaster, an dem Unterbau drei Feaster, deren Umrandung schwarz gezeichnet war. Jedes Feaster hatte zweimal 4 Scheiben. Die dritte Vorl~ge hatte die Form eines lang gestreekten Rechteeks; auf hellgrauem Grund war mit deutschen Buchstaben das Wort ,,Weihnachten" in dunkelblauer Farbe gedruckt. Samtliche Vorlagen wurden 1/~ngstens je 20 Sekunden exponiert mit tier gleiehzeitigen Aufforderung, die Bilder ruhig nach allen Seiten zu betrachten. Naeh Wegnahme der Vorlage batten die Vpn. anzugeben, was sie tatsachlich sahen. Insbesondere wurde naeh Form, Farbe und Einzelheiten der Bilder gefragt. Bei der Druckvorlage wurde, falls ein AB vorhanden war, die Kinastfitze um 45 ~ geneigt und der Neigungs- winkel der oberen Rechteekseite des Bildes gemessen. Es wurden aul~erdem, falls sieh bis zu diesem Punkte keine Veranderlichkeit des AB gezeigt hatte, die Vp. aufgefordert, das Bild grSl]er oder kleiner werden zu lassen.

SehlieBlieh wurde den Vpn. noch eine kSrperliehe Vorlage gezeigt. Es war dies eine bunt angezogene, lustige Puppe, deren Anblick den Jugendliehen meist Freude machte. Nach beendeter Exposition wurde hier nach der KSrperlichkeit des Bildes gefragt.

Die Vpn. machten in fast allen Fallen selbst einen scharfen Untersehied zwi- schen dem Vorstellen und dem tatsachtichen Sehen eines Gegenstandes, und es bedurfte selbst bei den jfingeren Vpn. -- und da aueh selten -- nur eines kurzen Hinweises des Vls., um eine Unterscheidung zwisehen dem Vorstellen und Sehen zu veranlassen. In den Fallen, in denen die Unterscheidung nieht gelang, stellte sich immer heraus, dab VB und AB derart in einander iibergingen, dab ein Unter- sehied nicht bestand.

Im Anschlul~ an die Priifung der AB mit Vorlage wurden die Vpn. gefragt, ob sie nach Betrachten yon Bildern, Personen oder irgendwelehen Gegeastanden schon friiher einmal bemerkt h~tten, da$sie den Gegenstand oder das Bild noeh sahen, wenn der Gegenstand nicht mehr dagewesen sei. Sie wurden darauf weiter gefragt, ob sie am Tage oder am Abend, wenn sie an irgendwelche Personen oder an irgend etwas anderes d/ichten, diese Personen tatsachlich s~hen. War dies der Fall, so wurden sie aufgefordert, fiber GrSBe und Farbe Auskunft zu geben, und falls es sich um Personen handelte, wurden sie gefragt, ob sich die Personen be- wegten, ob die Personen auch sprachen, und ob sie gegebenenfalls aueh den Per- sonen antworteten. SehlieBlich wurde die Vp. gefragt, ob sie sich im Versuchszimmer an einer bestimmten Stelle eine Person ,,denken" oder vorstellen k6nne, und darauf erhielt die Vp. die Aufgabe, sich eine Person so vor sich ,,hinzuzaubern" -- wie die Vpn. racist sagten --, dal~ sie sie richtig s/~he. Gelang ihr dies, so wurden dieselben Fragen bezfiglich der Gr61~e, Farbe usw. des Bildes an sie gerichtet. - -

Es lag hier die ffir den Psychiater sehr wichtige Frage nahe, ob und warum die Vpn. nicht annahmen, da$ nun tatsaehlieh diese Personen wirklich da seien. Um den Unterschied gegenfiber dem Sehen yon realen Gegenstanden besser fest- stellen zu kSnnen, stellte sich in einigen Versuchen der VI. neben das in den Raum projizierte AB, und die Vp. muBte nun angeben, woran sie erkannte, dab der V1. wirklich da ware, die yon dem AB dargestellte Person abet nicht.

Zur Pri@n 9 des NB wurde wiederum dasselbe rote Quadrat verwendet, dessen Mittelpunkt sehwarz markiert war. Die Vp. hatte die Aufgabe, diesen Punkt seharf zu fixieren. Die Expositioasdauer betrug 40 Sekunden. In derselben Weise wie beim AB wurde bier in 50 cm Entfernung die Gr6Be des Bildes gemessen, tier Abstand des Bildes yon dem Sehirm festgestellt, daraufhin der Schirm in eine Entfernung yon 100 em yon der Vp. geriickt und naeh Messung der GrSl~e und des

Page 9: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kiirperlichen Merkmalen. 249

Abstandes ein St6rungspfiff abgegeben und die Gr6Be des Bildes sowie dessen Abstand vom Schirm nunmehr festgestellt. Bei einem Schirmabstand von 50 em wurde nach erneuter Exposition die Kinnstiitze wiederum geneigt und der Nei- gungswinkel der oberen SeRe des NB gemessen. Bei der Priifung des NB wurde ebenso wie beim AB besonderer Wert darauf gelegt, dab das Bild scharfe RAnder aufwies, um genaue Messungen ausfiihren zu k6nnen.

2. K6rperliche Untersuchung.

Die k5rperliche Untersuchung erstreckte sich in der Hauptsaehe auf den Nach- weis yon Symptomen, die auf eine basedowoide, bzw. tetanoide Anlage schlie~en lieBen. Es wurde deshalb besonders geachtet auf die GrSBe der Schilddriise, Pro- trusio bulbi, die Augensymptome yon Graefe, Stellwag und Moebius, Pulsfrequenz, respiratorische Arhythmie und PuIsus respiratorius, Handtremor, leiehtes Schwitzen und Dermographie. Blutbilder zum Nachweis einer Mononucleose konnten nieht gemacht werden, da die Eltern der Kinder ihre Erlaubnis dazu verweigerten. Zur Feststellung des tetanoiden Zustandes wurde bei jeder Vp. das Chvosteksche Facialisph~nomen untersucht und auSerdem die elektrische Erregbarkeit mittelst des galvanischen Stromes und der Kondensatorentladung geprtift. Die gesamte Zuckungsformel fiir den Nervus ulnaris sowohl wie ftir den Nervus medianus wurde bei jeder einzelnen Vp. nach Milliampere bestimmt. Der Nervus ulnaris wurde in der Fossa ulnaris medianwi~rts vom Oleeranon gereizt, der Nervus medianus im Sulcus bieipitalis internus etwa 2 Querfinger oberhalb der Ellenbeuge. Die Untersuchung wurde mit der Normalelektrode yon 3 qcm Flacheninhalt v0r- genommen.

Die Prtifung mit Ko~wlensatorentladung wurde herangezogen, um mit feinsten Methoden die elektrisehe Erregbarkeit zu priifen. Aus i~ui3eren Griinden konnten nur die 70 m~tnnlichen Individuen mit dieser Methode untersueht werden. Es wurde hier ebenfalls der Nervus ulnaris und medianus bei jeder Vp. untersucht.

Diese Methode, die yon Zanietowsky angegeben und yon Hoorweg, Mann, Kramer, Cluzet u. a. ebenfaUs zu diagnostisehen Zwecken verwendet wurde, hat gegentiber der galvanischen den Vorteil, dal~ hier nur kurz dauernde elektrisehe Reize verwendet werden. Es fehlt infolgedessen die sogenannte permanente Periode [Dubois~)], in welcher durch die elektrolytisehen Vorgi~nge ganz ver~nderte Widerstandsverh~ltnisse eintreten. Es kommt vielmehr bei dieser Reizung nut die sogenannte variable Periode in Betracht, ni~mlieh die, in welcher der Strom ansteigt.

Zur Untersuchung wurde naeh dem Vorsehlage von Mann 2) ein Kondensator von der Kapazit~t von einem Mikrofarad verwendet. Um das Marl der elektri- schen Menge zu bestimmen, bei der gerade noch eine Reizung des Nerven sieh bemerkbar maehte~ war es dann nur erforderlieh, die Spannung zu bestimmen, mit welcher die Reizung vorgenommen wurde. Die Regulation der Spannung, mit der der Kondensator geladen wird, wurde durch einen Voltregulator variiert; an dem Voltmesser wurde dann die Spannung abgelesen.

Die Priifung wurde so ausgefiihrt, da6 nach Ansetzen der Elektroden der Voltregulator auf eine schwache Spannung eingestellt, darauf geladen und ent- laden und beobaehtet wurde~ ob eine Zuckung eintrat. Geschah das nicht, so wurde die Spannung verst~rkt, und zwar so lange, bis eine minimale Zuckung sichtbar wurde. Die vorhandene Spannung wurde dann am Voltmeter abgelesen.

1) Dubols, Reeherches sur l'active physiologique du eourant galvanique dans sa periode d'~tat variable de fermenture, Arch. de physiol. 1897, Nr. 4.

2) Mann, Elektrodiagn. Untersuch. mit Kondensatorentladung. Berl. klin. Wochensehr. 33, 34. 1904.

Page 10: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

250 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

3. Anamnestische Erhebungen. Um fiber frfihere oder jetzt noch bestehende Symptome krankhafter Ver-

anlagung AufsehluB zu erhalten, wurde den Eltern s~mtlieher jugvndlieher Vpn. ein Frageboge n iibersandt. Dieser enthielt Fragen beziiglich iiberstandener Rachitis. bzw. jetzt noch bestehender Zeichen dafiir, StimmritzenkrAmpfe, SchwindelanfAUe, Kr/impfe; Fieberanstiege, insbesondere ohne ersichtliche Ursaehe, Hautsensationen, NesselausschlAge, Nachtwandeln, Reden im Sehlaf, nAehtliehes Aufschreeken, Angst- und Zwangsvorstellungen, Sehen yon in Wirklichkeit nieht vorhandenen Farben oder Bildern; auBerdem war naeh sonstigen kSrperlichen und geistigen AuffAlligkeiten gefragt. Die Fragebogen wurden yon den Eltern s/~mtlich aus- geftillt, zum grSllten Tefl recht ausftihrlich.

II. Ergebnisse der psychologisehen Untersuchung.

1. Allgemeine Ergebnisse. Die psychologische Untersuchung der Jugendlichen hat te ein zwei-

laches Ziel: einmal sollte sie Aufschlul~ geben fiber die Verbreitung der eidetischen Anlage tiberhaupt, und zweitens solltea durch sie diejenigen Individuen herausgefunden werden, deren AB die yon W. Jaensch ge- kennzeichneten Eigentiimlichkeiten des B- und T-Typus aufwiesen.

Der ersten Aufgabe ist noch nicht mit der Feststellung gentigt, wie viele der untersuchten Individuen tiber die Fi~higkeit zur Erzeugung von AB verftigen. Es wurde sehon erwi~hnt, daf~ es aueh eine eidetische Anlage gibt, die sieh nur in der Abweichung des NB und gegebenenfalls auch des VB von den Gesetzen zeigt, die ffir den Nicht- eidetiker durchgi~ngig Geltung haben, ohne daI~ dabei die Vp. tiber die Fi~higkeit zur Erzeugung yon AB verftigt. Diese Individuen sollen mit Gottheil als latente Eidetiker bezeiehnet werden. I)emnach wfirden sich zuni~chst 3 Kategorien unterscheiden lassen: 1. Die Nichteidetiker, 2. die latenten Eidetiker und 3. die Eidetiker, die fiber AB verftigen. Unter den letzteren fanden sich nun hinsiehtlieh der Stiirke der Anlage wiederum erhebliche Unterschiede; es zeigten die AB der einzelnen Individuen die verschiedensten Abweichungen voneinander beztiglieh ihrer Ausgepri~gtheit und Deutlichkeit, Farbe und noch anderer Eigen- schaften. Diese I)ifferenzen erforderten eine weitere Unterteilung. Auch E. R. und W. Jaensch 1) haben aus diesem Grunde eine Einteilung versucht und stfitzten sich dabei auf ein Material yon 38 Kindern im Durchschnittsalter yon 12,35 Jahren. Sie unterschieden 5 Stufen:

stufe 0: Der Befund ist vSllig negativ. Erzeugbar ist nur ein NB yon normaler Beschaffenheit und kurzer Dauer.

Stufe 1: Ohne Fixation entsteht kein Bild. Die eidetische Anlage ist nur auf dem Umweg fiber das NB nachweisbar; dieses zeigt Ztige des AB, z. B. die Abweichung vom Emmertschen Gesetz, entweder ohne weiteres oder nur bei gleichzeitiger Abgabe eines Pfiffs.

Stufe 2: Fixation ist nicht mehr in allen FAllen erforderlich, auBerst schwache AB sind auch direkt naehweisbar, jedoch nur bei einfaehen Objektcn (homo-

1) Zeitschr. f. Psychol. 87.

Page 11: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kiirperlichen Merkmalen. 251

genes Farbenquadrat), nicht bei komplizierten; auch einige Stigmen der AB sind vorhanden (Abweichung vom Emmertschen Gesetz, GrSl~en- und Form- ver~nd~rungen beim Pfiff).

Stufe 3: Es entstehen schwache AB yon unkomplizierten 0bjekten; auch yon komplizierten Objekten sind mindestens Einzelheiten sichtbar, sei es nach Vorlage oder in spontanen Bildern.

Stufe 4: Auch yon komplizierten Objekten entstehen mitteldeutliche AB, be- gleRet yon ausgiebigen Stigmen der AB.

Stufe 5: Es sind auBerst deutliche AB nachweisbar, die ein gules und allse.itiges Experimentieren m i t den Bildern gestatten, so da~ die hierher ge- hSrigen Individuen als Vpn. besonders erwiinscht sind.

Wit haben versucht, unsere Vpn. in diese Stufen einzureihen, und haben als AB, die ohne Fixation entstehen, solche gewertet, die die Vp. wiUkiirlich im Versuchszimmer erzeugen kann. Dabei ergab sich in vielen Fi~llen, dab eine Vp. in zwei oder noch mehr Stufen der Jaensch- schen Einteilung einzureihen war. So z. B., wenn eine Vp. nach Vorlage keine AB hatte, das NB vom Emmertschen Gesetz abwich, die Vp. aber wfllkiirlich sehr deutliche AB erzeugen konnte, an denen sie viele Einzelheiten in urbildmi~iger Fi~rbung sah. Nach der yon Jaensch gegebenen Einteilung wiirde diese Vp. gleichzeitig zur Stufe 1 und Stufe 5 gehSren. - - Ergaben sich schon hierdurch Schwierigkeiten, so scheiterte die Einreihung in diese Stufen insbesondere daran, dal~ die yon Jaensch gemachte Unterscheidung der AB von einfachen und solchen von komplizierten Objekten sich bei ~ns nicht durchfiihren liel~. Es hat ten n~mlich manchc Vpn. bei den komplizierten Vorlagen AB yon homogener Fi~rbung, sahen also keinerlei Einzelheiten. Zu- weilen waren auch AB yon komplizierten Vorlagen nachweisbar, yon einfachen jedoch nicht. Auf diese Tatsache hat auch schon Busse hin- gewiesen. Aus diesen Griinden sahen wir uns genStigt, eine andere Stufeneinteilung der eidetischen Anlage zu schaffen. Dabei beriick- sichtigten wir zungichst nut die Ergebnisse bei den Versuchen zur Er- zeugung eines AB nach Vorlage. Als Prinzip fiir die Aufstellung der Stufen galt hierbei die Art der entstehenden AB, nicht die Art der Vor- lage. D. h. gleichgfiltig, ob die Vorlage einfach oder kompliziert war, wurde fiir die Beurteilung der eidetischen Anlage die Homogenitht, bzw. die Sichtbarkeit yon Einzelheiten als Mal~stab zugrunde gelegt. Da- nach ergab sich folgende Stu]eneinteilung:

Stufe 0: Der Befund ist vSllig negativ. ])as erzeugbaIe NB ist yon normaler Beschaffenheit.

Stufe 1: Die eidetische Anlage kann nur auf dem Umwege fiber das NB nachgewiesen werden. ]). h. das NB zeigt eine Abweichung yon den Gesetzen, denen es beim Nichteidetiker gehorcht. AB nach Vorlage entstehen nicht.

Stufe 2 : Es entstehen AB yon homogener Fi~rbung ohne irgendwelche

Page 12: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

252 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

Einzelheiten der ganzen Vorlage oder yon Teilen derselben bei ein- fachen und komplizierten Objekten.

Stufe 3: Bei den entstehenden AB der ganzen Vorlage oder yon Teilen derselben sind eine oder mehrere Einzelheiten sichtbar.

Stufe 4: Es entstehen i~ul~erst deutliehe AB der ganzen Vorlage, bei denen/as t jede Einzelheit sichtbar ist.

Die Verteilung der von uns untersuchten Individuen auf diese Stufen ergibt geordnet nach dem Geschlecht und in der Gesamtzahl folgendes aus den Tabellen I und I I ersichtliches Bild:

Tabelle I. Die Beteiligung s~mflicher Versuchspersonen sowie der einzelnen Gesehlechter an den eidetischen Stufen in

absoluten Zahlen.

Zahl der Stufe i

Knaben Mfidchen I gesamten u J

1 0 4 10

50 39 13 l l 2 l0

Tabelle II.

t 1 14 89 24

f 12 I

Die Beteiligung si~mtlicher Versuehspersonen sowie der einzelnen Geschleehter an den eidetischen Stufen in

Prozentzahlen.

Prozente der Prozente der Prozente der gesamten Ver-

Stufe Knaben M~dchen suchspersonen

1,4 5,8

71,4 18,5 2,9

0 14,3 55,7 15,7 14,3

0,7 10 63,5 17,2 8,6

Das bemerkenswerteste Ergebnis dieser Aufstellung ist, dab bei si~mtlichen Vpn. bis auf einen Knaben ehle eidetische Anlage nach- gewiesen werden konnte. Dieser Knabe stand im Alter von 17~Jahren und war nach seiner k5rperlichen Entwicklung und seiner Wesensart durchaus als erwachsen anzusprechen. Man wird deshalb nach unseren Ergebnissen behaupten diirfen, dab die eidetische Anlage ein den Jugend. lichen ausnahmslos zukommendes Merkmal ist. Die Zahl der stark eidetisch Veranlagten ist im Vergleich dazu relativ gering. Sie betr~tgt insgesamt 8,60/0 . Auffallend dabei ist, dai~ die weiblichen Individuen zu dieser Stufe (4) ein um das Fiinffache hSheres Kont ingent stellen als die mi~nn]ichen.

Page 13: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k~rperlichen Merkmalen. 253

Nun gibt die vorstehende Aufstellung noch kein genaues Bild fiber die Verteilung der St~rkegrade der eidetischen Anlage, denn manehe der bier in niedere Stufen eingeordneten Vpn. besaBen, wie erw~hnt, die Fahigkeit zur willkiirlichen Erzeugung sehr deutlicher AB. Bemerkt sei zun~chst, dab bei der unter Stufe 0 rubrizierten Vp. sich die F~higkeit zur Erzeugung willkfirlieher AB nieht feststellen lieB. Diese Vp. hatte auch niemals im taglichen Leben AB nach Betraehten yon Bildern oder beim Denken an irgendwelehe Personen oder Gegenst~nde beobachtet. Vorausgesetzt, dab sich dasselbe Ergebnis auch bei anderen Individuen finder, bei denen im Experiment eine eidetische Anlage nicht fest- gestellt werden kann, so daft daraus gesehlossen werden: Eine vor- handene, aueh latente oder rudiment~re eidetische Anlage lgBt sich dureh Untersuchungen mit Vorlage, wie sie hier im AnschluB an die Jaensehsehe Sehule durchgeffihrt wurde, mit Sicherheit naehweisen. Wenn eine eidetische Anlage vorhanden ist, muff sie sich demnach durch das Experiment au/decken lassen.

Die bisher gegebene Einteilung bedarf nunmehr einer Erg~nzung dutch die Werte, die sich bei der Erzeugung willk(trlicher AB ergeben haben. Darunter verstehen wir die FKhigkeit der Vp., im Versuehs- zimmer sich ein Bild einer Person oder einer Saehe, die sie sich selbst auswahlen daft, so vor Augen zu stellen, dab sie das Bild tats~chlich sieht. Bei der Prfifung dieser F~higkeit wurde nicht verlangt, dab die Vp. willkiirlich ein Bild yon der Vorlage erzeugte, sondern es wurde der Vp. die Wahl des zu erzeugenden Bildes freigestellt, weft sieh h~ufig zeigte, dab von einem Gegenstand oder einer Person, fiir die besonderes Interesse bestand, leichter ein AB erzeugt wurde als yon den fiir manche Vpn. gefiihlsm~Big indifferenten Vorlagen. Die Feststellung, ob die Vp. tats~chlich ein AB willkiirlich erzeugte, bereitete in keinem Fall Schwierigkeiten, und es bestand niemals ein Zweifel darilber, ob der Versuch im positiven oder negativen Sinne zu bewerten war. Es gaben n~mlich unsere jfingsten Vpn. ebenso wie die ~lteren immer ganz spontan an, dab sie die betreffenden Gegenst~nde tats~chlieh s~hen; sie maehten dabei yon selbst einen scharfen Unterschied zwischen dem ,,an etwas Denken", worunter sie die Vorstellung verstanden, und dem ,,Sehen". Nur in den F~llen, wo das VB und das AB fiberhaupt nicht seharf voneinander zu scheiden waren, bestand zuweilen eine Schwierigkeit ffir die Feststellung, ob die Vp. zur Erzeugung yon VB imstande war. Niemals bestand ein Zweifel dariiber, ob ein AB erzeugt wurde.

Die erwahnte Fahigkeit land sieh bei insgesamt 65 Individuen, d. h. bei 46,4% aller Untersuchten. Demnach sind also erheblieh weniger Vpn. zur Erzeugung von willkiirlichen AB bef~higt als zur Erzeugung von AB nach Vorlage. Die 65 Individuen verteilen sich auf die 139 Vpn.

Page 14: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

254 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

(99,3~/o aller Untersuchten) mit nachgewiesener eidetischer Anlage, d. h. yon samtlichen Eidetikern besaBen 46,7~o die Fi~higkeit zur Er- zeugung wfllkfirlicher AB.

Tabelle III. Die Verteilung der Eidetiker und der Versuehspersonen, die zm" Erzeugung wiD-

kiirlicher AB im Versuchsraum bef~higt sind, auf die einzelnen Stufen.

I I Anzahl der zur Erzetlgung willkiirlicher Anzahl der Eidetiker AB im Versuchsraum bef~higten

Stufe _

'i Knaben M~idchen Insgesamt Insgesamt

0 1 2 3 4

Summe' von Stufe

1--4

:l 1 4

50 13 2

69

0 1 l0 14 39 89 11 24 10 12

70 139

Knaben M~dchen

0 0 1 4

18 20 4 7 1 10

24 41

0 5

38 11 11

65

Wie aus vorstehender Tabelle hervorgeht, verteilt sich dieser Weft auf die beiden Geschlechter derart, dab auf das m~nnliche Geschlecht 24, auf das weibliche 41 entfallen. Da die absolute Zahl der mi~nnlichen Eidetikcr 69, die der weiblichen 70 betri~gt, sind also yon sdmtlichen eidetischen Knaben 34,8%, yon sdmtlichen eidetischen Miidchen 58,6% zur Erzeugung willkiirlicher AB be/dihigt. Bei den groi~en Unterschieden dieser beiden Zahlen darf eine zuf~llige Konstellation ~usgeschlossen werden.

Dal~ die Mi~dchen die Fi~higkeit zur Erzeugung willkiirlicher A]~ h~ufiger als die Knaben aufweisen, geht auch aus der prozentualen Beteiligung an den einzelnen Stufen hervor.

Tabelle IV. Die prozentuale Beteiligung der Vpn. mit Bef~higung zur Erzeugung will-

kiirlicher AB im Versuchsraum an den einzelnen eidetischen Stufen.

Es haben die F~higkeit zur Erzeugung will- ktirlicher AB im Versuchsraum

Stufe ~Prozente I Prozente I Prozente samtlicher der Knaben I der M~dchen I Versuchspersonen

0 0 0 0 1 25 40 35,7 2 36,0 51,3 42,7 3 30,8 63,6 45,8 4 50,0 100,0 91,7

In jeder eiuzelnen Stu/e iiberwiefft bei weitem die ZahI der mit dieser Fdihigkeit begabten Mddchen die der Knaben.

Es fragt sich nun, wie diese Fi~higkeit fiir die Beurteilung der Sti~rke der eidetischen Anlage zu bewerten ist. Wie aus Tabelle IV hervorgeht, steigt die Zahl der zur Erzeugung willkiirlicher AB Bef~higten mit

Page 15: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 255

Zunahme der eidetischen Anlage, wie sie zun~chst bei der Pl~fung mit Vorlagen bestimmt wurde. W~hrend Stufe 1 die geringste Zahl aufweist, verffigen die unter Stufe 4 rubrizierten Individuen mit einer Ausnahme fiber die genannte F~higkeit. Wenn auch ffir den einzelnen Fall diese F/~higkeit nicht parallel geht mit der F~higkeit zur Erzeugung von AB nach Vorlage, so wird man auf Grund unseres Zahlenmaterials doch zu der Annahme berechtigt sein, dab zumindest innerhalb der Stufen, die wir bisher zugrunde gelegt haben, die F#ihigkeit zur Er- zeugung willki~rlicher A B einen h6heren Grad der eidetischen Anlage dar- stellt.

Auf Grund dieser Ergebnisse kSnnen wir nunmehr jede der Stufen in zwei Gruppen einteilen, n~mlich in eine solche, die die Vpn. umfaBt, die zur Erzeugung willkfirlicher AB nicht bef/~higt sind (a), und in eine solehe, die diejenigen Vpn. umfaBt, die dazu bef~higt sind (b). Die Verteilung der Vpn. auf diese Stufen zeigen die folgenden Tabellen in absoluten und Prozentzahlen.

Tabelle V. Die Verteflung der Knaben, M/~dchen und s/~mt- licher Versuchspersonen auf die einzelnen eidetischen Stufen in ihrer Unterteilung in a und b in absoluten

Zahlen.

Stufe Knaben Madchen S~mtliche Versuchspersonen

0 1 0 1

l ~ a 3 6 9 ib 1 4 5 f a 32 19 51

2 ~b 18 20 38 ' a 9 4 13

3 ~b 4 7 11 f a 1 0 1

4 ~b 1 10 l l

Es war bei den Versuchen aufgefallen, dab einzelne Individuen nicht imstande waren, sich im Versuchszimmer ein AB von einer Person oder einem Gegenstande zu erzeugen, trotzdem sie die ];rage nach ge- legentlich ohne Vorlage auftretenden spontanen AB bejahten. Der- artige Beobachtungen machten wir nur bei Vpn., dig der Stufe 1--4 angeh6rten, also bei solehen Individuen, fiir die bereits auf experimen- tellem Wege eine eidetische Anlage festgestellt worden war. Bestand schon aus diesem Grunde kein Zweifel an der Glaubwiirdigkeit dieser Aussagen, so wurde jedes Bedenken dutch die Sehflderung, die die Vpn. y o n derartigen Erlebnissen gaben, hinfallig. Es betonten die Vpn. s~mflieh, dab sit bei diesen Erlebnissen die Personen oder Gegenst~nde

Page 16: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

256 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

Tabelle VI.

Die Verteilung der Knaben und M~dchen und s~mt- licher Versuchspersonen auf die einzelnen Stufen in ihrer Unterteilung in a und b in Prozentzahlen.

Stufe Prozen te Prozente Prozente aller der Knaben der M~dchen Versuchspersonen

0

1{; 2/a b

1,4 4,4 1,4

45,7 25,7 12,8 5,8 1,4 1,4

0 8,8 5,8

27,1 28,5

5,8 10,0 0

14,0

0,7 6,4 3,6

36,6 27,1

9,3 7,8 0,7 7,8

tats~chlich si~hen. Fast immer handel te es sich dabei um Personen, ffir die eine besondere Gefiihlsbetonung bestand, meist in positiver, zuweilen aber auch in negativer Richtung. Am h~ufigsten t ra ten solche AB am Abend auf, wenn die Vpn. im Bert lagen, zuweilen in der ])~m- merstunde oder im verdunkelten Zimmer, seltener auch am Tage. In allen F~llen konnte ausgeschlossen werden, daB es sich dabei um hypna- goge bzw. Pseudohalluzinationen handelte, da der Grad der Mfidigkeit keinen EinfluB auf das Auftreten dieser Erlebnisse hatte.

Wi~hrend die im Versuchszimmer ohne Vorlage erzeugten AB yon dem Willen des Beobachters in jeder Beziehung, d. h. beziiglich ihres Auftretens und ihres Verschwindens abh~ngig waren, t ra ten die in der Di~mmerstunde oder am Abend erlebten AB meist spontan auf, wenn die Vpn. an die betreffende Person, den betreffenden Gegenstand oder die betreffende Situation dachten. Die Personen wurden dann meist in der Hal tung und Stellung gesehen, die die Vp. bei der Person in einer fiir sie gefiihlsbetonten Situation beobachtet hatte.

Wenn manche Individuen fiber AB verfiigten, die ohne Vorlage ent- standen, im Versuchszimmer aber willkiirlich keine AB erzeugen konnten, so kommen fiir die Erkli~rung mancherlei Faktoren in Betracht. Schon die Tageszeit, zu der die Untersuchungen vorgenommen wurden, und die dadurch bedingte Helligkeit des Versuchszimmers bildete eine Er- schwerung fiir das Auftreten solcher AB. Da eine MSglichkeit zur Ver- dunklung des Versuchszimmers nicht bestand, wurden die Vpn. auf- gefordert, das AB an eine verhMtnismi~Big dunkle Stelle des Versuchs- zimmers zu projizieren. Es ist die Erzeugung eines AB dabei zuweilen mSglich, wenn die Erzeugung auf hellem Grunde nicht gelingt. Anderer- seits ist zu beriicksichtigen, dab manche der jugendlichen Vpn. sich in Gegenwart des Untersuchers und unter dem Einflusse der Aufgabe

Page 17: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugenda,lter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 257

nicht so zu konzentrieren und nicht so intensiv an den Gegenstand zu denken vermochten, wie sie es allein in der Dunkelheit konnten. W~hrend ferner die AB, die die gugendlichen in der Dunkelheit erlebten, meist spontan auftraten, ohne dab die Vp. die Absicht hatte, ein AB zu erzeugen, muBten im Versuch die Vpn. sich erst die Vorbedingungen ffir das Auf- treten eines AB dadurch schaffen, da]~ sie mit gespannter Aufmerksam- keit an den betreffenden Gegenstand dachten. Durch alle diese Tatsachen wird es verst~ndlich, dab manche Vp. fiber AB ohne Vorlage verfiigte, die aber im Versuchszimmer nicht nachweisbar waren. Man wird auch diese Dinge bei einer Stufeneinteilung beriicksichtigen miissen und in der Annahme kaum fehlgehen, dab die Unf~higkeit, im Versuchszimmer ein AB zu erzeugen, eine geringere eidetische Anlage darstellt, gegen- fiber der Fahigkeit zur Erzeugung yon AB im Versuchszimmer. Es ist zwar die Erzeugung eines AB auf GeheiB im einen oder anderen Fall noch yon anderen Faktoren als nut der St~rke der eidetischen Anlage abh~ngig; diese Faktoren sind jedoch nicht ohne weiteres immer im einzelnen festzustellen und sind anscheinend auch yon geringerer Be- deutung.

Wit haben in den Tab. VII und V I I I unsere Einteilung in dieser Hinsicht erg~nzt. Die m i t a bezeichneten Stufen umfassen die Vpn., die weder zur Erzeugung willkfirlicher AB befi~higt sind noch spontan auftretende AB am Abend beobachtet haben, die unter b bezeichneten umfassen die Vpn,, die wohl spontan auftretende AB in der Dunkelheit bemerkt haben, aber nicht die Fahigkeit zur Erzeugung willkiirlicher

Tabelle VII.

Die Verteilung des gesamten Untersuchungsmateria]s, sowie der Knaben und M~tdchen gesondert, auf die einzelnen eidetischen Stufen in ihrer Unterteilung in

a, b undc in absoluten Zahlen.

Stufe I Knaben

0 1 1 / ~

1 1 1

al 26 e b! 6

e 18

,3 b 2 c 4 {o o

4 b 1 c 1

Z. f. d. g, Neur. u. Psych. LXXXVIII.

M~idchen S~imtliche Versuchspersonen

1 4

11 8

20 2 2 7 0 0

10

2 5

37 14 38 9 4

11 0 1

ll

17

Page 18: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

258 S. Fischer und II. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

Tabelle VIII .

Die Verteilung des gesamten Versuehsmaterials sowie der Knaben und M~dchen auf die einzelnen eide- tisehen Stufen in ihrer Unterteilung in a, b mad c

in Prozentzahlen.

Stufe Prozente Prozente Prozente s~mtl. der Knaben der M~idchen Versuchspersonen

0 1,4 0 0,7 ! 2,8 7,0 5,0

1 1,4 1,4 1,4 1,4 5,8 3,4

! 37,2 15,9 26,4 2 8,6 11,5 10,1

25,8 28,6 27,2 a 10,0 2,8 6,4

3 b 2,8 2,8 2,8 c 5,8 10,0 7,8 a 0 0 0

4 b 1,4 0 1,0 c 1,4 14,2 7,8

AB im Versuehszimmer haben; die unter c genannten umfassen solche Vpn., die sowohl zur willkfirliehen Erzeugung von AB befi~higt waren und auch spontan ohne Vorlage auftretende AB bemerkt hatten.

Die Verteflung der prozentualen Beteiligung der Individuen, die fiber spontan auftretende AB ohne Vorlage verffigen, auf die einzelnen Stufen zeigt naehstehende TabeUe:

Tabelle I X .

Es verfiigen fiber spontan ohne Vorlage auf- tretende AB in Prozenten

Stufe Knaben M~idchen S~tmtliche Versuchs-

personen zusammen

0 0 0 0 1 50 5O 50 2 50 71,8 58,4 3 46,2 81,8 62,5 4 10O 100 100

Abgesehen yon dem Weft, der bei den Knaben in Stufe 3 angegeben ist, zeigt sich durchg~ngig, dal3 die Fi~higkeit parallel geht mit der im Experiment mit Vorlage nachgewiesenen eidetischen Anlage. Die eine bestehende Ausnahme scheint nieht hoch zu bewerten sein, wenn man die absoluten Zahlen in Betracht zieht. Es fMlen ni~mlieh in diese Rubrik bei Stufe zwei 24, bei Stufe drei 6.

I m Anschlul3 an die Frage nach den spontan auftretenden AB ohne Vorlage stellten wir lest, wie viele yon unseren Jugendlichen im ring-

Page 19: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k~rperlichen Merkmalen. 259

lichen Leben nach Betrachten yon Gegenstgnden der Au[3enwelt AB be- obachtet hatten. Es sollte hierdurch untersucht werden, ob und wie viele von den Vpn., die fiber die Fahigkeit zur Erzeugung von AB naeh Vorlage im Experiment verffigten, diese Phanomene auch im Leben schon beobachtet hatten, und wie sich diese Vpn. auf die einzelnen Stufen verteilen. Bekanntlich machen wir selten unsere Erlebnisse zum Gegenstande unseres GegenstandsbewuBtseins oder anders ausgedrfickt: wir treiben keine Selbstbeobachtung. Erst dann, wenn ein Erlebnis- inhalt irgendwie sich yon den anderen Erlebnissen heraushebt, schenken wir ihm reflektierend unsere Aufmerksamkeit , und so wird er zum Gegenstand unseres Gegenstandsbewul~tseins, oder wir beachten ihnl). Es stand zu erwarten, dab die AB nach Betrachten yon Gegenstanden um so haufiger bemerkt werden, je starker die eidetische Anlage aus- gepragt war. Wie die tolgende Tabelle zeigt, entsprachen die fest- gesteUten Zahlen dieser Annahme.

TabeYle X. Die Verteilung der yon den Versuehspersonen im Leben naeh

Betrachten yon Gegenst~ndrn bemerkten AB auf die Stufen.

Zahi (,er iu ctJe ~t~fe D a v o n haben AB nach Das s ind

Stufe fa l lenden Versuchs- Be t r ach ten v o n Gegen- personen s t anden b e m e r k t p ro H u n d e r t

1 14 89 24 12

0 4

42 15 12

0 28,6 47,2 62,5

100

Wahrend samtliehe Individuen der Stufe 4 AB bemerkt hatten, n immt ihre Zahl mit absteigender eidetischer Anlage ab. Je st~irlcer also die eidetische Anlage ist, desto h~iu[iger wird sie yon dem Trdger der- selben beme~kt. I)araus daft jedoch nicht geschlossen werden, dab die nach Vorlage auftretenden AB als fremd oder stSrend empfunden wer- den. Denn bekanntermaI~en werden auch yon Nicht-Fachpsychologen und nicht reflektierenden Menschen leicht beobachtbare Erlebnisse, wie etwa optisehe Vorstellungen, zu Gegensti~nden des Gegenstands- bewuBtseins gemacht, ohne dab damit diese Erlebnisse als stSrend oder auch nur als eigenartig empfunden werden. Andererseits ist es bekannt, dab schwer beobachtbare Erlebnisse, wie etwa die unanschauliehen, nur dann Gegenstand der Aufmerksamkeit werden, wenn sich die Selbst- beobachtung diesen Erlebnissen zuwendet und der Beobachter eine gute Fahigkeit zur Selbstbeobachtung besitzt. Man wird also schlieBen

1) Husserl, Logische Untersuchungen, II. -- PlUnder, Einleitung in die Psycho- logic 1904. -- S. Fi,cher, Die sogenannten BewuBtseinsstSrungen. Arch f. Psychiatr. eT. 1923.

17"

Page 20: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

260 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

diiffen, dab das AB, das nach Vorlage auftritt , ein leicht zu beobachten- des seelisches Erlebnis ist, und zwar um so leichter, je deutlicher und ausgepri~gter es auftritt. --

Die AB der einzelnen Vpn. unterseheiden sich nicht nut beztiglich ihrer Deutlichkeit und der Sichtbarkeit yon Einzelheiten, wie sie in der Stufeneinteilung zum Ausdruck kommt, sondern auch bezfiglich der F~irbung. Beriicksichtigt sollen dabei nur die AB werden, die im Experiment nach Betraehten der Vorlage entstehen. Die AB zeigten entweder urbildm~Bige (u) Fi~rbung, komplement~re Farben (]c) oder eine graue bzw. schwarz-weiBe F~rbung mit oder ohne Schattierungen (g). Die zuwerien beobachtete u. a. yon E. R. Jaensch und Herwig 1) hervorgehobene bl~uliche Tingierung der Farben soll hier nicht besonders beriicksichtigt werden. Es fand sich diese zumeist nur als F~rbenton einer anderen Grundfarbe, meist bei grfin. AuBer den genannten 3 Unterschieden in der F~rbung kamen noch Kombinationen derselben vor, und zwar meist bei ein und demselben Bride. Es fanden sich AB yon gleiehzeitig grauer und urbfldmi~Biger Fi~rbung (gu) oder auch mit gleichzeitig komplementi~rer F~rbung (]cgu) oder auch kom- plement~re Farben zusammen mit urbridm~Biger (]cu) oder mit grauen FarbtSnen (kg). :Die Hi~ufigkeit, mit der die verschiedenen Farbungen bei den yon uns Untersuchten vorkommen, zeigt Tab. XI.

Tabelle XI. Die Verteilung der Farben der im Experiment n~ch Vor- lage erzeugtenAB auf die Versuchspersonenin Prozenten.

Von den tiber AB im Experiment verftigenden Versuchspersonen entfallen in Prozenten auf

Farbe Knaben M~dchen S~imtliche

Versuehspersonen

gu ~u ku g

k

4,8 0 O 6,4 8

33,9 46,8

12,2 7 1,7 5,2

17,5 38,6 17,5

8A 3,4 0,8 5,9

12,6 36,1 32,8

Aus dieser Aufstellung wird man keine Schlfisse ziehen k6nnen, da die Verteilung auf die einzelnen Stufen bei ihr nicht beriieksichtigt sind, diese aber, wie sich zeigen wird, yon EinfluB auf die F~rbung sind. Wenn also kg hier als h6ehster Wert mit 36,1% notiert ist, so besagt das wohl, dab diese Kombination von komplementi~rer und grauer Fi~rbung bei unseren Vpn. am hi~ufigsten vorkam, aber durchaus nieht, dal~ sie deshalb Such bei den einzelnen Stufen am hi~ufigsten anzutreffen

1) Zeitsehr. L Psychol. 88.

Page 21: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k~rperlichen Merkmalen. 261

ist. Denn es besteht, wie aus Tab. XII hervorgeht, eine gewisse Parallelitgt zwischen Stufe und Fgrbung.

TabeUe XII. Die Verteilung der Faxben der im Experiment naeh Vorlage erzeugten AB auf

die Stufen und innerhalb dieser auf die Geschlechter in Prozentzahlen.

Farbe

U

gu kgu ku g kg k

_ stut~ ~

Knaben[ Mgdchenllnsgesamt

0 0 0

25,0 60,0 81,0 89,7

Stufe

KnabenlMadchen

0 0 3~,3 25,5 25,5 0 0 0 0

75,0 33,3 28,6 90,0 80,0 40,0 77,3 79,0 19,0 80,0 87,2 10,3

14,3 25.0

lOO:O 33,3 10,0 18:2 20,0

Kna 8tufe 4 Insgesamt b~n I M~dchen]Insgesamt

20,0 66,7 85,7 25,0 0 50,0

100,0 0 0 57,1 0 33,3 20,0 0 0 18,6 0 4,5 12,8 0 0

80,0 50,0 0

14,3 0 2,3 0

Die urbildmgl~ige Fgrbung kommt nur bei den hSchsten Stufen und insbesondere bei Stufe 4 vor; auch gu zeigt mit steigender Stufe eine sti~rkere Betefligung, wahrend kg und/c das umgekehrte Verhi~ltnis auf- weisen. Eine Kombination der an den Enden stehenden Fgrbungen k und u, ngmlich/cu, zeigt erwartungsgemgB mittlere Werte in der Ver- teilung auf die einzelnen Stufen. Die graue Fgrbung hat ihren hSchsten Wert bei Stufe 2, einen geringeren bei Stufe 3, wi~hrend sie bei Stufe 4 nicht auftritt . Sie steht demnach in der Mitre zwischen u und k. Der hohe Wert fiir die kg-Fi~rbung in Tab. XI erklgrt sich somit aus der groBen Zahl der Vpn., die zur Stufe 2 gehSren.

Bedeuten die Werte der Tab. XI I eine Besti~tigung fiir das Prinzip der Stufeneinteilung, so li~I~t sich andererseits auch einiges fiir die Auf- fassung der bei den AB auftretenden Farben daraus schlieBen. Da die komplementi~ren AB am hi~ufigsten bei Stufe 2 -- iiberhaupt nicht bei Stufe 4 -- auftreten, die urbildmgBig gefarbten das umgekehrte Verhalten aufweisen, ist der SchluI~ berechtigt, dab die komplement~iren AB au] eine geringere Stu/e, die urbildmdflig ge/drbten au/ eine hohe Stu/e der eidetischen Anlage hinweisen. Das schwarz-weil~ bzw. grau ge/~irbte AB steht entsprechend den mitgeteilten Werten zwischen den kom- plement~ren und urbfldmgi~igen AB und deutet au] eine mittelstarke eidetische Anlage hin.

Diese Sgtze, die auf Grund von Tab. XI I gefunden wurden, finden eine weitere Stiitze durch eine andere ]~berlegung. Nach den Unter- suchungen yon E. R. Jaensch und seinen Schiilern steht das AB hin- sichtlich der ihm zukommenden Eigenschaften zwischen dem VB und NB, und zwar kann ffir jedes einzelne AB bezfiglieh der ihm zukommen- den Merkmale gewissermaBen ein ganz bestimmter Platz auf der Linie V B - - N B angewiesen werden, je nachdem es mehr oder weniger Eigen-

Page 22: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

262 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

schaften des VB oder NB aufzuweisen hat. VB kSnnen nun entweder farbig oder farblos bzw. grau sein. Sind sie farbig, so zeigen sie wohl niemals eine komplement~re, sondern immer eine urbildm~I~ige Far- bung. NB dagegen sind, wenn man yon den selten beobachteten und kurz dauernden positiven NB absieht, immer yon komplement~rer F~rbung. Finder sich bei einem AB urbildmaBige Fi~rbung, so dfiffen wir demnach schliel~en, dal~ es dem VB nahe steht; linden wir kom- plement~re F~rbung, so ist die Beziehung zum NB grSl~er. Da das VB psychonomer Naturl), das NB apsychonomer Natur ist,' daft demnach fiir das urbildmi~]3ig ge]drbte eine 8tdrkere psychonome Komponente, ]i~r das komplement~ire A B eine st~irkere apsychonome Komponente angenom- men werden.

Hinsichtlich der grau ge/drbten A B liegen die Verhi~ltnisse etwas schwieriger. Man daft auf Grund der Ergebnisse der Vorstellungs- psychologie vielleicht annehmen, dab die farbigen VB einem sti~rkeren optischen Reproduktionstypus zukommen als die farblosen bzw. grauen. Untersuchungen fiber die Bedeutung der Farbigkeit ffir die Sti~rke des optischen Reproduktionstypus liegen, sower wir sehen, allerdings nicht vor. Immerhin dfirfte es berechtigt sein, dementsprechend die grauen AB als Zeichen einer geringeren eidetischen Anlage als die urbildmgI3ig gefarbten anzusehen. Erscheint es damit auch schon wahrscheinlich, dab die grau gefi~rbten AB auf eine sti~rkere eidetische Anlage hinweisen als die komplement~ren, so erhi~lt diese Annahme noch eine weitere Stfitze durch Beobachtungen, die wir bei den Untersuchungen recht hi~ufig machen konnten. Durch die Jaenschschen Untersuchungen wis- sen wir, dal~ das GB die Tendenz hat, auf eine hShere Gedi~chtnisstufe zu steigen, wenn auf die Vp. ein StSrungsreiz ausgefibt wird. Wir fanden nun h~ufig, da~ ein komplementi~r gefgrbtes AB seine Farbe verlor und grau wurde, wenn die Vp. durch einen starken Pfiff gestSrt wurde. Die Anni~herung des AB an das VB dokumentierte sich also u. a. durch den Verlust der komplementgren Farbe. --

Bei den AB, die die Vp. im Versuchszimmer ohne Vorlage will/ci~r- lich erzeugte, Ph~nomene also, deren psychonome Natur auBer Frage

1) Vgl. G. E. Mi~ller, Zur Analyse der Ged~ehtnist~tigkeit und des Vorstellungs- verlaufs 3, w 124. Leipzig 1913. ,,Auf psychonomen Ursaehen beruhend odor einen psychonomen Verlauf nehmend sind die Erregungen des Reproduktionsmecha- nismus, sower sie den Gesetzen entspreehen, die sich vom psychologischen Stand- punkte aus fiber das Eintreten, die Starke und das Zusammenwirken yon Re- produktionstendenzen aufw lassen... Von apsychonomen Beeinflussungen des Reproduktionsmechanismus reden wir, wenn die reproduktiven Funktionen seiner Teile durch Vorg&nge angeregt oder gehemmt, begfinstigt oder bonaeh- teiligt werden, deren Wirksamkeit in den Gese~zen, die sich vom rein psycho- logischen Standpunkte bus" fiber die Vorstellungsreproduktion aufstellen lassen, nieht mir zum Ausdruck kommen kann."

Page 23: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 263

steht, wurde nur die urbildm~l~ige oder graue F~rbung angegeben, niemals eine komplement~re F~rbung oder eine Yffischung der kom- plement~ren mit anderen Farben. Es geht auSerdem aus Tab. X I I I hervor, da$ diejenigen Vpn., deren AB nach Vorlage urbildmal~ig ge- f~rbt waren bzw. eine Kombination yon urbildm~$iger und grauer

Tabelle XIlI . Die Verteilung der F~higkeit zur Erzeugung yon willkiirlichen AB im Versuchsraum auf die Farbbeschaffenheit der im Experiment

erzeugten AB bei den einzelnen Versuchspersonen.

Zahl der Versuchs- Davon haben die F~hig- Farbe personen mit im Ex- keit zur Erzeugung will- Das sind yore

des AB periment erzeugten AB kiirlicher AB im Ver- Hundert I dieser Farbe suchsraum

~t

9u ~u ku g

k

10 4 1 7

16 43 44

9 4 1

o 3 5

23 15

90 100 100 42,8 32,5 53,5 29,3

Farbe aufwiesen, am haufigsten zur Erzeugung willktirlicher AB ohne Vorlage bef~higt waren, w~hrend die Vpn., deren AB nach Betrachten einer Vorlage eine komplement~re F~rbung zeigten, sich in einem weir geringeren Prozentsatz zur Erzeugung willkiirlicher AB bef~higt er- wiesen. Die Vpn. mit grauen AB nach Vorlage stehen in dieser Be- ziehung wiederum zwischen denjenigen Vpn. mit k- und g-Bildern. Es spricht also auch dieses Ergebnis fi~r die Annahme, dab das grau gef~rbte AB seine Stellung zwischen dem urbildmgBig und dem kom- plement~r gefarbten hat.

Man wird demnach sagen d~r]en, daft ein nach Vorlage erzeugtes AB ~tm so nd~her dem VB steht und a~tf eine urn so stgrkere eidetische Anlage hinweist, ~e ausgeprdigter seine urbildmg[3ige Fdirbung ist, und umgekehrt, daft es um so ngher dem N B steht und aui eine ~tm so geringere eidetisehe Anlage hinweist, ~e ausgeprdgter seine komple~nentd~re Fdirbun 9 ist. Die grauen riB nehmen eine Mittelstellung zwischen den urbildm~flig und komplement(ir ge]dirbten AB ein, stehen abet den VB ndiher aIs den NB.

Die Verbreitung der eidetischen Anlage.

Bei 139 yon 140 untersuchten Jugendlichen -- das sind 99,3% -- hatten wir eine eidetische Anlage festgestellt, d. h. yon s~mtlichen Vpn. gehSrte nur eine einzige, ein 17j~hriger Knabe, zu Stufe 0. Durch diese Tatsache wird eine Annahme bestatigt, die E. R. Jaensch ausgesprochen, aber noch nicht bewiesen hatte, dab n~mlich die eidetische Anlage ein

Page 24: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

264 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

allgemeines und allen Jugendlichen zukommendes Merkmal sei. Der eine Fall, bei dem keinerlei eidetisehe Symptome, also weder AB noch. irgendwelehe AB-Stigmen beim NB naehgewiesen werden konnten, kann als Gegenbeweis nieht herangezogen werden. Diese Vp. ha t t e ein Alter von 17 Jahren, ein Lebensalter, irf dem die eidetische Anlage sieh meist nicht mehr in starker Auspr~gung zeigt. Zudem war dies ein Knabe, der in kSrperlicher und geistiger Beziehung durehaus als dem Jugendalter entwaehsen angesehen werden konnte. Man wird in der Annahme nicht fehlgehen, daft in diesem Falle die Phase der eidetisehen Veranlagung bereits abgeklungen war. Es ist dies um so wahrscheinlieher, als es sich hier um eine mi~nnliche Vp. handelt, und bei den mi~nnliehen Individuen die eidetische Anlage nach unseren Umfragen bei i~lteren Individuen eher zu verschwinden scheint als bei den weibliehen. Die eidetische Anlage dar] also als ein allen Jugendlichen zukommendes Mer]cmal angesehen werden. Damit ist aber noch nieht ausgesprochen, daft s ~ t l i e h e Jugendlichen auch fiber A:B verffigen; denn die zur Stufe 1 gehSrigen sind zwar eidetisch, aber nicht imstande, AB zu erzeugen. Man wird vermuten diirfen, dab die zu dieser Stufe GehSrenden friiher einmal auch zur Erzeugung yon AB fi~hig waren oder die Fi~higkeit noeh erhalten werden. Wie lange diese Fi~higkeit iiberhaupt anhi~lt, ist eine weitere Frage, die noch der Kli~rung bedarf. Es seheint, als ob innerhalb weniger Wochen die Anlage zum Abldingen kommen kann. Bei einzelnen unserer Vpn., die zur Stufe 4 gehSrten, konnten wir bei einer zu anderen Zwecken vorgenommenen Nachunter- suehung nur noch eine geringe eidetische Anlage nachweisen. Diese Vpn. gaben uns an, daft sic einige Zeit nach den Untersuehungen kaum mehr AB bemerkt h~tten, und waren aueh nicht mehr imstande, AB wfllkfirlich zu erzeugen. Den Verlust beklagten sie fibrigens ebenso- wenig, wie er ihnen erwfinseht war.

Ist nun die eidetisehe Anlage eine allgemeine Erseheinung der Jugend- lichen, so ist doeh die Feststellung yon Wichtigkeit, in welehen Lebens- jahren diese Anlage ihre sti~rkste Auspri~gung zeigt. Fiir die Beant- wortung dieser Frage gentigt es nieht, die Verteilung der ausgepri~gten eidetischen Anlage, also unserer Stufe 4, auf die verschiedenen Alters- stufen zu untersuehen, sondern, um ein einwandfreies Bild zu bekom- men, mfissen die anderen Stufen ebenfalls hierffir herangezogen werden. Die LSsung dieser Aufgabe stSl~t nun insofern auf eine gewisse Sehwierig- keit, weft es nieht ohne weiteres mSglich ist, die 4 Stufen der eidetisehen Anlage auf einen Generalnenner zu bringen und andererseits die Ver- teflung der einzelnen Stufen auf die verschiedenen Jahrgi~nge kein tref- fendes Bild ergibt.

Aus diesem Grunde sei zun~chst die Verteilung der einzelnen Stufen' auf die verschiedenen Jahrgi~nge dargestellt:

Page 25: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k(irperlichen Merkmalen.

K u r v e 1. S t u f e 0.

265

�9 . Lgben~calter JaDing K u r v e 2 . S t u f e 1.

Die Verteilung der Stufe 1 auf die verschiedenen Jahrggnge (Kurve 2) zeigt eine Beteiligung der Lebensalter yore 9.--12. und 14.--18. Lebens- jahre.

Die Kurve ist insofern instruktiv, als sie zusammen mit Kurve 1, die die Verteilung der Stufe 0 darstellt, darmt, da6 die Jahrgdinge vom 12.--14. Lebens~ahre sich nicht an niederen Stulen der eidetischen Anlage beteiligen.

Die gesonderte Darstellung der m~nnlichen und weiblichen Indi- viduen, die zu Stufe 1 gehSren (Kurve 3), zeigt im wesentlichen eine Parallelit~t der Geschlechter.

Im Gegensatz dazu zeigt die Stufe 2 (Kurve 4) und ebenso die

75

_~ 3 Io lq lz 15 qq 15 16 17 18 LabeNsa/teP Jaht,~o ~'~q 10 lq f2 1~ 1~ 15 16 17 13

K u r v e 8 . S t u f e 1. Lgbensa/ tep J a h p e - - - K n a b e n . - - - M a d c h e n . K u r v e 4, S t u f e 2.

f ~

Stufe 3 (Kurve 6) eine ausgesprochene Hebung vom 12.--15. Lebens- jahre. Wesentliche Unterschiede in der Verteilung dieser beiden Stufen auf die Geschlechter finden sich in Kurve 5 und 7 nicht.

..... I 1 I ~ ~ lo 1, 72 ~; *~ *5 le ,~ 7, \ Lebg~sa/ tep J a h f e

K u r v e 5 . S t u f e 2 . - - K n a b e n . - - - M g d c h e n .

01 t I l t I I ~ I ,q lg 11 12 13 14, 15 16 r7 18 geben3oltep J a h r e

Kurve 6. 8tufe 8.

Die h5chste Erhebung in Kurve 8, die die Verteilung der Stufe 4 darstellt, finder sich auffallenderweise im 16. Lebensjahre, wghrend

_~ 3 ;o ;'1 lZ 13 z~ 15 7'6 z7 1,~ LelJen3olfef, ,.?ghz'e

Kurve 7. Stufe 8. Knaben. - - M~ldchen.

5 i i

Kurve 8. Stufe 4.

Page 26: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

266 S. Fischer und H. Itirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

sieh bei den 15 und 17ji~hrigen die Stufe 4 niemals land. Ob und in- wieweit diese Erhebung Ansprueh auf allgemeine Gfiltigkeit erheben

K u r v e 9. S t u f e 4 .

- - K n a b e n . - - - M ~ i d c h e n .

4~

3,5

jO

.25

qO

,, \ / I - ' I /

/

5 I l. ebensa#eP ~.l-ahP@

K u r v e 10. S t u f e 1 - - 4 .

20 J . , , , / /

" "21

~5

J

v3 10 I! IZ t3 I~ 15 Is 17 78 L ebensa#eP Jahre

K u r v e 11. S t u f e 1 - - 4 ,

--- K n a b e m - - - M ~ l d c h e n .

daft, stellen wir in Zweifel, da die Ge- samtzahl der zur Stufe 4 geh6rigen Indi- viduen unter unseren Vpn. im ganzen nur 12 betrug. Wesentlich aber und eine Best~tigung der aueh aus den vor- hergehenden Kurven gewonnenen Re- sultate ist die wohl nicht zufi~llige und ungefi~hr gleiehmi~Bige Beteiligung des 11.--14. Lebensjahres und auBerdem die Tatsaehe, dab im 9. Lebensjahre sich gar keine Individuen mit ausge- sproehen eidetiseher Anlage fanden. Da yon den Jugendlichen, die zu Stufe 4 gehSren, nur 2 dem mi~nnliehen Ge- schlecht angehSrten, wird man auf die gesonderte Kurve (Kurve 9) ffir die mi~nnlichen Individuen ebenfalls nieht groBes Gewieht legen dfirfen. Die Kurve der weibliehen Individuen weist im wesentliehen dieselbe Form auf wie diejenige fiir beide Geschleehter zu- sammen.

Ein klares Bild der Verteilung der eidetischen Anlage fiber die versehiede- nen Altersstufen ist aus diesen einzel- nen Kurven nicht ohne weiteres zu ersehen. Um wenigstens ein an- ni~herndes Bild darfiber zu erhalten, haben wir in Kurve 10 und 11 ver- sueht, alle Stufen der eidetischen An- lage, d. h. also Stufe 1--4, zu ver- einigen. Es sind diese allerdings mit einem gewissen VorbehaR zu bewerten. Wir multiplizierten zu diesem Zweeke die Anzahl der Individuen, die zu einer best immten Altersstufe geh6rten, mit der Ziffer der Stufe und glaubten so ungefi~hr dem Werte der einzelnen Stufen gerecht geworden zu sein.

GehSrten also 3 Jugendliche zu Stufe 1, so ergab das 3 Punkte, 8 zu Stufe 2 = 16 Punkte, 2 zu Stufe 3 = 6 Punkte, 1 zu Stufe 4 ~ 4 Punkte,

Page 27: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k~)rperlichen Merkmalen. 267

das sind zusammen 29 Punkte. Nach diesen Gesichtspunkten zu- sammengestellt ergab sieh Kurve 10. Es zeigt sich hier dasselbe Re- sultat, das sehon aus den anderen Kurven erschlossen wurde, dab niimlich die Verbreitung der eidetischen Anlage am st~rksten etwa vom 12.--14. Lebensjahre ist. Wie Kurve 11 zeigt, gehen dabei die beiden Geschlechter im wesentlichen parallel; die weiblichen Individuen zeigen jedoch vom 11.--17. Lebensjahre eine wesentlieh st~rkere Be- teiligung als die m~nnlichen. Allerdings ist auch bemerkenswert, dab in der Zeit vor dem 11. Lebensjahre die St~rke der eidetisehen Anlage bei dem m~nnlichen Geschlecht grSi~er ist. Aus allen Kurven ergab sich, daft die Akme der eidetischen Anlage zwischen dem 12. und 14. Lebens- ~ahre zu suchen ist. - -

Entsprechend unserer zweiten Au]gabe sind die u sehlieBlich noeh daraufhin zu betrachten, wie sie sich in die yon W. Jaensch untersehie- denen Kategorien der B- und der T-Typen einreihen, und zwar solt in diesem Abschnitt nur von den ~sychischen Mer~malen der von W. Jaensch unterschiedenen Typen die Rede sein.

Die iiberwiegende Zahl der yon uns untersuehten Jugendliehen zeigte entweder eine Mischung der yon W. Jaensch ffir die GB der beiden Typen angegebenen Charakteristiea, oder aber es waren diese Merkmale gar nicht oder in nur geringem Grade vorhanden, so dab die Einreihung in die eine oder andere Gruppe nicht m(iglich war. Unter den Misch- lormen fanden sieh z. B. AB von urbildmi~Biger Fi~rbung, die als an- genehm empfunden wurden, willktirlieh erzeugbar und dreidimensional waren, eine Veri~nderliehkeit dagegen nieht aufwiesen; die dazu ge- hSrigen NB waren yon langer Dauer (z. B. 4 Min.) und periodiseh sehwindend und wiederkehrend. Oder die AB waren yon komplemen- t~rer und gleiehzeitig grauer Farbe, willkiirlich erzeugbar, vollkSrper- lieh, wurden aber v o n d e r Vp. stSrend empfunden. Es kSnnten noeh vielerlei solcher Misehformen angefiihrt werden. Zur Untersuehung der yon Jaensch aufgestellten Einteilung sind jedoch nur die reinen Fcrmen verwendbar.

Von den untersuehten 140 Vpn. zeigten die AB von 5 Vpn. die Eigensehaften, die den AB der B-Typen zukommen sollen. Es waren hier die AB yon sehr groBer Deutliehkeit, vollkSrperlich, veri~nderlieh in der GrSBe und willkiirlieh erzeugbar; das Auftreten dieser AB wurde yon den betreffenden Individuen als angenehm empfunden. Von diesen 5 Individuen war eins ein Knabe von 9 Jahren, die anderen 4 waren M~dchen im Alter yon 12, 13, 14 und 16 Jahren. Ihrer eidetisehen Anlage nach gehSrten die 4 Madchen zur Stufe 4, der Knabe zur Stufe 3. Wenn aueh die AB des Knaben naeh Exposition einer Vorlage diese nicht vollsti~ndig wiedergaben, sondern nur Teile derselben, so glauben

Page 28: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

268 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

wit doch.berechtigt zu sein, diesen Fall hier einzureihen, da die Teile des Expositionsobjekts, die im AB wiedergesehen wurden, mit groSer Deutliehkeit und allen Einzelheiten erschienen. Die AB aller 5 Personen zeigten urbildm~$ige F~rbung.

AuSerdem fanden wir 6 weitere Vpn., 4 M~dchen und 2 Knaben, die nieht ganz den yon Jaensch geforderten Bedingungen entsprachen, die aber vielleieht noeh hierher gereehnet werden diirfen. E ine yon diesenVpn., ein 16 j ~hriges Madchen, hatte auSerordentlieh deutliche und urbildma$ig gef~rbte AB; sie war jedoeh nieht imstande, diese willkfirlich zu ver- ~ndern. Aueh StSrungseinflfissen gegeniiber blieben ihre AB unver- ~ndert. Ein zweites 16j~hriges Madchen, deren AB sonst in jeder Be- ziehung dem B-Typ entspraehen, sah die AB nach Vorlage sowohl wie aueh die willkiirlich erzeugten nicht vollk6rperlich, sondern fl~chenhaft, wie sie sich ausdrfiekte, filmartig. _&hnlieh verhielten sich die AB eines llj~hrigen M~dchens, deren AB ebenfalls fl~chenhaft und nicht k6rper- lieh waren. Ein 14j~hriges Madehen hatte AB, die neben der urbild- m~Bigen aueh graue Farbung aufwiesen, und geh6rte ihrer eidetisehen Anlage nach zur Stufe 3. Von den beiden Knaben, die in diese Kategorie einzureihen sind, hatte tier 16j~hrige AB, die nieht kSrperlich sondern flachenhaft waren; er empfand auch die AB weder als besonders reiehe Gabe, noch st6rten sie ihn ; diese Erseheinungen waren ihm gleiehgfiltig. Der zweite hierher geh6rende Knabe, ein 9j~hriger, hatte AB yon urbildm~$iger und gleichzeitig auch komplement~rer F~rbung; er ge- hSrte seiner eidetisehen Anlage naeh zur Stufe 3.

Bevor auf die yon uns gefundenen Vpn. mit eidetischer Anlage, die dem T-Typus entspreehen soil, eingegangen wird, ist es erforderlieh, zun~ehst festzustellen, was unter einem lang dauernden NB zu ver- stehen ist, da dieses zu den Stigmen dieses Typus geh6ren soil. W. Jaensch selbst macht darfiber keine Angaben. Naeh unseren Ergebnissen schwankt die Dauer des N B zwisehen gr6$ter Flfichtigkeit und einer Dauer yon mehr als 7 Min. Die Mehrzahl der Jugendliehen sah die NB etwa 2 Min. 30 Sek. Die Dauer des NB fiber 2 Min. 30 Sek. sehen wir deshalb als verlangert an. Ein NB fiber 3 Min. Dauer darf naeh unseren Ergebnissen als besonders lang naehdauernd angesehen werden, l~ber die Dauer des NB bei dem sog. B-Typ sagt W. Jaensch niehts aus; aus diesem Grunde haben wit auch diesen Punkt bei der obigen Aufstellung nicht beriicksichtigt. Es sei jedoch erw~hnt, da6 naeh unseren Erfahrungen die Dauer des NB unabhangig davon ist, ob die AB dem einen oder anderen Typ entsprechen, meist ist es yon um so ld~ngerer Dauer, ~e stdirker die eidetische Anlage ist. Die lange Dauer des NB kann also nicht charak- teristisch ffir die T-Typen sein.

Unter unseren si~mtliehen Vpn. land sieh keine einzige, deren AB in jeder Beziehung den Bedingungen entsprach, die W. Jaensch ffir

Page 29: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k(irperlichen Merkmalen. 269

diese Typen fordert. Eines der Stigmata, die diesen AB zukommen sollen, soll das Geffihl der Fremdheit bei ihrem Auftreten sein; es sollen diese AB nicht in den Vorstellungsablauf hineinpassen und die Vp. stSren. In l~bereinstimmung mit H. Henning 1) sei darauf hingewiesen, dab die Fremdheit und das StSrende des AB aueh nach unseren Erfahrungen nicht yon der PersSnlichkeit des Beobachters abhi~ngig zu sein scheint, und dab diese Eigenschaften des AB h~ufig, mehr durch inhaltliche als formale Eigenschaften des AB bedingt sind. Die anderen yon Jaensch ffir diesen Typ geforderten Eigenschaften, wie Starrheit, d. h. Unver~nderlichkeit durch StSrungsreize oder durch den Willen der Vp., Zweidimensionaliti~t und nicht willkfirliehe Erzeugbarke i t finden sich bei unseren Vpn. des 5fteren; alle zu- sammen jedoch in keinem Falle. Die Kombination yon fl~chen- halter Ausdehnung und Unveri~nderlichkeit des AB konnte in 17 F~llen festgestellt werden. Von diesen Vpn. waren aber entweder AB noch niemals bemerkt und deshalb natfirlich nicht stSrend empfunden worden, oder aber sie wurden sogar Ms angenehm empfunden; einem anderen Teil dieser Vpn. war es mSglich, AB spontan zu erzeugen. Mit diesen Feststellungen soll nicht bestritten werden, dal~ es tats~ehlich PersSnlichkeiten gibt, bei denen alle von W. Jaensch ffir den T-Typ geforderten Eigensehaften der AB vorhanden sind.

2. Spezielle Ergebnisse der Tsychologischen Untersuchung.

Neben den mitgeteilten Zahlenwerten zeitigten die Untersuehungen noch vielerlei spezielle Ergebnisse fiber die einzelnen GB. Im einzelnen konnten diese und die sich daran anschlieBenden Problemstellungen hier nicht genauer verfolgt werden. Ungeachtet dessen sollen die Resultate, die sich fiber die Verhaltungsweise der einzelnen GB ergaben, hier noch insoweit mitgeteilt werden, als sie eine Ergi~nzung der von E. R. Jaensch und seinen Schfilern gefundenen Gesetze bieten. Zu diesem Zwecke sollen nacheinander das VB, das AB und schliel~lieh das NB besprochen werden.

Die Vorstellungsbilder. Um den jugendlichen Vpn. klarzumachen, was man unter einem

VB versteht, wurde ihnen zuni~chst gesagt, sie sollten einmal an den Vater, die Mutter oder einen Sehulgenossen denken und angeben, ob sie dabei innerlich die betreffende PersSnlichkeit sich vorstellen oder ,,denken" kSnnten. Die FShigkeit zu optischen Vorstellungen fiberhaupt konnte auf diese Weise bei allen Vpn. mit Ausnahme yon zweien nach- gewiesen werden. Eine dieser beiden -- ein 9j~hriger Knabe -- war nicht imstande, einen Unterschied zwischen einem AB und einem VB

1) H. Henning, Starre eidetische Klang- und Schmelzbilder und die eidetische Konstellation. Zeitschr. f. Psychol. 92, 34. 1923.

Page 30: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

270 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

zu machen. E r gab spon tan an, ,,ich sehe alles, was ich denke" . VB und AB b i lde ten in d iesem Fal le , wie sich auch aus den E x p e r i m e n t e n mi t Vorlage ergab, eine n ich t zu differenzierende Einhei t , und es ni~hert sich diese Vp. deshalb dem yon Krellenberg 1) beschr iebenen Einhe i t s - t yp . Die andere Vp. - - ein l l j~hr iger K n a b e - - ha t t e im Gegensa tz dazu i i be rhaup t n ich t die Fi~higkeit zur Erzeugung opt ischer VB. Seiner e idet ischen Anlage nach gehSrte er zu Stufe 2. Die nach Vor lage er- zeugten A B waren yon komplementi~rer Fi~rbung; willkiir l ich k o n n t e

er A B jedoch auch n ich t erzeugen.

Ftir die Frage nach den Beziehungen zwischen dem optischen VorsteUungs- verm6gen und der eidetischen Anlage auf optischem Gebie~ ist die Frage yon Wichtig- keit, ob es Individuen gibt, die eine eidetische Anlage aufweisen, ohne die F~hig- keit zur Erzeugung von optischen Vorstellungen zu besitzen. Dieser eine Fall kann als Beweis fiir die Unabh~ngigkeit der beiden F~higkeiten voneinander noch nicht angesehen werden. Mit einer solchen FeststeUung w~re allerdings die Aufgabe nicht erschSpft. Es mill]ten hier die quantitativen und qualitativen Unterschiede dieser beiden F~higkeiten in ihrcr Parallelit~t zucinander unter- sucht werdcn. Bei unseren Experimentcn haben wir dies damit versucht, dal~ wir fiber die Deutliehkeit insbesondere aber fiber die Farbvorstellungen kurze Erhebungen machten. Aul]er der oben genannten Vp., die anscheinend fiber sehr schwachc optische VB verffigte, gelang cs, sower es sich bei den Jugend- lichen in der kurzen Zeit feststellen lieB, einer Vp. tiberhaup~ niche, farbige Vorstellungen zu erzeugen, 3 anderen nur sehr schwer und unausgiebig. Alle 4 Vpn. gehSrten zur Stufe 2. Die erste dcr Genannten hatte nach Vorlage von Bildern komplement~r und grau gef~rbte AB und auch die F~higkeit, AB will* kiirlich zu erzeugen. Die anderen 3 Vpn. konnten die AB nur mit groBer Miihe farbig sehen. Dagcgen waren sie nicht imstandc, AB willktirlich zu erzeugen. Auch hier rcichen die Erhebungen zun~chst dazu nicht aus, etwas Sicheres tiber die Beziehung zwischen optischer Vorstellungsf~higkeit und eidetischer Anlage zu sagen.

Nicht in allen F~llen, wo die Vorstellung yon Personen gelang, waren unsere Vpn. auch imstande, sich das rote Quadra~ vorzustcllen. Indes gelang es iiberraschenderweise nur in wenigen F~llen nicht. Eine Vp. hatte keine Vor- stellungsbilder yon Personen und eine zweite nur farblosc. Dcmgegentiber fanden sich 4 Vpn., denen die/arbige Vorstellung des roten Quadrats nicht mSg- lich war, obwohl sie farbige Vorstcllungen yon Personen hattcn. Es sind dies jedoch nicht dieselben Vpn., denen die farbige Vorstellung von Personen Schwierig- keiten bereitete. Diese Vpn. gehSrten zu Stufe 1 und 2.

Nach allem wird man tiber die Be iehung zwischen optischer Rcploduktions- f~higkeit und eidetischer Anlage nur so viel s~gen kSnn~n, dal3 die F~higkcit zur Erzeugung deutlicher und farLiger VB bei ciner s Stufe der eidctiscl en Anlege bei unseren Vpn. immer gefunden wurde, soweit diese nieht etwa dem Einheitstyp nahestanden und dadurch eine Diffcrcnzierung von AB und VB unmSglich wurde.

Uber die Gr6[3e des VB in der En t f e rnung der Expos i t i on wie auch bei doppe l t em S c h i r m a b s t a n d yon den Augen der Vp. h a t insbesondere Edith Gottheil genaue ~ e s s u n g e n vorgenommen. Die yon Gottheil mit-

1) Zeitsehr. f. Psychol. 88.

Page 31: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kCirperlichen Merkmalen. 271

geteilten Ergebnisse kSmmn wir im wesentlichen bestatigen. Die VB der Mehrzahl unserer Vpn. zeigte eine dem AB nahestehende Verhal- tungsweise, namlieh Wachstum des VB beim ~bergang yon den nahen zu den fernen Stellungen. Indes mul~ hervorgehoben werden, dal~ in manehen Fallen eine Abnahme der GrSi~e des VB mit der Entfernung des Projektionsschirmes stattfindet. Darauf hat in einer kurzen Be- merkung aueh Paula Busse 1) hingewiesen und erwahnt, dai~ naeh Unter- suchungen von E. R. Jaensch die Gr6Be des AB, abgesehen yon gewissen Sonderfallen, mit der Entfernung des Projektionssehirmes gleiehbleibt oder abnimmt oder weniger waehst, als nach dem Emmertschen Gesetz gefordert ware. Es liegen hier also verschiedene Ergebnisse vor. Wir fanden eine sichere Abnahme der Gr61~e des VB bei einer Schirment- fernung von 100 cm in 31 Fallen.

Diese verteilen sich folgendermaSen auf die Stufen: Stufe 0 = 1

,, 1 = 3 ,, 2 = 22 ,, 3 = 1 ,, 4 = 4

Eine Abhangigkeit yon der Starke der eidetischen Anlage li~6t sich hieraus nicht erkennen.

Ffir die Gr6[3e des Nelgungswinkels des VB bei Kopfneigung um 45 o fanden wit die verschie ensten Werte. In vielen Fallen behielt das VB bei Kopfneigung seine ursprfingliche Lage bei (konservativ-topo- mnestisehe Lokalisation im Sinne G. E. Mi/tllers). In einer sehr grol~en Anzahl yon Fallen zeigte das VB auch einen Neigungswinkel, der zu- weilen noeh grSl~er war als derjenige des Kopfes. Manche Vpn. gaben auch an, dab sie sich das VB sowohl geneigt wie aueh in der ursprfing- lichen Lage vorstellen konnten, eine Verhaltungsweise, die auch Gott- hell erwahnt. Eine Abhangigkeit des Invarianzgrades yon der Starke der eidetisehen Anlage las t sieh naeh unseren Protokollen nicht fest- stellen. Bei den verschiedensten Graden der eidetisehen Anlage fanden sich die verschiedensten Winkelgr61~en. Ob eine Beziehung des Neigungswinkels und des leieht anspreehbaren visuellen Vorstellungs- vermSgens besteht, wie es Gottheil wenigstens bei latenten Eidetikern anzunehmen geneigt ist, k6nnen wir auf Grund unserer Ergebnisse nicht entscheiden, doeh scheinen unsere Untersuehungen nicht ohne weiteres daffir zu spreehen.

Bezfighch der Angaben fiber die rliumliche Lage des VB zu dem wahrgenommenen Schirm war es auffallend, da{~ yon unseren samtlichen Vpn. nur 12 das VB abstehend yon dem Projektionsscbirm lokalisierten. Zwei Vpn. konnten eine r~umliche Beziehung zwischen VB und dem

1) Zeitschr. f. Psychol. 84, 36.

Page 32: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

272 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

Schirm iiberhaupt nieht herstellen. Alle fibrigen lokalisierten das VB auf den Projektionsschirm genau so, wie sie den Gegenstand wahr- genommen batten. Auch hier fanden sich keine Parallelen oder Ab- h~ingigkeitsbeziehungen zwisehen der Lokalisation des VB und der St/~rke der eidetischen Anlage.

Die Anschauungsbilder und der eidetische Zustand. Bei vielen unserer Vpn. t raten die AB nicht sofort naeh der Expo-

sition auf, sondern erst nach liingerer Zeit. Ein Intervall yon 7 Sek. zwisehen Entfernung der Vorlage und Auftreten des AB war keine Seltenheit; h~ufig verl~ngerte sich dieser Zeitraum bis 15 Sek. und in einigen FMlen bis 25 Sek. Eine AufmerksamkeitsstSrung daft nach unseren Beobachtungen als Ursache dafiir mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Man wird darum kaum fehlgehen, das verspditete Au/treten der A B als Merkmal dieser GB anzusehen, das aber, wie alle iibrigen, nicht notwendig vorhanden sein mul~. Das NB zeigte zuweilen, jedoch wesent- lich seltener, auch diese Eigenschaft; hier betrug die Versp~tung un- gef~hr dieselbe Zeit yon 4 Sek. bis zu 20 Sek., in den meisten F/~llen 5 Sek. bis 7 Sek. Soweit uns bekannt ist, t r i t t beim erwachsenen Nicht- eidetiker das NB immer prompt, nur selten mit kurzer VerzSgerung auf. Ein versp~tetes Auftreten wird also als AB-Komponente aufzufassen sein, und es ist wahrscheinlich, dal~ ein verspd~tet au/tretendes N B als Beweis ]iir das Vorliegen einer eidetischen Anlage angesehen werden dar/.

Dieses Phi~nomen wurde bei einfachen und komplizierten Vorlagen beobachtet. Bei den letzteren land sich aul~erdem eine Erseheinung, die v. Urbanschitsch auch schon beschrieben hat, ni~mlich die aUradhliche Entwicklung des AB. So war beispielsweise fiir eine Vp. nach Vorlage der Kirche anfangs nur der Turm, sp~ter erst das ganze Gebi~ude sieht- bar; die Blumen unserer Vorlage traten erst allmi~hlich im AB deutlich hervor, nachdem die ganze Form der Vase schon l~ngere Zeit gesehen wurde. Manchmal entwickelte sich das AB aus anderen Gestalten, so z. B. das rote Quadrat aus einem anfangs gesehenen hellgrauen Kreis.

Zuweilen beobachteten wir, dal~ das AB -- und zwar ein urbild- m~l~ig gef~rbtes -- besonders bei einfachen Vorlagen nur nach einer Expositionsdauer von 5 Sek. auftrat. Bei wiederholten Darbietungen, auch mit wesentlich l~ngerer Expositionszeit, War es nicht mehr m5glich, ein AB zu erzeugen. Der Gedanke, dal~ diese GB keine AB, sondern positive NB seien, ]iegt hier sehr nahe, wenn aueh die Entstehungs- bedingungen des positiven NB andere sind. Infolge der meist grol~en Fliichtigkeit gelang es leider nieht, an diesen AB irgendwelehe Messungen auszufiihren. Vielleicht darf man hier an einen tJ-bergang zwischen A B und positivem 2VB denken.

Es ist vorher mehrfach darauf hingewiesen worden, dal~ die Abweichung vom Emmertschen Gesetz yon der Jaenschsehen Schule

Page 33: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k~rperlichen Merkmalen. 273

als ein AB-Stigma aufgefaBt wird. Auf Grund unserer Untersuchungea kSnnen wir diesen Satz bestatigen. Die Abweichung zeigte sich in 54 Fallen. 42 mal blieb das AB kleiner, als es das Emmertsche Gesetz hatte erwarten lassen miissen, 12 real war es grSl~er. Aber auch in der Ent/ernung der Exposition war hdiu/ig schon das A B nicht so grofl wie das Wahrnehmungsobjekt. In 3 Fallen hatte das AB naeh Vorlage des 5 cm grof~en Quadrats eine lineare Ausdehnung unter 5 cm, l lma l eine solche fiber 5 cm.

Der _Neigungswinkel des AB bei Kopfneigung urn 45 ~ blieb 17 real hinter der Kopfneigung zurfick, 7 mal war er grSl~er, 2 mal hatte er .einen negativen Wert. Eine Abhangigkeit der GrSl~e des Neigungs- winkels vonder Stdirke der eidetischen Anlage wurde nieht gefunden.

Sower die Ergebnisse der kurzen Prfiiung fiber den Abstand des AB von dem Schirm Anspruch auf Richtigkeit erheben k5nnen, sprechen sie nicht fiir die allgemeine Gfiltigkeit des yon G6sser 1) aufgestellten Kohdirenzgesetzes, wonaeh das AB bezfiglich seiner Koharenz zwischen dem VB und NB stehen soll. Wir konnten nur 4 mal feststellen, dal~ das AB nieht auf dem Schirm auflag oder sich beim StSrungspfiff yon ihm 15ste. Dieses Ergebnis k5nnen wir jedoch nur mit Vorbehalt als einwandfrei bezeichnen.

Im allgemeinen entspraeh das AB in seiner Form dem Wahrneh- mungsobjekt. Zuweilen aber sahen die Vpn. aueh andere Gestalten, z. B. nach Vorlage des roten Quadrats einen Rhombus oder ein Parallelo- gramm oder unregelmaBige Figuren. Wurde nach Erzeugung eines AB ein zweites anderes Objekt exponiert, so sahen die Vpn. auch manehmal ein AB, das nieht der Gestalt des zweiten, sondern der des ersten Objekts entsprach. Hier maehte sieh also der Einflul~ des vorher erzeugten AB

geltend. In dem allgemeinen Teil wurde bereits fiber die Farbe des AB ge-

sprochen. Deshalb seien hier nur einige Erganzungen hinzugeffigt. Jaensch hat auf die Bevorzugung der blauen Farbung des AB hin- gewiesen. Auch bei unseren Vpn. fanden wir mehrfaeh eine blauliche Tingierung des AB. Besonders maehte sich diese Farbung gegenfiber dem NB bemerkbar. Wahrend das NB des roten Quadrats als ,,ganz grfin" bezeichnet wurde, wurde die Farbe des AB vielfach ,,blaulich- grfin" genannt. Eine Abhangigkeit der urbildmaBigen und komplemen- taren Farbe yon der Art der Vorlage, wie Krellenberg 2) sie angibt, land sich bei unseren Vpn. nieht. Naeh diesem Autor sollen urbildmaBig gefarbte AB bei interessanten Objekten, komplementare bei nieht interessanten auftreten. Unsere Vpn. hatten nach Vorlage des Quadrats haufig positive, naeh Vorlage von komplizierten Objekten

1) G6sser, Zeitschr. f. Psychoh 8~. 2) Zeitschr. f. Psychol. 88.

Z, f. d. g, Ncur. u. Psych . L X X X V I I I . 18

Page 34: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

274 S. Fischer und tI. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

komplement~r gefitrbte AB. Die ohne Vorlage erzeugten AB zeig- ten niemals komplement~re, sondern nur urbildm~Bige oder graue Fi~rbung.

Die ohne Vorlage auftretenden AB wurden sowohl im Versuchs- zimmer als auch naeh den Angaben der Vpn: im t~glichen Leben wesent- lich leichter erzeugt, wenn das Tageslicht gedSmp/t oder schon Dunkel- heit eingetreten war, bzw. wenn der Untergrund dunkel war. Ob das erleichterte Auftreten soleher AB bei dunkler Umgebung darauf zurfick- zufiihren ist, dal~ bei gedi~mpftem Licht die Konzentrationsf~higkeit der Vp. gr6l~er war, oder ob bier eine physiologische Komponente mit- sprieht, wagen wir nicht zu entseheiden.

Eine Parallelit~t zwisehen der Starrheit der AB und ihrer Liistig]ceit konnten wit ebenso wie H. Henning 1) nicht feststellen. StSrend waren die AB meist dann, wenn sie spontan zu ~nem Zeitpunkt auftraten, an dem die Vp. sie nicht sehen wollte, wenn sie mit einer Arbeit be- sch~ftigt war, oder wenn sie einschlafen wollte. Au]erdem war die L~stigkeit der AB yon dem Inhalte der Bilder abh~ngig. H ~ l i c h e Dinge, die sich im AB zeigten, wurden als st6rend empfunden; inhalt- lich sch6ne AB waren, wenn sie auch spontan auftraten und starr waren, den Vpn. angenehm. --

Bei allen Untersuchungen des AB war zu deren Auftreten eine Au/merksamkeitskonzentration der Vp. erforderlich; jede StSrung, jede Ablenkung verhinderte meist das Auftreten yon AB. Bei der will- kfirlichen Erzeugung yon AB ohne Vorlage dachte die Vp. mehr oder weniger intensiv an den Gegenstand, den sie sehen wollte; eine St6rung durfte in den meisten F~llen auch hier nicht eintreten. Unsere jugend- lichen sowohl als auch gelegentlich geprtifte ~ltere Individuen be- schrieben diesen ,,eidetischen Zustand" bei der willkfirlichen Erzeugung von AB ohne Vorlage derart, da~ es bereehtigt erscheint, ihn durchaus in eine Parallele zu dem Zustande clues Nichteidetikers zu setzen, wenn er sich ein Erinnerungsbild m6glichst genau ins Ged~chtnis zuriickzurufen ver- sucht. Allerdings spielte die Ge/i~hlsbetonung des Gegenstandes sehr h~ufig eine grol~e Rolle. Meist gelang der Versuch nur dann, wenn ein Interessc ffir den Gegenstand bei der Vp. bestand. Krellenberg 2) spricht beim eidetischen Zustande von einem ,,innerlichen Beteiligtsein an dem Vor- bild, das darin bestehe, dai~ aus ibm eine sympathische oder wenigstens wertvolle innere Wesensart, ein wertvolles inneres Leben hervorzu- leuehten scheint, dem die eigene Stimmung und Sympathie aufs st~rkste entgegenkommt." Bei den Jugendlichen fanden wir diesen Zustand nicht so ausgesprochen wie ihn KreUenberg beschreibt; bei einigen untersuchten Erwachsenen fanden wir auch keine wesentlich anderen

1) 1t. Henning, Zeitschr. f. Psychol. 93. 2) A. a. O.

Page 35: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k0rperlichen Merkmalen. 275

Symptome. Aueh H. Henning l) ist geneigt, das eidetische Erlebnis nieht lediglich als ein Bild, sondern als eine Gesamtverfassung anzu- sehen und meint, da[~ der Unterschied zwisehen eidetischen Bildern einerseits, Wahrnehmungen und Vorstellungen andererseits nieht so sehr in Unterschieden des ansehaulichen Brides, sondern in der Gesamt- struktur des Bewul~tseins, in der Gesamtsituation, der Komplexqualiti~t und dem Iehzustande liege. 1Wach unseren Erhebungen ist bei den Jugendlichen dieser Zustand im wesentlichen dureh zwei Dinge charak- terisiert, n~mlich durch die Konzentration der Au/merksamkeit und dureh eine positive Ge/i~hlsbetonung des Gegenstandes, der gesehen wird.

Die Nachbilder. Das NB war in allen Fi~llen, entsprechend der Dauer der Fixation,

ein negatives. Da als Vorlage ein rotes Quadrat verwendet wurde, war die zu erwartende und stets beobachtete Farbe des NB grfin mit einer weehselnden, geringen Blaunuance. Die Farbe dieses negativen NB wurde von vielen unserer Jugendlichen haufig und ganz spontan als viel starker griin bezeiehnet als die Farbe des AB.

Es ist schon bei der Beschreibung des AB bemerkt worden, dab wir das versp~itete Auftreten des AB als ein Merkmal desselben auffassen. Aueh bei den NB haben wit ein verspi~tetes Auftreten in 5 Fallen beob- achtet und hal~en diese Eigensehaft fiir eine AB-Komponente des NB. Den von Gottheil angegebenen Merkmalen des NB,.die eine eidetisehe Anlage auf dem Umwege fiber dieses GB erkli~ren lassen, glauben wir hierdureh ein neues hinzuffigen zu kSnnen.

Auch eine spontan au/tretende Ver~inderlichkeit konnten wit in 3 Fi~llen beim NB nachweisen und fassen auch diese Eigenschaft als AB-Kom- ponente des NB auf.

Die Abweichung vom Emmertschen Gesetz, dessert Priifung nur bei ganz seharfen NB durchgeffihrt wurde, wurde in 73 F~llen bei unseren Vpn. naehgewiesen. 38mal war das NB kleiner, als es entsprechend dem Emmertschen Gesetz h~tte sein mfissen, 35real war es grSI~er. Bemerkenswert ist dabei die grol~e Zahl derjenigen Vpn., deren NB bei Entfernung des Schirms sich mehr vergrSl~erte, als nach dem Emmert- sehen Gesetz zu erwarten stand. Es steht dieses Ergebnis in einem ge- wissen Gegensatz zu demjenigen der Marburger Sehule, die meist ein Zurfiekbleiben hinter der bei Nichteidetikern zu findenden Ausdehnung feststellten.

Von grS~erer Bedeutung erseheint die Feststellung, da[~ die GrSl~e des NB in 18 Fi~llen, die wiederholt einer genauen Naehprfifung unter- zogen wurden, bei einem Sehirmabstand in der Entfernung der Ex- position nieht die GrSi~e des Wahrnehmungsobjekts aufwies, sondera

1) A. a. O.

18"

Page 36: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

276 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

in 10 Fallen kleiner und 8real grSBer war als das exponierte Quadrat. Es ist also bei Eidetikern in manchen Fdillen das N B in der Ent/ernung der Exposition von einer anderen Ausdehnung als das Wahrnehmungs- ob]e/ct. Zu erkl~ren ist dieser Tatbestand wiederum dureh eine AB- Komponente, die sich beim NB geltend macht. Man wird deshalb das Vorhandensein dieser Abweichung von dem NB des Nichteidetikers zum Nachweis einer eidetischen Antage verwenden diirfen.

Untersuchungen fiber die Neigung des N B bei einer Kopfneigung um 45 o haben neue Ergebnisse nicht gezeitigt. Wir fanden 13 mal einen Neigungswinkel von 46 ~ und dariiber, 12real einen Neigungswinkel unter 34 o, 8 mal neigte sieh das NB iiberhaupt nieht und 5 real fanden wir einen negativen Wert. -- Bezfiglieh des Abstandes des NB yon dem Schirm wurde 1 real mit Sicherheit ein solcher von etwa 3 mm an- gegeben; 2 mal wies das NB einen Abstand auf, ohne dab die Vpn. die Entfernung genauer angeben konnten. In allen iibrigen Fgllen war das NB auf dem Schirm aufliegend.

Wurde, w~hrend das NB gesehen wurde, ein St6rungsp/i]] abgegeben, so verschwand es in sehr vielen Fgllen; manehe Vpn. gaben an, dab sieh die vorher grfine Farbe in ein Grau verwandelt hgtte. Nach unseren obigen Ausffihrungen fiber die Bewertung der grau gef~rbten AB wird man diese Farbvergnderung als Zeichen einer Anngherung des GB an das AB ansehen diirfen.

III. Ergebnisse der kiirperliehen Untersuchung. Die eidetische Anlage so]l in ihren verschiedenen Erscheinungs-

formen nach W. Jaensch bei 2 Konstitutionstypen vorkommen, dem tetanoiden (T-Typ) und dem basedowoiden (B-Typ). Die Symptome, die beide Typen eharakterisieren sollen, wurden in der Einleitung bereits erwghnt. Bevor auf einen Vergleich der Ergebnisse der psychologischen Untersuchungen mit denjenigen, die die kSrperliche Untersuchung ergab, eingegangen wird, ist es notwendig, zu den von Jaensch au~gestellten k6rperlichen Typen Stellung zu nehmen.

Es ist zuni~chst die Frage, ob fiberhaupt eine Berechtigung besteht, eine spasmophile Konstitution anzunehmen, wenn die Symptome einer Ubererregbarkeit nachweisbar sind. Wir verstehen mit Bauer 1) unter Konstitution die Summe der durch das Keimplasma fibertragenen, also schon im Moment der Befruchtung bestimmten Eigenschaften des Organismus oder nach Tandler die individue]l varianten, nach Abgang der Art- und Rassenqualitgten fibrigbleibenden morphologischen und funktionellen Eigensehaften des neuen Individuums. Die Spasmophilie als Folgeerscheinung relativer EpithelkSrperinsuffizienz ist nach Bauer

1) j . Bauer, Konstitutionelle Dispositionen zu inneren Krankheiten. Berlin. 1917.

Page 37: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 277

nicht immer konstitutionell, sondern meistens sogar konditionell begriin- det, d. h. es sind erworbene Krankheitsprozesse, die zu einer Schi~digung der Glandulae parathyreoideae ftihren. Ist es aus diesem Grunde allein schon nicht berechtigt, aus dem Nachweis tetanischer Symptome auf eine tetanische oder tetanoide Konstitution zu schliel]en, so wird diese Annahme dann um so unwahrscheinlicher, wenn tetanische Sym- ptome sich nicht nur bei Sch~digungen der EpithelkSrperchen, sondern auch bei anderen Erkrankungen finden. Durch die Untersuchungen yon Landauer 1) ist neuerdings darauf hingewiesen worden, dab teta- nische Symptome nicht nur eine Erscheinungsform der StSrungen der Nebenschilddrfisen sind, sondern auch der Ausdruck einer ttirnerkran- kung und sogar die kSrperlichen Erscheinungen von Trauer und Angst sein k5nnen. Er schliei~t daraus, da~ das Tetanoid nur ein Symptom- komplex ist, eine spezielle Form der ~bererregbarkeit. U. a. hat auch Husler 2) die verschiedenartige Atiologie dieser Symptome betont. Zu dieser Frage soll bier keine endgiiltige Stellung genommen werden. Es ist nur notwendig darauf hinzuweisen, da~ der Nachweis spasmophiler Symptome noch nicht ohne weiteres zu der Annahme eines tetanoiden Konstitutionstyps berechtigt. Aus diesem Grunde soll -- um eine Basis der Verst~ndigung zu schaffen -- im folgenden nur von einem teta- nischen oder tetanoiden Zustand die Rede sein.

Als Kardinalsymptome der ausgesprochenen Tetanie gelten: Das Erbsche Symptom (galvanische (~bererregbarkeit), das Ho//mannsche Symptom (l~berempfindlichkeit der sensiblen Nerven fiir mechanische. und elektrische Reize), das Trousseausche Ph~nomen und das Chvostek- sche Symptom. In weniger ausgesprochenen F~llen kann das eine oder andere Merkmal fehlen; gefordert wird aber yon allen Autoren die elektrische l~bererregbarkeit der Nerven. Falta 3) gibt allerdings eine Beobachtung an, bei der eine chronische Tetanie mit allen wichtigen Symptomen der Tetanie vorhanden war, das Erbsche Ph~nomen aber trotz heftiger Kr~mpfe in den ersten .Tagen der Beobachtung vermii~t wurde. Zumindest die elektrische l~bererregbarkeit wird also, wenn nicht andere ausgesprochene Symptome, die auf Tetanie schlie~en lassen, vorhanden sind, zur Feststellung eines tetanischen oder tetanoiden Zustandes gefordert werden miissen.

Als Zeichen des tetanoiden Zustandes fiihrt Jaensch weitere Symptome auf, deren ZugehSrigkeit zu einem Symptomenkomplex der erhShten Erregbarkeit oder auch des Tetanoids unseres Wissens bisher nicht feststeht. Es sind das u. a. Phobien, Schlafreden, Payor nocturnus,

5) Arch. f. Psychiatr. 66. 1922. ~) Husler, Diskussionsbemerkung zu einem Vortrag yon Jaensch auf der

32. Versammlung der deutschen Gesellschaft fiir Kinderheilkunde 1921. 3) Erkrankungen der Blutdrfisen. Berlin 1913, S. 142.

Page 38: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

278 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

Nachtwandeln , Farbensehen im Dunke ln u n d auch bei Tage beim Lesen.

Diese Symptome l inden sich bei sehr vielen Ind iv iduen neuro- oder psychopathischer Veranlagung. Das einzelne Symptom wird daher

n icht dazu berechtigen, e inen te tanoiden Zus tand anzunehmen, sofern

f iberhaupt diese Erscheinungen als zum te tanoiden Zus tand zugehSrig

angesehen werden diirfen.

Fi i r uns ergab sich zun~chst die Frage, wann es berechtigt ist, yon einem Zustand erhShter Erregbarlceit des Nervensystems zu sprechen. Dazu

d ien ten uns neben den angestel l ten anamnes t i schen E rhebungen die Ergebnisse der elektrischen und mechanischen Prfifung der motorischen

Nerven.

Die in der Literatur angegebenen Werte, die als Zeiehen einer'elektrischen Dbererregbarkeit anzusehen sind, sind bei den verschiedenen Autoren nicht vSllig tibereinstimmend. Insbesondere fehlen noch siehere Mittelwerte fiir Jugendliehe im sehulpfliehtigen Alter. Frankl-Hochwart 1) gibt als Zeiehen einer elektrischen ~bererregbarkeit das Auftreten einer K.O.Z. oder eines K.S.Te., eines A.S.Te. oder A.O.Te. unter 5 M.A. an. Thiemich und Mann 2) stellten an einem verh/~ltnism~tBig grol~en Untersuehungsmaterial von Kiadern im Alter ven 8 Mo- naten bis zu 2 Jahren fiir den Nervus medianus folgende Normalzuckungsformel auf:

K.S.Z. 1,4 M.A. A.S.Z. 2,2 M.A. A.O.Z. 3,6 M.A. K.O.Z. 8,2 M.A.

Beide lehnen die Annahme einer elektrischen Ubererregbarkeit beim Auf- treten einer A.O.Z. unter 5 M.A. ab. Ob die anodische ]~bererregbarkeit unter allen Umst/~nden als ein sicheres Zeichen einer -- wenn aueh geringen -- elek- trischen t~bererregbarkeit anzusehen ist, sei nicht zu entscheiden. Als Abweichungen im Sinne einer t~bererregbarkeit yon der Normalzuckungsformel halten die Autoren auf Grund ihrer Untersuchungen far beweisend: 1. Das Auftreten einer K.S.Z. unter 0,9 M.A. beim Nervus ulnaris, unter 0,7 beim Nervus medianus; 2. das Herabsinken samtlicher Werte bei den einzelnen Zuckungen unter die yon ihnen angegebenen Normalzahlen (s. o.); 3. die Ann/~herung bzw. das friihere Auftreten der A.O.Z. als der A.S.Z. und 4. das Auftreten der K.O.Z. bei einer Stromst~rke unter 5 M.A. a)

Gegeniiber den bisher genannten Autoren, die in der Annahme iibereinstimmen, dab eine K.O.Z. unter 5 M.A. als Zeichen einer Ubererregbarkei~ anzusehen ist, die aber eine A.O.Z. unter 5 M.A. nicht ftir beweisend halten oder zu mindestens keine Stellung zu dieser Frage nehmen zu k6nnen glauben, hat v. Pirquet 4) das Auftreten einer A.O.Z. unter 5 M.A. als Zeichen einer l~bererregbarkeit bei S/~ug- lingen angesproehen. Auf Grund seiner Untersuchungen an Erwachsenen schlieBt sich PeritzS), der die Erregbarkeit des Nervus medianus priifte, der Ansicht yon Pirquet an.

x) Wien, Die Tetanie, 1891 und 1897. 3) Monatsschr. f. Psychiatrie ~. 1899 und Jahrbficher f. Kinderheilk. ~1. a) Eine l~bersicht fiber die Ergebnisse der s/imtlichen Autoren finder sieh in

Boruttau und Mann, Handbuch der ges. reed. Anwendung der Elektrizit~tt, 2, 1. Leipzig 1911.

a) Wien. klin. Woehenschr. 1907, Nr. 1. 5) Zeitschr. f. klin. Med. 77. 1913.

Page 39: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k(irperlichen Merkmalen. 279

Die von den genannten Autoren gefundenen Werte sind nieht ohne weiteres miteinander zu vergleiehen, da die Untersuchungen an Indi- viduen yon versehiedenem Lebensalter ausgefiihrt wurden. Insbeson- dare sind die Ergebnisse der Untersuchungen an Kindern im 1. und 2. Lebensjahre nicht mit denen von Erwaehsenen zu vergleichen. Uns kam es darauf an, Normalwerte ]iir die elektrische Erregbarkeit von Jugendlichen im Alter yon 9- -18 Jahren zu finden.

Aschenheim 1) hat jiingst auf den Mangel an sicheren Normalwerten ffir ~ltere Jugendliche hingewiesen. Benzing 2) teilte gleichzeitig die Ergebnisse seiner Untersuchungen an einem groBen Material yon Schulkindem mit. Er land bei 64 spasmophilieverd~chtigen ,,Neuropathen" 34 mal eine A.O.Z. kleiner als 3 M.A., eine K.O.Z. 23 real kleiner als 5 M.A. Er kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Ergebnis, dab eine A.O.Z. yon 3 M.A. noch nicht den Grenzwert des Ge- sunden darstellt. Die A.O.Z. des vollwertigen, nervengesunden Kindes wird sich nicht vor 4 M.A., iast immer erst nach einer Stromzufuhr yon 5 M.A. und mehr einstellen. Das Erbsche Ph~nomen m6chte er bei einer A.O.Z. yon 4 M.A. als positiv bezeichnen, selbs~ wenn die damit hi~ufig vergesellschaftete Umkehr der anodischen Zuckungsformel ausbleibt. Er n~hert sich damit beim ~lteren Kinde den yon Pirquet fiir die anodische l~bererregbarkeit des S~uglings festgestellten Grenzwerten. Auch die Befunde Pirquets, nach denen die anodische (~bererreg- barkeit den hSheren Graden der elektrischen l~bererregbarkeit vorausgeht und nach deren Verschwinden noch bestehen bleibt, best~tigt er.

Unter den yon uns untersuchten Jugendlichen ha t ten insgesamt 39 eine K.O.Z. unter 5 M.A. und 117 eine A.O.Z. unter 5 M.A. Da die Jugendlichen s~mtlich als gesund in der Breite des Normalen anzu- sehen sind, darf aus diesen Werten zun~chst geschlossen werden, dab eine A.O.Z. unter 5 M.A. nicht als Zeichen einer elektrischen fiber das Normale hinausgehenden Erregbarkei t zu bewerten ist.

Eine K.O.Z. unter 5 M.A. wird fibereinstimmend yon den meisten Autoren als Zeichen einer ~bererregbarkei t angesehen. Unsere Unter- suchungen, bei denen 39 yon 140 Kindern eine K.O.Z. unter 5 M.A. aufwiesen, stfitzen diese Annahme. Es ist der Prozentsatz yon 27,8% im Hinblick darauf, dai~ w i r e s mit eigentlich gesunden Kindern zu tun hat ten, verh~ltnismi~Big hoch. Doch ist zu berficksichtigen, dab die Untersuchungen in der kalten Jahreszei t und in den sog. ,,Tetanie- mona ten" durchgeffihrt wurden. Benzing land bei 250 Schulkindern nur 6ma l eine K.O.Z. unter 5 M.A., allerdings bei 64 ,,spasmophiliever- d~chtigen Neuropa then" 23 mal einen solchen Erregbarkeitsgrad. Trotz des ve rh~ l tn i sm~ig hohen Prozentsatzes der Individuen mit einer K.O.Z. unter 5 M.A. bei unserem Material glauben wit doch diesen Wer t als Zeichen einer elektrischen Ubererregbarkei t ansehen zu diirfen.

1) Diskussionsbemerkung zu dem Vortrage yon Jaensch in der 32. Versamm- lung der deutschen Gesellschaft flit Kinderheilkunde 1921. Monatsschr. f. Kinder- heilk. ~2. 1921.

~) Benzing, Vortragibid.

Page 40: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

280 S. Fischer und It. Hirschberg: Die Verbreitun~ der eidetischen Anlage

Es fragt sich, ob auch das Auftreten einer A.O.Z. bei einer geringeren Stromstarke unter Umstanden als Zeichen einer Ubererregbarkeit be- wertet werden daft. Zur Entscheidung dieser Frage stellten wir zu- naehst fest, wie oft eine A.O.Z. unter 4 M.A., zweitens wie oft eine solehe unter 3 M.A. zu finden war, und wie diese sich auf die sieher elektrisch (Jbererregbaren -- als Mal~stab daffir galt die K.O.Z. unter 5 M.A. --, auf solehe, die andere Zeichen einer l~bererregbarkeit auf- wiesen, und auf diejenigen, die keine Symptome einer l~bererregbarkeit boten, verteilten.

Da von manchen Autoren ffir die Feststellung einer Ubererregbarkeit aueh auf eine Umkehr der anodischen Zuckungsformel (A.O.Z. ~ A.S.Z.) Wert gelegt wird, haben wir in dieser Richtung ebenfalls unser Material zusammengestellt. Es land sich eine Umkehr dieser Zuckungsformel in insgesamt 40 Fallen. Von diesen hat ten 25 eine K.O.Z. fiber 5 M.A. und 15 eine solehe unter 5 M.A. Das heil~t, es wiesen -- da wir eine K.O.Z. fiber 5 M.A. 101 mal, eine K.O.Z. unter 5 M.A. 39 mal festgestellt hatten -- 24,7~ der Vpn. mit einer K.O.Z. fiber 5 M.A. und 38,4% der Vpn. mit einer K.O.Z. unter 5 M.A. eine Umkehr der anodisehen Zuekungsformel auf. Diese Zahlen beweisen nicht viel fiir die Bewertung der Umkehr. Aueh die Ergebnisse der Kondensatorentladung sprechen, wie gezeigt werden wird, daffir, da6 ffir die Bewertung des Erregbar- keitsgrades eine Umkehr der anodischen Zuckungsformel anscheinend nieht yon Bedeutung ist.

Eine A.O.Z. unter 4 M.A, jedoch fiber 3 M.A. fanden wir in 40 Fallen ; 7 davon hatten eine K.O.Z. unter 5 M.A., 3 einen positiven Chvostek. Bei den fibrigen 30 fanden sieh keinerlei Symptome der l~bererreg- barkeit. Man wird demnaeh jugendliche Individuen mit einer A.O.Z. zwisehen 3 und 4 M.A. zumindest als ,,fibererregbarverdachtig" ansehen diirfen. Ein Beweis fiir die Ubererregbarkeit ist dieser Wert allein jedoeh nicht. Wir kfnnen also Benzing nieht ganz zustimmen, wenn er das Erbsehe Phanomen bei einer A.O.Z. vor 4 M.A. als positiv be- zeiehnet. Diese Ansieht wird noch durch die Tatsaehe erhartet, da6 yon den 140 untersuchten Jugendliehen insgesamt 109 eine A.O.Z. unter 4 M.A. aufwiesen. Ware also dieser Wert pathognomoniseh fiir eine ~bererregbarkeR, so miif ten 78% unserer Versuchspersonen als fibererregbar zu bezeichnen sein.

Von diesen 109 Individuen hatten 69 eine A.O.Z. unter 3 M.A. 28 von diesen 69 Vpn. hatten eine K.O.Z. unter 5 M.A., 6 einen positiven Chvostek, die restliehen 35 zeigten keinerlei Symptome einer l~bererreg- barkeit. Von den erwahnten 28 Vpn. mit einer A.O.Z. unter 3 M.A. und einer K.O.Z. unter 5 M.A. hatten 6 auBerdem einen positiven Chvostek.

Nach diesen Ergebnissen bieten also etwa 30% der Individuen mit einer A.O.Z. unter 3 M.A. keine anderen Symptome einer elektrisehe~

Page 41: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 281

l~bererregbarkeit mit einer Ausnahme von 5 F~llen, bei denen die A.O.Z. bei gleicher oder geringerer Stromst~rke als die A.S.Z. auftrat.

Demnach weist eine A.O.Z. unter 3 M.A. nach unseren Ergebnissen in 56,5% auf eine elektrische l~bererregbarkeit bin. Beweisend aber fiir eine elektrische Ubererregbarkeit ist auch eine A.O.Z. unter 3 M.A. nicht.

Die Ergebnisse der galvanischen Untersuchungen lassen sich in folgenden, fiir Jugendliche im schulpflichtigen Alter geltenden Satzen zusammenfassen:

Eine K.O.Z. unter 5 M.A. ist als Zeichen einer ~)bererregbarkeit anzusehen.

Eine A.O.Z. unter 5 M.A. beweist nichts ]iir die Erregbarkeit. Eine A.O.Z. zwischen 4--3 M.A. legt den Verdacht au/ eine ~)bererregbarkeit nahe. Eine A.O.Z. unter 3 M.A. ist etwa mit 500/0 Wahrscheinlichkeit beweisend /iir eine ~Tbererregbarkeit.

Der Weft der A.O.Z. allein ist nicht beweisend ]i~r das Vorhandensein einer ~]bererregbarkeit. --

Zur Kontrolle der Untersuchung mit galvanischem Strom wurden die Knaben noch mit der Methode der Kondensatorentladung gepriift.

Normalwerte sind fiir den Nervus ulnaris und den Nervus medianus von verschiedenen Autoren angegeben wordem die im wesentlichen miteinander iiberein- stimmen. Als normalen Erregbarkeitswert ftir den N. medianus gibt Zanietowski 1) eine Spannung von 14 Volt, Mann ~) eine solche von 14--20 Volt an. Die Werte yon Duboi8 (9,8--16,8) und Kramer (17,5) entsprechen im wesentlichen den yon Zanie- towskiund Mann angegebenen Normalwerten. Fiir den Nervus ulnaris hat Zanietowski eine Durchschnittsspannung yon 20--22 Volt, Bernhardt eine solche yon 20 bis 24 Volt und Kramer ~ine solche yon 19--21 Volt gefundena). Fiir unsere Unter- suchungen haben wir als Normalwert fiir den N. medianus eine Stromspannung yon 14--20 Volt, for den N. ulnaris eine solche von 20--24 Volt z ugrunde gelegt; mit anderen Worten, jede Erregbarkeit des N. medianus mit einer geringeren Stromspannung als 14 Volt und jede Erregbarkeit des N. ulnaris mit einer geringeren Stromspannung als 20 Volt als unter die Norm herabsinkend gewertet.

Unter Zugrundelegung dieser Werte ergab sich folgendes Resultat: S~mtliche Individuen mit einer K.O.Z. unter 5 M.A. zeigten auch bei der Prfifung mit dem Kondensator eine unter dem Normalwert liegende Erregbarkeit. Diejenigen, bei denen die K.O.Z. fiber 5 M.A., die A.O.Z. unter 3 M.A. lag, zeigten nur etwa in einem 4. Teile der F~lle eine mit der Kondensatormethode nachweisbare (~bererregbarkeit. Bei den- jenigen Vpn., die eine K.O.Z. fiber 5 M. A. und eine Umkehr der anodischen Zuckungsformel aufwiesen, war nur in einem von 18 F~llen der mittels des Kondensators gefundene Wert unterhalb der Norm.

Es kSnnte danach scheinen, als ob die Untersuchung mittels des galvanischen Stromes feinere Werte lieferte als die Untersuchung mit

1) Wien. med. Presse 1902, 35 u. 38. 3) Elektrodiagnost. Untersuchungen mit Kondensatorentladung. Berl. kiln.

Wochenschr. 1904, 33 u. 34. a~ Zi~. nach B~uttauMann II, 1. Leil~zig 1911.

Page 42: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

282 S. Fischer und H. Hirschber~o': Die Verbreitung der eidetischen Anlage

der Kondensatormethode. Demgegeniiber ist aber zu erwahnen, dab in 2 Fallen, bei denen eine elektrische l)bererregbarkeit mittels des galvanisehen Stromes nieht naehzuweisen, das Chvosteksche Phanomen aber vorhanden war, sich eine ~bererregbarkeit bei der Prfifung mit dem Kondensator feststellen lieS. Nach den oben festgestellten Ergebnissen fiber die Bewertung einer A.O.Z. unter 3 M.A. kann ein solcher Erregbarkeitsgrad nur als Hinweis auf eine m6glicher- weise bestehende l~bererregbarkeit angesehen werden. Wenn hier mit der Methode der Kondensatorentladung in einem Teil der Falle, wo nur eine A.O.Z. unter 3 M.A. bestand, eine Obererregbarkeit nicht fest- gestellt wurde, so bietet dieses Ergebnis eine Stfitze ffir unsere Be- hauptung bezfiglich der Bewertung einer isoliert auftretenden A.O.Z. unter 3 M.A. und ffir die Bewertung der Umkehr der anodischen Zuk- kungsformel.

Das Chvosteksche Phdinomen konnten wir insgesamt in 21 Fallen nachweisen. In 11 Fallen bestand gleichzeitig eine elektrisehe l~ber- erregbarkeit; von den restliehen 10 Fallen batten 6 eine A.O.Z. unter 3 M.A. und weitere 2 einen unter der Norm zurfiekbleibenden Weft bei der Kondensatorentladung. In 2 Fallen konnte das Chvosteksche Phanomen nur einseitig ausgel6st werden. Ob das Auftreten dieses Phanomens als einwandfreies Zeichen eines tetanoiden Zustandes auf- gefal3t werden daft, lassen wir dahingestellt, zumal es sieh auch bei Tuberkulose und anderen Erkrankungen linden solll).

W. Jaensch ist geneigt, als tetaniseh aueh solehe Jugendliehe anzu- sprechen, bei denen anamnestisch oder familienanamnestiseh Krampfe oder Stimmritzenkrampfe naehzuweisen sind, und solche, die an Sehlaf- reden, Schlafwandeln, Pavor nocturnus, Angst und Zwangsvorstel- lungen, Schwindelanf~llen, ungeklarten Fieberanstiegen oder Nessel- ausschlagen leiden. -- Die Beziehungen der epileptisehen Krampfanfalle zur Tetanie sind bis jetzt noeh nicht einwandfrei naehgewiesen. DaB eine Epilepsie in Verbindung mit Tetanie vorkommen kann, wurde im Jahre 1901 yon Westphal ~) besehrieben. Neuerdings hat Landa~er a) aueh bei epfleptischen Zust~tnden Symptome einer l~bererregbarkeit gefunden und spricht deshalb in manchen Fallen von einem ,,Epilo- tetanoid". Die Akten fiber die Beziehungen dieser beiden Symptomen- gruppen zueinander sind noeh nieht gesehlossen. Soviel aber daft heute schon gesagt werden: Wenn die Epflepsie zuweflen in Kombination

1) Vgl. dazu: Sch!e~inger, Ze;tschr. f. klin Med. 9. 1891. -- Frankl Hochwart, Die Tetanie des Erwachsenen. Wien 1907. -- Itudinger, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie 1907; 5. 1908. -- Melchior und Nothmann, Mitteil. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chirurg. 34. 1922.

2) Westphal, Berl. klin. Woehenschr. 1901, S. 849. 3) Landauer, Arch. f. Psychiatr. 66. 1923.

Page 43: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k(irperlichen Merkmalen. 283

mit tetanischen Symptomen auftritt, so ist es noch nicht berechtigt, aus dem Vorhandensein von Kr~mpfen ohne weiteres auf das Vorhanden- sein eines tetanoiden Zustandes zu schliel~en. Inwieweit es erlaubt ist, auf eine noch bestehende ~bererregbarkeit bei einem Indi- viduum zu schlie~en, das in ffiihester Kindheit an Stimmritzenkr~mpfen ]itt, wird an Hand unserer Erhebungen besprochen werden.

Bei den von uns untersuchten Jugendlichen fanden sich anamnestisch nur in einem verschwindend kleinen Prozentsatz Urticaria, Angst- und Zwangsvorstellungen und Fieberanstiege ohne ersichtliche Ursache. Schlafwandeln wurde in keiner der von uns erhobenen Anamnesen an- gegeben. Wenn damit auch die MSglichkeit yon Beziehungen dieser Symptome zur ~bererregbarkeit nicht bestritten werden soll, so er- scheint eine solche Annahme nach den bishe'rigen Forschungen sowohl wie in Anbetracht der Tatsache, dal~ bei einer verhaltnism~l~ig so grol3en Zahl von l~bererregbaren, wie wir sie gcfunden haben, diese Symptome so selten auftreten, nicht als sehr wahrscheinlich.

H~ufiger wurden anamnestisch angegeben Schlafreden, Pavor noc- turnus, Stimmritzenkr~mpfe und Schwindelanf~lle. In nachstehender Tabelle ist die Verteilung dieser 4 Symptome auf die elektrisch oder meehanisch l~bererregbaren (d. h. solehe mit einer K.O.Z. unter 5 M.A. oder einem positiven Chvostek), auf solche, bei denen ein Verdacht auf ~bererregbarkeit bestand (das sind solche mit einer A.O.Z. unter 3 M.A.), und auf die, bei denen keinerlei Zeichen einer ~bererregbarkeit elektrisch oder mechaniseh sich nachweiscn liel~en, dargestellt:

Tabelle XIF.

Schlafreden Pavor Stimmritzen- Schwlndel- Es haben in Prozenten nocturus kr~impfe anf~lle

von 49 Obererregbaren. . . . . yon 41 iibererregbar Verd~chtigen von 50 nicht (~bererregbaren . .

38,7 12,2 26,8 12,1 24,0 6,0

6,1 2,4

12,0

8,1 7,2

30,0

Hieraus geht hervor, da{~ Schwindelanf~lle voUkommen unabh~ngig yon einer nachweisbaren (Jbererregbarkeit auftreten k6nnen. Ebenso zeigt sich, dab ein ffiiher vorhandener spasmophiler Zustand, der sich in Stimmritzenkrampfen ~uBerte, beim Jugendlichen im schulpflich- tigen Alter nicht mehr zu bestehen braucht. Diese anamnestische An- gabe ist daher ffir die Bewertung eines zur Zeit bestehenden Zustandes yon l~bererregbarkeit nicht zu verwenden. Im Gegensatze dazu scheint eine gcwisse Beziehung der l~bercrregbarkeit zum Schlafreden und zum Pavor nocturnus zu bestehen. Der Prozentsatz der mit diesen Symptomen Behafteten ist bei den ~bererregbaren am gr6Bten, f~llt bei den iiber- errcgbar Verd~chtigcn und ist am h~ufigsten bei den nicht ~bererreg- baren. Fiir die Bewertung dieser Zahlen ist aber zu berticksichtigen,

Page 44: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

284 S. Fischer und H. Hirsehberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

dab die Zahl der Ind iv iduen , die an Sehlafreden oder an P a v o r n o e t u r n u s

leiden, nur e twa 1 ] _ l/s bzw. der ~)bererregbaren ausmachen ; andere r - seits s ind die Untersch iede in den Prozen tzah len der l~berer regbaren , bzw. der als i iberer regbar Verdacht igen und der in normalen Grenzen Er r egba ren n ieh t sehr groB. T ro tzdem glauben wi t auf Grund der E r - gebnisse doeh sagen zu diirfen, dab die S y m p t o m e des Seh la f redens und des P a y o r noc tu rnus den Verdach t auf einen Zus t and yon r e r regbarke i t nahelegen. Beweisend fiir das Vorhandense in eines t e t a - noiden Zus tandes dfirf ten sie allein jedoeh n ich t sein. - -

Dieselben Bedenken, die gegen die Aufs te l lung eines t e t a no ide n K o n s t i t u t i o n s t y p u s bei Nachweis t e tan i scher S y m p t o m e ge l tend gemach t wurden, miissen gegen diejenige eines basedowoiden K o n s t i t u t i o n s t y p u s

erhoben werden, wenn S y m p t o m e der Basedowsehen K r a n k h e i t vo rhanden sind. Ebenso wie do r t be rech t ig t der Nachweis d ieser K r a n k h e i t in mehr oder weniger ausgesproehener F o r m noch n ieh t zur Aufs te l lung einer Basedowschen Konstitution; denn es is t noch n ich t erwiesen, dab eine Basedowsehe K r a n k h e i t nu t auf e iner yon N a t u r aus bes tehenden Anlage beruht . U m aueh hier eine Vers t~ndigungs- basis zu schaffen, soil deshalb in den folgenden Ausf i ihrungen n u t yon e inem Basedowsehen bzw. b asedowoiden Zustand gesprochen werden.

Die Symptomatologie der Basedowsehen Krankheit daft als bekannt und allgemein festgelegt hier vorausgesetzt werden. -- Der Begriff des Basedowoids wurde von R. Stern 1) aufgestellt. Nach ihm sollen sich Basedowoid und Basedow durch Beginn, Verlatff und Prognose unterscheiden. Selbstverst/~ndlieh ist das Basedowoid aueh ein Symptomenkomplex, als dessen Ursaehe eine Hyperthyreose anzusprechen ist. Es fragt sich nun, welche Symptome notwendig vorhanden sein mtissen, wenn die Diagnose der Hyperthyreose -- des Morbus Basedowii im weite- sten Sinne -- gestellt werden daft. Nach Falta 2) berechtigen Syndrome wie: Tachy- kardie, SchweiBe, Kopfschmerzen oder Tachykardie, SchweiBe, Tremor oder Tachykardie, Schweil]e, Mononucleose zu der Annahme einer Hyperthyreose. Bei etwas 1/~ngerer Einwirkung des Hyperthyreoidismus sind nach ihm Tachy- kardie, Mononucleose und Tremor als Kardinalsymptome anzusehen. - - Bei den yon uns untersuchten Jugendlichen war es leider nieht m6glich, Blutbilder znm Nachweis einer Mononueleose anzufertigen.

Bauer und de Saravel 3) spreehen yon einer thyreotoxischen Konstitution bzw. einem hyperthyreotischen Temperament. Zur Symptomatologie dieser Konsti- tution fiihren sie eine Anzahl yon Merkmalen an, wie z. B. Magerkeit, Reizbarkeit, feuchte Hand, Neigung zu Schweigen, Tachykardie, DiarrhOen, lebhafter Stoff- weehsel, groBe gl~nzende Augen, weite Lidspalte und Oberlider, die sich h/~ufig bei angeregten Gespr/~ehen fiber den oberen Cornealrand ruekweise zurfickziehen. Es soll sieh meistens um Menschen mit lebhaftem Temperament nnd unstetem Wesen handeln, die nach Angaben der Franzosen mehr hitze- als k/~lteempfindlieh sind und stark entwickelte Augenbrauen besitzen. Regelm~flig zeigen sie eine -- wenn auch leichte -- parenchymat6se Vergr6Berdng der Schilddrtise.

1) Differentialdiagnose und Verlauf des Morbus Basedow. Jahrb. f. Psych. u. Neurol. 29. 1909.

2) A. a. O. S. 79. 3) La m6d. prat. 22. 1914.

Page 45: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 285

Um aus einer groBen Anzahl yon Individuen solche mit thyreotoxisehen K onstitutionen, wie sie Bauer und de Saravel angeben, herauszufinden, sind die angegebenen Merkmale, wenn sie nieht gerade alle zusammen in dieser Konstel- lation auftreten, doch so rage, dab es gewagt erseheinen kSnnte (vorausgesetzt, dab die Annahme dieser Autoren richtig ist) auf Grund einiger solcher vorhandenen Kennzeichen eine thyreotoxische Konstitution anzunehmen. Aus diesem Grunde sehen wir bei der Auswahl unserer basedowoiden Individuen von diesen ab. Soll sich nach W. Jaensch bei Basedowoiden eine bestimmte Art yon AB finden, so miissen sich diese erst recht bei solchen Individuen finden, bei denen einige sichere Symptome des Basedows wenn auch nur in angedeuteter Form -- nachgewiesen werden kSnnen.

Wir n a h m e n bei unseren Unte r suchungen einen basedowoiden Zu-

s tand an, wenn wir 2 oder mehrere der folgenden Symptome fanden,

auch wenn sic nicht s tark ausgepr/~gt waren: Struma, Handt remor ,

Protrusio bulbi, Taehykardie, das Moebiussehe, das Stellwagsche oder

das Grae/e sche Ph~nomen. Legen wir diese Symptomatologie zugrunde,

so l i nden sich un te r unseren 140 Jugendl ichen 5 K n a b e n und 5 M~dchen, d. h. 8,5%, die als basedowoid anzusprechen sind. Die Symptome, die

bei den einzelnen die Diagnose rechtfertigen, werden sparer im Zusammen- hange mi t den psyehischen Ph~nomen erSrtert werden. 3 yon den 10 Ba-

sedowoiden -- 2 M~dchen u n d 1 K n a b e - - wiesen auBerdem noch Zeichen

einer l~bererregbarkeit im Sinne eines te tanoiden Zustandes auf, so dab

sich demnach 7 reine basedowoide F/~lle u n d 3 Mischzustande fanden.

Nach den Angaben yon W. Jaensch und den Tabellen, die E. R. Jaensch auf dem Psychologen-KongreB zu Leipzig 1923 zeigte, hat es den Ansehein, als ob yon Jaensch fiir die Annahme eines basedowoiden Zustandes das Glanzauge hoch bewertet wiirde. Aus diesem Grunde sei erw/~hnt, dab sich bei Base- dowoiden zwar zuweilen ein Glanzauge feststellen 1/~Bt, dab es in vielen Fallen aber auch fehlt. Andererseits findet sich dieses Merkmal auch bei vielen Individuen, die keinerlei Symptome eines Basedow aufweisen. Allein schon die Entseheidung dariiber, ob iiberhaupt ein Glanzauge vorhanden ist oder nieht, wird haufig bei verschiedenen Beobachtern versehiedenartig ausfallen. -- Als Ursaehen fiir das Glanzauge kommen maneherlei Faktoren in Betracht. l~bereinstimmung besteht dariiber, dab dutch die Tr/~nenfeuchtigkeit der Glanz des Auges erh6ht wird. Kruckenberg 1) und Kirchho//2) geben ferner an, dab eine weite Pupille in beson- derem Mal]e den Glanz der Augen erhSht, da infolge des gr6Beren dunkleren Unter- grundes und des dadurch bedingten st/irkeren Liehtreflexes der Cornea diese glanzender erseheint. Piderit 3) legt mehr Weft auf die dunkle Farbe der Iris. AuBerdem meint er, dab die Spannung des Auges einen EinfluB auf den Glanz hat, eine Ansicht, der sich auch Kruckenberg anschlieBt, die aber yon manehen Autoren (Henke, Fritsch-Harless) bestritten wird. SchlieBlich fiihren Kruckenberg und Kirchho//noch an, dab der Glanz des Auges durch die Augenbewegungen waehst, ebenso wie der Diamant sch6ner strahlt, wenn er bewegt wird. Da diese Kenn- zeichen kaum in einer Beziehung zur Basedowschen Krankheit stehen, wird man aus dem Vorhandensein eines Glanzauges noch nieht auf das Vorliegen eines base- dowoiden Zustandes schlieBen diirfen.

1) Kruckenberg, Der Gesichtsausdruck des Menschen. Stuttgart 1923. 2) Kirchho//, Gesiehtsausdruck und seine Bahnen. Berlin 1922. 3) Piderit, Mimik und Physiognomik. Detmold 1916.

Page 46: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

286 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

IV. Die eidetische Anlage in ihren Beziehungen zu kiirperliehen Merkmalen.

Wir sind nunmehr in der Lage, die erhobcnen psychischen und kSrperlichen Befunde miteinander zu vergleichen und festzustellen, ob die yon W. Jaensch angegebene Parallelit~t zwischen bestimmten Eigen- schaften der GB einerseits und kSrperlichen Merkmalen andererseits tats~chlich besteht. Zu diesem Zweck betrachten wir einmal diejenigen Vpn., die beziiglich ihrer AB zu den B- bzw. T-Typen zu z~hlen sind, auf ihre kSrperlichen Merkmale und zweitens die als kSrperlich basedowoid bzw. tetanoid gefundenen Vpn. auf die Eigenschaften ihrer AB. Zur iibersichtlichen Orientierung soll die Gegenfiberstellung in Tabellenform erfolgen.

Die Vpn., deren AB dem B - T y p entsprechen sollen, zeigten Iolgendc k6rperliche Symptome :

Tabelle XV.

1. Vp. Nr. 17. 16]dhr. Mddchen. St. 4.1) AB: urbildm~Bige F~rbung, k6rperlich,

ver~nderlich, willktirlich erzeugbar, angenehm empfunden.

2. Vp. Nr. 32. 14 ]ahr. Madchen. St. 4. AB: urbildmaBige Farbung, k6rperlich,

veranderlich, willkiirlich erzeugbar, angenehm empfunden.

3. Vp. Nr. 29. 13 ]ahr. Mddchen. St. 4. AB: urbildm~Bige F~rbung, k6rperlich,

ver~nderlieh, willkiirlich erzeugbar, nicht st6rend empfunden.

4. Vp. Nr. 4. 12 jahr. Mddchen. St. 4. AB: urbildmgl3ige F/~rbung, kfrperlieh,

veranderlich, wiUktirlich erzeugbar, angenehm empfunden.

5. Vp. Nr. 136. 9 jdhr. Knabe. St. 3. AB: urbildmgBige Farbung, k6rperlich,

ver/~nderlich, willktirlich erzeugbar, nicht st6rend empfunden.

Anamnestisch: o. B. K.O.Z > 5 M.A. A.O.Z. 3,4 M.A. A.S.Z. 2,8 M.A.

K6rlJerlich sonst o. B. Anamnestisch: Schlafreden.

K.O.Z. 3,8 M.A. A.O.S. 1,6 M.A. A.S.Z. 2,0 M.A.

K6rperlich: Chvostek leicht +. Anamnestisch: o. B.

K.O.Z. > 5 M.A. A.O.Z. 2,8 M.A. A.S.Z. 2,4 M.A.

K6rTerlich sonst o. B. Anamnestisch: o. B.

K.O.Z. 4,2 M.A. A.O.Z. 2,4 M.A. A.G.Z. 3,2 M.A.

K6rperlich: geringe Struma, Puls 90, Spur Glanzauge, Stellwag.

Anamnestisch: o. B. K.O.Z. und A.O.Z. > 5 M.A.

Kondensatorentladunff: Uln. 26 V. ivied. 18 V.

K6rperlich: o. B.

Unter diesen F~llen finder sich eine einzige Vp. (4), die Symptome des Basedows aufweist. Diese Vp. zeigte auSerdem eine elektrische ~ber- erregbarkeit, die sich in einer K.O.Z. < 5 M.A. und in einer vor der A.S.Z. auftretenden A.O.Z. dokumentiert. 3 Vpn. zeigen anamnestisch

1) St. = Stufe.

Page 47: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kOrperlichen Merkmalen. 287

und bei der kSrperlichen Untersuchung keinerlei Abweichungen yon der Norm. Die Vp. 32 weist dagegen neben Schlafreden eine elektrische und mechanische ~bererregbarkeit auf.

AuBerdem hat ten wir noch 6 weitere Vpn. gefunden, die nur mit Vorbehalt hierher gerechnet werden kSnnen, da bei jeder von ihnen eines der ffir die AB dieses Typus charakteristischen Merkmale fehlte. Die folgende Tabelle veranschaulicht die Symptomatologie in psychischer und kSrperlicher Hinsicht.

TabeUe

1. Vp. Nr. 18. 16]~thr. Mddchen. St. 4. AB: Urbildm~Bige F/~rbung, nicht kSrper-

lich (filmartig), ver~nderlich, will- kiirlich erzeugbar, nicht st0rend empfunden.

2. Vp. Nr. 19. 16]~ihr. M~idchen. St. 4. AB: Urbildm~Bige F/~rbung, kSrperlich,

nicht ver/~nderlich, willktirlich erzeug- bar, angenehm empfunden.

3. Vp. Nr. 33. 14 ]dihr. Mdidchen. S$. 2. AB: Urbildm~tBige und graue F~rbung,

ver/~nderlich, kfrperlich, willktir- lich erzeugbar, angenehm empfunden.

4. Vp. Nr. 54. 11]dhr. M~dchen. St. 4. AB: Urbildm~llige F/~rbung, nicht k6rper-

lich, ver/~nderlich, willkiirlich erzeug- bar, angenehm empfunden.

5. Vp. Nr. 102. 16 ]dhr. Knabe. St. 4. AB: Urbildm/~$ige F~rbung, nicht kSrper-

lich, willkiirlich erzeugbar, nicht stfrend (gleichgtiltig).

6. Vp. Nr. lg6. 9 ]Cthr. Knabe. St. 3. AB: Urbildmi~Bige und komplementdre

Farbung, k0rperlich, ver~nderlich, willkiirlich erzeugbar, nicht stOrend empfunden.

XVI.

Anamnesti~ch: o. B. K.O.Z. > 5 M.A.

KSrperlich: Leichte Struma, Protrusio bulbi, schwimmender Blick ange- deutet, Puls 98.

Anamnestisch: Schlafreden, Payor noeturnus.

K.0.Z. > 5 M.A. K&perliJ~: o. B.

Anamnestisch: o. B. K.O.Z. > 5 M.A.

K6rperlich: Ganz leichte Struma, Puls 10~.

Anamnestisch: o. B. K.O.Z. > 5 M.A.

K6rperlich: Adenoides Aussehen.

Anamnestisch: 7 Monatskind, Stimm- rRzenkr~mpfe, Schlafreden.

K.O.Z. > 5 M.A. K6rperlich: Leichter Handtremor,

sonst o. B.

Anamnestiech: Pavor nocturnus, zeit- weise unaufgekl~rte Fieber- anstiege.

A.O.Z. > 5 M.A. Kondensatorentladung: Ulnaris 21,

Medianus 18. K6rperlich: Lebhafte mechanische

Muskelerregbaxkeit, Moebius an- gedeutet.

Unter diesen 6 F~llen befinden sich 2, die k6rperlieh als basedowoid angesprochen werden kSnnen, n~mlieh Vp. 18 und 33. Bei der einen sind die AB jedoch nicht vollkSrperlich, bei der z weiten hat sich bei mehrfacher Untersuchung niemals ein deutliches Bild nach Vorlage erzeugen lassen, sondern es wurden nur Umrisse gesehen. Die Bilder

Page 48: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

288 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

waren auch nicht ausschlieBlich urbildmi~Big gefi~rbt, sondern zeigten daneben graue FarbtSne. Will man aber trotzdem die in dieser Tabelle aufgefiihrten Vpn. als B-Typen hinsichtlich ihrer AB im Sinne Jaenschs

gelten lassen, so scheint es nach dem Vergleieh der psychischen und k6rperlichen Merkmale noch nicht berechtigt, eine Parallehti~t zwischen den AB, die diesem Typ zukommen sollen, und dem kSrperliehen Basedowoid anzunehmen.

Wie in dem ersten Abschnitt dargetan, fand sich unter unseren Vpn. keine einzige, deren AB die samtliehen Eigenschaften aufwies, die W. Jaensch yon den T-Typen verlangt. Es fand sich auch keine, deren AB starr und gleichzeitig st6rend waren. Bei allen Vpn., ftir die das AB st6rend war, war es auch veri~nderlich. Nur eine Parson kSnnte unter Vorbehalt hierher gereehnet werden; es ist dies:

Vp. 61. lO]dihr. Mddchen. St. 2. Anamnestisch: o. B. AB: graue F~rbung, fl~chenhaft, starr, K.O.Z. 3,8 M.A.

nichtwfllkiirlieherzeugbar, angenehm. K.O.Z. 2,8 M.A. NB: Dauer 2Min. 15 Sek. K6rperlich: etwas lebhafte mecha-

nische Muskelerregbarkeit.

Aus diesem einen Fall, der auch psychisch nicht ganz den Anforde- rungen entspricht, wird man noch keine weitergehenden Schlul~f01ge- rungen ziehen diirfen. - -

Die bisher mitgeteilten Befunde werden erst dann ihre Beweiskraft erhalten, wenn wir jetzt van der anderen Seite kommend die als base- dawoid und tetanoid in kSrperlieher Hinsicht anzusprechenden Vpn. bezfiglich ihrer GB betrachten.

Als sigher Basedowoide fanden wir im ganzen 7 Vpn, und zwar 3 M~d- chert und 4 Knaben. (~ber die Symptomatologie gibt die nachstehende Tabelle Auskunft :

1. Vp. Nr. 18. 16 jdihr. Mdidchen. K.O.Z. > 5 M.A.

K6rperlich: Leichte Struma, Protl~sio bulbi, schwimmender Blick ange- deutet, Puls 98.

2. Vp. Nr. 31. 14 ]dhr. Mddchen. K.O.Z. > 5 M.A.

K6rperlich: Struma, Handtremor, Glanz- auge, Puls 100.

3. Fp. Nr. 36. 13 ]dhr. M~idchen. K.O.Z. > 5 M.A.

K6rperlich: Struma, Handtremor, Puls 96, unregelm/~i]ig, Herzklopfen.

Tabelle x v i I .

AB:

AB:

AB:

St. 4. Urbildm~l]ige F/~rbung, nicht kSrperlich (filmartig), verander- lich, willktirlich erzeugbar, nicht stSrend empfunden.

St. 2. Komplement/~re und graue F/~r- bung, KSrperliehkeit und Ver- /~nderlichkeit nicht zu prtifen, da AB zu Iliichtig, willktirlieh erzeugbar. Die sonst erlebten AB nicht stSrend empfunden.

St. 2. Komplement/ire und graue F/ir- bung, fl/~chenhaft, unver/~nder- lich, willkfirlich erzeugbar, nicht stSrend empfunden.

Page 49: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 289

TabeUe XVI I (Fortsetzung). 4. Vp. Nr. 82. 18]~hr. Knabe.

K.O.Z. > 5 M.A. )~6r Strumz, Puls 96, Handtremor.

5. Vp. Nr. 104. 15]aTtr. Knabe. K.O.Z. > 5 M.A.

Kondensatorentladung: Uln. 25 V., IVied. 18 V.

K6rperlich: Struma, Graefe, Moebius, feinschliigiger Tremor, Puls 116.

6. Vp. Nr. 109. 14]dhr. Knabe. K.O.Z. > 5 M.A.

ti6rTerlich: Urticaria, Paver nocturnus, Sehlafreden, leicht erregt, sehr stark vasomotorisch, Moebius, starke SchweiBausbrtiche.

7. Vp. Nr. 119. 13 ]5hr. Knabe. K.O.Z. > 5 M.A.

l~6rperlich: Struma des Seitenlappens, feinschl~tgiger Tremor, Puls 96.

St. 2, AB: Komplementare Fi~rbung, sehr

fliichtig, VeritnderliehkeR und KSrperliehkeit daher nieht : zu prtifen, nicht willkiirlieh erzeug- bar.' Spontan auftretende AB nie bemerkt.

St. 2. AB: Komplement~re Farbung, nieht

kSrperlich, nicht veri~nderlieh, nieht willkiirlieh erzeugbar, nieht st6rend empflmden.

St. 3. AB: Komplementitre und urbild-

m~llige Farbung, nicht k6rper- lich, nicht verimderlieh, nicht willkiirlieh erzeugbar, nicht st5, rend empfunden.

St. 2. AB: Komplementi~re Farbung, fli~-

chenhaft, nicht veri~nderlich, nicht willkiirlich erzeugbar, nieht stSrend empfunden.

Die in der vorstehenden Tabelle aufgeffihrte Vp. 18 wurde sehon hi der Tabelle 15 als solche erw~hnt, deren AB in vieler Beziehung die Merkmale aufweist, die ffir die B-Typen charakteristisch sein sollen; allerdings hatte diese Vp. niemals vollkSrperliche AB, sondern nur fli~chenhafte. Vp. 104, die in k5rperlicher Hinsicht einwandfreie Sym- ptome eines Basedow bot, zeigte demgegenfiber in ihren AB fast aus- schlieBhch Merkmale, die dem T-Typ zukommen sollen, nur waren die AB nicht stSrend. Die fibrigen 5 Vpn. wiesen beztiglich ihrer AB verschiedenerlei Symptome auf, die ihre Einreihung weder in die reinen B- noch T-Typen gestatten. Ob Vp. 109 als kSrperlich basedowoid anzusprechen ist, wird vielleicht in Zweifel gezogen werden kSnnen, doch wiirde eine Ablehnung als kSrperliches Basedowoid das Ergebnis dieser Tabelle nicht beeinflussen. Auch hier linden sich also keine Par- allelen zwischen dem Basedowoid einerseits und den ]iir diesen Typus 9e- ]orderten Stigmen der A B andererseits.

Es eriibrigt noch eine Betrachtung der AB der als tibererregbar gefundenen Vpn. Im ganzen hatten wir 46 Vpn. gefunden, yon deneu 38 elektrisch fibererregbar waren und zum Teil noch andere Symptome nervSser Erregbarkeit zeigten; die restlichen 8 wiesen das Chvosteksche Phi~nomen auf. Eine Aufstellung dieser Vpn. und ihrer AB, wie sie

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. L X X X V I I I . 19

Page 50: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

290 S. Fischer und H. ttirschberg: Die Verbreitung der eidetischen Anlage

bisher gegeben wurde, erscheint wegen der groSen Anzahl der hierher- gehSrigen Vpn nicht zweekini~$ig, insbesondere abet deswegen, weil, wie sehon vorher festgestellt wurde, in unserem Versuchsmaterial sieh keine Vpn. fanden, die in jeder Beziehung fiber AB verffigten, die ffir den T-Typ charakteristisch sein sollen. Die einzige Vp. 61, die schon oben erwiihnt wurde, kam den gestellten Anforderungen noch am niichsten; sie empfand abet ihre AB nicht als stSrend. Es sei deshalb nur bemerkt, da$ yon den 46 Vpn., die einwandfreie Symptome der Ubererregbarkeit zeigten, und bei denen keinerleibasedowoide Symptome nachweisbar waren, 22 fiber veri~nderliche und 17 fiber kSrperliche AB verffigten. 21 batten die Fiihigkeit, AB willkfirlieh zu erzeugen. 16 Vpm batten AB frfiher niemals bemerkt; yon den fibrigen 30 Personen batten 2 die AB als stSrend, 3 als angenehm und 25 als gleichgfiltig empfunden.

W. Jaensch sprieht aul~er von den beiden genannten Typen aueh noch yon Mischtypen, die sowohl basedowoide wie tetanoide Symptome aufweisen sollen, und zwar in kSrperhcher wie in psychischer Hinsieht. Die Mehrzahl unserer FMle wfirde in psyehischer Hinsieht zur Misch- form zu ziihlen sein. Aus Vorstehendem geht abet zur Genfige hervor, dal~ wir bei diesen keine entspreehenden kSrperlichen Symptome ge- funden haben; deshalb beschri~nken wit uns auf die Mitteilung der Mischformen in kSrperlicher Hinsicht. Es waren 3 Fi~lle: �9

Tabelle XVI I I . 1. Vp. Hr. 4. 12]dihr. Mddchen.

K.O.Z. 4,2 M.A. A.O.Z. 2,4 M.A. A.S.Z. 3,2 M.A.

Kdr~erlich: Geringe Struma, Spur Glanz- auge, Puls 90, Stellwag.

Z. Vp. Hr. 55. 11]~ihr. J)ladchen. Anamn estisch: Seltene Fieberar.stiege ohne

ersicl tliche Ursache, Schlafreden, me- chanische Muskeltibererregbarkeit.

A.O.Z. 2,8 M.A. A.S.Z. 2,4 M.A.

Kb'r~:erlich: Geringe Struma, Prot1~sio bulbi, schwimmender Blick, Moebius angeieutet, Stellwag, Puls 92.

3. Vp. Hr. 108. 15 ]dhr. Knabe. Anamnestisch: N/~chtl. Aufschrecken.

A.S.Z. 3,4 M.A. A.O.Z. 2,8 M.A.

Kondensatorentladung: Uln. 21 Volt, Med. 12 Volt.

Kdr~ erlich: Leichte Struma, leichter Hand- tremor, Puls 116, Herzldopfen. Me- chanische Muskeliibererregbarkeit.

St. 4. AB: Urbildm~l~ige F~rbung und graue

T6ne dabei, k6rperlich, ver~nder- lich, willktirlich erzeugbar, an- genehm empfunden.

St. 2. AB: Komplement~re und graue F/ix-

bung, nicht k6rperlieh, ver/~nder- lich, willktirlich erzeugbar, j edoeh sehr undeutlich, nicht stSrend empfunden.

St. 2. AB: Komplementgre F/~rbung, K6r-

perlichkeit und Ver/~nderlichkeit infolge der Fltichtigkeit nicht zu prtifen, keine willkiirlich erzeug- baren AB. AB hie bemerkt, daher weder st6rend noeh an- genehm empfunden.

Page 51: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu k(irperlichen Merkmalen. 291

Die Berechtigung, die Vp. 55 auch als tetanoid anzusprechen, leiten wir daher, dab eine A.O.Z. yon 2,8 M.A. als verd~ehtig auf ~ber~rregbarkeit anzusehen ist und im Verein mit den anamnesti- schen Angaben die Obererregbarkeit als hSchstwahrseheinlich an- zunehmen ist. Bei Vp. 108 wird die Annahme einer elektrisehen l~bererregbarkeit bei der A.O.Z. yon 2,8 M.A, gestiitzt durch den Wert yon 12 Volt bei l~eizung des Nervus medianus mittels der Kondensatorentladung. Die erste der genannten Vpn. wurde sehon in Tab. XV als psychischer B-Typ bezeichnet; die bei der kSrper- lichen Untersuchung Iestgestellte (~bererregbarkeit zeigte nieht die geforderten Parallelen mit den Merkmalen der AB. Die beiden anderen Vpn. wiesen bezfiglich ihrer AB entspreehend dem auf kSrperlichem Gebiete erhobenen Befunde eines basedowoiden und gleichzeitig tetanoiden Zustandes Merkmale auf, die dem B- und dem T-Typ zukommen sollen. Es wfirden also diese beiden F~lle den yon Jaensch gestellten Forderungen entsprechen.

Ziehen wir das Resultat aus unseren Untersuchungen, so daft gesagt werden, daft sich bei unseren 140 Vpn. keine Parallelitdt zwischen einem tetanoiden Zustande und den Eigenscha]ten der AB /eststellen liefl, die/iir diesen Zustand charakteristisch sein sollen, und ebensowenig eine Parallelitdt zwischen einem basedowoiden Zustand und den Eigenscha]ten der AB, die/iir diesen charakteristisch sein sollen. Wenn diese Versuehs- ergebnisse nicht im Einklang stehen mit denen von W. Jaensch, so ist darauf hinzuweisen, dal~ Jaensch als tetanoid sehon alle Individuen an- gesprochen hat, die eine A.O.Z. unter 5 M.A. aufwiesen. Legen wir diesen Mal~stab aueh bei unseren Vpn. zugrunde, so fallen von den 140 Untersuchten 117 unter die ~bererregbaren. Aber selbst unter dieser Voraussetzung sind unsere Ergebnisse mit denen Jaenschs nieht in Einklang zu bringen, da dann eine ebenso groSe Anzahl unserer Vpn. auch beziiglich ihrer AB die Merkmale des T-Typus aufweisen miil~ten. Dies ist aber, wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, nicht der Fall. Nach unseren systematischen Untersuehungen ist die eidetische Anlage ein Merkmal, das allen Jugendlichen zukommt. Wenn diese Anlage an die beiden genannten Symptomenkomplexe gebunden sein soll, so mfiSten alle Jugendliehen entweder basedowoid oder tetanoid sein. Da diese Annahme erfahrungsgem~f~ und auch nach unseren Untersuchungen nicht zutrifft, so ist von vornherein auch sehon eine Parallelit~t der eidetischen Anlage und dieser beider k6rperlichen Symptomenkomplexe unwahrscheinlich. Der Nachweis einer solchen Paralleht~t mfiftte an Erwachsenen gefiihrt werden, bei denen crfahrungsgem~l~ die eidetische Anlage eine Ausnahme bildet, und hier erst kSnnte festgestellt werden, ob gleiehzeitig mit diescr Anlage auch immer basedowoide oder tetanoide Syml3tome nachweisbar sind.

19"

Page 52: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

292 S. Fischer und H. Hirschberg: Die Verbceitung der eidetischen Anlage

W. Jaensch gibt an, dal~ durch Zufiihrung yon Kalls die stSrendeJ~ AB entsprechend der dadureh herbeigeffihrten Iterabsetzung der ~ber- erregbarkeit versehwinden sollen. Wir haben Versuehe in dieser. Hin- sicht begonnen, sind aber noeh zu keinem abschlieBenden Resultat dariiber gelangt. Irides zeigte sieh bei der Untersuchung ausgespro- ehener Eidetiker, denen kein Kalk zugeffihrt wurde, daf~ innerhalb weniger Wochen nicht nur die F~higkeit zur Erzeugung yon AB nach Vorlage bis auf ein Minimum herabsank, sondern dub die betreffenden Vpn., die vorher auch fiber spontan auftretende AB beiintensivem Denkeu an Personen verfiigten und sieh aueh willkfirlieh AB yon Personen er- zeugen konnten, diese Fi~higkeit fast vSllig verloren hatten. Es ist deshalb nieht ausgeschIossen, dab das angeblich durch Kalk bewirkte Verschwinden yon AB vielleicht aueh auf anderen Ursaehen beruhen kSnnte. Eine Beantwortung dieser Frage gestatten unsere bisherigen Untersuchungen noeh nieht.

u Anhang. Das Erlebnis der Ansehauungsbilder im u zu den IIalluzinationen

und Pseudohalluzinati0nen.

Das Ph~nomen der spontan oder aueh willkiirlich auftretenden optisehen AB, die ohne Vorlage entstehen, legt die Frage nahe, ob dieses Erlebnis sich ph~nomenologiseh yon der ttalluzination bzw. der Pseudohalluzination unterseheidet. Bei beiden Erlebnisarten werden ja Dinge ,,gesehen", denen objektive Realiti~t nicht zukommt.

In einer frfiheren Arbeit 1) hat der eine (Fischer) yon uns dargetan, dal~ die Wahrnehmungen Erseheinungen sind, bei denen zugleich ein dispositionelles Wissen yon ihrer Verursaehung durch einen ~ul~eren Reiz vorhanden ist; die Vorstellungen wurden als Erscheinungen charak- terisiert, bei denen zugleich ein dispositionelles Wissen davon besteht, dai~ ein ~ui~erer Reiz nicht ihre Ursache bfldet. Die tIalluzinationen wurden yon den Pseudohalluzinationen ebenso unterschieden, so dal~ also vom phi~nomenologischen Standpunkt die tIalluzinationen den Wahrnehmungen zugerechnet wurden, die Pseudohalluzinationen da- ~ gegen nicht, sondern den Vorstellungen. Nun hatten alle unsere Vpn. angegeben, daf~ sie yon der objektiven Nichtwirklichkeit des im AB tats~ichlich Gesehenen fiberzeugt seien. In dieser Hinsicht sind die hier zu betrachtenden AB also zu der Kategorie Vorstellung-Pseudo- halluzination zu zi~hlen. Von den VB unterscheiden sic sich aber da- durch, dal~ sie doch buchst~blich gesehen werden. Andererseits haben sie dieses Merkmal mit den Pseudohalluzinationen gemein. Besteht nun wiederum ein Unterschied zwischen AB und Pseudohalluzination,

1) Kritische Musterung der neueren Theorien tiber den Unterschied you Empfindung und Vorstellung. Diese Zeitschrift 64. 1921.

Page 53: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im JugendMter und ihre Beziehungen zu kSri~erlichen Merkmalen. 293

und wie kommt es, dal~ in dem Erlebnis des AB gleichzeitig ein Wissen davon vorhanden ist, dab ein ~uBerer Gegenstand nicht ihrc Ursache bildet ?

Ffir die Beantwortung ist es zweckmi~Big, die zweite Frage voran- zustellen.

In den allermeisten F~llen wird das Fchlen eines ~uBeren Objekts nach den Angaben unserer Vpn. schon an den inhaltlichen Qualit~ten der Erscheinung erkannt. Die gesehenen Objekte -- meist sind es Personen, fiber die wir yon unsercn Vpn. Auskunft crhicltcn -- sind entweder kleiner als die sonst gesehenen, oder sie weiscn keine eigent- lichen Farben auf, sondern sind nur grau oder schwarz-weiB. Zuweilen sind sie unbeweglich oder nicht kSrperlich, sondern fl~chenhaft, wie aufgemalt oder gar schleierhaft und damit durehsichtig. Mindestens eine dieser Eigenschaften kommt in fast allen F~llen dem AB zu, so daB auf Grund eines einzigen solchen Kriteriums, selbst wenn alle anderen fehlen, die Vp. yon der Nichtwirklichkeit eines realen ~uBeren Objekts fiberzeugt ist. Wir habcn es ja bier mit psychisch :r ge- sunden Kindern zu tun, die durch Erfahrung -- wie in der oben zitierten Arbeit dargelegt wurde -- zu der Differenzierung Wirklich--Nicht- wirklich auf Grund inhaltlicher Mcrkmale der Erscheinungen bereits gelangt sind. Die Mannigfaltigkeit diescr Eigenschaftcn liege sich noch um vieles vermehren. Zuweilen zwinkern die sonst vSllig unbeweglichen Personen, die im AB erscheincn, nur mit den Augen, oder sie hMten die Arme angepreBt, oder auch die Lippen sind in eigentfimlicher Weise eingezogen. Andere Vpn. sehen die Personen sich wie im Film bewegen.

Infolge der dadurch bedingten, mit dem Erleben dcr Erscheinung gleichzeitig gegebenen l~berzeugung yon dem Fehlen eines ~uBeren Reizes werden die gesehenen Personen auch beispielsweise nicht an- gesprochen, denn sie sind ja ffir die Vp. objektiv nicht da. Fehlen nun abet solche inhaltliche Merkmale, die ein Urteil fiber die Realit~t be- dingen, dann linden sich in vielen Fi~llen andere Eigenschaften, die keinen Zweifel an der Irrealit~t des ~uBeren Objekts aufkommen lassen. Zuweilen ist das Urteil schon dadurch gegeben, daB die Erscheinungen mit dem Willen des Beobachters entstehen und ebenso zum Verschwinden gebracht werden kSnnen. Ein andermal l~Bt die Tatsache, dab die Er- scheinungen mit diem Blick mitgehen, keinen Zweifel aufkommen. Nie- reals wurde bezeichnenderweise die Verschiedenheit des Raumes als Kriterium angegeben. Der Raum der AB ist derselbe wie der der Wahr- nehmungserscheinungen und der der VB1). Eine Kontrolle durch andere Sinnesorgane zur Feststellung, ob die gesehenen Personen wirk- lich da seien, wurde yon unseren Vpn. niemals vorgenommen. Dagegen

1) DaB Wahrnehmungsraum und Vorstellungsraum nicht schaff voneinander zu trennen sind, wurde in der zitierten Arbeit bereRs dargetan.

Page 54: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

294 S. Fischer und It. Hirschberg: Die Verbreitung der eidetischea Anlage

war in solchen Fallen, wo die Erscheinung sieh in keiner Weise yon den Wahrnehmungen unterschied und die im AB gesehenen Personen auch zu der Vp. sprachen, die objektive Irrealitat der Personen unseren Vpn. dadurch sofort evident, dal3 die widerspruchslose Einordnung der Erscheinung in den gufleren Zusammenhang nieht mSglieh war. So gab eine Vp. an, es k6nne doeh nicht sein, dab die Bekannten am Abend an ihrem Bette stfinden, daher wisse sie, dal3 es nur Einbfldung sei. Eine andere Vp., die oft die verstorbene Grol3mutter im AB sah, sagte dasselbe mit der Begriindung, wenn die Groi~mutter tot sei, k6nne sie doeh nicht tatsaehlieh wieder da sein.

Naeh diesen Darlegungen scheint es, als ob ein ph~nomenologischer Unterschied zwischen Pseudohalluzinationen und spontan auftretenden AB nicht bestiinde, denn bei den Pseudohalluzinationen kann natiirlich ebenfalls das eine oder andere Merkmal, das im allgemeinen den Wahr- nehmungen zukommt, fehlen. Fiir einen Teil der Falle ist das zugegeben. Es finder sich aber, wenn wir yon dem Gesamtzustand des Pseudohallu- zinanten absehen, doeh ein Untersehied zwischen beiden Erlebnisarten, der zwar nicht durchg~ngig ist, aber doch fiir die AB in den meisten Fallen als charakteristiseh angesehen ~erden kann. Inhaltlich namlich stellen die AB, soweit es unsere Erhebungen ergeben haben, fast immer nur friiher wirklich gesehene Personen dar. Personen, die im AB erscheinen, sind immer Bekannte, meist solche, fiir die ein besonderes Interesse besteht, und diese zeigen gegenfiber dem Urbild nur geringe Abwandlungen. Aueh die toten Gegenstande oder erlebten Situationen seheinen im AB ohne Veri~nderung wiederzuerscheinen. Anders bei den Pseudohallu- zinationen. Hier k6nnen bekanntlich Erseheinungen mannigfaltigster und grotesker Objekte, die im Leben niemals gesehen wurden, erlebt werden. Natiirlich wird man bei diesen Erscheinungen, ebenso wie bei anschaulichen Phantasiegebilden, annehmen mtissen, dal~ zum mindesten die einzelnen Teile des Gesehenen friiher sehon einmal wahr- genommen wurden, und daf~ das Neuartige nur in der Zusammen- setzung dieser Teile besteht. Bei den Pseudohalluzinationen, die diese Inhalte haben, spielt daher ein rein psyehischer Faktor zum mindesten in dieser Hinsicht eine Rolle. Bei den AB dagegen ist das, wie es seheint, nieht der Fall, so dab die Annahme berechtigt erseheint, dab das psy- chische Moment hier eine geringere Rolle spielt und diese Erlebnisse mehr apsychonomer Natur sind und in dieser Beziehung dem biB ni~herstehen. ~ ,~

Zvzammenstellung der wichtigsteu Ergebnisse. 1. Die eidetische Anlage ist ein den Jugendlichen ausnahmslos zukom-

mendes Merkmal; die Acme liegt zwischen dem 12. und 14. Lebensjahre. 2. Die weiblichen Jugendliehen beteiligen sich an den h(iheren

Page 55: Die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter und ihre Beziehungen zu körperlichen Merkmalen.

im Jugendalter und ihre Beziehungen zu kSrperlichen Merkmalen. 295

Stufen der eidetischen Anlage mit einem wesentlich hSheren Prozent- satz als die m~nnlichen.

3. Die weibliehen Jugendliehen zeigen h~ufiger die Fghigkeit zur Erzeugung willkfirlicher Anschauungsbilder (AB) als die m~nnlichen.

4. Je starker die eidetische Anlage ist, desto h~ufiger wird sie yon dem Tr~ger derselben bemerkt.

5. Die urbildm~l~ig gef~rbten AB weisen auf eine hohe Stufe, die komplement~r gef~rbten auf eine geringere Stufe der eidetischen An- lage hin; die grau gef~rbten AB stehen zwisehen beiden und deuten auf eine mittelstarke eidetisehe Anlage hin.

6. Das urbfldm~l~ig gefarbte AB steht dem Vorstellungsbild (VB), alas komplement~r ge~arbte dem Naehbild (NB) naher, das grau ge- f~rbte nimmt eine Mittelstellung ein, steht aber dem VB n~her als dem NB.

7. Zu den Zeiehen, die vonder E. R. Jaenschschen Sehule zum Nachweis einer eidetisehen Anlage auf dem Umwege fiber das biB ge- funden wurden, kSnnen hinzugeffigt werden: 1. das versp~tete Auf- ~reten des biB, 2. die Abweichung der GrSfie des biB in der Entfernung tier Exposition yon der GrSl]e des Wahrnehmungsobjekts, 3. die Ver- ~nderliehkeit des biB.

8. Eine K.O.Z. unter 5 M.A. ist bei Jugendlichen im sehulpfliehtigen Alter als Zeiehen einer ]~bererregbarkeit anzusehen. Eine A.O.Z. zwlsehen 4--3 M.A. legt den Verdaeht auf eine ~bererregbarkeit nahe. Eine A.O.Z. unter 3 M.A. ist etwa mit 50% Wahrseheinlichkeit beweisend liir eine ~bererregbarkeit. Der Wert der A.O.Z. allein ist nieht be, weisend ffir das Vothandensein einer ~bererregbarkeit.

9. S~mtliehe Individuen mit einer K.O.Z. unter 5 M.A. zeigten aueh bei der Prfifung mit Kondensatorentladung eine unter dem Normal- wert liegende Erregbarkeit; diejenigen mit einer K.O.Z. fiber 5 M.A. und einer A.O.Z. unter 3 M.A. zeigten ntu" etwa in dem vierten Tell der F~lle eine mit dem Kondensator nachweisbare ~bererregbarkeit.

10. Sehlafreden oder Payor nocturnus legen den Verdaeht auf einen Zustand yon Ubererregbarkeit nahe, sind jedoeh allein nicht beweisend ffir das Vorhandensein eines solehen Zustandes.

11. Es konnten keine Parallelen festgestellt werden zwisehen Base- dowoid bzw. Tetanoid und den yon W. Jaensch ffir diese Zust~nde als charakteristiseh bezeiehneten Merkmale der AB.