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Die Wirtschaftspolitik Friedridi Barbarossas in Deutschland Von Johannes Fried Sonderdruck aus Blätter für deutsche Landesgeschichte" Bd. 120/1984

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Die Wirtschaftspolitik Friedridi Barbarossas in Deutschland

Von Johannes Fried

Sonderdruck aus Blätter für deutsche Landesgeschichte" Bd. 120/1984

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Die Wirtschaftspolitik Friedrich Barbarossas in Deutschland*

Von JOHANNES FRIED

An hervorragender Stelle bestritt Herbert Hassinger jede hochmittel- alterliche Wirtschaftspolitik, die den Zusammenhang und die Wechselbe- ziehungen der Einzelwirtschaften beachtet hätte'). Es fehlten

�Eingriffe in Wirtschaftsprozeß, Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsordnung' in gestaltender Absicht", zur �Förderung wirtschaftlichen Wachstums oder der Strukturveränderung".

�Die Einstellung zu den wirtschaftlichen Teil-

gebieten und -prozessen ist primär statisch. " Erst im Spätmittelalter sei aus der Summe der Maßnahmen, die

�in die Wirtschaft irgendwie ein-

greifen", der �Ansatz zu einem dynamischen Verhältnis zur Wirtschaft"

geworden, der freilich �noch nicht auf wirtschaftliches Wachstum, auch

nicht primär auf den Vorteil des geförderten Objektes, sondern auf den des Initiators der Maßnahmen, auf die Erhöhung seiner Macht und seiner Einnahmen" ziele. Vorstufen könne man in den entstehenden Landesherr- schaften beobachten; so sei bereits die

�Wirtschaftspolitik" Heinrichs des

Löwen �nicht mehr rein fiskalisch" zu interpretieren. - Der staufische

Kaiser jedoch, von dem hier zu handeln ist, erscheint in dieser Sicht schon gar nicht als Bahnbrecher2), und C. Brühls Feststellung: Friedrichs I.

�Ita- lienpolitik und Finanzpolitik erweisen sich ... als die zwei Seiten der gleichen Medaille", wirkt wie eine unmittelbare Bestätigung und Ergän- zung der allgemeinen Charakterisierung für den Einzelfall3). Der anklin-

Deutsche, in den Anmerkungen leicht ergänzte Fassung meines Artikels �La politica eco- nomica di Federico Barbarossa in Germania", in: Federico Barbarossa net dibattito storio- grafico in Italia e Germania. A cura di R. MANSELLI e J. RIEDMANN (Annali dell'Istituto sto- rico italo-germanico. Quaderno 10,1982). 1) H. HASSINGER, Politische Kräfte und Wirtschaft 500-1350, in: Handbuch der Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. H. AUBIN, W. ZORN I, 1971, S. 274-5,278. Kritik an Hassinger übte U. DIRLMMEIER in einem Vortrag am 3.6.1980 in Heidelberg �Staatliche Gewalt und Wirtschaft im Raum des Deutschen Reiches (12. Jh. )", in dem er über sein Buch

�Mittelalterliche Hoheitsträger im wirtschaftlichen Wettbewerb", VSWG Beih. 51 (1966)

hinaus die Notwendigkeit und Gegenwärtigkeit von Wirtschaftspolitik im 12. Jh. betonte. Anregend noch immer: H. DANNENBAUER, Politik und Wirtschaft in der altdeutschen Kaiser- zeit, in: Das Reich. Idee und Gestalt, Fs. f. JOHANNES HALLER (1940), zit. nach dem sep. Neudruck, Darmstadt o. J., Reihe Libelli 35. -Auch im 1. Band der von Carlo M. CIPOLLA hg. �Europäische(n)

Wirtschaftsgeschichte. The Fontana Economic History of Europe", dt. Ausg. v. K. BORCHARDT (1978), wird Barbarossa nur am Rande erwähnt und vor allem als Politiker der �Ordnung" gesehen (so in dem Beitrag v. Edward MILLER, Wirtschaftspolitik und öffentliche Finanzen S. 230). 2) HASSINGER (erwähnt Barbarossa nur im Zusammenhang mit der Regaliendefinition von 1158 (vgl. Index s. v. ). 3) C. BRÜHL, Die Finanzpolitik Friedrich Barbarossas in Italien, in: HZ 213,1971, S. 13-37; Zitate S. 24,29. Auf die Diskussion mit A. HAVERKAMP, Königsgastung und Reichssteuer, in: ZBayerLdG 31,1968,768-821, DERS. Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, 1970-71, Monographien zur G. des MA 1,1/II ist hier, wo die deutsche Wirtschaftspolitik im Mittelpunkt steht, nicht einzugehen. Vgl. noch D. v. d. NAHMER, Zur Herrschaft Friedrich Barbarossas in Italien, in: Studi Mediev. 3a ser. 15,2 (1974), S. 587-703.

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. JOHANNES FRuEn

gende Fiskalismus-Verdacht gegen den Staufer erhöht sich noch, wenn es richtig ist, daß �ganze expeditiones ... aus rein finanziellen Gründen unternommen worden" seien3). Tatsächlich behauptete nicht nur Rahewin, Barbarossas erster Polenfeldzug sei des lange verweigerten pol- nischen Jahrestributs von 500 Mark wegen unternommen worden4); auch Friedrichs eigenes Eingeständnis, er betreibe seine Italienpolitik

�nicht, um für uns oder unsere Söhne Reichtümer anzuhäufen, sondern allein für die Wiederherstellung des Friedens und die Mehrung des Reiches"5), bestätigt sein Streben nach Einnahmensteigerung mit kriegerischen Mit- teln. Der Kaiser wies mit diesem Dementi ja keineswegs seine finanziellen Ziele zurück, er verwahrte sich lediglich gegen unterstellte privategoisti- sche Motive. So läßt sich also südlich wie nördlich der Alpen prinzipiell dasselbe Bedürfnis nach Sicherung und Steigerung der Geldeinnahmen beobachten; allenfalls sind die Zahlenbelege für Deutschland seltener als für Italien und die überlieferten Beträge im Norden gewöhnlich niedriger als im Süden.

Doch ging es denn in der Tat allein um Steigerung finanzieller Ein- künfte? War der amor pecunie, den Vincenz von Prag dem staufischen Kaiser zuschrieb6), nichts weiter als fiskalische Unersättlichkeit? Bereits die Kriege, die Friedrich führte, verschlangen zu großen Teilen, was sie gerade gewinnen sollten. Zwei Rechtstexte aus Barbarossas Frühzeit lassen die Kosten ahnen, die für ein Heer aufzubringen waren, das längere Kölner Dienstrecht (um 1165) und die Reichenauer Fälschung

�De expe- ditione Romana" (um 1160). Diese gewährte jedem sich dem Romzuge anschließenden, per hominium belehnten Panzerreiter, gleichgültig wel- chen Standes, 3 Mark, jedem Schildknappen 1 Mark, jedem sonstigen Ministerialen zusätzlich zur Ausrüstung 5 Mark und den Inhabern der Hofämter noch mehr7). Die Kölner Dienstleute erhielten für die Fahrt über Berg bis zu den Alpen eine Pauschale von 40 Ellen Tuch und 10 Mark und in Italien pro Monat 1 Mark, d. h. etwa 71/2 gr. Silber pro Tags). Das waren erhebliche Beträge, die der Staufer, ganz abgesehen vom Söld-

4) Ottonis episcopi Frisingensis Chronica sive historia de duabus civitatibus, cd. A. HoFUEt- sTER, MGSSrerGerm, 1912, III, 2, S. 168 = ed. F: J. SCHMACH, Ausgewählte Quellen zur Deutschen G. des MA, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 17, S. 400. 5) DF. I. 318 (1160). Das umfangreichste Verzeichnis der überlieferten italienischen Ein- nahmen Friedrichs I. hat Gertrud DEIBEL, Die Italienischen Einkünfte Kaiser Friedrich Bar- barossas, Neue Heidelberger Jbb (1932), S. 21-58 zusammengestellt; vgl. DIES. Die finan- zielle Bedeutung Reichs-Italiens für die staufeschen Herrscher des zwölften Jahrhunderts, in: ZRG GA 54,1934, S. 134-177. Für Deutschland fehlt eine entsprechende Liste. 6) Vincentii et Gerlaci Annales, MG. SS. XVII, S. 665, B. 7) MG. Const. I, S. 661-3 Nr. 447 cc. 4,8,11; vgl. G. THEUERKAUF in Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte (HRG) 1, Sp. 634-36. 8) Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250, hg. v. L. WEINRICH, Ausgewählte Quellen zur deutschen G. d. MA. Freiherr vom Stein-Gedächtnis- ausgabe 32,1977, S. 266-78, c. 4.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

nertum, dessen Ausbreitung auch Friedrich nicht aufzuhalten vermochte, kaum wesentlich unterbieten konnte9). Bescheiden nahmen sich daneben die 3 Mark aus, die Friedrich 1189 als Mindestausstattung jedes Kreuzfah- rers für zwei Jahre veranschlagte, also etwa 28 gr. Silber pro Monat oder 2/3 Kölner Pfennige pro Tagl°). Sie stellten bestenfalls das Existenzmi- nimum dar. Dennoch ahnt man auch hier, welch ungeheure Geldmengen damals nach Osten geflossen sein müssen, selbst wenn die Heeresstärke nicht die erschlossene Obergrenze von 100 000 Mann erreichte"). Bescheiden erscheinen die 2/3 Kölner Pfennige auch deshalb, weil seit der Mitte des Jahrhunderts allgemein die Kriegskosten noch gewachsen sein dürften. Jedenfalls deuten die den polnischen Herzögen auferlegten Kon- tributionen darauf hin: Herzog Boleslaw mußte 1157 als Besiegter 3200 Mark (Silber) und 20 Mark Gold zahlen12), 1172 sollte Mieszko III. der Alte in ähnlicher Situation bereits 8000 Mark aufbringen13), und acht Jahre später bot derselbe Herzog für einen kaiserlichen Heereszug nach Polen 10 000 Mark-14). Was auch immer diese Kostenprogression verur- sacht haben mag, der Krieg verschlang auch in Deutschland immer mehr Geld, und damit hatte der kriegerische Kaiser zu rechnen: �Wir brauchen ganz dringend Geld", klagte er noch auf seinem letzten Heereszug, in seinem letzten Briefeis). Doch will ich nicht die These vertreten, Fried- richs �Fiskalismus" sei im wesentlichen Kriegsfinanzierungspolitik; sie bewegte sich im Kreise und träfe nicht einmal die halbe Wahrheit.

Denn auch sonst ist die seit geraumer Zeit schon um sich greifende Monetarisierung in der Politik zu beobachten. Graf Balduin von Hen-

9) BURCHARD V. URSBERG, Chronicon, edd. O. HOLDER-EGGER u. B. v. SIMSON, S. 91, rech- nete mit Selbstverständlichkeit, daß Barbarossa salaria sive solda seinen milites zu bezahlen hatte. Der Chronist hatte dabei keineswegs nur �Söldner"

im Auge. Barbarossa und Söldner: H. GRUNDMANN, Rotten und Brabanzonen. Söldnerheere im 12. Jh., in: DA 5, 1942, S. 419-492, hier S. 442 ff. 11) Drei Mark: Orro V. Sr. BLASIEN, Chronica, ed. A. HOFMEISTER, MGSSrerGerm, 1912, c. 31, S. 45; die Zweijahresfrist: Annales Marbacenses, ed. H. BLOCH, MGSSrerGerm, 1907, zu 1188, S. 60. 1) Zur Heeresstärke vgl. W. GIESEBRECHr, G. d. deutschen Kaiserzeit VI (hg. u. fortgesetzt v. B. v. SIMsoN), 1895, S. 688 zu S. 213. Korrekturen: H. JAHN, Die Heereszahlen in den Kreuzzügen (Diss. phil. Berlin 1907). 12) RAHEWIN, Gesta III, 5 ed. WArtz, v. SIMSON, S: 170 = ed. SCHMALE, S. 402. 13) Chronica regia Coloniensis, ed. G. WArrz, MGSSrerGerm, 1880, zu 1173, S. 124. 14) Chron. reg. Colon. zu 1180, S. 131. - Im Jahre 1186 rechnete Graf Balduin von Hen- negau seine Schulden zusammen, die ihn seine ständigen Kriege in den letzten Jahren zu machen gezwungen hatten: Sie erreichten die enorme Höhe von 41 000 Pfund der Münze von Valenciennes. Unde conies Hanoniensis, licet dolens, terram suan: graviter talliis oppri- mendo, partent maiorent et fere totanr infra 7 menses persolvit. GISLEBERT v. MONS, Chron. Hanoniense, ed. L. VANDERIm: DERE, La Chronique de Gislebert de Mons, 1904, S. 193-4. u) St. 4529; Druck: ANSBERT, Historia de expeditione Friderici imperatoris, ' ed. A. CHRousr, MGSSrerGerm n. s., 1928, S. 40-43, hier S. 42,46; �pecuniam ... nobis plu- rimum fore necessariam ... " Wenig ergiebig ist J. DIKOW, Die politische Bedeutung der Geldwirtschaft in der frühen Stauferzeit, Diss. phil. Münster 1958.

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JOHANNES FxiEn

negau etwa sicherte sich (1188) die künftige Belehnung mit der Grafschaft Namur durch einen kräftigen Geldbetrag'6), der wie üblich'7) unter den Kaiser, seinen Sohn Heinrich, seine Gemahlin, seine Kurie und seine son- stigen Berater verteilt wurde. Zwar hatte der Graf der Champagne für dasselbe Lehen seinen Nachbarn bis zum Neunfachen überbotenl$), doch des Kaisers Zustimmung nicht erkaufen können. Zudem hatte Friedrich schon früher dem Hennegau-Grafen durch klug kalkulierenden Rat hohe Ausgaben erspart, indem er an das Lebensalter seines Ansprüche stel- lenden Konkurrenten und dessen bald zu erwartenden Tod, der jede Zah- lung erübrige, erinnerte19). Liquidität, schnelle Kapitalbeschaffung und Kosteneinsparung waren offenbar auch vom Kaiser erkannte Vorausset- zungen flexibler und erfolgreicher Politik20), während der gute Politiker seine Qualitäten damit bewies, nicht gleich beim erstbesten oder finanziell günstigsten Angebot zuzuschlagen, sondern beim politisch erwünschten. Als Erzbischof Eberhard von Salzburg widerwillig seinem zürnenden Kaiser, um seiner Servitialpflicht nachzukommen, auch Geld überwies, schickte Friedrich es zurück: Es sei nicht seine Art, Geld anzunehmen und zornig zu bleiben21). Die politische Opposition war, so scheint es, mit Steuerfreiheit bestraft, und der noch so fiskalisch gesonnene Herrscher sollte die Gelder unterscheiden lernen.

Der Kaiser seinerseits paßte sich den durch den Siegeszug des Geldes veränderten Bedingungen an. Für zu erwerbende Kirchenlehen griff er

16) Im Jahre 1184 wurde die Grafschaft Namur für 800 Mark Silber und 5 Mark Gold zur Markgrafschaft erhoben: St. 4375 = Const. I. S. 424, Nr. 298. Im Jahre 1188 verpflichtete sich der Graf v. Hennegau, für die Belehnung mit Namur 1550 Mark zu zahlen: GISLEBERT, Chron. Hanon., S. 229. 17) Vgl. RAHEWIN, Gesta III, 5 ed. HOFMEISTER, S. 170 = ed. SCHMALE, S. 402; auch D. F. I. 318 (1160). 18) Er war bereit, für aktive Hilfen des Kaisers zur Erlangung der Grafschaft Namur insge- samt bis zu 13 700 Mark zu zahlen und für die bloße gratia Friedrichs die Hälfte. GISLEBERT, Chron. Hanon., S. 229. 19) GISLEBERT, Chron. Hanon., S. 161: Bertholds von Zähringen Ansprüche auf Namur sollten mit 1600 Mark Silber abgelöst werden; Barbarossa riet dem Hennegauer von der Zahlung ab. 20) Vom Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg behauptet die Kölner Königschronik (zu 1188, S. 140), er habe zu den bis dahin ausgegebenen 40 000 Mark noch 700 weitere Silber- mark zum Erwerb von Städten und Landgütern für das Kölner Territorium hinzugefügt. - Für die spätere Zeit vgl. H. STEHKÄ1IPER, Geld bei den deutschen Königswahlen des 13. Jh. s, in: Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege 1, Festschrift f. H. KELLENBENZ (Beiträge zur Wirtschaftsg. 4), 1978, S. 83-135. 21) DF. I. 346 (1162). Auch VINCENZ voN PRAG und sein Fortsetzer erwähnen die Zurück- weisung von Geldzahlungen durch Friedrich: MG. SS. XVII, S. 675,1 ff.; S. 686,14. - Ste- phan IV. v. Ungarn konnte 1164 Barbarossas Hilfe gegen seinen Neffen Stephan III. trotz eines Angebots von 3000 Mark nicht erringen; der Neffe hatte den Onkel schon um 2000 Mark überboten, weshalb seine Gesandten im folgenden Jahre beim Kaiser zur eidlichen Zusicherung genötigt wurden, den noch ausstehenden Restbetrag zu zahlen: Chron. reg. Colon. zu 1160 (! ), ed. G. WArrz, MG. SS. rer. Germ. 1880, S. 104 und dazu die App. zu RAHEWIN, Gesta, ed. WArrz, v. SIMSON S. 348.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

wiederholt tief in seine Kassen - an Bamberg zum Beispiel zahlte er 1322 Mark für die Expektanz auf die dem Sulzbacher Grafen verliehenen Gütern) - und konkurrierende Laienfürsten wurden, sobald sich Gele- genheit bot, durch geschickten Geldeinsatz ausmanövriert. Es ist nur daran zu erinnern, wie Heinrich der Löwe das fast sichere Erbe seines Oheims Welf VI. verlor23).

Friedrich mußte sich demnach mit dem Problem der Finanzierung von Krieg und Frieden durch Geld, der Finanzierung seiner Politik der refor- matio pacis und des augmentum imperii24), auseinandersetzen. Das war mehr als Fiskalismus. Der Kaiser mußte sich damit zurechtfinden, daß das Geld zum Wertmesser schlechthin wurde und die Nachfrage nach ihm kontinuierlich stieg. Es konnte zum Inbegriff des Mobilienbesitzes auf- rücken), und landwirtschaftlicher Ertrag wurde selbstverständlich in Geld bemessen26). Nicht nur in Italien, auch in Deutschland machte sich der säkulare Trend bemerkbar, eben die allseitig zunehmende Monetari- sierung aller Lebensbereiche, die vor allem eine gewaltige Steigerung des Umlaufkapitals mit sich brachte. Hier vollzog sich ein wirtschaftlicher Strukturwandel größten Ausmaßes, und Friedrich Barbarossa mußte sich auf ihn einstellen. Er mußte in einer Epoche sich auflösender Grundherr- schaften27) die wirtschaftliche Sicherstellung und die von wirtschaftlichen Faktoren abhängige Handlungsfähigkeit des Reiches an die zunehmende allgemeine Geldorientierung anpassen. Erhaltung und Steigerung der Finanzkraft des Reiches wurden zu einem allerersten Gebot und zu einem vordringlichen Ziel königlicher Politik, übrigens von früh an begleitet

22) St. 4166 u. 4167. Dazu E. KLEBEL, Die Grafen von Sulzbach als Hauptvögte des Bistums Bamberg, in: MIÖG 41,1926, S. 108-28; F. X. VOLLVIER, Reichs- und Territorialpolitik Kaiser Friedrichs I., Diss. masch. Freiburgar. 1951, S. 295. Vollmers grundlegende Arbeit wurde bei allen einschlägigen Fragen zu Rate gezogen, doch verweise ich im folgenden nur in Einzelfällen auf ihn; vgl. noch DENS. Besitz der Staufer (bis 1250), Historischer Atlas von Baden-Württemberg Karte V, 4, ed. v. d. Hist. Kommission f. geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg (1976). 23) Vgl. bes. Historia Welforum, Cont. Staingademensis, ed. E. KÖNIG, Schwäbische Chro- niken der Stauferzeit 1,1938, S. 70. - Weitere Beispiele: 1158 erwarb Friedrich für 500 Mark Leisnig und Coldiz mit Zubehör: DF. I. 199; 1171 hatte er Ausstattungsgüter des Klo- sters Herbrechtingen für über 250 Mark erworben: St. 4123; 1179 zahlte er 1000 Mark für einen Güterkomplex bei Kayna an den Grafen von Orlamünde: St. 4290. 24) Wie Anm. 5. 2$) So z. B. bei VINCENZ v. PRAG: MG. SS. XVII, S. 680,33. 26) So z. B. PETER Acxr, Unbekannte Fragmente Prüfeninger Traditionen des 12. Jahrhun- derts. Eine Traditionsnotiz Kaiser Friedrichs I., MIOG 78 (1970) S. 236-249, 'hier S. 248 f. Ein illustratives Beispiel bespricht Peter CLASSEN, Der Prozeß um Münsteuer (1154-76) und die Regalienlehre Gerhochs von Reichersberg., ZRG GA 77 (1960) S. 324-45, bes. 329-30. 27) Vgl. neuerdings zusammenfassend: EDrrx ENNEN, WALTER JANSSEN, Deutsche Agrarge- schichte vom Neolithikum bis zur Schwelle des Industriezeitalters (Wissenschaftliche Paper- backs 12), 1979, S. 169 ff.

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JOHANNES FRIED

vom Jammer über leere Kassen28). Barbarossa erkannte in dieser Aufgabe zugleich eine Chance, mit wirtschaftspolitischen Mitteln dem Königtum wieder ein deutliches Übergewicht über die politisch immer mehr sich ver- selbständigenden Fürsten zu verschaffen. Die

�Liebe zum Geld", die der Tscheche Vincenz in negativem Sinne registrierte29), war Friedrichs Ein- sicht in die Notwendigkeit, Anpassung an den Strukturwandel und gezieltes Hineinwirken in ihn.

Das Geldbedürfnis machte erfinderisch. Die rechtliche Trennung von Haus- und Reichsgut hatten die Staufer schon früher zur Geltung gebracht, -Barbarossa gewann ihr einen neuen Vorteil ab30). Als erster König erwarb er Kirchenlehen für sich und sein Haus31). Die Reichskirche wurde überhaupt immer wieder mit neuen Forderungen konfrontiert32). Unerbittlich, bis zur äußersten Grenze der Belastbarkeit verlangte Fried- rich die dem König zustehenden Servitien, die zunehmend in Geld statt Naturalleistungen zu erstatten waren. So verzehrte er einst (1184) bis auf wenige Pfunde alle Einkünfte des Erzbistums Mainz einschließlich der neuen Ernte33). Bischofsstädte wie Bremen oder Metz hatten 1189 einen eigenen Finanzbeitrag zum Kreuzzug zu leisten34). Die weltlichen Ein- künfte einer Reichskirche während ihrer Vakanz wurden vom ersten stau- fischen Kaiser mit einer Rigorosität ausgebeutet, wie sie bislang in

28) HELMOLD V. BOSAU, Chronica Slavorum I, 80, ed. B. SCHMEIDLER, MGSSrerGerm, 1937, S. 152: exinanita camera nostra. 29) Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, daß VINCENZ bei der Erwähnung Kon- rads III. jeweils vom Gelde schweigt, seine einschlägigen Bemerkungen über Friedrich I. also keine stereotype Aussage darstellen. Offenbar registrierte Vincenz die zunehmend geld- wirtschaftlichen Aktivitäten des zweiten staufischen Herrschers. 30) Früher: E. WADLE, Reichsgut und Königsherrschaft unter Lothar III. (1125-1137). Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte des 12. Jahrhunderts, 1969, SchrrVfG 12, bes. S. 60 ff.; zu Barbarossa vgl. die Bemerkung H. BürnrERS, Staufer und Welfen im politischen Kräfte- spiel zwischen Bodensee und Iller während des 12. Jh. s, 20,1961, S. 17-73, zit. nach DERS. Schwaben u. Schweiz im Frühen u. Hohen MA, in: VuF 15,1972, S. 337-92, hier S. 384:

�Alle Erwerbungen, die seit 1170 in Churrätien oder im oberschwäbischen Gebiet von Bar- barossa gemacht worden waren, wurden, wenn es nur irgend anging, mit dem schwäbischen Herzogtum verbunden. Es geschah dies sicherlich, um sie rechtlich dem staufeschen Hause zu erhalten, auch wenn es einmal nicht mehr über das Königtum verfügen konnte. " 31) J. FICKER, Vom Heerschilde, 1862, S. 39 ff.; P. CLASsEN, Das Wormser Konkordat in der deutschen Verfassungsgeschichte, in: Investiturstreit und Reichsverfassung, VuF 17,1973, S. 411-60, hier S. 436 ff. 32) Dazu gehörten etwa die 25 Mark jährlicher Abgabe, die Barbarossa indebite contra iusti. tiam von der Abtei Werden forderte, und auf die Otto IV. 1198 verzichtete: BF 201. 33) Jährliche Geldservitien: DDF. I. 322 u. 326 (1161; Niedernburg: 40 Pfund Regensburger Münze); BF. 201 (Werden: 25 Mark); W. Murz, Quellenstudien zum Servitium regis (900-1250), AID 22,1976, S. 187-271, hier S. 258, Nr. 2.352 (Obermünster in Regens- burg: 10 Pfund Regensburger Münze); ebd. Nr. 2.362 (Niedermünster in Regensburg: ebenso). - Mainz: vgl. den Bericht des Erzbischofs Konrad von 1189/1190: Mainzer UB II, ed. P. ACHT, S. 881, Nr. 531. 34) St. 4529 (Druck wie Anm. 15), S. 42.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

Deutschland noch kaum erreicht worden war35). Barbarossa verzichtete nur selten auf dieses Regalienrecht, und bemerkenswert kritische Töne schlichen sich selbst in Königsurkunden ein, wenn sie auf diese Belastung der Kirchen zu sprechen kamen.

�Damit nicht alles nutzlos vergeudet würde", beließ Friedrich wenigstens einen Teil dieser Einkünfte dem Kölner Erzbischof,

�damit die Höfe und Ländereien nicht ihrer nötigen

Betriebsmittel beraubt würden, zur notwendigen Zukunftsvorsorge"36). Der Kaiser registrierte also den wirtschaftlichen Schaden, den ein unbe- grenzt angewandtes Regalienrecht zufügen mußte, aber er suchte ihn überaus selten und dann nur ohne schwere Einbuße für das Königtum ganz auszuschließen. Nicht die Einsicht in wirtschaftliche Zusammen- hänge war der Zeit verwehrt, wohl aber konnten Rechtsschranken und Verfassungsgrundlagen ihre Umsetzung in die Tat verhindern. Kölns Geld- und Fruchtzinse forderte Barbarossa weiter, allein das landwirt- schaftliche Nutzvieh, das Saatgut und das zur Bauernspeisung bereitzuhal- tende Getreide, die mobilen Produktionsmittel also, beließ Friedrich der erzbischöflichen Wirtschaft im Falle der Vakanz. Zugleich freilich ent- deckte er im Spolienrecht eine bislang noch ungefaßte, kräftig sprudelnde Einnahmequelle auf reichskirchlichem Terrain wieder37). Abt Heinrich von Lorsch verschenkte, um sich dieser für ihn neuartigen fiskalischen Schöpfung zu entziehen, kurz vor seinem Tode (1167) die 306 Mark, die er vorsorglich zur Kostenbestreitung der von ihm erwarteten Italien- fahrten angespart hatte,

�weil es ihn seliger dünkte (das Geld) unter die Armen zu verteilen, als daß es durch Nicht-Arme aufgeteilt und an Nicht- Arme ausgegeben werde"38). Als Kirchenvogt holte Friedrich aus der bevogteten Kirche oft mehr heraus als andere Kirchenbeschützer. Der genannte Abt Heinrich zum Beispiel entschied sich deshalb, als er wählen konnte, gegen den Kaiser und für dessen Bruder, den Pfalzgrafen Konrad; denn

�wo zwei Übel andrängen, deren eines nicht ohne das andere vermieden werden kann, ist das kleinere zu wählen"39). Auch außerhalb der Reichskirche erschloß Barbarossa dem Königtum ein bis- lang brachliegendes Feld: die Kammerknechtschaft der Juden; nicht nur ihre Steuern flossen in die königliche camera40), es wurde alsbald üblich,

35) Zum Regalienrecht: CLAssc (wie Anm. 31), S. 451 ff. (mit älterer Literatur). 36) DF. I. 513 (1166). Vgl. auch die Lorscher Chronik c. 163, ed. K. GLÖCKNER, Codex Lau- reshamensis I, 449,53 f. 37) CLAssel (%vie Anm. 31), S. 453. Wichtig ist, daß Otto IV. seinen Vorgänger Friedrich I. für den �Erfinder" des Spolienrechts hielt; durch ihn wurde ein an sich älteres Recht ver- schärft ausgestaltet und angewandt; vgl. BF 200 (1198): consuetudinem minus decentem, quam Fridericus imperator contra iusticiam induxerat, scilicet quod decedentibus principibus ecclesiasticis videlicet personis ... eorum suppellectilem sibi violenter usurpavit. 38) Lorscher Chronik c. 163, S. 448; ähnlich auch Gesta abba. Trud. Cont. II lib. II e. 1, MG. SS. X, S. 351. 39) Lorscher Chronik c. 155, S. 439. 40) Vgl. DF. I. 166 (1157).

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JoHANNEs FcuEn

kollektiv ganzen Judengemeinden für echte oder angedichtete Verbre-

chen einzelner Geldstrafen aufzubürden, die an den König zu entrichten waren41). Schließlich scheute der Kaiser nicht vor der Einführung kauf-

männischer Usancen in die Politik zurück: Er war der erste deutsche König, der schneller Liquidität wegen - wenn auch noch selten - Reichsgut verpfändete42). Freilich war er nicht der Erfinder dieser politi- schen Kreditgeschäfte; andere Fürsten waren ihm vorangegangen.

Doch hatte Friedrich mit der Anwendung seiner schier unerschöpf- lichen fiskalischen Erfindungsgabe noch lange nicht die Anpassung an den

wirtschaftlichen Strukturwandel seiner Zeit vollzogen. Er mußte über ein bloßes Geldbeschaffungswesen hinausgelangen und durfte nicht nur for- dern, ohne Leistungswillen und Leistungsfähigkeit der Betroffenen zu erhalten oder zu steigern. Heinrich VI. erkannte wenig später in dieser Anforderung eine Wechselbeziehung zwischen Herrn und Untertan:

�Wer von Steuer und Servitienlast bedrückt werde, empfange Vorteil und Nutzen von der kaiserlichen Maiestät"43). Der Sohn wird es von seinem Vater gelernt haben, der schon früher Wirtschaftsmaßnahmen ergriffen hatte ad usus hominum et ad utilitatem ecclesie44). Die Arenga, die dieses Ziel verkündete, leitete das frühe Münzprivileg für den Bischof von Basel (1154) ein; die gewährte Hilfe galt also den mit Geld wirtschaftenden Menschen, und der Nutzen für die privilegierte Kirche sollte sich in klin-

gender Münze auszahlen. Der materielle Wohlstand der Menschen und der dienstverpflichteten Kirchen war als Wert erkannt, die Sorge um ihn

als Aufgabe des Königstums akzeptiert. Auch zeichnete sich der wirt- schaftspolitische Aktionsradius des Königs ab: Er mußte und konnte dort

wirken, wo er kontinuierliche unmittelbare Leistungen für das Königtum fordern durfte, im Bereich des Königsgutes und der Reichskirchen.

Wie stark Friedrich die Servitialpflicht der geistlichen Fürsten strapa- zierte, ist bekannt. Einige ihrer reichsten mußten Schulden machen, um ihren Pflichten nachzukommen45). Zwar war auch schon früher Hoftags-

41) J. ARONIUS, Regesten zur Geschichte der Juden im Fränkischen und Deutschen Reich bis

zum Jahre 1273 (1902) Nr. 311 (1179); Nr. 314a (1182); Nr. 323 (1187/88); Nr. 325 (1188). 42) St. 4127 (1171); St. 4557 (= 4180 F) (�wohl 1176"), vgl. R. M. HERKENRATH, Die Reichs- kanzlei in den Jahren 1174 bis 1180, Denkschriften der Osterr. Akademie der Wiss. Phil. - Hist. Kl. 130,1977,87-8 mit weiterer Lit.; G. LANDwE1R, Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967, S. 7 ff. - Bemerkenswert ist auch, daß der Kaiser gegen Pfand Darlehen gewährte: GISLEBERT, Chron. Hanon. S. 98-9; Erzbischof Konrad von Mainz: Mainzer UB (ed. ACHT) II, S. 882, Nr. 531. Kaiserliche Zinsgeschäfte sind mir nicht bekannt. 43) Aachener UB (hg. v. E. MEUTHEN), S. 420, Nr. 173 (1192). - Das Prinzip auch PEntus LOMBARDUS, Sent. II, 23,3,3 Edit. Collegii S. Bonaventurae ad Claras Aquas, 2 Bde 1971-81, hier I S. 449: Der Urmensch herrschte über die Tiere, die Gott ihm unterwarf, ut sciret [sc. homo] illis necessaria providere, a quibus emolumentuin debebat recipere. 44) DF. I. 67 (1154). 45) Vgl. schon J. FICEER, Über das Eigenthum des Reiches am Reichskirchengute, in: SB Wien 72 (1872), S. 55-146, S. 381--450; hier S. 406 ff.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

besuchern das Geld ausgegangen, weshalb sie sich zu Darlehensauf- nahmen gezwungen sahen; der Jude Hermann ist ja durch einen der- artigen Umstand in die Umgebung des Bischofs von Münster gelangt (1127-28), wo er sich schließlich bekehren ließ46). In der Barbarossa-Zeit aber gewann das Schuldenmachen an Regelmäßigkeit47), weil überhohe Geldausgaben für den Reichsdienst gleichfalls kontinuierlich wurden. Dreimal wurde Abt Heinrich von Lorsch zur Kasse gebeten; für ein viertes Mal hatte er schon wieder eine beträchtliche Summe beiseite gelegt, bevor er starb48). Die beiden Erzbischöfe, die sich in eigener Person unermüdlich den Reichsdienst widmeten, hinterließen bei ihrem Tode auch extrem geleerte Kassen: Rainald von Köln und Christian von Mainz49). Zugleich bedrohte die Krise der Grundherrschaft gerade die Reichsklöster. Hilfe war also dringend geboten, eben vor allem solche, die auch den geistlichen Institutionen Anpassung an die sich ausbreitende Geldwirtschaft ermöglichte. Wieweit aber gewährte sie der Kaiser? Wie- weit konnte er sie überhaupt gewähren?

Für die Beantwortung dieser Frage ist zwischen Bischofskirchen und Reichsklöstern zu unterscheiden; denn es zeigt sich, daß Friedrichs Für- sorge vor allem den ersten galt.

Schenkungen oder Übertragungen von königlichem Grundbesitz oder Herrschaftsrechten an Klöster oder Bistümer waren längst selten geworden; auch Erstübertragungen finanziell besonders einträglicher Rechte aus Königsbesitz sind unter Barbarossa nicht eben häufig zu regi- strieren50). Die Schürfrechte etwa, die der Kaiser verschiedentlich Bi- schöfen gewährte, also die Nutzung des Bergbauregals, lagen gewöhnlich auf fremdem Boden51); immerhin behielt König Heinrich VI. dem Königtum einmal (1189) die hohe Ertragsbeteiligung von einem Drittel

46) Hermannus quondam Judaeus opusculum de conversione sua, cd. G. NIEMEYER, MGH Quellen zur Geistesg. des MA 4,1963, c. 2 (S. 72 ff. ). 47) Vgl. etwa DF. I. 345 (1161, Würzburg); UB Hochstift Hildesheim I S. '322 f. Nr. 337 (1166, Hildesheim); R. KNIPPING, Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im MA II, Publi- kationen der Ges. f. rhein. G. Kunde 21,1901, Nr. 1010 (1174, Köln); St. 4165 (4177 A) _ MGH Const. I S. 346, Nr. 246 (1175, Würzburg); St. 4287 und 4276 (1179, Köln). 48) Lorscher Chronik, c. 155 (S. 438), c. 163 (S. 448). 49) Köln mußte Darlehen aufnehmen: vgl. oben Anm. 47; Mainz: Mainzer UB II, S. 880 ff. Nr. 531: insgesamt werden hier für 2850 Mark Verpfändungen erwähnt. $0) Vgl. etwa DF. I 34 (1152, Burgschenkung an Speyer); DF. I 532 (1167, Schenkung der curtis Andernach mit Zubehör u. der Silbergruben von Eckenhagen an Köln); St. 4101 (1169, zwei Hufen an Merseburg). 51) DF. I. 68 (1154, Basel); DF. I. 215 (1158, Trier); DF. I. 532 (1167; Köln); St. 4372 (1184, Gurk); St. 4512 (1189; Trient); St. 4638 u. 4639 (1189, Minden). Ähnlich wie bei Zoll- und Münzregal wirkten nach dem Wormser Konkordat sowohl ein lehnrechtliches wie ein �hoheitliches" Moment auf die rechtliche Behandlung des Bergregals. Die Bischöfe hielten es deshalb für richtig, zusätzlich zur allgemeinen Regalieninvestitur sich das Bergregal bestä- tigen zu lassen. Zum Problem: E. WADLE, Mittelalterliches Zoll- und Münzrecht im Spiegel der Confoederatio cum principibus ecclesiasticis, JbNumismat 21,1971, S. 187-224, hier 196-7. Vgl. noch unten Anm. 75.

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JOHANNES FxtED

vor52), und während der Zwischennutzung der Regalien bei Vakanz schlugen die Einnahmen aus den Gruben zu Buche. Auch brachte die Bekräftigung der bischöflichen Aufsichtsrechte über das Münzwesen in den Diözesen dem Königtum keine Einbußen, den Bischöfen hingegen wirtschaftliche Chancen53). Wichtiger indessen und für Barbarossas Hal- tung aufschlußreicher als derartige ergänzende Regalienübertragungen war sein immer wieder zu bemerkendes Eingreifen in die innere Ordnung des bischöflichen Temporalienbesitzes durchaus auch mit dem Ziele der besseren Nutzung (profectus) wirtschaftlich ertragreicher Rechte. Vor allem bischöfliche Märkte und Städte erfreuten sich kaiserlicher Fürsorge. Friedrich ließ sich dabei von einem bestimmten, rechtlich wie wirtschaft- lich geformten Stadtmodell leiten, wie aus seinem Privileg für Kirche und Bischofsstadt Brixen schön zu erkennen ist. Beiden gemeinsam sicherte es den Straßenzoll

�und die anderen Rechte" zu, �die zu ihrem Wohlstand

(bonus status) und Ruhm die übrigen civitates von der kaiserlichen Gnade zu erbitten und zu erhalten pflegen, nämlich Zivilgericht und Königsbann, Mühlenrecht und die Erlaubnis zu einem nach Ort und Zeit der Stadt gemäßen Markt. " Dazu übertrug der Kaiser dem Bischof das Recht, wo immer es ihm

�zu Vorteil und günstigem Gebrauch der Stadt und zum

Nutzen der zugehörigen Provinz, des Bischofs und seiner Nachfolger" richtig erschien, eine Münze zu errichten54). Die Stadt war nach solcher Auffassung nicht zuletzt ein durch die Herrschaft rechtlich geordnetes, gebietsbezogenes komplexes Wirtschaftsunternehmen, dessen Florieren prinzipiell dem Unternehmer-Stadtherrn und seinen Beratern überlassen war55), und das eindeutig auf den materiellen Wohlstand des Privilegemp-

52) St. 4639 (1189). 53) DF. I. 68 (1154 für Basel); bes. aber St. 4558 (= 4181 C) = MGH Const. I, S. 272 f. Nr. 194 (1160/76) zugunsten Halberstadts. Vgl. N. KAMP, Moneta regis. Beiträge zur G. der königlichen Münzstätten und der königlichen Münzpolitik in der Stauferzeit. Diss. phil. masch. Göttingen 1957,16 ff.; 59 ff.; u. ö.; so auch EusABErx NAU, Münzen und Geld in der Stauferzeit, in: Die Zeit der Staufer. G. - Kunst - Kultur, Katalog der Ausstellung Stuttgart 1977 III S. 87-102, hier S. 94. Anders NADLE (wie Anm. 51), S. 212, der den epi- scopatus in St. 4558 als den weltlichen Herrschaftsbereich des Bischofs ansehen möchte. Doch wird der Episkopat in St. 4558 auch dyocesis genannt, bezeichnete also doch den geist- lichen Sprengel u. noch nicht das weltliche Territorium der Bischöfe. 54) St. 4292 = L. SANTIFALLER (Ed. ), Die Urkunden der Brixner Hochstifts-Archive 845-1295 I S. 53-4 Nr. 45 (1179): contradidinjus ecciesie et civitati Brixinensi licentiant ei potestatem habendi theloneunt pedagium et quelibet alia iura, que ad bonum sui statunt ei glo- riam relique civitates consueverunt ab imperiali gratis postulare ei tenere, scilicet iudiciorttnt civilium ei dominicalis banni honorem, ustts molendinorum ei habendi fori facultatent loco ei tempore civitati congruo. Preterea iam dicto ... episcopo contulimus ius ei ttsunt ei pote- statem constituende monete sive voluerit in civitate sive extra ipsa»t « bi prudentunt sttortmt consilio magis oportunum videbitur ad profectutn ei bonum usum civitates et adiacentis pro- vincie ei ipsius episcopi ei suorum successorum utilitatem. Zum Problem des

�zentralen Ortes" vgl. unten Anm. 107. 55) Wie Brixen seine Chancen nutzte, ist teilweise aus dem Zollvertrag zwischen den Bis- chöfen von Brixen und Trient vom Jahre 1202 zu entnehmen: Tiroler UB I, 2 (ed. F. HUTER), S. 15-9, Nr. 542.

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fängers und seiner Untertanen zielte. Nur bei Schwierigkeiten - wie es etwa im Falle Augsburgs (1152/56) oder Trients (1182) überliefert ist56) - griff der König regelnd in die Herrschaftsordnung ein.

Auch sonst beschränkte er seine Tätigkeit gewöhnlich auf Bestätigung und Schutz der wirtschaftlich nutzbaren Rechte der Privilegierten, ohne ihre Durchführung im einzelnen zu steuern. Mit Friedrichs Wissen und Willen gründete der Herzog-Bischof von Würzburg 1156 - der urkund- lichen Fixierung der Herzogsrechte (1168) vorgreifend - einen zweiten Jahrmarkt im Staufischen Schwäbisch-Hall57). Den �wild" gewachsenen, aus realem Bedürfnis entstandenen Warenhandel auf dem Friedhof in Staffelstein untersagte der Kaiser zugunsten eines offiziellen, herrschaft- lichen Marktes des Bischofs von Bamberg am Ort, von dem allein Abgaben zu erheben waren. Friedrich schützte das fiskalische Interesse des Ortsherren und gestattete nur den Kleinhandel innerhalb der Wohn- häuser (1165)58). Spontane wirtschaftliche Initiativen stießen auf Rechts- grenzen; es lag am Hoheitsträger, welche Entfaltungsmöglichkeiten er einräumte, und wie er dem erkannten Bedürfnis nach zentralen Wirt- schaftseinrichtungen gerecht wurde. Die Entwicklung zum zentralen Ort wurde herrschaftlich gesteuert. Auch sonst wirkte der Kaiser auf die Finanzlage bischöflicher Städte und ihrer Herren. Zur Abwehr von Schaden und zur Befreiung des materiellen Besitzes von Abgaben erlaubte Barbarossa 1180 dem Hildesheimer Domkapitel, selbst die Vog- teirechte zu kaufen59). In Bremen vermittelte er in einem Steuerstreit zwi- schen Erzbischof und Bürgern60).

Wie weit in Friedrichs Maßnahmen geldwirtschaftliche Überlegungen hineinspielen konnten, verdeutlicht die heftige Auseinandersetzung zwi- schen dem Erzbischof und der Bürgerschaft Kölns vor 1180. Sie wurde

56) DF. I. 147 (1156); St. 4335 = E. Frh. v. SCIiWIND, A. DoiscH, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsg. der deutsch-österreichischen Erblande im MA (1895), S. 16-18, Nr. 11 (1182). Zu Augsburg vgl. SYDow (wie Anm. 176), S. 455 ff. 57) Wirttemberg. UB II, S. 102 f., Nr. 354; zur Urkunde zuletzt: P. JOHANEK, Der Markt von Schwäbisch Hall, Kloster Komburg und das Herzogtum Würzburg. Zur Kritik der Urkunde Bischof Gebhards vom 10. Februar 1156, in: Württembergisch Franken, 1980, S. 27-62. 58) DF. 1.478. SIEGFRIED BACHMANN, Die Landstände des Hochstifts Bamberg. Ein Beitrag zur Territorialen Verfassungsg., 98. Bericht des Hist. Vereins

... Bamberg (1962), S. 69-70, ging auf den Staffelsteiner Markt nicht ein. 59) St. 4296 = UB Hochstift Hildesheim I, S. 383, Nr. 395 (1180). Zum Kontext W. HEINE- MANN, Das Bistum Hildesheim im Kräftespiel der Reichs- und Territorialpolitik vornehmlich des 12. Jh. s (QDarstGNdS 72), 1968, S. 78. - Hinausdrängen des Vogtes aus der Bischofs- stadt durch Verleihung eines Geldlehens und Wahl eines Untervogtes in Münster: St. 4143 = Osnabrücker UB 1, S. 268-70, Nr. 334 (1173). 60) B. SCHEPER, Über zwei Briefe der Hildesheimer Formelsammlung zur früheren Stadtg. Bremens, in: BremJb 46,1959, S. 108-120, Texte S. 119 f.; auch F. OPLL, Beiträge zur historischen Auswertung der jüngeren Hildesheimer Briefsammlung, in: DA 33,1977, S. 473-500, hier S. 497, Anm. 135, beurteilt die Briefe als echt.

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JOHANNES FRIED

durch kaiserlichen Schiedsspruch (1180), aus dem beide Parteien ihren Nutzen zogen, beendet. Philipp von Heinsberg wollte offenbar die ohne ausdrückliche Zustimmung seiner Vorgänger, das bedeutete zugleich: ohne hoheitliche Abgabenregelung erfolgte �wilde" Bebauung des Marktes, des Leinpfades und anderer öffentlicher Orte regeln. So standen sich also in der rheinischen Metropole - wie in Staffelstein - vorange- gangene �private"

Wirtschaftsaktivitäten und ihre nachträgliche recht- liche Erfassung und Formung durch den Hoheitsträger gegenüber, und Barbarossas Aufgabe bestand darin, zwischen den dynamischen Wirt- schaftskräften und dem statischen Hoheitsrecht zu vermitteln. Sein Schiedsspruch klärte die Zinsfrage und sorgte für eine kontinuierliche finanzielle Entschädigung der Kölner Kirche; eine einmalig zu zahlende Summe von 300 Mark sollte so angelegt werden, daß sie jährlich zehn Pro- zent Gewinn einbrachte. Sichere Einkünfte durch rentable Kapitalinvesti- tion waren hier das Ziel, das der Kaiser verfolgte. Die Zeit des Rentenka- pitalismus zog herauf. Der herrschaftliche Anspruch des Erzbischofs und sein fiskalisches Interesse waren gewahrt, ohne die eigenständigen Wirt- schaftsinitiativen der Bürger in Schranken zu verweisen: Die Belebung des Marktes war offenbar ihr Bereich6G).

Auch wenn Friedrich Barbarossa bei diesem Schied der Kölner univer- sitas civium weit entgegenkam, so schritt er doch früher wie später gegen kommunale Bürgereinigungen im deutschen regnum ein; 1156 verbot er den bürgerlichen Schwurverband in Trier61), 1182 den in Trient62). Hier, im äußersten Süden des Reiches, versuchten vor allem unfreie cives und bischöfliche Ministeriale, sich durch die Kommunebildung aus ihrer Dienstverpflichtung gegen den Bischof zu lösen. Der Kaiser verwies stati- sche und dynamische Kräfte in ihre Schranken:

�mag jemand aufgrund

seines Vermögens noch so entrückt erscheinen, er soll doch nach Willen und Befehl des Bischofs zu Ausübung und Pflicht seines früheren Amtes zurückkehren. " Das als dynamisch erkannte Moment des Reichtums sollte angemessen auch dem

�Wohlstandsfortschritt" (boni status pro- fectus) des Herrschaftsträgers zugute kommen. Statisch sollte die Herr-

60a) L. ENNEN, G. ECKERTZ, Quellen zur G. der Stadt Köln I (1860) S. 582 ff., Nr. 94 u. 95 (= St. 4603); dazu H. STEHKÄMPER, Über die rechtliche Absicherung der Stadt Köln gegen eine erzbischöfliche Landesherrschaft vor 1288, in: Die Stadt in der europäischen G., Fs. Edith ENNEN, 1972, S. 343-77, hier S. 344 ff. 61) Trier: DF. I. 338 und WEINRICH (wie Anm. 8), S. 264--6, Nr. 69 (1161). Dazu H. BÜTTNER, Das politische Handeln Friedrich Barbarossas im Jahre 1156, BIIDtLdG 106,1970, S. 54-67, hier S. 65--6. 62) St. 4335 = Tiroler UB 1,1 (ed. F. HUTER), S. 205 f., Nr. 405 (1182). -Im selben Jahr Verbot der �communio (burgensium)" in Cambrai durch Kaiser Friedrich aufgrund eines Hofgerichtsurteils: St. 4339; doch dauerte die Auseinandersetzung zwischen Bischof/Stadt- herrn und Bürgern an, und Barbarossa mußte erneut vermittelnd eingreifen: St. 4377 u. St. 4379 (1184). Die Bürgerkommune wurde auch dann nicht anerkannt, obwohl die jün- geren kaiserlichen Entscheidungen bürgerfreundlicher waren als die ältere von 1182.

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schaftsordnung sein, dynamisch aber die von ihr geschützten wirtschaft- lichen Aktivitäten; so wollte es auch der Kaiser63). Doch mußten dem bischöflichen Wirtschaftshandeln gelegentlich auch Grenzen gezogen werden. Wenn Friedrich den Bischöfen Besitzveräußerungen verbot und sich zu ihren Darlehensaufnahmen und Verpfändungen seine Zustim- mung vorbehielt, also zwischen �Privatschulden" und �Staatsschulden" des Episkopats unterschied und sich einen gewissen Einblick in die letz- teren verschaffen wollte, dann schützte er damit nicht nur Interessen des Reiches64). Als Kaufleute z. B. den neuen Bischof von Cambrai wegen der Schulden seines Vorgängers belangten (1184), befreite ihn ein Hofge- richtsurteil wegen mangelnder königlicher Zustimmung zur fraglichen Darlehensaufnahme von jeglicher Zahlungspflicht65). Eine derartige Hal- tung des Kaisers und seines Hofgerichts zwang den Episkopat zugleich zu einer zurückhaltenden Haushaltspolitik. So fehlen denn auch aus Barba- rossas Zeit Zeugnisse jener �Auslandsverschuldung" deutscher Prälaten, die zunehmend bei italienischen Kaufleuten und Bankiers Kredite auf- nahmen; sie setzen erst nach der unseligen Doppelwahl von 1198 ein66).

Neben derartig regelndem und schützendem Eingreifen des Kaisers standen verschiedentlich auch planvolle Erleichterungen für die Geldwirt- schaft in bischöflichen Hoheitsgebieten. Sehen wir hier ab von der Förde- rung der Bischofsstädte und ihrer Bürger, in denen das Königtum selbst noch in erheblichem Maße gegenwärtig war, also etwa von Worms, Speyer, Regensburg, so erging zweifellos auf Bitten der Würzburger Kaufleute das Urteil gegen die Mainzölle (1157)67), wurden die Amberger und Bamberger Kaufleute den Nürnbergern gleichgestellt (1163)68), erhielten die Amberger bei Passau auf Barbarossas Drängen Zollfrei- heiten wie die Regensburger (1166)69), empfing Kölns Erzbischof den Königshof Andernach mit Münze, Straßen- und Marktzoll, dazu die Sil- bergruben von Eckenhagen (1167)70), wurden die Bürger Utrechts vom

63) St. 4130 = Osnabrücker UB I (ed. F. PHILIPP! ), S. 264 f., Nr. 328 (1171), richtet sich nicht gegen den Stadtherrn. 61) Die Norm ist ausgesprochen: St. 4385 = MGH Const. I, S. 425, Nr. 300 (1184); sie ist schon zuvor praktiziert: vgl. DF. I. 345 (1161); MGH SS X, S. 356 f. (Gesta abb. Trud., Contin. II lib. IV, 15 U. 18); KNIPPINO II, Nr. 1010-12 (1174); St. 4165 (1175); St. 4276 u. 4287 (1179). - Vgl. auch DF. I. 304 (1160); DF. I. 489 (1165). 65) St. 4385. 66) Vgl. A. SCHULTE, G. d. ma. Handels und Verkehrs zwischen Deutschland u. Italien mit Ausschluß von Venedig I, 1900, S. 235 ff.; A. ScHAUBE, Handelsgeschichte der romanischen Völker des Mittelmeergebiets bis zum Ende der Kreuzzüge (Handbuch der ma. u. neueren G. Abt. III), 1906, S. 422 ff.; v. STROMER, Geschäftsbeziehungen (wie unten Anm. 232), S. 10; DERS., Rapporti (wie unten Anm. 232), S. 26--7- 67) DF. I. 165. 61) DF. I. 396. Zur großen Bedeutung dieser Urkunde für Bamberg: BACHMANN, Land- stände S. 63. 69) Monumenta Boica"28b, 120. 70) DF. I. 532.

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JOHANNES FRIED

Zoll in Kaiserswerth (1174), die Mainzer Bürger von jeglicher Bede in Friedberg, Oppenheim und, wo sie sonst Besitz hatten, befreit71); so bekam der Erzbischof von Bremen die Stadt Stade (1180)72), wurde Föh- ring dem Bischof von Freising restituiert (1180)73), der Merseburger Markt erweitert (1188)74), vermittelte der Kaiser die Übertragung von Marktrecht, Landgericht und Bergrecht auf den freisingischen Gütern in Österreich durch Herzog Leopold V. an Bischof Otto II. (1189)75). Fried- rich knüpfte mit all seinen Interventionen zweifellos an vorhandene Ansätze und Leistungen der Privilegempfänger an; ihnen oblagen eigen- verantwortlich Initiative und Chancenverwirklichung, die sie ihrerseits, soweit es sich um Hoheitsträger handelte, weitgehend ihren eigenen Untertanen wiederum in Eigenverantwortung überließen76). Doch erleich- terten des Kaisers Privilegien, sein Wohlwollen und seine Unterstützung die notwendige Anpassung an den wirtschaftlichen Strukturwandel und sicherten sie rechtlich ab. Friedrich förderte demnach bewußt und gezielt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bischöfe und ihrer Herrschafts- bereiche unter den sich wandelnden, zunehmend geldwirtschaftlichen Bedingungen.

Zurückhaltung kennzeichnete hingegen Friedrichs Einstellung gegen die wirtschaftliche Leistungs- und Wandlungsfähigkeit der Reichsklöster. Nicht daß er die Klöster ganz vernachlässigte; einige konnten sich - abgesehen von allen Rechtsbestätigungen77) - durchaus auch seiner För- derung erfreuen. Doch waren dabei vielfach besondere Gründe maßge- bend. Noch Berchtesgaden suchte, sich die Schürfrechte in dem ihm vom Kaiser bestätigten Forst durch eine Fälschung zu sichern (um 1160)78)" Zweifellos brachte die einigen Klöstern gewährte Zollbefreiung an Reichszollstätten den Mönchen finanzielle Erleichterung; aber derartige

71) Utrecht: St. 4168 = Oorkondenboek Sticht Utrecht 1, S. 426 f., Nr. 479; Mainz: vgl. BF 2183 (1236) (�ab omni stiura et precaria", das ist keine Zollfreiheit, die erst in BF 4450 [1242] ausgesprochen wird). 72) St. 4312. 73) St. 4305 = P. DIRR (Ed. ), Denkmäler des Münchner Stadtrechts I (Bayer. Rechtsquellen I), S. 5, Nr. 3. 74) St. 4506 = UB Merseburg I, S. 111 f., Nr. 132. 75) St. 4525. 76) Ein deutliches Beispiel für diese

�Wirtschaftshierarchie" bietet Trient: 1182 bestätigte der Kaiser dem Bischof die Stadtherrschaft (St. 4335); 1185 schloß der Bischof mit den Berg- leuten ein Übereinkommen, das gegen fixierte Abgaben zusicherte:... mops ... om»ibtts tam pauperi quam diviti comunis esse debeat. (v. SCHWIND, Dorsch, wie Anm. 56, S. 18 f., Nr. 12); 1189 schließlich - nachdem sich die Bergleute also längst mit dem Bischof geeinigt hatten - �übertrug"

Friedrich Barbarossa dem Bischof das Bergregal in dttcattt Tridentino episcopatuve preterquam in allodiis comitum de Tyrolis ei Eppiane, que specialiter duximtts excipienda (St. 4512). 77) So etwa schon Df. I. 42 (1152) für Gembloux. 78) DF. I. 140 (verunechtet). Gerade der Passus über die Schürfrechte hat als interpoliert zu gelten.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

Privilegien beschränkten sich auf den Eigenbedarf der geistlichen Gemeinschaften und kamen primär nicht den klösterlichen Grundherr- schaften und ihrer Anpassung an die gewandelten Wirtschaftsbedin- gunýen zugute79).

Uberhaupt sind irgendwie die Geldwirtschaft fördernde Maßnahmen nur selten zu erkennen. Ein gelegentlicher Gütertausch, den Friedrich dem Goslarer Reichsstift gestattete, verrät immerhin auch hier ökonomi- sches Verständnis und zielte in der Tat auf Steigerung der Geldeinkünfte aus agrarischer Produktion. Es hieß in der Urkunde über die Tauschob- jekte,

�daß sie für die Erwerber wegen ihrer Nähe ertragreich, für uns wegen ihrer Abgelegenheit fast unnütz waren; sie brachten uns nämlich nur eine Mark"80). Ein an den Kirchenvogt addressiertes Verbot zum Bauernlegen und zur Rodung in der Goslarer Grundherrschaft sollte der Besitzentfremdung vorbeugen81): Einmal begünstigte ein Hofgerichtsur- teil die Äbtissin von Eschwege gegenüber ihrem adeligen Vogt, der von jeglichem Nutzungsanteil an Markt, Marktzoll und Münze ausgeschlossen wurde82). Durch ein striktes Interventions- und Veräußerungsverbot zur Erhaltung der sufficientia temporalis oder ad utilitatem maiorem legte Friedrich schützend seine Hand auf das �einstmals königliche" Nonnen- kloster Kitzingen83). Alle Beispiele zeigten Eingriffe des Kaisers in die Herrschaftsordnung der Klöster zur Sicherstellung ihrer materiellen Ver- sorgung; sie betrafen aber für das staufische Königtum besonders wichtige Orte und erweckten schon deshalb ein erhöhtes Staufisches Interesse, das seinem Wesen nach statisch, auf Erhaltung ausgerichtet war, aber nicht als repräsentativ für des Kaisers Haltung gegenüber den Reichsklöstern gelten darf. Das galt auch bei Hersfeld, für das als einzigem Kloster wenigstens ein partieller Verzicht auf das Regalienrecht ausgesprochen wurde (1184), nicht ohne es um ein Veräußerungsverbot von Klosterbe- sitz zu ergänzen84).

Insgesamt aber waren derartige, das statische Element betonende Wirtschaftshilfen für Klöster unüblich. Zudem trat ein zweiter negativer Zug in Friedrichs Klosterpolitik hinzu. Während Bischöfen wiederholt gestattet wurde, zur Erfüllung ihrer Reichsservitien Darlehen aufzu- nehmen und Bistumsgut zu verpfänden85), so kenne ich kein einziges der-

79) Etwa: DF. I. 41 (1152; zugunsten Floreffes); KNIPPING II, Nr. 936 (1169; zugunsten St. Bavos in Gent); St. 4471 (1186; für Gottesthal). 80) UB Stadt Goslar I, S. 322, Nr. 301. 81) St. 4495 = UB Stadt Goslar I, S. 349, Nr. 315; vgl. ebd. S. 351, Nr. 316 (1188). 82) St. 4493 (1188); vgl. Karl HEINEMiEYER, Der Königshof Eschwege in der Germar-Mark (Schriften des Hessischen Landesamtes f. Geschichtl. Landeskunde 34), 1970, S. 62; das Damenstift war keine Reichsabtei mehr, sondern seit Heinrich IV. dem Bischof von Speyer übertragen. 83) DF. I. 489 (1165). 1) St. 4395 (1184). 85) Vgl. oben S. 207 mit Anm. 64-6.

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JOHANNES FRIED

artiges Zugeständnis für einen Abt86). Gegen illiquide Klöster ging Fried- rich direkter vor. Abt Markward von Fulda mußte die königliche Boyne- burg ausbauen87), sein-Nachfolger auf einen Berg bei Heidingsfeld (Würz- burg) verzichten, wo fortan der König seinen Frankenwein anbauen ließ88). Der Abt von Neuburg im Elsaß mußte im Tausch gegen ein tan- tillum prediunl, wie er klagte, sein Drittel des Heiligen Forstes heraus- geben; er tat es höchst widerwillig. �Aber weil der Kaiser klug und mächtig war und verschiedene Güter seiner erhabenen Nachkommen- schaft wegen zusammenbringen mußte, gab er uns dieses winzige Gut anstelle des immensen Nutzungsrechts, weil wir ihm nicht zu widerspre- chen wagten und deshalb akzeptieren mußten"89). Als das elsässische Klo- ster Murbach seinen großbemessenen Finanzbeitrag zum Kreuzzug nicht zahlen konnte, requirierte Friedrich gegen den heftigen Widerspruch von Abt und Ministerialen den Murbacher Hof Markgröningen, der angeblich 250 Ritter ausrüsten'konnte90).

Auch unterstützte Friedrich = sehe ich recht - gewöhnlich nicht die Umstellung der überwiegend agrarisch wirtschaftenden 'Klöster auf die zukunftsträchtigen Unternehmen Stadt und Markt. Dem Abte Heinrich von Lorsch blieb im Grunde-gar nichts anderes übrig als, wie es von ihm tatsächlich überliefert ist, sich dem Ackerbau besonders zu widmen91). Das Stift Nordhausen verlor seine Münze, die der König in eigene Regie übernahm; Saalfeld erging es nicht besser92). In Regensburg schaltete höchstwahrscheinlich Barbarossa das St. -Emmerams-Kloster als nennens- werte Kraft definitiv aus93). Die dem König noch eignenden Wechsel- rechte auf dem Markt in Wiesloch übertrug er nicht etwa dem Kloster Lorsch, dem der Ort gehörte und dem Heinrich IV. auch den Markt bestätigt hatte (1067), sondern den Münzern von Worms94). Lorsch erhielt überhaupt kein Privileg Friedrichs I. und wie dieser erging es manch anderer der, altehrwürdigen Reichsabteien.

86) Bemerkenswert ist das strikte, selbst den König mit einschließende Verpfändungsverbot für Goslar: "St. 4495 = UB Stadt Goslar 1, S. 348, Nr. 315 und S. 352 f., Nr. 318 (1188). 87) Vgl. seinen Bericht ed. E. F. J. DRONKE, Traditiones et Antiquitates Fuldenses (1844), S. 155 = ed. J. F. BÖHMER, Fontes rerum Germanicarum III, S. 167. 88) St. 4108 (1170). 89) J. D. SCHÖPFLIN, Alsatia diplomatica I, 1772, S. 261, Nr. 317 (1175). 90) Ph. A. GRANDIDIER, Histoire ecclesiastique, militaire, civile et litteraire de la province d'Alsace II, 1787, S. 73; vgl. K. WELLER, Die Staufische Städtegründung in Schwaben, in: WürttVjhefteLdG N. F. 36,1930, S. 145-268, hier S. 157 mit Anm. 42. 91) Chronik c. 155 c (S. 438): In agricultura vero, fnugibus reditibttsgtte contrahendis et con- servandis nullos operosior, nullos exstitit diligentior. 92) KAMP, Moneta regis I, S. 325 ff. u. S. 342 ff. 93) K. BOSL, Die Sozialstruktur der mittelalterlichen Residenz- und Fernhandelsstadt Regensburg. Die Entwicklung ihres Bürgertums vom 9. -14. Jh., in: Untersuchungen zur gesellschaftlichen Struktur der ma. Städte in Europa, VuF 11 (1966), S. 93-213, hier S. 119, S. 149 ff.; PETER ScnsiiD, Regensburg. Stadt der Könige und Herzöge im MA, (RegensbHistForsch 6), 1977, S. 181 ff. 94) DF. I. 491 (1165).

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

Zeichen der Erschöpfung der Klöster waren schon vor Barbarossa sichtbar geworden9S). Sein Vorgänger Konrad suchte dem Niedergang noch entgegenzuwirken. Lorsch wurde - freilich nur gegen Verzicht auf ihm ohnehin schon fast entfremdete Höfe - für immer von -der kostspie- ligen Reichsheerfahrt befreit96); Fulda sollte �auf Befehl" des Königs Adel und Klosterministerialität aus seiner Grundherrschaft zurück- drängen und die den Laien entzogenen Villikationen durch Mönche und Klosterbauern neu organisieren97); Stablo und Corvey erlebten unter Abt Wibald eine letzte Blüte, vielleicht mehr eine kulturelle denn eine'wirt- schaftliche. Wibalds Stabloer Jahrmarktsgründung bei Logne (1138), der er unter Königsbann zu Erfolg verhelfen wollte, konnte sich nicht durch- setzen, seine Bemühungen um Märkte und Städte im Weserraum gerieten nach seinem Tode ins Stocken98). Barbarossa hingegen scheint wenig Ver- trauen in die ökonomische Leistungs- und Wandlungsfähigkeit der alten Reichsklöster gesetzt zu haben. Abhilfe für ihre Hauptschwäche, die rückläufigen, oft stagnierenden Einnahmen aus ihren Grundherrschaften, konnte er ebensowenig wie sie selbst schaffen; bestenfalls suchte er-wie (gestützt auf einen Fürstenspruch) im Falle St. Gislens - die klösterlichen Villikationen vor erblicher Entfremdung zu bewahren99). Für neue Schen- kungen an die alten Abteien fehlte allgemein das religiöse Interesse, das sich längst den modernen Orden zugewandt hatte; für Rodungen, die eine günstigere agrarische Ertragslage hätten bewirken können, fehlte es oft an Wald, für Trockenlegungen an Sümpfen, für neue geldwirtschaftliche Initiativen, Stadt- und Marktgründungen und vor allem deren erfolgrei- chen und kontinuierlichen Ausbau, fehlte es an Kapital, Schwungkraft und einer ausreichenden Herrschaftsbasis; gegen das wachsende Gewicht der Klostervögte konnte oder wollte auch Kaiser Friedrich nicht vor- gehen. Corvey mag es illustrieren. Da das Kloster sich gegen die Bürger seiner seit ottonischer Zeit gewachsenen Stadt Höxter nach der Mitte des 12. Jahrhunderts immer weniger durchsetzen konnte, versuchte es eine Konkurrenzgründung in Corvey selbst; doch die gedieh nie so recht, und während Friedrich Barbarossa zugunsten Höxters urkundete, empfing die Abtei nach Wibalds Tod kein Privileg des Kaisers mehr100).

95) Vgl. CLAssEr, Wormser Konkordat (wie Anm. 31), S. 445 ff. %) D Ko. III. 167 (1147). 97) Vgl. Abt Markwards Bericht (wie Anm. 87), ed. DRONKE S. 154; ed. BÖHMER, S. 166. 1) Zu Logne: D Ko. I11.5; dazu W. SCHLESINGER, Der Markt als Frühform der deutschen Stadt, in: Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im MA I; Abhandlungen Göttingen 1974, S. 262-93, hier S. 282 f.; zum Weserraum: H. STOOB, Doppelstädte, Gründungsfami- lien und Stadtwüstungen im engrischen Westfalen, in: Ostwestfälisch-weserländische For-

schungen zur Geschichtlichen Landeskunde, hg. v. H. Sroon (Kunst und Kultur im Weser-

raum 800-1600 Bd. 3), 1970, S. 113-48. Kloster und Kaiser: H. SINoERN, Kloster Corvey. Beitrag zur inneren und äußeren G. des Klosters von 1160-1255, Diss. Münster 1939, S. 15. 99) St. 4156 (1174); vgl. auch DF. I. 158 (1157). 100) E. KAYSER, Deutsches Städtebuch III, 2, Westfälisches Städtebuch, 1954, S. 189 ff.; Sroon, Doppelstädte (wie Anm. 98), S. 143 ff.

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JOHANNES FRIED

Barbarossa zog gelegentlich eine letzte Konsequenz. Auch frühere Könige hatten Reichsabteien an Bistümer übertragen, sei es als bischöf- liches Ausstattungsgut, sei es zur Reform, sei es aus allgemeinen politi- schen Erwägungen heraus101). Friedrich I. tat es erklärtermaßen aus wirt- schaftlichen Gründen: Weil Niederaltaich so heruntergekommen sei,

�daß Äbte und Mönche weder sich selbst zu nähren noch zu kleiden ver-

mochten noch den dem Reiche gebührenden Dienst überhaupt leisten konnten", wurde es nach zähem Widerstand vollständig dem Bischof von Bamberg übergeben; nicht einmal das

�servitium regale" war fortan zu erstatten102). Der Vorgang zeigte, mit welcher Konsequenz der Kaiser am Prinzip der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Reichskirchen fest- hielt.

Während die Bistümer also damit rechnen konnten, im Kaiser einen Helfer bei der notwendigen wirtschaftlichen Umstellung zu finden, ver- sagte Barbarossa diese Hilfe in der Regel den Klöstern. In ihre grundherr- lichen Schwierigkeiten schaltete er sich ebensowenig wie bei den Bistü- mern ein; liceat ... abbatisse ... facere et ordinare, quicquid ad usus suos et ecclesie utile fore prospexerit, wurde einmal ausdrücklich festge- stelltio3). Kaiser Friedrich scheute selbst nicht vor Zerkleinerung des stra- pazierten Klosterbesitzes durch Güterentfremdung zurück. Lorsch etwa konnte seine Burg Windeck über Weinheim nur wiedergewinnen, indem es dem Kaiser den Hof Ilvesheim abtrat104). Den Zugang aber zu den neuen, dynamischen, zukunftsträchtigen Faktoren Gewerbe, Handel und Markt erleichterte er von sich aus den Mönchen nichtlos). Er stellte sich ihm nicht geradezu entgegen, aber er unterstützte ihn auch nicht sonder- lich. Die Stabilisierung monastischer Wirtschaft mußte den Mönchen aus eigener Kraft gelingen, und manche der alten und berühmten Abteien wie Niederaltaich, St. Emmeram oder Lorsch sind an dieser Aufgabe geschei- tert.

Gegenüber den Reichskirchen setzte Friedrich bereits deutliche wirt- schaftspolitische Schwerpunkte. Doch traten seine eigenen wirtschaft- lichen Initiativen oder Reaktionen und die Art, wie er sie den gewan- delten ökonomischen Erfordernissen anpaßte, erwartungsgemäß erst im

101) So auch Friedrich I. selbst: Vgl. DD 322 u. 326 (pro religione ... reformanda). 102) DF. I. 306 (1160); vgl. schon DDF. I. 3 (1152) und 70 (1154). Zum verfassungsge- schichtlichen Problem: HARTMUT Ho aoAiN, Die Unveräußerlichkeit der Kronrechte im MA, in: DA 20,1964,389-474, hier S. 407 ff. 103) DF. I. 211 (1158) für die Äbtissin von Nordhausen, mit der Barbarossa gerade einen Besitztausch vollzogen hatte. 104) Lorscher Chronik c. 155c (S. 439). 105) Vereinzelt auch durch Friedrich neue Marktrechtsverleihungen: z. B. St. 4331 (1181): Marktrecht (�wicbilethe") für Obernkirchen (6. Minden).

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Umgang mit Reichs- und Hausgut voll hervor10). Von Beginn seiner Regierung an suchte er den Königsbesitz durch Erbschaften, Tauschak- tionen, Kauf oder unverhüllte Pressionen abzurunden und auszubauen; wie skrupellos er dabei gelegentlich vorging, klang bereits an. Wo sich der Kaiser engagierte, in Schwaben, im Elsaß, in der Pfalz oder der Wetterau, im Helmetal der Goldenen Aue, im Pleißen-, Vogt- und Egerland, stets nahm man Rodungs- und Siedlungsvorgänge wahr. Friedrich führte hier die neuen Ansätze in herrschaftlicher Ordnung und wirtschaftlicher Nut- zung, die bereits von seinen beiden letzten Vorgängern entwickelt worden waren, konsequent und systematisch weiter. Er schuf die sog. terrae imperii, großräumige Bezirke, deren jeweilige Verwaltungs- und Wirt- schaftszentren nicht wie früher allein ein Salhof, auch keine einfache Burg oder Pfalz waren; vielmehr Hof, Burg oder Pfalz mit Markt oder eine Stadt. Die rechtliche Zuordnung des Landes zum König wurde dadurch überlagert von einer wirtschaftlichen Zuordnung auch der politisch zer- klüfteten Landschaft zum Zentralort in Königshand. Angehörige fremder Grundherrschaften und Territorien orientierten sich nach diesem Ort; er

106) Zum folgenden: W. SCHLESINGER, Die Anfänge der Stadt Chemnitz und anderer mittel- deutscher Städte. Untersuchungen über Königtum und Städte während des 12. Jh. s 1952; DERS., Egerland, Vogtland, Pleißenland. Zur G. des Reichsgutes im mitteldeutschen Osten, in: Forschungen zur G. Sachsens und Böhmens, hg. ̀ v. R. KörzscHKE (1937) S. 61-91, zit. nach W. SCHLESINGER, Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsg., 1961, S. 188-211; WELLER, Städtegründung (wie Anm. 90); VOLVIER, Territorialpolitik; HEIN- RICH BÜTTNER, Schwaben und Schweiz; DERS., Staufische Territorialpolitik im 12. Jh., Würt- temberg. Franken 47,1963, S. 5-27; K. BOSL, Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, 2 Bde. (1950151, Schriften der MGH 10); H. PATZE, Zur G. des Pleißengaues im 12. Jh. auf Grund eines Zehntverzeichnisses des Klosters Bosau (bei Zeitz) von 1181/1214, in: B11DtLdG 90,1953, S. 78-108; ders., Kaiser Friedrich Barbarossa und der Osten, in: Probleme des 12. Jh. s, in: VuF 12,1968, S. 337-408; Karlheinz MASCHER, Reichsgut und Komitat am Südharz im Hochmittelalter (MitteldtForsch 9), 1957; Johanna HESS-GOTTHOLD, Hausmacht und Politik Friedrich Barbarossas im Raum des heutigen Pfälzer Waldes (Schriften zur G. von Stadt u. Landkreis Kaiserslautern 7) 1962; H. WERLE, Staufische Haus- machtpolitik am Rhein im 12. Jh., in: ZGORh 110,1962, S. 241-370; SABINE WILKE, Das Goslarer Reichsgebiet und seine Beziehungen zu den Territorialen Nachbargewalten (Ver- ÖffMPIG 32), 1970; ALFONS SCHÄFER, Staufische Reichslandpolitik und hochadlige Herr- schaftsbildung im Uf- und Pfinzgau und im Nordwestschwarzwald vom 11. -13. Jh., in: ZGORh 117 (1969), S. 179-244; FRIEDERUN FRIEDERICHS, Burgen und Städte als politisch- wirtschaftliche Kristallisationspunkte der staufischen Wetterau. in: WetterauGBll 16,1967, S. 19-49; MARIANNE SCHALLES-FISCHER, Pfalz und Fiskus Frankfurt. Eine Untersuchung zur Verfassungsg. des fränkisch-deutschen Königtums (VeröffMPIG 20), 1969; K. HEINE- MEYER, Königshöfe und Königsgut im Raume Kassel (VeröffMPIG 33), 1971; D. FLACH, Untersuchungen zur Verfassung und Verwaltung des Aachener Reichsgutes von der Karo- lingerzeit bis zur Mitte des 14. Jh. s (VeröffMPIG 46) 1976; W. MErz, Staufische Güterver- zeichniss (1964). Regelmäßig herangezogen wurden: E. KAYSER, Deutsches Städtebuch und das Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands, vgl. auch die bisherigen Lieferungen des von H. STOOB hg. Deutschen Städteatlas (Veröff. Inst. f. vergleich. Städteg., 1973 ff. ).

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JOHANNES FxºED

wurde attraktiv für fremde Handwerker und Kaufleute107); selbst umlie- gende Grund- und Landesherren waren, wenn der Ort - wie Goslar oder U1m108) - zu einer funktionstüchtigen Stadt aufblühte, bestrebt, sich in dieser Stadt niederzulassen. Wo entsprechende Städte fehlten, wurden sie gegründet. Die agrarische Landeserschließung wurde dann durch herr- schaftlich geordnete Um- oder Einsiedlungen von Land- und Dorfbewoh- nernlo9) und von technischen, die Funktion als Zentralort steigernden Ein- richtungen wie Pfalz, Münze, Markt, Zollprivilegien, Mühlen, Kirchen oder Hospitälern110) ergänzt; auch den dadurch erhöhten Bedarf an ritter- lichen oder nichtritterlichen Ministerialen in dem zur Stadt werdenden Orte wird der König geregelt haben. Die königliche Stadt vereinte das Herrschaftszentrum eines Reichslandes mit dem wirtschaftlichen Brenn- punkt einer Region oder erstrebte diese Vereinigung. Eine Stadtgründung war ein gezielt einsetzbares Mittel zur Umorganisation der gesamten Wirtschaft und zur Integration eines engeren oder weiteren Wirtschaftsge- bietes. Friedrich hat es, wie sein zitiertes Privileg für Brixen oder sein Urteil über den Staffelsteiner Markt zeigten, erkannt, hat sich des schon von Konrad III. aufgegriffenen strukturverändernden Instrumentariums, vielleicht nach einigem Zögern, bedient und es systematisch, zur Steige- rung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Reiches weiterentwik- kelt. Zweifellos kalkulierte er dabei ähnlich wie in dem Kölner Schieds- spruch von 1180. Das zum Land- und Herrschaftserwerb investierte Kapital sollte sich rentieren, konstante und dem Einsatz angemessene Gewinne abwerfen.

So deutlich dieses Modell als solches und in seiner Bedeutung für den Ausbau der Reichsländer zu erfassen ist, so schwierig, ja so unmöglich ist es, Friedrichs unmittelbare Beteiligung an den hier angesprochenen regio- nalen Wirtschaftsprozessen im einzelnen auszumachen. Mit mehr oder weniger großen regionalen Unterschieden ist zu rechnen. Die dürftige

107) Vgl. ENNEN, JANSSEN, Deutsche Agrargeschichte S. 171-3. Barbarossa selbst mußte gelegentlich zu großer Attraktivität seiner Städte vorbeugen: vgl. z. B. DF. I. 447 (1164 für Hagenau). Zum Problem der Zentralität der Stadt (für das SpätMA) vgl. H. AD1b1ANN, Vom Lebensraum der ma. Stadt. Eine Untersuchung an schwäbischen Beispielen, Berichte zur deutschen Landeskunde 31 (1963), S. 284-316; E. MASCHKE, J. SYnow, Stadt und Umland (Veröff. d. Komm. für Geschichtl. Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Bd. 82), 1974; E. MEYEN (Hg. ), Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsfor- schung (1979, Städteforschung Reihe A, Bd. 8), 1979, darin bes. die Beiträge von F. IRSIGLER U. E. ENNEN; allgemein: M. MrrrERAUER, Das Problem der zentralen Orte als sozial- und wirtschaftshistorische Forschungsaufgabe, in: VSWG 58,1971, S. 433-67. 108) Für Goslar vgl. WILKE, S. 89-90; für Ulm: URSULA SCHDnTT, Villa regalis Ulm und Klo- ster Reichenau, (VeröffMPIG 42), 1974, S. 77. 109) Vgl. SCHLESINGER, Egerland (wie Anm. 105), S. 202-3; allgm. auch C. MECKSEPER, Städtebau, in: Die Zeit der Staufer IH (wie Anm. 53), S. 75-86. 110) W. SCHLESINGER, Bischofssitze, Pfalzen und Städte im deutschen Itinerar Friedrich Bar- barossas, in: Aus Stadt- und Wirtschaftsg. Südwestdeutschlands, Fs. f. E. MASCHKE zum 75. Geburtstag, 1975, S. 1-56, hier bes. S. 34,38.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

Quellenlage läßt kaum etwas deutlich-erkennen. Am besten ist noch die Verwaltung dieser Reichsländer, die Rechtsprechung, militärische Auf- gaben, Wirtschaftsmaßnahmen und Abgabeneinzug mit umfaßte, bekannt111). Nur über die letzten beiden Punkte ist hier knapp zu handeln, denn sie berühren die Frage nach der königlichen Wirtschaftspolitik und Finanzverwaltung im Deutschland Friedrichs I. Beide waren �dezentrali- siert", d. h. noch kaum von durchorganisierten zentralen Behörden gere- gelt; mit den weitentwickelten zentralisierten Verwaltungs- und Finanz- apparaten Englands, Siziliens oder auch Frankreichs und seiner Fürsten konnten sie sich in keiner Weise messen. ' Zwar erwähnten Friedrichst Diplome wiederholt die königliche camera, über' deren Ordnung aber ließen sie nichts verlauten; die camera war mehr ein überkommener Begriff denn eine Institution11"). Bargeld oder Silber sind in beschränktem Maße natürlich stets an den Hof geflossen und standen dort für eilige Aus- gaben zur Verfügung. Zahlreiche Einnahmen des Königtums waren aller- dings zugleich für Kaiser und Kurie bestimmt113); so erwähnt Caesarius von Heisterbach den Speyrer Domscholaster Andreas, der es an Barba- rossas Hof zu einigem Geld gebracht habe""). Größere Ausgaben des Kaisers wurden gewöhnlich nicht auf einmal gezahlt115), ihre Empfänger mußten statt dessen mit einer Anzahlung vorlieb nehmen und erhielten für den Rest eine Anweisung auf bestimmte Einkünfte des Fiskus116). Wieweit der Staufer schneller Liquidität wegen unmittelbar von Bürgern oder Kaufleuten Kredite aufnahm, läßt sich nicht feststellen117). Als Friedrich I. 1189, schon auf dem Zug ins Heilige Land, dringend Geld

111) Zusätzlich zu der in Anm. 106 genannten Literatur: H. NISSE, Die Verwaltung des Reichsgutes im 13. Jh. (1905); H. DANNENBAUER, Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg (Arbeiten zur deutschen Rechts- u. Verfassungsg. 7), 1928. 112) Die königliche camera" regelmäßig in der Poen-Formel der Urkunden genannt; ferner etwa DF. I. 166 (1157): die Wormser Juden gehören ad canterant liostram, oder DF. I. 491 (1165) nloneta, que inzperatoris camera est (Worms). - Über die Anfänge schriftlicher Finanzverwaltung in Deutschland vgl. \V: H. STRUCK, Aus den Anfängen der territorialen Finanzverwaltung. Ein Rechnungsfragment der Herren von Bolanden um 1258/62, Archival. Zs. 70,1974, S. 1-21. 113) Vgl. oben S. 198 mit Anm. 17. 114) Dialogus miraculorum I (ed. J. STRANGE, 1851), S. 234: pecunias, quas in curia Frederici imperatoris nec non et in Graecia congregaverat; Vgl. R. M. HERKENRATH, Studien zum Magistertitel in der frühen Stauferzeit, in: MIÖG 88,1980, S. 16. 115) Als Friedrich 1163 vom Bamberger Domkapitel dessen Besitz zu Waldmannshofen kaufte, hieß es dato precio 70a marcanan argenti: DF. I. 420. Nach St. 4167 wurden 1174 einmal (? ) 122 Mark ausbezahlt. 116) St. 4166 (1174): Zahlung von 1000 Mark Silber wohl aus den Einkünften des vom Kaiser gekauften Objektes, das bis zur vollständigen Bezahlung im Besitz des Verkäufers bleibt. Ebd. Anweisung auf die Einkünfte aus dem Zoll von Kallmünz. Auch St. 4167 (1174) rechnet mit längerer Zahlungsdauer und faßt eine Anweisung auf bestimmte Güter ins Auge. Vgl. KAatr, Moneta regis I, S. 420. 117) 1176 verpfändete Friedrich Reichsgut an den Bischof v. Lüttich, der seinerseits Geld aufnehmen mußte, um überhaupt zahlen zu können: St. 4557.

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Joii rS FRIED

benötigte, wurden mit dem Transfer der Kanzler, ein gewisser �H. ", ein Notar, der Reichsministeriale Werner von Bolanden und ein Bernhard aus Venedig betraut118). Der Venezianer könnte mit dem Goldschmied Bernardus Teotonicus identisch sein, einem der reichsten Männer der Lagunenstadt und mit Bankgeschäften bestens vertraut119). Barbarossa hatte ihn - stimmt die Identifizierung - wohl dafür vorgesehen, den Transfer nach Tyrus zu leiten. Die andern aber, Werner von Bolanden und seine Genossen, die vor allem in Deutschland tätig werden mußten, waren zwar gleichfalls gewohnt mit Geld umzugehen120), doch repräsen- tierten sie keinesfalls einen spezifischen Finanzsachverstand, sie zählten vielmehr zum ständigen Mitarbeiterkreis des Kaisers, der prinzipiell zu allen Aufgaben hinzugezogen wurde. Echte

�Finanzbeamte" standen nicht zur Verfügung121).

Das Personal für den Auf- und Ausbau der �Reichsländer",

für ihre Verwaltung und, damit für die

�Wirtschaftspolitik" des Kaisers stellten

Adlige und Ministeriale, aber wohl keine (nicht-ministerialischen) Bürger122); sie amteten in ihren Gebieten nicht immer allein, sondern teilten sich in die Aufgaben. Klare, sachlich geschiedene Kompetenzab- grenzungen zwischen diesen Burggrafen, Vögten, Landrichtern, Schult-

118) St. 4529 =_ CHROUST (Ed. ), Historia de expeditione Friderici, S. 42,20 ff. extantenz pecu- niam, que nobis in variis locis debetur, consilio cancellarii et H. et Wernheri de Bolant et Richolfi notarii nostri instanter congregari faeias atque in domum Bernhardi Venetiani hospitis nostri deponifacias et sic consilio prudentum usque in Tyrum tradttcatur, quia scias nobis plu- rimum fore necessariam ... presertim cum pecuniam de Ancona ei etiam aliis plerisque locis scilicet Meti, Breme et a comite Honau non recepimtis. 119) Dazu die beiden unter Anm. 232 zitierten Arbeiten v. STROHMMERS. 120) Nach dem Lehnbuch Werners II. von Bolanden betätigte er sich als Geldverleiher (S. 28: 100 Mark an Abt von Lorsch; S. 36: 40 Mark an einen Wormser Bürger; Mainzer UB II Nr. 531: 70 Mark an Erzbischof v. Mainz), gab für den Aufbau seiner Burgmannschaften über 400 Mark an Geldsehen aus und verkaufte anscheinend auch für mehrere hundert Mark Lehen (S. 36-7), vgl. SAUER (Ed. ). Die ältesten Lehnsbücher der Herrschaft Bolanden (1882); zur Datierung: A. ECKHARDr, Das älteste Bolander Lehnbuch. Versuch einer Neuda- tierung, in: AfD 22,1976, S. 317-44; zur Interpretation METZ, Staufische Güterverzeich- nisse, S. 52 ff. 121) Der �H" von 1189, der für den Geldtransfer mit sorgen sollte, ist vielleicht identisch mit dem H de Bretice in St. 4227 = Const. I, S. 359 f., Nr. 258 (1177), der in Deutschland die von den geistlichen Fürsten zu zahlenden 1000 Mark zur Finanzierung des Friedens von Venedig eintreiben sollte. - GOTITR1ED v. VIrEREo führte bei der Aufzählung seiner Hof- dienste auch seine Bemühungen in stipendiis conquirendis mihi meisque an; Memoria secu- lorum MGH SS XXII, S. 105. 122) Vgl. WELLER, Städtegründung (wie Anm. 90), S. 159 ff.; FRIEDERUN FRIEDERICHS, Burgen und Städte (wie Anm. 106), S. 40 ff.; ScHALLES-FIscHER (S. 373-432; S. 442-6; W. STÖRMER, Staufische Reichslandpolitik und hochadelige Herrschaftsbildung im Mainvie- reck, in: Fs. F. HAUSMANN, 1977, S. 505-529; H. PATZE, Friedrich Barbarossa und die deut- schen Fürsten, in: Die Zeit der Staufer (wie Anm. 53), V, 1979, S. 35-75; \VILKE, S. 96 ff., 112 ff., hatte für Goslar einen �bürgerlichen", nichtministerialen Vogt angenommen, vgl. dagegen aber W. PETEE, Pfalzstadt und Reichsministerialität, in: Bl1DtLdG 109,1973, S. 270-304.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

heißen, Förstern, Marschällen, Kämmerern, dem Bedell (Pleißenland) oder Butigler (Nürnberg) sind selten zu erkennen; für Finanz- und Wirt- schaftsfragen scheinen sie alle irgendwie zuständig gewesen zu sein. Bar- barossa legte hingegen Wert auf die Trennung von Lehen und Amt. So ließ er sich von dem in Schwaben zum engeren Staufergefolge zählenden edelfreien Friedrich von Bilrieth die Vogtei über das Prämonstratenserin- nenkloster Lochgarten (Louisgarde), quam iure beneficiario possedit, resi- gnieren, um ihn sogleich zum defensor et advocatus desselben Stiftes zu bestellen'23). Wenige Jahre später (1159) verkündete ein Fürstenspruch, daß Städte nicht nach Lehnrecht regiert würden, vielmehr - so ist zu fol- gern - nach Amtsrecht124). Doch ließ sich diese Trennung keineswegs konsequent durchführen; gerade Reichsministeriale besaßen oftmals Lehen. Auch wenn der Kaiser gewöhnlich, soweit er " nicht durch Her- kommen gebunden war, die an ihn zu entrichtenden 'Abgaben fest- setzte'2S), so blieb seinen �Beamten", Amts- wie Lehnsinhabern, in der Regel doch ein weiter Spielraum zu wirtschaftlicher Tätigkeit in Eigenver- antwortung. Ein königlicher minister etwa genehmigte nach Gutdünken das Schlagen von Bauholz im Heiligen Forst'26); auch hatte Kaiser Fried- rich seinen Vertreter in Eßlingen vicem nostram et potestatem exequendi iusticias et negocia nostra prosequendi übertragen, umfassende Kompe- tenzen, in deren Rahmen der königliche Beamte viel Eigeninitiative ent- falten konnte'27). Klagen gegen die

�Tyrannei" der Königsdiener fehlten

denn auch nicht und nötigten den Kaiser oft genug zum Einschreiten oder vorbeugenden Verbot128).

Soweit die Quellen ein Urteil erlauben, wurde das Land selten im unmittelbaren Auftrag oder gar in eigener Regie des Königtums kulti- viert. Der Kaiser schätzte zum Beispiel den Frankenwein, also, ließ er einen eben erworbenen Berg bei Würzburg roden und mit Wein bepflanzen129). Auch die Entwässerung des Unteren Rieds in der. später sogenannten Goldenen Aue, im südlichen Harzvorland, gibt sich als Werk im direkten Auftrag Kaiser Friedrichs zu erkennen. Denn er entlohnte für diese Leistung den durchführenden Ingenieur, den Zisterziensermönch Jordan von Walkenried; wahrscheinlich aber standen ihm hierbei regio- nale Kräfte - die Grafen von Klettenberg, von Rothenburg, die genannte Zisterze, das Reichsstift Nordhausen - zur Seite. Wenn etwa der Kaiser dem Abt von Walkenried das Recht einräumte, mit Reichsministerialen und Reichsleuten Grundbesitz bis zur Größe von drei Hufen zu tauschen,

123) DF. I. 127 (1155); zu Bilrieth: JOHANEK (wie Anm. 57), S. 39. 124) UB Erzstift Magdeburg I, S. 371 if., Nr. 298. 125) Vgl. BURCtiARD V. URSBERG, Chron. S. 93-4. 126) DF. I. 206 (1158). ", - 127) St. 4322 (1181) = Wirttemb. UB II, S. 215, Nr. 427. 128) Vgl. DF. I. 41 (1152); BURCHARD V. URSBERG, Chron., S. 93-4 (hier auch �tyranni"). 129) St. 4108 (1170).

-, ",

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JOHANNES FRIED

verzichtete er damit zugleich auf die lokale Gestaltung der Besitz- und Produktionsverteilung in königsnahem Land130).

Es läßt sich ferner nicht zwingend entscheiden, ob Friedrichs von Rahewin erwähnter Aufenthalt in Kaiserslautern (1158), wo der Kaiser

�einige Tage seinem Hause und der Ordnung familiärer Geschäfte wid-

mete", unmittelbar dem Ausbau des Pfälzer Königsgutes galt oder nicht; denkbar ist daneben eine Erbregelung mit seinem Bruder Konrad131). Auch in Schwaben sind bestimmte Rodungen Friedrichs I. zweifelsfrei überhaupt nicht zu erweisen - ganz im Gegensatz zu Karl Wellers gene- rösen Zuweisungen132). Die einzige Stelle, die eigene Rodungsambitionen des schwäbischen Kaisers erahnen läßt, enthält gerade deren ausdrück- liches Verbät133). Im Pleißenlande, wo auch die Rodungen der jüngsten Ausbauphase in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts allem Anschein nach von naumburgischen (den Heuckewalde) und königlichen Ministerialen (den von Nöbdenitz/Posterstein) und nicht vom Königtum selbst organi- siert wurden, im Vogtlande, Egerlande, auch in der Pfalz lag die Rodung weitgehend in der Hand der königlichen Ministerialen134). Sie waren in der Lage, sich eigene Herrschaften regelrecht zu �erroden", von deren erhöhter Leistungsfähigkeit dann freilich auch der König profitierte.

Das ländliche Ambiente samt der steigenden Bedeutung des Geldes in den Kreisen einiger großer Reichsministerialen Friedrichs I. gab Stoff zu

130) Jordan von Walkenried: O. DOBENECKER, Regesta diplomatica necnon epistolaria histo-

riae Thuringiae II (1900), Nr. 787 = Die Urkunden des Stiftes Walkenried I, 1852, S. 62 ff., Nr. 71 (1209); dazu H. Wis vn, Die Bedeutung des Klosters Walkenried für die Kolonisie- rung der Goldenen Aue, Braunschweigerisches Jb 31 (1950), S. 59-70; W. SCHLESINGER, Flemmingen und Kühren. Zur Siedlungsform niederländischer Siedlungen des 12. Jh. s im

mitteldeutschen Osten, in: Die deutsche Ostsiedlung des MA als Problem der europäischen G., hg. v. W. SCHLESINGER, in: VuF 18,1975, S. 263-309, hier S. 298; MASCHER, S. 117 ff. Tauschrechte: DF. I. 171. Zum Kloster: H. PATZE, Zur Rechtsgeschichte des Klosters Wal- kenried, in: BIIDtLdG 112,1976, S. 58-86, hier S. 64. 131) Gesta Frederici III, 18 (15a), cd. WArrz, v. SLstSoN, S. 184 = cd. SCHMALE, S. 428. B. BRINKEN, D. Politik Konrads von Staufen in der Tradition der Rhein. Pfalzgrafschaft (Rhein. Archiv 92) 1974, S. 37 ff. geht darauf nicht ein; ebensowenig K: P. WESTRICH, Die Königspfalz Kaiserslautern im 12. und 13. Jh. und ihre Bedeutung für die Ministerialität des Pfälzer Raumes, in: Ministerialität im Pfälzer Raum, hg. v. F. L. WAGNER (Speyer 1975), S. 75-83. 132) K. WELLER, Die freien Bauern in Schwaben, in: ZRG GA'54,1934, S. 178-226, hier bes. S. 189, S. 194 ff.; DERS., Die freien Bauern des Spätmittelalters im heutigen Württem- berg, in: ZWürttLdG 1,1937, S. 47-67, hier bes. S. 55 ff. Kritik an Weller schon bei H. DANNENBAUER, Freigrafschaften und Freigerichte, in: Das Problem der Freiheit in der deut-

schen und schweizerischen G., in: VuF 2,1955, S. 57-76, hier bes. S. 71 ff., und bei VOLLMER, Territorialpolitik, S. 388-90. 133) St. 4097 = Wirttemberg. UB II, S. 156, Nr. 389. In JL 14415 (1181) = Wirttemberg. UB II, S. 217, Nr. 429 wird erwartet, daß das von dem staufischen Ministerialen Folknand von Staufen gegründete und von Barbarossa als Herrn v. Staufen bevogtete Kloster Adelberg rodet. 134) Vgl. SCHLESINGER, Egerland (wie Anm. 106), S. 204 ff.; DERS., Chemnitz 203 ff.; PATZE, Zur G. des Pleißengaues (wie Anm. 106), S. 99 f.; HEss-GorrxoLD passim.

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mancher Anekdote. So spottete des späteren Vogtes v. Plauen, Heinrichs von Weida, Weib über Evas Schwäche, für einen billigen Apfel die Selig- keit des Paradieses hingegeben zu haben. Ihr Gemahl schalt sie, wettete mit ihr um 40 Silbermark - ein kleines Vermögen -, daß sie ein noch viel einfältigeres Verbot übertreten werde, und untersagte ihr kurzer- hand, nach dem Bade mit nackten Füßen durch die Mistgrube ihres Hofes zu waten. Die Dame hielt die Wette, aber es dauerte nicht lange, und sie erlag der Versuchung und rannte in einem - wie sie hoffte - unbeobach- teten Augenblick durch den besagten Pfuhl135). Nicht daß Barbarossa Mistgruben fremd gewesen seien, der König besaß selbstverständlich noch immer große Wirtschaftshöfe und war noch weithin Selbstversorger136). Aber nicht mehr ausschließlich; und daß der Rotbart sich in eigener Person - ähnlich dem Abte Heinrich von Lorsch oder dem großen Kaiser Karl - sonderlich reformierend oder Neuerungen einführend um die Landwirtschaft gekümmert hätte, ist nicht zu belegen. Friedrich bestimmte die allgemeine Richtung und setzte Prioritäten, wo etwa Land zu erwerben war, wer den Landesausbau zu forcieren hätte, ob Ministe- rialen, ob . Edelfreie oder geistliche Institutionen, wo Märkte zu gründen, Städte anzulegen seien. Die eigentliche Durchführung, die Planung an Ort und Stelle, lag bei anderen.. Regieren und Organisieren glitten-auch in Wirtschaftsfragen immer weiter auseinander, wie sich solches ja schon in Friedrichs Verhalten gegenüber den wirtschaftlichen Bemühungen der Reichskirchen abgezeichnet hatte. Auch fügte sich Barbarossas zuneh- mende Neigung, von königlicher Eigenwirtschaft Abstand zu nehmen und auf Rentenwirtschaft umzustellen, recht gut dazu. Man wird somit ent- schieden bezweifeln müssen, daß in Friedrichs Zeit die vom Tafelgüter- verzeichnis137) fixierten Servitien noch stets und ausschließlich in Natural- lieferungen, wie es das Verzeichnis selbst in der Tat behauptete, erbracht und nicht zunehmend durch Geldzinse abgelöst worden sind138). Auch in

M) CAESARIUS, Dialogus miraculorum, ed. J. STRANGE, 1851, I, S. 243-4. 1) In ihrer Organisation erkennbar sind etwa Altenburg: vgl. PATZE, Zur G. d. Pleißen- gaues (wie Anm. 106), S. 96 oder Allstedt: St. 4290 (1179), der fragliche Teil darf als echt gelten: HERIENRATH, Reichskanzlei ...

bis 1180, S. 211-2; METz, Servitium regis, S. 56 ff. Hr) Zur Datierung zuletzt W. SCHLESINGER, Gedanken zur Datierung des Verzeichnisses der Höfe, die zur Tafel des Königs der Römer gehören, in: JbFränkLdForsch 34/35,1974/75, S. 185-203; SCHMID, Regensburg, S. 292 ff.; W. METz, Das Servitium regis. Zur Erfor- schung der wirtschaftlichen Grundlagen des hochma. deutschen Königtums (Erträge der Forschung 89), 1978, S. 21 ff.; C. BRÜHL, TH. KÖLZER, Das Tafelgüterverzeichnis des römi- schen Königs (MS. Bonn S. 1559), 1979, mit Edition (S. 53). i38) Die villae der curia Allstedt, die nach dem Tafelgüterverzeichnis die aus Naturallei- stungen bestehenden Servitien zu erbringen hatte, zahlten tatsächlich Geldzinse, vgl. St. 4290 (1179), der fragliche Teil gilt als echt: HERKENRATH (wie Anm. 136); vgl. weiter DF. I. 211 (1158); ACHT, MIÖG 78 (1970), S. 248-9 (1187); DOIIENECKER II, Nr. 787 (1188). Dazu B. HEUSINGER, Servitium regis in der deutschen Kaiserzeit. Untersuchungen über wirtschaftliche Verhältnisse des deutschen Königtums 900-1250, in: AUF 8,1923, S. 26-159, hier S. 40-2, S. 138; PATZE, Zur G. d. Pleißengaues (wie Anm. 106), S. 96; SCHMID, Regensburg, S. 288-90.

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den Wirtschaftsbereich der königlichen Ministerialen hatte - wie die Anekdote beweist - die monetäre Kultur Einzug gehalten.

Trifft dies alles zu, dann entspringt unser geringes Wissen um Fried- richs landwirtschaftliche Fürsorge keineswegs allein der Ungunst der Überlieferung, sondern ist nicht zuletzt das Ergebnis einer bewußten Schwerpunktverlagerung. Karl der Große mußte sich detailliert mit der Aufzucht von Rind- und Federvieh139) befassen, denn andere als agrari- sche Wirtschaftszweige waren noch kaum erschlossen. Friedrich Barba- rossa hingegen mußte sich, wollte er dem Trend der Zeit genügen, vor- nehmlich um einen kontinuierlich zu steigernden Geldzufluß kümmern und für ein ausreichendes Warenangebot auf den Märkten sorgen, wo das Geld wieder auszugeben war140). Nicht nur hungrige Soldaten sollten über den Markt versorgt werden141), auch plündernde Heerhaufen wurden von Märkten angezogen. Als z. B. die zur Belagerung Alessandrias aufgebo- tenen böhmischen Truppen durch Schwaben zogen (1174), gingen viele nach Ulm �auf

den Markt, um Vieh und anderes Beutegut, das sie auf dem ganzen Weg geraubt hatten, zu verkaufen". Irgendwie kam es zum Streit mit den Bürgern, die Räuber wurden jetzt selbst beraubt und fast 250 Böhmen blieben tot in der Stadt; von den Überlebenden aber zogen, wie es heißt, die Vernünftigeren zum Kaiser, um von ihm Genugtuung ZU fordern142). Der Staufer mußte vor allem marktorientierte Initiativen lm Auge behalten und vielfältig ineinandergreifende Wirtschaftsmaßnahmen aufeinander abstimmen.

Die Reichsländer wurden mit einem Netz königlicher und reichsmini- sterialischer Burgen überzogen. Auch hier führte Barbarossa Leistungen seiner Vorgänger weiter. Doch kann ich jetzt nicht auf den wirtschaft- lichen Aspekt des Burgenbaues, seiner Finanzierung und der Versorgung der Burgmannschaften, eingehen143); die Aufmerksamkeit sei vielmehr

139) Vgl. vor allem das Capitulare de villis MGH Capit. I, S. 83 ff., Nr. 32. 140) SCHALLES-FISCHER, S. 434; 497 ff.; 594 mit Zitat aus Chronographus Corbeiensis zu 1146 (cd. Ph. JAFFE, Bibliotheca rerum Germanicarum I (1864), S. 51:... quatinus et in foren- sibus ad comparandum sufficerent. 141) Das wird auf Kriegszügen besonders deutlich; die Heere werden vielfach über den Markt versorgt: Vgl. Orro V. FREISING, Gesta Friderici 11,12 (ed. WArrz, v. SutsoN, S. 113 = ed. SCHMALE, S. 302): Notwendigkeit des Marktes; SCHNYDER, Bündner Pässe I, S. 119, Nr. 22 (1168): Como muß sich verpflichten: nec dabo mercazum imperatori vel alicui de eius parse; Chron. regia Colon. zu 1188 (S. 139): Markt für das Kreuzheer auf dem Durchzug durch Ungarn. 142) GERLACH V. MÜHLHAUSEN, Annales zu 1175, MGH SS XVII, S. 687. 143) Einige Nachrichten: DF. 1.420 (1163) könnte trotz gegenteiliger Versicherung der Vor- bereitung eines Burgbaus dienen (Straßenkreuzung bei Aub! ); die Aachener Mauer sollten 1171 die Bürger in 4 Jahren bauen: Ann. Aquenses MGH SS XXIV, S. 38 (dazu: FLACH, S. 365 ff.; MEUTHEN, Barbarossa und Aachen [wie Anm. 165], S. 48 ff. ); die Burgmann- schaft der Boyneburg erhielt Speyerer Lehen: St. 4382 (1184) (die Lehen stammten wohl aus dem von Heinrich IV. an die Domkanoniker geschenkten Königsgut Eschwege, vgl. HEINE- MEYER, Eschwege, S. 61; W. Merz, Eschwege im Nekrolog des Speyerer Domstifts, in: HessJbLdG 22,1972, S. 343-46); die Boyneburg selbst hatte der Fuldaer Abt dem Reich

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

gleich auf die wirtschaftlichen Zentren, die königlichen Städte, gelenkt. Ihre Bedeutung erhellt aus dem Itinerar Friedrichs I.; sie waren neben den Bischofsstädten, die zunächst im Vordergrund standen, seine bevor- zugten Aufenthaltsorter). Der fortifikatorische Aspekt der Stadt darf hier gleichfalls vernachlässigt werden, allein ihre komplexe wirtschaftliche Funktion und deren Erfassung durch den Kaiser stehen zur Diskussion.

�Der Mehrung des Heiligen Reiches opfern wir wachsame Mühe und vor allem" - so versicherte Friedrich den Bürgern Bremens - �wenden wir gerne tätigen Eifer dem Wachstum der unserer Exzellenz treuen Städte zu"145). Stadtförderung-war Reichsmehrung, und das nicht nur im personalen, die Einwohnerzahl berücksichtigenden Sinne, sondern durchaus in wirtschaftlichem. Freilich ist auch hier ein deutlicher Schwer- punkt zu erkennen. Wenn es in Friedrichs Stadtprivilegien um anderes ging als um die herrschaftliche Ordnung und Friedenswahrung, dann erwähnten sie Münzer und Kaufleute, das Hagenauer Privileg (1164) oder der Vertrag mit dem Grafen von Flandern (1173) auch Kreditgeschäfte, Probleme des Handels und der Geldwirtschaft also146). Bei Stadtgrün- dungen wurden allein Kaufleute regelmäßig erwähnt, denn ohne sie gedieh keine Stadt, wenn sie nicht überhaupt als Inbegriff der Bürger zu gelten haben. Ihrer sozialen Herkunft nach gehörten sie nicht selten zur Reichsministerialität; doch unterschied Barbarossa die Funktionen147).

�Alle Einwohner" Gelnhausens waren 1170 fast identisch mit den Kauf-

erbaut, s. Anm. 87; Barbarossa wird gelegentlich ähnlich wie sein Ministeriale Werner II. v. Bolanden vorgegangen sein und Burgmannschaften durch Geldlehen an sich gebunden haben, vgl. oben Anm. 120; einige in der Goslarer Vogteigeldlehnrolle (1242) genannten Geldlehen reichen in die Zeit König Philipps zurück: W. DEICH, Das Goslarer Reichsvogtei- geld (HistStud 421), 1974, S. 25 ff. "') Dazu jetzt SCHLESINGER, Bischofssitze (wie Anm. 110), passim; zum Itinerar: F. OPLL, Das Itinerar Kaiser Friedrich Barbarossas (1152-1190) (1978, Forschungen zur Kaiser- u. Papstg. des MA, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 1); zu den königlichen Städten weiter: WELLER, Städtegründung (wie Anm. 90) passim; HELLA FEIN, Die staufischen Städte- gründungen im Elsaß (Schrr. d. Wiss. Inst. der Elsaß-Lothringer im Reich an der Univer- sität Frankfurt NF 23), 1939; H. Sroon, Formen und Wandel staufischen Verhaltens zum Städtewesen in Europa 1,1970, S. 51-72, S. 296-9; auch W. EGGERT; Städtenetz und Stadtherrenpolitik. Ihre Herausbildung im Bereich des späteren Württemberg während des 13. Jh. s, in: Stadt und Städtebürgertum in der deutschen G. des 13. Jh. s, hg. v. B. TöPFER (1976, Forschungen zur ma. G. 24), S. 108-228. Nicht gesehen habe ich: W. MAIER, Stadt und Reichsfreiheit, Entstehung und Aufstieg der elsässischen Hohenstaufenstädte. Diss. phil. Zürich 1972. 15) St. 4472 (1186; vgl. K. JoRDAN, Heinrich der Löwe und Bremen, in: Stadt und Land in der G. des Ostseeraumes 1973, S. 11-22, hier S. 18 ff. (mit älterer Lit. ). 146) DF. I. 447 (1163); St. 4146 = Const. 1, S. 334 f., Nr. 239 (1173). I°7) H. F. FRIEDERICHS, Herkunft und ständische Zuordnung des Patriziats der wetterau- ischen Reichsstädte bis zum Ende des Staufertums, in: HessJbLdG 9 (1959), S. 37-75; FRIE- DERUN FRIEDERICHS, Burgen und Städte (wie Anm. 106), S. 25 ff., S. 31, S. 35; PETKE, Pfalz- stadt (wie Anm. 122), S. 277 ff. (S. 278 Anm. 32 weitere Lit. zur Frage). - Zum Problem mercator = �Bürger" vgl. Simow (wie Anm. 176), S. 457 ff.

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JOHANNES FRIED

leuten der eben ins Leben gerufenen Stadt148). In Urkunden des Barbaros- sa-Sohnes Friedrich V. von Schwaben schoben sich zwischen die Ministe- rialen und die rustici als zweite Gruppe die mercatoresl49); auf diesen drei Säulen, Ministerialen, Kaufleuten und Bauern, ruhte offenbar der Reichtum der Staufer. Die Stadt Pegau, in der Friedrich dem Abte Markt, Zoll und Münze Übertrug (1172), stand zwar unter der Herrschaft des Abtes von Pegau, doch war der Klostervogt der Kaiser. Diese Stadt nun wollte Barbarossa frei von milites halten; weder Abt noch (Unter-)Vogt noch �Kaufleute"

durften Rittern ihre aree vel curtes verkaufen, allein Kaufleute sollten sie erwerben, qui forensia iura exequanitur150). Die Marktfunktion der Stadt war sichtbar betont. Sie sollte unter dem Schutz des Reiches allein dem Abt erhalten bleiben und nicht durch den Unter- vogt entfremdet werden. In Breisach, das Heinrich VI. im Jahre 1185 auf Basler Grund und Boden zweifellos in Absprache mit seinem Vater grün- dete, sollten sich nur Kaufleute (auf dem Breisacher Berg) und die Stadt- herren selbst mit ihren Rittern (auf dem Eckartsberg) niederlassen151), Das war kein Schildbürgerstreich. Aber Bäcker, Metzger, Schankwirte und dergleichen lebenswichtige Gewerbe, die sonst gelegentlich in könig- lichen Privilegien genannt wurden, waren offenbar schon aus der vorstäd- tischen Zeit des zur Stadt erhobenen Ortes vorhanden und bedurften keiner eigenen Förderung. Sie blieben, soweit ihre Produkte nicht der üblichen, herrschaftlich oder gewohnheitsrechtlich geordneten Preisbin- dung unterlagen152), im wirtschaftlichen Sinne auch weiterhin - wie dann ja auch die in der Stadt sich niederlassenden Kaufleute - sich selbst über- lassen und ihren privaten Initiativen.

Mit ihrem Markte trug die Stadt dazu bei, den oft mehrere hundert Mann zählenden reisenden Königshof zu versorgen. So wurde Worms bevorzugt, �denn seine Region

... ist reich an Getreide und Wein und bietet eine Fülle von jagdbarem Wild und Fischen

... und kann daher die

148) St. 4119 = H. REIMER (Ed. ), Hessisches UB II, 1, S. 81, Nr. 102: Nottort igintrsit .. quod nos apud castrum Geybtltusen novam villam fundantes omnibus earn inhabitantibtts hanc ... ittsticianl prestitimus, ut otnnes videlicet mercatores de Gelnhausen ... nulluni sol- vent theloniunl ... ei facient heredes Ediftciontnt ei possessionum suartun filios ei flias ei uxores eorunt ... H. STOOB, Gelnhausen (Deutscher Städteatlas I, 4,1973); F. SCHWIND, Reichsstadt und Kaiserpfalz Gelnhausen, Bl1. dt. LG 117,1981, S. 73-95. 149) Wirttem. UB II, S. 248, Nr. 448 (1186); S. 249, Nr. 449 (1187). 150) SCHLESINGER, Chemnitz, S. 87 ff. unter Verweis auf St. 4137 (1172) = A. CHROUSr, Unedierte Königs- und Papsturkunden, NA 16 (1891), S. 144-6, Nr. 1. Die Zitate: St. 4325 (1181) = P. KEHR (Ed. ), UB Hochstift Merseburg, S. 104 f., Nr. 125, dazu noch VOLL MER, Territorialpolitik, S. 361; DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 7, vor allem: H. PATZE, Die Pegauer Annalen, die Königserhebung Wratisla«s von Böhmen und die Anfänge der Stadt Pegau, in: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 12,1963, S. 1-62 hier S. 40 ff. 151) St. 4575 (1185). G. HASEUER, G. d. Stadt Breisach am Rhein I, 1969, S. 80 ff. 152) Preisbindung: z. B. DF. I. 447 (1164), für Hagenau.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

Fürsten ... am längsten versorgen"153). Das Land war zur Stadt, dem Zen-

tralort, orientiert; Barbarossa hat diesen Effekt sich zunutze gemacht und gesteigert. Stadtgründung und -förderung war ein gezielt eingesetztes Mittel zur wirtschaftlichen Sicherstellung des reisenden Königshofes. Erst nachdem die Stadt gegründet war (1170), begegnete das von Barbarossa erworbene Gelnhausen im Itinerar154). Altenburg wurde seit 1165 aufge- sucht, als dort die Gründung des Neumarktes wohl durch Barbarossa den Aufstieg zur Stadt beschleunigen sollte155). Auch sonst nahm sich Fried- rich gerade der Städte besonders an, die er aufsuchte. Er setzte dabei nicht nur wiederholt Leistungen seiner Vorgänger, Lothars III. und Kon- rads III., fort, sondern stützte sich oftmals auf die am Ort ansässigen Klö- ster oder Stifte156).

Doch führten nicht nur Itinerarerwägungen zur Stadtgründung. Chem- nitz etwa verdankt seine Stadtwerdung wohl Friedrich I., ohne daß wir ei- nen Aufenthalt des Kaisers dort nachweisen könnten157). Zahlreiche der schwäbischen Städte, die auf Barbarossa zurückgeführt werden, haben den Staufer wohl nie, andere ihn nur ganz selten gesehen158). Für sie müs- sen rein wirtschaftliche Erwägungen noch viel unmittelbarer zur Wirkung gelangt sein als gegenüber den häufigen Itinerarorten. Barbarossa setzte auf das wirtschaftliche Aufblühen der Städte und bewies bei der Auswahl der zu fördernden Orte einen guten Blick. Das zeigen so erfolgreiche, von ihm gegründete oder maßgeblich unterstützte Städte wie Aachen, Duis- burg, Nürnberg, Schwäbisch Hall oder Gelnhausen. Friedrichs Interesse an seinen Städten war nicht statisch auf Rechts- und Besitzstandswahrung ausgerichtet, sondern dynamisch auf Ausbau und Steigerung seines Reichtums durch wachsenden Nutzen und Wohlstand seiner Bürger -

's') Otto v. Freising, Gesta II, 46 (48) (ed. WAITZ, V. SIMSON, S. 153 f. = ed. SCHMALE, S. 376-8). Den Mlormser Markt zur Versorgung des Königs erwähnt bereits - mit deut- licher Kritik - LAMBERT VON HERSFELD, Annales zu 1074 (ed. O. HOLDER-EGGER, MGHSSrerGerm 1894), S. 173; auch zu 1066 kritisiert Lambert Heinrichs IV. Versorgung durch den Markt in Goslar (S. 100). Der Chronist registrierte das Ungewohnte. Allgemein: FERDINAND OPLL, Friedrich Barbarossa und das Oberrheingebiet, in: Stauferzeit. G. Lite- ratur Kunst, hg. v. R. KROHN, B. THUM, P. WAPNEWSKI, 1978, S. 36-46. 154) SCHLESINGER, Bischofssitze (wie Anm. 110), S. 29 f. 155) SCHLESINGER, Bischofssitze (wie Anm. 110), S. 33 ff.; DERS., Markt als Frühform (wie Anm. 98), S. 289. M) E. MEUTHEN, Karl der Große- Barbarossa -Aachen. Zur Interpretation des Karlspri- Vilegs für Aachen, in: Karl d. Große. Lebenswerk und Nachleben, hg. v. W. BRAUNFELS, IV Das Nachleben, hg. v. W. BRAUNFELS, P. E. SCHRADL%i, (1967), S. 54-76, hier S. 66 (für Aachen u. Kaiscrsverth)" HEss-GOrrHOLD, S. 31-3 (für Kaiserslautern); SCHLESINGER, Egerland (sie Anm. 106), S. 203 (Chemnitz); DF. I. 211 (1158) (für Nordhausen). 157) SCHLESINGER, Chemnitz, bes. S. 93 ff. 158) Im Itinerar fehlen z. B. Friedberg, Wetzlar, Duisburg, Breisach, Rothenburg, Rott- weil. Selten erscheinen: Esslingen; Schwäbisch-Gmünd; Wimpfen vgl. OPLL, Itinerar, S. 122 ff.

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JOHANNES FRIED

wie doch einige der erhaltenen fraglichen Urkunden zu erkennen ge- ben159).

Die aus den Städten fließenden Abgaben waren recht unterschied- licher Natur 160). Geringe Anerkennungszinse für den Besitz städtischer areel6l), Gerichtsgefälle, Abgaben von Markt, Münze und Zoll, Steuern, die die Bürgerschaft in der Anfangsphase vielleicht noch nicht als Gesamt- heit bezahlen durfte162), ergänzten einander. Genaueres über die Einnah- menhöhen aus städtischen Steuern und die Grundsätze ihrer Fest- legung163) ist erst, und auch dann noch sehr unvollkommen, aus der Zeit Friedrichs II. und der Reichssteuerliste von 1241/42 bekanntlM). Doch müssen schon unter Barbarossa die regelmäßiger fließenden städtischen Steuern wichtige Einnahmequellen gewesen sein, wenn der Kaiser die Städte auch keinesfalls nur als aussaugbare Objekte behandelte.

Wenigstens an einer Stelle gelingt ein tieferer Einblick in Friedrichs hochgespannte wirtschaftliche Erwartungen, die er an die Städte knüpfte, und in die Art und Weise, wie er vorging: in seinem Eingreifen zugunsten Aachens und Duisburgs. Beraten von Kaufleuten, rechtlich abgesichert durch die Zustimmung seiner Kurie, gründete er 1166 in Aachen zwei Jahrmärkte, die �die Jahrmärkte der benachbarten Städte nicht nur nicht schädigen, sondern ihre Gewinne (enlokanenta) steigern sollten"165). Das

159) Aus der Wormser Münze wird nicht nur Gewinn erwartet (emohunentum), der unter Abzug des Münzer-Lohnes an den Bischof fließt, sondern offenbar allen irgendwie zugute kommt: vgl. DF. I. 491 (S. 413,28); zu Aachen (und Duisburg) (1166,1173) vgl. unten; in St. 4137 (1172 für Pegau) werden Nutzungsrechte übertragen cum militate quatn ...

inlpo- sterum conquirere poterunt; auch St. 4472 (1186 für Bremen) gehört mit seinen incrementa civitatum hierher. 160) Allgemein erwähnt z. B.: St. 4119 (1170; Gelnhausen); ARNOLD V. LÜBECK, Chronica Slavorum 11,21 (ed. G. H. PERTZ, MGHSSrerGerm 1868), S. 65 (1181, Lübeck); St. 4342 (1182, Worms); vgl. weiter WELLER, Städtegründung (wie Anm. 90), S. 166 ff.; NIESE, S. 95 ff., S. 115 ff. 161) So etwa St. 4119 (1170, Gelnhausen); St. 4300 (1180, Wetzlar). 162) 1219 bestätigt Friedrich II. den Nürnbergern das von seinen Vorgängern (inclitis Ron1a- norum regibus) gewährte Recht: ut si dominus imperil ab ipsis steuram exiget, non partictt- latin2 sed in communi quilibet pro posse suo persolvere debeat. Danach könnte also Einzel- zahlung ursprünglich üblich gewesen sein. BF 1069. 163) Die an den König fließenden collectae in Worms werden von den cives erbracht unter Ausschluß der ministri ecclesiorum, hii videlicet, qui fratribus ei ecclesie cottidie in propria persona deserviant nec mercimoniis operam dant nec foro renn venaliunl student nec pro subterfugio nostre collecte obsequio fratrum se applicant. Der

�Kaufmann" im weitesten

Sinne gehörte grundsätzlich zu den steuerpflichtigen Bürgern. St. 4342 (1182) = MGH Const. 1, S. 389, Nr. 283. 164) MGH Const. III, S. 1 ff.; zur Überlieferung: A. DREHER, Über die Herkunft zweier Güterverzeichnisse der späteren Stauferzeit, ZWürttLdG 29 (1970), S. 321-325, hier 323 ff.; zur Sache: GERD KIRCHNER, Die Steuerliste von 1241, in: ZRG GA 70,1953, S. 64-104. 165) DF. I. 503. Zur münzpolitischen Seite: KAMP, Moneta regis I, S. 277 ff.; zum stadtge- schichtl. Aspekt und zur Bedeutung für das Reich: MEUTHEN, Karl der Große (Wie Anm. 156); FLACH, S. 362 ff.; MEUTHEN, Barbarossa und Aachen, in: RhVjbll 39,1975, S. 28-59, hier bes. S. 46 ff. 0. ENGELS, Der Niederrhein und das Reich im 12. Jh., in:

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

wirtschaftliche Konkurrenzmotiv, das bei Markt- und Stadtgründungen wirksam sein konnte, war klar ausgesprochen, doch in Erwartung weiterer Gewinnsteigerung der Privilegierten aufgegeben. Aachen, die Stadt Karls des Großen, der Krönungsort der deutschen Könige, caput et sedes re- g11i166), hatte ein wirtschaftliches Defizit auszugleichen. Sie überstrahlte alle übrigen Provinzen und Städte an Würde und Rang, und eben deshalb wurde ihr das Marktprivileg verliehen. Barbarossa ahnte zumindest, daß ohne Angleichung der �Hauptstadt" an ihre wirtschaftlich weiter entwik- kelte Umgebung ihr rechtlicher und ideeller Vorrang unvollständig wäre. Politisches Handeln -war hier sachlich von wirtschaftlichem Handeln un- terschieden, doch der Erfolg als abhängig vom Zusammenwirken beider erkannt; politisches Handeln bedurfte der wirtschaftlichen Ergänzung.

Die ganze betroffene Region zwischen Aachen und dem Niederrhein wurde als eine Wirtschaftseinheit betrachtet und gestaltet. So reihten sich - wie schon Walter Stein herausgearbeitet hat - �die zehn oder elf wich- tigsten Jahrmärkte am Niederrhein ... im Laufe des 12. Jahrhunderts derart aneinander, daß sie sich nicht im Wege standen, sondern vom Frühjahr beginnend bis in den Spätherbst eine Kette von aufeinander fol- genden Handelsgelegenheiten darstellten"; 167). Die Kaufleute, die nach Aachen kamen, genossen dort besondere Rechte und Zollfreiheit, wie umgekehrt die Aachener Kaufleute per onine Romanum imperium zoll- und abgabenfrei sich bewegen sollten168). Den Wechselzwang für fremde Gepräge hob Barbarossa auf. Damit ferner das häufig schwankende Münzgewicht, das �bald schwerer, bald leichter zu sein pflegte", der Stadt nicht zum Schaden gereichte, wurde die Aachener Münze reformiert und stabile Emissionen mit leicht besserem Schrot und Korn, als der Kölner Pfennig sie aufwies, angeordnet169). Ein breiter Maßnahmenfächer wurde durch den Kaiser koordiniert, um Aachen attraktiv zu machen; die Inter- dependenz vielfältiger wirtschaftlicher Einzelmaßnahmen war wenigstens ansatzweise erkannt und die ergriffenen Maßnahmen daraufhin abge- stimmt. Später (1173) nötigte offenbar die verkehrsgeographische Rand- lage Aachens den Kaiser, Duisburg in dieses weiträumige, wachstums- orientierte Wirtschaftsprogramm einzubeziehen, wobei noch einmal eine Münzreform durchgeführt wurde: zit ... mercatores melium habeant com-

Klever Archiv 4,1983, S. 79-101, hier S. 90 f.; in weitgestecktem Rahmen: B. DIESTEL- KAMP, Staufische Privilegien für Städte am Niederrhein, ebd. S. 103-144. - Die rechtliche Entwicklung der Stadtgemeinde in Abhängigkeit vom Marienstift ist - wie anderswo - zu unterscheiden von der wirtschaftlichen Förderung der Stadt durch den Kaiser. 166) DF. I. 502. 167) Walter STEIN, Handels- und Verkehrsg. der deutschen Kaiserzeit, 1922, S. 197. 166) DF. I. 502. 169) DF. I. 503.

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modum170); der Duisburger Kaufleute wegen - so glaubte wenigstens Ar- nold von Lübeck - sei Friedrich bzw. sein Sohn Heinrich bereit gewesen, militärisch gegen Köln vorzugehen (1185)171).

Es ist anzunehmen, daß das, was Barbarossa auf Anregung und mit Hilfe der Kaufleute im Niederrheingebiet Gestalt werden ließ, prinzipiell für andere, dem staufischen Königtum nahestehende Räume gleichfalls Gültigkeit besaß. In den thüringischen Reichsländern wurden mehrere Städte und Märkte gegründet; ein ganzes Bündel reorganisierender Maß- nahmen im Münz-, Zoll- und Straßenwesen trat hinzu. Ähnlich wurde das Nürnberger Verkehrsgebiet mit Bamberg und Amberg als Wirtschaftsein- heit erfaßt und im Nordosten an das Egerland, im Süden an Regensburg angeschlossen und so zu einem großräumigen Wirtschaftsgebiet ge- formt172). Hinter den Stadtgründungen und -förderungen in Schwaben, im Elsaß oder in der Wetterau mag ein vergleichbares Konzept zur Raumer- fassung durch Wirtschaftsmaßnahmen gestanden haben. Treffen diese Überlegungen zu, dann liegen hier Eingriffe Barbarossas in die Wirt- schaftsprozesse und Wirtschaftsstruktur in gestaltender Absicht vor, ein wirtschaftspolitisches Programm mit dem vom Aachener Jahrmarktsprivi- leg formulierten Ziele: quod ... (nundine) adaugeant emokanenta173). Neben derartigen strukturbildenden Maßnahmen treffen wir hingegen ausgesprochen selten auf ein gezieltes Eingreifen des Kaisers in das Nach- frageverhalten seiner Untertanen174). Das darf keinesfalls als Desinteresse an Wirtschaftsfragen ausgelegt werden. Die von Barbarossas erstem Landfrieden (1152) erstrebte, zur Durchführung den Grafen anvertraute Regelung der Getreidepreise verfolgte aus aktuellem Anlaß einer Hun- gersnot (1150/51) eher die Absichten der Friedenswahrung denn wirt- schaftliche Zwecke; Lebensmittelpreise unterlagen auch sonst bestimm- ten Bindungen175). Auch die Verfügungen im Privileg für Hagenau (1164) über Dirnen, Schankwirte, Bäcker, Futterhändler und Metzger, die nur �gesundes und frisches Fleisch verkaufen" sollten, sind weniger wirt- schaftlich bestimmt denn Maßnahmen herrschaftlicher Friedensordnung

170) St. 4146 = MGH Const. I, S. 334-5, Nr. 239. Dazu Walter STEIN Der Streit zwischen Köln und den Flandrern um die Rheinschiffahrt im 12. Jh., in: HansGbll 17 (1911), S. 187-213; DIRLMEIER, Mittelalterliche Hoheitsträger, S. 71 ff.; zur verkehrsgeographi- schen Lage Aachens: FLACH, S. 12 ff. 171) ARNOLD, Chron. Slav. 111,12 (S. 97 f. ); zur Kritik Arnolds: OPLL Hildesheimer Brief- sammlung (wie Anm. 60), S. 486 mit Anm. 74. 172) Deutlich erkennbar an Friedrichs Münzpolitik: KAMP, Moneta regis I, S. 110 ff.; DERS., Münzprägung und Münzpolitik der Staufer in Deutschland, Hamburger Beiträge zur Numis- matik 17,1963, S. 517-44, hier S. 257 ff. 173) DF. I. 503. Zur Wetterau vgl. W. HEss, Städtegründungen u. Anfänge der Münzprä- gung in der staufischen Wetterau, Bll. dt. LG 117,1981, S. 97-111. 174) Allgemein: R. RoEHL, Nachfrageverhalten und Nachfragestruktur 1000-1500, in: Europ. Wirtschaftsg. 1 (wie Anm. 1), S. 67-89. 175) Vgl. oben S. 222 mit Anm. 152.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

in der Stadt, veranlaßt freilich durch wirtschaftliche Aktivitäten der. Bür- ger. Hingegen genoß wertvolles Bauholz, namentlich Eiche und Buche, wirtschaftlich motivierten Schutz. Die Hagenauer Bürger durften zwar ihre Arbeitstiere, nicht aber ihre Schafe im Heiligen Forst weiden las- sen176); Schafherden grasen bekanntlich gründlicher als Rindvieh. Auf Bitten des Grafen Philipp von Flandern regelte Friedrich das Tuchange- bot flandrischer Kaufleute in Aachen und Duisburg außerhalb der gesetz- ten Jahrmarktszeiten177). Mehr als punktuelle Einzelmaßnahmen waren das alles indessen nicht.

Es fehlen ferner alle Nachrichten über Gewerbeförderung durch den Kaiser. Er besaß oder erwarb zwar im oberschwäbischen Tuchgebiet wichtige Produktionszentren oder doch die sichere Anwartschaft auf sie; aber Tuchproduktion und -absatz, der noch vor 1200, vielleicht sogar schon in vorfriederizianischer Zeit Italien und Südfrankreich erreicht hatte, waren kein Gegenstand der heute noch erhaltenen Quellen über Friedrichs Tätigkeit178). Wir können also nicht sagen, ob und in welcher Weise der Staufer am Wandlungsprozeß von der in Arbeitshäusern orga- nisierten grundherrlichen Tuchproduktion zur weitgehend arbeitsteiligen, vom vermehrten Flachsanbau bis zum Walken und Färben in der Stadt reichenden

�Leinenindustrie", die für den Export produzierte und sich

nach dem Verlagsprinzip zu organisieren begann, beteiligt war. Vieles wird nur mündlich geregelt, noch mehr aber ausschließlich den �privaten" Initiativträgern überlassen worden sein; war doch der Kaufmann, den der Kaiser förderte nicht nur Krämer und Fernhändler, sondern in dem sich ausbildenden Verlagswesen zugleich Initiator, Auftraggeber, Vermittler der sich ausdehnenden �Industrie".

So ist nicht auszuschließen, daß Fried- richs Förderung der Kaufleute zugleich der Ausweitung der �industri- ellen" Produktion dienen sollte. Sicher hatte allerdings der fragliche Wirt- schaftsprozeß zumindest im Rhein-Maas-Gebiet schon vor Barbarossa eingesetzt179.

176) DF. I. 447. Zu dem im Privileg nicht erwähnten, von Barbarossa eingesetzten Vogt Rüdiger, der vor allem auch als advocatus nemoris, des Heiligen Forstes, bezeugt ist, vgl. zuletzt: J. SYnow

' Stadtgeschichtliche Beobachtungen am ältesten Bruderschaftsbuch von Sankt Matthias in Trier, in: Geschichtsschreibung und geistiges Leben im MA, Festschrift für HEINZ LöwE (1978), S. 450--67, hier S. 353 ff. 177) St. 4146 (1173). 178) H. AarAtANN, Die Anfänge der Leinenindustrie des Bodenseegebiets, in: AlemJb (1953), S. 251-313. 179) Als Barbarossa dem Kloster Walkenried verschiedene Besitzungen übertrug, sich aber bestimmte Abgaben vorbehielt, verzichtete er u. a. ausdrücklich auf den Zehnt von Pro- dukten quaecunque infra septa eius excoluntur, ut chanabum et quaelibet genera holerum; Die Urkunden des Stiftes Walkenried I (1852), S. 63, Nr. 71 (Otto IV., 1209). Der Hanfanbau vollzog sich hier offenbar noch in traditionellem Rahmen. Homines mercennarii sind hin- gegen unter den Aachener Leine- und Wollwebern zu finden: Gesta abb. Trud. 12,11 (MGH SS X, 309), vgl. . FLActt, S. 352 (um 1133). Auf der in staufischer Zeit selten besuchten Pfalz Tilleda befanden sich im 12. Jh. Tuchmachereien, deren Webstühle alter- tümliche Bauart aufwiesen: vgl. P. GRIMM, Zwei bemerkenswerte Gebäude in der Pfalz Til-

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Ähnlich beharrlich schweigen die Quellen über Barbarossas Ein-

wirken auf die Eisen-, Kupfer- und Silberproduktion im Nürnberger Großraum oder im Goslarer Bereich180). Die Produktion im Harzgebiet lag vor allem wohl in den Händen stadtgesessener Goslarer Ministerialen. So besaß der von 1173-1191 bezeugte und wohl von Friedrich eingesetzte Goslarer Stadtvogt Volkmar reichen Wald- und Grubenbesitz um den Rammelsberg181). Auch ist anzunehmen, daß schon zu Friedrichs I. Zeit die Goslarer Erzgießer pro Blasebalg und Woche 1/2 Lot Silber, den sog.

�sleyschatz" von den �slaggehütten"

(so 1290), der im Jahr also über 11/2 Mark (372,84 gr. ) betrug, an den König abzuführen hatten, was das Exi-

stenzminimum der ärmeren Kreuzfahrer von 1189 übertraf. Die Blase- balgbesitzer durften als Gegenleistung so viel Kohle heranschaffen wie sie brauchten. In den Wirtschaftsprozeß selbst aber griff Friedrich mit alldem nicht ein; insbesondere ist nicht zu belegen, daß Barbarossa, indem viel- leicht schon er vom unbearbeiteten Barren Kupfer, das Goslarer Bürger ausführten, Zoll verlangte, gezielt die Kupferverarbeitung in Goslar selbst anregen oder fördern wollte182). Auch wissen wir nicht, woher der Kaiser das Eisen für seine Schwerter und Pflugscharen bezog, und wie es produ- ziert wurde183).

Einem wirtschaftlichen Grundbedürfnis der immer fester mit dem Gelde verhafteten Zeit, mit dessen Befriedigung er nachhaltig in den wirt- schaftlichen Gesamtzusammenhang hineinwirkte, mußte der Kaiser als

leda, Prähist. Zs. 41 (1963), S. 62-76. - Zum Zusammenhang von Kaufmann und Produ- zenten, vgl. SYDOW (wie Anm. 176), S. 457 ff. 180) Auf dem Wirtschaftshof der Grona waren nach dem Tafelgüterverzeichnis falkarii tätig (WEINRICH, Ausgewählte Quellen Nr. 51), also Sichelschmiede (vgl. A. GAUERT, Zur G. der Pfalz Grone nach der schriftlichen Überlieferung, in: Deutsche Königspfalzen II (Veröff. MPI G. 11/2), 1965, S. 126-39, hier S. 127-8. Da sie aber nur bei Grona genannt werden, gehörten sie möglicherweise nicht zur �Standardausstattung" eines königlichen Wirtschafts- hofes. Auf der Pfalz Tilleda wurden Spuren von Eisenverarbeitung gefunden: GRIMM (wie Anm. 179). Zu Nürnberg: H. K%uIANN, Die wirtschaftliche Stellung der Reichsstadt Nürn- berg im Spät MA (Nürnberger Forschungen 13), 1970, bes. 15 ff. 181) PETKE, Pfalzstadt (wie Anm. 122), S. 275 ff.; 290 ff. (dagegen WILKE, S. 121, die Volkmar als �Bürger"

behandelte); vgl. auch Sroow (wie Anm. 176), S. 454 (über den Ha- genauer Schultheißen). 182) UB Stadt Goslar II, S. 400, Nr. 401 (1290); die Details verzeichnet das Stadtrecht Fried- richs II. von 1219: UB Stadt Goslar I, S. 408 ff., Nr. 401; das Problem der älteren Schichten dieses Privilegs ist hier nicht zu lösen; vgl. WILKE, S. 63-5. Zum Grubenbetrieb im Harz und am Rammelsberg: D. DENECKE, Erzgewinnun& und Hüttenbetriebe des MA im Ober- harz und im Harzvorland. Erläuterungen zu einer Ubersichtskarte, Archäolog. Korrespon- denzblatt 8,1978, S. 77-85. 183) In Urbach, bei Nordhausen (Thür. ), wo auch Königsgut lag, war 1187/1197 ein Schmied tätig: homo Swickerus de Urbeke, anis fabriciae, quum frequenti incudis nlalleatione ac piorum laborum desudatione summam quandam pecuniae super se coniraxisset et 6 jugera penes Berigen sita in proprietatem perpetuanl sibi comparasset, der also auf Gewinn arbeitete und das Gewonnene in Grundbesitz anlegte: Die Urkunden des Stiftes Walkenried I (1852), S. 26 f., Nr. 26 (1187); vgl. die Stammtafel der �Swicker v. Mühlhausen" bei PATZE, Wal- kenried (wie Anm. 130), S. 78.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

Hoheitsträger allerdings genüge tun: der Nachfrage nach dem Gelde selbst, nach geprägtem, in seinem Feingehalt garantierten Silber. Nicht nur der kriegführende Kaiser bedurfte seiner immer'dringender, auch das wirtschaftende Volk begehrte es mehr und mehr. Friedrich erleichterte den bürgerlichen Geldverkehr, indem er Münztauschrechte184) oder Zugeständnisse für Verpfändungen gewährte, denn Bürger durften - im Unterschied zu Reichskirchen - ohne kaiserlichen Vorbehalt ihren Grundbesitz beleihen18$). Barbarossa mußte vor allem aber die Versor- gung seiner Länder, Märkte und Städte, seiner Ministerialen, Kaufleute und Bauern mit Geld sicherstellen.

Was der Staufer hier leistete, verdeutlichen dürre Zahlen186). Er über- nahm mit Regierungsantritt vielleicht sieben oder acht tätige Münz- stätten, gründete elf oder zwölf neue, erwarb fünf bestehende und die Expektanz auf drei weitere hinzu. Einige der älteren Münzen - wie Aachen oder Nürnberg - wurden, um von der Geldwirtschaft Schaden abzuwenden, reformiert, wobei Friedrich bezeichnenderweise den Rat von Kaufleuten einholte. Er entsagte fiskalischen Untugenden (wie rasch aufeinander folgenden Münzverrufungen) zum materiellen Wohle der Untertanen187). Der Kaiser folgte den dynamischen Interessen des Handels, als er die Aachener Münze aus ihrer bisherigen Zuordnung zum Lütticher Münzkreis löste und nach dem Kölner ausrichtete oder die Nürnberger von Würzburger auf Regensburger Schlag umstellte188), ein Vorgang, den umfangreiche Besitzerwerbungen im fraglichen Gebiet begleiteten189). Auch die Angleichung der Egerer Pfennige an die Nürn- berger oder der königlichen Prägungen-in Thüringen aneinander mußte

184) So etwa 1166 für Aachen: DF. I. 503 oder 1182 (? ) für Regensburger Juden: Monu- menta Boica 53 = UB Stadt Regensburg I, S. 12, Nr. 41. 195) Vgl. Friedrichs II. Urkunden für Goslar (wie Anm. 182) und Nürnberg (wie Anm. 162) von 1219. i86) Zum folgenden vgl. KAai', Moneta regis passim u. bes. die Übersicht I, S. 463; auch NAU, Münzen und Geld in der Stauferzeit (wie Anm. 53). 187) Vgl. DF. I. 503 (1166) für Aachen; St. 4341 (1182) für Speyer. Bemerkenswert ist in Aachen der verfassungsrechtliche Aspekt: die Wirtschaftsmaßnahme wurde auf Rat der Kaufleute getroffen; da sie einen Verzicht des Königs auf Einnahmen enthielt, handelte Friedrich in Übereinstimmung mit seiner Kurie. Der Gewinn des Münzherrn aus der Verru- fung scheint beträchtlich gewesen zu sein, Barbarossas Verzicht ist also entsprechend zu werten; vgl. W. IUVE NICK, Münzverrufungen in Westdeutschlandýim 12. u. 13. Jh., in: VSWG 24,1931, S. 129-41. 198) 1220 mußte Friedrich II. dem Bischof von Regensburg und dem Herzog von Bayern zusichern, in Nürnberg und anderswo Münzen nach Regensburger Vorbild zu, prägen: BF 1115; die königliche Konkurrenz war lästig geworden. Entsprechend sicherte im Jahre 1198 Otto IV. dem Kölner Erzbischof zu: ttasquam in imperio debebit cudi moneta ad pondus vel ad formam Coloniensis monete sive ad puritatenz nostra vel alterius auctoritate (BF 200 = LACOMMBrsr I, S. 392, Nr. 562). 189) Gemeint ist das Sulzbacher Erbe, das sich Friedrich I. 1174 sicherte und 1188 tatsächlich erwarb; vgl. VOLLMMER, Territorialpolitik, S. 295 ff.; H. PATZE, Barbarossa und der Osten (wie Anm. 106), S. 382 ff., S. 384 die Karte.

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JoHAh-xFS FRIED

den . überregionalen Handel beleben und war gewiß zu diesem Zwecke durchgeführt worden. Allerdings beschränkten sich alle derartigen Maß-

nahmen stets auf einzelne königliche Münzstätten; es gab keine einheit- liche Reichsmünzpolitik und keinen �Reichspfennig".

Die Verbreitung der zahlreichen verschiedenen Münzsorten zeigt demgemäß auch den seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in ganz Deutschland charakteristi- schen, überwiegend regional gebundenen Umlauf. In diesem Rahmen

aber legten königliche Münzstätten verschiedentlich ein bemerkenswert

offensives Konkurrenzverhalten an den Tag. Aachener und Duisburger Pfennige wetteiferten gezielt und mit Erfolg gegen Kölner; Donauwörths Emissionen verdrängten, wenn auch erst nach Barbarossa, die Augs- burger aus einem fest umgrenzten staufischen Wirtschaftsbereich; Nürn- bergs Münze eroberte sich gegen Regensburg sein natürliches Verkehrs-

gebiet190), die Altenburger Prägungen wurden in Thüringen schlechthin bestimmend. Barbarossas Gründungen erlangten gewöhnlich die

�mone- täre Führung ihrer Verkehrslandschaften" (Kamp)191), was gewiß im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Aktivitäten der Reichsministe-

rialität und der staufischen Städte, Märkte, Kaufleute und Bauern zu sehen ist. Auch wenn Barbarossa kaum den rapiden Aufstieg seiner letzt- lich erfolgreichsten Gründung, der Münze von Schwäbisch Hall, geahnt haben wird - der Siegeszug des Hellers142) als des spätmittelalterlichen, überregionalen Kleingelds gemäß dem Gresham'schen Gesetz193) begann

erst um 1240 -, so zeigt doch das Aachen-Duisburger Beispiel, daß diese münzpolitischen Offensiven wirklich geplant und keineswegs bloßes Zufallsergebnis günstiger Umstände waren. Friedrichs Münzpolitik

ergänzte seine Reichslandpolitik nach der monetären Seite hin; auch sie war Raumerfassung mit wirtschaftlichen Mitteln. Auf den königlichen Einkünften aus den Münzen lag dabei vielleicht nicht einmal stets das Hauptgewicht. Sie waren eher bescheiden und reichten - soweit sich das beurteilen läßt - nicht entfernt an diejenigen aus den führenden bischöf- lichen Prägestätten heran194). Schon 1154 hatte Barbarossa vor den Gewinn des Münzherrn den Usus hominum gestellt; seine Münzpolitik

zielte also in der Tat auf eine Art Volks-Wirtschaft, auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Gewinnchancen des mit Geld wirtschaftenden

190) KAMP, Münzprägung und Münzpolitik (wie Anm. 172). Den Erfolg der Aachener und Duisburger Münze gegen die Kölner spiegelt Heinrichs VI. Privileg für Erzbischof Philipp v. Köln von 1190: BÖHMER-BAAKEN, Nr. 94 = LAcosmLEr I, S. 365, Nr. 524.

191) Münzprägung und Münzpolitik (wie Anm. 172), S. 530. 192) ELISABETH NAU, Haller Pfennige, Württembergisch-Franken 44 (1960), S. 25-62. 193) Das spätere 12. Jh. bedurfte zunächst vor allem erst des

�guten" Geldes, d. h. der

schweren, für den Fernhandel geeigneten Pfennige, der �grossi",

Sterling und Turnosen, vgl. HENRI PIRENNE, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im MA (31974, zit. nach der Taschenbuch-Ausgabe: Uni-Taschenbücher 33), S. 114-5; dabei ändert Pirennes Versehen hinsichtlich des Heller-Wertes nicht die Richtigkeit seiner allgemeinen Beobachtung. 194) KAMP, Moneta regis I, S. 427 ff.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

Volkes195). Zweifellos beachtete Friedrich daneben den propagandisti- schen Effekt, den der Umlauf kaiserlicher Münzen mit sich brachte. Sie zeigten sein Bild, trugen seinen Namen und wurden - wie es im Privileg für Como hieß (1174/76) - geschlagen ad honorem imperii196). Aber das Reich, dessen Ehre die wirtschaftliche Maßnahme steigern sollte, war nicht nur der König mit seinem fiskalischen Nutzen, sondern zugleich und ganz bewußt der königliche Untertan mit seinem �privaten" Wohlstand.

Es ist hier nicht der Ort, detailliert auf die �Straßen- und Verkehrspo-

litik" Friedrichs I. einzugehen, da sie in erster Linie den herrschaftssi- chernden und allgemeinen hoheitlichen Maßnahmen des Kaisers zuzu- weisen ist. Straße und Fluß galten als Regall97). Doch jeder Landesausbau forderte die Anlage neuer Straßen und Wege oder orientierte sich an den vorhandenen; so hat Friedrich Barbarossa die wirtschaftliche Bedeutung des Verkehrswesens kaum übersehen. Die Landfrieden sicherten die Straßennutzung seit alters nicht zuletzt für die Kaufleute198). Den Regal- charakter der Leinpfade entlang des Mains und anderer Flüsse ließ Fried- rich auf Bitten von Kaufleuten feststellen199). Die Begradigung des Nie- derrheins, die Genehmigung oder das Verbot von Dammbauten sollten Arm und Reich zugute kommen, auf daß der Rhein eine �freie und könig- liche Straße" bleibe; auch einen Kölner Stapelzwang für bergfahrende flandrische Kaufleute wollte der Kaiser nicht dulden200). Die von ihm gegründeten Jahrmärkte in Aachen und Duisburg lagen an wichtigen Zufahrtsstraßen von Flandern nach Köln; daß sie den Bürgern der Rhein- metropole ein Pfahl im Fleische waren, lehren die Vorgänge während des staufisch-welfischen Thronstreites201). Die für den Fernhandel so attrak- tive steinerne Brücke bei Regensburg diente dem

�Gemeinen Nutzen" und wurde durch Zoll- und sonstige Freiheiten privilegiert202). Bei Rei- chartsroth gründete der Kaiser ob frequentia viatorum an einer der gerade im Gefolge des Regensburger Brückenbaues (1135) immer stärker fre-

195) DF. I. 67. 196) St. 4559 (= 4180 H) (wohl 1174176), vgl. HERI. 'ENRATH, Reichskanzlei, S. 89. 191) Regalienweistum von Roncaglia 1158: DDF. I. 237-240; zur �Straßenpolitik" vgl. die Lit. oben Anm. 106, bes. VoLL1EER, Territorialpolitik, S. 192; 296 f.; 314 f. u. passim; K. WELLER, Die Reichsstraßen des MA im heutigen Württemberg, in: WürttVjhefteLdG NF. 23,1927, S. 1-43; DERS., Städtegründung (wie Anm. 90) passim; SCHMID, Regensburg, S. 26 ff. 1918) Vgl. etwa Friedrichs Landfrieden von 1179: MGH Const. I, S. 381, Nr. 277 c. 1. 199) DF. I. 165: ripa fluminis que via regia esse dinoscitur. 200) Dammbauten: DF. I. 496 (1165). Stapelzwang: vgl. vor allem KNIPPING II, Nr. 1100 (1178); dazu oben Anm. 170 und H. STEHKÄMPER, England und die Stadt Köln als Wahlma- cher König Ottos IV. (1198), in: Köln, das Reich und Europa (MittStadtarchKöln 60), 1971, S. 213-244, hier S. 225 f. 201) Vgl. Chron. reg. Colon, zu 12(2 (S. 200); BF 200; 226 b; 227 u. ö. 2) St. 4347; vgl. E. MascHKE, Die Brücke im Mittelalter, in: HZ 224,1977, S. 265-92, hier S. 268; 272.

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JOHANNES FRIED

quentierten Fernhandelsstraße ein Hospita1203); weiter im Nordwesten an derselben Nord-Süd-Verbindung erwarb er bei Waldmannshofen einen Berg, der - befestigt - den Straßenknotenpunkt Aub beherrschte204). Das Frauenkloster Kitzingen mußte dem Staufer schon deshalb interes-

sant sein, weil hier die vom Kaiser wie vom Fernhandel oft gezogene Straße Würzburg-Nürnberg den Main überquerte205). Kaiser Friedrich war ja überhaupt bestrebt, wichtige Flußübergänge in seine Hand zu bekommen oder wenigstens Einfluß auf sie zu behalten oder zu erwerben; an Worms oder Speyer, Ulm, Donauwörth oder (seit 1180/1182) Regens- burg braucht in diesem Zusammenhang nur erinnert zu werden. Die ange- führten Beispiele verdeutlichen zur Genüge, wie unberechtigt eine Anschauung wäre, die das politisch-hoheitliche Agieren des Kaisers von seinen wirtschaftlichen Interessen scharf zu trennen versuchte; beide Aspekte wirkten bei Friedrichs Zugriff auf bestehende wie bei Anlage neuer Straßen oder Flußübergänge zusammen. Die notwendige Sicherung des räumlichen Wirkungsbereiches des Königtums mußte so auch den Blick auf reichsweite Wirtschaftszusammenhänge lenken.

An einem weiteren Punkt tritt dieser Zug noch deutlicher hervor: in Friedrichs �Zollpolitik".

Sie bot - soweit sie die Passierzölle betraf - eine Möglichkeit, den wirtschaftlichen Regionalismus der Reichsländer mit dem Überregionalismus des Reiches wenigstens ansatzweise. zu ver- söhnen. Neueinrichtung von königlichen Zollstellen läßt sich unter Fried- rich I. nicht beobachten, was freilich angesichts des Quellenmangels wenig besagt. Immerhin erhob Friedrich in Kaiserswerth nicht einfach einen neuen, sondern verlegte den nur einen Rheinmündungsarm beherr- schenden Tieler Zoll hierher206). Der Ort war geschickt ausgewählt, der gesamte Warenstrom auf dem Rhein passierte die Insel des Hl. Switbert, sie wuchs zur ergiebigsten Rheinzollstelle überhaupt207).

Auch das Gegenteil, eine Politik weitgehender oder genereller Zoll- freiheit auf bestimmten Handelsstraßen, ist nicht nachzuweisen. Friedrich erließ zwar den Marktzoll in Aachen oder auf Bitten der Bürger und aus

�Freigebigkeit" den Brückenzoll bei der berühmten Steinernen Brücke

von Regensburg (1182): �Was zum gemeinen Nutzen bestimmt ist, möge

auch ohne Bedrückung und ohne eines Menschen besondere Besteuerung frei dem gemeinen Nutzen dienen. " Den Unterhalt der Brücke glaubte

203) DF. I. 420; zur Straße: A. ScauLTE, G. d. ma. Handels und Verkehrs zwischen West- deutschland und Italien mit Ausschluß von Venedig I (1900), S. 389; WELLER, Reichsstraßen (wie Anm. 197), S. 2 f.; VOLLMER, Territorialpolitik, S. 179. 204) K. WELLER (Ed. ), Hohenlohisches UB I, S. 9, Nr. 17 (1182). Vgl. H. STooB, Zur Städte- bildung im Lande Hohenlohe, ZBLG 36,1973, S. 522-562, hier S. 559 f. 205) DF. I. 489. Vgl. STOOB (wie Anm. 204) S. 543 f. 206 St. 4168 = Hansisches UB I, S. 15, Nr. 24. 207) Theod. SOMMERLAB, Die Rheinzölle im MA (1894), S. 72-82; zur Kritik an Som- merlad: HERTHA BORCHERS, Beiträge zur rheinischen Wirtschaftsg., in: HessJbLdG 4,1954, S. 64-80, hier S. 64 ff.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

man durch freiwillige Zahlungen gesichert, zu Recht, wie der noch erhal- tene Bau bezeugt20S). Dennoch sparte Barbarossa mit derartigen Zollver- günstigungen2 9); auch personenbezogene Zollprivilegien ergingen nicht eben häufig. Als Friedrich den Bamberger und Amberger Kaufleuten im ganzen Reich dieselben Freiheiten verlieh, wie sie die Nürnberger schon besaßen, unterstrich er ausdrücklich den Privilegcharakter seiner Maß- nahme210); nur für den Eigenbedarf von Mönchen ließ er sich wiederholt herbei, reichsweite Zollfreiheit zu gewähren211). Noch seltener veräußerte er Zölle aus Reichsbesitz; die wenigen Gegenbeispiele verraten deutlich ihren Ausnahmecharaktere=).

Das Recht zur Erhebung von Straßenzoll war - wie Hassinger gezeigt hat213) - an den Besitz der Hochgerichtsbarkeit gebunden; der Graf und der Immunitätsherr durften, wenn sie ihrer Pflicht nachkamen, Zoll erheben. Daran rüttelte auch Barbarossa nicht. Daneben aber scheint er, gestützt auf den Regalcharakter der Flüsse, bestrebt gewesen zu sein, die Errichtung neuer Flußzölle dem Königtum vorzubehalten. Bereits vor dem Ronkalischen Regalienweistum von 1158 hob er aufgrund eines Hof- gerichtsurteils die neuen, vom Reich nicht verliehenen Mainzölle auf (1157)214). Herrschafts- und Wirtschaftsmaßnahmen gingen abermals Hand in Hand. Denn Klage gegen die jetzt verbotenen Zölle hatten die Bürger und Kaufleute Würzburgs erhoben. Graf Floris III. von Holland ließ sich später den neuen Zoll in Geervliet, dessen Höhe auf maximal 5% vom Ladungswert festgesetzt wurde, eigens als Reichslehen übertragen (wohl 1179); nur so besaß er ihn rechtmäßig215). Noch gegen Ende seiner Regierung (1188) zog der Kaiser durchs Wesergebiet, um Burgen zu bre- chen, bei denen die Reisenden beraubt oder von unerlaubten Zollforde- rungen belästigt wurden216). Offenbar war es zur Mode geworden, sine ratione214) Zölle einzuziehen; doch wollte der Kaiser diese Mode nicht dulden.

208) Aachen: wie Anm. 166; Regensburg: wie Anm. 202. 209) Vgl. die (unvollständige) Übersicht bei SOMLSIERLAD, S. 120 ff. 210) DF. I. 396 (1163). 211) DF. I. 41 (1151, zugunsten Floreffes); DF. I. 42 (1152 für Gembloux); St. 4471 (1186, für Gottesthal); St. 4482,4838 (1187, für Kappenberg Zollfreiheit in Kaiserswerth). Im Falle der Zollbefreiung der Abtei St. Bavo in Ghent kam es zur Auseinandersetzung mit der Stadt Köln: vgl. STEIN, Der Streit zwischen Köln und den Flandrern (wie Anm. 170). 212) 1167 an Rainald v. Dassel den Zoll von Andernach (D. 532); nach ARNOLD, Chron. Slav. II, 21 (S. 65), erhielt der Bundesgenosse im Kampf gegen Heinrich d. Löwen, Graf Adolf v. Holstein, die Hälfte der Zolleinnahmen aus Lübeck. 213) H. HASSINGER, Zollwesen und Verkehr in den österreichischen Alpenländern bis um 1300, in: MIÖG 73,1965, S. 292-361. 214) DF. I. 165. Gehandelt wurde mit Leinen und Frankenwein bis England und Dänemark: GOTTFRIED VON V1TERBo, Pantheon, MGH SS XXII, 161,40 f. 215) A. C. F. KocH, Oorkondenbgek van Holland en Zeeland I, S. 382 ff., Nr. 226. = BäH- n1ER-BAAKEN, Nr. 476 (1195). 216) Chron. reg. Colon. zu 1188 (S. 140).

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Joxa. i:: Fs FRIED

Friedrich begnügte sich auch jetzt nicht mit Schutzmaßnahmen; eine Gruppe genoß sichtbar seine besondere Gunst: die Kaufleute der Reichs-

orte. Möglicherweise suchte der Staufer anfangs das Prinzip genereller Zollfreiheit der Bewohner von Reichsorten zu verwirklichen. An den Bischof von Utrecht, an Grafen, Richter, honorati und andere erging bereits 1152 ein allgemein gehaltenes Mandat, das die alte Zoll- und Abgabenfreiheit der Reichsleute von Kaiserswerth zu Lande und zu Wasser einschärfte217). �Weil sie allein uns und einzig zum Reiche

gehörten", wurden die Bürger Duisburgs vom Marktzoll in Utrecht frei-

gesprochen (1165)218) - Bürger, für deren (Transit- )Zollminderung in Mainz sich der Kaiser schon früher verwandt hatte (1155)219). Auch jetzt (1165) betonte Friedrich den Privilegcharakter seiner Maßnahme, und deutete damit eine gewisse rechtliche Unsicherheit in der Behandlung der Zollzahlungspflicht von Reichsleuten an. Sie war 1170 anscheinend besei- tigt, als die Kaufleute der eben gegründeten Reichsstadt Gelnhausen zwei einander ergänzende Privilegien erwirkten. Deren eines gewährte voll- ständige Zollfreiheit an den Reichsortenro), deren anderes Bewegungs- freiheit im ganzen Reich absque omni cuiusquam consuetudinis exactione, also Freiheit von allen sonstigen Verkehrsabgaben und dem Ungeld221). Die generelle Zollfreiheit für Reichsleute im gesamten Reich hatte sich nicht durchsetzen lassen222); tatsächlich zahlten die Duisburger in Koblenz

und Mainz, die Aachener und die den Nürnbergern gleichgestellten Bam- berger in Koblenz223). Statt dessen gewann seit 1170 das eingeschränkte Prinzip der Zollfreiheit der Reichsleute an den Reichsorten an Kontur224). Ausgesprochen wurde es 1184 im Privileg für die Wormser: ut ... equa vicissitudo, intra loca imperio specialiter pertinentia ... inviolata perma- neat225). Friedrich ging also nach anfänglichem Zögern auch in seiner Zoll-

politik wie in der Königsland- und Münzpolitik den Weg der Regionalisie-

rung. Nicht das Reich, sondern die über das Reich verteilten terrae imperii

waren der Wirtschaftsraum des deutschen Königtums. Wollte er darüber

217) DF. I. 85. 218) DF. 1.499 (1165). 219) LACOMBLET I, S. 264, Nr. 382. 220) St. 4119 = Hessisch. UB II, 1, S. 81 f., Nr. 102. 221) St. 4572 (= 4119A) = Hessisch. UB 11,1, S. 82, Nr. 103. Zum Ungeld vgl. NADLE, Ma. Zoll- und Münzrecht (wie Anm. 51), S. 205 ff. 222) Allerdings ist bei Heinrich VI. die unter Friedrich I. gewonnene Unterscheidung wieder verwischt:... ut per totum Imperium transeuntes vel negociantes ab omni theolorlio atque exactione liberi et absoluti permaneant (Hessisch. UB II, 1, S. 90, Nr. 114 für Gelnhausen). 223) Mainz: wie Anm. 214; Koblenz: vgl. den wohl in Barbarossas Zeit gefälschten Zolltarif von 1104 und den echten von 1209: DH. IV. + 487 (1104) und UB z. G. d. Mittelrhein. Ter- ritorien (hg. v. H. BEYER, L. ELTESTER, A. GoERZ) II, S. 280 ff., Nr. 242. 224) Es fehlt merkwürdigerweise für Altenburg: SCHLESINGER, Chemnitz, S. 122 ff.; DERS., Bischofssitze (wie Anm. 110), S. 54-5. 223) St. 4370 = H. BRESsLAu, Diplomata centum (1872), S. 135, Nr. 85. Das Barbarossa- Diplom geht hier über die Vorurkunden (DH. IV. 267 und DH. V. St. 3091) hinaus.

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

hinaus wirken, mußte auch der König mit den jeweils zuständigen Territo- rialfürsten eigene Verträge abschließen. So einte er sich zum Vorteil der Goslarer Bürger (ad station bonuni) mit Herzog Bernhard von Sachsen eigens dahin, daß die Goslarer in Artlenburg, der wichtigsten herzoglich- sächsischen Zollstelle, von jeder Zahlung ledig seien226). Die Reichsver- fassung setzte der Wirtschaftspolitik des Königs Grenzen.

Bei aller Förderung der Kaufleute aus Bischofs- und Reichsland- städten - gegenüber reichsfremden Kaufleuten übte Friedrich (durchaus im Unterschied zu anderen Fürsten seiner Zeit)227) merkliche Zurückhal- tung. Die Flandrer stellte er unter seinen Schutz (1173), die Behinderung ihrer Rheinfahrten wollte er verhindern, Zollfreiheiten aber. erhielten sie anscheinend keine2-3). Ruthenen, Gotländer, Normannen und andere �Ostleute" erwähnte das verfälschte Privileg für Lübeck (1188)229); ihre Zollfreiheit in der Stadt dürften sie bereits Heinrich dem Löwen verdankt haben. Barbarossa schloß die fremden Kaufleute nicht aus, doch rief er sie auch nicht eigens, wie es sein Vetter getan hatte730). Ob und wieweit ein bestimmtes handelspolitisches Konzept derartige Zurückhaltung leitete, läßt sich nicht mehr feststellen; doch ist zu vermuten, daß Friedrich hier wie auch sonst die Initiativen den Kaufleuten selbst überließ. So gewährte er den Pisanern (1162)231) und Venezianern (1177)232) Abgabenfreiheiten per totum imperium, also auch in Deutschland, wobei doch fraglich bleibt, ob es Kaiser und Kommunen damals tatsächlich um eine Ausweitung des transalpinen Aktivhandels italienischer Kaufleute zu tun war; auch läßt

2m) St. 4504 = UB Stadt Goslar I, S. 356 f., Nr. 323 (1188). 2n) Zu denken ist etwa an Heinrich II. von England oder an Heinrich d. Löwen. 228) St. 4146 = Const. I, S. 334 f., Nr. 239. 229) St. 4502. B. Ast ENDE, Studien zur Verf. g Lübecks im 12. u. 13. Jh (Veröff. z. G. d. Freien u. Hansestadt Lübeck B2), 1975, S. 162 f.; H. BOOCKMANN, Barbarossa in Lübeck, in: Zs Ver. Lübeck. G. u. Altertumskunde 61,1981, S. 7-18; J. -M. WÜLFING, Städtische Finanzpolitik im späteren 13. Jh., in: Beiträge zum spätma. Städtewesen, hg. v. B. DIESTEL- KAAtP (Städteforschung A 12), 1982, S. 34-71.

) HELMOLD, Chron. Slav. c. 86 (S. 169); vgl. KARL JoRDAN, Die Städtepolitik Heinrichs d. Löwen. Eine Forschungsbilanz, in: HansGbll 78,1960, S. 1-36, hier S. 15. 231) DF. I. 356. 232) St. 4210 = Const. I S. 376, Nr. 274 c. 10. Dazu SCHAUBE (wie Anm. 66), S. 437 u. 447; W. v. STROsiER, Bemardus Teotonicus und die Geschäftsbeziehungen zwischen den deut- schen Ostalpen und Venedig vor Gründung des Fondaco dei Tedeschi, Grazer Forschungen zur Wirtschafts- u. Sozialg. 3,1978, S. 1-15; DERS., Bern. Teot. e rapporti commerciali tra Ja Germania Meridionale e Venezia prima della istituzione del Fondaco dei Tedeschi, Centro Tedesco di Studi Veneziani, Quaderni 8 (1978); G. RöscH, Die Wirtschaftsbeziehungen der Ostalpenländer zu Venedig am Beginn des 13. Jh. s u. ein Raubzug babenbergischer Ministe- rialen nach Ungarn, in: ZHistVSteierm 1979, S. 71-82 (doch steht in Const. I, S. 376, Nr. 274 c. 10 über den Zolltarif nicht, was Rösch S. 76 f. ihm entnehmen möchte). Auch SCHNYDER, Bündner Pässe 1, S. 14 ff. zitiert erst seit dem 13. Jh. Belege für Italien. Kauf- leute in Deutschland, während deutsche in Italien schon gut im 12. Jh. nachzuweisen sind.

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J0FL1A2rEs FRIED

sich umgekehrt kein besonderes Engagement des Kaisers für deutsche Kaufleute in Italien nachweisen233).

In einer Hinsicht behielt Friedrich trotz des herrschenden Regiona- lismus auch in der Wirtschaftspolitik das gesamte deutsche

�regnum" im Auge. Politisches Kalkül ließ es an sich schon ratsam erscheinen, daß das Königtum soweit wie möglich im gesamten Reich präsent sei. Friedrich suchte sich vor allem gerade an den überregionalen Schwerpunkten des Handels, den geldwirtschaftlichen Zentren des Reiches, festzusetzen. Auch dies war Raumerfassung mit wirtschaftlichen Mitteln. Der Sturz Heinrichs des Löwen brachte dem Königtum kaum territorialen Gewinn, doch sicherte sich der Kaiser - von der Goslar-Frage können wir hier absehen - zwei Perlen: Lübeck und Regensburg234). Auch Bremen war in das Blickfeld des Kaisers getreten. Nehmen wir dazu das Niederrheinge- biet mit Aachen, Duisburg, Nimwegen und Kaiserswerth - diese beiden letzten legte der Kaiser ja noch in seinem langen Bericht vom Kreuzzug seinem Sohn und Nachfolger besonders ans Herz235) -, nehmen wir weiter dazu die nach Osten weisenden thüringischen Reichsländer mit Altenburg im Mittelpunkt, zu dem Eger hinzutrat, ferner Pfalz und Elsaß, die nach Westen und Südwesten wiesen, wohin auch die Neugründung Breisach sich orientieren sollte, nehmen wir schließlich Augsburg und die Bündner Pässe hinzu, die einen Weg nach Süden beherrschten, so offen- bart sich neben dem herrschaftlichen Konzept, das dem Erwerb und Ausbau dieser Länder und Städte zugrunde lag, zugleich ein starker wirt- schaftlicher Effekt, den der Staufer kaum übersehen hat und der in seiner Geschlossenheit überrascht. Barbarossa saß gegen Ende seiner Regierung an den wichtigsten Ausfallstraßen des Fernhandels rings um die Grenzen des Reiches; er hatte aufblühende und zum Teil erst auf seine Veranlas- sung ausgebaute Wirtschafts- und Handelszentren in seiner Hand, und seine die Reichsorte begünstigende Zollpolitik verband die Einzelteile in

233) Der erste Beleg für Venezianer Handel nördlich der Alpen begegnet uns 1232: v. STROMER, Geschäftsbeziehungen (wie Anm. 232), S. 1; DERS., Rapporti (wie Anm. 232), S. 4. Deutlicher hingegen tritt der Handel deutscher Kaufleute hervor; vgl. außer der Lit. in der vorigen A. SCHULTE, Geschichte I, S. 105 ff.; AbL+tANN (wie Anm. 178), bes. S. 278 ff.; SCHNYDER, Bündner Pässe I, S. 118 ff. die Quellen. - Ich möchte den Schlußsatz in Const. I, Nr. 274 c. 10, der die Reisen kaiserlicher Untertanen nach Venedig ei non amplius erlaubt, nicht als Beleg für besondere Förderung deutscher Kaufleute in Italien durch Friedrich Bar- barossa ansprechen. Sein Wortlaut geht weitgehend schon auf die Karolingischen Pacta zurück u. bemerkenswert ist, daß Friedrich wohl Abgabenfreiheit der Venezianer zuge- steht, die Abgabenfreiheit seiner Untertanen aber keineswegs hergestellt werden soll. 234) Zu Regensburg: SCHMID, Regensburg, S. 133 ff.; 181 ff.; 190 f.; OPLL, Itinerar S. 145-6; danach ist SCHLESINGER, Bischofssitze (wie Anm. 110), S. 7 zu korrigieren. K. -O. AMBRONN, Regensburg - die verlorene Hauptstadt, in: Wittelsbach und Bayern II/1. Die Zeit der frühen Herzöge, Beiträge zur Bayer. G. u. Kultur 1180-1350, hg. v. H. GLASER (1980), S. 285-94, hier S. 287 ff., möchte die in den neuen Amtern des Hansgrafen und des Brückenmeisters erkennbare Verfassungsänderung in Regensburg auf Barbarossa zurück- führen. - Zu Lübeck: oben S. 235 mit Anm. 229. 235) St. 4529 (ed. CHROUST, wie Anm. 15), S. 43.

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\Virtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

wirtschaftlichem Sinne untereinander zum erstrebten ökonomischen Vor- teil des Reiches und dem materiellen Wohlstand seiner speziellen Unter- tanen. Das Privileg Friedrichs H. für Nürnberg vom Jahre 1219 läßt erkennen, wie wirksam dieses Konzept war. Die den Nürnbergern damals bestätigten älteren Handelsprivilegien bezogen sich durchweg mit einer Ausnahme (Aschach an der Donau) auf die dem staufischen Königtum verbundenen Orte: Donauwörth, Nördlingen, die Zollfreiheit von Regensburg bis Passau, in Speyer und die weitgehende in Worms236). Auch hier also zeichnete sich ein Konzept zur Raumerfassung mit Wirt- schaftsmaßnahmen ab.

Herrschaftsintensivierung und spezielle Wirtschaftsmaßnahmen wirkten - dies ist deutlich geworden - in Friedrichs Politik eng zusammen237); sie waren zwei Seiten derselben Medaille. Insofern mag man bezweifeln, ob es eine spezifische Wirtschaftspolitik des ersten Staufi- schen Kaisers überhaupt gegeben habe; sie ist sogar entschieden in Abrede zu stellen, wenn man, wie das Herbert Hassinger zu, tun scheint238), den ausgebildeten Staat als Vorbedingung jeglicher, ihren Namen auch verdienender Wirtschaftspolitik betrachtet. Dennoch wurde das wirtschaftlich verstandene Gemeinwohl durchaus unterschieden vom fiskalischen Interesse des Herrschers. Die

�Ökonomie" war zwar gemäß der aristotelisch geprägten Terminologie der Frühscholastik lediglich die dispensatio proprie familie, doch wurde sie im Hinblick auf die Gesamt- heit durch die

�Politik" ersetzt, per quarr totius civitatis utilitas admini- stratur; und diese

�Politik" beschränkte sich keineswegs auf Heerführung und Gerichtsbarkeit239). Auch im Herrschaftsverband des 12. Jahrhun- derts wurde die Sorge um das materielle Wohl des Herrschaftsträgers ergänzt und in gewissem Sinne übertroffen von der Sorge um die wirt- schaftliche Prosperität der Untertanen; ihr durfte sich kein König-ent- ziehen. Sie verlangte vielmehr von ihm am Gemeinwohl orientierte Ein- zelmaßnahmen wie auch, aktiv und gezielt auf wirtschaftliche Strukturver- schiebungen zu reagieren und diese - soweit wie möglich - zu lenken. Derartige Fürsorge darf gleichfalls Wirtschaftspolitik heißen. Barbarossa stellte sich dieser Forderung. Er, war dabei aufs Ganze gesehen mit den

236) BF. 1069. 237) Das hat BÜTTNER (vgl. Anm. 106) allgemein wiederholt herausgestellt; bes. eindrucks- voll sein Hinweis auf Bertholds Zwiefaltener Chronik c. 31 (edd. L. WALLACH, E. KÖNIG, K. O. MÜLLER, S. 238): BÜrrNER, Schwaben und Schweiz, S. 352-3: weil die Mönche aus einem den Weifen gehörenden Wald ihr notwendiges Brennholz bezogen, wählten sie den Welfen zum Klostervogt. 238) Wie Anm. 1. 239) Vgl. die Wissenschaftslehre des Codex Bamberg Patr. 47 (saec. XII), die zu den übli- chen drei praktischen Disziplinen: Ethik, Ökonomik und Politik ausführt. Instruendus est homo

... in dispensatione proprie familie per ec%onornicam, ... Postea in gubernatione

rerum publicarum per politicam. Ipsa enim est, per quarr totius civitatis utilitas administratur. M. GRABMANN, Geschichte der scholastischen Methode II, 1911, S. 37.

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JoHANNEs FRIED

angewandten Mitteln, mit der Behandlung der Reichskirchen und Rega- lien oder im Ausbau der Reichsländer und Städte mehr ein Fortsetzer und Ausgestalter der von seinen Vorgängern bereits geschaffenen Ansätze denn ein Neuerer. Dennoch verliehen sein trotz allem Regionalismus wacher Blick für das gesamte Reich, seine Beharrlichkeit, Systematik und Rigorosität, mit denen er aus den vorgefundenen Ansätzen ein Ganzes schuf, seinem wirtschaftspolitischen Handeln eine eigene Note und Geschlossenheit. Das Ergebnis führte dann auch über das von seinen Vor- gängern Erreichte hinaus. Es gelang Friedrich, die königlichen Finanz- quellen zu mehren und den Wandlungsprozeß der Einnahmearten zu beschleunigen. Das Königtum war unter ihm und seinen Nachfolgern nicht mehr ausschließlich oder ganz überwiegend auf Naturalabgaben und Dienstleistungen angewiesen, es konnte zunehmend auf Geld zurück- greifen und sich auf das Angebot der Märkte verlassen. Kaufmann und Handel, Münze und Zoll, Markt und Stadt genossen denn auch Friedrichs besondere Fürsorge; hier lag der Schwerpunkt der friderizianischen Wirt- schaftspolitik. Materieller Wohlstand der Untertanen, Gewinnsteigerung, Kapitalinvestitionen, Rentabilität und Konkurrenz waren als wirtschaft- liche Prinzipien nicht unbekannt; die Raumbezogenheit der Wirtschaft, die Bedeutung zentraler Einrichtungen für das Aufblühen engerer oder weiterer Wirtschaftsbereiche, die Notwendigkeit eines abgestuften Ver- hältnisses von Fiskalgewinn und Wirtschaftsförderung waren dem Kaiser keine fremden Aspekte. Er achtete auf sie mehr als seine ottonischen und salischen Vorgänger. Freilich, zu einem umfassenden nationalökonomi- schen Wirtschaftssystem war die Summe der �politischen" Einsichten und Maßnahmen nicht gediehen; zahlreiche Aktivitäten waren punktuell und sporadisch und vor allem regional begrenzt, manches in sich widersprüch- lich und unfertig. Aber zielgerichtetes wirtschaftspolitisches Handeln ist dem Staufer gleichwohl nicht abzusprechen. Dabei stützte sich der Kaiser neben Reichsländern und Hausgut mehr auf die Bischofskirchen als auf die Reichsklöster, deren Fähigkeit, sich auf die neuen Wirtschaftsbedin- gungen umzustellen, er offenbar mißtraute. Die wirtschaftlichen Initia- tiven selbst überließ der Rotbart gewöhnlich anderen; die Rodung, Agrar-, Metall- oder Tuchproduktion, auch die Städte verdankten ihren Auftrieb den regionalen und �privaten"

Kräften, denen die Verwirkli- chung oblag, den Grundherren, Ministerialen, Kaufleuten und Bauern. Der unmittelbare Beitrag des Kaisers lag in den notwendigen Herrschafts- akten, der Rechtssetzung, Rechtswahrung und Privilegierung, der Fest- legung wirtschaftspolitischer Schwerpunkte und Stoßrichtungen, der Schaf- fung der für das Florieren von Wirtschaftsgebieten notwendigen allge- meinen Einrichtungen. Doch selbst in der Finanzverwaltung scheint der Kaiser - den wenigen erhaltenen Hinweisen nach zu schließen - seinen Beamten weitgehend freie Hand gelassen, also auch hier auf dem mehr- fach zu beobachtenden wirtschaftlichen Regionalismus beharrt zu haben. Trotz größten Geldbedürfnissen, trotz allen Bemühens um Einnahmestei-

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Wirtschaftspolitik Barbarossas in Deutschland

gerung und größter Finanzaktion scheint Friedrich kein eigenes, etwa dem englischen vergleichbares, das ganze Reich einschließendes, zentrali- siertes Finanzsystem geplant oder einzurichten begonnen zu haben. Das mag verwundern; doch darf nicht übersehen werden, daß Friedrich Herr über das in wirtschaftlicher Hinsicht am weitesten fortgeschrittene und finanzkräftigste Land Europas war, die Lombardei, und daß sie ihren Reichtum nach der

�sozioökonomischen Theorie" eines Zeitgenossen, Ottos von Freising, gerade der Vielzahl ihrer civitates mit ihren territoria und der Heranziehung �unterer

Stände und Handwerker" �zu

höheren Würden" verdankte240), dem Regionalismus also mit seinen regionalen und �privaten"

Initiativträgern. Die herrschaftliche Konsequenz der ita- lienischen Verhältnisse wollte Friedrich in Deutschland vermieden wissen, ihre wirtschaftliche Dynamik aber durfte als vorbildlich gelten. So mögen sich sowohl in Friedrichs Abneigung gegen die Kommunebildung wie in seiner konsequenten Hinwendung zum wirtschaftlichen Regiona- lismus mit Förderung des Handels zwischen den einzelnen Regionen nicht zuletzt die italienischen Erfahrungen des Kaisers widerspiegeln. Ange- deutet hat Friedrich diese zwiespältige Haltung selbst in seinem schon erwähnten Privileg von 1182 für die Stadt der Grenze zwischen dem mit- telalterlichen Deutschland und Italien: Trient241). Es verbot die Einfüh- rung der Konsularverfassung, rechnete aber mit der wirtschaftlichen Dynamik seiner Bewohner.

240) Gesta Friderici II, 14 (13) (ed. WVAIIZ, V. SIMSON, S. 116 = ed. SCHMALE, S. 308-10): Ut etiam ad comprimendos vicinos materia non careant, inferioris conditionis iuvenes vel quos- libet contemptibilium etiam mechanicarum artiunt opifices, quos cetere gentes ab honestioribus et liberioribus studiis tainquam pestem propellunt, ad nnilitie cingulum vel dignitatum gradus assumere non dedignantur. Er quo factum es(, ut ceteris orbis civitatibus divitiis et potentia prentineant. luvantur ad hoc non sohun, ut dictum est, morunt suorttm industria

... - Ein- sichten wirtschaftstheoretischer Natur verdankte das MA also nicht erst der Aristoteles-Re- zeption. 241) Oben S. 206-7 mit Anm. 62 und 63.

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