DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

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DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN „DER WIRTSCHAFTSPRÜFER“ UND „DER WIRTSCHAFTSTREUHÄNDER“ Der Berater der Wirtschaft Betriebswirtschaftliches Archiv und Fachorgan für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen Herausgegeben vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Jahrgang 59 Düsseldorf, 15. August 2006 Nummer 16 Am 18.10.2005 hat das IDW nach intensiv geführ- ter Diskussion eine Neufassung des IDW Stan- dard: Grundsätze zur Durchführung von Unter- nehmensbewertungen (IDW S 1) verabschiedet. Wesentliche Neuerungen dieses Standards im Ver- gleich zu seiner seit dem 28.06.2000 geltenden Vorversion sind die Annahme von Aktien als Alternativanlage, die Verwendung des Tax-CAPM und die Abkehr von der Vollausschüttungshypo- these. Dieser Beitrag gibt für ausgewählte Be- reiche Hinweise für die praktische Umsetzung von IDW S 1 und richtet sich somit an Praktiker, für die die Anwendbarkeit und Kommunizierbarkeit modelltheoretischer Erkenntnisse im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte nach den Regelungen des IDW S 1 im Vorder- grund steht. Gleichzeitig wird auf einige Aspekte der im Rahmen der Einführung des IDW S 1 ge- führten theoretischen Diskussion eingegangen. 1. Überblick über die wesentlichen Neuerungen Grundlage für die Ermittlung von objektivierten Un- ternehmenswerten ist – ausgehend von der HFA Stel- lungnahme 2/1983 5 der IDW Standard IDW S 1 6 , welcher im Jahr 2004 von den Fachgremien des Insti- tuts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) weiterentwickelt wurde. Flankiert wurde die Weiter- 1 PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin, Vorsitzender des Fachausschusses für Unternehmensbe- wertung und Betriebswirtschaft des IDW (FAUB), früher Arbeits- kreis Unternehmensbewertung (AKU). 2 Warth & Klein GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düssel- dorf. 3 Seminar für Rechnungswesen und Prüfung, Ludwig-Maximilians- Universität, München. 4 KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG Wirtschaftsprüfungs- gesellschaft, Berlin. 5 Vgl. HFA Stellungnahme 2/1983: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, WPg 1983, S. 468 – 480. 6 Vgl. zur ersten Fassung: IDW Standard: Grundsätze zur Durchfüh- rung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 a. F.), WPg 2000, S. 825 – 842. entwicklung von Aufsätzen und Fachveranstaltungen, in denen die vorgeschlagenen Neuerungen beschrie- ben und diskutiert wurden. 7 Als Ergebnis resultierte der Entwurf IDW ES 1, welcher am 09.12.2004 vom Hauptfachausschuss (HFA) des IDW verabschiedet und am 30.12.2004 veröffentlicht 8 wurde mit der Bitte an Theorie und Praxis zur Stellungnahme und Diskus- sion. Diese Diskussion wurde intensiv geführt und lässt sich in zahlreichen Publikationen nachverfolgen. 9 7 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, Weiterentwicklung der Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 a. F.), WPg 2004, S. 889 – 898; Jonas/Löffler/Wiese, Das CAPM mit deutscher Einkommensteuer, WPg 2004, S. 898 – 906; Stehle, Die Festlegung der Risikoprämie von Aktien im Rahmen der Schätzung des Wertes von börsennotierten Kapitalgesell- schaften, WPg 2004, S. 906 – 927. 8 Entwurf einer Neufassung des IDW Standards: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW ES 1), Stand: 09.12.2004, WPg 2005, S. 28 ff. 9 Vgl. insbesondere (in alphabetischer Reihenfolge) Beyer/Gaar, Neu- fassung des IDW S 1 „Grundsätze zur Durchführung von Unterneh- mensbewertungen“, FB 2005, S. 240 – 251; Ehrhardt/Nowak, Viel Lärm um Nichts? – Zur (Ir-)Relevanz der Risikoprämie für die Unter- nehmensbewertung im Rahmen von Squeeze-Outs, AG Sonderheft 2005, S. 3 – 8; Gampenrieder, Unternehmensbewertung – Künftig sind niedrigere Ertragswerte zu erwarten, Versicherungswirtschaft 2005, S. 570 – 576; Gebhardt/Daske, Kapitalmarktorientierte Bestimmung von risikofreien Zinssätzen für die Unternehmensbewertung, WPg 2005, S. 649 – 655; Hillmer, Aktuelle Fragen der Unternehmensbewer- tung, FB 2005, S. 423 – 425; Knoll, Wachstum und Ausschüttungsver- halten in der ewigen Rente – Probleme des IDW ES 1 n. F.?, WPg 2005, S. 1220 – 1225; Knoll/Wenger, Unternehmensbewertung – Ist noch weniger noch objektiver?, WiSt 2005, S. 241/257; Knoll, IDW ES 1 n. F. und der Preis der Ästhetik, AG Sonderheft 2005, S. 39 – 41; Kunowski, Änderungen des IDW-Standards zu den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, DStR 2005, S. 569 – 573; Kruschwitz/Löffler, Unternehmensbewertung und Ein- kommensteuer aus der Sicht von Theoretikern und Praktikern, WPg 2005, S. 73 – 79; Peemöller/Beckmann/Meitner, Einsatz eines Nach- steuer-CAPM bei der Bestimmung objektivierter Unternehmenswerte – eine kritische Analyse des IDW ES 1 n. F., BB 2005, S. 90 – 96; Schulz/Stehle, Empirische Untersuchungen zur Frage CAPM vs. Steu- er-CAPM – ein Literaturüberblick mit einer eigenen Untersuchung für Deutschland, AG Sonderheft 2005, S. 22 – 33; Schwetzler, Halbein- künfteverfahren und Ausschüttungsäquivalenz – die „Übertypisie- rung“ der Ertragswertbestimmung, WPg 2005, S. 601 – 617; Schwetz- ler, Ausschüttungsäquivalenz, inflationsbedingtes Wachstum und Nominalrechnung in IDW ES 1 n. F., WPg 2005, S. 1125 – 1129; Wenger, Verzinsungsparameter in der Unternehmensbewertung – Be- trachtungen aus theoretischer und empirischer Sicht, AG Sonderheft 2005, S. 9 – 21; Wiese, Wachstum und Ausschüttungsannahmen im Halbeinkünfteverfahren, WPg 2005, S. 617 – 623. Unternehmensbewertung in der Praxis – Empfehlungen und Hinweise zur Anwendung von IDW S 1 Von WP/StB Wolfgang Wagner, Berlin 1 , WP/StB Dr. Martin Jonas, Düsseldorf 2 , Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Ballwieser, München 3 , und CIIA/CEFA Dr. Andreas Tschöpel, Berlin 4 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1005

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DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNGVEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN „DER WIRTSCHAFTSPRÜFER“ UND „DER WIRTSCHAFTSTREUHÄNDER“

Der Berater der WirtschaftBetriebswirtschaftliches Archiv und Fachorgan für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen

Herausgegeben vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

Jahrgang 59 Düsseldorf, 15. August 2006 Nummer 16

Am 18.10.2005 hat das IDW nach intensiv geführ-ter Diskussion eine Neufassung des IDW Stan-dard: Grundsätze zur Durchführung von Unter-nehmensbewertungen (IDW S 1) verabschiedet. Wesentliche Neuerungen dieses Standards im Ver-gleich zu seiner seit dem 28.06.2000 geltenden Vorversion sind die Annahme von Aktien als Alternativanlage, die Verwendung des Tax-CAPM und die Abkehr von der Vollausschüttungshypo-these. Dieser Beitrag gibt für ausgewählte Be-reiche Hinweise für die praktische Umsetzung von IDW S 1 und richtet sich somit an Praktiker, für die die Anwendbarkeit und Kommunizierbarkeit modelltheoretischer Erkenntnisse im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte nach den Regelungen des IDW S 1 im Vorder-grund steht. Gleichzeitig wird auf einige Aspekte der im Rahmen der Einführung des IDW S 1 ge-führten theoretischen Diskussion eingegangen.

1. Überblick über die wesentlichen NeuerungenGrundlage für die Ermittlung von objektivierten Un-ternehmenswerten ist – ausgehend von der HFA Stel-lungnahme 2/19835 – der IDW Standard IDW S 1 6, welcher im Jahr 2004 von den Fachgremien des Insti-tuts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) weiterentwickelt wurde. Flankiert wurde die Weiter-

1 PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin, Vorsitzender des Fachausschusses für Unternehmensbe-wertung und Betriebswirtschaft des IDW (FAUB), früher Arbeits-kreis Unternehmensbewertung (AKU).

2 Warth & Klein GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düssel-dorf.

3 Seminar für Rechnungswesen und Prüfung, Ludwig-Maximilians-Universität, München.

4 KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG Wirtschaftsprüfungs-gesellschaft, Berlin.

5 Vgl. HFA Stellungnahme 2/1983: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, WPg 1983, S. 468 – 480.

6 Vgl. zur ersten Fassung: IDW Standard: Grundsätze zur Durchfüh-rung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 a. F.), WPg 2000, S. 825 – 842.

entwicklung von Aufsätzen und Fachveranstaltungen, in denen die vorgeschlagenen Neuerungen beschrie-ben und diskutiert wurden.7 Als Ergebnis resultierte der Entwurf IDW ES 1, welcher am 09.12.2004 vom Hauptfachausschuss (HFA) des IDW verabschiedet und am 30.12.2004 veröffent licht8 wurde mit der Bitte an Theorie und Praxis zur Stellungnahme und Diskus-sion. Diese Diskussion wurde intensiv geführt und lässt sich in zahlreichen Publikationen nachverfolgen.9

7 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, Weiterentwicklung der Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 a. F.), WPg 2004, S. 889 – 898; Jonas/Löffler/Wiese, Das CAPM mit deutscher Einkommensteuer, WPg 2004, S. 898 – 906; Stehle, Die Festlegung der Risikoprämie von Aktien im Rahmen der Schätzung des Wertes von börsennotierten Kapitalgesell-schaften, WPg 2004, S. 906 – 927.

8 Entwurf einer Neufassung des IDW Standards: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW ES 1), Stand: 09.12.2004, WPg 2005, S. 28 ff.

9 Vgl. insbesondere (in alphabetischer Reihenfolge) Beyer/Gaar, Neu-fassung des IDW S 1 „Grundsätze zur Durchführung von Unterneh-mensbewertungen“, FB 2005, S. 240 – 251; Ehrhardt/Nowak, Viel Lärm um Nichts? – Zur (Ir-)Relevanz der Risikoprämie für die Unter-nehmensbewertung im Rahmen von Squeeze-Outs, AG Sonderheft 2005, S. 3 – 8; Gampenrieder, Unternehmensbewertung – Künftig sind niedrigere Ertragswerte zu erwarten, Versicherungswirtschaft 2005, S. 570 – 576; Gebhardt/Daske, Kapitalmarktorientierte Bestimmung von risikofreien Zinssätzen für die Unternehmensbewertung, WPg 2005, S. 649 – 655; Hillmer, Aktuelle Fragen der Unternehmensbewer-tung, FB 2005, S. 423 – 425; Knoll, Wachstum und Ausschüttungsver-halten in der ewigen Rente – Probleme des IDW ES 1 n. F.?, WPg 2005, S. 1220 – 1225; Knoll/Wenger, Unternehmensbewertung – Ist noch weniger noch objektiver?, WiSt 2005, S. 241/257; Knoll, IDW ES 1 n. F. und der Preis der Ästhetik, AG Sonderheft 2005, S. 39 – 41; Kunowski, Änderungen des IDW-Standards zu den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, DStR 2005, S. 569 – 573; Kruschwitz/Löffler, Unternehmensbewertung und Ein-kommensteuer aus der Sicht von Theoretikern und Praktikern, WPg 2005, S. 73 – 79; Peemöller/Beckmann/Meitner, Einsatz eines Nach-steuer-CAPM bei der Bestimmung objektivierter Unternehmenswerte – eine kritische Analyse des IDW ES 1 n. F., BB 2005, S. 90 – 96; Schulz/Stehle, Empirische Untersuchungen zur Frage CAPM vs. Steu-er-CAPM – ein Literaturüberblick mit einer eigenen Untersuchung für Deutschland, AG Sonderheft 2005, S. 22 – 33; Schwetzler, Halbein-künfteverfahren und Ausschüttungsäquivalenz – die „Übertypisie-rung“ der Ertragswertbestimmung, WPg 2005, S. 601 – 617; Schwetz-ler, Ausschüttungsäquivalenz, inflationsbedingtes Wachstum und Nominalrechnung in IDW ES 1 n. F., WPg 2005, S. 1125 – 1129; Wenger, Verzinsungsparameter in der Unternehmensbewertung – Be-trachtungen aus theoretischer und empirischer Sicht, AG Sonderheft 2005, S. 9 – 21; Wiese, Wachstum und Ausschüttungsannahmen im Halbeinkünfteverfahren, WPg 2005, S. 617 – 623.

Unternehmensbewertung in der Praxis– Empfehlungen und Hinweise zur Anwendung von IDW S 1 –

Von WP/StB Wolfgang Wagner, Berlin1, WP/StB Dr. Martin Jonas, Düsseldorf 2,Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Ballwieser, München3, und CIIA/CEFA Dr. Andreas Tschöpel, Berlin4

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Nach abschließender Überarbeitung des Entwurfs durch den AKU hat der HFA am 18.10.2005 den über-arbeiteten Standard IDW S 1 verabschiedet.10

Dieser Beitrag gibt für ausgewählte Bereiche Hin-weise für die praktische Umsetzung von IDW S 1. Gleichzeitig wird auf die im Rahmen der Überarbei-tung von IDW S 1 geführten Diskussionen eingegan-gen. In der Diskussion zu wesentlichen Änderungen dieses Standards11 wurden – neben einer grundsätz-lichen Zustimmung – im Wesentlichen zwei Positi-onen eingenommen. Die Praktiker trugen vor, dass die zunehmende Berücksichtigung modelltheore-tischer Erkenntnisse die Anwendbarkeit der fortent-wickelten Bewertungskalküle und die Kommuni-zierbarkeit der Bewertungen zu erschweren drohe. Die Theoretiker wiesen darauf hin, dass einzelne modelltheoretische Erkenntnisse sehr detailliert, an-dere nur pauschal, mit starken Einschränkungen oder gar nicht umgesetzt worden seien. Bevor wir auf einzelne Themen eingehen, wollen wir deshalb kurz auf die Möglichkeiten und Grenzen der Verein-barkeit von modelltheoretischer Konsistenz mit praktischer Anwendbarkeit und Kommunizierbarkeit hinweisen.

Unternehmensbewertungen können als „eine idea-le Symbiose von Theorie und Praxis“12 beschrieben werden. Bei der Übertragung theoretischer Erkennt-nisse und Modelle auf praktische Fragestellungen ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Maßstäbe, die an die Bewertungstheorie angelegt werden, so-wie die Prämissen theoretischer Modelle von den Anforderungen und Gegebenheiten, die in der Praxis an Unternehmensbewertungen gestellt werden, min-destens teilweise unterscheiden. Während für die Ableitung theoretischer Erkenntnisse im Wesent-lichen die Widerspruchsfreiheit des Annahmensys-tems und die logische Geschlossenheit der Kalküle im Vordergrund stehen und Lücken der Theoriebil-dung akzeptiert werden können, muss die praktische Unternehmensbewertung auch dann Ergebnisse er-zielen, wenn letzte widerspruchsfreie theoretische

10 IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmens-bewertungen, Stand: 18.10.2005 (IDW S 1), WPg 2005, S. 1303 ff.

11 Vgl. Beyer/Gaar, FB 2005, S. 251; Gampenrieder, Versicherungs-wirtschaft 2005, S. 576; Gebhardt/Daske, WPg 2005, S. 655; Knoll/Wenger, WiSt 2005, S. 241; Kunowski, DStR 2005, S. 573; Peemöller/Beckmann/Meitner, BB 2005, S. 95 f.

12 Ballwieser, Der Kalkulationszinsfuß in der Unternehmensbewer-tung – Komponenten und Ermittlungsprobleme, WPg 2002, S. 736. Ebenso bezeichnet Siegel Unternehmensbewertungen „[…] sowohl in der Theorie als auch in der Wirtschaftspraxis [als, Verf.] eine der faszinierendsten, aber auch eine der schwierigsten Aufgaben. […] Hier ist das gesamte betriebliche Zusammenwirken und die Inter-dependenz mit anderen unternehmerischen Alternativen zu berück-sichtigen. Künftige Investitions-, Finanzierungs-, Beschaffungs-, Produktions- und Absatzentscheidungen sind gleichermaßen be-troffen; kurz: Das gesamte Programm betriebswirtschaftlicher Fra-gestellungen ist bei der Unternehmensbewertung grundsätzlich zu berücksichtigen.“ Siegel, Das Risikoprofil als Alternative zur Be-rücksichtigung der Unsicherheit in der Unternehmensbewertung, in: Rückle (Hrsg.) Aktuelle Fragen der Finanzwirtschaft und der Unternehmensbesteuerung, FS Loitlsberger, Wien 1991, S. 619.

Begründungen hierzu noch ausstehen. Ferner sind die Reduktion der Komplexität und die Kommuni-zierbarkeit der Ergebnisse gefordert.13 Insbesondere bei der Ermittlung objektivierter Unternehmens-werte, deren Vokabel der Theorie fremd ist,14 tritt als weitere Notwendigkeit die Typisierung der Bewer-tung hinzu. Nicht zuletzt deshalb sind in der Bewer-tungspraxis regelmäßig vereinfachende Prämissen und Lösungsansätze zu verwenden.

„Bewerten heißt vergleichen.“15 Unternehmensbe-wertungen müssen daher Äquivalenzgrundsätzen folgen. Neben die bekannten wesentlichen Grund-sätze der Laufzeit-, Risiko- und Steueräquivalenz tritt im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unter-nehmenswerte der Grundsatz der Ausschüttungs-äquivalenz.16

Zur Abbildung der Laufzeitäquivalenz ist es emp-fehlenswert, bei der Bestimmung des risikolosen Ba-siszinssatzes als Bestandteil des Kapitalisierungszins-satzes die aktuelle Zinsstrukturkurve zu berücksichti-gen.17 Zur Berücksichtigung des bewertungsrele-vanten Risikos wird zur Herstellung der gebotenen Risikoäquivalenz für den typisierten Anteilseigner nunmehr angenommen, dass anstelle einer Alternativ-anlage in risikolose Wertpapiere (z. B. quasisichere Staatsanleihen), welche zur Herstellung der Risiko-äquivalenz in einem zweiten Schritt risikoadjustiert werden müssen, eine Alternativinvestition in risikobe-haftete Unternehmensanteile oder Aktienportfolios erfolgt.18 Da (auch) im Rahmen der Ermittlung objek-tivierter Unternehmenswerte die Nettozuflüsse an die Anteilseigner bewertungsrelevant sind, verlangt IDW S 1 die Berücksichtigung der Einkommensteuer im Bewertungskalkül.19 Als Folge des in Deutschland be-stehenden differenzierenden Steuersystems ist für eine konsistente Abbildung der Besteuerung für die Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes das Tax-CAPM20 besser als das Standard-CAPM geeignet, da ein differenziertes Steuersystem mit den Annahmen des Standard-CAPM grundsätzlich nicht vereinbar

13 Vgl. Kruschwitz/Löffler, WPg 2005, S. 75. 14 Vgl. z. B. Ballwieser, Unternehmensbewertung – Prozess, Metho-

den und Probleme, Stuttgart 2004, S. 9. 15 Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung,

2. Aufl., Wiesbaden 1983, S. 123. 16 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 890. 17 Vgl. IDW S 1, Tz. 127, sowie Abschn. 4.2. dieses Beitrages. 18 Vgl. IDW S 1, Tz. 124. 19 Vgl. IDW S 1, Tz. 37 ff. Die Berücksichtigung persönlicher Ertrag-

steuern bei Unternehmensbewertungen gewinnt auch in der Theo-rie weiterhin an Bedeutung; vgl. Kruschwitz/Löffler, WPg 2005, S. 73; Richter, Kapitalmarktorientierte Unternehmensbewertung, Frankfurt am Main 2002, S. 326 – 330; Canefield, Some Remarks on the Valuation of Firms, The Journal of Valuation 1999, S. 23 – 25; Taggart, Consistent Valuation and Cost of Capital Ex-pressions With Corporate and Personal Taxes, Financial Manage-ment 1991, S. 8 – 20; Sick, Tax-Adjusted Discount Rates, Manage-ment Science 1990, S. 1432 – 1450.

20 Vgl. Brennan, Taxes, Market Valuation and Corporate Financial Policy, National Tax Journal 1970, S. 417 – 427. Zur Erfassung der in Deutschland bestehenden Steuerwirkungen und der Eignung des Tax-CAPM zur Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte vgl. Jonas/Löffler/Wiese, WPg 2004, S. 898 – 906.

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Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

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ist.21 Hierdurch lassen sich der Einfluss von Steuern auf die Risikoprämie22 berücksichtigen und die Steu-eräquivalenz durch eine differenzierte Berücksichti-gung der für die Alternativinvestition maßgeblichen Besteuerungsfolgen herstellen. Da in Deutschland ein wesentlicher Unterschied zwischen der Einkommens-besteuerung von Dividenden und Kursgewinnen be-steht23 und die Dividenden von der Ausschüttungspo-litik des Unternehmens determiniert werden, ist der vierte wesentliche Äquivalenzgrundsatz bei der Er-mittlung objektivierter Unternehmenswerte die Aus-schüttungsäquivalenz24. Während im Rahmen des An-rechnungsverfahrens regelmäßig die Vollausschüttung zur Unternehmenswertmaximierung führte25, trifft dieses Ergebnis im Halbeinkünfteverfahren nicht mehr zu.26 Vor diesem Hintergrund ist die Vollaus-schüttungshypothese zu Gunsten der Annahme eines realitätsnäheren Ausschüttungsverhaltens zu ersetzen.

2. Zeitliche AnwendbarkeitDie Entwurfsfassung IDW ES 1 wurde erst nach in-tensiven und breit geführten Diskussionen am 30.12.2004 veröffentlicht. Weil bereits der Entwurf den Wissens- und Erkenntnisstand der endgültigen Fassung weitestgehend berücksichtigt, ist Berufsan-gehörigen zu empfehlen, die Änderungen des IDW ES 1 bei nach dieser Veröffentlichung durchgeführ-ten Unternehmensbewertungen grundsätzlich zu be-rücksichtigen27.

Der Standard ist grundsätzlich auch auf Bewer-tungsstichtage vor dem 30.12.2004 anzuwenden. Dabei ist zu beachten, dass bestimmte Regelungen der Neufassung des IDW S 1 Ausfluss des Halbein-künfteverfahrens sind und daher nicht gelten, sofern das Halbeinkünfteverfahren zum Bewertungsstich-tag noch nicht vom Gesetzgeber verabschiedet war. Die heutige rechentechnische Umsetzung zur Abbil-dung des Halbeinkünfteverfahrens kann nicht ohne weiteres auf frühere Zeitpunkte übertragen werden,

21 Vgl. Peemöller/Beckmann/Meitner, BB 2005, S. 95. Grundsätzlich zustimmend auch Knoll/Wenger, WiSt 2005, S. 241.

22 Vgl. zur empirischen Untersuchung der Risikoprämie nach Stan-dard-CAPM und Tax-CAPM Stehle, Die Festlegung der Risiko-prämie von Aktien im Rahmen der Schätzung des Wertes von bör-sennotierten Kapitalgesellschaften, WPg 2004, S. 906 – 927, und Stehle/Hausladen, Die Schätzung der US-amerikanischen Risiko-prämie auf Basis der historischen Renditezeitreihe, WPg 2004, S. 928 – 936.

23 Dividenden unterliegen nach dem Halbeinkünfteverfahren zur Hälfte der Einkommensteuer, Kursgewinne sind bei nicht wesent-licher Beteiligung und nach Ablauf der Spekulationsfrist steuerfrei. Die Berücksichtigung der durch die Große Koalition diskutierten Besteuerung von realisierten Kursgewinnen kann ebenfalls im Be-wertungskalkül sachgerecht erfolgen.

24 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 890. 25 Vgl. Laitenberger/Tschöpel, Vollausschüttung und Halbeinkünfte-

verfahren, WPg 2003, S. 1363. 26 Vgl. Laitenberger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1365. 27 Vgl. LG Bremen, AG 2003, S. 214 f.; BVerfG, DB 1999, S. 1693

und S. 1695, Fn. 14; BGH, ZIP 2001, S. 734 und S. 736. Davon abweichend für die Phase des Entwurfsstadiums: BayObLG, Be-schluss vom 28.10.2005 – 3Z BR 71/00, DB 2006, S. 39.

in denen das Anrechnungsverfahren galt. Ist der Be-wertung das Anrechnungsverfahren zugrunde zu le-gen, gilt entsprechend IDW S 1 a. F. die Vollaus-schüttungshypothese, da eine Vollausschüttung der finanziellen Überschüsse vor dem Hintergrund der steuerlichen Diskriminierung von Thesaurierungen im Geltungszeitraum des Anrechnungsverfahrens die ökonomisch sinnvolle Vorgehensweise darstellt28 und die zu dieser Zeit angewandte Bewertungsme-thodik, zuletzt niedergelegt im IDW S 1 a. F., als un-verändert sachgerecht anzusehen ist.29 Entsprechend müssen die Neuerungen in Bezug auf die Normie-rung eines Aktienportfolios als Alternativanlage (an-stelle eines festverzinslichen Wertpapiers) und die Verwendung des Tax-CAPM zur Ableitung von Ri-sikoprämien (anstelle des Standard-CAPM) lediglich bei Unternehmensbewertungen, deren Bewertungs-stichtag in den Geltungsbereich des Halbeinkünfte-verfahrens fällt, berücksichtigt werden.

3. Ermittlung der zu diskontierenden ErgebnisseDie Ausführungen zur Umsetzung der wesentlichen Änderungen des IDW S 1 in die Bewertungspraxis wollen wir durch ein Zahlenbeispiel illustrieren. Hierzu wird angenommen, das Bewertungsobjekt sei eine inländische und unverschuldete30 Kapitalgesell-schaft.31 Der Planungshorizont betrage fünf Jahre. Die Ergebnisse vor Steuern im Planungszeitraum von fünf Jahren sowie das nachhaltig abgeleitete Er-gebnis seien jeweils 100:32

Übersicht 1

Beispiel IDW S 1 Planjahr EwigeRente

1 2 3 4 5Ergebnisvor Steuern 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

Für die Berechnung der Unternehmenssteuern sind zu berücksichtigen:• Effektiver Gewerbesteuersatz sgew 20,0 %33,• Körperschaftsteuersatz skst 25,0 %34.

28 Vgl. Laitenberger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1363. 29 Anzumerken ist, dass bereits nach IDW S 1 i. d. F. vom 28.06.2000

hinsichtlich der Einkommensbestandteile, die bei einer Ausschüt-tung einer faktischen Doppelbesteuerung unterlagen (z. B. auslän-dische Einkünfte/EK01-Zuflüsse), die Vollausschüttungshypothese durchbrochen war. Dies im Ergebnis ebenfalls befürwortend BayObLG, Beschluss vom 28.10.2005 – 3Z BR 71/00, DB 2006, S. 39.

30 Aus Vereinfachungsgründen wird von periodenkonstanten Eigen-kapitalkosten ausgegangen. Die Ergebnisse bleiben bei teilweiser Fremdfinanzierung grundsätzlich gültig, basieren dann jedoch auf einem anderen Beta.

31 Auf Besonderheiten bei der Bewertung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften wird in Kap. 8. eingegangen.

32 Vereinfachend wird angenommen, dass das ausgewiesene Ergebnis vor Steuern identisch mit den Zahlungsmittelüberschüssen ist.

33 Vereinfachend gilt, dass das Ergebnis vor Steuern der Steuerbe-messungsgrundlage entspricht.

34 Aus Vereinfachungsgründen wird auf den Solidaritätszuschlag ver-zichtet.

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Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

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3.1. Ausschüttungsquote undWiederanlageprämisse

Ziel von IDW S 1 ist es, die veränderten steuerlichen Rahmenbedingungen, ihre Auswirkungen in Verbin-dung mit der Ausschüttungspolitik sowie ein reali-tätsnäheres Ausschüttungsverhalten abzubilden, zu-mal die bisherige Vollausschüttungsannahme nun-mehr wertmindernd wirkt. Deshalb ist bei der Er-mittlung des objektivierten Unternehmenswerts von der Ausschüttung derjenigen finanziellen Über-schüsse auszugehen, die nach Berücksichtigung des zum Bewertungsstichtag dokumentierten Unterneh-menskonzepts und rechtlicher Restriktionen (z. B. Bilanzgewinn) zur Ausschüttung zur Verfügung stehen.35

Für die Ermittlung der Ausschüttungsquote in der Detailplanungsphase sind die in den Unternehmens-planungen angesetzten Ausschüttungen und Thesau-rierungen anhand des Unternehmenskonzepts und unter Berücksichtigung der Eigenkapitalausstattung des zu bewertenden Unternehmens, steuerlicher Rah-menbedingungen sowie der Ausschüttungs politik in der Vergangenheit zu plausibilisieren.36 Die Pla-nungsqualität kann im Rahmen der Vergangenheits-analyse durch Plan-Ist-Analysen untersucht werden. Die Detailliertheit der Planungsprämissen hängt i. d. R. von der Unternehmensgröße ab. Insbesondere kann bei der Bewertung großer börsennotierter Kapi-talgesellschaften regelmäßig davon ausgegangen werden, dass dem Gutachter umfängliche, vollständi-ge und konsistente Planungs rechnungen vorgelegt werden. Soweit die Ausschüttungsannahmen plausi-bel sind, ist der Unternehmensplanung zu folgen.37

35 Vgl. IDW S 1, Tz. 45. 36 Vgl. IDW S 1, Tz. 46. 37 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 895.

In vollständigen und konsistenten Unterneh-mensplanungen werden thesaurierte Beträge, hier-durch finanzierte Investitionen und deren Erträge konsistent und nachvollziehbar abgebildet, wie das folgende Beispiel veranschaulicht.38 Erwartet – und durch eine Vergangenheitsanalyse plausibi-lisiert – wird laut Planung eine durchschnittliche Rendite auf das eingesetzte Kapital von rund 8,2 % (nach Unternehmenssteuern und vor Ein-kommensteuer); Anhaltspunkte einer zukünftig wesentlichen Änderung dieser Rendite sind unter Berücksichtigung externer Faktoren (z. B. Expan-sionsmöglichkeiten, Marktentwicklungen) und in-terner Faktoren (z. B. Kostendegressionseffekten) nicht zu erwarten.

In dem skizzierten Beispiel (Übersicht 2) sollen die thesaurierten Beträge in Anlagevermögen investiert werden und hieraus ein wachsendes ausschüttbares Ergebnis resultieren. Das durch Thesaurierungen jährlich wachsende Kapital erwirtschaftet die be-reits in der Vergangenheit erzielte und auch für das Planjahr 1 erwartete Rendite von 8,2 %. Sofern kei-ne Anhaltspunkte für eine zukünftig von der Ver-gangenheitsrendite abweichende Rendite vorliegen, kann die geplante Verzinsung des wachsenden Ka-pitaleinsatzes als plausibel angesehen werden. So-mit kann im Beispielfall die Ausschüttungsquote für Bewertungszwecke aus dem Unternehmens-konzept und der Unternehmensplanung übernom-men werden.

Liegen hingegen zur Ausschüttungspolitik keine konkreten oder plausiblen Planungen vor, sind, wie für viele Bewertungsparameter bei der Ermittlung

38 Hierbei wird unterstellt, dass Abschreibungen auf und Investiti-onen in das Anlagevermögen des jeweiligen Vorjahres identisch sind; das Anlagevermögen erhöht sich hierdurch ausschließlich um die Investitionen aus Thesaurierungen.

1008 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Beispiel IDW S 1 Planjahr1 2 3 4 5

PlanbilanzAnlagevermögen 01.01. 732,1 765,1 799,6 835,6 873,3Anlagevermögen 31.12. 765,1 799,6 835,6 873,3 912,7 davon aus Thesaurierungen 33,0 67,5 103,5 141,2 180,6Eigenkapital 01.01. 732,1 765,1 799,6 835,6 873,3Eigenkapital 31.12. 765,1 799,6 835,6 873,3 912,7 davon Gewinnrücklagen 33,0 67,5 103,5 141,2 180,6Plan-Gewinn- und VerlustrechnungAusschüttbares Ergebnis nach Steuern 60,0 62,7 65,5 68,5 71,6 davon aus Thesaurierungen – 2,7 5,5 8,5 11,6 Thesaurierung 55,0 % 33,0 34,5 36,0 37,7 39,4 Ausschüttung 45,0 % 27,0 28,2 29,5 30,8 32,2 Rendite des eingesetzten Kapitals 8,20 % 8,20 % 8,20 % 8,20 % 8,20 % Rendite des neu investierten Kapitals – 8,20 % 8,20 % 8,20 % 8,20 %

Über sicht 2

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objektivierter Unternehmenswerte gängige Praxis, vereinfachende Annahmen hinsichtlich Ausschüt-tungsquoten und Wiederanlageprämissen zu treffen. Es sind die tatsächlichen Verwendungsmöglichkeiten der thesaurierten Beträge (z. B. hinsichtlich Expansi-onsmöglichkeiten oder Beteiligungserwerben, Rück-zahlung von Fremdmitteln) zu analysieren und konsistent zu berücksichtigen. Die künftige Aus-schüttungsquote ist in diesen Fällen unter Be-rücksichtigung der Eigenkapitalausstattung des zu bewertenden Unternehmens, steuerlicher Rahmen-bedin gungen sowie der vergangenen Investitions- und Ausschüttungspolitik zu prognostizieren. Hilfs-weise kommt der pauschale Ansatz einer einheit-lichen Ausschüttungsquote für Planungszeitraum und ewige Rente in Betracht.39

Zur Ermittlung der Ausschüttungsquote in der ewigen Rente wird grundsätzlich typisierend ange-nommen, dass die Ausschüttungspolitik des zu be-wertenden Unternehmens äquivalent zum Ausschüt-tungsverhalten der in der Alternativanlage erfassten Unternehmen (Aktienportfolio) ist, sofern nicht Besonderheiten der Branche, Kapitalstruktur oder rechtliche Rahmenbedingungen dem entgegen stehen.40 Die in IDW S 1 postulierte Ausschüttungs-äquivalenz41 ist vor dem Hintergrund der Anforde-rungen an die Bestimmung von objektivierten Un-ternehmenswerten zu sehen. Die Orientierung am Aus schüttungsverhalten der Alternativinvestition trägt zur intersubjektiven Nachprüfbarkeit bei.

Die Ausschüttungsquote für den Prognosezeit-raum der ewigen Rente ist deshalb unter Rückgriff auf Marktausschüttungsquoten am Aktienmarkt ab-zuleiten. In Abhängigkeit vom zugrunde gelegten Marktindex liegen plausible Ausschüttungsquoten zwischen 40 % und 60 %. So ergibt sich für einen Referenzzeitraum von 1988 – 2003 eine durch-schnittliche Ausschüttungsquote von 51,2 % für den DAX.42 Weitergehende branchen- oder unterneh-mensbedingte Besonderheiten werden in der Be-wertungspraxis häufig durch die Orientierung der Ausschüttungsquote an einer Peer Group berück-sichtigt.

Neben der Analyse einer Peer Group kann es für die Bestimmung der Ausschüttungsquote weiterhin sachgerecht sein, das Unternehmenskonzept und weitere Prämissen, z. B. die zukünftige Wachs-tumsstrategie, zu berücksichtigen. Hierbei ist jedoch abzuwägen, ob solchen individuellen Faktoren nicht vielmehr durch die Verlängerung des Planungszeit-raumes, also mittels einer expliziten Abbildung in der Ergebnisprognose in späteren Planjahren, Rech-

39 Vgl. IDW S 1, Tz. 47; Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 895.

40 Vgl. IDW S 1, Tz. 47. 41 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 890. 42 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 894.

nung getragen werden sollte. Im Rahmen der Pla-nungsplausibilisierung ist neben der größen-, lebens-zyklus- oder branchentypischen Ausschüttungspoli-tik auch die hiermit verbundene typische Kapital-struktur heranzuziehen. Hierbei ist denkbar, dass zur Abbildung eines eingeschwungenen Zustandes in der Phase der ewigen Rente ein branchenuntypisch hoher Fremdkapitalbestand innerhalb der Detail-planungsphase auf ein branchentypisches Niveau zurückgeführt wird. (Branchen-)untypisch hohe Liquiditätsbestände sind den Anteilseignern als Son-derwerte zuzurechnen. Denkbar ist in diesem Fall die einkommensteuerfreie Auskehrung der liquiden Mittel durch Kapitalherabsetzung oder Aktienrück-käufe.

Im Bewertungskalkül sollte bei aus Marktverglei-chen ermittelten Ausschüttungsquoten typisierend die kapitalwertneutrale Anlage der thesaurierten Beträge zum Kapitalisierungszinssatz vor Unter-nehmenssteuern angesetzt werden.43 Durch den An-satz einer aus Marktvergleichen abgeleiteten The-saurierungsquote in der ewigen Rente bzw. (bei fehlender plausibel geplanter Auschüttungspolitik) in der Planungsphase soll (lediglich) der Steuervor-teil einer markt- bzw. branchenüblichen Thesaurie-rung in den objektivierten Unternehmenswert ein-bezogen werden. Für die Anlage dieser thesaurier-ten Mittel können im Bewertungskalkül weder Überrenditen noch eine nachhaltige Vernichtung von Shareholder Value sinnvoll unterstellt werden. Vielmehr ist unter Gesichtspunkten der objekti-vierten Bewertung und des Going-Concern die An-nahme sachgerecht, dass in der Phase der ewigen Rente die Wiederanlage thesaurierter Beträge kapi-talwertneutral erfolgt, d. h. dass genau die Kapital-kosten verdient werden.44

Die Bestimmung der Ausschüttungsquote durch den neutralen Gutachter erfordert die gleiche Sorg-falt wie die Bestimmung der bisher schon relevanten Bewertungsparameter. Eine hieraus resultierende Forderung nach der Rückkehr zur Vollausschüt-tungshypothese ist nicht sachgerecht, muss doch ab-schließend konstatiert werden, dass eine vom realen Ausschüttungsverhalten des zu bewertenden Unter-nehmens abweichende fiktive Vollausschüttung un-ter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des aktuellen Steuerrechts zu einer vollständigen ein-kommensteuerlichen Belastung der dem Anteilseig-

43 Vgl. IDW S 1, Tz. 47; Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 895; Laitenberger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1362, Fn. 30. Diese Annahme war implizit bereits in der in IDW S 1 a. F. veran-kerten Vollausschüttungsannahme enthalten, unterstellte doch die fiktive Vollausschüttung von in der Realität tatsächlich thesaurier-ten Erträgen ebenfalls die Kapitalwertneutralität. Zur Bestimmung der kapitalwertneutralen Wiederanlagerendite vgl. Anhang I.

44 Vgl. Laitenberger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1362, Fn. 30. Zur Kritik einer „Übertypisierung“ bei der Ermittlung objektivierter Unter-nehmenswerte – vgl. Schwetzler, WPg 2005, S. 601 – 617 – verwei-sen wir auf Kap. 6.

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1009

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Page 6: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

ner zufließenden Erträge und somit zu einer syste-matischen Unterbewertung führen würde.45

Das folgende Beispiel zeigt die Auswirkungen von Thesaurierungen und eine Möglichkeit der Darstellung im Gutachten auf. Hierbei sei ange-nommen, dass die Unternehmensplanung keine konkreten Angaben zur Ausschüttungsplanung enthält. Durch den Gutachter wurde durch Ge-spräche mit dem Management und unter Be-rücksichtigung von Unternehmenskonzept und Ausschüttungsverhalten des zu bewertenden Un-ternehmens sowie anhand einer Peer Group eine zu erwartende Ausschüttungsquote von 45,0 % er-mittelt. In der Vergangenheit ist es der Unterneh-

mung regelmäßig gelungen, mittels der thesaurier-ten Beträge Investitionen zu tätigen, die die Kapi-talkosten verdienten.46 Anhaltspunkte für eine zu-künftig andere Unternehmensentwicklung liegen nicht vor.

Unter Berücksichtigung der o. g. Unternehmens-steuersätze47, eines typisierten Einkommensteuer-satzes von 35,0 %48 sowie der folgenden weiteren Bewertungsparameter• Basiszinssatz rf 4,0 %49,• Risikozuschlag gemäß Tax-CAPM rz 5,5 %50,

45 Insbesondere im Rahmen aktienrechtlich motivierter Unterneh-mensbewertungen stellt der objektivierte Wert nach IDW S 1 den von der Rechtsprechung zur Entschädigung des ausscheidenden Aktionärs geforderten vollen Wert dar, der der Verrentung zur Be-stimmung des angemessenen Ausgleichs zugrunde zu legen ist. Auch vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme einer kapital-wertneutralen Thesaurierung sachgerecht, da hierdurch gesichert wird, dass durch eine willkürliche Thesaurierung und nicht kapital-wertneutrale geringere Wiederanlage der an die Minderheitsaktio-näre zu zahlende angemessene Ausgleich geringer ausfällt als bei einer fiktiven Vollausschüttung.

46 Zur analytischen Ermittlung der geforderten Kapitalkosten verwei-sen wir auf unsere Ausführungen in Anhang I.

47 Vgl. Kap. 3. 48 Zur Ermittlung des typisierten Einkommensteuersatzes verweisen

wir auf Abschn. 3.3. 49 Zur Ermittlung des Basiszinssatzes verweisen wir auf Abschn. 4.2. 50 Zur Ermittlung des Risikozuschlages verweisen wir auf

Abschn. 4.3.

• Betafaktor β 0,951,• Ausschüttungsquote q 45,0 %

ermittelt sich• ein Kapitalisierungszinssatz nach Einkommensteuer rj

nSt von 7,6 % (7,6 % = 4,0 % • (1 – 35 %) + 5,5 % • 0,9),

• eine Dividendenrendite dj von 3,7 % (3,7 % = 45 % • 7,6 % / (1 – 45 % • 35 % / 2)),

• ein Kapitalisierungszinssatz vor Einkommensteuer rjvSt von

8,2 % (8,2 % = 7,6 % + 3,7 % • 35 % / 2) und• eine kapitalwertneutrale Wiederanlagerendite vor allen

Ertragssteuern rw von 13,7 % (13,7 % = 8,2 % / ((1 – 20 %) • (1 – 25 %))).52

Übersicht 3 beginnt mit der Ergebnisreihe vor Steu-ern in konstanter Höhe von 100, die sich bei Voll-ausschüttung ergeben würde:

Vom ausschüttbaren Ergebnis des ersten Planjahres werden gemäß der ermittelten Ausschüttungsquote von 45,0 % (27 GE53) ausgeschüttet und 55,0 % (33 GE) thesauriert. Während sich in vollständigen Unternehmensplanungen die Erträge aus durch The-saurierungen finanzierten Investitionen regelmäßig im Ergebnis vor Steuern niederschlagen, werden im Beispiel aus didaktischen Gründen die Erträge aus Thesaurierungen in einer separaten Zeile abgebildet, und zwar als Produkt von Wiederanlagerendite rw und kumulierter Thesaurierung des Vorjahres.54 Als Ergebnis resultiert ein wachsender Nettozufluss-strom an die Anteilseigner.

Das prognostizierte Ausschüttungsverhalten des zu bewertenden Unternehmens führt zu einer reali-tätsnahen Abbildung und zu einer sachgerechten Be-rücksichtigung der Finanzierungspolitik des Bewer-tungsobjekts. Die Ergebnisbeiträge der thesaurierten Beträge der Detailplanungsphase werden im Ge-samtergebnis vor Steuern erfasst. Ihre nachhaltige

51 Zur Ermittlung des Betafaktors und zur Verwendung im Tax-CAPM vgl. Abschn. 4.4.

52 Vgl. zur formalen Herleitung Anhang I. 53 GE = Geldeinheiten. 54 4,5 = 33,0 • 13,7 %; 9,2 = 67,5 • 13,7 %; etc.

1010 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Beispiel IDW S 1 Planjahr Ewige Rente1 2 3 4 5

Ergebnis vor Steuern 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0Ergebnis aus Thesaurierung 0,0 4,5 9,2 14,1 19,3 24,7Gesamtergebnis vor Steuern 100,0 104,5 109,2 114,1 119,3 124,7 Gewerbesteuer 20,0 % – 20,0 – 20,9 – 21,8 – 22,8 – 23,9 – 24,9 Körperschaftsteuer 25,0 % – 20,0 – 20,9 – 21,8 – 22,8 – 23,9 – 24,9Ausschüttbares Ergebnis 60,0 62,7 65,5 68,5 71,6 74,8 Thesaurierung laufendes Jahr 33,0 34,5 36,0 37,7 39,4 41,1 Thesaurierung kumuliert zum 31.12. 33,0 67,5 103,5 141,2 180,6 221,7 Ausschüttungsquote 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 %Ausschüttung Anteilseigner 27,0 28,2 29,5 30,8 32,2 33,7 Typisierte Einkommensteuer 17,5 % – 4,7 – 4,9 – 5,2 – 5,4 – 5,6 – 5,9Nettozufluss Anteilseigner 22,3 23,3 24,3 25,4 26,6 27,8

Über sicht 3

Page 7: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

Berücksichtigung in der Phase der ewigen Rente si-chert die vollständige Berücksichtigung der thesau-rierten Beträge der Planungsphase in den zukünftig den Anteilseignern zufließenden Ausschüttungen. In Übersicht 3 sind jedoch die Wertbeiträge aus der Thesaurierung in der ewigen Rente noch nicht be-rücksichtigt. Die unterschiedlichen Möglichkeiten für ihre Abbildung und zur Ableitung der zu diskon-tierenden Größe werden im nächsten Abschnitt dar-gestellt.

3.2. Berücksichtigung unterschiedlicherZuflusspolitiken

Es stellt sich die Frage, wie die nicht auszuschütten-den Beträge jenseits des Planungshorizontes erfasst werden können. Dabei sind grundsätzlich zwei un-terschiedliche Vorgehensweisen denkbar, denen man theoretisch jeweils eine Zuflusspolitik zuordnen kann: Zum einen können diese Mittel investiert wer-den und so weiteres Wachstum generieren, das zu-künftig zu höheren Ausschüttungen führt. Zum an-deren können diese Mittel, insbesondere bei man-gelnden Investitionsmöglichkeiten, den Anteilseig-nern im Detailplanungszeitraum sowie in der ewigen Rente direkt zugerechnet werden und dazu verwen-det werden, Kapital zurückzuführen.55 Da die nach-

haltige Wiederanlage grundsätzlich kapitalwertneu-tral zu berücksichtigen ist, führen beide Vorgehens-weisen zu demselben Unternehmenswert und sind somit grundsätzlich als äquivalent anzusehen.

3.2.1. Thesaurierungsbedingtes Wachstum und Wertbeitrag aus Thesaurierung

Die kapitalwertneutrale Wiederanlage der thesaurier-ten Beträge führt gegenüber der Ausschüttung zur Entlastung dieser Beträge von der persönlichen Ein-kommensteuer der Anteilseigner in der betrachteten

55 In den hier vorgestellten Beispielberechnungen wird vereinfachend auf eine explizite Abbildung der unterstellten Zuflusspolitik in einer Planbilanz verzichtet. In der praktischen Umsetzung sind die Finanzierungswirkungen von Ausschüttungen und der Wiederan-lage thesaurierter Mittel konsistent in aufeinander abgestimmten Plan-Bilanzen, Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Fi-nanzplanungen zu erfassen; vgl. auch IDW S 1, Tz. 29.

Periode. Zur Umsetzung des nach wie vor maßgeb-lichen Zuflussprinzips für die Berücksichtigung der thesaurierten Beträge wird im Bewertungskalkül oft die Annahme einer steuerfreien Kursgewinnrealisati-on oder steuerfreier Aktienrückkäufe getroffen. Diese Annahmen werden vereinzelt dahin gehend kritisiert, dass ein nachhaltiger Aktienrückkauf bzw. eine nach-haltige Veräußerung zur Realisation steuerfreier Kursgewinne in der Praxis nicht umsetzbar sei.56 Wir wollen daher auf die Wirkung thesaurierter Beträge auf die zukünftigen Ausschüttungen eingehen und Möglichkeiten für den Zufluss der thesaurierten Be-träge zu den Anteilseignern in Abhängigkeit von der vom zu bewertenden Unternehmen bzw. von den An-teilseignern geplanten Zuflusspolitik aufzeigen. Ins-besondere wird dargestellt, dass die Abkehr von der Vollausschüttungshypothese nicht zu einer Durchbre-chung des Zuflussprinzips führt.

Das obige Beispiel hat gezeigt, dass aus der fort-laufenden Thesaurierung ein nachhaltig wachsender Nettozuflussstrom an die Anteilseigner resultiert. Dieses thesaurierungsbedingte Wachstum der Ergeb-nisse kann in der ewigen Rente mittels eines Wachs-tumsabschlages im Kapitalisierungszinssatz berück-sichtigt werden.57 Gehen wir erneut von den Daten in Übersicht 3 aus, so gilt (Übersicht 4):

Die Bestimmung des thesaurierungsbedingten Wachstumsabschlags w folgt dem Zusammenhang zwischen Wachstum, Wiederanlagerendite und Aus-schüttungsquote; er beträgt w = rj

vSt (1 – q) = 8,2 % • (1 – 0,45) = 4,5 %.58 In das Bewertungskalkül gehen folglich ledig lich wachsende Zahlungsströme ein, die auf mit Thesaurierungen finanzierte Inve sti tio nen zu-rückzuführen sind.59 Zur Begründung dieses Wachs-

56 So wurden auf zahlreichen Hauptversammlungen im Jahr 2005 die nachhaltige Unterstellung steuerfreier Aktienrückkäufe aufgrund der begrenzten Anzahl von Aktien oder die steuerfreie Kursrealisa-tion wegen der hiermit verbundenen Beendigung des Engagements, was unvereinbar mit dem Kalkül der ewigen Rente ist, kritisiert.

57 Vgl. Gampenrieder, Versicherungswirtschaft 2005, S. 574; Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 895.

58 Vgl. Laitenberger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1365; siehe auch Anhang II.

59 Dieses Wachstum ist von anderem Wachstum zu unterscheiden; vgl. Kap. 6.

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1011

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Beispiel IDW S 1 Planjahr EwigeRente1 2 3 4 5

Ausschüttbares Ergebnis 60,0 62,7 65,5 68,5 71,6 74,8

Thesaurierung laufendes Jahr 33,0 34,5 36,0 37,7 39,4 41,1 Thesaurierung kumuliert zum 31.12. 33,0 67,5 103,5 141,2 180,6 221,7 Ausschüttungsquote 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 %Ausschüttung Anteilseigner 27,0 28,2 29,5 30,8 32,2 33,7 Typisierte Einkommensteuer 17,5 % – 4,7 – 4,9 – 5,2 – 5,4 – 5,6 – 5,9Nettozufluss Anteilseigner 22,3 23,3 24,3 25,4 26,6 27,8 Wachstum 4,5 % 4,5 % 4,5 % 4,5 % 4,5 %

Über sicht 4

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tums sind Annahmen über steuer frei e Aktienrückkäu-fe oder Kursgewinne nicht erforderlich. Wertbestim-mend ist nicht die mög liche Steuerfreiheit von Zu-flussbestandteilen beim Anteilseigner, wie sie in einem nach fol genden Beispiel beschrieben wird, sondern die Tatsache, dass durch die Thesaurierung von nicht mit Einkommensteuer belasteten Gewinn-bestandteilen und deren Anlage zum Ka pi ta li sie-rungszinssatz vor Unternehmenssteuern zusätzlicher Unternehmens wert gegenüber einer Vollausschüttung und sofortigen Einkommensteuerbelastung der Divi-denden generiert wird. Die Werter höhung resultiert alleine daraus, dass die Zahlung persönlicher Ertrag-steuern in die Zukunft verschoben wird. Dieser Ef-fekt wächst mit der Thesaurierungsrate.60

Alternativ zum thesaurierungsbedingten Wachs-tumsabschlag im Nenner – dem Kapitalisierungs-zinssatz der ewigen Rente – kann das thesaurie-rungsbedingte Wachstum auch im Zähler des Bewer-tungskalküls – im ausschüttbaren Ergebnis – abge-bildet werden.61 Übersicht 5 zeigt die hierzu nötigen Bestandteile der zu diskontierenden Größen.

Die zu diskontierende Größe ergibt sich aus dem ver-steuerten Nettozufluss an die Anteilseigner und dem unversteuerten Wertbeitrag aus Thesaurierung, der dem Thesaurierungsbetrag in der Spalte „ewige Ren-te“ entspricht.62 Der Wertbeitrag aus Thesaurierung entspricht dem Barwert zu Beginn der ewigen Rente der zukünftigen Zahlungen, die den Anteils eignern zusätzlich durch die Investition des Thesaurierungs-betrages zu den Kapitalkosten zufließen.

3.2.2. Steuerfreier AktienrückkaufAlternativ zur Abbildung einer kapitalwertneutralen Reinvestition der thesaurierten Beträge können die

60 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 895, und Laitenberger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1365. Konsequenterweise müsste aus diesem Kalkül Vollthesaurierung folgen. Zur Literatur, warum Unternehmen dennoch Dividenden zahlen; vgl. Laitenber-ger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1359, Fn. 21, sowie S. 1365 ff., m.w.N.

61 Vgl. bereits das Beispiel bei Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 898, Übersicht 4.

62 Vgl. Anhang III zur Identität des Wertbeitrages aus Thesaurierung und des Thesaurierungsbetrages der Spalte „Ewige Rente“.

Thesaurierungsbeträge dem Anteilseigner im Detail-planungszeitraum und in der ewigen Rente direkt zugerechnet werden. In der jüngeren Vergangenheit waren vermehrt Aktienrückkaufsprogramme zu beobachten, so dass diese Möglichkeit des Kapital-zuflusses an die Anteilseigner als normaler Be-standteil der Finanzierungspolitik von Aktiengesell-schaften betrachtet werden kann. Verfolgt das zu be-wertende Unternehmen eine Politik der Zahlungs-überschussauskehrung mittels Aktienrückkäufen, lässt sich zeigen, dass statt durch Thesaurierung auch durch steuerfreien Aktienrückkauf63 Wert gene-riert werden kann. Das zeigt das Beispiel in Über-sicht 6 (s. Seite 1013).64

Übersicht 6 sieht anstelle der Thesaurierung von Gewinnen ihre gleichwertige Auskehrung mittels steuerfreien Aktienrückkaufes vor. Mangels Thesau-rierungen wächst das ausschüttbare Ergebnis nicht. Es wird entsprechend der Ausschüttungsquote an die Anteilseigner ausgeschüttet und mit Einkommen-steuer belastet. Der nicht durch Dividenden ausge-schüttete Anteil des ausschüttbaren Ergebnisses wird

im Zuge eines Aktienrückkaufes an die Anteilseig-ner steuerfrei ausgekehrt. Hierzu wird eine Aktien-anzahl benötigt, die sich als Quotient aus dem aus-zukehrenden Betrag und dem Kurswert der Aktie nach Dividendenzahlung ermittelt. Diese Vorgehens-weise wiederholt sich in den Folgejahren. Infolge der sinkenden Anzahl von emittierten Aktien steigt bei konstantem Unternehmenswert der Wert je Aktie um genau den im obigen Beispiel ermittelten Wachs-tumsfaktor von 4,5 %. Die Anzahl der ausstehenden Aktien konvergiert in einem Unendlichkeitskalkül theoretisch gegen Null, in der Praxis könnte sie je-doch durch Aktiensplits regelmäßig wieder erhöht werden. Als Ergebnis lässt sich ein konstanter (steu-erfreier) Zahlungsstrom an die Anteilseigner gene-

63 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 897. 64 Die Ergebnisidentität beider Darstellungen kann durch die von der

Großen Koalition geplante Besteuerung von realisierten Kursge-winnen beseitigt werden. Insofern könnten die das Zuflussprinzip flankierenden Prämissen eine noch stärkere Bedeutung gewinnen.

1012 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Beispiel IDW S 1 Planjahr Ewige Rente1 2 3 4 5

Ausschüttbares Ergebnis 60,0 62,7 65,5 68,5 71,6 74,8 Thesaurierung laufendes Jahr 33,0 34,5 36,0 37,7 39,4 41,1 Thesaurierung kumuliert zum 31.12. 33,0 67,5 103,5 141,2 180,6 221,7 Ausschüttungsquote 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 %Ausschüttung Anteilseigner 27,0 28,2 29,5 30,8 32,2 33,7 Typisierte Einkommensteuer 17,5 % – 4,7 – 4,9 – 5,2 – 5,4 – 5,6 – 5,9Nettozufluss Anteilseigner 22,3 23,3 24,3 25,4 26,6 27,8Wertbeitrag aus Thesaurierung 41,1Zu diskontierende Größe 22,3 23,3 24,3 25,4 26,6 68,9

Über sicht 5

Page 9: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

rieren. Gegenüber Thesaurierung und Wiederanlage ist ein nachhaltiger Aktienrückkauf anzunehmen. Denkbar ist jedoch auch eine Kombination beider Varianten, die der Realität möglicherweise am nächsten kommt. Unabhängig von der Vorgehens-weise führen alle Möglichkeiten zu identischen Er-gebnissen, was in Kap. 5. gezeigt wird.

3.3. Typisierte persönliche ErtragsteuernDie zur Ermittlung der Nettozuflüsse beim Unter-nehmenseigner notwendige Einbeziehung einer ty-pisierten Steuerbelastung auf die Ausschüttungen dient zugleich dazu, dem möglichen unterschied-lichen Umfang und Zeitpunkt von Steuerzahlungen gegenüber der Vergleichsinvestition Rechnung zu tragen. Bei der Ermittlung objektivierter Unterneh-menswerte ist ein typisierter Steuersatz zu verwen-den, der für Deutschland in Höhe von 35 %65 als

65 Der typisierte Steuersatz von 35 % wurde ursprünglich in Anleh-nung an die durchschnittliche Belastung der Einkünfte überwiegend aus Gewerbebetrieb und überwiegend aus Kapitalvermögen, wie sie aus Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 1995 für das Jahr 1989 erkennbar sind, festgesetzt. Darin beträgt die Durchschnittsbelastung für Einkünfte überwiegend aus Gewer-bebetrieb 34,8 % und diejenige für Einkünfte überwiegend aus Ka-pitalvermögen 38,0 %. Grundlage der Daten sind rd. 23 Mio. Steu-erpflichtige (vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern, Fachserie 14, Reihe 7.1, Einkommensteuer 1989, Stuttgart 1995; vgl. hierzu auch Ballwieser, Stand und Entwicklung der Un-ternehmensbewertung in Deutschland, in: Egger (Hrsg.), Unterneh-mensbewertung – quo vadis, Wien 1999, S. 25 f.). Bei der Einkom-mensteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes handelt es sich um eine Sekundärstatistik, d. h. die Finanzbehörden stellen für die Steuerstatistik Daten zur Verfügung, die im Rahmen des Steuerver-anlagungs- und Steuerfestsetzungsverfahrens anfallen. Die Einkom-mensteuerstatistik wird seit 1965 jedoch nur in einem Dreijahres-turnus erstellt und erscheint erst mit einem zeitlichen Abstand zum relevanten Veranlagungsjahr von mindestens vier Jahren.

vertretbar angesehen werden kann. Auf diese Wei-se wird eine Typisierung vorgenommen, der die Verhältnisse eines im Inland ansässigen unbe-schränkt steuer pflichtigen Unternehmenseigners und bei Kapitalgesellschaften eines Anteilseigners, der die Unternehmensanteile im Privatvermögen hält, zugrunde liegen. Durch die Einbeziehung der typisierten Steuerbelastung wird vermieden, dass der objektivierte Unternehmenswert aufgrund un-terschiedlicher individueller Verhältnisse der Un-ternehmenseigner von individuell verschiedenen Steuersätzen abhängig gemacht wird. Eine zusätz-liche Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer scheidet bei dieser Typisie-rung aus.66

Für Unternehmensbewertungen ist grundsätz-lich die Grenzsteuerbelastung maßgeblich. Sie er-gibt sich durch Anwendung des Grenzsteuersatzes auf die steuerliche Bemessungsgrundlage. Trotz in der Vergangenheit abgesenkter Steuersätze ist davon auszugehen, dass keine wesentliche Netto-entlastung der Steuerzahler erfolgt ist, da vor dem Hintergrund der Aufkommensneutralität auch die Steuerbemessungsgrundlagen angepasst wurden. Daher ist es vertretbar, im Rahmen der objekti-vierten Unternehmensbewertung und aufgrund der Notwendigkeit einer vereinfachten Abbildung der Einkommensteuer67 weiterhin einen typisier-

66 Vgl. IDW S 1, Tz. 53. 67 Vgl. Kruschwitz/Löffler, WPg 2005, S. 73; Wagner/Rümmele, Er-

tragsteuern in der Unternehmensbewertung – Zum Einfluss von Steuerrechtsänderungen, WPg 1995, S. 433 ff.

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1013

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Beispiel IDW S 1 Planjahr1 2 3 4 5

Steuerfreier AktienrückkaufAnzahl der Aktien 01.01. 1 000,0 956,9 915,6 876,1 838,3Unternehmenswert 01.01. 732,1 732,1 732,1 732,1 732,1Ausschüttbares Ergebnis 60,0 60,0 60,0 60,0 60,0Unternehmenswert 31.12. vor Ausschüttung und Aktienrückkauf 792,1 792,1 792,1 792,1 792,1Ausschüttung Dividenden 27,0 27,0 27,0 27,0 27,0Unternehmenswert nach Ausschüttung vor Rückkauf 31.12. 765,1 765,1 765,1 765,1 765,1Wert je Aktie vor Rückkauf 31.12. 0,77 0,80 0,84 0,87 0,91Anzahl zurückgekaufter Aktien 43,1 41,3 39,5 37,8 36,2Anzahl der Aktien 31.12. nach Rückkauf 956,9 915,6 876,1 838,3 802,2Ausschüttung durch Aktienrückkauf 33,0 33,0 33,0 33,0 33,0Unternehmenswert nach Rückkauf 31.12. 732,1 732,1 732,1 732,1 732,1Wert je Aktie nach Rückkauf 31.12. 0,77 0,80 0,84 0,87 0,91 Wachstum 4,5 % 4,5 % 4,5 % 4,5 %Zufluss Dividenden nach Einkommensteuer 22,3 22,3 22,3 22,3 22,3Zufluss durch Aktienrückkauf 33,0 33,0 33,0 33,0 33,0Summe Zufluss Aktionäre 55,3 55,3 55,3 55,3 55,3Steuerersparnis gegenüber Vollausschüttung 5,8 5,8 5,8 5,8 5,8 in % des ausschüttbaren Ergebnisses 9,6 % 9,6 % 9,6 % 9,6 % 9,6 %

Über sicht 6

Page 10: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

ten Einkommensteuersatz von 35 % zu ver-wenden.68

Übersicht 7 zeigt zudem, dass im Rahmen des obigen Beispiels die Variation des Einkommensteu-ersatzes innerhalb einer realistischen Bandbreite zwischen 25 % und 42 % nur einen geringen Einfluss auf den Wert des Unternehmens ausübt.69

Einkommensteuersatz 25 % 35 % 42 %Ausschüttbares Ergebnis 60,0 60,0 60,0 Ausschüttungsquote 45,0 % 45,0 % 45,0 %Ausschüttung Anteilseigner 27,0 27,0 27,0 Typisierte Einkommen-

steuer – 3,4 – 4,7 – 5,7Nettozufluss Anteilseigner 23,6 22,3 21,3Wertbeitrag ausThesaurierung 33,0 33,0 33,0Zu diskontierende Größe 56,6 55,3 54,3Kalkulationszinssatz 8,0 % 7,6 % 7,3 %Ertragswert 712,3 732,1 747,3Abweichung – 2,7 % 2,1 %

Über sicht 7

4. Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes

4.1. GrundsätzlichesAufbauend auf dem Äquivalenzgedanken der Bewer-tung ist ein Kapitalisierungszinssatz zu ermitteln, der eine zum Bewertungsobjekt äquivalente Alternativ-rendite darstellt. Die in Kap. 2. dargestellten Äquiva-lenzgrundsätze beziehen sich auf die drei Dimen-sionen des abzuzinsenden Zahlungsstromes, d. h. sei-ne Unsicherheit, seine Breite und seine zeitliche Struktur.70 Die Unsicherheit des Zahlungsstroms wird durch das bewertungsrelevante Risiko abgebildet, die Breite durch sein zukünftiges Wachstum und die Kürzung um Steuern, die zeitliche Struktur durch die

68 Bei Betrachtung aktueller Einkommensteuerstatistiken erscheinen die 35% weiterhin als vertretbar. Nach den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2005 für das Jahr 1998 (sowie aus dem Jahr 1999 für das Jahr 1995) beträgt die Durch-schnittsbelastung für Einkünfte überwiegend aus Gewerbebetrieb 34,8 % (1998) bzw. 31,5 % (1995) und für Einkünfte überwiegend aus Kapitalvermögen 38,8 % (1998) bzw. 36,8 % (1995). Grundla-ge der Daten sind rund 29 Mio. (1998) bzw. 23 Mio. (1995) Steu-erpflichtige (vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern, Fachserie 14, Reihe 7.1, Einkommensteuer 1998, Wiesba-den 2005, sowie Einkommensteuer 1995, Stuttgart 1999). Die ak-tuellste Erhebung für das Veranlagungsjahr 2001 wurde im März 2006 veröffentlicht; vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern, Fachserie 14, Reihe 7.1, Einkommensteuer 2001, Wiesbaden 2006. Hier wird allerdings nicht zwischen der Einkom-mensteuerbelastung der verschiedenen Einkommensarten differen-ziert. Die durchschnittliche Gesamtsteuerbelastung hat sich im Vergleich zu den vorherigen Veröffentlichungen jedoch nicht wesentlich verändert. Zu einem aktuellen Ländervergleich von Einkommensteuertarifen vgl. Endres, Steuerstandort Deutschland im Vergleich, WPg Sonderheft 2006, S. S 4.

69 Zu Voraussetzungen, unter denen die Einkommensteuer keinen Einfluss auf die ermittelten Unternehmenswerte hat; vgl. Laas, Einkommensteuerwirkungen bei der Unternehmensbewertung, WPg 2006, S. 290 ff.

70 Vgl. die Übersicht bei Pfaff/Pfeiffer/Gathge, Unternehmensbewer-tung und Zustands-Grenzpreismodelle, BFuP 2002, S. 199.

Lebensdauer des Unternehmens und den zeitlichen Anfall der abzuzinsenden Ergebnisse.71

Als äquivalente Alternativanlagen postuliert IDW S 1 Unternehmensanteile und deren künftige Rendi-ten.72 Als Ausgangspunkt für solche Renditen sind an Kapitalmärkten empirisch gemessene Renditen für Unternehmensanteile heranzuziehen.73 Da IDW S 1 ebenso wie IDW S 1 a. F. einer Nach-Steuer-Rechnung folgt,74 ist zu berücksichtigen, dass die zur Diskontierung herangezogenen Kapitalisierungs-zinssätze ebenfalls Nach-Steuer-Renditen darstellen. Gemäß dem zur Erklärung von Renditen aus Unter-nehmensanteilen in einer Welt mit Steuern zu ver-wendenden Kapitalmarktmodell Tax-CAPM75 setzt sich die gesuchte Nettorendite der Aktie der Gesell-schaft j, rj

nSt, bei investorenunspezifischen Steuersät-zen zusammen aus dem risikolosen Basiszinssatz rf, der Marktrisikoprämie rz, dem das unternehmensin-dividuelle Risiko abbildenden Betafaktor βj und dem typisierten Ertragsteuersatz der Anteilseigner:

jZfnStj rrestr )1( .

Die Marktrisikoprämie rz ergibt sich als Differenz aus der Marktrendite nach typisierter Ertragsteuer

2estdrr M

vStM

nStM

76 und dem versteuerten risikolosen Basiszinssatz rf (1 – est), so dass für die Nettorendite der Gesellschaft j gilt:

jfMvSt

MfnStj estrestdrrestr ))1(

2()1( .

Diese Größen des theoretischen Kapitalmarktmo-dells müssen für die Zukunft prognostiziert werden, wobei die Prognose grundsätzlich auf empirisch ge-messenen historischen Größen oder auf beobacht-baren Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer (z. B. Nullkuponstruktur kurven oder Analystenschät-zungen) aufbauen kann.77

Die nachfolgenden Abschnitte gehen auf die Ablei-tung des risikolosen Basiszinssatzes und der Marktri-sikoprämie ein. Zudem wird knapp auf den Betafaktor im Standard-CAPM und im Tax-CAPM eingegangen.

71 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 890. 72 Vgl. IDW S 1, Tz. 124. 73 Vgl. IDW S 1, Tz. 125. 74 Vgl. IDW S 1, Tz. 37. Nach Steuer bedeutet hierbei nach persönli-

chen Ertragsteuern. 75 Vgl. Brennan, Taxes, National Tax Journal 1970, S. 417 – 427. Zur

Übertragung der in Deutschland bestehenden Besteuerungswir-kungen und den zusätzlich zu treffenden Prämissen zur Eignung des Tax-CAPM im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unter-nehmenswerte vgl. Jonas/Löffler/Wiese, WPg 2004, S. 898 – 906. Zur Anwendung des Tax-CAPM bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte vgl. Stehle, WPg 2004, S. 914 ff., sowie Wag-ner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 896 ff. Die Verwen-dung der weit verbreiteten Standard-Version des CAPM ist für Länder mit wenig verzerrenden Steuersystemen oder aus Verein-fachungsgründen möglich.

76 Die Marktrisikoprämie nach Steuern, rMnSt, setzt sich zusammen aus

der Marktrisikoprämie vor Steuern, rMvSt, gekürzt um die Steuerlast

auf die Dividendenrendite des Marktes, .2

estdM 77 Vgl. Gebhardt/Daske, WPg 2005, S. 649.

1014 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

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4.2. Bestimmung des BasiszinssatzesEs entspricht bereits vor Neufassung des IDW S 1 üblicher Bewertungspraxis, den risikolosen Basis-zinssatz zukunftsbezogen und laufzeitäquivalent zum Bewertungsobjekt zu ermitteln.78 Der Basiszinssatz wird dabei als einheitlicher, über alle Perioden an-wendbarer Zinssatz verstanden. Vor Neufassung des IDW S 1 wurde zur Prognose des risikolosen Zins-satzes im ersten Schritt auf die zum Bewertungs-stichtag erzielbaren Renditen öffentlicher Anleihen mit zehnjähriger oder längerer Laufzeit abgestellt. Für den darüber hinausgehenden Zeitraum war, we-gen der Diskontierung der im Regelfall unendlichen Zahlungsreihe, eine Wiederanlageprämisse zu tref-fen. Der Zinssatz für die Wiederanlage wurde übli-cherweise aus der über lange Vergangenheitszeiträu-me beobachtbaren durchschnittlichen Rendite von risikolosen Anleihen mit langer Laufzeit abgeleitet. Die Ergebnisse der Phasenbetrachtungen wurden un-ter dem Gesichtspunkt der Barwertäquivalenz in den einheitlichen Basiszinssatz überführt.79, 80

Beide Grundelemente dieser Vorgehensweise, ein-heitlicher Basiszinssatz und an den Renditen der Ver-gangenheit ausgerichtete Wiederanlageprämisse, stan-den vor Neufassung des IDW S 1 a. F. in der Kritik.81 Hierzu wurde im Kern vorgetragen, dass für die öko-

78 Vgl. IDW (Hrsg.), WP-Handbuch 2002, 12. Aufl., Bd. II, Tz. A 292 ff.

79 Vgl. Ballwieser, Zum risikolosen Zins für die Unternehmens-bewertung, in: Richter/Schüler/Schwetzler (Hrsg.), Kapitalge-beransprüche, Marktwertorientierung und Unternehmenswert, FS Drukarczyk, München 2003, S. 24 und 33.

80 Vgl. zur Analyse der bisherigen Bewertungspraxis Jonas/Wieland-Blöse/Schiffarth, Basiszinssatz in der Unternehmens bewertung, FB 2005, S. 653 ff.

81 Vgl. Knoll/Deininger, Der Basiszins der Unternehmensbewertung zwischen theoretisch Wünschenswertem und praktisch Mach-barem, ZBB 2004, S. 372; Drukarczyk, Unternehmensbewertung, 4. Aufl., München 2003, S. 356 ff.; Schwetzler, ZfB 1996, S. 1096; Gebhardt/Daske, WPg 2005, S. 651; Wenger, Der unerwünscht niedrige Basiszins als Störfaktor bei der Ausbootung von Minder-heiten, in: Richter u. a. (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 79), S. 484 ff.

nomisch exakte Lösung die konkrete Zahlungsreihe mit periodenspezifischen Zinssätzen zu diskontieren sei und dass zur Zinsprognose anstelle von Vergangen-heitsdaten ausschließlich zukunftsorientierte Kapital-marktdaten Verwendung finden sollten. IDW S 1 trägt dem mit der Empfehlung Rechnung, als Wiederanla-geprämisse die Zinsstrukturkurve heranzuziehen.82 Die Methodik der Verwendung eines über alle Perioden einheitlichen Basiszinssatzes bleibt davon unberührt.

Die Ermittlung des einheitlichen Basiszinssatzes auf der Grundlage einer Zinsstrukturkurve wurde vom FAUB des IDW konkretisiert.83 Um den Anfor-derungen an intersubjektive Nachprüfbarkeit zu ge-nügen, empfiehlt das IDW, auf die Methodik der Deutschen Bundesbank84, d. h. auf die nach der Svensson-Methode85 geschätzte Zinsstrukturkurve für hypothetische Zerobonds, zurückzugreifen.86

Die auf Basis der Svensson-Methode ermittelte Funktion der über einen Dreimonatszeitraum be-rechneten durchschnittlichen Zerobondrenditen zum 31.12.2005 ist in Übersicht 8 für den Zeitraum von 30 Jahren abgebildet.87 Die empfohlene Verwendung von Durchschnittszinssätzen über einen Drei mo nats-zeitraum vor dem Bewertungsstichtag dient zur Glättung kurzfristiger Marktschwankungen und Reduktion möglicher Schätzfehler.

Die im Wege der Regression geschätzte Funktion erlaubt eine Extrapolation der Zinssätze für (unend-liche) Zeiträume, für die keine Kapitalmarktdaten zur Verfügung stehen.

82 Vgl. IDW S 1, Tz. 127. 83 Vgl. FN-IDW 2005, S. 555 f. 84 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Schätzung von Zinsstruktur-

kurven, Monatsbericht Oktober 1997. 85 Vgl. Svensson, Estimating and Interpreting Forward Interest Rates,

IWF Working Paper 114, September 1994; Dahlquist/Svensson, Estimating the Term Structure of Interest Rates for Monetary Policy Analysis, Scand. Journal of Economics 1996, S. 163 – 183.

86 Vgl. z. B. Drukarczyk, a.a.O. (Fn. 81), S. 352. 87 Vgl. zur Herleitung Anhang IV.

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1015

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

2,20

2,40

2,60

2,80

3,00

3,20

3,40

3,60

3,80

4,00

4,20

1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29

Restlaufzeit in Jahren

%

Über sicht 8

Page 12: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

Übersicht 9 zeigt die geschätzte durchschnittliche Zinsstrukturkurve zum 31.12.2005 auf Basis der Svensson-Methode und unter Verwendung eines Re-ferenzzeitraumes vom 01.10.2005 bis 30.12.2005:

Über sicht 9

t % t % t % 1 2,49 11 3,49 21 3,83 2 2,67 12 3,54 22 3,85 3 2,80 13 3,59 23 3,87 4 2,92 14 3,63 24 3,88 5 3,03 15 3,67 25 3,90 6 3,13 16 3,70 26 3,91 7 3,22 17 3,73 27 3,93 8 3,30 18 3,76 28 3,94 9 3,37 19 3,78 29 3,9510 3,43 20 3,81 30 3,96

Für eine gegebene zu diskontierende Zahlungsreihe lässt sich mit den periodenspezifischen Zinssätzen der Barwert ermitteln und barwertäquivalent ein über alle Perioden einheitlicher Zinssatz ableiten.88 Das IDW legt seiner Berechnung beispielhaft eine Zahlungsreihe mit einer konstanten Wachstumsrate von 1 % p. a. zugrunde. Das Ergebnis der Berech-nung wird für den Ansatz des einheitlichen Basis-zinssatzes auf 0,25 %-Punkte gerundet.89

Im Hinblick auf eine theoretisch exakte und mög-lichst genaue Lösung könnte der einheitliche Basis-zinssatz im einzelnen Bewertungsfall ausgehend von der im Regelfall nicht konstant wachsenden Zah-lungsreihe der Detailplanungsphase und der gegebe-nenfalls vom Berechnungsbeispiel abweichenden Annahme zum nachhaltigen Wachstum in der Phase der ewigen Rente abzuleiten sein. Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, ob die vom IDW ge-wählte um 1 % wachsende Zahlungsreihe generell als typisierte Annahme zur Ableitung des Basiszins-satzes verwendet werden kann.90 Übersicht 10 gibt beispielhaft barwertäquivalente ermittelte Zinssätze in Abhängigkeit vom angenommenen Wachstum der zukünftigen Erträge unter Verwendung obiger Zins-strukturdaten wieder.

Über sicht 10

Wachstumsrate Zinssatz 0,0 % 3,95 % 1,0 % 4,02 % 1,5 % 4,06 %

88 Vgl. dazu detailliert: Jonas/Wieland-Blöse/Schiffarth, FB 2005, S. 653 ff.

89 Diese Rundung ist in der Berechnung des FAUB, FN-IDW 2005, S. 555 ff., nahe gelegt. Sie ist auch methodisch begründbar; vgl. Jonas/Wieland-Blöse/Schiffarth, FB 2005, S. 653 ff.

90 Das IDW verwendet in seiner Beispielrechnung eine Wachstums-rate von 1 %, wie sie auch in der Praxis häufig zur Anwendung kommt.

Die anhand von Übersicht 10 gezeigten Verände-rungen des Zinssatzes legen die Schlussfolgerung na-he, dass der potenzielle Ergebniseffekt aus einer typi-sierend z. B. mit 1 % angesetzten nachhaltigen Wachs-tumsrate für die Schätzgröße Basiszinssatz tendenziell als niedrig einzuschätzen ist. Beispielrechnungen zei-gen, dass der Ergebniseinfluss aus Abweichungen im meist drei- oder fünfjährigen Detailplanungszeitraum bei ansonsten identischer nachhaltiger Wachstumsprä-misse noch geringer einzuschätzen ist.

Die Verwendung eines barwertäquivalenten ein-heitlichen Zinssatzes, der unter der Annahme einer typisierten Wachstumsrate von 1 % ermittelt wird, ist daher in den meisten Fällen der Bewertungspraxis sinnvoll und angemessen. Weist das konkrete Be-wertungsobjekt hingegen von dieser Typisierung stark abweichende nachhaltige Wachstumsraten auf, kann es erforderlich sein, den barwertäquivalenten einheitlichen Basiszinssatz mit den konkret ge-planten Wachstumsraten zu ermitteln.

Auf Basis der beschriebenen Vorgehensweise und bei Rundung auf glatte 0,25 Prozentpunkte91 ergibt sich auf Basis der typisierten Wachstumsrate von 1 % ein risikoloser Basiszinssatz für den Bewer-tungsstichtag 31.12.2005 von 4,00 %.

Der Vorteil der zukünftig zu verwendenden, auf der Svensson-Methode aufbauenden Vorgehensweise liegt in ihrem hohen Grad der Objektivierung und der Zukunftsorientierung, da sowohl die Berech-nungsmethodik als auch das zu verwendende empi-rische Datenmaterial aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen.

4.3. Bestimmung der MarktrisikoprämieDie frühere Annahme einer risikolosen festverzins-lichen Anlage als Alternativinvestition zur Investi-tion in ein Unternehmen stellt eine vereinfachende Annahme dar und ist aus risikotheoretischer Sicht kritisiert worden.92 Realistischer ist die Annahme, dass ein Investor in Unternehmensanteile als Alter-nativanlage andere Unternehmensanteile mit ver-gleichbarer Risikostruktur ins Kalkül zieht. Dies gilt insbesondere für Verkaufssituationen oder aktien-rechtliche Unternehmensbewertungsanlässe, z. B. Squeeze-Out-Verfahren, haben doch die betroffenen Anteilseigner hier bereits in das zu bewertende Un-ternehmen investiert.93

Für die Bewertungspraxis ist der Übergang auf die Alternativinvestition in Aktien eine der wesentlichen Neuerungen des IDW S 1. In Vorbereitung dieses

91 Diese Rundung ist in der Berechnung des FAUB, FN-IDW 2005, S. 555 ff., empfohlen. Sie ist auch methodisch begründbar; vgl. Jonas/Wieland-Blöse/Schiffarth, FB 2005, S. 653 ff.

92 Vgl. Laitenberger/Bahr, Die Bedeutung der Einkommensteuer bei der Unternehmensbewertung, FB 2002, S. 703; Tschöpel, Risiko-berücksichtigung bei Grenzpreisbestimmungen im Rahmen der Unternehmensbewertung, Lohmar/Köln 2004, S. 245.

93 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 891.

1016 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Page 13: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

Schritts war zunächst zu entscheiden, welche grund-sätzliche Methodik zur Prognose der Renditen für Unternehmensbeteiligungen im Rahmen von objekti-vierten Unternehmensbewertungen anzuwenden ist.

Die Schätzung zukünftiger Risikoprämien erfolgt in der internationalen Bewertungspraxis überwiegend unter Rückgriff auf kapitalmarktheoretische Modelle und empirische Daten. Grundsätzlich sind auch Me-thoden denkbar, die die gesuchten Risikoprämien aus stärker zukunftsorientierten und am Kapitalmarkt er-hebbaren Daten und Schätzungen abzuleiten suchen.94 Hierbei erfolgt ein Rückgriff auf Erwartungen von Fi-nanzanalysten. Deren Gewinnprog nosen werden mit Ausschüttungsprognosen und einem Bewertungsmo-dell verknüpft. Man sucht sodann den Zinsfuß, mit dessen Hilfe beobachtbare Aktienkurse erklärt werden können. Die stärkere Gewichtung zukünftiger Ent-wicklungen auf der Basis individueller Erwartungen ist grundsätzlich positiv zu bewerten, hat jedoch auch entscheidende Nachteile, welche insbesondere bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte rele-vant sind. So kann kritisch angeführt werden, dass die von Analysten verwendeten Modelle zur Vereinheitli-chung und Komplexitätsreduktion bei der Verarbei-tung öffentlich zugänglicher Informationen für eine große Anzahl von Unternehmen regelmäßig stark ver-einfachende Prämissen setzen und dass Datenqualität und Methodik darunter leiden. Dies gilt insbesondere für Zwecke einer Langfristbetrachtung, wie sie der Unternehmensbewertung zugrunde liegt. So gehen Analysten eher von kurzfristigen Ereignissen und Er-wartungen auf Basis externer Daten aus und verwen-den zur Schätzung von Entwicklungen in der weiteren Zukunft regelmäßig vereinfachend Marktmultiplika-toren und Veränderungsraten.

Diese Vorgehensweise unterscheidet sich grund-sätzlich von einer objektivierten Unternehmensbe-wertung, die Wirtschaftsprüfer auf der Basis der de-taillierten Analyse der Unternehmensplanung, der Vergangenheitsdaten, weiteren unternehmensinter-nen Unterlagen und Auskünften des Managements durchführen. Dabei gewinnt der Wirtschaftsprüfer neben der unternehmensindividuellen Ergebnisprog-nose (Renditeerwartung) auch unternehmensspezi-fische Informationen zu dem mit diesen prognosti-zierten Ergebnissen verbundenen Risiken- und Chancenprofil. Außerdem reagieren die Schätzungen für die Kapitalkosten oder die Marktrisikoprämie relativ sensibel auf Änderungen des Prognosemo-

94 Vgl. Daske/Gebhardt/Klein, Estimating the Expected Cost of Equi-ty Capital Using Analysts’ Consensus Forecasts, SBR 2006, S. 2 ff.; kritisch hierzu Ballwieser, Die Ermittlung impliziter Eigenkapitalkosten aus Gewinnschätzungen und Aktienkursen – Ansatz und Probleme, in: Schneider u. a. (Hrsg.), Kritisches zu Rechnungslegung und Unternehmens besteuerung, FS Siegel, Ber-lin 2005, S. 321 ff.; Daske/Wiesenbach, Praktische Probleme der zukunftsorientierten Schätzung von Eigenkapitalkosten am deut-schen Kapitalmarkt, FB 2005, S. 407 – 419; sowie Stehle, WPg 2004, S. 918.

dells.95 Zudem unterstellen die Modelle die Identität von Marktkapitalisierung und Unternehmenswert. Diese Gründe sprechen gegen die Schätzung der Marktrisikoprämie für Zwecke der Unternehmens-bewertung nach dieser Methodik.

Für die Bestimmung der Marktrisikoprämie aus-gehend von historischen Kapitalmarktdaten spricht u. a. der Umstand, dass in Spruchstellenverfahren zunehmend Bezug auf Kapitalmarktdaten genom-men wird. Da die vorliegenden Kapitalmarktstu-dien96 für Zwecke der Unternehmensbewertung wichtige Annahmen und Parameter nicht berück-sichtigten, hat Stehle eine wissenschaftliche Studie zur Ableitung der Marktrisikoprämie auf der Grund-lage der vorhandenen Kapitalmarktdatenbasis für Deutschland erstellt, die – anders als bereits vor-liegende Studien – die z. B. auch für Zwecke der Unternehmensbewertungspraxis relevanten Nach-steuerrenditen einschließlich der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Kurs- und Dividenden-renditen sowie das Tax-CAPM berücksichtigt. Die Ergebnisse der Untersuchung von Stehle wurden mit weiteren Begleitaufsätzen veröffentlicht.97

Bei der Auswertung historischer Daten zur Be-stimmung der Marktrisikoprämie sind viele Fragen zu entscheiden. Sie beziehen sich auf die Messung des Basiszinses, das Renditeintervall, den das Markt-portfolio repräsentierenden Index, den Auswertungs-zeitraum und insbesondere auch die Art der Mittel-wertbildung. Die Frage, welcher Mittelwert verwen-det werden sollte, ist in der Literatur umstritten und Gegenstand intensiv geführter Diskussionen. Im Folgenden geben wir einen kurzen Überblick über diese noch nicht abschließend geführte theoretische Diskussion, um anschließend vor diesem Hinter-grund eine konkrete Empfehlung für die im Rahmen der Unternehmensbewertung in der Praxis zu ver-wendende Marktrisikoprämie zu geben.

Für die Mittelwertbildung kommen das geome-trische und das arithmetische Mittel in Frage, wobei das arithmetische Mittel bei Renditeschwankungen immer größer als das geometrische Mittel ist. Dabei ist zu beachten, dass die Eignung der verwendeten Durchschnittsgröße u. a. davon abhängt, ob empi-risch geschätzte Renditen für die Ermittlung von Endwerten (Aufzinsen) oder von Barwerten (Abzin-sen) verwendet werden.98

Sichtet man Arbeiten zur Finanz- und Un-ternehmensbewertungstheorie, tendieren auf den

95 Vgl. Reese, Alternative Modelle zur Schätzung der erwarteten Eigenkapitalkosten – Eine empirische Untersuchung für den deut-schen Aktienmarkt, Working Paper 2005-6, Fakultät für Betriebs-wirtschaft, Ludwig-Maximilians-Universität, München 2005.

96 Vgl. die Übersicht von Kapitalmarktstudien und ihren Ergebnissen in Anlage V.

97 Vgl. Stehle, WPg 2004, S. 906 ff., sowie Schulz/Stehle, AG 2004, S. 22 ff.

98 Vgl. Stehle, WPg 2004, S. 910.

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1017

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ersten Blick zum arithmetischen Mittel insbeson-dere Brealey/Myers/Allen (2006)99, Koller/Goedhart/ Wessels (2005)100 und Copeland / Weston / Shastri (2005)101. Dass dies nur eine Tendenzaussage dar-stellt, folgt daraus, dass z. B. Koller/Goedhart/Wes-sels (2005) durch die Ausdehnung des Zeithorizonts von einem Jahr auf fünf Jahre in Richtung des geo-metrischen Mittelwerts gehen. Als Verfechter eines geometrischen Mittels erscheinen insbesondere Damodaran (2002)102 und Copeland/Koller/Murrin (1998)103. Differenzierte Empfehlungen finden sich z. B. bei Stehle (2004)104 und Cornell (1999)105.

Die Literatur enthält mit Blume (1974)106 und Coo-per (1996)107 zwei wichtige grundlegende Beiträge, die sich statistisch mit den Schätzeigenschaften der Mittelwerte beschäftigen und auf die sich auch Stehle bezieht. Beide Arbeiten gehen in der Grundversion davon aus, dass für die Renditen stochastische Unab-hängigkeit vorliegt. Der wesentliche Unterschied be-steht darin, dass Blume erwartete Renditen r (für Zwe-cke der Aufzinsung) bestimmen möchte und Cooper erwartete Diskontierungsfaktoren, d. h. 1 / (1 + r) (für Zwecke der Barwertermittlung).

Blume zeigt für den Aufzinsungsfall, dass das arithmetische Mittel bei einer Anlageperiode N > 1 ein nach oben verzerrter Schätzer der erwarteten Rendite ist, während das geometrische Mittel bei ei-ner Anlageperiode N < T, mit T = Stichprobenum-fang, ein nach unten verzerrter Schätzer der erwar-teten Rendite darstellt. Er konstruiert daraufhin ein gewogenes Mittel aus beiden Mittelwerten in Ab-hängigkeit von der Anlageperiode. Für N = 1 ist das arithmetische Mittel unverzerrt, für N = T ist das ge-ometrische Mittel unverzerrt; für 1 < N < T ist eine Mischung aus beiden Mittelwerten unverzerrt.108

Die wesentlichen Aussagen von Cooper für den Abzinsungsfall sind hingegen, dass beide Mittel-werte verzerrt sind, wobei aber das geometrische Mittel immer stärker als das arithmetische Mittel

99 Vgl. Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, 8. Aufl., Boston u. a. 2006, S. 151.

100 Vgl. Koller/Goedhart/Wessels, Valuation – Measuring and Man-aging the Value of Companies, 4. Aufl. (von Copeland/Koller/ Murrin), Hoboken (N.J.) 2005, S. 298.

101 Vgl. Copeland/Weston/Shastri, Financial Theory and Corporate Policy, 4. Aufl., Boston u. a. 2005, S. 172.

102 Vgl. Damodaran, Investment Valuation, 2. Aufl., New York 2002, S. 161 f.

103 Vgl. Copeland/Koller/Murrin, Unternehmenswert, 2. Aufl., Frank-furt am Main/New York 1998, S. 279.

104 Vgl. Stehle, WPg 2004, S. 910 f., der u. a. die unterschiedliche Eignung des geometrischen bzw. des arithmetischen Mittels für den Zweck der Endwert- bzw. der Barwertberechnung herausstellt.

105 Vgl. Cornell, The Equity Risk Premium, New York 1999, S. 39.106 Blume, Unbiased estimators of long-run expected returns, Journal

of the American Statistical Association 1974, S. 634 – 638. 107 Cooper, Arithmetic vs. geometric mean estimators – Setting dis-

count rates for capital budgeting, European Financial Management 1996, S. 157 – 167. Zu einer Darstellung und kritischen Würdigung der Ergebnisse von Blume und Cooper vgl. auch Fama, Discount-ing under Uncertainty, Journal of Business 1996, S. 415 – 428.

108 Vgl. Blume, Journal of the American Statistical Association 1974, S. 637.

verzerrt ist. Der von ihm konstruierte unverzerrte Schätzer liegt über der Bandbreite von arithme-tischem und geometrischem Mittel.109

Beide Arbeiten zeigen, dass die Ergebnisse für das Aufzinsen und das Abzinsen hinsichtlich der Unver-zerrtheit der Schätzer divergieren. Dies ist insofern eigentümlich, als Anwender üblicherweise darin kein Problem sehen, ob aufgezinst oder abgezinst wird. Mit dem CAPM wird nicht ein unverzerrter Diskon-tierungsfaktor 1 / (1 + r) ermittelt, sondern die Rendi-te r. Insofern kann man nicht ohne weiteres die Ergeb-nisse von Cooper verwenden, um r zu schätzen.

Nach Wenger ist das arithmetische Mittel maßgeb-lich, wenn aufeinander folgende Verzinsungseffekte voneinander unabhängig sind.110

Schwieriger ist die Analyse, was bei stochasti-scher Abhängigkeit der Renditeverteilungen resul-tiert. Blume behandelt dieses Problem nur knapp und spricht sich für ein arithmetisches Mittel aus geo-metrischen Mitteln aus.111 Cooper unterscheidet zwei Fälle. Geht man von zeitvariablen Renditen aus, hat er keine Lösung.112 Unterstellt man hinge-gen kurzfristige Ungleichgewichte, die sich ausglei-chen, und nimmt für die Renditen eine Lognormal-verteilung an, sieht er den Ansatz des arithmetischen Mittels bestätigt.113

Aus unserer Sicht sind zwei Fragen entscheidend: zum einen die Suche nach der Rendite oder nach dem Diskontierungsfaktor, wobei das CAPM auf die Ren-dite abzielt, zum anderen die Frage der stochastischen Unabhängigkeit.114 Wenger zeigt dies mit seinem Bei-spiel im Jahr 2005115 auf eine andere Art und Weise.

109 Vgl. Cooper, Financial Management 1996, S. 161.110 Vgl. Wenger, AG Sonderheft 2005, S. 19.111 Vgl. Blume, Journal of the American Statistical Association 1974,

S. 638. Vertiefend Indro/Lee, Biases in Arithmetic and Geometric Averages as Estimates of Long-Run Expected Returns and Risk Premia, Financial Management, Winter 1997, S. 81 – 90.

112 “Required rates of returns at any date would have to be estimated conditional on the set of variables that predict the risk-premium using the appropriate model.”; Cooper, Financial Management 1996, S. 164.

113 “These estimates are generally much closer to the arithmetic mean of past annual returns than the geometric mean”; Cooper, Financial Management 1996, S. 165

114 Das Problem der stochastischen Abhängigkeit hat man schon frü-her gesehen So hielt Damodaran (2002), S. 161 f., fest: “Conven-tional wisdom argues for the use of the arithmetic average. In fact, if annual returns are uncorrelated over time, and our objective were to estimate the risk premium for the next year, the arithmetic aver-age is the best unbiased estimate of the premium. In reality, how-ever, there are strong arguments that can be made for the use of geometric averages. First, empirical studies seem to indicate that returns on stocks are negatively correlated over time. Consequent-ly, the arithmetic average return is likely to overstate the premium. Second, while asset pricing models may be single-period models, the use of these models to get expected returns over long periods (such as 5 or 10 years) suggests that the single period may be much longer than a year. In this context, the argument for geometric average premiums becomes even stronger.”

115 Vgl. Wenger, AG Sonderheft 2005, S. 18 – 20. Auf S. 19 weist Wenger auf Folgendes hin: „ … auf das arithmetische Mittel kann es deshalb in der Realität genau so wenig ankommen wie auf das geometrische. Es kann nur um die Frage gehen, ob die Realität der stochastischen Unabhängigkeit oder der strengen Gegenläufigkeit aufeinander folgender Kursbewegungen näher kommt.“

1018 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Page 15: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

Stehle analysiert in seiner Untersuchung des deut-schen Kapitalmarktes jährliche Renditen und legt hierbei als Marktportfolio zum einen den DAX und alternativ den C-DAX116 zugrunde. Die risikolose Verzinsung wird von ihm auf Basis der REXP-Port-foliorendite ermittelt. Hinsichtlich der Mittelwertbil-dung geht Stehle (wie Blume und Cooper für ihre Modellbetrachtungen) von der stochastischen Unab-hängigkeit der Aktienrenditen am deutschen Kapi-talmarkt aus. Wegen der für den Anwendungsfall der Unternehmensbewertung erfolgenden Barwerter-mittlung sind nach Stehle die auf Basis des arithme-tischen Mittels geschätzten Risikoprämien rele-vant.117 Unter Zugrundelegung der Jahre 1955 bis 2003 ermittelt Stehle bei Verwendung des DAX so-wie des C-DAX und des Tax-CAPM die folgenden Risikoprämien (Übersicht 11):118

Vor ESt Nach EStC-DAX-Portfoliorendite 12,40 % 11,16 % REXP-Portfoliorendite 6,94 % 4,50 % Marktrisikoprämie 5,46 % 6,66 % DAX-Portfoliorendite 12,96 % 11,54 % REXP-Portfoliorendite 6,94 % 4,50 % Marktrisikoprämie 6,02 % 7,04 %

Über sicht 11

Angesichts der oben diskutierten Fragen und Ge-sichtspunkte empfehlen wir, einen Abschlag von 1 bis 2 Prozentpunkten von der auf Basis des arith-metischen Mittels ermittelten Risikoprämie zu ma-chen; ein Ergebnis, zu dem auch Stehle – wenn auch unter Herausstellung anderer Argumente – kommt.

Für Zwecke der Unternehmensbewertung ist somit eine Marktrisikoprämie nach Steuern (nach Tax-CAPM) von 5,0 % bis 6,0 % sachgerecht. Diese Grö-ßenordnung liegt ungefähr in der Mitte der Ergeb-nisse von Stehle für das arithmetische (6,66 % für den C-DAX bzw. 7,04 % für den DAX) und das geo-metrische Mittel (3,83 % für den C-DAX bzw. 3,81 % für den DAX). Die Marktrisikoprämie vor Steuern wäre entsprechend zwischen 4,0 % und 5,0 % anzusetzen.

4.4. Bestimmung des unternehmensspezifischen Risikofaktors (Betafaktor)

Die Bestimmung des unternehmensspezifischen Ri-sikofaktors (Betafaktor) wird nicht von der nach IDW S 1 vorgeschlagenen Vorgehensweise zur Ver-wendung des Tax-CAPM berührt, da der Betafaktor formal unabhängig vom gewählten Kapitalmarktmo-dell ist.119 Insofern kann die Ableitung des Betafak-

116 Augrund der größeren Marktbreite sind seines Erachtens nach die Schätzwerte des C-DAX geeigneter als die Schätzwerte des DAX; vgl. Stehle, WPg 2004, S. 921.

117 Vgl. Stehle, WPg 2004, S. 921.118 Vgl. Stehle, WPg 2004, S. 921.119 Vgl. Löffler, Das CAPM mit Steuern, WiSt 1998, S. 420 – 422.

tors analog zu den bekannten Vorgehensweisen erfolgen. Bei börsennotierten Gesellschaften kann direkt auf das historische Beta des zu bewertenden Unternehmens zurückgegriffen werden. Bei börsen-notierten wie bei nicht börsennotierten Gesell-schaften kann aufgrund von Branchencharakteristika der Vergleich mit einer Peer Group sinnvoll sein.

Bei der Prognose des Betafaktors sind die histo-rischen Betafaktoren gegebenenfalls um außerge-wöhnliche Umstände in der Vergangenheit (z. B. Restrukturierungen, Übernahmeangebote) zu berei-nigen sowie hinsichtlich künftiger Veränderungen (neue Produktschwerpunkte, Expansion in auslän-dische Märkte) anzupassen. Im prognostizierten Be-tafaktor ist darüber hinaus neben dem unterneh-mensspezifischen operativen Risiko auch das finan-zielle Risiko, welches aus der Verschuldung eines Unternehmens resultiert, zu berücksichtigen. Sofern das zu bewertende Unternehmen eine von der Peer-Group deutlich abweichende Kapitalstruktur auf-weist bzw. falls die erwartete Kapitalstruktur im Zeitablauf deutlichen Veränderungen unterliegt, sind gegebenenfalls Anpassungen des empirisch er-mittelten historischen Betafaktors an die geplante Kapitalstruktur des Bewertungsobjekts erforderlich. Hierbei ist in einem ersten Schritt aus den empirisch erhobenen Betafaktoren, welche u. a. die Kapital-struktur der jeweils zugehörigen Gesellschaft re-flektieren, ein Betafaktor für ein unverschuldetes Unternehmen abzuleiten, der lediglich das operative Risiko abbildet. Der so gefundene Beta-Faktor ist in einem zweiten Schritt an die geplante Kapitalstruk-tur des zu bewertenden Unternehmens anzupassen. Hieraus können periodenspezifische Kapitalkosten resultieren.120

5. Zusammenfassung der Ergebnissedes Zahlenbeispiels

Auf Basis der zu diskontierenden Größen121 und des Kapitalisierungszinssatzes122 ermittelt sich unter der Prämisse, dass neben das thesaurierungsbedingte Wachstum kein weiteres organisches Wachstum der Zahlungsgrößen in der ewigen Rente tritt123, für alle erläuterten Fälle ein identischer Unternehmenswert, wie Übersicht 12 zeigt (s. Seite 1020). Hierbei er-mittelt sich der Kapitalisierungszinssatz nach Ein-kommensteuern mit 7,6 %124 und der thesaurierungs-bedingte Wachstumsabschlag mit 4,5 %.125

120 Zur Vorgehensweise beim sog. Unlevern und Levern vgl. Brealey/Myers/Allen, Principles of Corporate Finance, 8. Aufl., Boston 2006, S. 518 f.

121 Vgl. Kap. 3.122 Vgl. Kap. 4.123 Zur Berücksichtigung zusätzlichen organischen Wachstums vgl.

Kap. 6.124 Vgl. Abschn. 3.1.125 Vgl. Abschn. 3.2.

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1019

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Page 16: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

6. Die Berücksichtigung von WachstumUnternehmensplanungen basieren regelmäßig auf nominalen Größen und bilden Inflationseinflüsse di-rekt in den geplanten Aufwands- und Ertragsposten ab. Ein hieraus resultierendes organisches Gewinn-wachstum, das gegebenenfalls zusätzlich zu dem in Abschn. 3.2. beschriebenen thesaurierungsbedingten Wachstum zu berücksichtigen wäre, hängt im We-sentlichen davon ab, inwieweit das Unternehmen in der Lage ist, inflationsbedingte Kostensteigerungen auf seine Abnehmer durch entsprechende Preiserhö-hungen zu überwälzen oder mittels Effizienzsteige-rungen zu kompensieren. Die Bemessung von orga-nischem Wachstum in der Unternehmensbewertung erfolgt in der Praxis zumeist auf Basis überschlä-giger Überlegungen sowie der Vergangenheitsanaly-se für das zu bewertende Unternehmen und seiner Branche. Bei einer längerfristigen Betrachtung der Vergangenheit konnte generell beobachtet werden, dass das Gewinnwachstum deutscher Unternehmen regelmäßig hinter der Inflation zurückblieb.126

Während in der Planungsphase das Gewinnwachs-tum direkt in den zu diskontierenden Größen abgebil-det wird, ist ein nachhaltiges organisches Wachstum in der als konstante Ergebnisgröße angesetzten ewigen Rente grundsätzlich durch Anpassung der Kapitalisie-rungsformel als Wachstumsabschlag im Kapitalisie-

126 Vgl. zu einer empirischen Untersuchung Widmann/Schieszel/Jeromi, Der Kapitalisierungszinssatz in der praktischen Unternehmensbe-wertung, FB 2003, S. 808 – 810; vgl. jüngst auch Köster, Nachhaltige Preis- und Mengendifferenzierung in der Unternehmensbewertung, WPg 2006, S. 830 – 835.

rungszinssatz zu berücksichtigen. Der durch orga-nisches Wachstum bedingte Wachstumsabschlag ent-spricht dabei i. d. R. nicht der Höhe der gesamten erwarteten Inflationsrate, da er u. a. auch von der be-reits angesprochenen Möglichkeit der Überwälzung von Preissteigerungen und von der – wachstums-mindernd wirkenden – künftigen infla tionsbedingt höheren Mittelbindung beeinflusst wird. In der Praxis wird zur Berücksichtigung organischen Wachstums re-gelmäßig ein Wachstumsabschlag i. H. von ca. 1 % bis 2 % veranschlagt.127 Diese Anpassung tritt gegebenen-falls neben das thesaurierungsbedingte Wachstum128.

In einer früheren Arbeit haben wir uns im Wesent-lichen mit den Vorschlägen zur Überarbeitung des IDW S 1 a. F. befasst und deshalb die Berücksichti-gung des organischen Wachstums der zu bewer-tenden Zahlungsströme nicht behandelt.129 Nachfol-gend wurde in der Literatur die Möglichkeit zur gleichzeitigen Berücksichtigung von thesaurierungs-bedingtem Wachstum und organischem Wachstum diskutiert.130 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sowohl organisches Wachstum als auch thesaurierungsbedingtes Wachstum durch Anpas-sung des Kapitalisierungszinssatzes in der ewigen

127 Vgl. auch Munkert, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unterneh-mensbewertung, Wiesbaden 2005, S. 360 f.

128 Vgl. Abschn. 3.2.129 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 895; hier

wird lediglich ausgeführt, dass der thesaurierungsbedingte Wachs-tumsabschlag zu dem bisher für inflations- und mengenbedingtes Wachstum verwendeten Wachstumsabschlag hinzutritt.

130 Vgl. Schwetzler, WPg 2005, S. 617; Beyer/Gaar, FB 2005, S. 249; Wiese, WPg 2005, S. 617 – 623.

1020 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Beispiel IDW S 1 Planjahr EwigeRente1 2 3 4 5

Thesaurierungsbedingtes WachstumZu diskontierende Größe 22,3 23,3 24,3 25,4 26,6 27,8Kalkulationszinssatz 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 %Wachstumsabschlag 4,5 %Ertragswert zum 01.01. 732,1 765,1 799,6 835,6 873,3 912,7

Wertbeitrag aus ThesaurierungNettozufluss Anteilseigner 22,3 23,3 24,3 25,4 26,6 27,8Wertbeitrag aus Thesaurierung 41,1 Zu diskontierende Größe 22,3 23,3 24,3 25,4 26,6 68,9Kalkulationszinssatz 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 %Ertragswert zum 01.01. 732,1 765,1 799,6 835,6 873,3 912,7

Aktienrückkauf/steuerfreier KursgewinnNettozufluss Anteilseigner 22,3 22,3 22,3 22,3 22,3 22,3Aktienrückkauf/Kursgewinn 33,0 33,0 33,0 33,0 33,0 33,0Zu diskontierende Größe 55,3 55,3 55,3 55,3 55,3 55,3Kalkulationszinssatz 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 %Ertragswert zum 01.01. 732,1 732,1 732,1 732,1 732,1 732,1

Über sicht 12

Page 17: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

Rente durch Wachstumsabschläge sachgerecht er-fasst werden131.

Greift man dieses Ergebnis auf und implementiert es in das bisherige Beispiel samt einem zusätzlichen nachhaltigen organischen Wachstum von 1,0 %, so lässt sich zeigen, dass die Berücksichtigung des bis-her verwendeten Wachstumsabschlages analog zur bisherigen Vorgehensweise erfolgen kann; der Wachstumsabschlag kürzt für die Phase der ewigen Rente den Kapitalisierungszinssatz (Übersicht 13).

Die Bestimmung des Ertragswerts zum 31.12. des Jahres 5 erfolgt hierbei analog zum in Abschn. 3.2.1. beschriebenen Vorgehen mit dem Ansatz eines Wert-beitrags aus Thesaurierungen in der ewigen Rente.132 Das als ewige Rente zu diskontierende Ergebnis setzt sich zusammen aus der mit Einkommensteuer belasteten Dividendenzahlung an die Anteilseigner sowie dem steuerfreien Wertbeitrag aus Thesaurie-rungen. Sofern die ewige Rente dem Ergebnis des letzten Planjahres entspricht, d. h. das Unternehmen befindet sich am Ende des Planungszeitraumes im sog. eingeschwungenen Zustand, ist zur exakten Er-mittlung des Barwerts der Zähler – das Ergebnis des letzten Planjahres – um die durch das zusätzliche organische Wachstum bedingte Wachstumsrate zu erhöhen. Der Nenner – der Kapitalisierungszinssatz für die ewige Rente – ist wie oben dargestellt um den inflationsbedingten Wachstumsabschlag zu min-dern.

Die Berücksichtigung von organischem Wachstum kann insoweit analog zur bisher bekannten Vorge-

131 Vgl. insbesondere Wiese, WPg 2005, S. 622, Gleichung (3.14), siehe auch Anhang VI.

132 Vgl. auch Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 898.

hensweise nach Modifikation der Zählergröße um den Wertbeitrag aus Thesaurierungen durch Kürzung des Kapitalisierungszinssatzes um den durch orga-nisches Wachstum bedingten Wachstumsabschlag erfolgen.

Für die ebenfalls in Abschn. 3.2.1. beschriebene Vorgehensweise, das thesaurierungsbedingte Wachs-tum im Nenner durch Kürzung des Kapitalisierungs-zinssatzes zu berücksichtigen, ist zu beachten, dass thesaurierungsbedingtes und organisches Wachstum

nicht additiv wirken. Vielmehr ist hier das orga-nische Wachstum im Zähler und das thesaurierungs-bedingte Wachstum im Nenner abzubilden.133 In un-serem Beispiel ergibt sich bei einem organischen Wachstum w von 1 % und einem thesaurierungsbe-dingten Wachstum wth von 4,51 %134 der folgende Unternehmenswert zu Beginn der ewigen Rente:

1,1099%04,3

44,33

%51,4%55,7

)%00,1%55,7

%55,7)(2

%0,351(1,7845,0

))(2

1(

thnStj

nStj

nStj

wrwr

restqGUW

Beide Vorgehensweisen führen somit zu einem iden-tischen Unternehmenswert zum 01.01. des Jahres 1 (Übersicht 14, s. Seite 1022):

133 Dieses Vorgehen entspricht dem analytischen Ergebnis von Wiese, WPg 2005, S. 622, Gleichung (3.14). Zur erforderlichen Modifi-kation der Zählergröße vgl. auch Anhang VI.

134 Vgl. Abschn. 3.2.1.

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1021

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Beispiel IDW S 1 mit thesaurierungs-und inflationsbedingtem Wachstum

Planjahr EwigeRente1 2 3 4 5

Ergebnis vor Steuern 100,0 101,0 102,0 103,0 104,1 105,1 Ergebnis aus Thesaurierung 0,0 4,5 9,3 14,3 19,6 25,1Gesamtergebnis vor Steuern 100,0 105,5 111,3 117,3 123,6 130,2 Gewerbesteuer 20,0 % – 20,0 – 21,1 – 22,3 – 23,5 – 24,7 – 26,0 Körperschaftsteuer 25,0 % – 20,0 – 21,1 – 22,3 – 23,5 – 24,7 – 26,0Ausschüttbares Ergebnis 60,0 63,3 66,8 70,4 74,2 78,1 Thesaurierung laufendes Jahr 33,0 34,8 36,7 38,7 40,8 43,0 Thesaurierung kumuliert zum 31.12. 33,0 67,8 104,5 143,2 184,0 227,0 Ausschüttungsquote 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 %Ausschüttung Anteilseigner 27,0 28,5 30,0 31,7 33,4 35,2 Typisierte Einkommensteuer 17,5 % – 4,7 – 5,0 – 5,3 – 5,5 – 5,8 – 6,2Nettozufluss Anteilseigner 22,3 23,5 24,8 26,1 27,5 29,0Wertbeitrag aus Thesaurierung 43,0Zu diskontierende Größe 22,3 23,5 24,8 26,1 27,5 72,0Kalkulationszinssatz 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 6,6 %Ertragswert zum 01.01. 863,4 906,3 951,3 998,3 1 047,5 1 099,1

Über sicht 13

Page 18: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

7. Behandlung nicht betriebsnotwendigenVermögens

Als nicht betriebsnotwendiges Vermögen zählen nach dem funktionalen Abgrenzungskriterium des IDW S 1 unverändert solche Vermögensteile, die frei veräußert werden können, ohne dass davon die Un-ternehmensaufgabe berührt wird.135 Steuern, die bei der Liquidation des nicht betriebsnotwendigen Ver-mögens auf Unternehmensebene anfallen, sind bei der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Ver-mögens zu berücksichtigen. Bei den persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner stellt IDW S 1 auf die beabsichtigte Verwendung der durch die Veräu-ßerung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens erzielten Erträge unter Berücksichtigung gesell-schaftsrechtlicher Restriktionen ab. Im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte kom-men hierfür in der Praxis die kapitalwertneutrale Wiederanlage im Unternehmen oder ein einmaliger steuerfreier Aktienrückkauf zur Auskehrung des Li-quidationserlöses an die Anteilseigner in Frage. Bei-de Maßnahmen stellen die Freiheit der Erlöse von der persönlichen Einkommensteuer sicher.

8. Bewertung von Personengesellschaftenund KMU

Bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes für die Bewertung von kleinen und mittleren Unterneh-men (KMU) ist ebenfalls von einer Anlage in Unter-nehmensanteilen als relevante Alternativanlage aus-zugehen. Hinsichtlich der Alternativanlage führt IDW S 1 weiter aus, dass die Bestimmung des Kapitalisie-

135 Vgl. IDW S 1, Tz. 67.

rungszinssatzes „… unabhängig von der Rechtsform des zu bewertenden Unternehmens …“136 zu erfolgen hat, „… da diese Form der Alternativanlage grund-sätzlich allen Anteilseignern zur Verfügung steht.“137 Insofern sind die obigen Aussagen zur Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes bei der Bewertung von Kapitalgesellschaften auf die Bewertung von Personengesellschaften zu übertragen.

Bei Personengesellschaften sind bewertungsrele-vante Effekte zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus der gegenüber Kapitalgesellschaften abweichenden Besteuerung ergeben.138 Personengesellschaften unter-liegen, soweit gewerblich tätig, der Gewerbesteuer.139 Unabhängig vom Zufluss der erzielten Gewinne sind diese im Jahr ihrer Entstehung in voller Höhe der Ein-kommensteuer zu unterwerfen. Körperschaftsteuer fällt nicht an. Die Gewerbesteuer kann auf die Einkom-mensteuer angerechnet werden.140 Bei der Ermittlung der effektiven Einkommensteuerlast ist die Anrech-nung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer zu beachten. Sie erfolgt in Höhe des 1,8-fachen des Steu-ermessbetrages.141 Vereinfachend ermittelt sich somit ausgehend von einem typisierten Einkommensteuer-satz in Höhe von 35,0 % und unter Berücksichtigung einer Anrechnung von Kgew = 9,0 % (1,8 • 5,0 % Mess-zahl) ein Einkommensteuersatz von 26,0 %.

136 IDW S 1, Tz. 124.137 IDW S 1, Tz. 124.138 Vgl. Baetge/Lienau, Die Berücksichtigung von Steuern bei der

Unternehmensbewertung von Personenhandelsgesellschaften mit Discounted-Cashflow-Verfahren nach IDW ES 1, WPg 2005, S. 816.

139 Vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG sowie § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG.

140 Vgl. § 35 Abs. 1 EStG.141 Vgl. § 35 Abs. 1 EStG.

1022 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Beispiel IDW S 1 mit thesaurierungs- und inflationsbedingtem Wachstum

Planjahr EwigeRente1 2 3 4 5

Ergebnis vor Steuern 100,0 101,0 102,0 103,0 104,1 105,1 Ergebnis aus Thesaurierung 0,0 4,5 9,3 14,3 19,6 25,1Gesamtergebnis vor Steuern 100,0 105,5 111,3 117,3 123,6 130,2 Gewerbesteuer 20,0 % – 20,0 – 21,1 – 22,3 – 23,5 – 24,7 – 26,0 Körperschaftsteuer 25,0 % – 20,0 – 21,1 – 22,3 – 23,5 – 24,7 – 26,0Ausschüttbares Ergebnis 60,0 63,3 66,8 70,4 74,2 78,1 Thesaurierung laufendes Jahr 33,0 34,8 36,7 38,7 40,8 43,0 Thesaurierung kumuliert zum 31.12. 33,0 67,8 104,5 143,2 184,0 227,0 Ausschüttungsquote 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 %Ausschüttung Anteilseigner 27,0 28,5 30,0 31,7 33,4 35,2 Typisierte Einkommensteuer 17,5 % – 4,7 – 5,0 – 5,3 – 5,5 – 5,8 – 6,2Nettozufluss Anteilseigner 22,3 23,5 24,8 26,1 27,5 29,0Zu diskontierende Größe 22,3 23,5 24,8 26,1 27,5 33,4Kalkulationszinssatz 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 %Wachstumsabschlag 4,5 %Ertragswert zum 01.01. 863,4 906,3 951,3 998,3 1 047,5 1 099,1

Über sicht 14

Page 19: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

Eine sachgerechte Abbildung von Ausschüttungen und Thesaurierungen ist geboten, da bewertungsre-levant ausschließlich die den Anteilseignern zuflie-ßenden Zahlungen sind und sich bei fremdfinanzier-ten Personengesellschaften wie bei Kapitalgesell-schaften infolge unterschiedlicher Kapitalstrukturen Einflüsse des Finanzierungsrisikos auf die Kapital-kosten ergeben können.142 Werden Thesaurierungen berücksichtigt, stellt sich die Frage nach der rele-vanten Wiederanlagerendite vor persönlichen und Unternehmenssteuern, soweit die Verwendung the-saurierter Mittel nicht explizit geplant ist. Hierbei ist wie oben die Prämisse der kapitalwertneutralen Wie-deranlage zu beachten. Bei der Bestimmung der Wiederanlagerendite der thesaurierten Erträge sind ausgehend von den Eigenkapitalkosten nach Ein-kommensteuer die zu zahlende Einkommensteuer und Gewerbesteuer zu berücksichtigen. Die gesuchte Wiederanlagerendite beträgt für unser Beispiel eines Kalkulationszinssatzes von 7,6 % folglich 12,75 %:

%75,12%))0,9%0,35(1%)(0,201(

%6,7

))(1)(1( gew

nStj

w Kestgewr

r

.

Auf der Basis der Parameter unseres Beispieles er-gibt sich die Bewertung einer Personengesellschaft aus Übersicht 15.

Abweichend von der Bewertung einer Kapitalge-sellschaft unterliegt das gesamte ausschüttbare Er-gebnis der typisierten Einkommensteuer. Als bewer-

142 In unseren Beispielen gehen wir weiterhin von einer vollständigen Eigenfinanzierung aus.

tungsrelevanter Nettozufluss an den Anteilseigner verbleibt die Differenz aus der Ausschüttung und der Einkommensteuer. Analog zur Bewertung einer Ka-pitalgesellschaft kann der Thesaurierungsbetrag der ewigen Rente als Wertbeitrag aus Thesaurierung Be-rücksichtigung finden, da er wieder den zukünftigen Zahlungsstrom aus der Wiederanlage des Thesaurie-rungsbetrages zur Rendite rw repräsentiert. Anders als bei Kapitalgesellschaften ist der Unternehmens-wert von Personengesellschaften wegen der vollen Besteuerung des ausschüttbaren Ergebnisses unab-hängig von der Höhe der Ausschüttungsquote, wie das Beispiel bei Vollausschüttung und der Vergleich mit dem vorherigen Beispiel bei Thesaurierung zeigt (Übersicht 16, s. Seite 1024).

Gegenüber der Bewertung einer Kapitalgesell-schaft mit identischen Ergebnissen vor Steuern er-gibt sich ein höherer Unternehmenswert, der auf die fehlende Rechtsformneutralität der Besteuerung durch die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer bei der Personengesellschaft zu-rückzuführen ist.143

9. ZusammenfassungDieser Beitrag gibt für ausgewählte Fragestellungen in der Unternehmensbewertung Hinweise für die praktische Umsetzung von IDW S 1. Für die wesent-lichen Neuerungen ergeben sich folgende Hinweise und Empfehlungen:

143 Der höhere Unternehmenswert ist jedoch nicht zwingend; vgl. Wiese, Die Berücksichtigung persönlicher Steuern bei der Bewer-tung von kleinen und mittleren Unternehmen, in: Baetge/Kirsch (Hrsg.), Besonderheiten der Bewertung von Unternehmensteilen sowie von kleinen und mittleren Unternehmen, Düsseldorf 2006, S. 97 – 132.

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1023

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Beispiel IDW S 1 Personengesellschaft

Planjahr EwigeRente1 2 3 4 5

Ergebnis vor Steuern 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Ergebnis aus Thesaurierung 0,0 5,6 11,5 17,8 24,4 31,4Gesamtergebnis vor Steuern 100,0 105,6 111,5 117,8 124,4 131,4 Gewerbesteuer 20,0 % – 20,0 – 21,1 – 22,3 – 23,6 – 24,9 – 26,3 Körperschaftsteuer 0,0 % 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0Ausschüttbares Ergebnis 80,0 84,5 89,2 94,2 99,5 105,1 Thesaurierung laufendes Jahr 44,0 46,5 49,1 51,8 54,7 57,8 Thesaurierung kumuliert zum 31.12. 44,0 90,5 139,5 191,4 246,1 303,9 Ausschüttungsquote 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 % 45,0 %Ausschüttung Anteilseigner 36,0 38,0 40,2 42,4 44,8 47,3 Typisierte Einkommensteuer 26,0 % – 20,8 – 22,0 – 23,2 – 24,5 – 25,9 – 27,3Nettozufluss Anteilseigner 15,2 16,1 17,0 17,9 18,9 20,0Wertbeitrag aus Thesaurierung 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 57,8Zu diskontierende Größe 15,2 16,1 17,0 17,9 18,9 77,8Kalkulationszinssatz 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 %Ertragswert zum 01.01. 784,1 828,1 874,6 923,7 975,5 1 030,2

Über sicht 15

Page 20: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

1024 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

• IDW S 1 ist grundsätzlich auch auf Bewertungs-stichtage vor dem 30.12.2004, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Entwurfes von IDW S 1, an-zuwenden. Für Bewertungsstichtage, in denen das Anrechnungsverfahren zugrunde zu legen ist, gilt entsprechend IDW S 1 a. F. die Vollausschüttungs-hypothese, da eine Vollausschüttung der finanziel-len Überschüsse vor dem Hintergrund der im kör-perschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren gel-tenden steuerlichen Diskriminierung von Thesau-rierungen die ökonomisch sinnvolle Vorgehens-weise darstellt. Ferner müssen in diesen Fällen die Neuerungen in Bezug auf die Normierung eines Aktienportfolios als Alternativanlage sowie die Anwendung des Tax-CAPM zur Ableitung von Ri-sikoprämien nicht berücksichtigt werden.

• Ausschüttungen und Thesaurierungen sind für den Detailplanungszeitraum entsprechend der Ausschüt-tungspolitik laut Unternehmensplanung anzusetzen – sofern sie plausibel ist. Die Ermittlung der Aus-schüttungsquote in der ewigen Rente soll aus Grün-den der Objektivierung grundsätzlich typisierend anhand des Ausschüttungsverhaltens der in der Al-ternativanlage erfassten Unternehmen (Aktienport-folio) erfolgen. Der Berücksichtigung von bran-chen-, größen- oder lebenzyklusbedingten Beson-derheiten dient die Analyse von Peer Groups.

• In der ewigen Rente ist für thesaurierte Beträge eine kapitalwertneutrale Wiederanlage anzusetzen. Aus der Verschiebung der Zahlung persönlicher Einkommensteuer in die Zukunft resultiert ein the-saurierungsbedingtes Wachstum. Dieses ist entwe-der als gesonderter Betrag im abzuzinsenden Er-gebnis – dem Zähler des Bewertungskalküls – oder durch einen thesaurierungsbedingten Wachstums-

abschlag beim Kapitalisierungszinssatz – dem Nenner des Bewertungskalküls – anzusetzen. Die erste Vorgehensweise führt zum Ausweis eines ge-sonderten, zumeist hohen Ergebnisbeitrags in der ewigen Rente. Die zweite Vorgehensweise führt zu meist hohen Wachstumsabschlägen. Alternativ können die Ergebnisbeiträge aus der Thesaurie-rung einschließlich der hiermit verbundenen Steu-ervorteile unmittelbar in den abzuzinsenden Er-gebnissen im Detailplanungszeitraum und der ewi-gen Rente angesetzt werden. So ergibt sich ein äquivalentes Ergebnis zur Annahme eines steuer-freien Aktienrückkaufs.

• Bei der Ermittlung des Basiszinssatzes ist es emp-fehlenswert, auf die Zinsstrukturkurve nach der Svensson-Methode abzustellen. Unter Berücksichti-gung der Struktur der zu diskontierenden Zahlungs-ströme kann ein barwertäquivalenter einheitlicher Zinssatz abgeleitet werden. Aus Praktikabilitäts über-legungen empfiehlt sich eine Rundung des Basis-zinssatzes auf jeweils 0,25 Prozentpunkte. Bei die-ser Vorgehensweise ergibt sich für nicht un typisch verlaufende Ergebnisprognosen zum Bewertungs-stichtag 31.12.2005 ein Basiszins von 4,0 %.

• Bei der Ermittlung der künftigen Marktrisiko-prämie nach Steuern halten wir auf Grundlage der vorliegenden Kapitalmarktstudien eine Größen-ordnung von 5 % bis 6 % für angemessen.

• Zusätzlich zur Berücksichtigung des thesaurierungs-bedingten Wachstums als Wertbeitrag aus Thesaurie-rungen im Zähler des Bewertungskalküls kann wie bisher schon auch ein erwartetes nachhaltiges, orga-nisches Wachstum in der Praxis meist in einer Grö-ßenordnung von 1 % bis 2 % im Kapitalisierungszins-satz der ewigen Rente berücksichtigt werden. Alter-

Beispiel IDW S 1 Personengesellschaft

Planjahr EwigeRente1 2 3 4 5

Ergebnis vor Steuern 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Ergebnis aus Thesaurierung 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0Gesamtergebnis vor Steuern 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Gewerbesteuer 20,0 % – 20,0 – 20,0 – 20,0 – 20,0 – 20,0 – 20,0 Körperschaftsteuer 0,0 % 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0Ausschüttbares Ergebnis 80,0 80,0 80,0 80,0 80,0 80,0 Thesaurierung laufendes Jahr 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Thesaurierung kumuliert zum 31.12. 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Ausschüttungsquote 100,0 % 100,0 % 100,0 % 100,0 % 100,0 % 100,0 %Ausschüttung Anteilseigner 80,0 80,0 80,0 80,0 80,0 80,0 Typisierte Einkommensteuer 26,0 % – 20,8 – 20,8 – 20,8 – 20,8 – 20,8 – 20,8 Nettozufluss Anteilseigner 59,2 59,2 59,2 59,2 59,2 59,2 Wertbeitrag aus Thesaurierung 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0Zu diskontierende Größe 59,2 59,2 59,2 59,2 59,2 59,2 Kalkulationszinssatz 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 % 7,6 %Ertragswert zum 01.01. 784,1 784,1 784,1 784,1 784,1 784,1

Über sicht 16

Page 21: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1025

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

nativ kann das thesaurierungsbedingte Wachstum im Nenner und das organische Wachstum im Zähler des Bewertungskalküls abgebildet werden.

• Bei Personengesellschaften ist der Unternehmens-wert aufgrund der abweichenden persönlichen Be-steuerung, die zu einem typisierten Einkom-mensteuersatz von 26 % führt, unabhängig von der Ausschüttungsquote.

Diese Empfehlungen zielen auf eine sinnvolle Um-setzung von modelltheoretischen Erkenntnissen in der Unternehmensbewertungspraxis, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Objekti-vierbarkeit und Kommunizierbarkeit der Unterneh-mensbewertungen. Sie sollen eine konsistente An-wendung des neuen Bewertungsstandards fördern und so wesentlich und nachhaltig zu einer breiten Akzeptanz von Unternehmensbewertungen nach IDW S 1 beitragen.

Anhang I:Bestimmung der kapitalwertneutralen

Wiederanlagerendite

Die Kapitalwertneutralität der Wiederanlage der the-saurierten Beträge wird durch die Anlage der thesau-rierten Beträge zum Kapitalisierungszinssatz vor Unternehmenssteuern erreicht.144 Die Wiederanlage-rendite rw ermittelt sich hierbei als

)1)(1( kstgew

vStj

w ssr

r .

(A.1)

Zunächst ist der Kapitalisierungszinssatz vor Ein-kommensteuer rj

vSt zu ermitteln. Ausgehend von den Zusammenhängen zwischen Vor- und Nachsteuer-rendite des Tax-CAPM kann bei der Abbildung des äquivalenten Ausschüttungsverhaltens die empirisch ermittelte Ausschüttungsquote q oder die empirisch erhobene Dividendenrendite dj verwendet werden.145 Folgt man der empfohlenen Vorgehensweise einer direkten Bestimmung des als Kalkulationszinsfuß zu verwendenden Kapitalisierungszinssatzes nach Ein-kommensteuer rj

nSt,

jMfvSt

MfnStj

estdestrrrestr )2

)1(()1(

(A.2)

empfiehlt sich die Verwendung empirisch erhobener Ausschüttungsquoten, da die äquivalente Dividen-denrendite kein Bestandteil des Kapitalisierungs-zinssatzes nach Einkommensteuer ist.146 Auch vor

144 Vgl. IDW S 1, Tz. 47; Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 895; Laitenberger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1362, Fn. 30. Diese Annahme war implizit bereits in der in IDW S 1 a. F. veran-kerten Vollausschüttungsannahme enthalten, unterstellte doch die fiktive Vollausschüttung von in der Realität tatsächlich thesaurier-ten Erträgen ebenfalls die Kapitalwertneutralität.

145 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 895.146 Aus diesem Grund empfehlen auch Peemöller/Beckmann/Meitner

die Verwendung des Netto-Kalküls; vgl. Peemöller/Beckmann/Meitner, BB 2005, S. 95.

dem Hintergrund des Erhebungsaufwandes ist die empirische Erhebung von Ausschüttungsquoten zu präferieren. Aus Vereinfachungsgründen wird auch bei nicht börsennotierten Bewertungsobjekten die Verwendung einer börsennotierten Peer Group als Ausgangspunkt zur Bestimmung der relevanten Be-tafaktoren und Ausschüttungsquoten empfohlen, es sei denn, dass gewichtige Gründe ein Abweichen von dieser Praxis rechtfertigen. Ausgehend von dem im Bewertungskalkül eingehenden Kapitalisierungs-zinssatz nach Einkommensteuer rj

nSt und der empi-risch erhobenen Ausschüttungsquote q kann der ge-suchte Kapitalisierungszinssatz vor Einkommensteu-er ermittelt werden. Mit den Renditegleichungen gem. Tax-CAPM147

2)

2)1(()1( estdestdestrrrestr jjMf

vStMf

vStj

(A.3)

und jMfvSt

MfnStj

estdestrrrestr )2

)1(()1(

(A.4)

folgt nStjj

vStj restdr

2.

(A.5)

Wird berücksichtigt, dass sich die Ausschüttungs-quote q ermittelt aus

vStj

j

rd

q bzw.qd

r jvStj

(A.6)

folgt nStjj

j restdqd

2.

(A.7)

Hieraus kann zunächst die Dividendenrendite dj aus dem Kapitalisierungszinssatz nach Einkommensteu-er rj

nSt und der empirisch ermittelten Ausschüttungs-quote q abgeleitet werden:

21 estq

qrd

nStj

j .

(A.8)

Die Summe aus dem Kapitalisierungszinssatz nach Einkommensteuer rj

nSt und der Einkommensteuer auf die so ermittelte Dividendenrendite dj ergibt gemäß Gleichung (A.3) den gesuchten Kapitalisierungs-zinssatz vor Einkommensteuer rj

vSt, welcher nun-mehr gemäß Gleichung (A.1) zur Berechnung der Wiederanlagerendite rw herangezogen werden kann.

Anhang II:Bestimmung des thesaurierungsbedingten

Wachstumsabschlages

Das thesaurierungsbedingte Wachstum w ermittelt sich hierbei gemäß der Formel

)1( qrw vStj . (A.9)

147 Vgl. hierzu ausführlich Jonas/Löffler/Wiese, WPg 2004, S. 898 – 906, sowie das hierauf aufbauende Beispiel von Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 896 ff.

Page 22: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

1026 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

Die Bewertung wachsender Zahlungsreihen mit konstantem Wachstum kann mit der bekannten Gordon-Shapiro-Formel148 erfolgen. Hiernach ergibt sich der Unternehmenswert UW als

1

11

)1(

)2

1())1(1(

ttnSt

j

tvStj

r

estqrqGUW 149 (A.10)

und umgeformt als ewige Rente

)1(

)2

1(

qrr

estqGUW vSt

jnStj

. 150 (A.11)

Anhang III:Identität des Wertbeitrages aus

Thesaurierung mit dem Thesaurierungsbetragin der ewigen Rente

Als Formel für die ewige Rente ergibt sich zunächst

nStjr

estqGUW

)2

1(151. (A.12)

Hierbei bezeichnet G das ausschüttbare Ergebnis, welches sich aus der Ausschüttung an den Anteils-eigner A = qG und dem Wertbeitrag aus Thesaurie-rung Wth zusammensetzt. Mit G = A + Wth folgt

thWestAestqG )2

1()2

1( .

(A.13)

Der Wertbeitrag aus Thesaurierung Wth wird in der Phase der ewigen Rente zum Nettozufluss des An-teilseigners152 addiert, um die zu diskontierende Größe abzuleiten. Der Wertbeitrag aus Thesaurie-rung entspricht hierbei dem Thesaurierungsbetrag Th in der Spalte „Ewige Rente“. Die Erträge aus Thesaurierungen der Planjahre sind bereits im aus-schüttbaren Ergebnis berücksichtigt. Der Wertbei-trag aus Thesaurierung ist wie folgt zu interpretie-ren: Der thesaurierte Ertrag Th der Spalte „Ewige Rente“ wird nachhaltig zum Wiederanlagezinssatz rw angelegt, der hieraus resultierende Ertrag rwTh wird um Unternehmenssteuern und Einkommensteuer entsprechend der Ausschüttungsquote q gemindert. Der Barwert der Erträge aus dem thesaurierten Er-trag ermittelt sich durch Diskontierung mit dem Ka-pitalisierungszinssatz nach Einkommensteuern rj

nSt

nStj

kstgeww

th r

estqssThrW

)2

1)(1)(1(

(A.14)

148 Vgl. Gordon/Shapiro, Capital Equipment Analysis – The Required Rate of Profit, Management Science 1956, S. 102 – 110.

149 Vgl. Laitenberger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1364; Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 897, Gleichung (3.1).

150 Vgl. Laitenberger/Tschöpel, WPg 2003, S. 1364; Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 897, Gleichung (3.2).

151 Vgl. zur Herleitung Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 897, Gleichungen (3.4) und (3.5).

152 Ausschüttung abzüglich Einkommensteuerbelastung.

Unter Berücksichtigung von Gleichung (A.12) folgt

nStj

kstgewkstgew

vStj

th r

estqssss

rTh

W)

21)(1)(1(

)1)(1(

(A.15)

und nStj

vStj

th r

estqThrW

)2

1(. (A.16)

Werden die Gleichungen (A.5) und (A.8) in (A.16) eingesetzt, folgt

nStj

nStjnSt

j

th r

estqestestq

qrrTh

W

)2

1)(2

21

(

,

(A.17)

was zu Wth = Th aufgelöst werden kann. Auch hier wird die obige Aussage nachvollziehbar, dass es nicht auf eine mögliche Steuerfreiheit von Zufluss-bestandteilen beim Anteilseigner durch steuerfreie Aktienrückkäufe oder Kursgewinne ankommt, wie die Abbildung des Wertbeitrages aus Thesaurie-rung zunächst suggerieren könnte. Wie in Glei-chung (A.14) erkennbar ist, unterliegen die Erträge aus der Wiederanlage der thesaurierten Erträge eben-so der Einkommensteuer wie die regulären Nettozu-flüsse an die Anteilseigner. Da sich der Wertbeitrag aus Thesaurierung aus bereits versteuerten Erträgen zusammensetzt, ist auf eine erneute Einkommensbe-steuerung dieses Bestandteiles der zu diskontie-renden Größe folgerichtig zu verzichten.

Anhang IV:Ableitung der Zinsstrukturkurve auf Basis

der Svensson-MethodeNach der Svensson-Methode wird die laufzeitabhän-gige Zerobondrendite wie folgt definiert:

)/exp()/(

)/exp(1

)/exp()/(

)/exp(1)/(

)/exp(1),,(

22

23

11

12

1

110

TT

T

TT

TT

TTz

Hierbei bezeichnet z (T, β, τ) den Zinssatz für die Laufzeit T in Jahren als Funktion der zu schätzen-den Parametervektoren β = [ β0, β1, β2, β3] und τ = [τ1, τ2].153 Durch Rückgriff auf die Zeitreihendaten-bank der Deutschen Bundesbank können tägliche Schätzungen dieser Parameter abgerufen werden.154 Unter Verwendung dieser Parameter lassen sich ge-mäß der obigen Gleichung die Zinssätze für hypo-thetische Zerobonds ableiten und damit tägliche Zinsstrukturkurven darstellen.

153 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Statistisches Beiheft „Kapital-marktstatistik Juni 2005“, S. 66 f.

154 Download unter http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeit-reihen.php?func = list&tr = www_s300_it03. am 10.11.2005.

Page 23: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006 1027

Wagner / Jonas / Ballwieser / Tschöpel: Unternehmensbewertung in der Praxis

In Übersicht 17 werden für einen Zeitraum vom 01.10.2005 bis 30.12.2005 die Zinssätze hypothetischer Zerobonds nach der Svensson-Methode für Restlauf-zeiten von 1 bis 249 Jahren dargestellt. In einem zwei-ten Schritt wurden aus den täglichen Zinsstrukturkur-ven über die dargestellten drei Monate pro Laufzeitjahr Durchschnittsrenditen ermittelt, um eine nachvollzieh-bare Glättung kurzfristiger Marktschwankungen zu er-zielen sowie mögliche Schätzfehler zu reduzieren.

Anhang V:Empirische Untersuchungen zur Marktrisiko-

prämie am deutschen KapitalmarktÜbersicht 18 zeigt Ergebnisse empirischer Studien für den deutschen Kapitalmarkt im Überblick. Ge-messen wurden jeweils Marktrisikoprämien vor per-sönlicher Ertragsteuer.

Anhang VI:Berücksichtigung von thesaurierungsbedingtem

und inflationsbedingtem WachstumDas gleiche Ergebnis wie in Kap. 6. lässt sich in Anlehnung und Erweiterung unserer früheren Er-

gebnisse ableiten. So erweitert sich bei Wagner/ Jonas/Ballwieser/Tschöpel die Gleichung (3.2)155 unter Berücksichtigung inflationsbedingten Wachs-tums zu

1,1099%51,4%55,7

)%00,1%55,7

%55,7)(2

%0,351(1,7845,0

))(2

1(

thnStj

nStj

nStj

wrwr

restqGUW

,

bzw. Gleichung (3.5) zu156

1,1099%55,7

)%00,1%55,7

%55,7)(2

%0,3545,01(1,78

))(2

1(

nStj

nStj

nStj

rwr

restqGUW

.

155 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 897, Gleichung (3.2).

156 Vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2004, S. 897, Gleichung (3.5).

Autoren Zeitraum Beobachtete Kapitalmarktgrößen

Marktrisiko-prämie

(arithmetisches Mittel)

Marktrisiko-prämie

(geometrischesMittel)

Differenz zwischen

arithmetischem und geo me-

trischem Mittel

Stehle (2004) 1955 – 2003 Deutsche Aktien (C-DAX), Bundeswertpapiere (REXP) 5,46 % 2,66 % 2,80 %

Stehle (2004) 1955 – 2003 Deutsche Aktien (DAX),Bundeswertpapiere (REXP) 6,02 % 2,76 % 3,26 %

Dimson/Marsh/Staunton (2003)

1900 – 2002 Deutsche Aktien, langfristige Staatsanleihen 9,00 % 5,70 % 3,30 %

Steiner/Uhlir (2001) 1953 – 1984

Deutsche Aktien (Index des Statistischen Bundesamtes),

Schatzanweisungen des Bundes, der Bundesbahn und der

Bundespost sowie Geldmarkt-papiere

9,80 % – –

Ermittlung der Zinsstrukturkurve nach der Svensson-MethodeDatum Parameter der Zeitreihendatenbank Zinssätze in % für Restlaufzeiten in Jahren β0 β1 β2 β3 τ1 τ2 1 2 3 4 248 24901.10.2005 – – – – – … – –02.10.2005 – – – – – … – –03.10.2005 4,26432 – 2,19820 0,11654 – 1,28015 3,36262 3,88350 2,2380 2,3954 2,5389 2,6694 … 4,2160 4,216204.10.2005 4,29484 – 2,23132 1,29900 – 2,20965 3,73981 3,78607 2,2374 2,3981 2,5457 2,6804 … 4,2470 4,2472… … … … … … … … … … … … … …28.12.2005 4,05270 – 1,75198 1,70494 – 3,14812 1,38868 2,25837 2,6677 2,8339 2,9287 3,0022 … 4,0238 4,023929.12.2005 3,86078 – 1,49667 – 0,00732 – 1,06122 1,38396 2,82471 2,6446 2,8294 2,9604 3,0597 … 3,8403 3,840430.12.2005 4,18380 – 1,36063 – 0,68441 – 1,20304 5,42402 0,15000 2,7067 2,8565 2,9465 3,0194 … 4,1383 4,1385

Mittelwerte vom 01.10.2005 bis 30.12.2005 2,4949 2,6677 2,8044 2,9242 … 4,2352 4,2354

Über sicht 17

Page 24: DIE WIRTSCHAFTSPRÜFUNG - DAS EXPERTENPORTAL DER …

Autoren Zeitraum Beobachtete Kapitalmarktgrößen

Marktrisiko-prämie

(arithmetisches Mittel)

Marktrisiko-prämie

(geometrischesMittel)

Differenz zwischen

arithmetischem und geo me-

trischem Mittel

Stehle (1999) 1969 – 1998 Deutsche Aktien (DAX),Bundeswertpapiere 6,65 % 3,20 % 3,45 %

Morawietz (1994) 1870 – 1992

Deutsche Aktien (Index des Statistischen Bundesamtes bzw. dessen Vorgänger), Portfeuille

aus festverzinslichen Wert-papieren, Tagesgeld

– 3,10 % –

Bimberg (1993) 1954 – 1988 Deutsche Aktien (Index des Statistischen Bundesamtes), Bundesanleihen, Tagesgeld

8,20 % 5,30 % 2,90 %

Conen/Väth (1993) 1949 – 1992

Deutsche Aktien (Index des Statistischen Bundesamtes), Index zu Schatzanweisungen des Bundes, der Bundesbahn

und der Bundespost sowie REXP

10,43 % 6,80 % 3,63 %

Stehle/Hartmond

(1991) 1954 – 1988

Alle Werte des amtlichen Handels an der Frankfurter

Börse, langfristige festverzins-liche Wertpapiere sowie

Monatsgeld

– 4,80 –

Über sicht 18

1028 Die Wirtschaftsprüfung, Heft 16/2006

Castedello / Klingbeil / Schröder: IDW RS HFA 16 – Unternehmenserwerbe und Werthaltigkeitsprüfungen nach IFRS

IDW RS HFA 16: Bewertungen bei derAbbildung von Unternehmenserwerben und

bei Werthaltigkeitsprüfungen nach IFRSVon WP/StB Dr. Marc Castedello, WP/StB Christian Klingbeil und Dr. Jakob Schröder, alle München*

1. Bedeutung und Enstehung von IDW RS HFA 16Am 18.10.2005 hat der Hauptfachausschuss des IDW nach fast zweieinhalbjähriger Bearbeitungszeit seine Stellungnahme zur Rechnungslegung IDW RS HFA 16 veröffentlicht1. Die Verabschiedung einer Stellungnahme erschien dem HFA notwendig, weil mit der Einführung von IFRS 3 und der Überarbei-tung von IAS 38 und IAS 36 in 2004 die Bewertung einzelner, insbesondere immaterieller Vermögens-werte sowie von zahlungsmittelgenerierenden Ein-heiten erhöhte Bedeutung erlangt hat. Aufgrund der neuen Regelungen für die Bilanzierung von Unter-nehmenszusammenschlüssen mit Datum des Ver-

* WP/StB Dr. Marc Castedello ist Partner bei KPMG im Bereich Corporate Finance in München. WP/StB Christian Klingbeil ist im selben Bereich Director sowie Dr. Jakob Schröder Manager.

1 Vgl. IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Bewertungen bei der Abbildung von Unternehmenserwerben und bei Werthaltigkeits-prüfungen nach IFRS (IDW RS HFA 16), WPg 2005, S. 1415 ff.

tragsabschlusses ab 31.03.2004, mit denen der IASB dem US-amerikanischen Standardsetter gefolgt ist, sind Ermittlungen des beizulegenden Zeitwerts (fair value) sowohl häufiger durchzuführen als auch in ihren Auswirkungen auf die Vermögens- und Er-tragslage der betreffenden Unternehmen von we-sentlich größerem Einfluss als bei dem ersetzten Standard IAS 22 i. V. mit IAS 38 (1998) und IAS 36 (1998). Hierfür können die folgenden Gründe ge-nannt werden:• Mit der Abschaffung der Interessenzusammenführungsme-

thode (uniting of interests) und der verpflichtenden Anwen-dung allein der Erwerbsmethode (purchase method) kommt es entsprechend der Neubewertungsmethode der Kapitalkonsoli-dierung stets zu einem Ansatz der Vermögenswerte, Schulden und Eventualschulden zum beizulegenden Zeitwert.

• Die Abschaffung der planmäßigen Abschreibung des Ge-schäfts- oder Firmenwerts (goodwill) ist mit einer nun min-destens einmal jährlich durchzuführenden Werthaltigkeitsprü-fung (impairment test) des Geschäfts- oder Firmenwerts ver-bunden.