Die Zeit: Weg vom Projekt

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4. November 2010 DIE ZE IT N o 45 79 CHANCEN HOCHSCHULE NACKTE ZAHLEN 91,3 ... Prozent aller Vermittlungsgutscheine werden nicht genutzt. Die Gutscheine können bei der Jobsuche bei privaten Arbeits- vermittlungsagenture n eingelöst werden Eigentlich habe ich schon das Gefühl, dass mir Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung in der Schule gut beigebracht wurden. Unser Deutschlehrer war immer sehr streng: Zu Beginn des Unterrichts mussten wir alle stehen, dann hat er Fragen zur Grammatik gestellt. Nur wer seine Frage richtig beantwortete, durfte sich setzen. Das war schon sehr hart und nervig – aber heute bin ich froh, dass ich weiß, wie man richtig schreibt. Ich habe das Gefühl, dass viele meiner Freunde wegen der Sozial en Netzwerke nicht mehr richtig schreiben können oder  wollen. Wenn man mal schnell was auf einer Pinn-  wand bei Facebook postet, muss ja auch nicht immer alles stimmen, und Groß- und Kleinschreibung sind auch egal. Nur übernimmt man solche Gewohn- heiten leider ganz schnell. Wie man den Deutsch- unterricht verbessern könnte? Keine Ahnung. Auf  jeden Fall war die Methode meines Deutschlehrers auch nicht die beste.« Hast du das Gefühl, dass dir der korrekte Gebrauch unserer Mutter- sprache mit ihrer Grammatik, Rechtschreibung und Zeichenset- zung in der Schule klar und ausreichend vermittelt worden ist?  Wenn nicht – wie könnte man den Unterricht deiner Meinung nach verbessern?« Bastian Sick, Autor von »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod« Camila Heinisch, 22 Jahre, Soziologie- und Politikstudentin, Potsdam STUDENTEN ERKLÄREN IHRE WELT … antwortet … fragt: » Weg vom Projekt  Wissenschaftler sind zu kleinen Rädchen einer Maschinerie mutiert, in der vor allem eines zählt: Nutzwert. Wo bleibt die zweckfreie Gründlichkeit? VON DIETER LENZEN A ls »projektorientierte Polis« beschrieben die beiden französischen Soziologen Luc Bol- tanski und Eve Chiapello die Gesellschaft,  wie sie sich nach 1968 entwickelte. In dieser Polis ist das Leben nicht mehr als eine Abfolge von Pro-  jekten: zeitlich begrenzt, netzerweiternd und da- rauf ausgelegt, die Umwelt ununterbrochen nach Innovationsmöglichkeiten abzusuchen. Dieser Existenzmodus dominiert inzwischen auch das Universitätssystem – mit erheblichen Folgen für das Konzept von Universität, für den Beruf des  Wissenschaftlers und für die Art und Weise, Wis- sen zu generieren, zu verbreiten und zu tradieren. In der projektorientierten Polis der Universität fehlt, was für die academia konstitutiv war: aus- reichend Zeit. Forschung findet in Projekten statt, sie ist kaum mehr ein kontinuierlicher Prozess des »Bei einer Sache Bleibens«. Es gibt zweckgebunde- ne »Projektmittel«, aber praktisch keine zweck- freien Forschungsmittel mehr. Studiert und unter- richtet wird im Rahmen einer eng bemessenen »Regelstudienzeit«, beides will verwaltet sein – mit einem hohen Termindruck auf die Wissenschaft:  Wenn ein Projekt beginnt, ist das nächste zu be- antragen, die Vorlesung des 6. Semesters steht drei  Jahre zuvor fest, neue Theorien und Erkenntnisse in der Zwischenzeit sind nicht vorgesehen. Die projektorientierte Universität verändert die Lebensbedingungen der Menschen, die Wis- senschaft machen, und damit diese selbst: Zeitlich begrenzte Projekte sind ihrer Natur nach Aufgaben für ganze Gruppen von Wissenschaftlern, die in- terdisziplinär, also arbeitsteilig verfahren – dies kulminiert in der Idee des »Clusters«. Der größte Teil des Personals arbeitet inzwischen ohne Status und befristet, bis das Projekt beendet ist – und er- füllt damit unfreiwillig die 68er Forderung nach Gerechtigkeit, die nicht durch zementierte Hie- rarchien behindert wird. Mehr Menschen im Uni- versitätsbetrieb haben eine Chance – aber eine be- fristete. Die Folgen sind besorgniserregend: Das Personal, die gesamte Institution weist Spuren ei- nes »organizational burnouts« auf, höchste Leis- tungsmotivation und Leistungsfähigkeit kippen und führen in einen totalen Selbstverlust. Dies ist buchstäblich tödlich für das Konzept des Gelehr- ten und damit für beträchtliche Teile der Geistes-  wissenschaften. Zeitknappheit und Unsicherheit schlagen sich auch in den Methoden nieder: In der pro-  jektorientierten Universität ist wenig Zeit für zweckfreie Forschung, die nicht auf technologi- sche Innovation schielen muss, es ist keine Zeit für Methodenreflexion und Kritik. Soweit Letz- tere geübt wird, dient sie selbst dem Zweck der Optimierung. »Einsamkeit und Freiheit« passen nicht zu einer projektorientierten Universität, die auf Kooperation und Zweckbindung fußt, für »Bildung« durch Reflexion von Methode und Zweck der Forschung, für den klassischen Schlüssel der Rückbindung der Lehre an die Forschung, ist schwerlich Raum.  Wie wollen wir mit dieser Entwicklung zu ei- ner projektorientierten Universität künftig umge- hen? Ich schlage vor, den französischen Begriff der souplesse, zu Deutsch: Biegsamkeit, zur Leitlinie des Handelns der Universität zu machen – nicht im Sinn der Anpassung, sondern in dem Sinne, dass Wissenschaft sich an die Logik der projekt- orientierten Universität »anschmiegt«, um diese in ihrer Logik zu unterlaufen. Dazu gehört die Verlangsamung des Tempos, mit dem immer neue Projekte beantragt werden; dazu gehören Gründ- lichkeit in der Analyse und Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, beides darf Zeit be- anspruchen. Dazu gehören Verfahren, mit denen mehr Stabilität in den wissenschaftlichen Lebens- verhältnissen erzeugt wird, wie längere Beschäfti- gungszeiten und Konstanz einer Gruppe; Ver- trauen in die Leistungsbereitschaft der Wissens- produzenten statt immer neuer Prüfungen und Bewährungsverfahren. Und zu alldem gehört die Kritik als Methode.  Aber diese Form der souplesse wird nicht genü- gen. Die projektorientierte Universität ist Bestand- teil und Produkt einer projektorientierten Politik, die sich mit ähnlichen Phänomenen konfrontiert sieht: Zeitmangel, Burn-out, Zustimmungsverlust und Zerstörung des Politischen als Ort des Aus- bildens von guten Lösungen in differenzierten In- teressenlagen. Daraus könnte eine Gemeinschaft von Wissenschaft und Politik entstehen. Man müsste sich einigen: Etwa darauf, dass in der Forschung die Zeit der großen Wettbewerbe langsam in eine Zeit der Kontinuität für jene Strukturen überführt wird, die in den letzten Jah- ren projektorientiert entstanden sind. Man könnte sich auf die Förderung auch des Inkommensur- ablen verständigen: »Blue sky research«. Man könn- te gemeinsam zur Auffassung gelangen, dass In- novationen nicht nur technischer, sondern auch kultureller Natur sein können und darüber dis- kutieren, ob jedes denkbare Experiment auch  wünschenswert und somit förderungswürdig ist. Und: wenn man sich darüber einig ist, dass es das Ziel von Wissenschaft ist, Gewissheiten, evidence, zu generieren, aber ebenso und gleichwertig auch  Wahrheiten, einen gesellschaftlichen Konsensus darüber, wie wir künftig miteinander leben wol- len, dann wäre eine Gemeinschaft von Wissen- schaft und Politik erreicht. Schließlich die akademische Selbstverwaltung. Kein Zweifel, ebenso wie die wettbewerbsorien- tierte Forschung und wie der Bolognaprozess hat das New Public Management einen einzigartigen  Aktivierungsschub für den tertiären Sektor des deutschen Bildungswesens mit sich gebracht. Man kann von Leistungsreserven sprechen, die »ge- hoben« wurden, und davon, dass Bereiche identi- fiziert wurden, deren Inaktivität die Frage aufwarf, ob die Verwendung von öffentlichen Mitteln dort angemessen war. Die diesem Management zu- grunde liegende Output-Orientierung allerdings ist mittelfristig mit einem erheblichen Verlust an Zustimmung derjenigen verbunden, die den Out- put liefern sollen. Deren Zustimmung wird man nicht erlangen können, indem man die repräsentativen Entschei- dungsstrukturen der siebziger Jahre wiederherstellt, die ebenfalls mit dem Problem des Legitimations- verlustes konfrontiert waren. Deren Zustimmung erreicht man durch die Entwicklung und Erpro- bung neuer Formen der Partizipation, die möglichst viele Beteiligte erfassen. Denn die Grenzen der re- präsentativen Demokratie zeigen sich in den letzten  Jahren allenthalben, auch im Bildungsbereich, wenn beispielsweise durch Volksabstimmungen Schulre- formen verhindert werden können, die wie in Hamburg auf einem einstimmigen Beschluss eines ganzen Parlaments beruhen. In anderen Ländern  wie Dänemark hat man das Problem früher erkannt und mit einem »new circle of legitimation« darauf reagiert. Die Entwicklung solcher Konzepte wird selbst eine Aufgabe der Wissenschaft sein – auch hier also gibt es Gemeinsamkeiten zwischen dem politischen System und dem Bildungssystem. Die Universität muss die Politik im Sinne der souplesse für sich nutzen, denn Bildungspolitiker sind in derselben Lage wie die »Insassen« der Uni- versität: Sie müssen ihren finanzpolitischen »Wärtern« klarmachen, was passiert, wenn die projektorientierte Bildungsrepublik in sich zu- sammensinkt. Dieter Lenzen ist Er ziehungswissenschaftler und Präsident der Universität Hamburg »    I    l    l   u   s    t   r   a    t    i   o   n   :    G   e   r    t    A    l    b   r   e   c    h    t    f    ü   r    D    I    E    Z    E    I    T    /   w   w   w  .   g   e   r    t   a    l    b   r   e   c    h    t  .    d   e   ;    F   o    t   o   s   :    T  .    M   e   y   e   r    /   a   c    t    i   o   n   p   r   e   s   s    (   o  .   r  .    )   ;   p   r    i   v   a    t

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4. November 2010 DIE ZEIT N o 45 79CHANCEN HOCHSCHULE

NACKTE ZAHLEN

91,3... Prozent aller Vermittlungsgutscheinewerden nicht genutzt. Die Gutscheine könnenbei der Jobsuche bei privaten Arbeits-vermittlungsagenturen eingelöst werden

Eigentlich habe ich schon das Gefühl, dass mirGrammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung in der Schule gut beigebracht wurden. UnserDeutschlehrer war immer sehr streng: Zu Beginn desUnterrichts mussten wir alle stehen, dann hat erFragen zur Grammatik gestellt. Nur wer seine Fragerichtig beantwortete, durfte sich setzen. Das warschon sehr hart und nervig – aber heute bin ich froh,dass ich weiß, wie man richtig schreibt. Ich habe dasGefühl, dass viele meiner Freunde wegen der Sozial enNetzwerke nicht mehr richtig schreiben können oder

 wollen. Wenn man mal schnell was auf einer Pinn- wand bei Facebook postet, muss ja auch nicht immeralles stimmen, und Groß- und Kleinschreibung sindauch egal. Nur übernimmt man solche Gewohn-heiten leider ganz schnell. Wie man den Deutsch-unterricht verbessern könnte? Keine Ahnung. Auf 

 jeden Fall war die Methode meines Deutschlehrersauch nicht die beste.«

Hast du das Gefühl, dass dir derkorrekte Gebrauch unserer Mutter-sprache mit ihrer Grammatik,Rechtschreibung und Zeichenset-zung in der Schule klar undausreichend vermittelt worden ist? Wenn nicht – wie könnte man denUnterricht deiner Meinung nachverbessern?«

Bastian Sick,Autor von »Der Dativ istdem Genitiv sein Tod«

Camila Heinisch, 22 Jahre,Soziologie- undPolitikstudentin, Potsdam

STUDENTEN ERKLÄREN IHRE WELT

… antwortet

… fragt:

»

Weg vom Projekt Wissenschaftler sind zu kleinen Rädchen einer Maschineriemutiert, in der vor allem eines zählt: Nutzwert. Wo bleibt diezweckfreie Gründlichkeit? VON DIETER LENZEN

Als »projektorientierte Polis« beschrieben diebeiden französischen Soziologen Luc Bol-tanski und Eve Chiapello die Gesellschaft,

wie sie sich nach 1968 entwickelte. In dieser Polisst das Leben nicht mehr als eine Abfolge von Pro-jekten: zeitlich begrenzt, netzerweiternd und da-rauf ausgelegt, die Umwelt ununterbrochen nachnnovationsmöglichkeiten abzusuchen. Dieser

Existenzmodus dominiert inzwischen auch das

Universitätssystem – mit erheblichen Folgen fürdas Konzept von Universität, für den Beruf desWissenschaftlers und für die Art und Weise, Wis-en zu generieren, zu verbreiten und zu tradieren.

In der projektorientierten Polis der Universitätfehlt, was für die academia  konstitutiv war: aus-reichend Zeit. Forschung findet in Projekten statt,ie ist kaum mehr ein kontinuierlicher Prozess des

»Bei einer Sache Bleibens«. Es gibt zweckgebunde-ne »Projektmittel«, aber praktisch keine zweck-freien Forschungsmittel mehr. Studiert und unter-richtet wird im Rahmen einer eng bemessenen»Regelstudienzeit«, beides will verwaltet sein – miteinem hohen Termindruck auf die Wissenschaft:Wenn ein Projekt beginnt, ist das nächste zu be-antragen, die Vorlesung des 6. Semesters steht dreiJahre zuvor fest, neue Theorien und Erkenntnissen der Zwischenzeit sind nicht vorgesehen.

Die projektorientierte Universität verändertdie Lebensbedingungen der Menschen, die Wis-enschaft machen, und damit diese selbst: Zeitlich

begrenzte Projekte sind ihrer Natur nach Aufgabenfür ganze Gruppen von Wissenschaftlern, die in-erdisziplinär, also arbeitsteilig verfahren – dies

kulminiert in der Idee des »Clusters«. Der größteTeil des Personals arbeitet inzwischen ohne Statusund befristet, bis das Projekt beendet ist – und er-füllt damit unfreiwillig die 68er Forderung nachGerechtigkeit, die nicht durch zementierte Hie-rarchien behindert wird. Mehr Menschen im Uni-

versitätsbetrieb haben eine Chance – aber eine be-fristete. Die Folgen sind besorgniserregend: DasPersonal, die gesamte Institution weist Spuren ei-nes »organizational burnouts« auf, höchste Leis-tungsmotivation und Leistungsfähigkeit kippenund führen in einen totalen Selbstverlust. Dies istbuchstäblich tödlich für das Konzept des Gelehr-ten und damit für beträchtliche Teile der Geistes-

 wissenschaften.

Zeitknappheit und Unsicherheit schlagensich auch in den Methoden nieder: In der pro- jektorientierten Universität ist wenig Zeit fürzweckfreie Forschung, die nicht auf technologi-sche Innovation schielen muss, es ist keine Zeitfür Methodenreflexion und Kritik. Soweit Letz-tere geübt wird, dient sie selbst dem Zweck derOptimierung. »Einsamkeit und Freiheit« passennicht zu einer projektorientierten Universität,die auf Kooperation und Zweckbindung fußt,für »Bildung« durch Reflexion von Methodeund Zweck der Forschung, für den klassischenSchlüssel der Rückbindung der Lehre an dieForschung, ist schwerlich Raum.

 Wie wollen wir mit dieser Entwicklung zu ei-ner projektorientierten Universität künftig umge-hen? Ich schlage vor, den französischen Begriff dersouplesse, zu Deutsch: Biegsamkeit, zur Leitliniedes Handelns der Universität zu machen – nichtim Sinn der Anpassung, sondern in dem Sinne,dass Wissenschaft sich an die Logik der projekt-orientierten Universität »anschmiegt«, um diesein ihrer Logik zu unterlaufen. Dazu gehört dieVerlangsamung des Tempos, mit dem immer neue

Projekte beantragt werden; dazu gehören Gründ-lichkeit in der Analyse und Veröffentlichung vonForschungsergebnissen, beides darf Zeit be-anspruchen. Dazu gehören Verfahren, mit denenmehr Stabilität in den wissenschaftlichen Lebens-verhältnissen erzeugt wird, wie längere Beschäfti-

gungszeiten und Konstanz einer Gruppe; Ver-trauen in die Leistungsbereitschaft der Wissens-produzenten statt immer neuer Prüfungen undBewährungsverfahren. Und zu alldem gehört dieKritik als Methode.

 Aber diese Form der souplesse wird nicht genü-gen. Die projektorientierte Universität ist Bestand-teil und Produkt einer projektorientierten Politik,die sich mit ähnlichen Phänomenen konfrontiert

sieht: Zeitmangel, Burn-out, Zustimmungsverlustund Zerstörung des Politischen als Ort des Aus-bildens von guten Lösungen in differenzierten In-teressenlagen. Daraus könnte eine Gemeinschaftvon Wissenschaft und Politik entstehen.

Man müsste sich einigen: Etwa darauf, dass inder Forschung die Zeit der großen Wettbewerbelangsam in eine Zeit der Kontinuität für jeneStrukturen überführt wird, die in den letzten Jah-ren projektorientiert entstanden sind. Man könntesich auf die Förderung auch des Inkommensur-ablen verständigen: »Blue sky research«. Man könn-te gemeinsam zur Auffassung gelangen, dass In-novationen nicht nur technischer, sondern auchkultureller Natur sein können und darüber dis-kutieren, ob jedes denkbare Experiment auch

  wünschenswert und somit förderungswürdig ist.Und: wenn man sich darüber einig ist, dass es dasZiel von Wissenschaft ist, Gewissheiten, evidence,zu generieren, aber ebenso und gleichwertig auch

  Wahrheiten, einen gesellschaftlichen Konsensusdarüber, wie wir künftig miteinander leben wol-len, dann wäre eine Gemeinschaft von Wissen-schaft und Politik erreicht.

Schließlich die akademische Selbstverwaltung.Kein Zweifel, ebenso wie die wettbewerbsorien-tierte Forschung und wie der Bolognaprozess hatdas New Public Management einen einzigartigen

  Aktivierungsschub für den tertiären Sektor desdeutschen Bildungswesens mit sich gebracht. Man

kann von Leistungsreserven sprechen, die »ge-hoben« wurden, und davon, dass Bereiche identi-fiziert wurden, deren Inaktivität die Frage aufwarf,ob die Verwendung von öffentlichen Mitteln dortangemessen war. Die diesem Management zu-grunde liegende Output-Orientierung allerdingsist mittelfristig mit einem erheblichen Verlust anZustimmung derjenigen verbunden, die den Out-put liefern sollen.

Deren Zustimmung wird man nicht erlangenkönnen, indem man die repräsentativen Entschei-dungsstrukturen der siebziger Jahre wiederherstellt,die ebenfalls mit dem Problem des Legitimations-verlustes konfrontiert waren. Deren Zustimmung erreicht man durch die Entwicklung und Erpro-bung neuer Formen der Partizipation, die möglichstviele Beteiligte erfassen. Denn die Grenzen der re-präsentativen Demokratie zeigen sich in den letzten

 Jahren allenthalben, auch im Bildungsbereich, wennbeispielsweise durch Volksabstimmungen Schulre-formen verhindert werden können, die wie inHamburg auf einem einstimmigen Beschluss einesganzen Parlaments beruhen. In anderen Ländern

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Die Universität muss die Politik im Sinne dersouplesse für sich nutzen, denn Bildungspolitikersind in derselben Lage wie die »Insassen« der Uni-versität: Sie müssen ihren finanzpolitischen

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Dieter Lenzen ist Er ziehungswissenschaftler undPräsident der Universität Hamburg 

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