Dienstag, 6. April 2010 MZ Römer kann man berühren und riechen · BRENNPUNKT BADEN/WINDISCH...

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Dienstag, 6. April 2010 MZ 20 BRENNPUNKT BADEN/WINDISCH Eine Abteilung der Legio XI Claudia Pia Fidelis mar- schierte von Baden nach Windisch. Ziel: das Legions- lager Vindonissa. Dort er- lebten die zahlreichen Besu- cher ein faszinierendes Ge- schehen zum Saisonauftakt des Legionärspfades. URSULA BURGHERR Was sich am Ostersonntagmor- gen im Badener Mättelipark ab- spielte, war kein Traum, auch wenn sich mancher Spaziergän- ger verwundert die Augen rieb. Eine Zeitmaschine schien die Anwesenden über 1900 Jahre zu- rück in die römische Geschichte katapultiert zu haben: Auf der Wiese machten sich zwei Dut- zend Legionäre für ihren Fuss- marsch Richtung Windisch pa- rat. Staunende Blicke und Foto- kameras kümmerten die Män- ner wenig, zu beschäftigt waren sie: Maultiere mit Zelten und Palisadenstangen bepacken, Schildpanzer, Gürtel oder Ket- tenhemden anlegen, Helme auf- setzen, Schutzschilder, Speere und Schwerter fassen und auf den Abmarschbefehl des Kom- mandanten warten. In kriegeri- scher Vollmontur ging es dann im Gleichschritt Marsch Rich- tung Legionslager Vidonissa. «Man muss ziemlich fit sein, um mit den rund 30 bis 40 Kilo, die Rüstung und Gepäck wiegen, kilometerlange Strecken zurück- zulegen», meinte Tiberius Celli- us Jovianus (im wahren Leben Tomi Zeller). Dass die Männer der Legio XI und ihre italieni- schen Kollegen von der Legio Pretoria voll im Saft sind, zeigte sich am zackigen Tempo, mit dem sie den Weg der Limmat entlang Richtung Windisch schritten. Dort – beim wiedereröff- neten Legionärspfad – wartete ein grosses Publikum gespannt auf ihre Ankunft. Mit einem Zeremoniell wie in alten römi- schen Zeiten sollten die Legions- fahne sowie das frisch fertig ge- stellte Centurionenhaus geweiht werden. Fahnenweihe durch Priester Die Zeiten, in denen Legionä- re das Rückgrat der römischen Armee bildeten, sind längst ver- gangen. Mit erstaunlicher Au- thentizität lebt der Verein Legio XI aber immer noch die römi- sche Militärgeschichte bzw. das zivile Leben im militärischen Umfeld aus. Detailgetreu orien- tiert er sich punkto Ausrüstung, Exerzier-Übungen, Legionärsall- tag usw. an der historischen und archäologisch verbürgten Prä- senz der Legio XI Claudia Pia Fi- delis, die 69 bis 101 n. Chr. in Vindonissa stationiert war. Die Weihe der Fahne wurde von ei- nem römisch gewandeten Pries- ter vollzogen. Selbstverständlich in Originalsprache: Latein. Fleisch ja, Opfertiere nein Erneut wurden Besucherin- nen und Besucher im Zeitraffer in die Vergangenheit zurückver- setzt, als sich die Legionäre – von Weihrauchschwaden umhüllt – mit Blut segnen liessen. «Früher wurden an solchen Weih-Ritua- len Tiere geopfert – das Beste ging an die Götter, das Fleisch wurde später unter den Legio- nären verteilt», erklärt Lucius Li- vius Civicola (Yves Rüttimann, Präsident Legio IX). Extra für die zweite Saisoneröffnung des Le- gionärspfades musste aber kein «animal» seine «anima» herge- ben, ein Stück beim Metzger er- standene Leber genügte. Fast echte römische Truppen starteten in Baden, marschierten nach Windisch und eröffneten den Legionärspfad Römer kann man berühren und riechen LEBENDIG DARGESTELLTE VERGANGENHEIT Die Truppen marschieren von Baden kommend in Windisch im Legionärslager ein, wo sie viel Publikum erwartete. URSULA BURGHERR RITUELLE HANDLUNGEN Ein Priester bereitet die Weihe von Fahnen und Männern vor. AUSRÜSTUNG Die Männer bereiten sich in Baden auf den Marsch vor. NICHT NUR MÄNNER Beim Spektakel machten auch Frauen mit. Exakt zur Saisoneröffnung des Legionärspfads am 4. April stand die zweite Le- gionärsunterkunft – das Cen- turionenhaus – bezugsbereit und wurde sofort von der hereinmarschierenden Legio XI in Beschlag genommen. Künftig soll es dem Publi- kum als weitere Attraktion des Legionärspfades zu- gänglich sein. Die Hörspiele auf dem spannenden Par- cours werden nun in drei Sprachen angeboten (Deutsch, Englisch und Fran- zösisch) und lassen Besu- chende in die faszinierende Welt der Archäologie eintau- chen. Ebenfalls erweitert wurde das Angebot für Schulklassen. Unter ande- rem mit fünf neuen Work- shops (z. B. «Der Legionär und sein Privatleben» oder «Das Leben im Legions- lager»). Weitere Infos (Öffnungszei- ten, kulinarische Angebote, Workshops, Übernachtungs- möglichkeiten usw.) auf www.legionaerspfad.ch oder unter Tel. 056 444 27 77. Noch spannender und erlebnisreicher Yves Rüttimann – Präsident Ver- ein Legio XI und Leutnant der Truppe Lucius Livius Silvicola Arietinus, präsentiert sich mit: Helm (lat. assis), auf dem Adler- federn und eine «Cresta» aus Pferdehaar prangen; massivem Gliederpanzer (lorica segmen- tata) und Gürtel (cingulum) aus geschmiedetem Eisen, Schwert (gladius), Schutzschild aus Holz, mit Leder und Leinen bezogen (scutum), und römischen San- dalen (caligae). (UBU) WAS EIN LEGIONÄR SO ALLES MIT SICH TRÄGT

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Dienstag, 6. April 2010 MZ 20BRENNPUNKT BADEN/WINDISCH

Eine Abteilung der Legio XIClaudia Pia Fidelis mar-schierte von Baden nachWindisch. Ziel: das Legions-lager Vindonissa. Dort er-lebten die zahlreichen Besu-cher ein faszinierendes Ge-schehen zum Saisonauftaktdes Legionärspfades.

URSULA BURGHERR

Was sich am Ostersonntagmor-gen im Badener Mättelipark ab-spielte, war kein Traum, auchwenn sich mancher Spaziergän-ger verwundert die Augen rieb.Eine Zeitmaschine schien dieAnwesenden über 1900 Jahre zu-rück in die römische Geschichtekatapultiert zu haben: Auf derWiese machten sich zwei Dut-zend Legionäre für ihren Fuss-marsch Richtung Windisch pa-rat.

Staunende Blicke und Foto-kameras kümmerten die Män-ner wenig, zu beschäftigt warensie: Maultiere mit Zelten undPalisadenstangen bepacken,Schildpanzer, Gürtel oder Ket-tenhemden anlegen, Helme auf-setzen, Schutzschilder, Speereund Schwerter fassen und aufden Abmarschbefehl des Kom-mandanten warten. In kriegeri-scher Vollmontur ging es dannim Gleichschritt Marsch Rich-tung Legionslager Vidonissa.

«Man muss ziemlich fit sein,um mit den rund 30 bis 40 Kilo,die Rüstung und Gepäck wiegen,kilometerlange Strecken zurück-zulegen», meinte Tiberius Celli-us Jovianus (im wahren LebenTomi Zeller). Dass die Männerder Legio XI und ihre italieni-schen Kollegen von der LegioPretoria voll im Saft sind, zeigtesich am zackigen Tempo, mitdem sie den Weg der Limmatentlang Richtung Windischschritten.

Dort – beim wiedereröff-neten Legionärspfad – warteteein grosses Publikum gespanntauf ihre Ankunft. Mit einemZeremoniell wie in alten römi-schen Zeiten sollten die Legions-fahne sowie das frisch fertig ge-stellte Centurionenhaus geweihtwerden.

Fahnenweihe durch PriesterDie Zeiten, in denen Legionä-

re das Rückgrat der römischenArmee bildeten, sind längst ver-gangen. Mit erstaunlicher Au-thentizität lebt der Verein LegioXI aber immer noch die römi-sche Militärgeschichte bzw. das

zivile Leben im militärischenUmfeld aus. Detailgetreu orien-tiert er sich punkto Ausrüstung,Exerzier-Übungen, Legionärsall-tag usw. an der historischen undarchäologisch verbürgten Prä-senz der Legio XI Claudia Pia Fi-delis, die 69 bis 101 n. Chr. inVindonissa stationiert war. DieWeihe der Fahne wurde von ei-nem römisch gewandeten Pries-

ter vollzogen. Selbstverständlichin Originalsprache: Latein.

Fleisch ja, Opfertiere neinErneut wurden Besucherin-

nen und Besucher im Zeitrafferin die Vergangenheit zurückver-setzt, als sich die Legionäre – vonWeihrauchschwaden umhüllt –mit Blut segnen liessen. «Früherwurden an solchen Weih-Ritua-

len Tiere geopfert – das Besteging an die Götter, das Fleischwurde später unter den Legio-nären verteilt», erklärt Lucius Li-vius Civicola (Yves Rüttimann,Präsident Legio IX). Extra für diezweite Saisoneröffnung des Le-gionärspfades musste aber kein«animal» seine «anima» herge-ben, ein Stück beim Metzger er-standene Leber genügte.

Fast echte römische Truppen starteten in Baden, marschierten nach Windisch und eröffneten den Legionärspfad

Römer kann man berühren und riechen

LEBENDIG DARGESTELLTE VERGANGENHEIT Die Truppen marschieren von Baden kommend in Windisch im Legionärslager ein, wo sie viel Publikum erwartete. URSULA BURGHERR

RITUELLE HANDLUNGEN Ein Priester bereitet die Weihe von Fahnen und Männern vor.

AUSRÜSTUNG Die Männer bereiten sich in Baden auf den Marsch vor.

NICHT NUR MÄNNER Beim Spektakel machten auch Frauen mit.

Exakt zur Saisoneröffnungdes Legionärspfads am4. April stand die zweite Le-gionärsunterkunft – das Cen-turionenhaus – bezugsbereitund wurde sofort von derhereinmarschierenden LegioXI in Beschlag genommen.Künftig soll es dem Publi-kum als weitere Attraktiondes Legionärspfades zu-

gänglich sein. Die Hörspieleauf dem spannenden Par-cours werden nun in dreiSprachen angeboten(Deutsch, Englisch und Fran-zösisch) und lassen Besu-chende in die faszinierendeWelt der Archäologie eintau-chen. Ebenfalls erweitertwurde das Angebot fürSchulklassen. Unter ande-

rem mit fünf neuen Work-shops (z. B. «Der Legionärund sein Privatleben» oder«Das Leben im Legions-lager»).Weitere Infos (Öffnungszei-ten, kulinarische Angebote,Workshops, Übernachtungs-möglichkeiten usw.) aufwww.legionaerspfad.ch oderunter Tel. 056 444 27 77.

Noch spannender und erlebnisreicherYves Rüttimann – Präsident Ver-ein Legio XI und Leutnant derTruppe Lucius Livius SilvicolaArietinus, präsentiert sich mit:Helm (lat. assis), auf dem Adler-federn und eine «Cresta» ausPferdehaar prangen; massivemGliederpanzer (lorica segmen-tata) und Gürtel (cingulum) ausgeschmiedetem Eisen, Schwert(gladius), Schutzschild aus Holz,mit Leder und Leinen bezogen(scutum), und römischen San-dalen (caligae). (UBU)

WAS EIN LEGIONÄRSO ALLES MIT SICH TRÄGT