Differenzierung von Kugelschreiberpasten durch Thermodesorption und GC-MS

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Archiv für Kriminologie 214: 141-148 (2004) Aus dem Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamtes München (Leiter: Dr. rer. nat. D. Benicke) Differenzierung von Kugelschreiberpasten durch Thermodesorption und Gaschromatographie-Massenspektrometrie Von Dr. rer. nat. Jürgen Bügler, Dr. rer. nat. Hans Buchner und Dr. rer. nat. Anton Dallmayer (Mit 5 Abbildungen) 1. Einleitung 141 Im Bereich der Urkundentechnik werden für die Differenzierung von Schreibmitteln neben physikalischen Verfahren, wie der Bestim- mung der Remission oder der Infrarotlumineszenz, in zunehmendem Maße auch die chemisch-analytischen Verfahren der Dünnschicht- chromatographie (TLC) (1) und der Hochleistungs-Flüssigchromato- graphie (HPLC) (2) angewandt. Diese Verfahren kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn für die Bestimmung des Schriftalters eine ein- deutige Zuordnung einer fraglichen Schreibspur zu Mustern einer Ver- gleichssammlung erfolgen muss. Wenn das Datum der Marktein- führung des identifizierten und zugeordneten Vergleichsmusters be- kannt ist, führt dies zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Verwendung. Wurde ein Schreibmittel für die Erstellung eines Dokumentes verwen- det, das auf einen Zeitpunkt vor dessen Markteinführung datiert ist, liegt somit ein Anachronismus vor, der den Tatbestand der Urkunden- fälschung erfüllt. Für die exakte Zuordnung fraglicher Schreibspuren ist eine umfas- sende Sammlung von Vergleichsmustern erforderlich. Am Kriminal- technischen Institut des Bayerischen Landeskriminalamtes (BLKA) existiert, beginnend mit dem Jahre 1954, eine Schreibmittelsammlung mit mehr als 4500 Mustern von Kugelschreiberpasten, Tinten, Tonern, usw., die laufend aktualisiert wird, so dass eine rasche Zuordnung auch neuester, fraglicher Schreibmittelspuren nach Inhaltsstoffen er- möglicht wird. Neben der Differenzierung nach Schreibmitteltyp und-farbewerden die in der Sammlung vorhandenen Muster auf der

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Differentiation and classification of ink entries with dated samples of a reference collection are important aspects in the examination of questioned documents. Classification of writing inks is presently achieved by analysis of dyes and colorants contained in the ink. This technique has its limitations in newly developed ink formulations with identical ye composition but differing in their solvents and hinder resins. This paper introduces a method for the determination of solvents and hinder resins of an ink sample directly from paper without sample preparation. This aim is accomplished by thermodesorption of the sample followed by gas chromatography/mass spectroscopy. The method was tested an numerous samples of ballpoint pen inks, which were subsequently grouped into several solvent and resin subgroups.

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Archiv für Kriminologie 214: 141-148 (2004)

Aus dem Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamtes München (Leiter: Dr. rer. nat. D. Benicke)

Differenzierung von Kugelschreiberpasten durch Thermodesorption und

Gaschromatographie-Massenspektrometrie Von

Dr. rer. nat. Jürgen Bügler, Dr. rer. nat. Hans Buchner und Dr. rer. nat. Anton Dallmayer

(Mit 5 Abbildungen)

1. Einleitung

141

Im Bereich der Urkundentechnik werden für die Differenzierung von Schreibmitteln neben physikalischen Verfahren, wie der Bestim­mung der Remission oder der Infrarotlumineszenz, in zunehmendem Maße auch die chemisch-analytischen Verfahren der Dünnschicht­chromatographie (TLC) (1) und der Hochleistungs-Flüssigchromato­graphie (HPLC) (2) angewandt. Diese Verfahren kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn für die Bestimmung des Schriftalters eine ein­deutige Zuordnung einer fraglichen Schreibspur zu Mustern einer Ver­gleichssammlung erfolgen muss. Wenn das Datum der Marktein­führung des identifizierten und zugeordneten Vergleichsmusters be­kannt ist, führt dies zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Verwendung. Wurde ein Schreibmittel für die Erstellung eines Dokumentes verwen­det, das auf einen Zeitpunkt vor dessen Markteinführung datiert ist, liegt somit ein Anachronismus vor, der den Tatbestand der Urkunden­fälschung erfüllt.

Für die exakte Zuordnung fraglicher Schreibspuren ist eine umfas­sende Sammlung von Vergleichsmustern erforderlich. Am Kriminal­technischen Institut des Bayerischen Landeskriminalamtes (BLKA) existiert, beginnend mit dem Jahre 1954, eine Schreibmittelsammlung mit mehr als 4500 Mustern von Kugelschreiberpasten, Tinten, Tonern, usw., die laufend aktualisiert wird, so dass eine rasche Zuordnung auch neuester, fraglicher Schreibmittelspuren nach Inhaltsstoffen er­möglicht wird. Neben der Differenzierung nach Schreibmitteltyp und-farbewerden die in der Sammlung vorhandenen Muster auf der

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Basis der enthaltenen Farbstoffe eingeteilt und unterschieden. Die Farbstoffanalytik wird dabei unter Anwendung flüssigchromatogra­phischer Verfahren durchgeführt. Die Analyse durch TLC liefert eine grundlegende Einteilung, die durch HPLC verfeinert und ergänzt wird. Beispielsweise wird die Sammlung an Kugelschreiberpasten am BLKA durch das TLC-Verfahren in etwa 50 Gruppen unterteilt, deren ein­zelne Muster noch weiter durch HPLC zugeordnet werden können. In vielen dieser Farbstoffgruppen ist eine weitere Unterscheidung der Muster durch Farbstoffanalytik nicht möglich. Falls diese Gruppe ei­nen großen Zeitraum an Markteinführungsdaten umfasst, sinkt natur­gemäß die Chance auf den Nachweis eines Anachronismus bei einer zu­geordneten fraglichen Schreibspur. Die Differenzierung der in Frage kommenden Schreibmittelmuster nach weiteren Inhaltsstoffen ist da­her von entscheidender Bedeutung.

Schreibmittel enthalten, je nach Typ, verschiedene Anteile an Farb­stoffen, Bindemitteln, Lösungsmitteln und Hilfsstoffen. Bei den hier näher untersuchten Kugelschreiberpasten sind dies etwa: 5-15% Farb­stoffe, 30-50 %Bindemittel, 30-70 %Lösungsmittel,< 5% Hilfsstoffe. Lösungsmittel werden durch Gaschromatographie analysiert. Bei den bislang publizierten Verfahren (3, 4) ist jedoch eine Probenvorberei­tung durch Flüssigkeitsextraktion der Paste vom Papier erforderlich, worunter auch die erzielbare Nachweisgrenze leidet. Die Bestimmung der in Schreibmitteln enthaltenen Bindemittel direkt von Papier wurde bislang nicht beschrieben. Im Folgenden wird eine neu entwickelte Me­thode vorgestellt, welche die Charakterisierung der Lösungs- und Bin­demittel in Kugelschreiberpasten ohne Probenvorbereitung direkt von Schreibmittelspuren auf Papier mit hoher Empfindlichkeit ermöglicht.

2. Material und Methoden

2.1 Dünnschiebtchromatographie (TLC)

Die Farbstoffanalytik durch Dünnschichtchromatographie wurde mit Kieselgelplatten HPTLC Kieselgel 60 der Fa. Merck, Darmstadt unter Verwendung eines Laufmittelgemi­sches aus I-Butanol, Isopropanol, Wasser und Eisessig (20:10:10:1) in einer Camag Hori­zontalentwicklungskammer durchgeführt.

2. 2 Hochleistungs-Flüssigchromatographie (HPLC)

Die Farbstoffanalytik durch Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie wurde mit einem HPLC-Gerät der Fa. Shimadzu und einer Säule Lichrospher 60 RP select B (5 11m) unter Verwendung des Laufmittelgemisches A: B = 40 : 6 0 (A: 38,8 g/l p-Toluolsulfonsäure­Natriumsalz und21,8 ml/1 Perchlorsäure 60% indest. Wasser,pH = 1; B: Acetonitril) durch­geführt.

2.3 Thermodesorption mit Gaschromatographie­Massenspektrometrie (TD-GCMS)

Die Analyse der Schreibmittel auf Papier erfolgte an Papierstreifen (1 mm x 5 mm), die mit einem Skalpell entlang der Schreibspur ausgeschnitten wurden. Diese Streifen wurden in einem Thermodesorber TDS2 der Fa. Gerstel, Mülheim mit Autosampier 5 min lang bei

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200 oc mit Helium desorbiert (He-Fluss= 40 mL/min). Die flüchtigen organischen Sub­stanzen wurden während dieser Zeit in einem PTV-Injektor KAS4 der Fa. Gerstel bei -100 oc splitlos gesammelt und anschließend splitlos in einen Gaschromatographen Agilent 6890N mit Massenspektrometer Agilent 5973N überführt und analysiert (GC-Säule: HP5MS, 30m x 0,25 mm x 0,25 11m). Durch Vergleich der erhaltenen Massenspektren mit einer Spektrenbibliothek (NIST Mass Spectral Library V 2.0a) wurden die nach der Chro­matographie detektierten Verbindungen identifiziert.

3. Ergebnisse und Diskussion

3.1 Methodenentwicklung

Die Analyse der Lösungs- und Bindemittel von Kugelschreiberpas­ten auf Papier wird durch die geringe Menge an Pastenprobenmaterial von weniger als 5 ng je Probe (Stanzpunkt mit Durchmesser 1 mm) und den hohen Anteil der Matrix Papier von mehr als 95 % erschwert. Die durchgeführten Voruntersuchungen mit klassischen Methoden der Po­lymeranalytik (5), wie der Pyrolyse-GCMS und der Gelpermeations­chromatographie (GPC), scheiterten an diesen beiden Randbedingun­gen. Die Pyrolyse lieferte ein für die Praxis nicht tragbares Signalver­hältnis der Matrix zur Paste von> 1000:1. Die GPC ergab nach Extrak­tion der Probe lediglich ein Signal für das im Papier enthaltene Binde­mittel Stärke. Das in der Paste enthaltene Bindemittel konnte durch GPC aufgrundder verschwindend geringen Menge nicht nachgewiesen werden.

Mit der Methode der Thermodesorption wurden bereits in anderen Bereichen der Spurenanalytik sehr gute Ergebnisse erzielt (6), so dass sich die Übertragung dieser Erfahrungen in die Bindemittelanalytik anbietet. Die Methode erlaubt die kontrollierte Erwärmung des Pro­benmaterials, das Sammeln der flüchtigen organischen Verbindungen und die anschließende Analytik im Gaschromatographen. Durch Ein­stellen der Desorptionstemperatur auf einen Wert, der hoch genug ist, um die relevanten Verbindungen zu verdampfen, jedoch niedrig genug ist, um eine Zersetzung der Matrix Papier zu vermeiden, können spezi­fisch und mit hoher Empfindlichkeit die im Schreibmittel enthaltenen Lösungsmittel nachgewiesen werden. Zusätzlich liefert dieses Verfah­ren durch den Nachweis niedermolekularer, oligomerer Polymerbe­standteile Informationen über die eingesetzten Bindemittel. Das Bin­demittel wird dabei nicht zersetzt, so dass je nach Qualität des verwen­deten Polymers für denselben Polymertyp ein spezifischer "Finger­print" erhalten wird. Die Art der im Massenspektrometer erhaltenen ionischen Fragmente ist für das verwendete Polymer charakteristisch. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen typische Chromatogramme, wie sie für auf Papier vorliegende Pasten unter Anwendung der beschriebenen Methode direkt durch Thermodesorption vom Papier erhalten werden. Es werden, insbesondere auch für alte Pastenproben auf Papier, sehr gut identifizierbare Signale für die Lösungsmittel und die Bindemittel der Paste im Chromatogramm erhalten.

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5,0E+06 ..-----------------------------,

E 4,0E+06 g (II t: GI c .2 3,0E+06 "jij

~

X

LM 1

Abb. 1: Chromatogramm von einer ein Jahr auf Papier befindlichen Kugelschrei­berpaste (Paste 1797 der Schreibmittelsammlung des BLKA). Lösungsmittelsignale von Phenoxyethanol (LM 1) und Trimethylpropandiol (LM 2); BM: Bindemittelsig­nale eines Cyclohexanon-Formaldehyd-Harzes; HS: Pastenhilfsstoff Dimethyl­laurylamin; X: Verschiedene Weichmacher aus der Matrix Papier.

2,0E+07

X

E 1,5E+07 S! ti t: GI t: .2 "jij

1,0E+07 ö 1-

LM 2 s LM 1

"iii c

5,0E+06 BM .! .E X

O,OE+OO

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Zelt/ min

Abb. 2: Chromatogramm einer einJahrauf Papier befindlichen Kugelschreiberpaste (Paste 1685 der Schreibmittelsammlung des BLKA). Lösungsmittelsignale von Phenoxyethanol (LM 1) und Phenyldiglycol (LM 2); BM: Bindemittelsignale eines Acetophenon-Formaldehyd-Harzes; X: Verschiedene Weichmacher aus der Matrix Papier.

Der Vergleich mit den entsprechenden Pastenproben, die direkt aus der Kugelschreibermine entnommen in den Gaschromatographen inji­ziert wurden, ergab, dass sich das Mengenverhältnis der einzelnen Lö­sungsmittel von der Paste, die auf Papier gealtert vorliegt, unterschei-

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det. Diese Unterschiede haben ihre Ursache in der unterschiedlichen Verdunstungsgeschwindigkeit der einzelnen Lösungsmittel aus der Paste.

Das beschriebene Verfahren wurde an 121 Kugelschreiberpasten ex­emplarisch getestet. Dabei konnten die untersuchten Pasten anhand ih­rer Lösungsmittel gemäß Abb. 3 in Kategorien unterteilt werden. In Klammern ist die Anzahl der zur jeweiligen Kategorie gehörigen Mu­ster aufgeführt. 119 der 121 untersuchten Pasten enthalten Phenoxy­ethanol als HauptlösungsmitteL

mit Phenoxyethanol (119) andere LM (2)

~ mit Phenyldiglycol (65) ohne Phenyldiglycol (54)

weitere LM (32)

~ keine weiteren

LM(33) weitere LM

(29)

1\ keine weiteren

LM(25)

Abb. 3: Unterteilung der 121 getesteten Kugelschreiberpasten nach enthaltenen Lö­sungsmitteln (LM)

Durch Vergleichsmessungen an reinen Bindemittelproben konnten die 121 untersuchten Muster außerdem in die folgenden sechs Binde­mittelklassen eingeteilt werden. In eckigen Klammern ist die Anzahl an Mustern angegeben, die der jeweiligen Klasse zugeordnet wurden:

1. Acetophenon-Formaldehyd-Harz [70] (z. B.: "Ketonharz SK"), 2. Cyclohexanaon-Formaldehyd-Harz [19] (z. B.: "Ketonharz N"), 3. Alkyd-Harze [11] (z. B.: "Phthalopal-Harz"), 4. Phenol-Formaldehyd-Harz [4], 5. Kombinationen aus vorgenannten Harzen [9], 6. Nicht identifizierte Bindemittel [8].

3.2 Fallbeispiel

Anhand eines praktischen Beispiels soll die Anwendbarkeit des be­schriebenen Verfahrens erläutert werden. Eine häufig im Fallgesche­hen anzutreffende Gruppe an schwarzen Kugelschreiberpasten enthält lediglich zwei organische Farbstoffe, nämlich Methylviolett und Meta­nilgelb, sowie teilweise noch Ruß als anorganisches Pigment. Diese Gruppe trägt in der Schreibmittelsammlung des BLKA die Bezeich­nung 4/19 und enthält 17 Pastenmuster aus den Jahren 1985 bis 2001. In Abb. 4 ist ein Dünnschichtchromatogramm der Muster dieser Gruppe dargestellt. Das Chromatogramm zeigt von der Startlinie (un-

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2 2 2 3 2 3 2

Abb. 4: Dünnschichtchromatogramm der Kugelschreiberpasten aus Gruppe 4/19. Untergruppen 1 bis 3 erhalten nach Farbstoffanalytik durch TLC und HPLC.

ten) aus gesehen am Startpunkt den in einigen Mustern zusätzlich ent­haltenen Ruß, gefolgt von zwei bis drei dicht beieinander liegenden Komponenten des Methylvioletts und in einigem Abstand nach oben die Komponente für Metanilgelb. Die Unterschiede in der Punktgröße der einzelnen Pasten resultieren aus den unterschiedlichen aufgetragenen Mengen.

Die Muster aus Gruppe 4/19lassen sich durch Farbstoffanalytik mit TLC und HPLC in 3 Gruppen unterteilen: Untergruppe 1 ohne Ruß, Un­tergruppe 2 mit Ruß und Untergruppe 3 mit Ruß und einem von Unter­gruppe 2 verschiedenen Typ Methylviolett. Trotz dieser weiteren Un­terteilung ist beispielsweise eine Unterscheidung der Paste Nr. 908 (Abb. 4, ganz links, 1985 eingeführt) von Paste Nr. 1695 (Abb. 4, vor­letzte rechts, 1999 eingeführt) nicht möglich. Das Herstellungsdatum eines mit Kugelschreiberpaste unterzeichneten und auf das Jahr 1998 datierten Dokumentes, das mit einer Paste gefertigt wurde, die in den Farbstoffen mit diesen beiden Mustern (Gruppe 4/19, Untergruppe 1) übereinstimmte, konnte somit nicht bewertet werden.

Die Bestimmung der in den Pasten der Farbstoffgruppe 4/19 enthal­tenen Lösungs- und Bindemittel durch Thermodesorption ergab eine weitere Unterscheidung in insgesamt 13 Untergruppen (Abb. 5). Bei­spielsweise unterscheiden sich hier Muster Nr. 908 und Nr. 1695 deut­lich in den enthaltenen Lösungsmitteln. Das vorgenannte Fallbeispiel konnte durch die weitere Differenzierung daher bewertet werden. Eine Zuordnung der fraglichen Schreibspur zu Muster Nr. 1695 führte zu ei­nem Anachronismus bei der Herstellung des fraglichen Dokumentes und damit zum Nachweis des Tatbestandes der Urkundenfälschung.

4. Schlussfolgerungen

Mit der hier vorgestellten analytischen Methode der Thermodesorp­tions-Gaschromatographie-Massenspektrometrie (TD-GCMS) wird, in Kombination mit den bewährten Verfahren der Farbstoffanalytik, eine umfassende Charakterisierung von Schreibmitteln ermöglicht. Durch

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Abb. 5: Dünnschichtchromatogramm der Kugelschreiberpasten aus Gruppe 4/19. Die Untergruppen 1 bis 13 werden nach Lösungs- und Bindemittelanalytik durch Thermodesorptions-GCMS erhalten.

den Schritt der Thermodesorption mit Anreicherung erfasst die Me­thode im Gegensatz zur Flüssigextraktion die Gesamtmenge an flüch­tigen Verbindungen einer Schreibmittelprobe auf Papier ohne Proben­vorbereitung.

Durch die Variabilität in der Desorptionstemperatur lassen sich die zu bestimmenden Zielverbindungen aus der Probe weiter eingrenzen. Temperaturen von weniger als 150 ac führen überwiegend zur Desorp­tion der enthaltenen Lösungsmittel, Temperaturen von über 200 oc führen daneben auch zur Desorption der charakteristischen Bindemit­tel bestand teile.

Ein künftiges Ziel in der Anwendung dieser Methode ist die Alters­bestimmung von Schreibspuren auf Papier. Die Notwendigkeit zur Quantifizierung der geringen, in gealterten Schreibspuren vorhande­nen Lösungsmittelmengen und die dabei auftretende Problematik der exakten Bestimmung geringster Mengen polarer organischer Verbin­dungen, wie Phenoxyethanol, lässt das beschriebene Verfahren hierfür als sehr geeignet erscheinen.

Zusammenfassung

Die Differenzierung von Schreibmitteln sowie die Zuordnung fraglicher Schreibspu­ren zu zeitlich datierten Schreibmittelmustern sind wichtige Aspekte bei der Beantwortung urkundentechnischer Fragestellungen. Die Charakterisierung der Schreibmittel erfolgte bislang durch Farbstoffanalytik, die jedoch häufig an ihre Grenzen stößt, wenn am Markt eingeführte Schreibmittel in den Farbstoffen übereinstimmen, jedoch unterschiedliche Zu­sammensetzungen in den farblosen Bestandteilen aufweisen. Es wird ein Verfahren vorge­stellt, das die Analyse der Lösungs- und Bindemittel in Schreibmitteln direkt von Papier ohne aufwändige Probenvorbereitung ermöglicht. Das Verfahren basiert auf der Thermo­desorption mit anschließender Analyse der desorbierten Komponenten in einem Gaschro­matographen mit Massenspektrometer. Das Verfahren wurde an einer Vielzahl von Kugel­schreiberpasten erprobt. Die analysierten Pasten wurden in Lösungs- und Bindemittel­gruppen unterteilt. Anband eines Fallbeispiels wird der praktische Nutzen des neu ent­wickelten Verfahrens erläutert.

Schlüsselwörter: Kugelschreiberpaste, chemische Charakterisierung- Thermodesorp­tion-Gaschromatographie/Massenspektrometrie

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Differentiation of ballpoint pen inks by thermodesorption and gas chromatography/ mass spectrometry

Summary

Differentiation and classification of ink entries with dated samples of a reference collection are important aspects in the examination of questioned documents. Classifica­tion of writing inks is presently achieved by analysis of dyes and colorants contained in the ink. This technique has its limitations in newly developed ink formulations with identical dye composition but differing in their solvents and hinder resins. This paper introduces a method for the determination of solvents and hinder resins of an ink sample directly from paper without sample preparation. This aim is accomplished by thermodesorption of the sample followed by gas chromatography/mass spectroscopy. The method was tested an nu­merous samples of ballpoint pen inks, which were subsequently grouped into several sol­vent and resin subgroups. A case study shows the applicability of the newly developed method.

Keywords: Writing inks, chemical characterization- Thermodesorption-Gas chroma­tography /mass spectrometry

Literatur

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6. Bügler, J., Zielonka, G., Pfi tzner, L., Ryssel, H., Schottier, M.: Organic contam­ination on wafer surfaces: measurement techniques and deposition kinetics. DECON 2001 - Electrochem. Soc. Proc., vol. 2001-29, pp. 294-307 (2001)

Anschrift der Verfasser:

Dr. rer. nat. Jürgen Bügler Dr. rer. nat. Hans Buchner Dr. rer. nat. Anton Dallmayer c/o Bayerisches Landeskriminalamt Kriminaltechnisches Institut Maillingerstraße 15 D-80636 München