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VERKEHRSPLANUNG & ORGANISATION DER NAHVERKEHR 1–2/2016 11 D as Bundesministerium für Ver- kehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat zwischen 2006 und 2014 mit rund 14 Mio Euro Pro- jekte zur Einführung und zum Aufbau von regionalen Systemen des elektronischen Fahrgeldmanagements (EFM-Systeme) ge- fördert. Vom (((eTicket Deutschland zur digitalen Vernetzung Dabei sollte eine bundeseinheitliche Technologie, die VDV-Kernapplikation (VDV-KA) beziehungsweise das (((eTicket Deutschland, adaptiert und weiterentwi- ckelt werden, um die technischen und or- ganisatorischen Voraussetzungen für eine bundesweite Interoperabilität der regiona- len EFM-Systeme zu schaffen. Die Kundin- nen und Kunden sollen mit einem elektro- nischen Ticket (eTicket) den Öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) bargeldlos inner- halb eines Verkehrsverbundes und darüber hinaus nutzen können, ohne einen Fahr- schein am Fahrscheinautomaten erwerben und einen entsprechenden Tarif auswählen zu müssen. Ein eTicket, das sich auf einer Chipkarte oder in einem Mobiltelefon be- ziehungsweise Smartphone befindet, gilt inzwischen als zentrales Medium, um Zu- gangshemmnisse im ÖPV abzubauen und dessen Nutzung zu erleichtern. Der TÜV Rheinland hat im Auftrag des BMVI die Förderung von EFM-Syste- men ex-post evaluiert. Es fand eine Im- pact-Evaluation statt, die auf einem qua- si-experimentellen Untersuchungsdesign (Kontroll-/Vergleichsgruppe) und auf indi- katorenbasierten Wirkungshypothesen be- ruhte. Die Impact-Evaluation ging der Fra- ge nach, was ohne die Förderung passiert oder nicht passiert wäre. Die Evaluation hat ergeben, dass es ohne eine Förderung deutlich weniger eTicket-Systeme in den Regionen geben würde. Außerdem würden weniger eTicket-Systeme auf dem tech- nischen Standard (VDV-Kernapplikation) beruhen. Die Verkehrsverbünde und -orga- nisationen, die nicht gefördert wurden, ha- ben keine EFM-Systeme realisiert und die Planungen zurückgestellt oder haben eine proprietäre und als rudimentär zu bezeich- nende eTicket-Anwendung umgesetzt. Die geförderten Verkehrsunternehmen hingegen haben die Ziele der Projektför- derung verfolgt und umgesetzt. Durch die Förderung sind die systemisch-techni- schen und vertraglich-organisatorischen Voraussetzungen geschaffen worden, da- mit die EFM-Systeme in den einzelnen Regionen Informationen und Daten für eine Vernetzung und Interoperabilität aus- tauschen und miteinander kommunizieren können. Die Förderung des Bundes und die Komplementärfinanzierung durch die Länder und Kommunen haben maßgeb- lich zur Umsetzung von EFM-Systemen auf der Grundlage von (((eTicket Deutschland beigetragen. Außerdem waren die Unter- stützung durch den Verkehrsverbund, die Kooperation mit anderen Verkehrsunter- nehmen und die Nutzung des interoperab- len Standards maßgebliche Einflussfakto- ren für die Umsetzung von EFM-Systemen (Abb. 1). Inzwischen sind in Deutschland bereits mehr als 12 Mio Chipkarten ausgegeben worden. Dadurch werden allein 2 Mrd Euro Umsatz pro Jahr (Stand 2014) er- wirtschaftet. In zahlreichen Regionen und großen Verkehrsverbünden kann der ÖPV mit einem elektronischen Ticket genutzt werden (Abb. 2). Die EFM-Systeme beru- hen auf dem interoperablen Standard der VDV-KA beziehungsweise des (((eTickets Deutschland. Eine regionale Interoperabi- lität zwischen den Verkehrsunternehmen ist somit gegeben. Bislang haben sich 333 Verkehrsorganisationen vertraglich zur Nutzung des Standards und seiner Regeln verpflichtet (Stand: Oktober 2015). Zunächst stand die Umsetzung eines funk- tionsfähigen EFM-Systems innerhalb der Dipl.-Ing. Niels Hartwig, Berlin; Dr. Arnd Motzkus, Dipl.-Geogr. Elmar Sticht, Köln; Dipl.-Pol. Steffen Wulfes, Berlin Der Dialog- und Stakeholderprozess im Rahmen der Initiative „Digitale Vernetzung im ÖPV“ des BMVI Digital. Vernetzt. Mobil. Abb. 1: Einflussfaktoren geförderter Unternehmen. Quelle: Erhebung der Autoren

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DER NAHVERKEHR 1–2/2016 11

Das Bundesministerium für Ver-kehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat zwischen 2006 und 2014 mit rund 14 Mio Euro Pro-

jekte zur Einführung und zum Aufbau von regionalen Systemen des elektronischen Fahrgeldmanagements (EFM-Systeme) ge-fördert.

Vom (((eTicket Deutschland zur digitalen Vernetzung

Dabei sollte eine bundeseinheitliche Technologie, die VDV-Kernapplikation (VDV-KA) beziehungsweise das (((eTicket Deutschland, adaptiert und weiterentwi-ckelt werden, um die technischen und or-ganisatorischen Voraussetzungen für eine bundesweite Interoperabilität der regiona-len EFM-Systeme zu schaffen. Die Kundin-nen und Kunden sollen mit einem elektro-nischen Ticket (eTicket) den Öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) bargeldlos inner-halb eines Verkehrsverbundes und darüber

hinaus nutzen können, ohne einen Fahr-schein am Fahrscheinautomaten erwerben und einen entsprechenden Tarif auswählen zu müssen. Ein eTicket, das sich auf einer Chipkarte oder in einem Mobiltelefon be-ziehungsweise Smartphone befindet, gilt inzwischen als zentrales Medium, um Zu-gangshemmnisse im ÖPV abzubauen und dessen Nutzung zu erleichtern.

Der TÜV Rheinland hat im Auftrag des BMVI die Förderung von EFM-Syste-men ex-post evaluiert. Es fand eine Im-pact-Evaluation statt, die auf einem qua-si-experimentellen Untersuchungsdesign (Kontroll-/Vergleichsgruppe) und auf indi-katorenbasierten Wirkungshypothesen be-ruhte. Die Impact-Evaluation ging der Fra-ge nach, was ohne die Förderung passiert oder nicht passiert wäre. Die Evaluation hat ergeben, dass es ohne eine Förderung deutlich weniger eTicket-Systeme in den Regionen geben würde. Außerdem würden weniger eTicket-Systeme auf dem tech-

nischen Standard (VDV-Kernapplikation) beruhen. Die Verkehrsverbünde und -orga-nisationen, die nicht gefördert wurden, ha-ben keine EFM-Systeme realisiert und die Planungen zurückgestellt oder haben eine proprietäre und als rudimentär zu bezeich-nende eTicket-Anwendung umgesetzt.

Die geförderten Verkehrsunternehmen hingegen haben die Ziele der Projektför-derung verfolgt und umgesetzt. Durch die Förderung sind die systemisch-techni-schen und vertraglich-organisatorischen Voraussetzungen geschaffen worden, da-mit die EFM-Systeme in den einzelnen Regionen Informationen und Daten für eine Vernetzung und Interoperabilität aus-tauschen und miteinander kommunizieren können. Die Förderung des Bundes und die Komplementärfinanzierung durch die Länder und Kommunen haben maßgeb-lich zur Umsetzung von EFM-Systemen auf der Grundlage von (((eTicket Deutschland beigetragen. Außerdem waren die Unter-stützung durch den Verkehrsverbund, die Kooperation mit anderen Verkehrsunter-nehmen und die Nutzung des interoperab-len Standards maßgebliche Einflussfakto-ren für die Umsetzung von EFM-Systemen (Abb. 1).

Inzwischen sind in Deutschland bereits mehr als 12 Mio Chipkarten ausgegeben worden. Dadurch werden allein 2 Mrd Euro Umsatz pro Jahr (Stand 2014) er-wirtschaftet. In zahlreichen Regionen und großen Verkehrsverbünden kann der ÖPV mit einem elektronischen Ticket genutzt werden (Abb. 2). Die EFM-Systeme beru-hen auf dem interoperablen Standard der VDV-KA beziehungsweise des (((eTickets Deutschland. Eine regionale Interoperabi-lität zwischen den Verkehrsunternehmen ist somit gegeben. Bislang haben sich 333 Verkehrsorganisationen vertraglich zur Nutzung des Standards und seiner Regeln verpflichtet (Stand: Oktober 2015).

Zunächst stand die Umsetzung eines funk-tionsfähigen EFM-Systems innerhalb der

Dipl.-Ing. Niels Hartwig, Berlin; Dr. Arnd Motzkus, Dipl.-Geogr. Elmar Sticht, Köln; Dipl.-Pol. Steffen Wulfes, Berlin

Der Dialog- und Stakeholderprozess im Rahmen der Initiative „Digitale Vernetzung im ÖPV“ des BMVI

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Abb. 1: Einflussfaktoren geförderter Unternehmen.

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Abb. 2: Aktueller Stand der Umsetzung von EFM-Systemen in Deutschland (Stand: 2014).

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Regionen und weniger die bundesweite Umsetzung im Vordergrund. Die Potenzi-ale von EFM-Systemen (zum Beispiel hin-sichtlich automatischer Fahrpreisfindung, interregionaler Interoperabilität, flächen-deckender und bundesweiter Abdeckung) konnten noch nicht vollständig ausge-schöpft werden. Es existiert nach wie vor kein überregionales und bundesweites EFM-System.

Für ein weiteres Engagement des Bundes war für das BMVI von Interesse, wie die Perspektiven des eTickets und des EFM auch innerhalb einer „digitalen System-welt“ aussehen. Das BMVI hat deshalb vom TÜV Rheinland eine Umfrage nach der Del-

phi-Methode [1] mit zirka 100 Experten zur Zukunft des eTickets und zu den Heraus-forderungen einer digitalen Vernetzung im ÖPV durchführen lassen.

Die meisten der befragten Experten blicken – was das (((eTicket Deutschland angeht – optimistisch in die Zukunft: Zwei Drittel waren der Meinung, dass die eTicket-Sys-teme zwischen den Metropolregionen in Deutschland in den nächsten zehn Jahren miteinander vernetzt und interoperabel nutzbar sein werden (Abb. 3).

Dabei wird die weitere Standardisierung von Schnittstellen, Daten und Prozessen von der großen Mehrheit der Befragten

(95 Prozent) als wichtigste Voraussetzung für die Herstellung von Interoperabilität angesehen (Abb. 3). Die verschiedenen re-gionalen eTicket-Systeme müssen trotz ei-ner gemeinsamen Schnittstelle und eines gemeinsamen Standards in einigen Berei-chen noch stärker harmonisiert werden.

Die Interoperabilität – so eine weitere The-se – wird sich nur herstellen lassen, wenn Bund und Länder miteinander kooperie-ren. 86 Prozent der Experten stimmten dieser Aussage zu (Abb. 3). Auch die tech-nische und organisatorische Öffnung der Informations- und Vertriebssysteme im ÖPV ist eine zentrale Herausforderung: 96 Prozent der befragten Experten stimmten dem überwiegend oder sogar voll und ganz zu (Abb. 3).

Vor dem Hintergrund der „Strategie Intel-ligente Vernetzung“ der Bundesregierung versteht das BMVI die Weiterentwicklung des Themas (((eTicket Deutschland als eine Initiative zur „Digitalen Vernetzung im ÖPV“. Dabei soll berücksichtigt werden, dass die Komplexität des Systems deut-lich höher ist als vorher angenommen: Tausende Systeme sowohl in den Fahrzeu-gen als auch an Haltestellen und in Un-ternehmensleitstellen müssen einheitlich gekennzeichnete Datensätze austauschen, um miteinander kommunizieren zu kön-nen. Durch zahlreiche Auskunfts-Apps von Verkehrsunternehmen und -verbünden in Verbindung mit Handytickets sowie durch den Einsatz von Chipkarten in Bussen und Bahnen wird die Komplexität noch größer. Um einzelne Bauteile zu ändern, muss sich Stück für Stück auch das gesamte System ändern. Somit ist die komplette digitale Infrastruktur in der ÖPV-Branche anzupas-sen.

Hinzu kommen mittlerweile neue Entwick-lungen: Das Smartphone etabliert sich zunehmend als Kundenmedium für die Servicekette „Informieren – Buchen – Be-zahlen“. Insbesondere junge Menschen gestalten ihr Mobilitätsverhalten immer häufiger unter der Prämisse „Nutzen statt Besitzen“ multimodal und flexibel. Die Einführung und Verknüpfung von elektro-nischer Fahrplanauskunft, Buchungssys-temen und elektronischem Fahrgeldma-nagement ist daher dazu geeignet, diese Servicekette auf einem Medium abzubil-den und dadurch jene Zugangsbarrieren zum ÖPV zu senken, die eine verstärkte Nutzung von Bussen und Bahnen sowie ei-nen Umstieg vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel hemmen. Damit der ÖPV in

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Dipl.-Ing. Niels Hartwig (48) ist seit 2005 Referatsleiter im Bundesmi-nisterium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). In der Grundsatz-abteilung des Ministeriums leitet er derzeit das Referat G 23 (Personen-verkehr, Öffentliche Verkehrssysteme, Radverkehr). Nach dem Studium der Raumplanung an der Universität Dortmund arbeitete er von 1997 bis 2000 als Referent der SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Anschließend wechselte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). 2001 wurde er Persönlicher Referent von Staats-sekretär Ralf Nagel im Bundesverkehrsministerium.

Dr. Arnd Motzkus (46) leitet im Bereich Forschungsmanagement der TÜV Rheinland Consulting GmbH das Team Mobilität. Er berät seit 2001 das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bei der Konzeption und Umsetzung von Förderprogrammen und Forschungsvorhaben zur Lösung verkehrspolitischer Problem- und Fragestellungen. Zu seinen Aufgaben gehören die Koordinierung von Netzwerken, die Organisation des Wissenstransfers von der Forschung in die politische Verwaltungspraxis sowie die Evaluation von Förderpro-grammen. Zuvor war Motzkus in verschiedenen privaten und öffentli-chen Forschungseinrichtungen tätig.

Dipl. Geogr. Elmar Sticht (41) ist seit 2007 im Bereich Forschungs-management der TÜV Rheinland Consulting GmbH tätig. Er ist als Projektleiter im Team Mobilität für das Thema eTicket verantwort-lich, betreut und koordiniert im Auftrag des BMVI die Förderinitiative (((eTicket Deutschland. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem die Programmentwicklung, Bewertung, Auswahl und Begleitung von Forschungsprojekten sowie das Monitoring und die Evaluierung von Projekten und Programmen. Daneben unterstützt er das BMVI bei der Abwicklung des Forschungsprogramms Stadtverkehr im Bereich ÖPNV. Sticht hat Geographie in Bonn studiert.

Steffen Wulfes (42) ist seit dem Jahr 2010 Referent in der Grund-satzabteilung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infra- struktur (BMVI). Aktuell ist er im Referat G 23 insbesondere zustän-dig für die Bearbeitung von Grundsatzangelegenheiten und die Koor-dinierung von Fragen des Öffentlichen Personenverkehrs sowie die Forschung zur Mobilität in Städten und Regionen. Der Diplom-Polito-loge ist seit 2002 im BMVI beschäftigt. Zunächst arbeitete er im Kom-munikationsstab des Ministeriums als Referent und stellvertretender Referatsleiter für Öffentlichkeitsarbeit bevor er in die Grundsatzabtei-lung wechselte.

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Zukunft die ihm zustehende tragende Rol-le in einem multimodalen Verkehrssystem spielen kann, müssen die Digitalisierung und die Verknüpfung von Systemwelten in der Servicekette auf Basis von einheitli-chen Standards realisiert werden.

Die Servicekette „Informieren – Buchen – Bezahlen“ weist aufgrund der über Jahr-zehnte gewachsenen Systeme etliche Bruchstellen auf. Von den früheren autar-ken Systemen einzelner Verkehrsträger über die integrierten Verbundverkehre mit durchgängiger Fahrplaninformation und einheitlichem Tarif sowie den Fahrschein-verkauf bis hin zu einer oder mehreren deutschlandweiten digitalen Mobilitäts-plattformen ist es ein sehr weiter Weg. Der ÖPV muss deshalb von inkompatiblen, pro-prietären hin zu standardisierten, sicheren, updatefähigen, wettbewerbsfreundlichen und technologieoffenen Lösungen kom-men.

Der Dialog- und Stakeholderprozess

Für die digitale Vernetzung im ÖPV müs-sen nun entscheidende Weichen gestellt werden. Nicht zuletzt die am 4./5. No-vember 2014 vom BMVI ausgerichtete Konferenz (((eTicket Deutschland hat gezeigt, dass in der Nahverkehrsbranche selbst unterschiedliche Auffassungen über zukünftige Ziele und den entspre-chenden Weg dorthin bestehen. Deshalb hat das BMVI angeboten, einen Dialog- und Stakeholderprozess zu initiieren, zu koordinieren und zu moderieren. Ziel und Ergebnis dieses Prozesses soll eine Roadmap sein, die die in der Delphi-Um-frage aufgeworfenen Handlungserforder-nisse konkretisiert sowie die notwendi-gen Handlungsschritte und vor allem die entsprechenden Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten skizziert.

Der Dialog- und Stakeholderprozess be-inhaltet eine Planungs- und Entschei-dungsphase, eine Umsetzungs- sowie eine Bewertungsphase (Abb. 4). In der Planungs- und Entscheidungsphase wird sequentiell eine Roadmap entwickelt. In der Umsetzungsphase, während der För-derung von Forschungsvorhaben sowie der Finanzierung von Investitionsvorha-ben, unterstützt der Stakeholder-Dialog die Umsetzung der Maßnahmen. Darüber hinaus begleitet ein Monitoring die Um-setzung der Maßnahmen der Roadmap. In der Bewertungsphase werden die För-derung und die Umsetzung des Strate-

gie- und Maßnahmenplans schließlich ex-post evaluiert.

Die Planungs- und Entscheidungspha-se wiederum besteht aus vier Arbeits- schritten:

– Analyse, – Konsultation, – Organisation und – Kooperation.

Die Analyse, die Konsultation und die Or-ganisation sind bereits im Jahr 2015 abge-schlossen worden. Im ersten Schritt wur-de der Kontext analysiert, der durch den Stakeholder-Dialog verändert werden soll. Dazu zählten auch die Identifizierung, Ka-tegorisierung und Priorisierung strategisch relevanter Akteure und Sachverhalte. In ei-

nem zweiten Schritt wurden die strategisch relevanten Stakeholder konsultiert, um

– die verschiedenen Interessenlagen, das Engagement und die Beteiligung zu klä-ren,

– eine erste Idee im Dialog zu entwickeln, – die identifizierten „Top-Themen“ im De-

tail hinsichtlich der Streitpunkte, Kern-fragen, Konflikte und Probleme zu dis-kutieren,

– das Verhältnis, die verschiedenen In-teraktionen und Interdependenzen zwi-schen den Akteuren zu erörtern sowie

– Empfehlungen für eine Fortsetzung der Förderung und Finanzierung einzuho-len.

Im Rahmen verschiedener Workshops auf der Entscheider- und Expertenebene wurden die relevanten Handlungs- und Entscheidungs-

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träger (Länder, Aufgabenträger, Kommunen, Verkehrsunternehmen und -verbünde, Indus-trie, Kunden) eingebunden. Die jeweiligen Akteursgruppen werden durch verschiedene Stakeholder vertreten (Abb. 5).

Der noch eher informelle Dialogprozess der Analyse und Konsultation wurde in einem dritten Arbeitsschritt, der Orga-nisation, in eine formale Organisation-struktur und in einen formalen Prozess

überführt (Abb. 6). Die Organisation be-steht auf der Entscheidungsebene aus einer Steuerungsgruppe politischer Ent-scheidungsträger und einer Kerngruppe, die sich im Rahmen des Stakeholder-Di-alogs herauskristallisiert hat. Die Mit-glieder der Kerngruppe sind gleichzeitig die Moderatoren und Koordinatoren der drei Handlungsfelder

– Politik und Planung, – Organisation und Betrieb sowie – Technologie und Standardisierung,

die sich auf der Fachebene in Arbeitsgruppen organisieren. Sie stellen das verbindende Element zwischen der Fach- und Entschei-dungsebene her (Abb. 7).

Die Arbeitsgruppen erarbeiten für die jeweili-gen Handlungsfelder einen Maßnahmenplan für die Roadmap. In der Steuerungsgruppe, in der auch die Mitglieder der Kerngruppe vertreten sind, werden die Verantwortlichkei-ten und Zuständigkeiten sowie das zeitliche Vorgehen abgestimmt und verabschiedet.

Die neue Förderinitiative eTicketing und digitale Vernetzung im ÖPV

Die Bundesregierung unterstützt die Um-setzung der Maßnahmen der Roadmap in den Jahren 2016 bis 2018 durch die Förde-rung von Forschungsvorhaben in Höhe von 16 Mio Euro aus dem Zukunftsinvestitions-programm. Dazu wird in Kürze eine Förder-bekanntmachung veröffentlicht, die folgen-de Bereiche zum Gegenstand haben soll.

Überregionale Vernetzung von elektronischem Ticketing

Die entwickelten Komponenten und Syste-me müssen die Herstellung einer überregio-nalen und/oder interregionalen Anwendung von elektronischen Tickets unterstützen. Die Anwendung ist in einem Verbundprojekt über (mindestens) zwei Verkehrsräume zu demonstrieren.

Die zentralen Systeme von (((eTicket Deutschland sind dahingehend anzupas-sen und zu entwickeln, dass die Herstellung der Interoperabilität vollständig unterstützt und in der Umsetzung beschleunigt wird.

Verknüpfung von Fahrgast- und Tarifinformation im ÖPV

Die Entwicklung und Anwendung von Diens-ten, Schnittstellen und Standards zur Vernet-

Abb. 3: Expertenmeinungen zur Zukunft von (((eTicket Deutschland.

Abb. 4: Management-Prozess des Dialog- und Stakeholderprozesses.

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zung von Fahrgastinformationssystemen im ÖPV soll ebenfalls förderfähig sein. Die Quali-tät und die Konsistenz der Informationen, die dem Fahrgast zur Verfügung gestellt werden, sind zu verbessern. Die überregionale, lände-rübergreifende Vernetzung soll dabei im Vor-dergrund stehen.

Tarifinformationen sind in die übergreifen-den Fahrgastinformationssysteme zu inte-grieren und bestehende Systeme dahinge-hend zu erweitern.

Integration von Mobilitätsangeboten

Eine digitale Verknüpfung der Ange-botsformen des Öffentlichen Personen-verkehrs zur Herstellung durchgängig intermodaler sowie multimodaler An-gebote für den Kunden ist herzustel-len, wobei die Vernetzung bestehender Mobilitätsportale oder -plattformen im Vordergrund stehen soll. Dabei sind die Registrier- und Buchungsvorgänge zu re-duzieren (Single Sign-on).

Die Angebote sind für den Kunden mit einem Medium (zum Beispiel Chipkarte, Smartpho-ne) nutzbar zu machen und in einem hohen Maß zu integrieren und zu demonstrieren.

Eine verkehrsträgerübergreifende Zu-sammenarbeit und gegebenenfalls die Herausbildung neuer Organisations-strukturen und Kooperationsmodelle mit Dritten sollen bei der Entwicklung neuer Verfahren und Dienste für den Kunden angestrebt werden. Dabei sollte eine diskriminierungsfreie Kooperati-onsebene geschaffen werden.

Automatisierte Fahrpreisfindung und elektronische Tarife

Die Entwicklung und Demonstration von Verfahren, Systemen und Produkten, die

Abb. 5: Akteursgruppen und Stakeholder.

Abb. 6: Arbeitsschritte des Planungs- und Entscheidungsprozesses im Rahmen des Stakehol-der-Dialogs.

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Abb. 7: Organisationsstruktur des Dialog- und Stakeholderprozesses.

Zusammenfassung / Summaries

Digital. Vernetzt. Mobil.Das BMVI hat die Umsetzung von EFM-Systemen im öffentlichen Personenverkehr auf der Grundlage des interoperablen Standards, dem (((eTicket Deutschland, in den Jahren 2006 bis 2014 gefördert. Wenngleich es ohne die Förderung das (((eTicket Deutschland in der heutigen Form nicht geben würde, stand zunächst der Aufbau der re-gionalen Systeme im Vordergrund. Die weitere Umsetzung soll durch eine Dialog- und Stakeholderprozess, eine Roadmap und eine weitere finanzielle Förderung des BMVI zur digitalen Vernetzung im ÖPV be-gleitet werden.

Digital. Integrated. MobileThe German Federal Ministry of Transport and Digital Infrastructure funded the implementation of electronic fare management (EFM) sys-tems in public transport on the basis of the interoperable standard (((eTicket Deutschland between 2006 and 2014. (((eTicket Deutsch-land wouldn’t be existing in the same way without the promotion, but the focus was initially on the setup of regional systems. The further implementation will be accompanied by a dialogue-process with sta-keholders, the development of a roadmap and further funding from the federal ministry for digital networking in public transport.

eine Anwendung in einem EFM-System gemäß (((eTicket Deutschland mit automa-tischer Fahrpreisfindung zum Ziel haben, sollen gefördert werden. Dabei sind Tarif-produkte für Gelegenheitsnutzer in den Fokus der Umsetzung zu stellen. In Verbin-dung mit dem Aufbau von EFM-Systemen werden die Konzeption und die Einführung innovativer elektronischer Tarife und Ta-rifprodukte gefördert. Die Bedürfnisse der Kunden (beispielsweise Flexibilität, Ein-fachheit, Transparenz) sowie der Anbieter und Betreiber der Mobilitätsdienste (zum Beispiel Erlössicherung, Angebotsoptimie-rung) sind gleichermaßen einzukalkulieren. Die Anforderungen der verschiedenartigen Kundenmedien (Chipkarte, Smartphone) sind zu berücksichtigen und das Smart-phone als vollwertiger Bestandteil von eTi-cket-Systemen zu etablieren.

Fazit

Der Bund hat die Umsetzung von EFM-Systemen im öffentlichen Perso-nenverkehr auf der Grundlage des inte-roperablen Standards, dem (((eTicket Deutschland, in den Jahren 2006 bis 2014 gefördert. Anschließend wurde das gesamte Förderprogramm umfassend evaluiert. Eines der zentralen Ergebnisse dieser Evaluation lautet: Ohne die För-derinitiative des Bundes würde es das (((eTicket Deutschland in der heutigen Form – als standardisierte, sichere, up-datefähige, wettbewerbsfreundliche und technologieoffene Lösung – nicht geben. Wenngleich die Förderung damit wei-testgehend ihr Ziel erreicht hat, so stand dennoch zunächst der Aufbau der regio-nalen EFM-Systeme im Vordergrund.

Aufgrund weiterhin bestehender sowie neuer Herausforderungen hat das Bun-desministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sich dazu entschieden, so-wohl einen Dialog- und Stakeholderpro-zess zu initiieren, zu koordinieren und zu moderieren als auch die bisherige finanzielle Förderung fortzusetzen. Der Prozess soll in eine Roadmap zur digita-len Vernetzung im ÖPV münden, die vo-raussichtlich im Juni 2016 verabschiedet wird. Die Umsetzung der Roadmap wird durch eine finanzielle Förderung von Forschungsvorhaben durch das BMVI be-gleitet.

Anmerkung

[1] Die hier angewandte Delphi-Methode ist ein systematisches, zweistufi-ges Befragungsverfahren mit Rückkopplung, die dazu diente, zukünftige Entwicklungen möglichst gut vorhersagen zu können.