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DIGITALESMARKETINGDie Kommunikationswege zum Kunden werden immer vielfältiger, dabei nimmt die Bedeutung

von Social Media immens zu. Auch Stationärhändler können von Digitaltechniken profitieren.

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2 DIGITALES MARKETING

KOMMUNIKATIONDIE MEINUNGSMACHER Die Reichweite

von Influencern bietet Firmen neue Wege in punctoModemarketing

S ie sitzen in der Frontrow von Fashion Shows und werbenfür verschiedenste Produkte. Viele Unternehmen haben

sie bereits als Marketing-Tool entdeckt: Influencer. Mittlerweilesind sie bei Marken ebenso beliebt wie bei Fernsehen, Radiound Co – wenn nicht sogar noch beliebter. Buchen kann mansie wie Webung in anderen Medien auch. Reichweite undKlicks sind hier die Währung. Einer Studie der Media-AgenturTerritory zufolge haben im Jahr 2017 bereits 68% der befrag-ten Marketingentscheider ein Budget für Influencer Marketingvorgesehen. Wer sind Influencer überhaupt? Und welchenNutzen haben sie für Firmen?Influencer sind junge Leute, die mit ihren Postings in sozialenNetzwerken oder ihren Blog-Beiträgen eine ganze Generationbeeinflussen. Sie fungieren als Multiplikatoren von SocialMedia-Inhalten und haben einen enormen Einfluss auf dasKonsumverhalten ihrer Follower. Beispielsweise wurden dieBloggerinnen Caro Daur und Nina Suess mit ihren Postingsnicht nur zu Social-Media-Stars, sondern auch zu begehrtenHelfern für Markenpräsentationen. Bei Instagram folgen Daurrund 942.000 Nutzer, bei Facebook hat sie aktuell rund 118.000Follower – nicht wenige teilen einen Beitrag dann auch mitihren digitalen Freunden.

Noch wichtiger als die Reichweite ist jedoch: Passt derInfluencer zur Marke? So kann es für Werbetreibende durch-aus effektiver sein, mit einer kleineren Reichweite wenigerFollower anzusprechen und damit exakt die Zielgruppe derMarke zu erreichen. Schließlich darf eines nicht auf der Stre-cke bleiben: der Link zwischen der Aufmerksamkeit und demtatsächlichen Impuls, das Produkt kaufen zu wollen.Immer mehr Agenturen sprießen aus dem Boden, die dieseinhaltliche Passung zwischen Marken und Influencern er-mitteln. Auch Zalando ist auf diesen Zug aufgesprungen undhat die Plattform Collabary ins Leben gerufen. Modeanbieterkönnen hier nach gewünschten Kriterien der Zusammenarbeitfiltern und direkt mit den registrierten Influencern in Kontakttreten. Unter anderem die Marken Nike und Converse nutzendiese Plattform bereits.Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Influencer und Markenzusammenarbeiten können. Meinungsmacher entwerfen Kol-lektionen, fungieren als Testimonials oder locken als SpecialGuests bei Veranstaltungen ihre Zielgruppen mit purer Anwe-senheit. Bei allem, was sie tun, generieren sie Reichweite.

NILOFAR ESCHBORN

Foto:Shutterstock

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KOMMUNIKATION

Wie sich Unternehmen die Reichweite der Influencer zunutze machen

Levi’s warb mit Snapchat-Content der Influencer CaroDaur, Toni Mahfud und MarinaThe Moss auf Berliner Bill-boards. Damit schaffte derUS-amerikanische Jeans-Hersteller eine Verbindung vonzwei Werbekanälen: Out ofHome und Social Media.

LMTD, ein Jugend-Label vonName It, fuhr auf YouTube eineAmbassador-Kampagne, in derSocial Media-Stars, alle zwi-schen 13 und 16 Jahren, zuMarkenbotschaftern gemachtwurden. Für Deutschland gingder 14-jährige Oskar an denStart.

Edited kooperierte 2016 mitdem Model Luma Grothe unddesignte mit der 23-Jährigeneine Kapsel-Kollektion. Zuvorhatte der Multichannel-Händlerbereits Kollektionen zusammenmit der Bloggerin Maja Wyh undder Modehändlerin Lena Terlut-ter entworfen.

Review hat gemeinsam mitSami Slimani eine Kollektion aufden Markt gebracht. Seit Sep-tember 2015 arbeitet die Ei-genmarke des Mode-FilialistenPeek&Cloppenburg Düsseldorfmit dem Influencer zusammen,seit April 2016 ist die Kollektionim Handel.

Hunkemöller kooperiertemit der niederländischen SocialMedia-Influencerin Anna Noos-hin und machte sie zur Marken-botschafterin. Sie entwarf mitHunkemöller eine Wäsche-Kollektion, in der sie ihre ei-gene Handschrift in die Designseinbrachte.

Amazon pushte mittels In-fluencer-Marketing seine Kam-pagne #SaySomethingNice, diefür mehr Komplimente in sozia-len Netzwerken sorgen soll.Dafür kooperierte der E-Com-merce-Konzern mit Influencernwie Masha Sedgwick, SusieBubble und Gala Gonzales.

Jack&Jones feierte dieEröffnung seines HamburgerStores mit den YouTube-Starsvon Ape Crime. Das Lockmittel:eine Autogrammstunde für dieFans. Zuvor riefen die YouTuberauf ihren Kanälen zu einemJack&Jones T-Shirt-Contestauf.

Otto begleitete die Kampagne„Scheinsparerlebnis“ mit einemsogenannten Follow me around-Video, in dem Bloggerin EylemEinblicke hinter die Kulissendes Drehs gab. Die Influencerinberichtet regelmäßig auf demOtto-Markenkanal „Fashion&Lifestyle“ über Trends.

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I nfluencer wie Sami Slimani, Eylem und Ape Crime sinddurch YouTube bekannt geworden – ihre Reichweite ver-

danken sie hauptsächlich ihren Videos. Reichweite, die sichüber weitere Kanäle wie Instagram, Snapchat und Facebookpotenziert. Diese machen sich Unternehmen zunutze. Dochwie kommt man zu einem Influencer, der die richtige Ziel-gruppe anspricht? Die TextilWirtschaft hat bei Sarah Kübler,Gründerin und Geschäftsführerin der Influencer-AgenturHitchOn GmbH, nachgefragt. Kübler hilft, den passenden You-Tuber zu finden und verrät, wie Kooperationen entstehen undwie man deren Erfolg misst.

TW: Frau Kübler, welches Anliegen haben Unternehmen, diean Sie herantreten?Sarah Kübler: Die Firmen sind meist auf der Suche nach ho-her Reichweite und haben dabei die üblichen Namen großerSocial Media-Stars im Kopf, die ihr Produkt vorstellen sollen.Wirklich ausschlaggebend sind aber die passende Zielgruppeder ausgewählten Influencer und die Interaktion über dasProdukt. Das Produkt soll ins Gedächtnis der Zielgruppe auf-genommen werden und in Erinnerung bleiben, um beimnächsten Einkauf in Erwägung gezogen zu werden.

Nach welchen Kriterien wählen Sie den passenden Kan-didaten für Unternehmen aus?Der YouTuber wird nach Zielgruppe und Themengebiet aus-gewählt. Das Alter und die Interessen der Zuschauer spieleneine besonders große Rolle, da dadurch ermittelt werden kann,ob es sich um die Zielgruppe der Marke handelt. So wird ga-rantiert, dass die Kampagne ohne Streuverluste erfolgt und dieWerbebotschaft gezielt ankommt. Außerdem ist vielen Firmendie Zuverlässigkeit und Professionalität des Social Media-Starsin Bezug auf die Umsetzung des Product Placements wichtig. DieZusammenarbeit muss vom YouTuber offen kommuniziert undrechtskonform gekennzeichnet werden. HitchOn sichert einekorrekte Kennzeichnung und steht dem Unternehmen bei derAuswahl des Influencers zur Seite. So auch bei der Kampagne

mit dem Erlebnisanbieter My-Days und Michi Leber, der fürseine aufwendigen Abenteuermit einer Go-Pro-Kamera aufYouTube bekannt ist und somitperfekt zur Marke passt.

Was kostet die Kooperationfür ein Unternehmen? Undwie viel Provision erhalten Sie als Agentur?Die Kosten sind von der Größe und Reichweite des YouTubersabhängig, die man an durchschnittlichen Klickzahlen oderdurch Abonnentenzahlen erkennt. HitchOn erhält eine Pro-vision in Höhe von 20% der Vergütung. DurchschnittlicheKosten lassen sich zwar ermitteln, sind aber nicht aussage-kräftig, da es bei jeder Kooperation auf die individuelle Größedes Influencers ankommt. Wir verzichten zum Schutz derInfluencer und Firmen auf eine erfolgsabhängige Bezahlung.Außerdem würde so die große Gefahr entstehen, dass die Klicksnicht mehr organisch generiert, sondern hinzugekauft würden.

Woran wird der Erfolg einer Kampagne gemessen?Ein Beispiel: Wenn das Produkt positiv bei den Zuschauern inden Köpfen bleibt und sich in den Kommentaren unter denVideos darüber ausgetauscht wird. Darauf folgt eine größereBrand-Awareness und höhere Kaufbereitschaft in der Ziel-gruppe. Fällt ein gesponsertes Produkt besonders positiv auf,lassen sich oft auch weitere YouTuber anstecken, die aus ei-genen Stücken ihre Meinung zum Produkt in Videos teilen. Beieiner von HitchOn initiierten Kampagne für den Verlag BasteiLübbe stellten zum Beispiel ausgewählte Book- und Lifestyle-Blogger das Buch „Zorn und Morgenröte“ vor. Das inspirierteüber 20 weitere YouTuber, das Buch zu lesen und ihre Mei-nung mit den Zuschauern zu teilen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN NILOFAR ESCHBORN UND LAURA DIEGELMANN

Sarah Kübler von HitchOn erklärt den Nutzen vonKooperationenmit YouTube-Stars

4 DIGITALES MARKETING

KOMMUNIKATION

Sarah Kübler, HitchOn

„AUF DER SUCHE NACH REICHWEITE”

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5 DIGITALES MARKETING

KOMMUNIKATION

EMPFEHLUNG ODER SCHLEICHWERBUNG? Die Diskussion um dieGlaubwürdigkeit der Influencer hält an –Medienwächter verfassen Leitfaden

D urch Werbung und Produktplatzierungen droht denInfluencern ein Problem: der Verlust ihrer Glaubwürdig-

keit. Und damit das Kapital ihres Einflusses. Denn das ThemaSchleichwerbung wird viel diskutiert. Mal ist das getrageneKleidungsstück als gesponserter Beitrag gekennzeichnet, malnicht. Ob es eine finanzielle Gegenleistung seitens des Unter-nehmens gegeben hat, ist kaum zu durchschauen.Dieser noch ungenauen Kennzeichnung versuchen die Lan-desmedienanstalten in Deutschland entgegenzuwirken, in-dem sie einen Leitfaden für YouTuber verfasst haben. Er zeigt,wann ein Fall von Produktplatzierung oder Werbung vorliegtund in welcher Form dies zu kennzeichnen ist. So handelt essich beispielsweise um Werbung, wenn Produkte eines Unter-nehmens im Fokus eines Videos stehen und der YouTuberdiese Produkte kostenlos zugeschickt bekommt oder eineandere finanzielle oder materielle Gegenleistung dafür erhält.Auch die Kennzeichnung von Produktplatzierungen oder dieVerwendung von sogenannten Affiliate Links ist in diesemLeitfaden geregelt. Bei letzteren führt ein Link direkt zu einemOnline-Shop. Die Influencer werden am dadurch generiertenUmsatz beteiligt. Auch hier handelt es sich um eine Form vonWerbung, die gekennzeichnet werden muss.

Die Kennzeichnungspflicht von Werbung und Produkt-platzierungen wirkt dem Misstrauen zwar entgegen. Dochhaben Empfehlungen noch die gleiche Schlagkraft, wenn dieFollower wissen, dass sie bezahlt sind? Um dem Verlust derGlaubwürdigkeit entgegenzuwirken, ist es umso wichtiger,dass Influencer offen mit der Platzierung von Werbung inihren Posts und Videos agieren. „Dass sie Geld damit ver-dienen, ist bekannt. Sie sollten ehrlich damit umgehen, aberdas Thema nicht zu stark betonen“, sagt Christian Müller vonSocial Chain, einer Agentur für Influencer- und Social Media-Marketing. Wenn ein gesamtes Video zu sehr von einem

Produkt schwärme, sei die Empfehlung nicht mehr authen-tisch. Dabei ist es gerade die unscharfe Trennung zwischeneigenem Content und Werbung, die die Beiträge der Influen-cer als Werbemittel so beliebt macht. „Während Werbung aufanderen Kanälen, beispielsweise im TV, klar von anderenInhalten abgegrenzt ist, vergisst man in YouTube-Videos nacheinem Hinweis auf Werbung schnell, dass es sich um solchehandelt“, erklärt Müller.

Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Verschwiegenheit,wenn es um die Bezahlung von Kooperationen geht. „ÜberGeld sprechen wir grundsätzlich nicht“, heißt es bei mehrerenAgenturen. Aber warum? Sobald die Kosten der Zusammen-arbeit offen liegen, werden Influencer vergleichbar. Der Wett-bewerb könnte sich schnell verschärfen und die Social Media-Stars könnten schon bald nicht mehr so viel Geld verlangenwie jetzt.Zudem sei die Vergütung von Influencern kaum vergleichbar.Ein Insider, der namentlich nicht genannt werden will, be-richtet: „Ein Video-Beitrag eines Influencers mit beispiels-weise einer Millionen Follower kostet ein Unternehmen zwi-schen 5000 und 50.000 Euro. Man kann also nur schwer sa-gen, was eine Influencer-Kooperation kostet. In den Preisensteckt einfach noch viel Willkür.“Wie lang sich diese preisliche Willkür noch halten kann, wirdsich zeigen. Auch in Zukunft wird die Kennzeichnung vonKooperationen eine wichtige Rolle spielen. Unternehmen sinddaher gut beraten, auf Influencer zu setzen, die nicht nur einequalitative Zielgruppe ansprechen, sondern diese auch offenund ehrlich informieren. Auf diese Weise wahren die Mei-nungsmacher ihre Glaubwürdigkeit – und letztendlich auchihren Einfluss.

NILOFAR ESCHBORN

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„SOCIAL MEDIA ISTKEINE EINBAHNSTRASSE“ Soziale Netzwerke

wie Facebook und Twitter sind für Unternehmen ein hartes Pflaster, sagt Social Media-Managerin Silke Loers

I nstagram – für Nutzer bedeutet dasvor allem knackige Hashtags und

schöne Bilder. Auf Twitter schütteln sieden Kopf über die wüsten Beschimp-fungen von US-Präsident DonaldTrump, während die Tiervideos aufFacebooks die Mittagspause versüßen.Die bunte, wilde Social Media-Weltzieht viel Aufmerksamkeit auf sich. FürUnternehmen sind die sozialen Platt-formen allerdings ein hartes Pflaster.Silke Loers kennt die typischen Fehlerund Unsicherheiten, die mittelstän-dischen Unternehmen dabei unter-laufen. Die Social Media-Managerinberät Firmen bei der Positionierung inSozialen Medien.Nach ihrem BWL-Studium arbeitete siebei Karstadt unter anderem in denBereichen Einkauf, Marketing undProjektmanagement. 2010 spezialisiertesie sich auf Soziale Netzwerke.

Setzen sich mittelständische Unter-nehmen schon intensiv genug mitSocial Media auseinander?Silke Loers: Definitiv nicht. Rund dieHälfte der kleineren Firmen sind bishernicht im Social Web aktiv. Das hatmehrere Gründe: Zum einen werdenSoziale Plattformen häufig und fälsch-licherweise als etwas rein Jugendlicheswahrgenommen. Zudem wissen vieleUnternehmen nicht, was genau sieposten sollen. Entweder mangelt es ander nötigen Sicherheit oder an Ressour-cen. Und das, obwohl die Firmen so vielGeld für Vertrieb und Akquise aus-geben.Genau dort knüpfen Social Media an. Esgeht um Kundenbindung, echte Inter-aktion und den Aufbau von Vertrauen.Das ist für viele Unternehmen aller-dings schwer zu greifen. Sie sehen nur,wie viel Zeit und Engagement für So-

Foto:fotolia/apinan

Silke Loers: „Es geht umKundenbindung und denAufbau von Vertrauen.“

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ziale Medien notwendig ist. Der nach-haltige Erfolg wird nicht erkannt.

Wie kann der Erfolg aussehen?Die Menschen lassen sich heute überSocial Media leichter erreichen. Briefeund Flyer haben ausgedient. Potenziel-le Kunden sind online unterwegs undhaben somit auch neue Kaufkriterien.Sie kaufen in dedr Regel nicht, weil derPreis stimmt, sondern weil sie demUnternehmen und der Leistung ver-trauen. Darum informieren sie sich imNetz. Soziale Medien bieten sich dortan. Hinzu kommt, dass sich auch dieKundenbindung stark gewandelt hat.Dort liegt der Fokus mittlerweile aufeiner direkten und unkompliziertenKommunikation. Händler unterschät-zen diesen Aspekt oft. Eine gute Prä-senz in Sozialen Medien ist die idealeMöglichkeit, mit Kunden besondersschnell in Kontakt zu treten. All dieseChancen kann man jedoch nur mit derrichtigen Strategie und den nötigenRessourcen ergreifen. Und natürlichmuss man einsehen, dass Zeit inves-tiert werden muss. Wer denkt, er pos-tet einfach mal ein wenig drauf los,und schon kommen die Neukunden inMassen, ist auf dem Holzweg.

Worauf kommt es bei der Social Me-dia-Strategie besonders an?Die Analyse ist das A und O. Ich erlebebei der Arbeit mit Mittelständlernimmer wieder, wie wenig Gedankensie sich um den Wunschkunden ma-chen, den sie erreichen wollen. Sieversuchen stattdessen, das ideale Pro-dukt oder Angebot zu erarbeiten. BeiSozialen Medien geht es aber vor allemum Themenplanung und Selbstdar-stellung. Man muss die Perspektive des

Nutzers einnehmen. Wenn ein Unter-nehmen weiß, wofür Kunden sichinteressieren und was sie beschäftigt,wird es diese auch begeistern können.Engagement in Social Media bedeutetRecherche, Produktion und Controlling.Diese Arbeiten sind zeitaufwendig undkosten gerade am Anfang viel Energie,weil alles noch neu ist. Darüber solltensich die Unternehmen im Klaren sein.

Alles neu kann schnell überfordern.Sollten sich kleine Firmen Unterstüt-zung von außen holen?Ein externer Berater lohnt sich geradeam Anfang, falls man sich mit derStrategieentwicklung überfordert fühlt.Ich unterstütze Unternehmen häufigbei der Positionierung in Sozialen Me-dien und begleite diesen Prozess einebegrenzte Zeit lang. Später übergebe

ich die Arbeit Schritt für Schritt. Außer-dem ist es oft sinnvoll, einen internenSocial Media-Verantwortlichen zubeschäftigen. Allerdings sollte dasProjekt nie auf den Schultern einerPerson lasten. Mir ist wichtig, dass dieInhalte für Social Media immer ausdem gesamten Unternehmen kommen.Daher reicht es nicht aus, nur einenMitarbeiter zu schulen.

Social Media gleich Teamwork?Auf jeden Fall. Schließlich reden wirhier von Netzwerken. Es geht nicht nurum die Kommunikation nach außen.Mitarbeiter müssen sich auch inner-halb des Unternehmens miteinanderverbinden. Es bedarf beispielsweise desInputs von allen Seiten, um die sozia-len Plattformen mit vielseitigen Inhal-ten zu bespielen. Eine Veränderung derUnternehmenskultur zu mehr Of-fenheit und Kommunikation unter-einander ist absolut notwendig. Undist in erster Linie Chefsache. Er oder siegibt nicht nur Stoßrichtung und Strate-gie vor, sondern muss auch das ganzeTeam mit ins Boot holen. Denn nur solässt sich eine Plattform mit Lebenfüllen. Ein Beispiel: Wenn eine Liefe-rung nicht pünktlich in die Lädenkommt, weil das Schiff noch im Zollfeststeckt, sollte der Social Media-Ver-antwortliche von der Produktions-abteilung informiert werden. Schließ-lich ist er der direkte Ansprechpartnerder Kunden.

Wie schafft man einen Mehrwert?Social Media ist keine Einbahnstraße.Unternehmen, die nur Werbung ma-chen, sind wenig attraktiv. Das möchteheute niemand mehr sehen. Ein paarniedliche Tierfotos sind natürlich auch

„Wer denkt, er posteteinfach mal einwenig drauf los –und schon kommendie Neukunden inMassen, der ist aufdem Holzweg.“

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nicht der richtige Weg. Es kommt da-rauf an, was Kunden an der Markewirklich interessiert. Das können Ein-blicke in das Unternehmen sein, bei-spielsweise Live-Videos von Veranstal-tungen oder Fotos der Produkte imGebrauch. Kunden sehen gern, mitwem sie es zu tun haben. Viele Unter-nehmen zeigen auch ihre Mitarbeiterbei der täglichen Arbeit. Solche Beiträ-ge kommen gut an. Und natürlichkann auch Werbung platziert werden.Es kommt auf das Verhältnis an. Ichhabe als Maßstab 80% Social und 20%Werbung gesetzt. Das akzeptiert derKunde.

Welche Fehler sollte man unbedingtvermeiden?Wer nur postet und keinerlei Inter-aktion entstehen lässt, muss mit demUnmut der Nutzer rechnen. Doch Feh-ler schleichen sich auch häufig wäh-rend der Kommunikation ein. Bei Kritiksollten Unternehmen genau prüfen, obsie berechtigt ist und dann auf denKunden eingehen. Emotionen könnenhier schon mal hoch kochen. Und belei-

digen lassen müssen sie sich natürlichnicht. Solche Situationen sollten so gutwie möglich entschärft werden. Wich-tig ist auch der Ton. Die Frage nachdem Du oder Sie sollte geklärt und aufMarketing-Floskeln verzichtet werden.Schließlich geht es gerade bei der On-line-Kommunikation um Authentizität.Für den Kunden sollte es sich wie einpersönliches Gespräch anfühlen – nureben über den Bildschirm.

Was müssen Unternehmen tun, um inSozialen Netzwerken authentisch zuwirken?Eine Marke bekommt ein Gesicht,wenn sie sich und ihre Unternehmens-philosophie präsentiert. Und zwarwahrheitsgetreu. Stellt es sich bei-spielsweise als besonders ökologischdar, muss das auch stimmen und über-all in der Firma so gehandhabt werden.Es geht bei Authentizität um Vertrauenund Ehrlichkeit. Die Menschen spüren,ob etwas Gesagtes auch wirklich gelebtwird. Ungereimtheiten sprechen sichschneller herum als positive State-ments. Jedes Unternehmen sollte dahersowohl seine Stärken als auch seineSchwachstellen genau kennen – unddiese auch offen kommunizieren.Genau darum ist es zwingend notwen-dig, eine Social Media-Strategie alsGrundlage für ein Engagement in So-zialen Netzwerken zu entwickeln. JederSocial Media-Anwender muss wissen,wofür er steht und was sein Allein-stellungsmerkmal ist.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE LEONIE CHRISTIANS

Facebook-Fanpage von Esprit

„Es geht bei Authenti-zität um Vertrauenund Ehrlichkeit. DieMenschen spüren, obetwas Gesagtes auchwirklich gelebt wird.“

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„DIE NUTZERWOLLEN WISSEN,WIE DIE FIRMEN TICKEN“

Drei Tipps für erfolgreiche Kommunikation auf Instagram

D as große Potenzial von Instagram für Modeunterneh-men ist unbestritten. Die Nutzung des Social Network

erfordert allerdings auch die nötige Expertise. Ohne SocialMedia-Manager und großes Online-Budget stehen dieserAufgabe gerade kleinere Firmen oft ratlos gegenüber. DreiExperten verraten, wie es richtig und kostengünstig geht.

#1 Die richtige OptikHin und weg. Wenn esdem Instagram-Nutzeran etwas nicht mangelt,dann ist es die Auswahl.Um aus der Masse her-vorzustechen ist einoptisch ansprechenderund auffälliger Firmen-Account nötig. Über-zeugt er nicht auf denersten Blick, wird weg-geklickt. Hier könnensimple Tricks bereitseine große Wirkungerzielen.Farbig, aber nicht bunt:Die Farbwelten der

Bilder sollten aufeinander abgestimmt sein. Ein einheitlichesBildschema, ähnliche Weißwerte und eine begrenzte Zahl anverwendeten Filtern ergeben ein harmonisches Gesamtbild,rät Jan Firsching, Social Media-Berater und Autor des Online-Portals Futurebiz. Jede Marke sollte ihren eigenen, auf dieProduktpalette angepassten Stil entwickeln. Die Bilder sollen

schließlich Emotionen ver-mitteln. Funktionen wie Filterkönnen die Wirkung ver-stärken. Firschings Tipp: MitFoto-Apps wie VSCO eröffnensich mehr Gestaltungsmög-lichkeiten. „Stimmt allerdingsdas Motiv nicht, hilft auchkein Filter“, warnt der Expertefür Soziale Netzwerke.Schönes Motiv? Okay. Aberwelches? Laut einer Instag-ram-Studie der Visual Marke-ting-Plattform Olapc sind65% der beliebtesten Bilderauf Marken-Accounts reineProduktaufnahmen. 29%zeigten Prominente oderInfluencer und nur 3% be-

Foto:123RF

Ein Post von Gerry Weber auf Instagram

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Produkt. Bei der Suche empfiehlt sich das Filtern nach rele-vanten Hashtags. Das kostet zwar etwas Zeit, aber kein Geld.Durch die Kooperation mit Influencern werden nicht nurviele potenzielle Kunden angesprochen, sondern vor allemsolche, die für die Botschaften empfänglich sind.

#3 Authentizität durch Instagram StorysEine neue Funktion mit viel Potenzial sind die InstagramStorys. Damit können Unternehmen kurze Videos oder Bild-Serien für 24 Stunden veröffentlichen, welche die Nutzerseparat zum eigentlichen Profil abrufen. Diese Inhalte dienenals Ergänzung des Firmen-Accounts. Die Idee dahinter: spon-tan und meist live gepostete Beiträge.Mit anderen Worten: Instagram Storys sind ein gutes Tool,um Kundenbindung aufzubauen und das Unternehmen ab-seits vom eigentlichen Produkt vorzustellen. Und das ganzunkompliziert und ohne Kostenaufwand. Denn anders alsreguläre Beiträge müssen diese Inhalte weder im Vorausgeplant noch mit viel Aufwand produziert werden. Schließ-lich geht es hier nicht um Perfektion, sondern um Nähe.Ob Schnipsel über den Arbeitsalltag oder ein Blick hinter dieKulissen bei einem neuen Kampagnen-Shooting – InstagramStories geben dem Unternehmen ein Gesicht. Die Social Me-dia-Managerin Silke Loers (siehe Seite 6) sieht darin eine dergrößten Chancen für die Kundenbindung: „Nutzer wollen

wissen, wie Händler ti-cken und welches Klimadort herrscht.“ Eine au-thentische und glaubhafteDarstellung schaffe zu-dem Vertrauen. Da darfauch gerne die Schnee-ballschlacht der Kollegenin der Mittagspause ge-postet werden. Daskommt bei den Followerngut an.Loers rät den Instagram-Anwendern, sich an denWünschen der Kunden zuorientieren. Diese seiengerade dann sehr be-reitwillig und offen, wennein Unternehmen intensiv

schäftigen sich mit Gewinnspielen. Übrigens: Keine einzigeSale-Ankündigung schaffte es in die Top-Liste.Wieso sind ausgerechnet Produktfotos so beliebt? Schließlichschaltet auch niemand den Fernseher ein, um sich Werbunganzuschauen. Jan Firsching erklärt: „Wenn sich Menschen miteiner Firma auf Instagram verbinden, dann möchten sie auchInhalte sehen, die sich auf Produkte beziehen.“ Diese bindenden Kunden an eine Marke. Daher lösen sie auch die stärksteResonanz aus.

#2 InfluencerAuf wohl kaum einer anderen Plattform haben die so ge-nannten Influencer so viel Einfluss auf ihre Fans und Follo-wer wie auf Instagram. Stephan Czaja, Inhaber der AgenturSocial Media One, hat sich auf die Beeinflusser spezialisiert.Für den Social Media-Berater liegt das Erfolgsgeheimnis derInstagram-Blogger vor allem in ihrer Vorbildfunktion. Diemeisten Nutzer wollen sich durch die bildlastige Plattforminspirieren lassen. In der Folge können sich Firmen vor allemmit Mode, Trends und Lifestyle effektiv positionieren.Influencer überzeugen durch Authentizität. Kunden schenkenihnen mehr Vertrauen als klassischer Werbung. Sie wollenihren Idolen nacheifern. „Wenn Unternehmen geschickt Pro-dukte im Leben des Influencers platzieren, lernen die Nutzernicht nur die Marke kennen. Es werden auch Interesse undBegehrlichkeit geweckt“,versichert Czaja.Star-Blogger lassen sichihre Reichweite allerdingsteuer bezahlen. Eine guteAlternative sind so ge-nannte Micro-Influencer.Sie überzeugen wenigerdurch hohe Follower-Zahlen, sondern vielmehrdurch eine intensive Inter-aktionsrate. Diese kannanhand der Zahl der Kom-mentare und der direktenKontakte zu Followerngemessen werden.Ebenso wichtig ist einthematischer Bezug derMicro-Influencer zum Völlig von den Socken? Bei 703 Mal „Gefällt mir“ in 17 Wochen eher nicht.

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Fazit:Laut Brandwach, einemAnbieter von SocialMedia-Monitoring, fol-gen 70% aller Instag-ram-Nutzer mindestenseinem Marken-Account.Ein intensives SocialMedia-Managementzahlt sich also aus underreicht viele Menschen.Wer weiß, wie es geht,kann seine Kosten ge-ring halten. Aber Vor-sicht bei Schleichwer-bung! Die Regulierungensind in Deutschlandrelativ unübersichtlich,und Verstöße können

teuer werden. Business-Accounts hat Instagram seit August2016 im Programm. Modehersteller und Händler können sichkostenlos anmelden und neue Funktionen wie Kontaktbuttonund erweiterte Profil-Informationen nutzen. Besonders prak-tisch sind die Statistik-Tools, über die Wachstum und Reso-nanz des Accounts ausgewertet werden können. Registrierenlohnt sich also. Dank der Experten-Tipps kann die Erfolgs-kurve schnell steil nach oben schießen.

LEONIE CHRISTIANS

auf sie eingeht. Wie relevantdie Stories mittlerweile fürden Kundenkontakt sindzeigt eine Statistik von Ins-tagram: Etwa drei Viertel deram häufigsten konsumiertenStorys stammen von Mar-ken.

Der macht es richtig:Dem mittelfränkischenSchmuckhersteller ThomasSabo folgen unter der Adres-se @thomassabo über193.000 Abonnenten. Aufdem Account werden vorallem Produkte gezeigt undstimmungsvoll inszeniert.Der Mehrwert besteht bei-spielsweise in Kombinationsmöglichkeiten der Schmuck-stücke oder saisonalen Inspirationen.Die Motive sind abwechslungsreich, gleichzeitig jedoch gutaufeinander abgestimmt. Farblich sind die Aufnahmen meistsehr dezent gehalten und ergeben ein harmonisches Gesamt-bild, ohne sich gegenseitig abzuschwächen.Zudem setzt Thomas Sabo auf Kooperationen mit Influencernwie den Mode-Bloggern Caroline Daur und Masha Sedgwick,die zur Marke passen. Vieles richtig gemacht hat auch Tchibo(@tchibo) mit 84.700 Abonnenten.

Ein nackter Rücken kann auch entzücken – mit diese Post von Tomas Sabosauf Instagram hat es offenbar geklappt.

• gegründet am 6. Oktober 2010 von Kevin Systrom und Mike Krieger, gehört seit 2012 zu Facebook• Zahl der Nutzer: 600 Millionen• Altersstruktur: In Deutschland sind mehr als die Hälfte der Nutzer (57%) in zwischen 13 und 24Jahre alt. 17% sind zwischen 25 und 29. Nur etwa 4% der Instagram-Community zählen zu denso genannten Best Agern (ab 50 Jahre).

• Aktivität: über 60% loggen sich täglich ein• Kommunikations-Tools: Bilder, Hashtags, Storys• Bester Zeitpunkt zum Posten:Montags zwischen 7 und 9 Uhr, sonntags ab 13 Uhr

INSTAGRAM: NICE TO KNOW

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EIN GESPENSTGEHT UM Immer mehrModemarken suchen

auf Snapchat den Kontakt zur jungen Zielgruppe. Für viele Unternehmen

ist die App aber noch ein Experimentierfeld.

F acebook, Instagram, Twitter? Fehlanzeige. Treue Bench-Fans, die nochnicht auf Snapchat unterwegs waren, gingen leer aus. Das Mode-

Label aus Großbritannien präsentierte in New York seine neue Kollektionund zeigte Backstage-Bilder nicht auf den gängigen Social Media-Platt-formen, sondern exklusiv auf Snapchat. Der Grund: Die Hype-App, derenBetreibergesellschaft Snap vorige Woche einen erfolgreichen Börsenstartfeiern konnte, ist bei Jugendlichen so beliebt wie kaum eine andere.Immer häufiger entdecken Modeanbieter Snapchat für sich, um die jungeZielgruppe zu erreichen. Sie nutzen die App, deren Bilder und Videos nacheinmaligem Ansehen und spätestens nach 24 Stunden verschwinden.

bildunterschrift Tagmit 8 Punkt Dummy-Text.bildunterschriftTag mit 8 Punkt Dum-

Asos: Hunde-Videosoll die Followerfröhlich stimmen

Adidas: „ManU“-Kicker zeigen dasneue Auswärtstrikot

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13 DIGITALES MARKETING

Quelle: L2 Think Tank

INSTAGRAMVS. SNAPCHAT

Welche Branchen bespielen die jeweilige Plattform?

Activewear 92% 71%

Auto 100% 25%

Beauty 96% 57%

Beverages 89% 33%

Consumer Electronics 78% 38%

Fashion 98% 54%

Hospitality 95% 13%

Retail 92% 47%

Watches & Jewelry 96% 25%Juli 2015 bis April 2016,n=725 Brands (Instagram), n=281 Brands (Snapchat)

Branche Instagram Snapchat

„Wir haben die Experimentierphase schon hinter uns“, sagt Natalie Süß-mann, Marketingchefin bei Bench. Neben Bench tummeln sich auf derApp aber längst auch etablierte Modemarken wie Burberry, Tom Tailor,Adidas, Nike und Calvin Klein. Insbesondere Bekleidungshersteller schei-nen Gefallen gefunden zu haben: Einer Analyse des US-Marktforschers L2Think Tank zufolge setzen Snapchat vor allem Marken aus den Segmen-ten Activewear (71%) und Fashion (54%, siehe Tabelle) ein. In Anbetrachtaktueller Nutzungszahlen ist das nachvollziehbar. Laut einer Befragungder Jugendzeitschrift „Bravo“ läuft Snapchat in Deutschland sogar Face-book den Rang ab: Nur noch 32% der 10- bis 19-Jährigen gibt an, die Appzu nutzen – 2015 waren es noch 40% gewesen. Snapchat steigt dagegenin der Gunst der Befragten von 17 auf 35%. In Sachen Videonutzung hatdie App mit über zehn Milliarden Abrufen am Tag jüngst sogar Bewegt-bild-König YouTube überholt.Die Bemühungen der meisten Unternehmen stecken derzeit aber noch inden Kinderschuhen. „Snapchat ist bislang für Modemarken zum größtenTeil ein reiner Experimentierkanal, der noch nicht strategisch genutztwird. Doch alle Marken zeigen großes Interesse“, beobachtet SebastianKemmler, Chef der Kreativagentur Kemmler Kemmler, die sich auf dieModebranche spezialisiert hat. Einige Unternehmen betreiben allerdings

Asos: Model ver-abschiedet sichnach dem Shooting

Bench: Ausblickvom New YorkerShowroom

Bench: Babykostümals spontanerMarketinggag

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bereits einen hohen Aufwand für die Produktion von Snapchat-Content.Calvin Klein etwa verlängerte vor vier Jahren als Pionier die Kampagnezum Unisex-Duft „CK One“ auf die gelbe App. Burberry veranstaltete füreine Herbst/Winter-Kollektion gar ein exklusives Snapchat-Shooting.Facebook, Instagram, Twitter und Co werden trotz Snapchat nicht weni-ger bespielt als zuvor. Doch die Mode-Labels tendieren bei Snapchat dazu,ihre Inhalte von Influencern wie Bloggern produzieren zu lassen. Benchetwa legte die Content-Produktion in die Hände der Stylistin Kylie Griffithund der Band Rudimental. Für Markenberater Kemmler ist das der richti-ge Weg: „Influencern gehört die Zukunft auf Snapchat. Darüber könnenMarken einen persönlichen Bezug zur jungen Zielgruppe aufbauen unddie hohe Reichweite der Influencer nutzen.“Ferner sei die Planung und Produktion von eigenem Content mit einem„hohen Aufwand“ verbunden. Die Beinflusser nehmen diese Arbeit ab.Für Bench kümmert sich ein zweiköpfiges Team um klassische Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram. Es arbeitet dabei mitprofessionellen Redaktionsplänen. Für Snapchat kaum vorstellbar. DieInstant-Kommunikation ist dort schneller und weniger planbar.

Schnelligkeit ist auch bei Adidas wichtig. Die Franken setzen beiSnapchat auf bekannte Gesichter und nutzen die App vor allem für dieglobale Fußballkommunikation. Hierzulande hat die Sportmarke etwaVideo-Inhalte mit den deutschen Nationalspielern Mesut Özil und Marc-André ter Stegen erstellt. Das Besondere: Adidas ist eine von wenigenMarken, die in ihrer Snapchat-Strategie auf einen Mix aus eigenproduzier-ten und bezahlten Inhalten, also Werbung, setzt. „Weil wir mit Paid Mediaviel mehr Daten generieren können“, begründet ein Adidas-Sprecher.Bislang würden Modemarken eher auf organische Reichweite vertrauen,sagt Kemmler. „Paid Media spielt derzeit auf Snapchat keine Rolle. Aberdas ist nur eine Frage der Zeit.“Snapchat-CEO Evan Spiegel muss noch viele Probleme lösen, damitKemmlers Prognose eintreffen kann. Marken und Agenturen bemängelnimmer wieder begrenzte Nutzerdaten und die Tatsache, dass Video-Wer-bespots extra im vertikalen Format produziert werden müssen. Hinzukommt die angeblich zu geringe Aufmerksamkeit für die Anzeigen.„Die Kampagnen-Messung auf Snapchat ist nicht ganz einfach“, bestätigtBench-CMO Süßmann. „Wir fokussieren uns momentan vor allem auf dasEngagement und die Follower-Anzahl.“ Sollten diese Werte positiv aus-fallen, werde Bench die App Snapchat sehr wahrscheinlich erneut parallelzu Events einsetzen.

GIUSEPPE RONDINELLA

3 TIPPS FÜR GUTESSNAPCHAT-MARKETING

1 Geschwindigkeit: Snapchat bedeu-tet Instant-Kommunikation. DerZeitraum zwischen Content-Pro-duktion und Posting ist minimal.Deshalb müssen Kampagnen auf-wendiger vorbereitet werden als fürklassische Medien. Das erfordert einradikales Umdenken. Denn schließ-lich gibt es keine Re-Cuttings oderLayout-Änderungen.

2 Authentizität: Marken sollten sichauf Snapchat durchaus etwastrauen. Sie sollten sich aus derbekannten Werberealität wegbewe-gen und experimentieren. Dasmacht die Marke authentisch undspricht die junge Zielgruppe an.

3 Ausdruckskraft: Kommunikation aufSnapchat muss laut sein – undzwar laut in der Aussage. Ein gutesBeispiel ist Adidas mit der „Bosseveryone“-Kampagne: klarer Slogan,neonfarbene Motive, aussage-kräftige Darstellungen. SubtileKommunikation ist nicht für Snap-chat geeignet.

Quelle: Sebastian Kemmler

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SIEGESZUG PINTEREST Pinterest funktioniert wie eindigitaler Schaufensterbummel. Und wie die Auslage muss auch der Account besondersansprechend gestaltet werden. Mit welchen einfachen Tricks dies gelingt, verrät Jana Würfel,die das Deutschlandgeschäft von Pinterest leitet.

Die PlattformWeltweit nutzen monatlich über 150Millionen Konsumenten Pinterest aufder Suche nach Inspiration und Ideen.Laut eines „Trend Reports“ von KleinerPerkins Caufield & Byers ist mehr alsdie Hälfte der Pinterest-User (55%)durchaus gewillt, über die App Pro-dukte zu kaufen. Firmenengagementzahlt sich also definitiv aus. Aber wiegenau läuft das Ganze ab?Ein Account besteht aus verschiedenenOnline-Pinnwänden, auf die Fotos rundum Lifestyle-Themen wie Food, Fashionund Beauty gepostet werden. Im Pinte-rest-Jargon nennt man das pinnen.Außerdem können Inhalte von ande-ren Nutzern geteilt, also gerepinnt,werden und erscheinen somit auch aufdem eigenen Profil. Je öfter Beiträgegerepinnt und dadurch weiter ver-breitet werden, desto höher ist auchdie Resonanz. Wer seine Pinzahl erhö-hen will, sollte diese drei einfachenund sogar kostenlosen Tricks befolgen.

Eine klare DarstellungJana Würfel rät von der Kommunika-tion in Hashtags ab: „Nutzer suchengezielt nach Ideen und speziellen Pins,daher versieht man diese am bestenmit kurzen Beschreibungstexten, indenen auch prägnante Keywords ent-halten sind.“ Neben einer vereinfach-ten Suche würden potentielle Kundenzudem detailliertere Auskünfte überdas gepinnte Produkt erhalten. Einhoher Informationsgrad sei bei der Appim Vergleich zu anderen Sozialen Me-dien besonders wichtig. Auf einer

derart visuellen Plattform spielt natürlichauch die Bildsprache eine große Rolle.Pinterest bietet die Möglichkeit, Beiträgemit Sonderformaten zu posten. Geradebesonders lange Bilder im Hochformaterregen eine hohe Aufmerksamkeit.Daher empfiehlt es sich, Dateien durchBearbeitung optisch zu strecken. Es kön-nen beispielsweise mehrere Fotos an-einander gehängt oder ein einzelnes Bildmit einem breiten Rahmen versehenwerden. So gehen die Beiträge beimScrollen nicht so schnell unter.

Praktische FunktionenIm Februar 2017 kündigte Pinterestneue und für Unternehmen relevanteFunktionen an. Neben einer Shop theLook-Einstellung soll es künftig aucheine Kamerasuche geben, bei der Nut-zer Produkte mit ihrem Handy fotogra-fieren und über die App suchen kön-nen. Neben der reinen Ware und einerVerlinkung zum Onlineshop werdenihnen dann automatisch auch Outfit-ideen vorgeschlagen – also ein deutli-cher Mehrwert gegenüber einer norma-len Google-Suche.Wann genau die Neuerungen einge-führt werden sollen, steht noch nichtfest. Doch schon jetzt können Markenvon verschiedenen Features des Fir-menaccounts profitieren. Diesen kannman auf Pinterest unkompliziert be-antragen. Neben einem Merk-Buttonfür Konsumenten werden hier bei-spielsweise Rich Pins angeboten. DieseMarkierungen ergänzen einzelne Pro-dukte mit Informationen wie Echtzeit-Preisangaben und Verfügbarkeit. Auchdas Firmenlogo wird über Rich Pinsautomatisch angezeigt und erhöhtsomit die Markenpräsenz.

Die richtige PinnwandAnstatt wenige allgemeine Pinnwändezu führen, sollten diese spezifischeraufgeteilt werden. „Bei einer Erfolgs-analyse seiner Inhalte erlangt man soeinen besseren Einblick in die Nischen-interessen der Zielgruppe“, erklärt JanaWürfel. So sollte etwa ein Moodboardzum Thema Sommerlook besser inKategorien wie Beach-Styles, State-

Pinterest-Präsenz des Münchner Mode-Aggregators Stylight

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mentkleider und Sandalen unterteiltwerden.Community- und Gruppen-Pinnwändebieten sich an, um neue Zielgruppen zuerreichen. Dort können zu den vorgege-benen Themen passende Beiträgeveröffentlicht werden. Der Vorteil: Eswerden nur User angesprochen, beidenen bereits Interesse für die Thema-tik vorhanden ist. Das vereinfacht dieKundenaktivierung erheblich.

Gemeinsam geht alles besserAuch auf Pinterest können Markenmiteinander kooperieren und gegen-seitig Beiträge repinnen. Wer seinen

Followern zusätzlich Input liefernmöchte, kann dies auch durch dasRepinnen von Bildern tun, die Bloggernonline gestellt haben. Zum Beispiel alsOutfit-Inspiration, wenn auf dem Fotodas Produkt der Marke getragen wird.Lukrative Inhalte müssen also nichtzwangsläufig selbst erarbeitet werden.

Eine ErfolgsgeschichteDer Do it Yourself-Marktplatz DaWan-da war 2011 eine der ersten E-Commer-ce-Plattformen, die Pinterest hierzulan-de gezielt fürs Marketing nutzte. Mitt-lerweile wird ein Großteil der Kundenüber das Netzwerk generiert. Beim

Vergleich des Einkaufsverhaltens fälltauf, dass der Wert der Warenkörbe beiPinterest-Nutzern 13% höher ist als beianderen Kunden. Das Netzwerk sprichtalso Verbraucher mit höherer Kauf-absicht an. „Unsere Pinterest-Strategieist aufgegangen und unser Accounterzielt kontinuierlich mehr Reichweite“,berichtet Claudia Helming, Gründerinund Geschäftsführerin von Dawanda.Die Berliner Plattform sei daher nichtmehr aus dem Content-Marketingwegzudenken.Aktuell hat DaWanda 78 Pinnwände;die Inhalte wurden bereits mehr als540.000 Mal repinnt.

Pinterest-Pinnwand von H&M zum Thema Bademode

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FazitWelche Möglichkeiten Pinterest für dieUnternehmenskommunikation bietet,zeigte 2016 eine Content-Kampagnevon Otto. Der Universalversender be-fragte mit einem Online-Formular zumThema Fitness seine Kunden über ihreVorlieben und Trainingsgewohnheiten.Über die ProgrammierschnittstellePinterest-API kann Otto die Ergebnissein personalisierte Pinnwände für ein-zelne Nutzer umwandeln. Und ihnensomit auf sie zugeschnittene Produkt-paletten vorschlagen. „Mit der API-Integration wollen wir eine innovativedigitale Möglichkeit testen, unseren

Kunden individuelle Angebote zumachen“, erklärt Kerstin Pape, die dasOnline-Marketing von Otto leitet. Da-mit nutzt zum ersten Mal ein deut-sches Unternehmen die API im Rah-men einer Kreativkampagne. Interna-tional gesehen ist die Relevanz vonPinterest für Unternehmen bereitsgefestigt: Drei Viertel der Inhalte aufPinterest kommen aus professionellenQuellen wie Marken-Site und Online-Shops. Höchste Zeit also, dass auchkleinere deutsche Unternehmen aufden Pinterest-Zug aufspringen.

LEONIE CHRISTIANS

Über den „Merken“-Button können Lieblings-bilder gespeichert werden.

PINTEREST – NICE TO KNOW

Gegründet 2010 von den US-Amerikanern Ben Silber-mann, Evan Sharp und Paul Sciarra. CEO ist Silber-mann. Der Hauptsitz befindet sich in San FranciscoCommunity: Über 150 Millionen Nutzer weltweit,

davon 70 Millionen in den USADemografie: Im Vergleich zu anderen Sozialen Me-

dien lässt sich über Pinterest auch eine ältere Ziel-gruppe effektiv ansprechen. Medienberichten zufolgesind 26% der Nutzer zwischen 25 und 34 Jahren alt,15% zwischen 18 und 24. Genauso viele stammenjedoch aus der Altersgruppe 55 bis 64. Schätzungenzufolge sind 81% der User weiblich.Kommunikation: Pins und RepinsPopularität: Die beliebtesten Kategorien sind Food,

Fashion, Beauty und Home.

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WENN DAS SMARTPHONEZWEIMAL PIEPST Location Based Services bestehen

erste Praxistests im Modehandel und avancieren zum effektiven Tool für dieinteraktive Kundenansprache

J ahrelang gehörten die ortsbasiertenOnline-Dienste zu den ewigen Ta-

lenten des Internets. Ähnlich wie beiden artverwandten GeschäftsmodellenMobile Marketing und M-Commercedauerte es auch bei den sogenanntenLocation Based Services (LBS) lange, bisdie Technik ausgereift und die nötigeNutzerakzeptanz erreicht war. Dreiaktuelle Entwicklungen haben dasPotenzial, der neuen Form der inter-aktiven Kundenansprache endlich zumDurchbruch zu verhelfen. Das 2016 inKraft getretene Telemediengesetz unddie damit verbundene Abschaffung derWLAN-Störerhaftung sorgen dafür,dass immer mehr Modegeschäfte ihrenKunden einen schnellen, kabellosenInternetzugang zur Verfügung stellen.Zudem hat im vergangenen Sommerder Hype um die Augmented Reality-App Pokemon Go bewirkt, dass viele

deutsche Smartphone-Nutzer zuneh-mend ihre Datenschutzbedenken überBord geworfen und freizügig der stän-digen Ortung via GPS und WLAN zu-gestimmt haben. „Pokemon Go ist derWink mit dem Zaunpfahl, dass gutgemachte LBS-Kommunikation einenenormen Suchtfaktor haben kann“, sagtProf. Klaus Goldhammer, Geschäfts-führer der Beratungs- und Forschungs-gruppe Goldmedia. Viele Modehändlersprangen auf den Hype auf, indem sieso genannte Lock-Module buchten.Damit wurde Pokemon in die Storesgeleitet – und die Pokemon-Jäger gleichmit.Ein weiterer Push für ortsbasierteDienste geht von der Shopping-AppShopkick aus, die Verbraucher mit Bo-nuspunkten, wenn sie bestimmte Lädenbetreten. „Datenschutz ist wichtig, doches gilt auch: Wenn ich einen konkretenVorteil habe, bin ich bereit, meine Da-

ten herauszugeben“, erklärt StephanTheiß, Geschäftsführer der Gelbe SeitenMarketing Gesellschaft, die seit mehre-ren Jahren ortsbasierte Dienste anbie-tet.Laut einer Studie von Goldmedia Cus-tom Research haben im vergangenenJahr 44% der deutschen Internetnutzermindestens einmal in der Woche Loca-tion Based Services genutzt. 2013 warenes noch 27% gewesen.

49 Millionen Deutsche besitzenein Smartphone – und 43% finden esgut, beim Passieren eines GeschäftsAngebote, Gutscheine oder Rabatt-aktionen des Ladens zu erhalten, er-mittelten Gelbe Seiten und das PortalStatista bei einer Befragung von MobileInternet-Nutzern. Jeder Dritte würde esbegrüßen, wenn ihn eine virtuelleEinkaufsliste benachrichtigen würde,sobald er an einem Laden vorbeigeht,

Foto:Shopkick

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der die gespeicherten Produkte ver-kauft.Die Technologie wird immer attrakti-ver, und zwar nicht nur für große Mar-kenhersteller und Filialisten, sondernauch für Mittelständler. „Für kleineHändler und Läden ist das ein Gate-way in die digitale Welt“, sagt ThomasKnauer, Managing Director der Agen-tur St. Elmo’s in München. „Gerade dieKleinen suchen nach solchen Brücken,weil ihnen Amazon und Co immermehr Kunden wegnehmen.“Besonders Amazon hat sich in denvergangenen Monaten zu einem dergrößten Konkurrenten des Stationär-handels entwickelt. Nicht nur wegender immer beliebter werdenden Ver-sandkosten-, Video-, Musik- undE-Book-Flatrate Amazon Prime für 69Euro im Jahr, sondern auch durch denAusbau der Lieferung am selben Tagund innerhalb weniger Stunden. Da-durch verlieren die klassischen Händlereinen ihrer größten Vorteile: die sofor-tige Verfügbarkeit von Waren.

Location Based Services könnenden Stationärhändlern also dabei hel-fen, dem Frequenzverlust auf der Flä-che entgegenzuwirken. Erste Fallstudi-en zum Thema stützen diese These.Die Schuhmarke Lloyd führte im ver-gangenen Jahr einen Test mithilfe derTechnik Geofencing durch. Dabei beka-men Nutzer der Gelbe Seiten-AppPush-Nachrichten zugeschickt, sobaldsie sich im Umkreis von 75 Meternvon einem der 28 Lloyd-Stores auf-hielten. Vorausgesetzt, sie hatten zuvorin den App-Einstellungen ihre Einwil-ligung dafür erteilt.Lloyd machte z.B. auf die neue Früh-jahrskollektion aufmerksam und lockte

die App-Nutzer mit dem Versprechen,beim Kauf von einem Paar Schuheeine Reisetasche gratis mitnehmen zukönnen. Insgesamt wurden rund24.500 Werbebotschaften verschickt.Davon wurden 3653 geöffnet. Dasentspricht einer Rate von fast 15%.Zum Vergleich: Nach Berechnungender am Pilotprojekt beteiligten AgenturSt. Elmo’s hätte eine Newsletter-Kam-pagne nur eine so genannte Click-Through-Rate von 5% erreicht. EineBanner-Kampagne hätte gar lediglich0,5% geschafft. Das heißt: Um aufdieselbe Öffnungsrate wie bei derLBS-Aktion zu kommen, hätte man beieiner Banner-Kampagne 73.000 Euro indie Hand nehmen müssen – also fastdreimal so viel Geld wie die LBS-Aktiongekostet hätte (25.000 Euro). EineNewsletter-Kampagne hätte mit rund35.000 Euro zu Buche geschlagen.„Location Based Services sind eine tolleMöglichkeit, die Aufmerksamkeit zu-sätzlicher, potenzieller Kunden aufunsere Concept Stores zu lenken“, sagtLlyod-Marketingleiterin KatharinaMeindertsma. Ob das Unternehmenweitere LBS-Kampagnen durchführt,steht noch nicht fest.

Der bislang größte Pilot fand voreinem Jahr im Karlsruher StadtteilDurlach statt. Über 50 Unternehmen,darunter zwei Modegeschäfte, ver-schickten spezielle Informationen undGutscheine an Nutzer der Gelbe Sei-ten-App, sobald diese eine Zone vordem jeweiligen Geschäft betraten.Ergänzend kamen Beacons zum Ein-satz. Dabei handelt es sich um kleineSignalstationen, die sich mit denSmartphones der Kunden verbinden,sofern diese eine entsprechende App

installiert und in dieser der direktenWerbeansprache zugestimmt haben.Ferner müssen die Kunden die Blue-tooth-Funktion ihres Handys aktivie-ren. Insgesamt wurden in Durlach überGeofencing und Beacons 5409 Nach-richten an über 1600 Handy-Nutzerverschickt. Fast jede dritte Botschaftwurde gelesen. Daraus ergaben sich877 Transaktionen. Das ModehausNagel etwa warb mit einem Rabattvon 10% auf den Einkauf. Fast 43%nahmen das Angebot am ersten Ak-tionstag an, am zweiten Tag waren esrund 38%. Die Hälfte der teilnehmen-den Händler bewertet das Pilotprojekt

„Für kleine Händlersind Location BasedServices ein Gatewayin die digitale Welt“

Thomas Knauer,Managing Directorvon St. Elmo’s

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„Digitales Durlach“ alsErfolg.SportScheck hat dieBeacon-Technik getes-tet. Beim ersten Pro-belauf in drei Filialenverzeichnete der Sport-mode-Filialist einedurchschnittliche Öff-nungsrate von 22%.Rund 15% der Nutzer,die außerhalb derFiliale eine Push-Nach-richt erhielten, kehrtenanschließend bei derOtto Group-Tochter ein.Im Anschluss testeteSportScheck die Bea-con-Technik zehn Mo-nate lang in allen 19deutschen Filialen.Der erste Beacon be-fand sich am Eingang und sendetestandortbasierte Werbung. Die zweiteSignalstation lag an einem zentralenOrt in der Filiale. Sie registrierte, ob dieAnsprache durch den ersten Funk-sender erfolgreich war. Außerdemkonnte sie die Frequenz und die Zahlwiederkehrender Besucher messen.Ferner wurde sie dazu genutzt, denKunden während oder nach dem Filial-besuch Push-Nachrichten zu schicken.Diese beinhalteten Filial- und Online-Gutscheine oder Werbung für spezielleSortimente. Offenbar nicht mit dererwünschten Wirkung. Wie ein Spre-cher mitteilt, verwendet die OttoGroup-Tochter die Beacons „aktuell“nicht für die Kundenansprache. „Dafürnutzen wir die Geofencing-Technik.“Esprit setzt dagegen weiterhin auf dieBluetooth-Funksender, die in der Regelnicht viel größer als eine Streichholz-

Schachtel sind. Die Ratinger haben voreinem Jahr alle 20 österreichischenLäden damit ausgestattet. Über fünfverschiedene Kampagnen erhaltenNutzer der Esprit-App u.a. aktuelleAngebote aufs Handy oder die Mög-lichkeit, Bonuspunkte zu sammeln.

Mit Beacons arbeitet auch die US-amerikanische Shopping-App Shopkick,die hierzulande vor Kurzem eingestelltwurde. Sie zählte am Ende mehr als2,1 Millionen User, von denen etwa einFünftel die Anwendung regelmäßignutzte. Die Smartphone-Anwendungbelohnt Verbraucher für das Betretenvon Geschäften mit so genanntenKicks. Diese gibt es auch, wenn manBarcodes vorgegebener Produkte ein-scannt. Die neue Firma Shoplink willdas Deutschlandgeschäft von Shopkickweiterführen. Weiterhin am Markt ist

der Hamburger Bonus-App-Betreiber Yoints.Bei Karstadt führte Shop-kick 2016 zwei Pilot-projekte durch. Zumeinen wurden in mehre-ren Filialen Umkleideka-binen mit Beacons aus-gestattet, die App-Nutzerbeim Betreten mit zu-sätzlichen Kicks belohn-ten. Zum anderen ver-anstaltete der Shopping-App-Betreiber in BerlinerKarstadt-Filialen einedigitale Schnitzeljagd.„Die Leute sind wirklichbereit, in die verschiede-nen Fachbereiche zulaufen“, bilanzierte diedamalige Shopkick-Ge-schäftsführerin Stefanie

Lüdecke. Der künftige Erfolg von Locati-on Based Services-Kampagnen hängtalso entscheidend davon ab, wie ge-schickt Anwender die Inhalte ihrerPush-Nachrichten gestalten.Noch funktionieren Gutscheine undRabatte am besten. Doch wie bei klas-sischen Kampagnen nutzen sich dieseAngebote auf Dauer ab. Eine hoheBereitschaft des Kunden zur Koope-ration ist zudem bei den Apps nötig,ohne die derzeit wenig im LocationBased Services-Marketing funktioniert.Hinzu kommen Streuverluste, zumBeispiel dann, wenn Gutscheine anKunden gehen, die ohnehin etwas imLaden gekauft hätten. „Die Nutzerseg-mentierung wird wichtiger, wenn mandie hohe Öffnungsrate erhalten will“,betont Gelbe Seiten-GeschäftsführerTheiß. Er empfiehlt die Inhalte derCoupons zu variieren. Zum Beispiel

Klein aber oho: Esprit setzt in Österreich auf Beacons, um den Nutzern der Kunden-App im Laden Angebote zu machen.

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durch exklusive Einladungen fürAbendveranstaltungen. „Ich muss dafürsorgen, dass ich dem Kunden die richti-ge Information zum richtigen Zeit-punkt gebe“, sagt Andreas Precht, Futu-re Commerce Verfechter der BremerOnline-Agentur hmma. Das Verfahrensei aber technisch recht aufwändig, daman in Unternehmensstrukturen ein-greifen müsse. „Das muss bereichs-übergreifend funktionieren. Und dahinkt die IT oft hinterher.“Eine hohe Bereitschaft zur Kooperationist auch bei den Apps nötig, ohne diederzeit wenig im LBS-Marketing funk-tioniert. Einzige Ausnahme sind MobileMarketing-Kampagnen, bei denenAnzeigen auf reichweitenstarken Mo-

bile Sites wie Spiegel.de gebucht wer-den können. Oder man kapert – wiedie Café-Kette Deli – die WLAN-Or-tungsfunktion der Handys in der direk-ten Umgebung und leitet die Nutzermit Pfeilen zum eigenen kostenfreienWLAN-Service um die Ecke.

Die Regel sind aber ganz klar Apps,deren Erfolg natürlich von der jeweili-gen Reichweite abhängt. Große Mar-kenhersteller und vertikal aufgestellteFilialisten können die kritische Masserecht schnell und einfach erreichen. Beimittelgroßen Filialisten und Modehäu-sern wird das schon deutlich schwieri-ger. „Die Herausforderung wird darinbestehen, sich mit anderen Markt-

teilnehmern zusammenzuschließen,um gemeinsam den Erwartungen derKunden bzw. Endverbraucher gerechtzu werden“, betont Thomas Täuber,Retail-Geschäftsführer der Unterneh-mensberatung Accenture in Deutsch-land, Österreich und der Schweiz.Prof. Jürgen Seitz von der Hochschuleder Medien in Stuttgart geht davonaus, dass ortsbasierte Angebote erstdann im nötigen Ausmaß genutztwerden, wenn genügend Nutzer, aus-reichend spannende Angebote undServices kontinuierlich vorfinden. „Da-für muss größer und aggressiver vor-gegangen werden.“

BERT RÖSCH

EINSATZGEBIETE VONLOCATION BASED SERVICES

Digitale Schnitzeljagden und Spiele, deren Teilnahme mit einem Gut-schein oder einem Gratisprodukt belohnt wird.

Gutscheine/Sonderangebote werden aufs Handy des Nutzers gespielt,sobald dieser den Geofencing-Bereich betritt.

Individuelle Angebote, die sich am Wetter oder der Kaufhistorie desKunden orientieren. Ein Beispiel: „Welch ein traumhaftes Freibadwetter!Die neueste Bademodenkollektion ihrer Lieblingsmarke gibt es heute20% günstiger in unserer Filiale, die nur 150 Meter entfernt ist“.

In-Store-Navigation und Information: „Wussten Sie schon, dass dieKleider in dieser Abteilung von Stardesigner xyz entworfen wurden?Und wer 2 Teile kauft, bekommt 1 Teil gratis.“

Mobile Advertising: Vermarkter kaufen anonymisierte Werbekontakteein, die über Geo-Targeting eindeutig lokalisiert werden können. DieKontakte bzw. Verbraucher bekommen dann – wie im stationären In-ternet auch – eine zielgruppengerechte Werbung zu sehen.

Foto:St.Elmo’s/Deli

Deli lockte WLAN-Nutzer über Hotspotsin die nächstgelegene Filiale.

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Titelfoto: 123RF

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