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Digitalisierung und Bildung

Eine erste Annäherung an die Digitalisierung im Bildungswesen mit Fokusauf die Digitale Bildung an allgemeinbildenden und beru�ichen Schulen

Johannes S. Bronnhuber

6. Dezember 2016

Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung, Dillingen

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Inhaltsverzeichnis

1 Digitalisierung und deren Auswirkung auf Alltag und Beruf 51.1 Informations- und Kommunikationstechnologien im Alltag . . . . . . . . . 51.2 Zunehmende Dynamik und Komplexität der Arbeitswelt . . . . . . . . . . 51.3 Auswirkungen auf beru�iche Quali�kationspro�le . . . . . . . . . . . . . . 71.4 Handlungsfelder für das schulische Bildungswesen . . . . . . . . . . . . . . 8

2 Schulentwicklung 112.1 Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.2 Schulleitung und Qualitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.3 Quali�kation von Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3 Unterrichtsentwicklung 153.1 Neue Anforderungen an die Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.1.1 Digitale Bildung beginnt in der Familie . . . . . . . . . . . . . . . 153.1.2 Erziehungs- und Bildungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.1.3 Kompetenzbereiche und -anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.2 Digitalisierung als Lerninhalt (Unterrichtsgegenstand) . . . . . . . . . . . 173.2.1 Informatik, Digitales und Medien als eigenständiges Unterrichtsfach 173.2.2 Neue Kulturtechnik fordert Erwerb überfachlicher und fachlicher

Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.3 Neue Möglichkeiten der Gestaltung von Lehr-Lernarrangements (Unter-

richtsmittel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.3.1 Ansätze und Ideen für innovative Lehr-Lernprozesse . . . . . . . . 193.3.2 Digitale Medien in Lehr- und Lernprozessen . . . . . . . . . . . . . 20

4 Fazit und (Heraus-)Forderungen 23

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Die Digitalisierung ist Fakt und aus Alltag und Beruf nicht mehr wegzudenken. Verän-derungen betrieblicher Produktionsabläufe, eine hohe Dynamik informationstechnischerNeuerungen oder auch die Entwicklung individueller Produkte unter Einbindung desKonsumenten werden die Quali�kationsanforderungen an Arbeitnehmer teils massiv ver-ändern. Für das Bildungswesen insgesamt und insbesondere beru�iche Schulen ergebensich hieraus Anpassungsbedarfe auf diversen Handlungsfeldern.Aufbauend auf einer �ächendeckenden Bereitstellung von Informationstechnologien so-

wie eines sinnvollen rechtlichen Rahmens durch die Bildungsadministration müssen Kon-zepte zur Schul- und Unterrichtsentwicklung erstellt und implementiert sowie die Qua-li�kation der Lehrkräfte in allen Phasen der Lehrerbildung überarbeitet werden. DieBildungspläne sind regelmäÿig auf Aktualität zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.Um die neu hinzugekommenen Bildungs- und Erziehungsziele im Bereich des Digita-len erreichen zu können, sind pädagogische und didaktisch-methodische Konzepte fürden Erwerb mit der neuen Kulturtechnik zu erarbeiten und bei der Gestaltung hybriderLehr-Lernarrangements zu berücksichtigen.Sorgen, eine fortschreitende Digitalisierung könnte auf absehbare Zeit die traditionellen

Bildungsformen ersetzen, sind unbegründet. Die zur Verfügung stehenden Werkzeuge undMedien werden die etablierten Unterrichtsformen unterstützen und ergänzen, jedoch nichtverdrängen.

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1 Digitalisierung und deren Auswirkung auf Alltag und Beruf

1.1 Informations- und Kommunikationstechnologien im Alltag

Dem abendlichen Shopping via Tablett auf dem Sofa folgt die Lieferung per Drohne in-nerhalb von 24 Stunden. Dass dieses Szenario längst keine Zukunftsvision mehr ist, habender Online-Händler Amazon und auch die Deutsche Post DHL bewiesen. Die Digitali-sierung beein�usst jedoch nicht nur unsere Einkaufsgewohnheiten. Auch Medienkonsumund Kommunikation unterliegen einem fortschreitenden Wandel. Anstelle das Kaufs vonCD und DVD streamt man Serien und Musik bei Net�ix und Spotify oder schaut privateAngebote bei Youtube. Auch die Tageszeitung gelangt nicht mehr per Bote in den Brief-kasten, sondern via Zugangscode direkt auf das Tablet. Kontakt zu Freunden hält manheute weltweit über soziale Netzwerke wie Instagram oder Facebook. Die Kommunikationerfolgt selbstverständlich via Instant-Messaging-Dienst.Zunehmend intelligente Systeme entstehen durch die Entwicklung und Zusammenfüh-

rung von PC, Fernseher und mobilen Endgeräten. Bereits heute kann die Haustechnik vonder Heizung bis zur Jalousie über das Smartphone gesteuert werden. Seit kurzem wirddie Liste digitaler Helfer um Smart Watches, Fitnessbänder oder auch intelligente Sport-bekleidung ergänzt, die den Nutzer bei der Bestimmung der optimalen Belastung für dieFettverbrennung oder die Steigerung der Ausdauerleistung unterstützen. Schlagwörterwie Internet of Things und 3D-Drucker ergänzen die Liste des Ein�usses der digitalenWelt auf unseren Alltag nur unvollständig.Dabei ist die Digitalisierung und Vernetzung der Lebenswelt von einer hohen Dynamik

gekennzeichnet. Künstliche Intelligenz und Emotionen scheinen nicht mehr unrealistisch.Roboter wie der japanische Pepper reagieren bereits auf erkennbare Gefühlsregungen.Die semantische Suchmaschine Wolfram Alpha beantwortet komplexe Fragen rund umdie Naturwissenschaften. Smart Data und Predictives Analytics �nden nicht nur im Mar-keting ihre Anwendung: die bayerische Polizei geht in München und Nürnberg testweisemit der Software Precobs auf die Jagd nach künftigen Verbrechern.Eine klare Abgrenzung existenter Innovationen von Zukunftsvisionen ist oftmals kaum

mehr möglich. Die Digitalisierung beschränkt sich dabei nicht nur auf das Privatleben.Vielmehr durchdringt die digitale Revolution sämtliche Lebensbereiche und erö�net mitihren immer kürzeren Innovationszyklen neue Potenziale und Chancen zur Wohlstands-und Wohlfahrtssteigerung, birgt aber zugleich nicht zu unterschätzende Risiken für dieGesellschaft und den Einzelnen.

1.2 Zunehmende Dynamik und Komplexität der Arbeitswelt

Die Bundesregierung sieht die deutsche Wirtschaft

�an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution. Durch das Internet ge-trieben, wachsen reale und virtuelle Welt immer weiter zu einem Internet derDinge zusammen. Die Kennzeichen der künftigen Form der Industrieproduk-tion sind die starke Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen

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einer hoch �exibilisierten (Groÿserien-)Produktion, die weitgehende Integra-tion von [. . . ] Kunden sowie [. . . ] Geschäftspartnern in Geschäfts- und Wert-schöpfungsprozesse und die Verkoppelung von Produktion und hochwertigenDienstleistungen, die in sogenannten hybriden Produkten mündet�1.

Für Unternehmen und Betriebe werden Veränderungen der Produktionsabläufe vermut-lich die zentrale Herausforderung von Industrie 4.0 sein. Dabei darf jedoch der eigenstän-dige Beitrag informationstechnischer Neuerungen nicht übersehen werden. Der VerbandDeutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) zählt hierzu insbesondere [14]

• die Nutzung webbasierter Tools mit mobilen Endgeräten, zum Beispiel zur Steue-rung und Überwachung von Maschinen (Web 2.0),

• die zunehmende Vernetzung von Maschinen und Produkten (cyber-physical Sys-tems) sowie die intelligente Nutzung anfallender Daten (Big Data),

• neue Ansätze in der Robotik, insbesondere adaptive Roboter, Leichtbauroboter undZweiarmroboter,

• neue produktionstechnologische Ansätze wie Laser-Sintern oder 3D-Druck (additiveVerfahren) sowie

• Wearables und Augmentation, also körpernahe Geräte wie intelligente Handschuheoder Daten-Brillen.

Um die deutsche Wirtschaft aktiv auf dem Weg durch die vierte industrielle Revolutionzu begleiten und für den künftigen globalen Wettbewerb zu rüsten, wurde Industrie 4.0vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als Zukunftsprojekt2 imRahmen der Hightech-Strategie ins Leben gerufen. Für Forschungsarbeiten bewilligtedas BMBF bislang Fördermittel in Höhe von 120 Millionen Euro. Hinzu kommen bis zu80 Millionen Euro, welche vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)zur Verfügung gestellt werden.Eine umfängliche Neuausrichtung der gesamten Leistungserstellung, insbesondere durch

die Integration von neuen Informationstechnologien mit dem Ziel aus umfangreichen Da-tensammlungen produktions- und produktrelevante Information zu gewinnen um letzt-lich Wissen zu generieren, welches intelligenten Maschinen und Enterprise-Resource-Planning-Systemen (ERP) zur Verfügung steht, hat vor allem für die involvierten Men-schen erhebliche Auswirkungen.Veränderte Arbeitsinhalte und -prozesse werden die Anforderungen an Quali�kationen

der Facharbeiter und Akademiker neu de�nieren. Eine Folge wird vermutlich der Weg-fall von Aufgaben für Geringquali�zierte und dem Entstehen neuer Tätigkeitsfelder fürGut- und Hochquali�zierte sein. Laut der Studie Industrie 4.0 � Quali�zierung 2025 des

1Den Originaltext sowie weiterführende Informationen bietet die Plattform Industrie 4.0 � Die neue

Hightech-Strategie der Bundesregierung unter www.hightech-strategie.de/de/Industrie-4-0-59.php2Informationen zum Projekt sowie diverse Informationen und Publikation bietet die Plattform dasBMBF unter https://www.bmbf.de/de/zukunftsprojekt-industrie-4-0-848.html

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VDMA sehen die darin Befragten drei mögliche Szenarien für alle Quali�kationsniveausim Bereich der gewerblich-technischen Berufe: [14]

• von allen Arbeitskräften wird eine höhere Quali�zierung gefordert werden (GeneralUpgrade).

• die Schere zwischen Hoch- und Niedrigquali�zierten wird stärker auseinander drif-ten (Growing Gap).

• die Bedeutung der Facharbeiterquali�kation wird zunehmen (Central Link).

Inwieweit diese Hypothesen auf andere Wirtschaftsbereiche übertragen werden könnenist noch unklar. Das Zentrum Europäischer Wirtschaftsforschung (ZEW) sieht jedoch dasAutomatisierungspotenzial bei bestimmten Aufgaben und nicht bei spezi�schen Berufen[3]. Hierzu ermittelte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IWD), dass [7]

�rund zwölf Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland [. . . ] Tätigkeiten [aus-üben], die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisieren lassen�.

Digitalisierung mit einem Job Killer gleichzusetzen, wäre demnach falsch. Wahrschein-licher ist ein struktureller Wandel, dem der Wegfall von bestimmten Aufgaben auf dereinen Seite, neue Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten auf der anderen gegenüber-stehen.Maÿnahmen zur Verringerung negativer Folgen müssen in einer schlüssigen Präventi-

onsstrategie zusammengeführt werden. Zudem gilt es neue �Ideen für Arbeitsgestaltung,Kompetenzentwicklung� zu generieren. Diesem sehr komplexen Thema widmet sich aktu-ell das Programm Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen

des BMBF. Weniger akuten Handlungsbedarf sehen die Befragten der VDMA-Studie beider beru�ichen (Aus-)Bildung. Zwar seien Veränderungen bezüglich Inhalten und Me-thodik in allen Bereichen notwendig, doch wären diese überwiegend inkrementeller Artund somit schrittweise und aufbauend umzusetzen. Für die Weiterbildung wird allerdingsauch ein substanzieller Bedarf zur Erneuerung gesehen. Insgesamt wird die Verantwor-tung stärker beim Einzelnen, der Bedarf mehr bei den Hochschulen und weniger imberu�ichen Schulwesen verortet. [14]

1.3 Auswirkungen auf beru�iche Quali�kationspro�le

Der europäische Arbeitsmarkt und insbesondere der des Hochtechnologielandes Deutsch-land zeichnen sich durch komplexe, dynamische Arbeitsprozesse aus. Dies ermöglichteinerseits immer kürzere Innovationszyklen für technische Neuerungen, fordert anderer-seits von Arbeitskräften ständig aktuelles Fachwissen sowie die Bereitschaft und Fähigkeitlebenslang zu lernen. Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (Kultusmi-nisterkonferenz, KMK) sieht die Berufsquali�kation von dieser Entwicklung besondersbetro�en, betont jedoch die positiven Perspektiven für schulische, beru�iche und hoch-schulische Bildung. [12]Auch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und

Kunst (Kultusministerium, StMBW) benennt in ihrer Zukunftsstrategie Risiken, betont

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jedoch die Chancen für den Bildungsbereich, unter anderem durch die Möglichkeit zurIndividualisierung der Lernprozesse. In Folge neuer Geschäftsprozesse werden digitaleArbeitsmittel und -techniken aber auch kommunikative Aspekte zwingend zum Lernge-genstand. Dass dies bereits heute der Fall ist, ermittelt der Monitor Digitale Bildung derBertelsmann Stiftung: [2]

�Lernen �ndet zunehmend virtuell statt, ob als E-Lecture, Massive Open On-line Course (MOOC), im Flipped Classroom oder durch Learning Apps.�

Mit der gemeinsamen Initiative Berufsbildung 4.0 versuchen das BMBF und das Bun-desinstitut für Berufsbildung (BIBB) notwendige Quali�kationen und Kompetenzen derFachkräfte für die digitalisierte Arbeit zu ermitteln. Hierzu werden unterschiedlichs-te Aktivitäten und Projekte gebündelt. Die Identi�kation der von der Digitalisierungbesonders betro�enen Wirtschaftsbereiche erfolgt durch ein systematisches Monitoring.Darauf aufbauend ermittelt ein Screening ausgewählter Branchen und Ausbildungsberu-fe Quali�kationsanforderungen für die Berufsbildung, auch um Handlungsempfehlungenfür die Gestaltung von Aus- und Weiterbildung ableiten zu können. Ebenso sind Min-destanforderungen bzgl. digitaler Kompetenzen für Ausbildungsanfänger zu bestimmen,die als Eingangsvoraussetzungen für einen erfolgreichen Start in die Berufsausbildunggelten. Letztlich geht es darum, praktikable Lernlösungen auf den Weg zu bringen, be-reits bestehende Angebote zusammenzuführen und aussichtsreiche Ansätze wie virtuelleLernumgebungen oder Arbeitssimulationen3 zu fördern. Hierfür strebt das BMBF einenkontinuierlichen Austausch zwischen Wissenschaft, Politik, Praxis und Ö�entlichkeit an.Exzellente Wissenschaft und Forschung werden auch von der Bundesregierung in ihrer

Digitalen Agenda als notwendig für Wachstum und Beschäftigung beschrieben. Die Dyna-mik im Bereich der akademischen Bildung ist laut der Kultusministerkonferenz so hoch,dass zusätzliche [�nanzielle] Ressourcen erö�net werden müssen. [12] Weiter bedarf esgrundlegend neuer Konzepte und Strategien für die Forschung und Lehre, unter anderemfür das �Verfügbarmachen und Verfügbarhalten von Wissen�. Wie Hochschulen jedoch dieMöglichkeiten der Digitalisierung nutzen möchten, bleibt in Folge der Hochschulautono-mie in deren Entscheidung. Die Aufgaben des Staates beschränken sich auf den zügigenAusbau der notwendigen IT-Infrastruktur und die Scha�ung von Rahmenbedingungen,die Innovationen im Bereich des digitalen Lehrens und Lernens fördern.

1.4 Handlungsfelder für das schulische Bildungswesen

Die beschriebenen Ein�üsse der Digitalisierung auf unsere Lebenswelt, die erwartetenHerausforderungen für die Gesellschaft, Wirtschaft und jeden Einzelnen, insbesondereveränderte quali�katorische Anforderungen an (künftige) Arbeitskräfte, erfordern um-fangreiche Anpassungen im beru�ichen wie allgemeinbildenden Schulwesen. Von der Kul-tusministerkonferenz wurden [12]

1. Bildungspläne und Unterrichtsentwicklung, curriculare Entwicklung,

3Eine Übersicht vieler Praxisbeispiele �ndet sich auf dem Portal Quali�zierung digital des BMBF unterwww.quali�zierungdigital.de.

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2. Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erziehenden und Lehrenden,

3. Infrastruktur und Ausstattung,

4. Bildungsmedien, Content,

5. E-Government, Schulverwaltungsprogramme, Bildungs- und Campusmanagement-systeme sowie

6. Rechtliche und funktionale Rahmenbedingungen

als Handlungsfelder bezüglich notwendiger Veränderungen identi�ziert.Da die Innovationszyklen bei Informationstechnologien und digitalen Medien sehr kurz

und auch spezielle Anforderungen vor Ort zu berücksichtigen sind, werden Schulen in Ab-stimmung mit dem Sachaufwandsträger eigene und �exible Ausstattungskonzepte entwi-ckeln müssen. Von der Kultusministerkonferenz ist geplant, konkrete Ansatzpunkte zurInfrastruktur und Ausstattung mit Informationstechnologien, auch zur Kooperation mitmöglichen Partnern, noch im Jahr 2016 zu verö�entlichen. Das Kultusministerium ginghier bereits einen Schritt weiter: in enger Abstimmung mit dem Beauftragten für Informa-tionstechnologien der Bayerischen Staatsregierung wurden ihm Rahmen des Forschungs-und Entwicklungsprojektes Digitales Bildungsnetz Bayern (DBB) Konzepte für eine schu-lische IT-Infrastruktur entwickelt und erprobt.Unter dem Schlagwort E-Government sollen zudem Service-Angebote, insbesondere für

Schüler und Eltern, verbessert werden. Auch die Schulverwaltung, Bildungsstatistik und-steuerung an allgemeinbildenden und beru�ichen Schulen wird weiter digitalisiert. Bil-dungsmanagementsysteme werden die schulische Organisation und Verwaltung, aber aucheine e�ektivere Steuerung und Entwicklung von Bildungseinrichtungen und -systemen un-terstützen. Die Kultusministerkonferenz strebt insbesondere in den Bereichen Bildungs-management und Schulverwaltungssoftware, E-Government und Maÿnahmen für Kinderberu�ich Reisender länderübergreifende Kooperation an. [12]Den vielen Chancen einer zunehmenden Digitalisierung stehen insbesondere beim Da-

tenschutz und der Datenintegrität eminente Gefahren gegenüber. Im schulischen Bereichmuss bei der Nutzung informationstechnologischer Werkzeuge und digitaler Medien dasRecht auf informationelle Selbstbestimmung, der Schutz vor Missbrauch personenbezoge-ner Daten und umfänglicher Persönlichkeitsrechte gewährleistet sein. Problemen wie Cy-berbullying oder gar die unbefugte Auswertung personenbezogener Daten zum Leistungs-und Entwicklungsstand muss vorgebeugt und entgegengewirkt werden. Es ist Aufgabeder bildungspolitisch Verantwortlichen, den hierfür notwendigen rechtlichen und zweck-mäÿigen Rahmen zu scha�en.Eine sichere Nutzung digitaler Lerninhalte bedarf jedoch auch klarer Regeln bezüglich

des Urheberrechts. Lehrkräften und Schülern müssen Handlungsspielräume für eine um-fängliche und legitime Nutzung vielfältiger Angebote erö�net werden. Dabei sind auchberechtigte Interessen der Verfasser und Herausgeber zu berücksichtigen. Die Möglich-keiten einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke, welche einen genehmigungsfreien und

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uneingeschränkten Zugang zu verö�entlichten Werken für Lehr- und Lernzwecke ermög-licht, bleibt diskutabel. Eine Anpassung der relevanten Rechtsordnungen muss jedenfallserfolgen.

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2 Schulentwicklung

2.1 Bestandsaufnahme

Groÿe, heterogene Klassen und Lehrkräfte mit wenig Erfahrung im Umgang mit neuenMedien: die aktuelle Situation an Schulen gibt weniger Anlass zur Freude. So ermit-telte die länderübergreifende Vergleichsstudie International Computer- and Informati-

on Literacy Study (ICILS)4 unter anderem, dass die Ausstattung nur im internatio-nalen Durchschnitt liegt und neue Medien im Unterricht selten genutzt werden. [13]Beide Befunde sind für ein hoch technologisiertes Industrieland wie die BundesrepublikDeutschland unbefriedigend. Zudem seien eine schnelle Internetanbindung und eine digi-tale Mindestausstattung inklusive regelmäÿiger Ersatz- und Erweiterungsbescha�ungenzwingende Voraussetzungen für digitale Bildung an Schulen und Hochschulen.In den Klassenzimmern �nden sich zwar zunehmend mehr Smartboards und PCs, wie

der Monitor Digitale Bildung ermittelt, diese werden jedoch vorrangig aus Imagegrün-den und weniger zum Zwecke der Schul- und Unterrichtsentwicklung angescha�t. Hin-zu kommt, dass im Unterricht eingesetzte Technologien wie Tablets und Smartphonesüberwiegend von den Schülern stammen (bring your own device). Bezüglich der techni-schen Ausstattung muss man daher von einer mäÿigen Modernisierung anstelle breiterInnovation sprechen. Vor allem die unzureichende WLAN-Verfügbarkeit als wesentlicheGrundlage für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht wird kritisiert. [2]Seitens beru�icher Lehrer werden vor allem fehlende Orientierungshilfen wie Kennenlern-

und Erprobungsmöglichkeiten, Zeitmangel sowie der �nanzielle Aufwand als hohe Hürdenfür eine intensivere Nutzung neuer Medien im Unterricht angegeben. Die Initiative wirdzudem meist von den Auszubildenden selbst oder � und dieses Ergebnisse überraschtdurchaus � erfahrenen Lehrkräfte ergri�en. So bleiben Potenziale ungenutzt. Positiv zuerwähnen bleibt, dass sich jede zweite beru�iche Schule digital mit Ausbildungsbetriebenvernetzt und so neue Formen der Kooperation anstreben.Alleine die Erweiterung der technischen Ausstattung sowie der informationstechnolo-

gischen Infrastruktur mit fünf Milliarden Euro5 zu fördern, wie von Bundesbildungsmi-nisterin Johanna Wanka angekündigt, wird nicht ausreichen. Zusätzlich zu �nanziellenMitteln müssen schlüssige pädagogische, didaktische und methodische Ansätze für digi-tale Medien als Lerngegenstand und Lernmittel sowie Konzepte zur Quali�kation vonLehrkräften erarbeitet werden.

2.2 Schulleitung und Qualitätsmanagement

Möchte man Schüler zur Eigenständigkeit, Aufgeschlossenheit und zu verantwortlichemHandeln im Umgang mit den Möglichkeiten des technologischen Wandels erziehen, so

4Weitere Informationen sowie die Ergebnisse der Studie �nden sich auf der Homepage des Bundesminis-terium für Bildung und Forschung unter www.bmbf.de/de/internationale-bildungsstudie-icils-misst-computerkompetenzen-767.html

5Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter www.bmbf.de/de/wanka-deutschlands-schulen-�t-machen-fuer-die-digitale-welt-3419.html

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muss digitale Bildung dem Primat des Pädagogischen folgen. [12] Dies kann nur fä-cherübergreifend durch eine gemeinsame Anstrengung aller Lehrkräfte und an SchuleBeteiligten gelingen. Die eigenverantwortliche Schule muss deshalb im Sinne der Qua-litätssicherung und -entwicklung von Unterricht und Erziehung, wie in Artikel 2 desBayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) gefordert,Medienbildung zum Gegenstand des Schul- und Qualitätsentwicklungsprogramms ma-chen. Hierzu zählen insbesondere die Planung, Umsetzung und Evaluation eines syste-matischen Einsatzes von digitalen Medien und Werkzeugen im Unterricht in Form einesMedien-Methodencurricula (MMC) als obligatorischem Bestandteil eines ganzheitlichenMedienkonzepts.Im Rahmen des Projektes Referenzschule für Medienbildung des Kultusministeriums

wird aktuell ein Netzwerk mit 149 Schulen aller Schularten aufgebaut, die eigene Me-dienentwicklungspläne und Medienkonzepte erstellen. Diese Referenzschulen sollen dannandere Schulen bei der Implementierung der Medienbildung im Qualitätsentwicklungs-programm nachhaltig und �ächendeckend beratend unterstützen. Aber was sind we-sentliche Bestandteile eines Medienkonzepts? In einem ersten Schritt können generelleBildungs- und Erziehungsziele der schulischen Medienbildung sowie der Aufbau bestimm-ter Kompetenzen der vierten Kulturtechnik �xiert und der aktuelle Bestand an zur Ver-fügung stehender digitaler Infrastruktur und Medien in einem (möglichst) vollständigenInventar erfasst werden. Darauf aufbauend sind konkrete Maÿnahmen der Zielerreichungzu planen. Hierzu zählen insbesondere Inhalte und Werkzeuge der Medienbildung6, un-ter anderem informationstechnische Grundlagen, die Anwendung digitaler Medien undGeräte sowie der Umgang mit Lernplattformen, Open Educational Resources (OER)oder E-Books u.v.m. Dafür notwendige Neu- und Ersatzinvestitionen in erforderlicheInformationstechnologien wären in einer kurz- und mittelfristigen Bescha�ungsplanungfestzuhalten. Auch notwendige und wünschenswerte Fortbildungen der Lehrkräfte solltenfester Bestandteil eines Medienkonzepts sein. Nicht zuletzt wären auch angestrebte oderbestehende Kooperationen mit Eltern, Betrieben oder Universitäten zu verschriftlichen.Bereits seit 2002 bieten medienpädagogisch-informationstechnische Berater (MiBs)

unter anderem mit Informationen und Fortbildungen zu Bescha�ungsmaÿnahmen immedien- und kommunikationstechnischen Bereich vielfältige Angebote für Schulen, Lehr-kräfte und Eltern. Systembetreuer werden seit 2005 zum Einsatz von Informationstech-nologie (IT) an Schulen im Rahmen der Fortbildungsinitiative Schulnetz quali�ziert. Seit2011 stellt das Landesmedienzentrum Bayern mit mebis eine Lernplattform, Mediatheksowie Prüfungsarchiv und Informationsportal zur Verfügung. Ebenfalls interessant ist derSchulversuch lernreich 2.0 der Stiftung Bildungspakt Bayern. Insgesamt 45 Mittel- undRealschulen sowie Gymnasien erproben die Möglichkeiten zur individuellen Förderungund die Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen durch den Einsatz digitaler Medien inMathematik, Naturwissenschaften und anderen übungsintensiven Fächern. Schwerpunktesind die Flexibilisierung der Unterrichtsorganisation, eine Erweiterung des Förderange-bots, die Entwicklung verschiedener Feedbackformen und Feedbackstrategien sowie die

6Weiterführende Informationen und Angebote zur Medienbildung bietet das Portal Medienführerschein

Bayern der Bayerischen Staatsregierung

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Erprobung digitaler Leistungserhebungen.

2.3 Quali�kation von Lehrkräften

Lehrkräfte sind technika�ner als Durchschnittsbürger, deren Akzeptanz neuer Medi-en ist sehr hoch, allerdings der Einsatz im Unterricht niedrig, lautet ein Ergebnis derStudie Schule 2.0 des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation undneue Medien e.V. (BITKOM) aus dem Jahr 2011. [11] Zudem ermittelten Studien wieICILS, dass die Ausstattung an Schulen rückständig ist und es den Lehrern an konkretemKnowhow sowie Erfahrung im Umgang mit neuen Medien fehlt. Das gröÿte Problem be-züglich digitalem Lernen in der beru�ichen Ausbildung sieht derMonitor Digitale Bildung

jedoch in der fehlenden Kreativität und dem mangelnden Ideenreichtum: [2]

�Das gröÿte Hindernis ist in den Köpfen. Die Leute können sich das nichtvorstellen.�

Dabei sind oftmals die erfahrenen Lehrkräfte innovativer und setzen digitale Lernmedienhäu�ger ein als Berufsanfänger. Guter Unterricht hängt zudem stark von Eigeninitia-tive, Engagement und Persönlichkeit des Lehrers ab und entsteht durch eine sinnvolleVerbindung von Didaktik, Methodik und Medien: [2]

�Die Qualität steht und fällt mit dem Lehrer, egal welche Medien er einsetzt.[. . . ] Der Lehrer muss die Schüler für sein Unterrichtsfach begeistern könnenund dafür setzt er gezielt Medien ein.�

Da Medienbildung integraler Bestandteil aller Unterrichtsfächer ist, müssen alle Lehr-kräfte zu Medienexperten werden. Unter Berücksichtigung allgemeiner Bildungs- undErziehungsziele wie kritisches und re�ektiertes Handeln in der digitalen Welt, sollten diezur Verfügung stehenden Ressourcen entsprechend zielgerichtet und didaktisch sinnvollin den Fachunterricht eingebunden werden. Auf die Fragen, welche Impulse für die Ver-besserung des Lehrens und Lernens benötigt werden und wie benachteiligte Lerner stär-ker gefördert werden können, muss eine Antwort die sinnvolle Vorbereitung und Unter-stützung der Lehrkräfte lauten. Die Kultusministerkonferenz betrachtet Medienbildungund digitalen Kompetenzerwerb bei Erziehenden und Lehrenden daher zu Recht als eineQuerschnittsaufgabe in der Lehrerbildung aller Ausbildungsphasen. Seitens der Lehrer istnebst einer grundsätzlichen O�enheit gegenüber Veränderungen und Innovationen sowieder Bereitschaft zur Kooperation zunächst deren eigener Kompetenzerwerb notwendig.Aufbauend auf einem versierten Verständnis für Informationstechnologien und die Daten-wie Informationsverarbeitung zählen hierzu insbesondere die Befähigung [12]

• zur didaktisch aufbereiteten und re�ektierten Vermittlung von Medienkompetenz,

• zur Identi�kation geeigneter Angebote und Programme,

• zur Vermittlung eines kritischen, re�ektierten Umgangs mit eigenen Daten unterBerücksichtigung des Urheberechts, Datenschutzes und der Datensicherheit,

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• zum adäquaten Einsatz digitaler Medien, auch mit dem Ziel Lernprozesse indivi-dualisiert, selbstgesteuert und kollaborativ zu gestalten,

• den Schülern einen selbstkritischen, angemessenen, kreativen und sozial verantwort-lichen Umgang zu vermitteln,

sowie die Bereitschaft

• zur Nutzung digitalisierten Lehrens und Lernens zur Förderung Einzelner oderGruppen, in- und auÿerhalb des Unterrichts,

• zur Zusammenarbeit mit Experten zur Entwicklung von Lern- und Unterstützungs-angeboten und

• zur Auseinandersetzung mit den Ergebnissen aktueller Forschung.

Neben dem Erlass entsprechender Rechtsvorschriften und Vorgaben bedarf es für denVorbereitungsdienst auch einer curricularen Abstimmung der Lerninhalte und der zu er-werbenden Kompetenzen zwischen den drei Phasen Studium (I), Referendariat (II) undFort- bzw. Weiterbildung (III) sowie zwischen den Fachwissenschaften, der Fachdidaktikund den Bildungswissenschaften an den Universitäten. Mit individualisierbaren Lern-angeboten, insbesondere in den Formaten e-Learning, Blended Learning oder MassiveOpen Online Courses (MOOCs), wird dabei an die Selbstverantwortung der Lehrkraftappelliert. Die Absicherung des Kompetenzerwerbs sowie Quali�zierungs- und Fortbil-dungsangebote zur Erweiterung und Vertiefung sollen darauf aufbauend vor allem durchdas eLearning-Kompetenzzentrum und die Führungskräftequali�kation an der Akademiefür Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen (ALP), aber auch über regionaleund schulinterne Fortbildungen erfolgen. Eine adressatenorientierte Fortbildungsplanungwäre daher in das Medienkonzept des Qualitätsentwicklungsprogramms der jeweiligenSchule aufzunehmen.

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3 Unterrichtsentwicklung

3.1 Neue Anforderungen an die Schüler

3.1.1 Digitale Bildung beginnt in der Familie

Die Studie Exzessive Internetnutzung in Familien (EXIF), herausgegeben vom Bundes-ministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) untersuchte Zusam-menhänge zwischen der Computer- und Internetnutzung Jugendlicher und dem mediener-zieherischen Handeln in den Familien. Eine maÿlose Computer- und Internetnutzung istdemnach in Familien aller Schichten vorzu�nden, jedoch vermehrt in sozial schwächerenund führt innerhalb einer Familie zu erhöhter Belastung und geringerer Lebenszufrie-denheit. Ursache sind unter anderem häu�ge Streitigkeiten infolge einer divergierendenWahrnehmung des Mediengebrauchs durch Eltern und deren Kinder. Auch wegen feh-lender Kenntnisse zu digital-interaktiven Medien können Erwachsene die Medienaktivi-täten der Kinder wenig nachvollziehen und verstehen. Insgesamt ist in allen betrachtetenFamilien, unabhängig von Art und Umfang der Computer- und Internetnutzung, eindringlicher Bedarf an medienerzieherischer Aufklärung und Unterstützung festzustellen.[6]Kinder und Jugendliche nutzen die Möglichkeiten des Internets vor allem zur Infor-

mationssuche, Kommunikation mit der Peergroup und für verschiedenste Multimedia-Angebote. Die technische Bedienung erlernen Digital Natives meist sehr schnell, jedochfehlt es ihnen häu�g an grundlegendem technologischen und informationstechnischenWissen. Ein Verständnis für die Funktionsweisen ist jedoch nach Diethelm [8] Vorausset-zung für den selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien. Auch die Möglichkeitendigitaler Lernwerkzeuge und Wissensressourcen werden kaum wahrgenommen. Gleicher-maÿen mangelt es an einem kritischen Hinterfragen von Quellen. Ein re�ektierter Umgangmit dargebotenen Inhalten �ndet in vielen Fällen ebenso wenig statt wie der verantwor-tungsvolle Umgang mit eigenen wie fremden personenbezogenen Daten. Umfängliche For-schungsergebnisse zum Medienumgang von Kindern und Jugendlichen sowie in Familienliefern die Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs)7.

3.1.2 Erziehungs- und Bildungsziele

Angesichts dieser Ergebnisse fordert die Kultusministerkonferenz (KMK) zu Recht, dassEltern und Schüler eine Verp�ichtung zur Mitwirkung bei der Medienbildung haben. LautEXIF ist es notwendig, [6]

�die gesamte Familie und deren Lebensumstände als Problemkontext auf-zugreifen und unter Einbeziehung der Eltern und Jugendlichen gemeinsamVeränderungen umzusetzen. [. . . ] Es gilt, die Medienkompetenz der Eltern zustärken, [. . . ] Hilfsangebote möglichst niedrigschwellig und an den individu-ellen Bedürfnissen der Familien orientiert zu konzipieren.�

7Weiterführende Informationen zu den Studien JIM, KIM, miniKIM und FIM stehen unterwww.mpfs.de zur Verfügung

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Den daraus resultierenden Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen beschreibt dasStaatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB) aus der Perspek-tive der Zielgruppe [13]:

�Schüler erwerben im Rahmen der schulischen Medienbildung Kenntnisse undFertigkeiten, um sachgerecht, selbstbestimmt und verantwortungsvoll in einermultimedial geprägten Gesellschaft zu handeln. Sie analysieren und bewertenVorzüge und Gefahren von Medien und nutzen diese bewusst und re�ektiertfür private und schulische Zwecke. Insbesondere wägen sie kriteriengeleitetihren Umgang mit sozialen Netzwerken ab.�

Im Zentrum stehen demnach ein kritisches und re�ektiertes Handeln des Einzelnen inder digitalen Welt. Ausgehend vom Bild eines souveränen, freien und verantwortungs-vollen Menschen fordert das Kultusministerium [1] von den Schulen die Bildung vonKenntnissen, Fertigkeiten und Kreativität im Umgang mit digitalen Medien, die Ver-mittlung einer kritischen und re�ektierenden Haltung zum eigenen Tun mit dem Ziel,Schüler zu eigenständigem, verantwortungsbewussten und ethischen Handeln zu befähi-gen sowie die Förderung von Aufgeschlossenheit und der Bereitschaft zu lebenslangemLernen.Langfristig ist eine zielgerichtete, sozial verantwortliche und gewinnbringende Nutzung

der digitalen Möglichkeiten in jedes fachliche Curriculum zu implementieren. An beruf-lichen Schulen sind darüber hinaus berufsbezogene Medien-und Handlungskompetenzenzu berücksichtigen. Voraussetzung für das Erreichen der Zielsetzung ist der Aufbau unddie stetige Weiterentwicklung der digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte in der Aus- undWeiterbildung.

3.1.3 Kompetenzbereiche und -anforderungen

Es bleibt die Frage nach einer Konkretisierung des Schlagwortes Digitale Bildung. Kei-ne De�nition, jedoch eine Annäherung liefert Diethelm [8]: Digitale Bildung ergibt sichdemnach aus dem Einsatz bzw. der Anwendung digitaler Medien als Unterrichtsmit-tel, Gestaltungsmittel bzw. Gestaltungsgegenstand und Unterrichtsgegenstand. Der vomLehrer geplante Einsatz als Unterrichtsmittel, wie die didaktisch und methodische sinn-volle Einbindung der vielfältigen Möglichkeiten eines Smartboards oder der Einsatz einesonline zur Verfügung stehenden Erklärvideos, soll dabei den Lernprozess unterstützenoder gar verändern. Auch die Nutzung digitaler Technologien und Ressourcen wie Ta-blets als Gestaltungsmittel oder die Erstellung von Lernplattformen oder eines digitalenKlassenzimmers als Gestaltungsgegenstand durch Schüler sind wesentlicher Bestandteildigitaler Bildung. Ziel muss demnach auch ein Erkenntnisgewinn über die digitale Weltsein und Medien, Informationstechnologien sowie die Funktionsweise des Internets zumUnterrichtsgegenstand machen.Die Erziehung der Schüler zu einem

�selbständigen und mündigen Leben in einer digitalen Welt�

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ist laut der Kultusministerkonferenz [12] eine Aufgabe der allgemeinbildenden Schulen.Dabei dürfen jedoch motorische Fähigkeiten, insbesondere mit Bezug zu den Kultur-techniken Lesen, Schreiben und Rechnen nicht vernachlässigt werden.Vielmehr ist einefächerübergreifende, qualitative Erweiterung des Unterrichts um die neuen Handlungs-möglichkeiten anzustreben. Dazu muss die bisherige Medienbildung um die verp�ichtendin den Fachlehrplänen zu implementierenden Kompetenzbereiche [12]

1. Suchen und Verarbeiten

2. Kommunizieren und Kooperieren

3. Produzieren

4. Schützen

5. Problemlösen

6. Analysieren und Re�ektieren

erweitert werden. Über die beru�iche Bildungsarbeit (Didaktischer Jahresplan) sind dieoben beschriebenen Querschnittskompetenzen als integraler Bestandteil einer umfassen-den Handlungskompetenz8 und als Voraussetzung für eine qualitative und quantitativeAusdi�erenzierung der Kompetenzanforderungen [12]

1. Einsatz und Anwendung von digita-len Geräten,

2. nicht-automatisierbare beru�iche Tä-tigkeiten,

3. Selbstmanagement und Selbstorgani-

sationsfähigkeit,

4. Internationales Denken und Handeln,

5. projektorientierte Kooperationsfor-men sowie

6. Datenschutz und Datensicherheit

zu berücksichtigen. Die von der Digitalisierung besonders betro�ene beru�iche Bil-dung9 muss dabei stets dem didaktischen Prinzip der Aktualität folgen und sich mitpraktischen und theoretischen Inhalten am Quali�kationsbedarf der Wirtschaft orientie-ren. Hinzu kommt die Besonderheit, dass Wissen und Können sowie der erzieherischeBeitrag zur Persönlichkeitsbildung durch die Förderung von Methoden- und Sozialkom-petenz an verschiedenen Lernorten vermittelt werden.

3.2 Digitalisierung als Lerninhalt (Unterrichtsgegenstand)

3.2.1 Informatik, Digitales und Medien als eigenständiges Unterrichtsfach

Experten aus der Informatik und Didaktik, Medienpädagogik, Wirtschaft und Schulpra-xis formulierten in der dritten Dagstuhl-Erklärung der Gesellschaft für Informatik e.V.unter anderem [9]

8Handlungskompetenz als Kombination von Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz inkludiert Methoden-,Kommunikations- und Lernkompetenz

9Die Digitaliserung führt in allen Wirtschaftsbereichen zu grundlegenden Änderungen, so zum Bei-spiel: Industrie 4.0, Interent of Things, Smartes Handwerk, Digitales Bauen, eCommerce, SmarteLandwirtschaft, eHealth

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�die Einführung eines P�ichtfachs Informatik in der Sekundarstufe I in al-len Bundesländern, [. . . ] die Gleichstellung der Informatik mit anderen Prü-fungsfächern in der Sekundarstufe II, [. . . ] die �ächendeckende Ausbildungvon quali�zierten Informatiklehrkräften. Das schlieÿt die Scha�ung von qua-litativ hochwertigen Lehrer(weiter)bildungsstrukturen mit ein.�

Insbesondere die Einführung eines P�icht- und Hauptfachs Informatik ist von besondererBedeutung und nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, dass Digitalisierung eine vierteKulturtechnik erzeugt.Für eine ganzheitliche Vermittlung im Sinne einer digitalen Bildung seien zudem drei

Perspektiven notwendig [9]. Die technologische Perspektive muss die Frage �Wie funktio-niert das?� beantworten. Eine zielgerichtete Auswahl von Systemen und deren e�ektiveund e�ziente Nutzung ist eine allgemeine Antwort auf �Wie nutze ich das?� und alsBildungsziel im Rahmen der anwendungsbezogenen Perspektive zu erlernen. Letztlich istauch die gesellschaftlich-kulturelle Perspektive, insbesondere Wechselwirkungen zwischendem Einzelnen und der Gesellschaft, zu berücksichtigen, indem man Antworten auf �Wiewirkt das?� �ndet.Die drei Blickwinkel konkretisieren sich in der Betrachtung digitaler Bildung als Un-

terrichtsgegenstand und der damit verbundenen Forderung von Diethelm [8] nach einemFach �Informatik, Digitales und Medien�. Nicht zuletzt da hierfür Stunden umverteilt unddie Ansprüche etablierter Fachgruppen zu hinterfragen sind, auch �nanzielle Aspekte undder aufkommende Bedarf an Fachlehrkräften dürfte diesbezüglich zu Widerständen füh-ren. Dabei geht es zunächst weniger um die Vermittlung von Grundfertigkeiten und Kom-petenzen. Vielmehr muss der Mensch wieder in den Mittelpunkt des Lehr-Lernprozessesrücken:

�Wenn das Digitale selbstverständlich ist und verstanden wird, kann endlichdie Technik wieder in den Hintergrund und die Schülerinnen und Schüler undihr Lernen können zurück in den Fokus treten.�

3.2.2 Neue Kulturtechnik fordert Erwerb überfachlicher und fachlicherKompetenzen

Das Kultusministerium betrachtet Digitalisierung als eine vierte Kulturtechnik, für derensichere Beherrschung unter anderem Kompetenzen erworben und Einstellung bzw. Wertevermittelt werden müssen. Ein Ziel muss es sein, die Schüler zur eigenständigen, verant-wortungsvollen, kommunikativen, kooperativen und kreativen Nutzung des Digitalen zubefähigen [1]:

�Medienkompetenz � als Ziel von Medienbildung � heiÿt heute unter anderem,dass Schülerinnen und Schüler selbständig und re�ektiert im Internet recher-chieren, mit anderen verantwortungsbewusst und adressatengerecht kommu-nizieren, eigene Arbeitsergebnisse unter Einsatz medialer Werkzeuge sach-gerecht darstellen und präsentieren, die Gestaltung und Wirkung von Me-dienangeboten analysieren, die Bedeutung der Medien für die Berufs- und

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Arbeitswelt re�ektieren und ein Bewusstsein für rechtliche Regelungen undmediale Gefahren entwickeln.�

Medienkompetenz schlieÿt dabei Wissen um Lernwege und die Anwendung diver-ser Lernmethoden sowie eine medienkritische Grundhaltung ein. Das BMBF formuliertkurz und bündig [5]: �Mündig in eigener Sache�. Die Vermittlung einer allgemeinenKompetenz ist dabei als eine fächerübergreifende Aufgabe zu verstehen. Auch Fähig-keiten im Umgang mit digitalen Werkzeugen und Medien wie Open Educational Res-sources (OER) oder E-Books können in diversen Fächern, idealerweise über ein Medien-Methodencurricula abgestimmt, erworben werden.Konkrete fachliche Inhalte wie informationstechnische Grundlagen, Modellbildung oder

Daten- und Informationsverarbeitung sind jedoch notwendigerweise in einem eigenständi-gen Fach zu vermitteln. Dass dies nicht ausschlieÿlich ein Privileg der IT-Berufe sein darf,ermittelte auch derMonitor Digitale Bildung [2]. So wurden beispielsweise im neuen Lehr-plan für das Fach Informatik an der Berufsoberschule informatische Problemstellungenwie Bescha�ung, Verarbeitung bzw. Strukturierung und Weitergabe von Informationenebenso berücksichtigt wie Ordnungsprinzipen und Modellierungstechniken mit Bezug zurbetrieblichen Realität oder einem anschlieÿenden Studium. [13]Um die Schüler hinsichtlich der zu erwerbenden Quali�kationen und Kompetenzen

bestmöglich fördern zu können, sind vor allem die Verantwortlichen der Bildungspolitikangehalten, die dafür rechtlichen und funktionalen Rahmenbedingungen zu scha�en undfortlaufend eine notwendige inhaltliche Adaption der Bildungspläne zu prüfen.

3.3 Neue Möglichkeiten der Gestaltung von Lehr-Lernarrangements(Unterrichtsmittel)

3.3.1 Ansätze und Ideen für innovative Lehr-Lernprozesse

Für eine umfassende Medienkompetenz ist auch die konkrete Anwendung digitaler Medi-en zu berücksichtigen. Dies betri�t jedoch nicht nur die Schüler. Auch und zuerst stehenLehrer beispielgebend in der Verantwortung, zur Verfügung stehende Werkzeuge zur Un-terrichtsgestaltung zielgerichtet und adressatengerecht zu nutzen.Die Digitalisierung erweitert die Möglichkeiten und erö�net zudem gänzlich neue For-

men der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen. Die Spannbreite der Unterrichtsgestaltungwird somit, wie die Kultusministerkonferenz [12] konstatiert, gröÿer. Dies betri�t zumeinen die Erarbeitung, Sicherung und Verfügbarhaltung von Unterrichtsergebnissen. Zumanderen können der Arbeits- und Lernfortschritt kontrolliert sowie der Lernerfolg bewer-tet werden. Online-Plattformen wie FeedbackSchule10 bieten darüber hinaus die Möglich-keit einer raschen und wissenschaftlich fundierten Rückmeldung vom Schüler zum Lehrer.Im Bereich der beru�ichen Schulen ergeben sich zudem neue Kooperationsmöglichkeitenmit Betrieben, Verbänden und Institutionen.Fortan ist weniger die Vermittlung und Reproduktion informationstechnischen Wissens

ein Ziel des Unterrichts, wenngleich dieses stets die Basis für Können und Handlungsfä-higkeit sein muss. Vielmehr soll für eine qualitative Weiterentwicklung des Unterrichts10Weiterführende Informationen �nden sich unter www.feedbackschule.de

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der Blick auf die Prozess- und Ergebnisorientierung gelenkt werden. Beispielsweise kön-nen Schüler auf den Internetpräsenzen der Deutschen Bundesbank oder des StatistischenBundesamts umfassende Datensätze oder bereits aufbereitete Informationen zur Volks-wirtschaftlichen Gesamtrechnung recherchieren, um anschlieÿend diese auszuwerten undin eigenständigen Berechnungen oder Visualisierungen weiter zu verwerten. Die Infor-mationsgewinnung schlieÿt dann in jedem Fall eine kritische Bewertung der genutztenQuelle ein.Mit einem Perspektivenwechsel von der Output- hin zur Outcome-Orientierung verän-

dert sich auch die Rolle des Lehrers im Lehr-Lernprozess zunehmend vom Wissensver-mittler zum Lernbegleiter. Neue Techniken, Medien und Methoden wie Lernplattformen,Netzwerke, Lernsoftware ermöglichen eine Individualisierung [2] der Lernarrangementsund damit eine verstärkte Berücksichtigung der Heterogenität der Schülerschaft für mehrChancengerechtigkeit des Einzelnen; dieses gilt insbesondere für Inklusion und Integrati-on. Eine vollständige Abkehr von erprobten didaktischen und methodischen Unterrichts-konzepten wäre jedoch ebenso kritisch zu hinterfragen wie die gänzliche Verweigerungs-haltung gegenüber Innovationen.Die Kultusministerkonferenz formulierte beispielhaft Weiterentwicklungsperspektiven

für einzelne Fachbereiche. In den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaftund Technik (MINT) können Simulationsprogramme und digitale Messwerterfassungs-systeme den Unterricht bereichern. Messvideos und Dokumentationssysteme ermöglichenzudem eine dauerhafte Verfügbarhaltung von Unterrichtsprozessen und �produkten. Übersogenannte Remotely Controled Laboratories (RCL)11 ergibt sich die Möglichkeit, realeExperimente über das Internet fernzusteuern, idealerweise in Kooperation mit externenEinrichtungen oder Experten. In den Sprachwissenschaften erö�nen sich Möglichkeitender Wortschatzerweiterung oder zur Erstellung eigener Wikis oder Blogs zu landeskundli-chen und aktuellen Themen. Chats und Instant-Messaging-Dienste bieten die Möglichkeitzum schriftlichen und mündlichen Austausch mit Native Speakern. Diese und weitereAngebote bündelt unter anderem das Portal eTwinning12. In den Gesellschaftswissen-schaften erö�nen sich durch frei zugängliche statistische Daten und Informationen eineVielzahl an Möglichkeiten politische, gesellschaftliche und ökonomische Problemstellun-gen zu erfassen, beschreiben und zu diskutieren. So bieten das Statistische Bundesamtoder auch die Deutsche Bundesbank auf ihren Internetpräsenzen umfangreiche Rohdaten,aufbereitete Informationen und interaktive Anwendungen.

3.3.2 Digitale Medien in Lehr- und Lernprozessen

Lehr- und Lernprozesse sind dynamisch und unübersichtlich. Da es viele interdependenteEin�ussfaktoren gibt, sind pauschale und generalisierende Aussagen kaum möglich. DieDigitalisierung bietet zudem eine Vielzahl an Möglichkeiten, das gesamte Unterrichts-geschehen bis hin zum selbstgesteuerten und individuellen Lernprozess zu beein�ussen.Nach Herzig und Martin ist bei einer wissenschaftlich fundierten [10]

11Informationen, Beispiele und Unterrichtseinheiten bietet das Portal Lehrer online12eTwinning ist die Gemeinschaft für Schulen in Europa und bietet Lehrern eine Plattform um zu

kommunizieren, kooperieren, Projekte zu entwickeln, sich auszutauschen; www.etwinning.net

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�Bestimmung vonWirkungen digitaler Medien in schulischen Lehr-Lernprozessenein komplexes Geschehen�

zu berücksichtigen. Dennoch gibt es empirische Befunde für die Lernförderlichkeit, unteranderem bei Problemlösekompetenz, Transferfähigkeit und Motivation. Beispielsweiseermittelte auch der Monitor Digitale Bildung [2], dass sich vor allem Geringquali�ziertedurch digitale Medien leichter motivieren lassen.Ein zentrales Ziel des Einsatzes digitaler Medien ist die Individualisierung des Lern-

prozesses. An die Stelle der kollektiven Wissens- und Könnensvermittlung tritt, wannimmer sinnvoll und möglich, die individuelle Förderung. Aktuell �ndet der Einsatz kaumzu Gunsten von besonderem Förderbedarf und der Herstellung von Chancengerechtigkeitstatt [2]. Mehr Zeit für den einzelnen Schüler soll das neue Unterrichtskonzept FlippedClassroom13bieten. Dabei erfolgt die Vermittlung der Inhalte über Erklärvideos zu Hau-se. Die ehemalige Hausaufgabe wird als Übungsphase in die Schule verlagert. Dem Ler-nenden wird dadurch die Möglichkeit gegeben, die Erklärung und die Beispielaufgabenmehrmals anzuschauen. Im Unterricht können dann an wiederholenden und vertiefendenÜbungsaufgaben die individuellen Probleme Einzelner besprochen, aber auch Interessenund Begabungen von Schülern gefördert werden.Simulationsprogramme bieten vor allem in den Naturwissenschaften vielfältige Mög-

lichkeiten, den Unterricht anzureichern. Werner Schneider listet auf der InternetpräsenzSolstice eine Sammlung zu diversen physikalischen Themen. Ebenso bietet die Inter-netseite Interactive Simulations For Science And Math für die Fächer Physik, Biologie,Chemie, Geowissenschaften und Mathematik eine groÿe Auswahl an Simulationen, diedirekt im Unterricht eingesetzt werden können.Sogenannte Massive Open Online Courses (MOOCs) sind im Gegensatz zu Open Edu-

cational Resources (OER) nicht frei im Netz zugänglich, sondern als geschlossene Lehr-veranstaltungen für eine gröÿere Zahl an Schülern oder Studenten konzipiert. Häu�gwerden dabei Lehrvideos, Lesematerialien, Datenbanken und Wikis, Simulationen, Forenund Chats oder auch Lernerfolgstests miteinander kombiniert. Aktuell �nden MOOCsvor allem an Universitäten und in der beru�ichen Weiterbildung ihre Anwendung. EinEinsatz an Schulen ist dann zu bedenken, wenn eine gröÿere Zahl an Schülern zu einemabgegrenzten Themenbereich beschult werden kann; dies wäre vielleicht bei der Vorberei-tung auf Abschlussprüfungen oder vor einem Schulwechsel zur Vermittlung notwendigerEingangsvoraussetzungen sinnvoll. Die Virtuelle Berufsoberschule Bayern (VIBOS) führtauf ähnliche und sehr umfängliche Weise in zwei Jahren zum Fachabitur.Die Liste digitaler Werkzeuge kann nach Belieben weitergeführt werden. Grundsätzlich

stehen diese nicht nur kombiniert in Form digitaler Lernplattformen oder MOOCs zurVerfügung: Podcasts, digitale Bücher, Chats, Videos oder Open-Access Publikationen, diebeispielsweise über die Deutsche Digitale Bibliothek oder den Deutschen Bildungsserver

bereitgestellt werden, können natürlich einzeln in den Unterricht eingebunden wurden.Für einen didaktisch sinnvollen Einsatz bedarf es jedoch einer Prüfung der Qualität des

13Die beiden Lehrer Felix Fähnrich und Carsten Thein bieten auf ihrer Internetpräsenz Flip the Class-

room Einblicke in ihre Projekte

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einzusetzenden Bildungsmediums. Die Kultusministerkonferenz schlägt hierfür folgendeKriterien vor [12]:

• Modularität und damit verbunden die Möglichkeit zur Anpassung an unterschied-liche Lerntypen

• Möglichkeit zur Individualisierung der Lernprozesse, beispielsweise zur Integration,Inklusion, Begabtenförderung oder gar zur Vereinbarkeit von Familie und Berufwährend der Ausbildung

• Funktionalität, unter anderem leicht au�ndbar sowie die Möglichkeit zur system-und geräteunabhängigen Nutzung

• Rechtssicherheit und Qualitätssiegel

Mit mebis stellt das Landesmedienzentrum Bayern ein, den Qualitätskriterien der Kul-tusministerkonferenz entsprechendes, Werkzeug zur Verfügung, das Infoportal, Media-thek, Tausch- und Lernplattform zugleich ist und liefert somit viele Möglichkeiten derVeranschaulichung und Individualisierung. Das Infoportal bietet beispielsweise Ideen,Konzepte, Praxisbeispiele und zudem Informationen zum Datenschutz sowie Empfehlun-gen für die IT-Ausstattung an Schulen. Die Mediathek o�eriert rechtssichere und qua-litativ hochwertige Filmsequenzen, Audio- und Bilddateien sowie digitale Karten undSimulationen für diverse Fächer in allen Jahrgangsstufen. Die Lernplattform setzt aufdem Lernmanagementsystem Moodle auf. In eigens eingerichteten und individuell ge-staltbaren, virtuellen Klassenzimmern können Lernprozesse initiiert, gesteuert und mo-deriert werden. Zudem gibt es die Möglichkeit zur Gestaltung interaktiver Aufgaben mitindividuellem Feedback für die Schüler sowie Diskussionsforen zum Austausch.Bei computerbasierten Leistungstests wie Multiple Choice oder Matching für Schü-

ler, die vor allem durch eine ökonomische Bewertung und Korrektur für den Lehrer eineschnelle Rückmeldung an den Schüler ermöglichen, können wichtige Informationen wiedie Bearbeitungszeit ausgewertet werden. Diese geben dann zusätzliche Hinweise zu Lern-erfolg und Leistungsstand. Künftig könnte der Lernstand auch über computeradaptiveTestverfahren (CAT) ermittelt werden. Dabei werden dem Schüler unter Berücksichti-gung seiner bisherigen Antworten und Lösungen nur diejenigen Fragen und Aufgabengestellt, die seinem Leistungsvermögen entsprechen. Üblicherweise beginnt ein CAT miteinem mittleren Schwierigkeitsgrad und nähert sich dann sukzessive dem Leistungsstanddes Probanden an. Problematisch ist, dass für computergestützte Leistungstests gänzlichneue Lösungsstrategien erforderlich sein können. Zudem ist bei allen digitalen Datener-hebungen vorab der Persönlichkeitsschutz, insbesondere der Schutz und die Integritätpersonenbezogener Daten, kritisch zu diskutieren.

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4 Fazit und (Heraus-)Forderungen

Die Digitalisierung kann traditionelle Bildungsformen keineswegs vollständig ersetzen.Es ist jedoch festzustellen, dass digitale Medien und Werkzeuge herkömmliche Lehr-Lernarrangements sinnvoll unterstützen oder zu hybriden Arrangements ergänzen kön-nen. Sie bieten einen ökonomischen wie ökologischen Mehrwert und ermöglichen zudemeine �exible, teils zeit- und ortsunabhängige Berücksichtigung des spezi�schen Förderbe-darfs einzelner Schüler bei der Gestaltung des Lehr-Lernarrangements; diese zunehmendeIndividualisierung des Lernprozesses verspricht auch mehr Chancengerechtigkeit.Hierfür müssen seitens der (bildungs-)politisch Verantwortlichen entsprechende Bedin-

gungen gescha�en werden. Voraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Bildung werdender schnelle und �ächendeckende Breitbandausbau sowie die Scha�ung eines geeignetenrechtlichen Rahmens sein. Auch die Einführung eines eigenständigen Faches sowie diefortlaufende Anpassung der Lehrpläne werden überwiegend als verp�ichtend angesehen.Wo immer notwendig, sind zudem die Sachaufwandsträger bei der Erfüllung ihrer Aufga-ben �nanziell zu unterstützen. Wie auch der Monitor Digitale Bildung feststellt, ist vorallem eine sinnvolle Vorbereitung und Unterstützung der Lehrkräfte mit praktikablen Lö-sungen für neue Lern- und Lehrformate wesentliche Voraussetzung für die Optimierungder Qualität digitalen Lernens und betri�t damit die Quali�kation von Lehrkräften inallen Phasen der Lehrerbildung.Die Handlungsfelder auf schulischer Ebene sind im Sinne des Qualitätsmanagements

im Schulentwicklungsprogramm festzuhalten. Nach den Autoren des Monitor Digitale

Bildung bedarf es vor allem einer stabilen, zeitgemäÿen IT-Ausstattung sowie eines pro-fessionellen Supports. Neu- und Ersatzbescha�ungen der IT-Ausstattung, insbesonderefür die Bereitstellung eines leistungsfähigen WLAN, sind ebenso Teil des schulspezi�schenMedienkonzepts wie die Planung lokaler, regionaler und zentraler Fortbildungen für dieLehrkräfte, Kooperationen mit Eltern, Ausbildungsbetrieben und Hochschulen sowie einMedien-Methodencurriculum als Basis für eine gelungene Unterrichtsentwicklung.Über ein solches Medien-Methodencurriculum werden zum einen der systematische

und sinnvolle Einsatz digitaler Medien und Werkzeuge als Mittel und Gegenstand desUnterrichts und zum anderen der konsequente Aufbau digitaler Kompetenzen bei denSchülern geplant. Die dafür notwendige Entwicklung pädagogischer Konzepte und Inno-vationen zur Gestaltung von Lehr-Lernarrangements setzt neben einer anwendungsorien-tierten Forschung und einer breit angelegten Quali�zierungso�ensive für Lehrkräfte vorallem Bereitschaft, Kreativität und Teamfähigkeit seitens der Lehrer voraus. Das vomKultusministerium formulierte Ziel, qualitativ hochwertigen Unterricht anzubieten, wirddann erreicht werden können.

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Literatur

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[2] Behrens, J. et al.: Monitor Digitale Bildung - Beru�iche Bildung im digitalen Zeit-

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[3] Bethge, I.: Industrie 4.0 - mehr Chancen als Risiken, in Schulbank Vol. 9, Bundes-verband deutscher Banken e. V., Berlin (2016)

[4] Bundesinstitut für Berufsbildung: Berufsbildung 4.0 - Fachkräftequali�kation und

Kompetenzen für die digitalisierte Arbeit von morgen, BMBF-BIBB-Initiative: kurz-gefasste Projektbeschreibung, Bonn (2016)

[5] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): Quali�zieren? Natürlich

auch digital! - Digitales Lernen im und für den Beruf, Berlin (2015)

[6] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): EXIF -

Exzessive Internetnutzung in Familien, Berlin (2012)

[7] Buÿmann, S. & Seyda, S.: Mehr Chancen als Risiken, in IWD Kurzbericht Vol. 26,Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Köln (2016)

[8] Diethelm, I.: Digitale Bildung für den stetigen Wandel, in Pädagogische FührungAusgabe Vol. 4, Wedemark (2016)

[9] Gesellschaft für Informatik e. V. (GI): Informatikunterricht gehört in die Schule! -

3. Dagstuhl-Erklärung zur Informatischen Bildung in der Schule,2015, Bonn (2015)

[10] Herzig, B. & Martin, A.: Digitale Medien in Lehr- und Lernprozessen, in Pädagogi-sche Führung Ausgabe Vol. 4, Wedemark (2016)

[11] Kempf, D.: Schule 2.0 - Eine repräsentative Untersuchung zum Einsatz elektroni-

scher Medien an Schulen aus Lehrersicht, Bundesverband InformationswirtschaftTelekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM), Berlin (2011)

[12] Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesre-publik Deutschland: Strategie der Kultusministerkonferenz "Bildung in der digitalen

Welt", Version 1.0 (Entwurf) vom 27.04.2016, Berlin (2016)

[13] Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB): Schwerpunktthema:Digitale Bildung, ISB INFO Vol. 1, München (2016).

[14] Pfei�er, S. et al.: Industrie 4.0 - Quali�zierung 2025, Verband Deutscher Maschinen-und Anlagenbau e.V. (VDMA), Frankfurt am Main (2016)

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[15] Spöttl, G. et al.: Industrie 4.0 - Auswirkungen auf Aus- und Weiterbildung in der

M+E Industrie, Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e. V. (bay-me) mit Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e. V. (vbm), Mün-chen (2016)

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