Diplomarbeit · 2017-10-23 · Diplomarbeit Ausbildungslehrgang Dipl. Ernährungstrainer Essen in...

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Diplomarbeit Ausbildungslehrgang Dipl. Ernährungstrainer Essen in der Stillzeit – Genuss oder Frust Sinnvolle und unsinnige Ernährungsempfehlungen für stillende Frauen mit dem besonderen Schwerpunkt „Das unruhige Kind“ Autor: Andrea Hemmelmayr, IBCLC Anschrift Wigretsberg 15; 4175 Herzogsdorf Kurs: elt2h16 Eingereicht am: 01.08.2017

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D i p l o m a r b e i t

Ausbildungslehrgang Dipl. Ernährungstrainer

Essen in der Stillzeit – Genuss oder Frust

Sinnvolle und unsinnige Ernährungsempfehlungen für stillende Frauen mit

dem besonderen Schwerpunkt „Das unruhige Kind“

Autor: Andrea Hemmelmayr, IBCLC Anschrift Wigretsberg 15; 4175 Herzogsdorf Kurs: elt2h16 Eingereicht am: 01.08.2017

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die Diplomarbeit mit dem Titel „Essen in der Stillzeit –

Genuss oder Frust“ selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen

Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und alle den benutzten Quellen wörtlich oder

sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Herzogsdorf, 25.7. 2017 [Ort, Datum] __________________________________ [Unterschrift mit Titel, Vorname, Nachname]

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Anhang

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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................................................ 4

1.1 . Folgenden Fragestellungen möchte ich in dieser Arbeit nachgehen: ............................ 6

2. Kernbotschaften ................................................................................................................. 7

2.1. Ernährungsempfehlungen - Schutz für Mutter und Kind oder Risiko für die Stillbeziehung? ....................................................................................................................... 8

3. Hintergrundwissen – Stillen / Nichtstillen.......................................................................... 9

3.1. Bedeutung des Stillens: .............................................................................................. 9

3.1.1. Optimales Stillen und vermutete Auswirkungen auf Morbidität und Mortalität in den USA: ....................................................................................................................... 10

3.1.2. Krankheiten vorbeugen, Ressourcen sparen – UK .......................................... 11

3.1.2.1 Kategorien der Studie von Renfrew et al.: ................................................... 12

3.1.3. Weitere Aspekte des Stillens ............................................................................ 14

3.1.3.1 Mutter-Kind Bindung .................................................................................... 14

3.1.3.2 Entwicklung der orofacialen Strukturen .. Fehler! Textmarke nicht definiert. 3.1.3.3 Finanzielle Belastung durch Nicht-Stillen . Fehler! Textmarke nicht definiert.

3.2. Abstillgründe: ........................................................................................................... 16

3.2.1. Wie lange stillen Mütter in Österreich ............................................................. 16

3.2.2. Gründe für das Nicht-Stillen laut Säuglingsernährung Heute: ......................... 16

3.2.3. Gründe für das Nichtstillen – Lifestyle-Faktoren ............................................ 18

3.3. Ein paar Worte zu „Zwängen“ im Zusammenhang mit dem Stillen… ...................... 19

4. Hintergrundwissen – Nährstoffe ...................................................................................... 20

4.1. Nährstoffbedarf ........................................................................................................ 20

4.1.1. Wie wird der Nährstoffbedarf errechnet? ....................................................... 21

4.1.2. Nährstoffbezogene Empfehlungen - Referenzwerte D-A-CH .......................... 21

4.1.3. Nährstoffbedarf D-A-CH – Gebärfähige Frauen, Schwangere, Stillende ......... 22

4.1.4. Mehrbedarf in der Stillzeit in Prozent: ............................................................. 24

4.1.4.1 Energie- und Nährstoffaufnahme stillender Frauen laut österreichischem Ernährungsbericht (2003) ............................................................................................ 25

5. Diverse Ernährungsempfehlungen .................................................................................. 26

5.1. Offizielle Österreichische Ernährungsempfehlungen .............................................. 26

5.1.1. Lebensmittelbezogene Empfehlungen: ........................................................... 26

5.1.2. „Richtig essen in der Schwangerschaft und Stillzeit“ ...................................... 28

5.1.3. Überlegungen zu den offiziellen österreichischen Ernährungs-empfehlungen für stillende Frauen mit Blick auf die Stillförderung: ....................................................... 30

5.1.3.1 Sollen Raucherinnen stillen? ........................................................................ 30

5.1.3.2 Alkohol in der Stillzeit ................................................................................... 35

5.1.3.3 Lebensmittelinfektionen in der Stillzeit? ..................................................... 38

5.1.3.4 Stillen trotz Umweltbelastung? .................................................................... 40

5.1.4. Stillhindernisse in den offiziellen Ernährungsempfehlungen für Schwangere und Stillende? ................................................................................................................... 40

5.1.5. Mütter mit vermutetem oder tatsächlichem Nährstoffmangel? .................... 44

5.2. Halboffizielle Ernährungsempfehlungen – Bücher .................................................. 45

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Anhang

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5.2.1. Irreführende Informationen zum Stillen: ......................................................... 45

5.2.2. Ernährungsempfehlungen: ............................................................................... 47

5.2.3. Ernährungseinschränkungen: ........................................................................... 48

5.2.4. Stillhindernisse Bücher? ................................................................................... 49

5.3. Das Internet Fluch und Segen: ................................................................................. 50

5.3.1. Empfehlungen die Mütter vom Stillen abschrecken könnten: ........................ 50

5.3.2. Positive Beispiele .............................................................................................. 52

5.4. Ernährungsempfehlungen in verschiedenen Kulturen: .......................................... 53

6. Der unruhige Säugling, high-need Baby, 24-Stunden Baby, Schreibaby, (Drei Monats-)

Koliken,… .................................................................................................................................. 56

6.1. …aus Sicht der Stillberatung: .................................................................................... 56

6.1.1. So unterstützt Stillen beim unruhigen Kind .................................................... 57

6.1.2. Welche Fragen stellt sich die Stillberaterin, IBCLC? ......................................... 58

6.1.2.1 Erkennt die Mutter die frühen Stillzeichen und die Sättigungszeichen… .... 58

6.1.2.2 Reichen die Kalorien? ................................................................................... 59

6.1.2.3 Gibt es Probleme im Stillmanagement? ....................................................... 60

6.1.2.4 Lebensmittelunverträglichkeiten ................................................................. 61

6.2. …aus Sicht der Emotionellen Ersten Hilfe: ............................................................... 62

6.3. …aus Sicht des Ernährungstrainings: ........................................................................ 64

6.3.1. Angeborene Hormon- und Stoffwechselstörungen des Säuglings .................. 64

6.3.2. Laktoseintoleranz ............................................................................................. 64

6.3.3. Laktoseüberlastung .......................................................................................... 65

6.3.4. Allergien (allergische Proktokolitis).................................................................. 65

6.3.5. Blähende Speisen in der mütterlichen Ernährung ........................................... 68

6.3.5.1 Wie entstehen Darmgase beim Erwachsenen? ........................................... 68

6.3.5.2 Darmgase beim voll gestillten Säugling? ...................................................... 68

6.3.5.3 Wissenschaftliche Evidenz? .......................................................................... 69

6.3.5.4 Persönliche Erfahrung .................................................................................. 69

7. Wer sollte kontaktiert werden wenn das Baby viel weint? ................................................ 72

8. Resümee ............................................................................................................................... 72

6.4. Bücher: ..................................................................................................................... 76

6.5. Zeitschriften, Handouts ............................................................................................ 76

6.6. Studien, wissenschaftliche Leitlinien, Protokolle und Codice .................................. 77

6.7. Vorträge und persönliche Gespräche ...................................................................... 78

6.8. Internet ..................................................................................................................... 78

7. Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... 79

8. Kastenverzeichnis ............................................................................................................. 79

9. Tabellenverzeichnis .......................................................................................................... 79

Praxisliste Nr. 1 (bitte durchnummerieren) ........................ Fehler! Textmarke nicht definiert.

Praxisliste Nr. 2 (bitte durchnummerieren) ........................ Fehler! Textmarke nicht definiert.

Praxisliste Nr. 3 (bitte durchnummerieren) ........................ Fehler! Textmarke nicht definiert.

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Anhang

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1. Einleitung

Ein gesunder Start ins Leben ist das wertvollste Geschenk für ein Neugeborenes. Ebenso wie eine optimale Ernährung braucht ein Baby auch

die körperliche Nähe und Wärme seiner Mutter.1 Anwar Fazal

Seit mehr als 20 Jahren darf ich Mutter-Kind Paare durch ihre Stillzeit begleiten. Zuerst einige

Jahre als ehrenamtliche La Leche Liga Stillberaterin, seit dem Jahr 2000 als Still- und

Laktationsberaterin IBCLC (International Board Certified Lactation Consultant), und seit dem

Jahr 2006 auch als Fachkraft für Emotionelle Erste Hilfe. Zusätzlich biete ich Babymassage,

Trageberatung und Tanzen mit dem Baby (Burzzi Dance) an.

Einige Fragen und Aussagen der Mütter begleiten mich in diesen 20 Jahren fast unverändert:

• Was darf oder soll eine stillende Mutter essen oder trinken?

• Welche Lebensmittel sind in der Stillzeit verboten?

• Warum ist mein Baby unruhig? Könnte es an der Nahrung liegen?

• Jetzt lebe ich schon fast nur mehr von Reis und Wasser, aber mein Kind weint noch

immer!

• Ich möchte gerne einen Geburtstag feiern (oder an einer Hochzeit teilnehmen) und

dabei auch mal mit Alkohol anstoßen, wie kann ich bis zu diesem Zeitpunkt abstillen?

• Als Raucherin darf ich ja nicht stillen!

• Jetzt freue ich mich schon auf das Abstillen, ich möchte sooo gerne mal wieder eine

Pizza essen.

Das Essen der stillenden Mutter scheint ein immerwährender Quell an Ammenmärchen,

Ärgernissen und Missverständnissen. Und in vielen Fällen sind zu enge Vorschriften ein

Grund, das Stillen vorzeitig zu beenden oder gar nicht erst zu beginnen.

Als Still- und Laktationsberaterin ist es nicht meine Aufgabe, Mütter zum Stillen zu

überreden, sondern Eltern evidenzbasiertes Wissen so zu vermitteln, dass sie selbst eine

gute, informierte Entscheidung über die Ernährung ihres Kindes treffen können. Die

Entscheidung „Stillen oder Nicht-Stillen“ ist allerdings von wesentlicher Bedeutung für die

Gesundheit von Mutter und Kind sein. Daher ist es wichtig, unnötige Stillhindernisse bereits

im Vorfeld weitgehend zu eliminieren.

1 Anwar Fazal, Welternährungstag, Penang, Malaisia, 16.10. 1985

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Es gibt kaum ein Lebensereignis, das einschneidender ist im Leben einer Frau als die Geburt

ihrer Kinder. Ein guter Zeitpunkt, Lebensgewohnheiten zu überdenken bzw. zu verändern -

so sollte man zumindest meinen. Nachdem aber meist das ganze Leben nach der Geburt auf

den Kopf gestellt wird, ist für viele Frauen eine zusätzliche Veränderung des gewohnten

Lebensstiles durch Gebote oder Verbote in ihrer Ernährung und durch Einschränkungen im

Konsum von Genussmitteln nur schwer zu ertragen. Besonders verschärft sich die Situation

dann, wenn die Mutter von der Geburt traumatisiert ist und/oder das Kind besonders große

Bedürfnisse anmeldet. Die allgegenwärtigen Ernährungsempfehlungen können so rasch zum

Hindernis bzw. Abstillgrund werden. Statt durch Umstellung auf gute und gesunde

Ernährung - welche für manche Mütter unerreichbar scheint - das Baby mit einer noch

besseren Muttermilchqualität zu versorgen, greifen dann viele Frauen auf künstliche

Säuglingsnahrung zurück. Stillen sollte jedoch immer die erste Wahl in der Säuglingsnahrung

sein. Selbst die Muttermilch einer schlecht ernährten Mutter oder einer Raucherin schützt

das Kind vor zahlreichen Erkrankungen, und das Stillen selbst unterstützt die Gesundheit der

Mutter und fördert die Mutter-Kind-Bindung.

Abbildung 1: (c) Andrea Hemmelmayr

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1.1 . Folgenden Fragestellungen möchte ich in dieser Arbeit nachgehen:

Beeinflussen Ernährungsempfehlungen das Stillverhalten der Mütter?

o Warum ist Stillen überhaupt schützenswert? – Bedeutung des Stillens

o Welche Abstillgründe gibt es, insbesondere im Bereich Lifestyle Faktoren?

Wie verändert sich der Nährstoffbedarf in der Stillzeit?

o Wie wurde dieser Bedarf im Ernährungsbericht 2003 in Österreich gedeckt?

Verschiedene Ernährungsempfehlungen – Wie lauten sie welchen Einfluss haben sie

auf die stillenden Frauen?

o Offizielle Ernährungsempfehlungen – sind sie stillförderlich oder gibt es

Optimierungsbedarf?

o Halboffizielle Ernährungsempfehlungen – am Beispiel von 4 verschiedenen

Büchern rund um die Ernährung in der Stillzeit sollen Überlegungen

angestellt werden ob diese stillförderlich oder eher problematisch sind.

o Ernährungsempfehlungen fraglicher Herkunft – gibt es auch wertvolle Tipps

und Informationsquellen?

o Ernährungsempfehlungen verschiedener Kulturen – wurden zur

Vervollständigung und aus eigenem Interesse angeführt.

Besondere Herausforderung Säuglingsunruhe – haben gängige

Ernährungsempfehlungen (Meidung von blähenden Speisen) ihre Berechtigung?

o Welche Ursachen für die Unruhe könnte die Stillberatung aufdecken und

lösen?

o Welche Ursachen für die Säuglingsunruhe ortet die Emotionelle Erste Hilfe?

o Welche Behauptungen aus dem Bereich Ernährung haben beim unruhigen

Säugling eine Berechtigung und welche sind eher dem Thema

Ammenmärchen zuzuordnen?

In welcher Reihenfolge sollten „Fachkräfte“ beim unruhigen Kind zum Einsatz

kommen?

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2. Kernbotschaften

Für viele gesundheitliche Beeinträchtigungen, die ein Mensch im späteren Leben erleidet –

Essstörungen, Verdauungsbeschwerden, Übergewicht, hoher Cholesterinwert, Herzinfarkt,

ernährungsbedingter Krebs,… wird in der frühen Kindheit der Grundstein gelegt.

Stillen und Muttermilch ist die von der Natur maßgeschneiderte Ernährung für den

menschlichen Säugling mit großer gesundheitlicher und emotionaler Bedeutung für Mutter

und Kind. Natürlich muss dem wachsenden Nährstoffbedarf einer Frau in Schwangerschaft

und Stillzeit Beachtung geschenkt werden.

Im Jahr 1981 wurde von der WHO der „Internationale Kodex zur Vermarktung von

Muttermilchersatzprodukten“ (WHO Kodex) verabschiedet. Die WHO hat sich vorgenommen

mit diesem Kodex die Gesundheit von Mutter und Kind zu schützen

Kasten 1: Ziele des WHO Kodex

Im Artikel 4.2 des WHO Kodex (Aufklärung und Ausbildung) findet sich unter anderem die

Forderung, dass Aufklärungsmaterial klare Informationen „zur Ernährung der Mutter und

die Vorbereitung zum Stillen sowie dessen Aufrechterhaltung“ enthalten muss2

Regelmäßige WHA Resolutionen ergänzen und ersetzen den Originaltext des WHO Kodex: so

lautet die weltweite öffentliche Gesundheitsempfehlung:3

Kasten 2: Weltweite Gesundheitsempfehlung der WHO

2 WHO, Internationaler Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten, Artikel 1, 1981 3 WHA Resolution 54.2 (2001)

Ziel des „Internationalen Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten“

1. Den Schutz und die Förderung des Stillens und

2. die sachgemäße Verwendung von Muttermilchersatzprodukten, wo solche gebraucht

werden, auf Grundlage entsprechender Aufklärung und durch geeignete Vermarktung

und Verteilung.

Ausschließliches Stillen für die Dauer von 6 Monaten und

bei angemessener Beikost fortgesetztes Stillen bis zu 2 Jahren oder darüber hinaus!

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2.1. Ernährungsempfehlungen - Schutz für Mutter und Kind oder Risiko für die Stillbeziehung?

Die Stillbeziehung ist ein sensibles und störanfälliges System, denn auch wenn Mutter und

Kind im Normalfall alle körperlichen Voraussetzungen mitbringen, ist Stillen in erster Linie

eine sozial erlernte Fähigkeit. Das Wissen ums Stillen wurde seit Menschengedenken von

einer Generation zur nächsten weitergegeben, aber auch ganz praktisch innerhalb der engen

und weiteren Familie erlebt. Mit dem Verlust der Großfamilie, der Verlagerung der Geburt in

das Krankenhaus und der massiven Bewerbung künstlicher Säuglingsnahrung sank die

Stillhäufigkeit in den 60iger und 70iger Jahren auf einen nie dagewesenen Tiefststand.

Plötzlich hatten junge Mütter keine Vorbilder und keine erfahrenen Ratgeberinnen mehr.

Daher sind die folgenden Generationen junger Eltern auf andere Ratgeber wie Bücher,

Zeitschriften, moderne Medien oder Kurse angewiesen. In diesen Quellen wiederum werden

zahlreiche Tipps, Ratschläge oder Warnungen (mit und ohne Evidenz) ausgesprochen und es

bleibt den Müttern überlassen die Abschätzung des Wahrheitsgehaltes und die Gewichtung

all dieser Informationen selbst zu übernehmen.

Besonders besorgt und sensibel reagieren Mütter auf jeglichen Zweifel an der Quantität oder

Qualität ihrer Muttermilch. Daher ist es wesentlich, Ernährungsempfehlungen für stillende

Mütter entsprechend sorgfältig und „stillfreundlich“ zu formulieren, unnötige beängstigende

Botschaften zu meiden und die Risiken von streng formulierten Ernährungsempfehlungen

gut abzuwägen.

Allzu ideale und unrealistische Nahrungsempfehlungen für die Stillzeit können auch

unerwünschte Folgen haben. 4

So hat Greiner auf den Westindischen Inseln beobachtet:

„Nachdem die in den Stillinformationsbroschüren empfohlenen Nahrungsmittel wie Fleisch

und Fisch für viele nicht erschwinglich waren, hatten sich mehr Mütter entschieden, ihren

Kindern künstliche Säuglingsnahrung anzubieten.“ 5

4 Grabmayr S., Scherbaum V.; Stillen – Frühkindliche Ernährung und reproduktive Gesundheit; Seite 68 – 69 Ernährungsverhalten von Frauen während der Schwangerschaft, Perinatal- und Stillzeit; 2003; Deutscher Ärzteverlag 5 Greiner T., Maternal protein-energy nutrition and breastfeeding, SCN News 11:28-30, 1994.

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3. Hintergrundwissen – Stillen / Nichtstillen

Ernährungsempfehlungen sollen die Gesundheit fördern. Daher muss in der Stillzeit sehr

genau abgewogen werden ob die Gefahr für Mutter und Kind durch falsche Ernährung

größer ist als die Gefahr denen Mutter und Kind durch frühzeitiges Abstillen ausgesetzt sind.

Abbildung 2: Risikoabwägung, Andrea Hemmelmayr

Um solche Überlegungen überhaupt anstellen zu können ist es nötig, sich die Bedeutung des

Stillens und die Gründe für vorzeitiges Abstillen bewusst zu machen.

3.1. Bedeutung des Stillens:

Stillen und Muttermilch ist die artgerechte Ernährung für einen Säugling und eine logische

und physiologische Folge einer Schwangerschaft. Mutter und Kind brauchen entsprechende

Rahmenbedingungen, um das gesundheitliche Potential voll ausschöpfen zu können.

Stillen hat eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für Mutter und Kind. Speziell zu den

gesundheitlichen Effekten „Stillen versus Nicht-Stillen“ gibt es eine unglaubliche Zahl an

wissenschaftlichen Studien, von sehr unterschiedlicher Qualität und mit jeweils

unterschiedlichen Ergebnissen. Die meisten Studien betrachten jedoch nur einen kleinen

Ausschnitt und selbstverständlich können Studien nur statistische Zahlen anbieten, sodass

ein Rückschluss auf ein einzelnes Mutter-Kind-Paar nur bedingt möglich ist.

Um die Bedeutung des Stillens auch in den Industrieländern besser fassbar zu machen,

möchte ich zwei Metaanalysen vorstellen, welche in den USA und in Großbritannien

versuchten, den ökonomischen Gewinn hoher Stillraten darzulegen.

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3.1.1. Optimales Stillen und vermutete Auswirkungen auf

Morbidität und Mortalität in den USA:6

Die Studie von Bartick et al. geht davon aus, dass ein optimales Stillen dann erreicht wäre,

wenn 90 Prozent der Mütter die WHO-Empfehlungen zum Stillen einhalten würden – sprich,

6 Monate ausschließlich Stillen und danach begleitend zur Beikost weiter zu stillen bis ins 2.

Lebensjahr und darüber hinaus.

Über die rein körperlichen Grundlagen für eine solche Stillphase würden – mit

entsprechender professioneller Stillbegleitung – 90–95 % aller Stillpaare verfügen. Die realen

Zahlen zur Stillfrequenz und Stilldauer liegen weit darunter.

Die Studie ist gut auf österreichische Verhältnisse anzuwenden, da die USA und Österreich

als Land mit westlichem Lebensstandard und guter medizinischer Versorgung gelten. Die

Stillraten der USA ähneln jenen in Österreich (obwohl die letzte österreichische Erhebung

aus dem Jahr 2006 stammt). Die Studie errechnet die Daten auf 100.000 Geburten. In

Österreich gibt es jährlich etwa 80.000 Geburten.

Die Abbildung 3 beschreibt kurz und bündig das Outcome dieser US-Studie

Gut zu erkennen – in westlichen Ländern wurde bisher die Bedeutung des Stillens für die

Gesundheit der Mutter offensichtlich stark unterschätzt.

Abbildung 3: Vermeidbare Erkrankungs- und Todesfälle

6 Bartick MC, Schwarz EB, Green BD; Suboptimal Breastfeeding in the United States – Maternal and pediatriv healthoutcomes and costs; Maternal & Child Nutrion 2016, 1 – 13

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3.1.2. Krankheiten vorbeugen, Ressourcen sparen – UK 7

Die Studie von Renfrew et al. unterscheidet verschiedene Evidenzgrade bzw. Plausibilitäten

der verwendeten Ausgangsstudien, welche unterschiedlichen Kategorien zugeordnet

wurden. Allerdings liegt den Gesamtzahlen dieser Studie die Situation in Großbritannien zu

Grunde, es müssen die Geburtsrate und die niedrigen Stillraten in Großbritannien (zum

Zeitpunkt der Studie) bedacht werden. Daher sind die Erkenntnisse nur sehr bedingt auf

andere Länder anwendbar. Vergleicht man die Stillraten von UK (aus dieser Studie) mit jenen

Daten von Österreich (Säuglingsernährung heute 2006), scheint Österreich eine bessere

Ausgangssituation zu haben. In Großbritannien sind die Stillraten, insbesondere jene des

exklusiven Stillens niedrig. In der Studie von Renfew et al. wurden unterschiedliche

Szenarien durchgerechnet. Die hier erwähnten Zahlen beziehen sich auf eine Steigerung der

Rate des exklusiven Stillens im Alter von 4 Monaten von bisher 7% auf 45%. Und bei der

Nekrotisierenden Enterokolitis wird angestrebt dass 75% der Frühgeborenen bei der

Entlassung aus dem Krankenhaus noch in irgendeiner Form gestillt werden oder Muttermilch

erhalten. Unter diesen Voraussetzungen ist eine ähnliche Steigerung der Stillraten ist in

Österreich wesentlich schwerer zu erreichen. Allerdings gibt es keinen Grund sich auf bereits

Erreichtem auszuruhen. Durch ungünstige, stillhinderliche Maßnahmen kann sich auch in

Österreich die bisherige Stillrate sehr rasch und massiv verschlechtern – die

Gesundheitskosten könnten durch schlechtere Stillraten drastisch steigen.

Da wir in Österreich leider keine vergleichbaren Kosten-Nutzen Rechnungen haben, wage ich

– wohl wissend, dass dieser Vergleich stark hinkt – den Versuch, die englischen Zahlen auf

das kleine Land Österreich umzulegen. Dies fällt insofern leicht, da Österreich etwa 80.000

Geburten und Großbritannien etwa 800.000 Geburten jährlich aufweisen. Selbstverständlich

könnten auch bei den Behandlungskosten der einzelnen Erkrankungen größere oder kleinere

Unterschiede zwischen Österreich und Großbritannien bestehen. 8

7 Renfrew Mary J., Pokhrel Subhash, Quigley Maria , Mc Cormick Felicia, Fox Rushy Julie, Dodds Rosemary,

Steven Duffy, Trueman Paul, Williams Antony; Preventing deseases and saving resources: the potential

contribution of increasing breastfeeding rates in the UK; 2012

8 Hemmelmayr Andrea; Die Kosten des Nicht Stillens; Laktation & Stillen 2/13

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3.1.2.1 Kategorien der Studie von Renfrew et al.:

Wie oben erwähnt wurden die Primärstudien je nach Aussagekraft in 4 verschiedene

Kategorien unterteilt.

Kategorie 1 - Kostenersparnis bei Steigerung der Stillraten eindeutig nachzuweisen

Kategorie 2 – hier ist es schwieriger, präzise wirtschaftliche Auswirkungen zu

errechnen.

Kategorie 3 + 4 - Einsparungen zwar sehr plausibel erscheinen, bei denen die

Beweislage reicht jedoch nicht aus um korrekte Berechnungen anzustellen.

Tabelle 1: Darstellung der Studienkategorien aus der Originalstudie

Kategorie 1 - Bei den 25 Studien dieser Kategorie ist die Kostenersparnis bei Steigerung der

Stillraten eindeutig nachzuweisen. Es handelt sich dabei um vier Erkrankungen des Kindes

(Gastroenteritis, Erkrankungen des Respirationstraktes, Otitis media, und Nekrotisierende

Enterokolitis) und einer Erkrankung der Mutter (Brustkrebs).

Würden sich die Stillraten in Großbritannien nur leicht erhöhen - auf 45 % ausschließliches

Stillen mit 4 Monaten – und würden 75 % der Frühchen bei Entlassung aus der Neonatologie

noch gestillt werden, könnten bei den oben erwähnten Erkrankungen jährlich 17 Millionen

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britische Pfund an Behandlungskosten bei den Kindern eingespart werden. Außerdem

könnte bei jedem Jahrgang britischer erstgebärender Frauen eine Summe von 21 Millionen

Pfund an Behandlungskosten plus 10 Millionen Pfund an Folgekosten, die durch den

Brustkrebs verursacht werden, eingespart werden.

Tabelle 2 und 3 zeigen diese Zahlen ebenso wie den Versuch, diese Summen den

Geburtszahlen Österreichs anzupassen. Außerdem werden die Kosten für die

österreichischen Annahmen in Euro berechnet.

UK – Geburtenrate ca. 800.000; Österreich – Geburtenrate ca. 80.000

Erkrankung UK Krankehausauf. Arztbesuche

In A vermutete Krankehausauf. Arztbesuche

Kosten UK

Kosten A

Gastrointestinale Infektionen

3.285 KH* 10.637 AB**

328 KH* 1.063 AB**

£ 3.600.000 € 430.000

Infekte der unteren Atemwege

5.916 KH* 22.224 AB**

591 KH* 2.222 AB*

£ 6.700.000 € 802.000

Otitis media 21.045 AB** 2.104 AB** £ 750.000 € 89.000 NEK*** 361 36 £ 6.000.000 € 718.000 Gesamt £ 17.050.000 € 2.039.000

*KH = Krankenhausbesuche, **AB = Arztbesuche, ***NEK = Nekrotisierende Enterokolitis

Tabelle 2: Behandlungskostenersparnis bei Kindern

Erkrankung

UK A Behandlungskosten UK

Behandlungskosten A

Brustkrebs 865 86 £ 21.000.000 € 2.500.000

Tabelle 3: Behandlungskostenersparnis bei Frauen

Kategorie 2 – Für Studien, die dieser Kategorie zugeordnet wurden, war es schwieriger,

präzise wirtschaftliche Auswirkungen zu errechnen. Die Outcomes, die hier überprüft

wurden, waren: kognitive Ergebnisse, kindliches Übergewicht und SIDS (Sudden Infant Death

Syndrom oder plötzlicher Säuglingstod). Bei Erhöhung der Stillraten könnte der erhöhte IQ

der Kinder ein ökonomisches Plus von £ 278 Millionen bedeuten, es würde jährlich 3 SIDS-

Todesfälle in Großbritannien weniger geben und die Verringerung der frühkindlichen

Fettleibigkeit würde dem Gesundheitssystem £ 1,6 Millionen sparen. Umgerechnet auf die

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Geburtenrate von Österreich könnte man durch Verringerung der frühkindlichen

Fettleibigkeit demnach € 200.000 jährlich sparen.

Kategorie 3 und 4 – Hierfür wurden weitere 53 Krankheiten untersucht, bei denen mögliche

Einsparungen zwar sehr plausibel erscheinen, bei denen die Beweislage jedoch noch nicht

ausreicht, um entsprechende Berechnungen anzustellen. Wir dürfen vermuten, dass es noch

weiteres Einsparungspotential geben könnte.

3.1.3. Weitere Aspekte des Stillens

3.1.3.1 Mutter-Kind Bindung

Der kurze Auszug aus dem Artikel „Bindung und Stillen ein Thema für die Kinder und

Jungendtherapie?“ beschreibt in sehr kurzen Worten welche Bedeutung Stillen in der

Mutter-Kind-Bindung hat. „Bindung ist von zentraler Bedeutung für die frühkindliche

Entwicklung und braucht Raum, sich zu entfalten. Eine innige Eltern-Kind-Bindung ist auch

Ergebnis eines feinfühligen Erziehungsstils, der sich im Zusammenspiel von körperlicher Nähe

und liebevollem Eingehen auf die Bedürfnisse des Kindes ausdrückt. Stillen ist ein natürlicher

Weg, eine gute Mutter-Kind-Bindung zu etablieren und wird in seiner Bedeutung für die

physische wie psychische Gesundheit von Säuglingen häufig unterschätzt. Die moderne

Forschung stützt diese Thesen, z. B. durch Erkenntnisse aus dem Bereich der Epigenetik und

der Hirnphysiologie.“ 9

3.1.3.2 Entwicklung der orofacialen Strukturen

Die größte Bedeutung des Stillens wird der Muttermilch zugeschrieben, aber auch das

Saugen selbst bietet interessante Wirkungsmechanismen. „Das Risiko für einen Überbiss war

demnach für Kinder, die drei bis sechs Monate lang ausschließlich gestillt wurden, um ein

Drittel niedriger als für diejenigen, die nicht gestillt wurden. Ähnlich reduzierte sich das

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Anhang

15

Risiko für schiefe Zähne bei Kindern, die drei Monate bis sechs Monate lang ausschließlich

gestillt wurden um 41%.“ 10

3.1.3.3 Finanzielle Belastung durch Nicht-Stillen

Flaschenfütterung kostet den Eltern monatlich zwischen € 45,00 und € 120,00 mehr als

ausschließliches Stillen. 11

Abbildung 4: © Karl Grabherr

9 Bier Anja, Nindl Gabriele & Kussmann Gabriele ; Bindung und Stillen ein Thema für die Kinder und Jungendtherapie?; Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen – Zeitschrift für die psychosoziale Praxis; 9. Jg. (2), 69–78, 2013 10 Glazer Peres Karen; BarrosAlusisio J D ; Peres Marco Aurélio ; Gomes Victora César; Effects of breastfeeding and sucking habits on malocclusion in a birth cohort study; 1999 11 Hemmelmayr Andrea; Vortrag – Stillen und Babyernährung

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Anhang

16

3.2. Abstillgründe:12

Viele Still- und Laktationsberaterinnen beschreiben, dass strenge Verbote (Verbot

bestimmter Lebensmittel, Rauchverbot, strenges Alkoholverbot) und strenge

Ernährungsvorschriften die Stillmoral von Müttern untergraben können. Andererseits wurde

ich von einer Kinderärztin mit der Aussage konfrontiert: „Die heutigen Mütter seien einfach

zu bequem zum Stillen.“ Daher stellt sich natürlich die Frage wie lange stillen die

österreichischen Mütter überhaupt und welche Abstillgründe benennen die Mütter

eigentlich selbst?

3.2.1. Wie lange stillen Mütter in Österreich

Laut der Studie Säuglingsernährung Heute 2006 (letzte österreichweite Erhebung) waren

sich 90 % der Mütter der gesundheitlichen Bedeutung des Stillens für das Kind bewusst.

Entsprechend betrug die

Anfangsstillrate 2006 - 93,2%.

Nach drei Monaten stillten 60% der Mütter noch voll, und 12 % zum Teil,

nach sechs Monaten stillten 10 % noch voll und 55 % zum Teil

nach einem Jahr stillten 16 % zum Teil

In Wochen gerechnet stillten damit Mütter in Österreich im Durchschnitt 19 Wochen

beziehungsweise 4,75 Monate.

3.2.2. Gründe für das Nicht-Stillen laut Säuglingsernährung Heute:

Von den 49 Müttern, die in der Erhebung ihr Baby nie gestillt hatten, wurden folgende

Gründe angegeben:

31 % hatten laut eigener Angaben zu wenig Milch (n=15)

20 % hatten kein Bedürfnis zu stillen (n=10)

20 % gaben an das Kind hätte die Brust verweigert (n=10)

12 % gaben an sie hätten aus medizinischen Gründen nicht stillen dürfen (n=5)

12 Bundesministerium für Gesundheit; Säuglingsernährung Heute 2006

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17

Auch wenn Mütter mit dem Stillen beginnen, können nicht alle Frauen ihre Stillziele

erreichen und für manche Frauen ist ein Stillen nach den Empfehlungen der WHO auch

gar nicht wünschenswert. Tabelle 4 zeigt welche Gründe Mütter für das Abstillen

angeben wenn sie Ihre Kinder etwa 3 Monate, etwa 6 Monate oder etwa 12 Monate

nach der Geburt abgestillt haben. Mehrfachnennungen waren möglich.

Tabelle 4: Gründe für das Abstillen : 3, 6 und 12 Monate nach der Geburt

Leider ist die österreichische Erhebung schon relativ alt und es lässt sich aus dieser

Aufzählung nur wenig über die tatsächlichen Motivationen Abzustillen bzw. Stillhindernisse

herauslesen. Außer vielleicht, dass viele Mütter wohl eine unzureichende Betreuung in der

Stillphase erleben, denn nur 3,8% jener Mütter die in den ersten 3 Monaten abgestillt

haben, nur 1,1 % jener Mütter die danach bis zum 6. Lebensmonat und letztlich 27,6 % jener

Mütter die bis zum 12 Lebensmonat abgestillt haben gaben an ihr Stillziel erreicht zu haben.

Von 700 Frauen gaben 15 Frauen an von Anfang an zu wenig Milch zu haben, 100 jener

Frauen die bis zum 3. LM abgestillt hatten und 63 jener die bis zum 6. LM abgestillt hatten.

Obwohl aus physiologischer Hinsicht Milchmangel ein eher seltenes Phänomen darstellt

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haben demnach über 25 % der Mütter innerhalb der ersten 6 Lebensmonate genau aus

diesem Grund das Stillen frühzeitig beendet. Nur wenige Mütter gaben an, dass ihnen das

Stillen unbequem gewesen sei. Wie weit speziell Ernährungsempfehlungen oder

Ernährungseinschränkungen Einfluss auf die Entscheidung das Stillen zu beenden haben,

geht aus dieser Umfrage nicht hervor.

3.2.3. Gründe für das Nichtstillen – Lifestyle-Faktoren 13

Etwas mehr Antworten zu den persönlichen Gründen für das Abstillen finden sich in einer

amerikanischen Studie aus dem Jahr 2008. Hier wurden auch Lifestyle-Faktoren erfragt

(siehe Tabelle 5).

Mütter beschreiben in dieser Studie unter anderem, dass Sie sich für das Abstillen

entschieden haben weil sie eine Reduktionsdiät durchführen möchten, weil sie wieder

„normal“ essen möchten bzw. weil sie wieder mit dem Rauchen beginnen möchten.

Offensichtlich haben strenge Ernährungsregeln bzw. ein strenges Rauchverbot Müttern den

Eindruck vermittelt Abstillen sei für das Kind die Gesündere und bessere Variante. Hier gilt es

eine gute Nutzen-Risiken Abwägung zu betreiben.

Lifestyle Faktor < 1M 1-2 M 3-5 M 6 - 8 M >9 M Durch-

schnittlich

Ich möchte nicht (mehr) stillen 16,4% 10,9% 6,2% 3,1% 1,9% 7,7% Ich möchte abnehmen 6,6% 7,2% 10,3% 10,9% 6,5% 8,3% Ich möchte wieder normal essen 5,5% 9,5% 7,2% 5,2% 5,0% 6,5% Ich möchte wieder rauchen bzw. wieder mehr rauchen

6,0% 5,2% 3,4% 1,0% 0,8% 3,3%

Ich möchte meinen Körper zurück 8,9% 13,2% 16,8% 18,8% 15,7% 14,7% Mein Baby war alt genug, damit der Unterschied zwischen Muttermilch und Säuglingsnahrung nichts mehr ausmacht.

5,2% 11,4% 16,5% 26,6% 28,2% 17,6%

Tabelle 5: Lifestyle-Faktoren als Abstillgründe

13 RuoweiLi,MD,PhDa,SaraB.Fein,PhDb,JianChen,MSca,LaurenceM.Grummer-Strawn,PhDa ; Why Mothers Stop Breastfeeding: Mothers’ Self-reported Reasons for Stopping During the First Year

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3.3. Ein paar Worte zu „Zwängen“ im Zusammenhang mit dem Stillen…

Für manche Mütter ist Stillen oder sogar der bloße Gedanke daran keineswegs angenehm.

Vielleicht bereiten die äußeren Umstände Stress beim Stillen (z.B. Scham, Zeit- und

Leistungsdruck). Manchmal lässt sich für ein Problem trotz kompetenter und professioneller

Begleitung keine Lösung finden und Stillen wird nur noch als Strapaze erlebt. In solchen

Fällen ist moderne Ersatznahrung ein Segen.

Während sich manche Mütter nach der Geburt ihres Kindes gedrängt fühlen, es zu stillen

und dies als unangenehm empfinden, erleben stillende Mütter (zumindest im westlichen

Kulturkreis) spätestens nach 9 Monaten ein anderes Phänomen. Sie werden direkt oder

indirekt zum Abstillen gedrängt. Die Vorstellung eines Kindes, das nach seinem ersten

Geburtstag noch gestillt wird, ist in westlichen Ländern für viele Menschen irritierend.

Die Gratwanderung zwischen den Anforderungen jener Mütter, die Stillunterstützung und

dringend Aufmunterung brauchen, und jenen Frauen, welche lieber Abstillen möchten und

dabei ebenso Unterstützung brauchen, ist nicht immer leicht.

Egal, welche Entscheidung eine Mutter trifft, wichtig ist, dass es ihre eigene Entscheidung ist

und dass sie diese Entscheidung auch nach Jahren noch vertreten kann. 14

Die Bedürfnisse eines Nicht-gestillten Kindes sind den Bedürfnissen gestillter Kinder sehr

ähnlich. Jene Familien deren Kind(er) künstliche Säuglingsnahrung erhalten brauchen ebenso

werbungsunabhängigen Rat und Begleitung durch die Säuglingszeit. IBCLCs begleitet nicht

nur Stillpaare, sie unterstützen Frauen mit Abstillwunsch und informieren und begleiten die

Familie noch weit über die Stillzeit hinaus.

14 Lüpold Sibylle; Stillen ohne Zwang; rüffer & rub

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4. Hintergrundwissen – Nährstoffe

Im Normalfall brauchen wir nicht zu überlegen welche Nährstoffe unser Körper braucht,

Hungergefühl und Appetit auf bestimmte Speisenkombinationen sorgen dafür, dass wir auch

ganz ohne Listen und Tabellen normalerweise einigermaßen vernünftig versorgt bleiben.

Nichts desto trotz kann man natürlich den Nährstoffbedarf einer Personen, je nach Alter,

Geschlecht, Aktivität errechnen und daraus dann sinnvolle nährstoffbezogene

Ernährungsempfehlungen ableiten - selbstverständlich auch für stillende Mütter. Zum

Verständnis von Ernährungsempfehlungen ist es wichtig die Bedarfsempfehlungen zu

kennen. Sicherlich ist es interessant, welche Sicherheitszuschläge in den

Nährstoffempfehlungen enthalten sind und mit welchen Begrifflichkeiten die D-A-CH

Referenzempfehlungen arbeiten.

4.1. Nährstoffbedarf

Die Nahrung liefert unserem Körper all die Stoffe, die er für sein Wachstum, die

Aufrechterhaltung aller körperlichen und geistigen Funktionen und für die Regulation der

Körpertemperatur braucht. Die Aufnahme von Nahrung und Wasser ist aber auch nötig, um

beispielsweise abgestorbene Zellen oder ausgeschiedene Körperflüssigkeiten zu ersetzen –

und somit für den gesamten Stoffwechsel. 15

Der ermittelte Nährstoffbedarf unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Verantwortlich

dafür sind Faktoren wie Alter, Geschlecht, Körperkonstitution, genetische Ausstattung,

unterschiedliche Lebensbedingungen.16 So verändert sich der Nährstoffbedarf natürlich auch

in der Schwangerschaft und Stillzeit, in der ja der Körper der Mutter zusätzlich den Körper

des Kindes mitversorgt.

15Elmadfa I. Prof. Dr., Aign W. Ernährungsberaterin (DGE), Muskat E. Prof. Dr. , Fritzsche D. Dipl oec.; Die große GU Nährwert Kalorien Tabelle; Ausgabe 2008 /09 16 Skript Vitalakademie – Gesunde Ernährung im Überblick

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4.1.1. Wie wird der Nährstoffbedarf errechnet?

Statistisch sind damit 97,5 % der Bevölkerung sicher versorgt.17

4.1.2. Nährstoffbezogene Empfehlungen - Referenzwerte D-A-CH

Die Nachbarländer Deutschland, Österreich und Schweiz – (Kurzform D-A-CH) erarbeiten und

veröffentlichen gemeinsame Referenzwerte für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, auch

für Schwangere und Stillende.

Empfehlungen z.B. für Protein, Ω-6 FS, die meisten Vitamine

und Mineralstoffe - basieren auf Wissen

Schätzwerte z.B. für Ω-3 FS, Vit. E, K, Biotin, ß-Carotin, Panthotensäure und einige

Spurenelemente – sind experimentell gestützt, ohne abgesichert zu

sein

Richtwerte z.B. für Wasser, Ballaststoffe, Fettmenge, Cholesterin, Alkohol – sind

eine Orientierungshilfe, wenn keine exakten Werte nötig sind.

Die empfohlenen Referenzwerte müssen nicht täglich exakt erreicht werden – allerdings

sollten wir innerhalb einer Woche eine möglichst gute Bilanz erreichen.18

Nährstoffbezogene Empfehlungen sind für die Beratung sehr unpraktisch. „Frau“ geht nicht

ins Geschäft und kauft 20 mg Eisen, 260 mg Jod,…

Für den Laien sind Lebensmittelbezogene Empfehlungen leichter verständlich.

17 Elmadfa I. Prof. Dr., Aign W. Ernährungsberaterin (DGE), Muskat E. Prof. Dr. , Fritzsche D. Dipl oec.; Die große GU Nährwert Kalorien Tabelle; Ausgabe 2008 /09 18 Skript Vitalakademie – Gesunde Ernährung im Überblick

Durchschnittlich errechneter Bedarf

+ Sicherheitszuschlag von 20 – 30 %

Bevölkerungsreferenzzufuhr – safe level of intake

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4.1.3. Nährstoffbedarf D-A-CH – Gebärfähige Frauen, Schwangere,

Stillende19

Die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen erfordern hinsichtlich der Menge und

Zusammensetzung eine am Bedarf des Organismus orientierte, ausgewogene Zufuhr an

Nährstoffen.20 Der Energiebedarf von Menschen ist abhängig vom Geschlecht, Alter und

eben auch von besonderen Lebenssituationen wie Schwangerschaft und Stillzeit.

Referenzwerte Frauen 25 – 51

Jahre Sitzende Tätigkeit

Mehrbedarf Schwanger

Mehrbedarf Stillend

Mehrbedarf % in Stillzeit

Energie kcal 1900 + 255 – 2. Triminon + 500 – 3. Triminon

Bis + 635 + 33,5 %

Protein g pro kg / KG 47 g 58 g 63 g + 34 % Calcium 1000 mg 1000 mg 1000 mg 0 % Magnesium 300 mg 310 mg 390 mg + 30 % Eisen 15 mg 30 mg 20 mg + 33 % Jod 200 mg 230 mg 260 mg + 30 % Zink 7 mg 10 mg 11 mg + 51 % Natrium 550 mg 550 mg 550mg 0 Kalium 2000 mg 2000 mg 2000 mg 0 Phosphor 700 mg 800 mg 900 mg + 29 % Fluorid 3,1 mg 3,1 mg 3,1 mg 0 Kupfer 1,0 – 1,5 mg 1,0 – 1,5 mg 1,0 – 1,5 mg 0 Mangan 2,0 – 5,0 mg 2,0 – 5,0 mg 2,0 – 5,0 mg 0 Chrom 30 – 100 µg 30 – 100 µg 30 – 100 µg 0 Selen 30 – 70 µg 30 – 70 µg 30 – 70 µg 0 Vitamin A 0,8 mg 1,1 mg 1,5 mg + 87,5 % Vitamin D 5 µg 5 µg 5 µg 0 Vitamin E 12 mg 13 mg 17 mg +42 % Vitamin K 60 µg 60 µg 60 µg 0 Vitamin B1 1,0 mg 1,2 mg 1,4 mg + 40 % Vitamin B2 (Thiamin) 1,2 mg 1,5 mg 1,6 mg + 33 % Vitamin B3 (Niacin) 13 mg 15 mg 17 mg + 30 % Vitamin B5 (Pantothensäure)

6 mg 6 mg 6 mg 0

Vitamin B6 (Pyridoxin) 1,2 mg 1,9 mg 1,9 mg + 58 % Vitamin B9 (Folsäure) 400 µg 600 µg 600 µg + 50 % Vitamin B12 3,0 µg 3,5 µg 4,0 µg + 33 % Vitamin C 100 mg 110 mg 150 mg + 50 % Vitamin H (Biotin oder B7)

30 – 60 µg 30 – 60 µg 30 – 60 µg 0

Tabelle 6: Nährstoffbedarf der Schwangeren und Stillenden

19 Elmadfa I. Prof. Dr., Aign W. Ernährungsberaterin (DGE), Muskat E. Prof. Dr. , Fritzsche D. Dipl oec.; Die große GU Nährwert Kalorien Tabelle; Ausgabe 2008 /09 20 Der kleine Sourci, Fachmann, Kraut; Lebensmitteltabelle für die Praxis; 5. Auflage, 2011; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH

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Essenentielle Fettsäuren: Durch den Genuss von LCPUFA kann der Gehalt an eben diesen in

der Muttermilch positiv beeinflusst werden, wobei in Mitteleuropa eher zu wenig Omega 3

Fettsäuren konsumiert werden. Wird der Bedarf nicht durch den Verzehr von fettreichem

Seefisch gedeckt, könnte die Mutter vermehrt heimischem Leinöl, Wallnussöl und Rapsöl in

den Speiseplan einbauen.

Essentielle Fettsäuren Omega-6; 2,5 % des Gesamtenergiebedarfs

Essentielle Fettsäuren Omega-3; 0,5 % des Gesamtenergiebedarfs

Der Eisenbedarf: Der erhöhte Eisenbedarf betrifft generell Frauen nach einer Geburt, ganz

egal ob sie stillen oder nicht, der Mehrbedarf der Schwangerschaft und der Blutverlust der

Geburt müssen ausgeglichen werden. 21

Der Verlust von Eisen über das Stillen entspricht etwa dem normalen Verlust über die

Menstruation, welche während der vollen Laktation meist für längere Zeit ausbleibt.22

21 Elmadfa I. Prof. Dr., Aign W. Ernährungsberaterin (DGE), Muskat E. Prof. Dr. , Fritzsche D. Dipl oec.; Die große GU Nährwert Kalorien Tabelle; Ausgabe 2008 /09; Seite 78 22 Riordan Jan, Auerbach Kathleen G.; Breastfeeding and Human Lactation; 2. Edition 1998;Seite 532

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4.1.4. Mehrbedarf in der Stillzeit in Prozent:

Wie in Tabelle 7 ersichtlich, steigt neben dem Mehrbedarf an Energie auch der Mehrbedarf

an Makro- und Mikronährstoffen.

Bei einer vernünftigen und ausgewogenen Ernährung sollten mit der vermehrten Zufuhr an

Kalorien auch der Großteil dieses Mehrbedarfes gedeckt werden.

Deutlich höher wäre der Bedarf an: Vitamin A, Vitamin B 6 (Pyridoxin), Vitamin B 9

(Folsäure), Vitamin C und Zink.

Tabelle 7: Mehrbedarf an Nährstoffen der stillenden Frau in Prozent

Kasten 3: Praktischer Hinweis

Praktischer Hinweis:

Alle kritischen Nährstoffe finden sich in einer guten Mischung aus Gemüse, Nüsse, Vollkornprodukte, Fleisch (vor allem dunkles Fleisch) Milch und Milchprodukte, Eier, Fisch, Hülsenfrüchte, Sprossen,… Der Mehrbedarf an Kalorien sollte also mit gesunden Lebensmitteln gedeckt werden um auch den Mehrbedarf an Mikronährstoffen zu decken. Bei kritischem Essverhalten sollte eine Substitution angedacht werden.

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4.1.4.1 Energie- und Nährstoffaufnahme stillender Frauen laut österreichischem

Ernährungsbericht (2003) 23

Wie die tatsächliche Nährstoffaufnahme stillender Frauen in Österreich aussieht wurde

zuletzt 2003 erhoben.

Zusammenfassung: Nach Angaben des Österreichischen Ernährungsberichtes (2003)

lag die mittlere Zufuhr an Eiweiß, gesättigten Fettsäuren und Nahrungscholesterin,

sowie das Verhältnis der essentiellen Fettsäuren (n-3 : n-6) über den D-A-CH-

Referenzwerten.

Eine zu geringe mittlere Aufnahme konnte bei der Zufuhr an Kohlenhydraten,

Ballaststoffen, Vitamin A, Eisen, Calcium, Vitamin D, E und Folsäure beobachtet

werden. Verbesserungswürdig war auch die Aufnahme von Vitamin B6.

Im Bereich der Empfehlungen lag die mittlere Aufnahme an Vitamin B1, B2,

Magnesium, Zink und Jod. Auch die durchschnittliche Energiezufuhr lag im Bereich

der Richtwerte. Die durchschnittliche Zufuhr an Vitamin B12 und Niacin lag über den

Empfehlungen.

Alkohol wurde von einem Fünftel der Befragten konsumiert. Die mittlere Aufnahme

an Alkohol lag bei 3,3 g pro Tag (1 % der Gesamtenergieaufnahme)

In den aktuellen offiziellen Ernährungsempfehlungen sollten diese Erkenntnisse bereits

berücksichtigt sein. Bei stillenden Frauen zeigen sich offensichtlich ähnliche

Ernährungsfehler wie im Rest der Bevölkerung. Wünschenswert wäre eine frühzeitige

Ernährungserziehung von Kindesbeinen an.

23 Elmadfa I, Freisling H, König J, et al., Österreichischer Ernährungsbericht 2003. 1. Auflage, Wien, 2003.

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5. Diverse Ernährungsempfehlungen

Mütter erhalten aus vielen Quellen Ratschläge zum Thema Ernährung. In der Folge möchte

ich mich nun mit Ernährungsempfehlungen aus unterschiedlichen Quellen auseinander

setzen.

5.1. Offizielle Österreichische Ernährungsempfehlungen

Werden herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und der AGES – Agentur

für Gesundheit und Ernährungssicherheit.

5.1.1. Lebensmittelbezogene Empfehlungen:

Wie im Kapitel Nährstoffbedarf beschrieben sind für den Endverbraucher und für die

Beratung nährstoffbezogene Angaben ausgesprochen unpraktisch. Niemand wird mit

Taschenrechner und Lebensmitteltabellen einkaufen gehen. Eine etwas ungenauere aber

wesentlich bessere Möglichkeit, Ernährungswissen verständlich unter die Menschen zu

bringen, sind lebensmittelbezogene Empfehlungen, wie z.B. die österreichische

Ernährungspyramide.

Als besonders praktisch erweist sich hier die Österreichische Ernährungspyramide, die für

Schwangere und Stillende erweitert wurde.

Erklärung der Portionsgrößen24 - 1Portion =

Wasser 1 Glas (250 ml) Gemüse, Obst 1 Faust Brot, Gebäck 1 Handfläche* Getreideflocken 1 Handvoll Reis (gekocht) 2 Fäuste Kartoffeln 2 Fäuste Nudeln (gekocht) 2 Fäuste Milch, Joghurt 1 Glas (ca. 200ml) Käse 2 handflächengroße*, dünne Scheiben Hüttenkäse 1 Faust Fleisch, Fisch 1 handtellergroßes**, fingerdickes Stück Wurst Bis zu 3 handtellergroße** Scheiben Nüsse, Samen 2 EL Öl 1 EL Butter, Margarine 1 EL

*Handfläche: Hand mit Finger ** Handteller: Hand ohne Finger

Tabelle 8: Erklärung der Portionsgrößen für die Ernährungspyramide

24 Bundesministerium für Gesundheit; Gesund genießen; 3. Auflage, 2015

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Abbildung 5: Die österreichische Ernährungspyramide für Schwangere und Stillende

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5.1.2. „Richtig essen in der Schwangerschaft und Stillzeit“ 25

Im folgenden Fact Sheet der AGES werden weitere praktische, lebensmittelbezogene Tipps gegeben.

25 AGES – Fact Sheet: „Richtig essen in der Schwangerschaft und Stillzeit“; http://www.hauptverband.at/portal27 - Programm Richtig essen von Anfang an! (REVAN); 8.7. 2017

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26

26 AGES – Fact Sheet: „Richtig essen in der Schwangerschaft und Stillzeit“; http://www.hauptverband.at/portal27 - Programm Richtig essen von Anfang an! (REVAN); 8.7. 2017

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5.1.3. Überlegungen zu den offiziellen österreichischen Ernährungs-

empfehlungen für stillende Frauen mit Blick auf die

Stillförderung:

5.1.3.1 Sollen Raucherinnen stillen?

Die Österreichischen Ernährungsempfehlungen und die Österreichische

Ernährungsempfehlungen sprechen sich sowohl in der Schwangerschaft als auch in der

Stillzeit für ein striktes Rauchverbot aus. Auch wenn dieser „Substanzgebrauch“ nicht direkt

mit Ernährung zu tun hat müssen wir uns dieses Thema etwas näher ansehen:

Aus der wissenschaftlichen Analyse „Sollen Raucherinnen stillen?“ des Bayrischen

Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit lernen wir: „Rauchen ist ein über

viele Jahre erlerntes und tradiertes Verhaltensprogramm. Bei vielen Rauchern begleitet es

bestimmte persönliche Situationen wie z.B. Stressmomente. Endgültiger Rauchverzicht ist oft

ein langwieriger, von Rückfällen begleiteter Prozess, in dem neue Verhaltensmuster erlernt

werden müssen. Je stärker die Tabakabhängigkeit desto schwieriger der endgültige

Rauchverzicht.“ 27

Dass elterliches Rauchen negative Auswirkungen auf die Baby- und Kleinkindgesundheit hat,

ist wissenschaftlich belegt.

Passive Inhalation durch das Kind birgt Risiken, Stillen ist ein Schutzfaktor:

Risikofaktoren für den plötzlichen Säuglingstod sind: Rauchen in der

Schwangerschaft, frühes kindliches Passivrauchen und Nicht-Stillen [Blair et al. 2006;

Blair et al. 2009; Brodehl 2000; Bajanowski & Poets 2004; Mitchell 2007;

Fleming&Blair 2007; Liebrechts-Akkerman et al. 2011]

Rauchen in der Schwangerschaft und frühes Passivrauchen erhöhen das Risiko für

eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lungenfunktion [BZgA 2010]. Stillen hingegen

27 Sollten Raucherinnen stillen? Eine wissenschaftliche Analyse; Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL); Dezember 2012

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hat einen schützenden Effekt auf Atemwegserkrankungen [Nafstad et al. 1996;

Beaudry et al. 1995].

Das Risiko von 6–7 Monate alten Säuglingen an Infektionen der unteren Atemwege

zu erkranken, stieg um den Faktor 9, wenn die Mutter rauchte. Stillen wiederum

senkt das Risiko um das 3 fache. Gabe von ausschließlich Säuglingsmilch zum

Zeitpunkt der Geburt erhöhte allerdings das Risiko um das 15-Fache. 28

Schadstoffe in der Muttermilch und Auswirkung des Rauchens auf das Stillen:

Pauschale Aussagen, welchen Einfluss das mütterliche Rauchen auf die Höhe der

Schadstoffkonzentration in der Muttermilch hat, und somit auf die Gesundheit des Kindes

haben könnte, sind nicht möglich.

Nikotin tritt rasch in die Milch über, erreicht dort 3-fach höhere Werte im Vergleich

zum mütterlichen Serum und hat mit 90 Minuten dieselbe Halbwertszeit wie im

Serum.

Cotinin, der wichtigste Metabolit des Nikotins, erscheint ebenfalls rasch in der

Muttermilch, ist dort etwas niedriger konzentriert als im mütterlichen Serum und hat

mit etwa 24 Stunden eine deutlich längere Halbwertszeiten als Nikotin.

Außerdem sind weitere hochtoxische und auch kanzerogene Substanzen in der

Muttermilch von Raucherinnen zu erwarten.

Bei Babys von starken Raucherinnen wurden Unruhe, geringeres Saugvermögen, Koliken,

Erbrechen und eine verminderte Gewichtszunahme beobachtet (Übersicht in Lawrence

1999). Bleibende Schäden durch das Stillen rauchender Mütter sind bisher weder hinsichtlich

des Wachstums, noch der funktionellen Entwicklung belegt. 29

In einer deutschen Studie (Bajanowsky 2008) konnte nachgewiesen werden, dass die

Nikotinaufnahme durch Passivrauchen eine wesentlich größere Auswirkung auf die kindliche

Gesundheit hat als die Exposition über die Muttermilch.30

28 Sollten Raucherinnen stillen? Eine wissenschaftliche Analyse; Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL); Dezember 2012 29 Arzneiverornung in Schwangerschaft und Stillzeit, 7. Auflage (2006); C. Schaefer, H. Spielmann, K. Vetter; Seite 721- 722 30 Nicotine and cotinine in infants dying from sudden infant death syndrome. Bajanowski T1, Brinkmann B, Mitchell EA, Vennemann MM, Leukel HW, Larsch KP, Beike J; GeSID Group.

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Starke Raucherinnen weisen einen deutlich niedrigeren Basis-Prolaktin Spiegel auf, der

Mangel dieses milchbildenden Hormons wirkt sich negativ auf die Milchproduktion der

Mutter aus. 31

Wegen der gesundheitlichen Bedeutung des Stillens sollen gemäß der Nationalen

Stillkommission am BfR und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin

grundsätzlich auch rauchende Mütter stillen [Nationale Stillkommission am BfR 2006;

DGKJM 2008; Koletzko et al. 2010]. Die Nationale Stillkommission empfiehlt sechs Monate

ausschließlich zu stillen und mit Einführung der Beikost die Stillzeit nicht zu beenden,

sondern teilweise weiter zu stillen, solange Mutter und Kind den Wunsch dazu haben.

Natürlich steht an erster Stelle die Empfehlung an die Mütter, in der Stillzeit nicht zu

rauchen. 18

Tabelle 9: Rauchen vor der Schwangerschaft Tabelle 10: Rauchen in der Schwangerschaft

Tabelle 11: Rauchen nach der Geburt

31 Breastfeeding – A guide for the medical profession; Fifth Edition 1999; Ruth Lawrence; Seite 534

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Abbildung 6: Striktes Rauchverbot

Wie in Tabelle 11 ersichtlich, ist ein Rauchverzicht nach der Geburt für etwa 30 % junger

Mütter nicht vorstellbar. Vermutlich werden die meisten dieser Frauen bei einem absoluten

Rauchverbot (siehe Verbotsschild mit Zigarette ) eher auf das Stillen verzichten, als einen

Rauchentzug in stressiger Zeit durchzuziehen.

Dies betrifft insbesondere jüngere und bildungsferne Mütter, sodass genau jenen Frauen,

die in der Stillberatung als besonders vulnerabel und schlecht motivierbar gelten, auch noch

von offizieller Stelle vom Stillen abgeraten wird.

Abbildung 7: Rauchverbot in der Schwangerschaft

In der Schwangerschaft besteht eine völlig andere Situation: Mütter sind oft hochmotiviert

ihren Lebensstil zu ändern, manchmal hilft auch die Schwangerschaftsübelkeit, das

Verlangen nach Nikotin zu dämpfen und die Schwangerschaft würde sicherlich nicht

ausschließlich wegen des Rauchverhaltens beendet. Es wäre günstig, diese Phase zu nutzen

um aktiv und sofort eine (möglichst dauerhafte) Raucherentwöhnung einzuleiten.

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Anhang

34

Wichtige Empfehlungen für Raucherfamilien mit Säuglingen:

Viele Empfehlungen beziehen sich in ihrem Rauchverbot immer nur auf die Schwangere bzw.

Stillende Frau. Tatsächlich erlebe ich aber viele Familien in denen, Väter, Großeltern oder

andere enge Verwandte ungeniert in der Wohnung mit Kindern rauchen. Immer noch erlebe

ich wildfremde Menschen die sich direkt neben einer Schwangeren oder einem Säugling eine

Zigarette anrauchen. Konsequenterweise versuche ich mit meinen Empfehlungen das

gesamte Umfeld der Mutter und des Kindes in die Ratschläge einzubinden.

1. Mutter, Vater und alle nahestehenden Betreuungspersonen sollten spätestens die

Schwangerschaft nutzen, um mit dem Rauchen aufzuhören!

2. Niemand sollte in der Nähe einer Schwangeren oder in der Wohnung eines Kindes

rauchen.

3. Bleiben Sie (alle Erwachsenen in der Umgebung eines Säuglings) nach Möglichkeit

(und möglichst lange) rauchfrei, auch nach der Geburt. – So vermeiden Sie eine

Schadstoffbelastung des Kindes und eine negative Vorbildfunktion!

4. Wenn der Entzug nicht (auf Dauer) funktioniert hat, reduzieren Sie in der Stillzeit

weitgehendst das Rauchen und nutzen Sie Phasen, in denen Sie nach dem Stillen mit

einer längeren Schlafphase des Kindes rechnen. Je länger die Pause zwischen

Nikotingenuss und Stillphase, desto geringer die Schadstoffbelastung über die

Muttermilch (Gilt auch für Passivrauchen).

5. Babys sollten NICHT gemeinsam mit RaucherInnen in einem Bett schlafen.

6. Stillen ist besonders für Kinder aus Raucherfamilien wichtig! Frühes Passives

Rauchen erhöht das Risiko für Lungenfunktionsstörungen und plötzlichen

Säuglingstod. Stillen hingegen hat einen schützenden Effekt sowohl auf

Atemwegserkrankungen als auf den plötztlichen Säuglingstod. Nutzen Sie diese

wichtige Ressource auch dann, wenn Sie als Mutter rauchen!

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35

5.1.3.2 Alkohol in der Stillzeit

Viele stillende Frauen fragen sich, ob sie zu einem besonderen Anlass mit einem Glas Wein

oder Sekt anstoßen können oder ob dies nicht mit dem Stillen vereinbar ist.

Alkohol ist als Nervengift eine Droge, und doch gesellschaftlich tief verankert. So haben beim

österreichischen Ernährungsbericht 2003 ein Fünftel der stillenden Frauen in der Stillzeit

Alkohol konsumiert. 32

In der Schwangerschaft können schon kleine Mengen an Alkohol zur Beeinträchtigung des

Fötus führen, bis hin zur Alkoholembryopathie. Dieses fetale Alkoholsyndrom ist die

zweithäufigste Entwicklungsstörung in Europa (1,7 bis 3,3 Promille). Die Fehlbildungen

reichen von Löchern im Herz bis hin zu Intelligenzminderungen und

Entwicklungsverzögerung.33

Wird Alkohol von einer schwangeren Frau getrunken, sind bei Aufnahme exakt der gleichen

Alkoholmengen über den gleichen Zeitraum mit gleichem Konzentrationszeitverlauf in der

Schwangeren wie der stillenden Mutter die Konzentrationen im Uterus/Fetus 100-mal höher

als beim gestillten Säugling. Wegen dieser Konzentrationsunterschiede können Wirkungen

auf das Zentralnervensystem, die bei Alkoholexposition in der Schwangerschaft

tierexperimentell und klinisch beobachtet werden, nicht auf die Situation beim Stillen

übertragen werden.34

Auszüge aus dem Buch: Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit:35

„Empfehlungen für die Praxis (in der Schwangerschaft): Kein Alkohol während der

Schwangerschaft! Da Alkohol ein erwiesenes Teratogen ist, muss vor regelmäßigem und

auch vor gelegentlichem, exzessivem Genuss gewarnt werden. Chronischer Alkoholabusus

während der Schwangerschaft führt zu einer lebenslangen Schädigung des betroffenen

Kindes. Die Alkoholkrankheit gehört zu den wenigen Situationen, in denen ein

32 Elmadfa I, Freisling H, König J, et al., Österreichischer Ernährungsbericht 2003. 1. Auflage, Wien, 2003. 33 Österreichisches Institut für Familienforschung http://www.oif.ac.at/service/zeitschrift_beziehungsweise/detail/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=173&cHash=c36031ac9836cd37013e012aeb73ac82?&type=98+ 8.7. 2017 34 Bundesinstitut für Risikobewertung; Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit; Alkohol in der Stillzeit – Eine Risikobewertung unter Berücksichtigung der Stillförderung; 2012

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risikobegründeter Schwangerschaftsabbruch mit der Patientin zu diskutieren ist. … Die

Einnahme von alkoholhaltigen Stärkungsmitteln und alkoholischen Zubereitungen von

Medikamenten (bei Konzentrationen über 10 %) ist zwar nicht mit einem Abusus

vergleichbar, sie sollte dennoch vermieden werden.“

„Empfehlungen für die Praxis (in der Stillzeit): Gelegentlicher, geringer Alkoholgenuss (z.B.

1-2-mal wöchentlich ein Glas Sekt) ist kein Stillhindernis. Wie bereits in der Schwangerschaft,

sollte auch die Stillende möglichst wenig Alkohol zu sich nehmen. Bei chronischem oder

exzessivem Alkoholkonsum muss abgestillt werden.“

Wie in Abbildung 5 gut zu erkennen, wird während der Schwangerschaft das Kind über die

Plazenta, ähnlich einem mütterlichen Organ versorgt und partizipiert so am mütterlichen

Blutalkoholspiegel genauso lange und genauso hoch wie jedes andere mütterliche Organ.

Abbildung 8: Struktur des Modells der Schwangeren 36

35 Schäfer C., Spielmann H., Vetter K.; Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit 7. Auflage; 2006; Urban & Fischer Seite 494 und 720 36 Bundesinstitut für Risikobewertung; Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit; Alkohol in der Stillzeit – Eine Risikobewertung unter Berücksichtigung der Stillförderung, 2012

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Abbildung 6 zeigt, dass die Brust als mütterliches Organ mit dem Blutalkoholspiegel

in Kontakt kommt. Dabei wird Alkohol in die Muttermilch abgegeben und vom Kind

getrunken. Durch die neuerliche „Verstoffwechselung“ erreicht nur mehr ein

Bruchteil des mütterlichen Blutalkoholes die Blutbahn des Säuglings.

Abbildung 9: Struktur des Modells der stillenden Frau und des Säuglings 37

Empfehlungen an die Schwanger Frau:

Kein Alkohol in der Schwangerschaft!

Empfehlungen an die stillende Mutter:

Ein gelegentliches Glas Wein oder Bier in der Stillzeit ist kein Grund abzustillen, kein Alkohol

ist sicherlich besser. Bei einmaligem exzessivem Alkoholgenuss muss eine Stillpause

eingehalten werden bis der Blutalkoholspiegel wieder abgebaut ist. Bei regelmäßiger

größeren Alkoholkonsum bzw. Alkoholabusus muss abgestillt werden.

37 Bundesinstitut für Risikobewertung; Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit; Alkohol in der Stillzeit – Eine Risikobewertung unter Berücksichtigung der Stillförderung, 2012

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5.1.3.3 Lebensmittelinfektionen in der Stillzeit?

Da in Österreich die Ernährungsempfehlungen für Schwangere und Stillende gleichermaßen

gelten werden auch Stillende die Vorsichtsmaßnahmen bzgl. der Lebensmittelinfektionen.

Daher ein Blick auf das Infektionsrisiko in der Stillzeit:

Listeriose: Im Jahr 2016 wurden in Österreich von der Referenzzentrale 46 humane Fälle invasiver

Listeriosen verifiziert (44 kulturell, 2 mittels Nukleinsäurenachweis),

schwangerschaftsassoziiert war kein einziger Fall.38

Tabelle 12: Verifizierte Fälle von Listeriose in Österreich 1997–201639

Listeriose ist also eine relativ seltene Infektion, die allerdings in der Schwangerschaft über

die Plazenta an den Fetus erreichen kann. Rund 36% der Schwangerschaften, in denen sich

die Mutter mit Listeriose infiziert, gehen mit einer späteren Fehlgeburt bzw. Totgeburt

einher. Bei bis zu 20% der Neugeborenen resultieren aus einer diaplazentaren Infektion

neurologische Folgeschäden und Langzeitkomplikationen.40

Es gibt keinen wissenschaftlichen Hinweis darauf, dass eine Infektion mit Listeriose über

Muttermilch möglich ist.41

38 AGES Nationale Referenzzentrale fur Listeriose Jahresbericht 2016; www.ages.at/service/service-oeffentliche-gesundheit/referenzzentralen/rz-listeriose/#downloads; 8.7. 2017 39 AGES Nationale Referenzzentrale fur Listeriose Jahresbericht 2016; www.ages.at/service/service-oeffentliche-gesundheit/referenzzentralen/rz-listeriose/#downloads; 8.7 2017 40 http://www.netdoktor.at/familie/schwangerschaft/listeriose-in-der-schwangerschaft-5690?page=2 4.7. 2017 41 Lawrence Ruth A.; Breastfeeding a guide fort the medical profession; fifth edition, Page: 569

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Toxoplasmose:

Rein statistisch betrachtet, erleidet rund eine von 100 Schwangeren eine Erstinfektion mit

Toxoplasmose. Das Risiko einer Toxoplasmose-Übertragung auf das ungeborene Kind

besteht etwa ab der sechsten bis zehnten Schwangerschaftswoche. Davor ist die Plazenta

nicht durchlässig für die Parasiten. Kongenitale Infektionen gehen mit Fehlgeburten,

schweren Missbildungen und Erkrankungen des Ungeborenen einher.

Eine postnatale Infektion mit Toxoplasmose verläuft normalerweise asymptomatisch und

komplikationslos. Die Übertragung des Erregers über menschliche Milch konnte nicht

nachgewiesen werden, allerdings könnten entsprechende Antikörper in der Muttermilch

enthalten sein.42

EHEC – Enterohämorrhagische Escherichia coli

Das "Infant Risk Center" der "Texas Tech University School of Medicine" hat wichtige

Antworten zum Thema EHEC und Stillen:

"Wie allgemein auch bei anderen Durchfallerkrankungen wird auch bei einer EHEC-Infektion

stillenden Müttern geraten, weiter zu stillen. EHEC ist hochinfektiös und es gibt

Befürchtungen, dass das Baby sich durch die Muttermilch anstecken könnte. Muttermilch ist

nicht keimfrei, aber die meisten Bakterien stammen von der Mamille und der Areola, nicht

aus den Milchgängen. Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass bei guter Handhygiene E-

Coli Keime in die Muttermilch gelangen. Möglich ist es, dass die Keime auf der Brust oder an

den Händen der Mutter sind. Vor dem Stillen sollte die Mutter sich Hände und Brust

gründlich mit Wasser und Seife waschen. So kann die Übertragung von E-Coli von Mutter zu

Kind vermieden werden.

Shiga-Toxine, die der EHEC-Erreger produziert, haben ein relativ großes Molekulargewicht.

Sie sind zu groß, um die Zellwände der milchproduzierenden Zellen zu durchdringen.“43

Salmonellen

Auch bei einer an Salmonellen erkrankten Mutter wird empfohlen weiter zu stillen.44

42 Lawrence Ruth A.; Breastfeeding a guide fort the medical profession; fifth edition, Page: 607 - 608 43 http://www.hebammen-nrw.de/cms/aktuelles/meldungen/einzelansicht/datum////stillen-und-ehec/ 8.7. 2017 44 Lawrence Ruth A.; Breastfeeding a guide fort the medical profession; fifth edition, Page: 873

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Bei allen Lebensmittelinfektionen scheint der Infektionsweg über den Handkontakt

wesentlich wahrscheinlicher als eine Infektion über die Muttermilch!

5.1.3.4 Stillen trotz Umweltbelastung?

Muttermilch ist ein Bioindikator für die Belastung der Umwelt mit Schadstoffen, die sich in

fetthaltigen Medien anreichern (Fenton 2005). Muttermilchanalysen und öffentlicher Druck

haben dazu geführt, dass Maßnahmen ergriffen wurden, die Umwelt weniger zu belasten.

Die positiven Wirkungen des Stillens sind erwiesen. Es sind nur ausgesprochene

Umweltskandale oder individuelle Vergiftungen, die ein gestilltes Kind akut über die

Muttermilch gefährden. 45

5.1.4. Stillhindernisse in den offiziellen Ernährungsempfehlungen

für Schwangere und Stillende?

Einige wichtige Aussagen der offiziellen österreichischen Ernährungsempfehlungen für

Schwangere und Stillende wurden bereits besprochen. Wie weit stellen solche Aussagen nur

ein Stillhindernis dar bzw. welche Möglichkeiten einer Verbesserung gäbe es?

Nikotin und Alkohol

o Aussagen des AGES Fact-Sheets:

keinen Alkohol trinken und auch keine Speisen essen, die Alkohol

enthalten

nicht rauchen

o Die österreichische Ernährungspyramide für Schwangere und Stillende enthält

Piktogramme mit absolutem Rauch- und Trinkverbot

Natürlich müssen Eltern über potentielle Gesundheitsgefahren angemessen informiert

werden. Stillberaterinnen bemühen sich, wegen der nachgewiesenen Wichtigkeit gerade

für Kinder aus Raucherfamilien, deren Mütter zum Stillen zu motivieren. Die aktuellen

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Ernährungsempfehlungen und die aktuelle Ernährungspyramide für Schwangere und

Stillende behindern diese Bemühungen massiv. Auch Gesundheitsarbeiter welche sich

einerseits auf die öffentlichen Empfehlungen beziehen und sich andererseits der Risiken

des „Nicht-Stillens“ nicht bewusst sind, raten rauchenden Müttern häufig zum Abstillen.

Auch sollte ein gelegentlicher Alkoholgenuss kein Stillhindernis darstellen.

Positiv hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die Broschüre: Alkohol und

Rauchen in der Schwangerschaft. 46 Hier steht neben den entsprechenden Warnungen zu

lesen:

„Wenn Sie nicht ganz auf Zigaretten verzichten, ist Stillen trotzdem das Beste für

Ihr Baby, denn so bekommt es alle Abwehrstoffe, die es braucht.“

„Es gilt: Sehr wenig Alkohol ist wahrscheinlich nicht schädlich – kein Alkohol ist

besser.“

„Wenn Sie stillen und Alkohol trinken, …trinken Sie so wenig wie möglich.

…trinken Sie mindestens 3 Stunden vor dem Stillen keinen Alkohol.“

Solch eine Formulierung und den Austausch der Piktogramme auf die zuvor benutzten

striktes Alkoholverbot und Rauchverbot für Schwangere würde ich mir im Sinne der

„Stillförderung“ auch für die offiziellen Ernährungsempfehlungen wünschen.

45 Schäfer C., Spielmann H., Vetter K.; Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit 7. Auflage; 2006; Urban & Fischer Seite 741 - 742 46 Institut Sucht Prävention; Alkohol und Rauchen in der Schwangerschaft; 2. Auflage 2013

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Infektionen

o Aussagen des AGES Fact-Sheets:

keine Rohmilch trinken und keinen Rohmilchkäse essen (diese müssen

vor dem Verzehr gut durcherhitzt werden). Achten Sie auf die

Kennzeichnung „mit Rohmilch hergestellt“!

Lebensmittel wie Rohwurst, Fleisch, Fisch, Eier oder Meeresfrüchte

müssen gut durcherhitzt werden, bevor sie gegessen werden (das

heißt: kein Steak medium, kein Sushi, keine Salami ohne Erhitzen und

kein weiches Ei essen)

Tiefkühlbeeren und Sprossen nur gut durcherhitzt essen

keine geräucherten/gebeizten Fische essen (z.B. Räucherlachs, Graved

Lachs)

Mütter haben also die Wahl, entweder jahrelang (insbesondere bei mehreren

Schwangerschaften) auf jene Produkte vor denen in den Empfehlungen gewarnt wird zu

verzichten, die offiziellen Empfehlung einfach nicht zu beachten oder aber frühzeitig

abzustillen.

Wie aufgezeigt wurde, kann es in der Schwangerschaft zu schwerwiegenden

Beeinträchtigungen des Fötus kommen, während eine Übertragung der Keime über die

Muttermilch unwahrscheinlich ist.

Um die mütterliche Compliance mit den Ernährungsempfehlungen zu erhöhen und zeitgleich

die Stillförderung voranzutreiben würde ich mir wünschen getrennte Empfehlungen für

Schwangere und Stillende Mütter herauszugeben. Eine andere Möglichkeit wäre wie in der

Nachlese zum Ernährungsworkshop „Gesund essen von Anfang an“ von der OÖGKK deutlich

zu betonen: „Manche Ernährungsrisiken fallen [in der Stillzeit] jedoch weg: rohe und

halbrohe tierische Lebensmittel (z.B. weiches Ei, Steak medium) dürfen wieder auf den

Speiseplan.“47

47 OÖGKK Forum Gesund; Nachlese zum Ernährungsworkshop - Gesund essen von Anfang an

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Schadstoffe o Aussagen des AGES Fact-Sheets:

keine Innereien essen

Keine Raubfische wie Thunfisch, Schwertfisch, Heilbutt oder Hecht

essen.

keine Diäten zum Abnehmen machen, nicht fasten

Schadstoffe sind ein trauriges Kapitel unserer zivilisierten Welt. Vom Mutterleib an sammelt

der Mensch in seinen Fettdepots Schadstoffe, die ihn anfangs über den plazentaren Kreislauf

erreichen, später über die Atemwege, die Haut und die Verdauungsorgane. Viele Schadstoffe

werden lebenslang im Fettgewebe gespeichert und möglicherweise während der Stillzeit

mobilisiert.

Ein langfristiges Umdenken über die Verwendung schadstoffbelasteter Lebensmittel und

Kosmetika ist sicherlich ratsam (und zwar für stillende und nicht stillende Mütter, bzw.

eigentlich für alle Menschen), die Situation wird sich aber kurzfristig kaum verändern.

In Österreich hält sich üblicherweise der Fischverzehr in Grenzen. Eine Studie auf Färöer-

Inseln, wo der mütterliche Konsum von Grindwalfleisch und damit die Aufnahme von

Umwelt-Neurotoxicantien, wie Methylquecksilber, sehr hoch ist, konnte nachweisen, dass

Stillen offensichtlich die Nachteile der Schadstoffbelastung hinsichtlich der neurologischen

Entwicklung aufhebt. Die (mit schadstoffreicher Muttermilch) gestillten Kinder entwickelten

sich sogar rascher und besser als die nicht gestillten Kinder. 48

Normaler Fischkonsum (etwa 2-mal wöchentlich) und moderate Abmagerungsdiäten

(Gewichtsverlust von etwa 2 kg monatlich) sollten nicht zum Stillhindernis werden.

48 Grandjean P., Weihe P., With RF; Milestone development in infants exposed to methylmercury from human milk. 1995

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5.1.5. Mütter mit vermutetem oder tatsächlichem

Nährstoffmangel?

Eine besondere Herausforderung in der Beratung sind Mütter bei denen einen definitiver

Nährstoffmangel festgestellt wurde oder bei denen wir einen solchen vermuten könnten.

Zurzeit fehlen für solche Situationen entsprechende Handlungsempfehlungen.

Betroffen sind:

Mütter mit Resorptionsstörungen – z.B. Zöliakie, Morbus Chron

Mütter mit vergangener oder akuter Essstörung

Mütter mit extrem einseitiger Ernährung z.B. langfristige vegane Ernährung ohne

entsprechendes Ernährungswissen, ohne Kontrollen der Blutwerte und/oder ohne

entsprechende Substitution

In der Regel können und sollen wir auch diese Mütter zum Stillen ermutigen, allerdings sind

einige Vorsichtsmaßnahmen nötig.

Labortechnische Kontrolle der kritischen Nährstoffe bei Mutter und Kind

Engmaschige Gewichts- und Entwicklungskontrolle des Kindes

Und vor allem Substitution der kritischen Nährstoffe

Positiv anmerken möchte ich, dass viele Ernährungsempfehlungen des Fact Sheets sehr

praxisnah und verständlich gestaltet sind.

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5.2. Halboffizielle Ernährungsempfehlungen – Bücher

Viele Eltern suchen auch in anderen Quellen Rat. Tatsächlich finden sich in den

Buchhandlungen zahlreiche Bücher mit den unterschiedlichsten Ansätzen zur Ernährung im

Allgemeinen und in der Stillzeit im Besonderen.

Aus folgenden Büchern möchte ich in der Folge zitieren:

A - Mama Food - Die beste Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit49

B - Ernährung für dich & mich – Richtig essen in Schwangerschaft und Stillzeit50

C - Die 5-Elemente-Küche für Schwangere und Stillende 51

D - Richtig essen in Schwangerschaft und Stillzeit52

5.2.1. Irreführende Informationen zum Stillen:

Als IBCLC fallen mir natürlich jene Ratschläge, die sich direkt auf das Stillen beziehen, als

erstes auf. Erschreckenderweise gibt es in den aufgezählten Büchern zahlreiche irreführende

Informationen. Hier ist eine kleine Auswahl:

„Eine ausgewogene Ernährung und vor allem ausreichendes Trinken sind die

Grundlagen für die optimale Milchbildung.“ (A)

„Doch erst der optimale Nährstoffmix lässt die Milch richtig fließen.“ (A)

„An heißen Sommertagen, wenn Ihr Durstgefühl stärker ist und Sie mehr trinken,

wird Ihre Milch dünner. Auch Ihr Baby hat dann ebenfalls Durst, saugt länger und

nimmt somit automatisch mehr Flüssigkeit auf.“ (A)

„Beispielsweise fließt beim Anlegen zunächst nährstoffärmere Milch, die den Durst

des Säuglings stillt. Nach längerem Trinken folgt die fettreiche, in ihrer Konsistenz

fast cremige Hintermilch. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass sich Ihr Baby

immer in Ruhe und ungestört satt und jede Brust leer trinken kann. Nur so bekommt

es die nährende und sättigende Milch. Das kann durchaus 15–20 Minuten dauern.

Mit Bäuerchen machen und Wickeln kann eine Stillmahlzeit somit fast eine Stunde

49 Iburg Anne; Mam Food - Die beste Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit; 2014; Trias Verlag 50 Stadelmann Natalie; Ernährung für dich & Mich – Richtig essen in Schwangerschaft und Stillzeit; 2014; Südwest Verlag 51 Nichterl Claudia Dr.; Die 5-Elemente-Küche für Schwangere und Stillende; 2009; av Buch

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dauern. Danach vergehen meist 2–4 Stunden, bis sich Ihr Säugling erneut hungrig

meldet.“ (B)

„Innerhalb der ersten Wochen pendelt sich der Stillrhythmus bei Mutter und Kind

ein. Die Verdauungsorgane brauchen Zeit zum Arbeiten, damit die Nahrung optimal

transformiert und umgewandelt werden kann. Trinkt das Kind zu viel oder zu häufig,

dann kann es zu Nahrungsstagnation und Verdauungsstörungen kommen. Um die

Milz und den noch unreifen Verdauungstrakt nicht zu überfordern, sind daher

maximal sieben Brustmahlzeiten in 24 Stunden empfehlenswert. Dies sollte sich zum

sechsten Lebensmonat hin auf etwa fünf Mal reduzieren.“ (C)

„Ein Mangel an Milch kann durch äußere und innere Kälte verursacht werden.

Thermisch kalte Nahrungsmittel (Südfrüchte, Milchprodukte), ein Übermaß an

Rohkost und Eisgekühltem hemmt die Milchbildung und führt zur Stagnation.“ (C)

„Trotzdem ist ein Stillabstand von 2–3 Stunden sinnvoll, damit sich bei Ihnen wieder

Milch bilden kann und Ihr Baby Zeit zum Verdauen hat.“ (D)

„Solange die Windel in 24 Stunden etwa 6-mal nass ist und Ihr Baby alle paar Tage

Stuhlgang hat, ist alles in Ordnung.“ (D)

Durchschlafen – „Wenn Ihr Baby tagsüber genug trinkt, frische Luft und Ablenkung

hat, dann kann es auch mit Muttermilch 5–6 Stunden durchhalten.“ (D)

Milchvorrat – „Muttermilch bleibt gut verschlossen im Kühlschrank 2–3 Tage frisch, tiefgefroren bis zu 2 Monate.“

Korrekt sollten die Informationen so lauten:

Die wichtigste Maßnahme, um die Milchbildung in Gang zu bringen, ist häufiges und

korrektes Anlegen. Im Durchschnitt müssen Stillkinder 8–12-mal in 24 Stunden gestillt

werden, um adäquat zu gedeihen und die Milchproduktion aufrecht zu erhalten.53

Während der Phasen des Clusterfeedings stillen viele Kinder viertelstündlich.

Muttermilch ist rasch verdaut und passiert zu einem Großteil innerhalb von 15–20

Minuten den Magen.

52 von Cramm Dagmar – Richtig essen in Schwangerschaft und Stillzeit; 8. Auflage; 2017 GU Verlag 53 WHO Multicenter Growth Reference Study Group; 2006

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Die Brust wiederum hat nur sehr geringe Speicherkapazitäten, der Großteil der Milch wird

während der Stillmahlzeit gebildet. Je leerer die Brust, desto höher ist die Rate der

Milchsynthese, d.h. umso schneller wird Milch gebildet.54

Die Zusammensetzung der Milch variiert sogar innerhalb einer Stillmahlzeit. An heißen Tagen

trinken Babys im Normalfall häufige und kleine Mahlzeiten. So komponieren sie eine Milch,

die etwas weniger Fett enthält und damit durstlöschender ist. Durch vermehrte

Flüssigkeitsaufnahme der Mutter lässt sich die Zusammensetzung der Muttermilch nicht

verändern.

In den ersten 4 bis 6 Wochen sollten Babys 4-mal und mehr pro Tag Stuhlgang haben,

seltener Stuhlgang in diesen ersten Wochen ist ein Hinweis auf insuffizienten Milchtransfer!

Erst nach der 4. – 6. Lebenswoche reicht ein Stuhlgang alle paar Tage aus.

Auch wenn fallweise Babys mal etwas länger schlafen, ist mehrmaliges nächtliches

Aufwachen und Stillen auch in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres noch völlig

normal. Durchschlafen sollte nicht forciert werden.

Bei ununterbrochen gekühlter Lagerung bei etwa 5°C und einem gesunden, reif geborenen

Kind kann Muttermilch im häuslichen Kühlschrank 5–8 Tage und im Tiefkühler bis zu 6

Monate gelagert werden.

5.2.2. Ernährungsempfehlungen:

In den Büchern finden sich natürlich auch gezielte Ernährungsempfehlungen für die stillende

Frau:

„Die richtige Fettsäurezusammensetzung und der optimale Vitamingehalt werden

direkt über Ihre Ernährung bestimmt.“ (A)

„Ihre Energieversorgung ist dann optimal, wenn Sie Ihr Gewicht halten bzw. ½ kg im

Monat abnehmen.“ (A)

„Bevorzugen Sie Bio-Produkte und essen Sie wenig Fleisch“ (Thema Schadstoffe). (A)

„Die gute Nachricht vorweg: Jetzt ist wieder viel erlaubt, was in der Schwangerschaft

verboten war. Genießen Sie nach Herzenslaune Rohmilchkäse und Sushi, denn

Toxoplasmose, Listeriose und Salmonellen werden nicht über die Muttermilch

übertragen.“ (A)

54 Daly S.; The determination of short-term breast volume changes and the rate of synthesis of human milk using computerized breast measurement. 1992

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Korrekte Ernährungsempfehlungen, aber auch einige interessante Ideen sind in allen

Büchern enthalten. Da es sich bei den Käuferinnen dieser Bücher um ein interessiertes

Publikum handelt, ist der Hinweis auf Bioqualität und hochwertige Fette durchaus

angebracht. In der Beratung von Müttern aus bildungsfernen Schichten sind dies sicherlich

nicht die vorrangigen Informationen, die das Stillen fördern würden.

5.2.3. Ernährungseinschränkungen:

„Grundsätzlich dürfen Sie jedes Gemüse essen. Jedoch verursachen einige

Gemüsesorten nicht nur Blähungen bei Ihnen, sondern auch bei Ihrem Säugling. Auf

Gemüsesorten wie Zwiebel, Knoblauch, Hülsenfrüchte, Kohl und Paprika reagieren

viele Menschen auf diese Weise.“ (A)

„Einige Babys reagieren auf Fruchtsäuren, insbesondere auf Zitronensäure mit einem

wunden Po. Daher sollten Sie bei Zitrusfrüchten Vorsicht walten lassen. Auch Mamas

Appetit auf Erdbeeren oder Kiwis kann zu Hautirritationen bei Stillkindern führen.“

(A)

„Problematische Lebensmittel sind: Exotische und säurereiche Früchte wie Kiwis,

Ananas, Zitrusfrüchte; säurehaltige Getränke wie Früchtetee und säuerliches Gemüse

wie Tomaten; scharfe Gewürze wie Chili, Tabasco und Pfeffer; Lauch, Zwiebeln,

Knoblauch, Hülsenfrüchte, Kohlsorten, Zwetschgen, Hefeteig, reifer Käse; Spargel,

Knoblauch und scharfe Gewürze z.B. Curry, verändern den Geschmack der

Muttermilch. Neben den genannten individuell verträglichen Lebensmitteln gibt es

einige, auf die Sie während der Stillzeit zugunsten Ihres Babys verzichten sollten.

Alkohol (wird in kleinen Mengen direkt nach der Stillmahlzeit erlaubt). Vor Koffein

und koffeinähnlichen Substanzen aus Schwarz-, Grün- oder Matetee, aus

Colagetränken, Kakao in der Schokolade wird gewarnt. Langlebige Raubfische und

Innereien sollten wegen der Schadstoffbelastung nicht gegessen werden.“ (B)

„Blähungen können auch durch blähende Bestandteile der Mutternahrung ausgelöst

werden. Um eine Überforderung des noch nicht ausgereiften Verdauungstrakts des

Kindes zu vermeiden, wird Müttern häufig empfohlen, auf blähende Lebensmittel zu

verzichten. Wissenschaftlich ist kein direkter Zusammenhang nachweisbar, wohl

auch, weil jede Frau und jedes Kind anders reagieren. Bekanntermaßen ungünstig

wirken sich zu große Mengen an Milchprodukten und Käse aus.“ (C)

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„Andere blähende Zutaten sind Kohlgemüse (Brokkoli, Karfiol, Kohlsprossen,

Weißkraut, Rotkraut) und Lauchgemüse (Zwiebel, Knoblauch). Auch Vollkorngetreide

mit dicken Schalen und im Ganzen (Dinkel, Grünkern, Roggen, Weizen, Hafer),

Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Soja), frisches Brot, kohlesäurehaltige Getränke

(Mineralwasser, Cola, Limonaden), Nüsse, Schokolade, Pilze oder Rohkost können

Blähungen verursachen“ [Anmerkung Autor – gemeint sind Blähungen beim Kind] (C)

Blähungen: „Auslöser können Hülsenfrüchte; Kohl, Knoblauch und Zwiebeln sein,

auch Vollkorn in Verbindung mit Zucker“. (D)

In allen Büchern wird dem Thema Blähungen und Vermeidung blähender Speisen ein großer

Raum gewidmet. Zwar wird zum Teil erwähnt, dass der wissenschaftliche Beweis aussteht,

und dann wird aber doch eine lange Liste an problematischen oder verbotenen

Lebensmitteln aufgezählt.

5.2.4. Stillhindernisse Bücher?

Es ist erschreckend, wie leichtfertig in den erwähnten Büchern Falschinformationen zum

Stillen verbreitet werden, die das Stillen erheblich stören können, vielleicht sogar gefährlich

werden könnten (z.B. Gedeihen des Kindes). Auch wenn die Autorinnen keine

Stillberaterinnen sind – für die Mütter sind sie Fachpersonen, auf die sie sich verlassen.

CAVE - Mangelnde Gewichtsentwicklung und zu geringe Milchproduktion durch mehr

oder weniger empfohlene Stillabstände bzw. die Behauptung, die Ernährung der

Mutter sei hauptverantwortlich für Milchmenge und Milchfluss.

CAVE - Übersehen des zu seltenen Stuhlverhaltens und damit eines offensichtlichen

Milchmangels in den ersten Lebenswochen,…

Offenbar ist den Autorinnen nicht bewusst, welchen Schaden schlecht recherchierte

Aussagen anrichten und wo sie fundierte wissenschaftliche Fakten zum Stillen und der

Laktationsmedizin einholen können.

Eine positive Ausnahme ist das Buch „Essen und Trinken – Kinderwunsch, Schwangerschaft

und Stillzeit“55 – hier finden sich zum Thema Stillen tatsächlich korrekte Informationen.

Über das Thema blähende Speisen mehr im Kapitel 6.3 „…aus der Sicht des

Ernährungstrainings“.

55 Hanreich Ingeborg Mag.; Essen und Trinken – Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit, 1. Auflage, 2006

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5.3. Das Internet Fluch und Segen:

In einer Generation der „digital natives“ spielt Internet eine wesentliche Hauptrolle beim

Einholen von Informationen. Während dem Stillen, noch im Krankenhaus ja sogar noch im

Kreissaal wird mit dem Handy gesurft, scheinbar praktische Tipps und Apps zum Thema

Stillen runtergeladen,…

Dass es hier zahlreiche problematische oder falsche Aussagen gibt scheint zwar jedem

bewusst zu sein. Leider verfehlen sie trotzdem nicht ihre negative Wirkung.

5.3.1. Empfehlungen die Mütter vom Stillen abschrecken könnten:

http://www.familienkost.de/ernaehrunginderstillzeit.php56

www.milupa.de57 „Gesund essen in der Stillzeit – Für Sie und Ihr Baby! Wenn Sie stillen, wird ein Großteil der Nährstoffe, die Sie mit der Nahrung aufnehmen für die Bildung der Muttermilch verwendet, um Ihr Baby mit allen wichtigen Vitaminen und Mineralien zu versorgen, die es braucht.“

56 http://www.familienkost.de/ernaehrunginderstillzeit.php 57 www.milupa.de

Auch wenn sich Mama von allen berüchtigten blähenden Lebensmitteln fern hält, ist das leider keine Garantie dafür, dass das Baby von Blähungen verschont bleibt. Manchmal tauchen sie einfach so auf ohne in einem Zusammenhang zur Ernährung der Mutter zu stehen.

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http://www.babysmiles.com.au/

Abbildung 8: Verbotene und erlaubte Lebensmittel in der Stillzeit58

Nestle-sponsored paediatric society shocks breastfeeding mothers with Brazilian first 1000

days campaign according to report in the Daily Mail59

Abbildung 10: Your child is what you eat.

58 http://www.babysmiles.com.au/ 59 http://www.babymilkaction.org/archives/8683

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5.3.2. Positive Beispiele

Neben sehr viel Blödsinn finden sich im Internet auch sehr kompetente und hilfreiche Seiten, die gute Stillinformationen und Ernährungstipps für stillende Frauen anbieten. Es wäre zu aufwendig, hier all diese Seiten zu zitieren, daher nur kleine Auswahl (recherchiert am 9.7. 2017): www.still-lexikon.de – sehr gutes und evidenzbasiertes Stichwortverzeichnis zum Thema Stillen 60 www.stillkinder.de - hier findet sich unter anderem ein Beitrag zum Thema Essstörungen und Stillen.61 www.vonguteneltern.de – guter Blogbeitrag zum Thema Ernährung mit dem Titel: „Die perlende Muttermilch und andere Milchmärchen…“62

http://www.babymilkaction.org/archives/868363

60 www.still-lexikon.de; 9.7. 2017 61 www.stillkinder.de; 9.7. 2017 62 www.vonguteneltern.de ; 9.7. 2017 63 http://www.babymilkaction.org/archives/8683

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5.4. Ernährungsempfehlungen in verschiedenen Kulturen:

Mütter aller Kulturen werden mit diversen Ernährungsempfehlungen konfrontiert, passend zum Thema dieser Arbeit interessieren mich natürlich auch solche Ernährungsempfehlungen und mit Hilfe von Kolleginnen aus unterschiedlichen Ländern konnte ich auch Informationen dazu sammeln. Nur einige dieser Empfehlungen werden uns in der Beratung von Migrantinnen auch begegnen. Australien – Weiße Bevölkerung 64

In Australien denkt man, dass blähende Speisen wie Broccoli und Kraut, „das Kind bläht“ und

unruhig macht. Mütter werden ermuntert in der Schwangerschaft Vitamine einzunehmen

und gut zu essen, vermieden werden sollen in der Schwangerschaft weicher Käse und

Salami. (Risiko einer Listerieninfektion)

Japan65

In Japan denkt man, dass traditionelles Essen das Beste ist und zwar in der Schwangerschaft

und während der Stillzeit: Miso Suppe, Fisch, Reis, Hijiki (Seetang) für das Eisen und

Essiggurken. Wenn das Baby unruhig ist, denken die Mütter sofort, sie hätten nicht genug

Milch und müssten künstliche Säuglingsnahrung geben.

Die Japaner glauben, dass das Kind „japanisch“ wird durch japanisches Essen. Außerdem

sollen die Japanerinnen in einer sehr unbequemen knienden Position stillen. Einige Mütter

glauben, dass ihr Leiden (beim Stillen) dem Kind beibringt, ebenso zu leiden, um so richtig

japanisch zu sein.

China66

Aufgrund des labilen Zustands der Mutter in den ersten Wochen nach der Geburt stellte die

TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) Verhaltens- und Ernährungsrichtlinien auf, die die

Mutter zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit zu befolgen hatte. So durfte die Frau das

Haus nicht verlassen, sich nicht baden, nicht die Haare waschen oder die Zähne putzen.

Generell war ihre Ernährung auf warme Speisen wie Fleisch, Eier, und Suppe beschränkt, da

es galt, sie möglichst vor den negativen Folgen der kalten Speisen, wie Obst und Gemüse, zu

bewahren. Jedoch beginnen die Chinesinnen, die alten Tabus mehr und mehr in Frage zu

64 Macnab Iona, IBCLC aus Australien – persönliche Information 65 Macnab Iona, IBCLC verheiratet mit einem Japaner und hat jahrelang in Japan gelebt – persönliche Information

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stellen. Denn um die Gesundheit der Mutter und damit des gestillten Kindes nicht zu

gefährden, standen mitunter mittelalterlich anmutende Praktiken an der Tagesordnung. Die

Wöchnerin durfte keine Milch oder Wasser innerhalb der ersten zwei Wochen nach der

Niederkunft trinken, stattdessen nur Reiswein. Salz war verboten, sie durfte keine Sandalen

tragen und um einen Spalt zwischen ihrem Rücken und der Lehne eines Stuhles im Sitzen zu

vermeiden, war ein Kissen Pflicht. Auch Weinen war Tabu.

Indien67 (Interviews mit Frauen aus diesen Ländern)

Im 2.–3. Schwangerschaftsmonat essen Inderinnen nur wenig Zucker, da er das Kind

schädigen könnte – z.B. werden Missbildungen befürchtet

Sie ernähren sich von Früchten und frischem Gemüse.

Was sie auf alle Fälle meiden, sind Papayas, diese könnten zu Aborten führen. Dies ist die

einzige verbotene Frucht. Auf Schmerzmittel wird während der gesamten Schwangerschaft

konsequent verzichtet. Heiße Speisen können das ungeborene Kind schädigen, daher

werden Speisen lauwarm gegessen. Am ersten Tag nach der Geburt werden 3 Mahlzeiten

eingenommen. Diese müssen leicht verdaulich und klein portioniert sein. Dies gilt bis zu 5

Tagen nach der Geburt. Ab dem 6. Tag gibt es leichte Kost und die Portionen werden

langsam gesteigert.

Abbildung 11: Stillinitiative UNICEF

66 Cramer Annika; Zitiert aus dem Artikel Stllen in China – Laktation und Stillen 2/2015 67 Winderl Katharina ; Interkulturelle Aspekte von Mutterschaft und Stillzeit, Facharbeit 2016

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Ägypten68 (Interviews mit Frauen)

In der Stillzeit trinken die Mütter viel Orangensaft, Wasser aber wird vermieden, weil es die

Muttermilch angeblich verdünnen kann. Viele Frauen nehmen zusätzlich für die Steigerung

der Muttermilch 3-mal täglich das sogenannte „Moghart“ zu sich. „Moghart“ ist ein

Stärkungsmittel. Es besteht aus Moghartpulver, Butter, Wasser und Zucker. Die meisten

Frauen essen dieses Moghart die ersten 40 Tage nach der Geburt. Die ersten 7 Tage essen

sie auch vorwiegend Suppe, da diese leichtverdaulich ist und der Mutter Kraft gibt.

Irak/Bagdad - Mandäer69 (Interviews mit Frauen)

In der Schwangerschaft sind Schweinefleisch und rohes Fleisch tabu. Allerdings werden für

eine gute Milchbildung viel Milch und Milchprodukte konsumiert. Zur Geburt wird als

religiöser Ritus ein Schaf geschlachtet. Die Leber wird gegrillt und der Mutter als wichtige

Mahlzeit serviert, damit sie lange ihr Kind Stillen kann.

Türkei70 – (Interviews mit Frauen)

In der Schwangerschaft wird kein Fleisch gegessen, sondern nur Fisch und viel vitaminreiche

Kost. Wichtig ist vor allem, keine „lebendige“ Speise in der Schwangerschaft zu essen. Der

Grund besteht darin, dass das Kind „heilig“ im mütterlichen Leib heranwächst, so wird es

dann auch leben nach der Geburt!

Während des Ramadan braucht die schwangere (und stillende) Frau nicht zu fasten. Nach

der Entbindung darf die Mutter wählen, wann sie das Fasten nachholt mit Abstimmung ihres

Ehemannes. Der Ramadan dauert 30 Tage. Die Mutter fastet zu Hause und liest den Koran,

sie braucht aber nicht die Moschee zu besuchen, da sie sich um ihr Kind kümmert.

In der Stillzeit darf die Frau kein „fremdes“ Fleisch zu sich nehmen, sondern nur selbst

zubereitetes, d.h. „Helal“ mit Gebet geschnitten. Dieses Fleisch gibt es nur im türkischen

Geschäft, dadurch ist garantiert, dass es „Helal“ geschnitten ist.

68 Winderl Katharina ; Interkulturelle Aspekte von Mutterschaft und Stillzeit, Facharbeit 2016 69 Winderl Katharina ; Interkulturelle Aspekte von Mutterschaft und Stillzeit, Facharbeit 2016 70 Winderl Katharina ; Interkulturelle Aspekte von Mutterschaft und Stillzeit, Facharbeit 2016

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6. Der unruhige Säugling, high-need Baby, 24-Stunden Baby, Schreibaby, (Drei Monats-) Koliken,…

Wenn Babys weinen werden Mütter bald gefragt: „Was hast du denn falsches gegessen!“

Wenn ich schwangere Frauen fragen was sie denn schon über das Stillen gehört haben

kommt mit ziemlicher Sicherheit unter anderem auch die Antwort, dass die Mütter auf

keinen Fall blähenden Speisen essen dürfen. Grund genug sich in einer Arbeit rund um die

Ernährung der stillenden Mutter auch dem Thema Säuglingsunruhe zu widmen.

Babys können sich noch nicht mit Worten mitteilen. Wenn sie etwas brauchen, weinen sie –

das weiß jedes Kind!

Und doch stellen sich viele Eltern irgendwann die Frage: „Was hat unser Kind bloß? Die

Windel ist gewechselt, der Magen ist gefüllt, ihm kann unmöglich zu heiß oder zu kalt sein,

der Arzt meint das Kind ist gesund und trotzdem kommt es einfach nicht zur Ruhe.“

Solche unruhigen Kinder können herzzerreißend weinen, brauchen ständig die Brust, müssen

permanent beschäftigt werden oder schlafen scheinbar fast überhaupt nicht. In jedem Fall

wirken die Kinder meist unglücklich und bringen ihre Eltern zur Verzweiflung! Bei den

meisten Kindern gibt es hin und wieder solche „Phasen“. Wenn diese „Phase“ jedoch länger

dauert, beginnt eine Spirale der Verzweiflung und der Unruhe. 71

Begriffe für diese Phänomene gibt es wie in der Kapitelüberschrift ersichtlich viele, sie

beschreiben in der Regel einen Formenkreis aus unstillbarem Schreien, Schlafstörungen,

Nahrungsverweigerung, chronischer Unzufriedenheit und Misslaunigkeit, permanentes

Fordern von Aufmerksamkeit, Überforderung und Anspannung der Eltern ohne leicht

ersichtlichen körperlichen Grund.

6.1. …aus Sicht der Stillberatung:

Einer der häufigsten Annahmen, welche die stillenden Mütter in solch einer Situation

verunsichern, ist die Behauptung, dass Muttermilch und ihre Inhaltsstoffe Auslöser der

Unruhe-Attacken, beziehungsweise des nächtlichen Erwachens seien, dazu kommen dann

oft restriktive Ernährungseinschränkungen. Für manch eine Mutter sind diese Aussagen ein

71 Hemmelmayr Andrea; Untröstliche Babys – Handout; 2007

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Grund, das Stillen frühzeitig zu beenden, um ihrem Kind besser helfen zu können. Leider

wird gerade in solchen Situationen oft unterschätzt, wie wertvoll Stillen insbesondere beim

unruhigen und fordernden Kind ist. Um deutlich zu machen wie wichtig, wie vielfältig und

wie dringend (auch im zeitlichen Ablauf) professionelle Stillberatung im Zusammenhang mit

der kindlichen Unruhe ist behandle ich diese Thematik – „aus Sicht der Stillberatung“ etwas

ausführlicher.

6.1.1. So unterstützt Stillen beim unruhigen Kind 72

Rasche Bedürfnisbefriedigung – bei Hunger, Durst, Bedürfnis nach Nähe.

Vorausgesetzt, die Mutter nutzt die frühen Fütterungssignale und wird nicht

angeleitet, Stillen in irgendeiner Form hinauszuzögern.

Häufige kleine Mahlzeiten schützen von Magenüberdehnung und dem daraus

folgenden Vagusreiz.

Muttermilch ist leicht verdaulich, fördert den Aufbau einer gesunden Darmflora und

die Reifung der Darmschleimhaut.

Das beim Stillen ausgeschüttete Hormon Oxytocin unterstützt die Mutter – es wirkt

antidepressiv und beruhigend, es reduziert Ängstlichkeit und Stress, aktiviert den

Magen-Darm-Trakt und induziert mütterliches Verhalten

Das beim Stillen ausgeschüttete Hormon Oxytocin unterstützt das Kind – es wirkt

beruhigend, entspannend, angstlösend, stressreduzierend, fördert die Interaktion mit

der Mutter und sein Explorationsverhalten, erhöht die Schmerzschwelle, erleichtert

die Verdauung und verbessert die Aufnahme von Nährstoffen.

Das korrekte Saugen beim Stillen hat eine ausgleichende Wirkung auf Knochen und

Gewebe des Kopfes. Z.B. wird ein wichtiger Stimulationspunkt in der Ostheopathie

(am Gaumendach) bei jedem Stillen ganz automatisch angeregt.

Stillen unterstützt die vegetative Selbstregulierung und stärkt die Mutter-Kind-

Bindung

Sind möglichen Anfangsschwierigkeiten erst überwunden, kann Stillen die

Selbstwirksamkeit der Mutter stärken.

Stillen ist Infektions- und Krankheitsprophylaxe.

72 Hemmelmayr Andrea; Kompetenz der IBCLC am Beispiel Säuglingsunruhe; Vortrag ; Linz 2015

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6.1.2. Welche Fragen stellt sich die Stillberaterin, IBCLC?

Bei Problemen, ebenso wie beim unruhigen Kind, ist es wichtig zeitnah eine Stillberatung

beizuziehen. Die hormonelle Situation verändert sich in wenigen Tagen. Hat die Mutter erst

mal abgestillt, ist eine Rückkehr zum Stillen nur sehr mühsam zu bewerkstelligen.

6.1.2.1 Erkennt die Mutter die frühen Stillzeichen und die Sättigungszeichen…

..und reagiert sie vor allem adäquat darauf?

Die meisten Babys zeigen bereits im Leichtschlaf die frühen Stillzeichen wie:

Hände zum Mund führen

Suchbewegungen

Schmatz- und Sauggeräusche und -bewegungen

allgemeine Unruhe

Weinen ist ein sehr spätes Fütterungszeichen, vermutlich wurden zuvor alle

anderen Signale, die das Kind ausgesandt hat, übersehen. Zudem ist es wesentlich

schwieriger, ein weinendes Kind anzulegen. 73

Alle diese Zeichen haben Babys natürlich auch im Wachzustand. Je früher man auf diese

Signale des Kindes eingeht, desto besser kann sich das Stillen etablieren, desto zufriedener

und gelassener reagieren Babys. Reagieren Eltern nur zögerlich oder gar nicht auf diese

Signale, werden Kinder immer lauter und fordernder und beginnen oft schon präventiv

frühzeitig zu quengeln. Vielfach können Babys, die nicht gehört werden, sich zwischen den

Stillmahlzeiten gar nicht mehr richtig entspannen.

Häufig entspricht das Trinkverhalten der Kinder nicht (mehr) den Erwartungen der Mütter.

Vielleicht hat das Baby einfach gelernt, effektiver und schneller zu trinken oder es hatte von

Anfang an kürzer, öfter, seltener oder zu anderen Zeiten getrunken, als die Eltern dies

erwarten. Die Mütter achten oft auf vorgegebene Zeiten und übersehen dadurch die

Sättigungszeichen der Kinder. So können Anlegeversuche für beide Seiten sehr frustrierend

werden, die Kinder werden dabei als unzufrieden und unruhig beschrieben. Mütter

entwickeln trotz ausreichender Gewichtszunahme oft massive Ängste, dass ihr Kind nicht

73 Hemmelmayr Andrea; Stillen – so funktioniert´s – Handout; Dez. 2015

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mehr ausreichend versorgt wird – weil es nicht die erwarteten 20 Minuten an der Brust

bleibt.

6.1.2.2 Reichen die Kalorien?

Ob die kindliche Unruhe mit Hunger bzw. Kalorienmangel zusammenhängen könnte, lässt

sich sehr einfach durch Gewichtskontrolle und entsprechende Dokumentation in den WHO-

Perzentilenkurven überprüfen.

Die WHO Perzentilenkurven finden Sie unter:

http://www.who.int/childgrowth/standards/en/74 oder Dokumentationssoftware STILLDOK

von Márta Guóth-Gumberger75. Ab Herbst 2017 stellt der VSLÖ (Verband der

österreichischen Laktationsberaterinnen) in Zusammenarbeit mit den Kinderärzten einen

„Entwicklungskalender“ zur Verfügung in dem Eltern und Betreuer auch die WHO Perzentile

für die ersten 6 Lebensmonate finden.

Ursachen für unzureichende Milchbildung oder eine zu geringe Gewichtszunahme 76

Auf der Seite der Mutter kann eine nicht ausreichende Milchbildung vorliegen oder der

Milchspendereflex beeinträchtigt sein. Aber auch das Gegenteil – zu viel Milch – kann zu

Problemen beim Gewichtsverlauf und der entsprechenden Säuglingsunruhe führen.

Unzureichende Milchbildung: zu seltene oder zu kurze Stillmahlzeiten, ungeeignete

Stillposition oder Anlegetechnik, zu volle Brust, Trennung von Mutter und Kind,

Stillhütchen ohne Indikation bzw. falsche Verwendung des Hütchens,

Schilddrüsenunter- und Schilddrüsenüberfunktion, Brustoperation, Medikamente,

die die Milchbildung beeinträchtigen, hoher Blutverlust bei der Geburt, Anämie,

Plazenta-Retention, Hypophysenerkrankungen, selten zu wenig Drüsengewebe,

erneute Schwangerschaft, Verletzungen oder Operationen der Brust oder der

Wirbelsäule, Ödeme, Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, Beeinträchtigung des

Hormonhaushaltes, schwere chronische Erkrankungen, Essstörungen, körperlicher

und psychischer Stress z.B. Krankheit, Übermüdung, Milchstau,…

74 http://www.who.int/childgrowth/standards/en/ 75 Guóth-Gumberger Márta; Gewichtsverlauf und Stillen; Dokumentieren, Beurteilen, Begleiten, Mabuseverlag; 2011 76 Guóth-Gumberger Márta; Gewichtsverlauf und Stillen; Dokumentieren, Beurteilen, Begleiten, Mabuseverlag; 2011; Seite 74 - 77

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Beeinträchtigung des Milchspendereflexes: Hypophysenerkrankung, Brustoperation,

Schmerzen – z.B. wunde Mamillen, Vasospasmus, Wundschmerz nach Sectio;

Rauchen, Alkohol, psychische Probleme

Zu viel Milch, zu schneller Fluss normalerweise gedeihen diese Kinder gut, in einigen

Fällen erreichen die Kinder aber zu wenig der fettreichen Hintermilch.

Die Ursachen können auch beim Kind liegen. Das Saugverhalten kann beeinträchtigt sein, das

Kind kann vielleicht die Nahrung nicht angemessen verwerten oder es hat einen erhöhten

Energiebedarf.

Unzureichendes Saugverhalten: Verändertes Saugverhalten (falsche Gewohnheit z.B.

durch artifizielle Sauger), Brust nicht korrekt erfasst, Schwächung durch

Kalorienmangel, mütterliche Behandlung mit Analgetika oder Anästhetika während

der Geburt, Unterbrechung des Bondings und Trennung von Mutter und Kind,

mangelnde Unterstützung und nicht optimales Stillmanagement in den ersten Tagen,

Tee- oder Glucosegaben, unbedachtes Fläschchen, Frühgeburt, geringes

Geburtsgewicht, Neugeborenenikterus, Infektionen, Hypo- oder Hypertonie,

Störungen des zentralen und peripheren Nervensystems, Herzfehler,

Stoffwechselerkrankungen, Reflux, Allergien, Geburtstrauma, schwere Erkrankungen

oder Syndrome, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, zu kurzes Zungenband, hoher

Gaumen, fliehendes Kinn,…

Geringe Nahrungsverwertung: Gastrointestinale Erkrankungen, Malabsorption,

Infektion

Erhöhter Energiebedarf: z.B. angeborene Herzerkrankung, Mangelgeburt mit

Aufholbedarf, kindliche Unruhe,…

6.1.2.3 Gibt es Probleme im Stillmanagement?77

• Wird rechtzeitig und oft genug angelegt? – siehe frühe Stillzeichen

• Saugt das Kind auch an Schnuller oder Flaschensauger: Frühes (unnötiges) Zufüttern

sowie der frühzeitige Einsatz von Beruhigungssaugern stehen in Zusammenhang mit

77 Mohrbach Nancy, Stock Julie; Handbuch für die Stillberatung; [Breastfeeding Answer Book – deutsch]; La Leche Liga; 1. Auflage 2000; Seite 112 - 154

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einem erhöhten Risiko für vorzeitiges Abstillen. Die Problematik des veränderten

Saugverhaltens zeigt sich häufig zuerst mit Säuglingsunruhe und Brustverweigerung.

• Milchspendereflex und Milchangebot: Während der ersten drei Monate kann ein

Baby, das Probleme mit dem starken Milchspendereflex seiner Mutter hat,

Symptome von Koliken zeigen. Ist der Stuhl eines Babys andauernd schaumig, grün

und wässrig, nimmt das Baby dabei nicht gut zu und weint es häufig, obwohl die

Mutter eher zu viel Milch bildet, kann das ein Zeichen dafür sein, dass das Baby viel

von der laktosereichen Vordermilch und nicht genügend von der fett- und

kalorienreichen Hintermilch erhält. Häufig gehen ein starker Milchspendereflex und

ein Überangebot an Milch Hand in Hand.

• Stillhaltung und Anlegetechnik: Das Kind so an die Brust zu legen, dass es effektiv

und zufrieden saugen kann, müssen die meisten Frauen erst lernen. Erschwert

werden kann dies durch mütterliche Anspannung und Haltungsprobleme, durch

ungewöhnliche Mamillenform und durch eine pralle Brust z.B. beim Milcheinschuss.

Von Seiten des Kindes können Geburtsverletzungen, oder andere anatomische

Probleme z.B. Zungenband, oder Hüftschienen, das korrekte Saugen erschweren. Die

ist einerseits sowohl für Mütter als auch für Kinder frustrierend. Außerdem schlucken

Kinder, die das Vakuum nicht effektiv halten können, vermehrt Luft.

• Schmerzen: zum Beispiel durch Infektionen im Mund, oder HNO-Bereich z.B. Soor

oder Otitis media. Auch ein Refluxgeschehen kann schmerzhaft sein.

6.1.2.4 Lebensmittelunverträglichkeiten

Reaktionen auf Lebensmittel in der mütterlichen Ernährung sind für die Stillberaterin ein

wichtiges Thema. Genauer darauf eingehen möchte ich im Kapitel 6.3 „… aus der Sicht des

Ernährungstrainings“

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6.2. …aus Sicht der Emotionellen Ersten Hilfe:

Beginnt das Baby zu weinen, weil seine Bedürfnisse dingend werden, reagieren die Mutter

oder der Vater mit ziemlicher Sicherheit. So hat das Weinen seinen Platz in der

Kommunikation zwischen Eltern und Kind und dient als Alarmsignal.

Weint das Kind mehr als erwartet oder sind die Eltern durch Unsicherheit in ihrer

Aufnahmefähigkeit der kindlichen Signale eingeschränkt, entsteht Stress. Dies verhindert ein

tieferes Verständnis des Kindes und seiner Körpersprache. Da nur selten äußere Ursachen

für das exzessive Weinen gefunden werden, steigert sich die ängstliche Erwartungshaltung

noch mehr, die Anspannung wächst. Das Baby spürt körperlich, dass die Mutter nicht in sich

ruht, dabei kommt das Kind nicht mehr aus seinem Anspannungszustand heraus. Die

anhaltende Sympathikus-Aktivierung des Säuglings zeigt sich in längeren Schreiphasen. 78

Es gibt viele Auslöser für das Weinen eines Babys, einige der wichtigsten Gründe sind:79

• Vorgeburtliche Verletzungen und Geburtstraumata

• Unerfüllte aktuelle und vergangene Bedürfnisse

• Reizüberflutung

• Frustrationen, die durch Hilflosigkeit entstehen

• Körperliche Schmerzen

Emotionelle Erste Hilfe und andere präventive und/oder therapeutische Maßnahmen sollten

die angespannte Situation entschärfen und die angeschlagene Eltern-Kind-Bindung aufbauen

und festigen.

Auffallend ist, dass in vielen Büchern zum Thema Säuglingsunruhe Psychologen und

Therapeuten dem Stillen und der mütterlichen Ernährung nur wenig Beachtung schenken,

vielleicht gehen die Autoren und Therapeuten auch davon aus, dass diese Probleme ohnehin

bereits abgeklärt sind. Manchmal werden aber auch durch Unwissen Falschinformationen an

Mütter weitergeben.

78 Harms Thomas; Emotionelle Erste Hilfe – Bindungsförderung, Krisenintervention, Eltern-Baby-Therapie; Leutner Verlag; 2008 79 Solter Aletha J.; Warum Babys weinen – Die Gefühle von Kleinkindern; Kösel Verlag; 8. Auflage 1998

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Zum Beispiel schreibt Aletha Solta in ihrem Buch „Warum Babys weinen“: „In manchen

Fällen führt das dazu, dass er [der Säugling] anscheinend alle zwei oder drei Stunden hungrig

ist,…“80

Korrekt wäre: Dieses Stillverhalten ist völlig normal und erwünscht, die nötigen 8–12

Stillmahlzeiten könnten sonst nicht erreicht werden.

Oder: „Bieten Sie Ihrem Baby Fencheltee an. Bei Flaschenkindern können Sie statt reinem

Wasser auch Fencheltee als Grundlage der Milchnahrung verwenden.“ 81

Korrekt wäre: Gestillte Säuglinge sollen in den ersten Monaten keine andere Nahrung

oder Flüssigkeiten erhalten als Muttermilch. Alle anderen Flüssigkeiten stören die

Milchproduktion und den Aufbau einer gesunden Darmflora. Tees können allergen

wirken. Auch die Zubereitung der Milchflasche sollte nicht mit Kräutertees erfolgen.

Dazu eine Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) in

Deutschland: „Schwangere, Stillende und Kinder sollten Kräutertees aus Kamille,

Pfefferminze, Melisse, Brennnessel und Fenchel nur in Maßen trinken.“ Es könnte ein

gesundheitliches Risiko bei längerfristigem Verzehr hoher Mengen Tees mit hohen

Gehalten an Pyrrolizidinalkaloide bestehen, insbesondere bei Kindern, Schwangeren

und Stillenden. Pyrrolizidinalkaloide sind Pflanzeninhaltsstoffe, die sich im

Tierversuch teilweise als krebserregend erwiesen haben; vor allem aber wirken sie

giftig (toxisch) auf die Leber. 82 Leider sehen wir häufig Mütter, die 100% der Nahrung

ihres Kindes mit Fencheltee zubereiten.

80 Solter Aletha J.; Warum Babys weinen – Die Gefühle von Kleinkindern; Kösel Verlag; 8. Auflage 1998; Seite 109 81 Gienger Wilhelm Dr.; Gienger Zora; Mein Baby schreit – was tun? – So helfen Sie sich und ihrem Kind; Urania Verlag; 2005; Seite 78 82 www.verbraucherzentrale.de/pyrrolizidinalkaloide-in-kraeutertees-und-tees 9.7. 2017

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6.3. …aus Sicht des Ernährungstrainings:

In diesem Abschnitt sollten jene Fakten und Evidenzen gesammelt werden, die ein Indiz

dafür sein könnten, dass die Ernährung (der stillenden Mutter) verantwortlich sei für das

heftige Weinen des Kindes.

ErnährungstrainerInnen stellen weder Diagnosen, noch behandeln sie Erkrankungen. Sie

sollten sich aber auskennen mit den Ursachen verschiedener Erkrankungen.

6.3.1. Angeborene Hormon- und Stoffwechselstörungen des

Säuglings

Einige wenige Stoffwechselstörungen stellen ein Stillhindernis dar, und könnten sich unter

anderem mit entsprechender Säuglingsunruhe äußern, z. B. Galaktosämie. Diese

Stoffwechselerkrankungen werden heute normalerweise durch flächendeckendes

Neugeborenen Screening schon kurz nach der Geburt erkannt. Ärztliche Behandlung, im

Falle der Galaktosämie - lebenslange milchfeie Ernährung – CAVE: auch laktosefreie Milch

darf NICHT getrunken werden.

6.3.2. Laktoseintoleranz

Alle (gesunden) Neugeborenen bilden während ihrer Stillzeit Laktase. Einzige Ausnahme sind

jene Säuglinge welche unter einem angeborenen Gendefekt leiden, dem

Kongenitalen Laktasemangel (Alactasie). Dies ist eine sehr seltene Form des

Laktasemangels, der laut Gabi Eugster (2012) vor allem in Finnland beschrieben wird

– weltweit waren 2012 erst 40 Fälle beschrieben. Diese Kinder müssen lebenslang

Laktose meiden.83

Die primäre Laktoseintoleranz ist ein relativ häufiges Phänomen, gekennzeichnet

durch ein langsames Nachlassen der Laktase-Produktion NACH der Stillphase. Sie

betrifft in unserer Region etwa 20 %, in Asien und Afrika etwa 80 % der Menschen.

Sie ist für den Säugling aber nicht relevant.

Die sekundäre Laktoseintoleranz: Möglicherweise führen Infektionen, Antibiotika,

Allergien, Autoimmunerkrankungen oder Unverträglichkeitsreaktionen gegen

83 Eugster Gabi;Laktoseintoleranz – Eine ganz normale „Krankheit“; Lakation und Stillen 1 2012, Seite 4

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bestimmte mütterliche Lebensmittel über die Muttermilch (z.B. eben eine

Kuhmilchunverträglichkeit) zu einer vorübergehenden Laktoseintoleranz. Diese

erworbene Laktoseintoleranz verläuft allerdings bei weitem nicht so schwer wie die

angeborene. Nachdem sich der Darm erholt hat, geht auch die Laktoseintoleranz

vorüber, eine spezielle laktosefreie Nahrung ist nicht erforderlich. Die beste

Vorbeugung gegen Darmerkrankungen ist übrigens das Stillen selbst. Gestillte Babys

und Kleinkinder leiden deutlich seltener unter Darmerkrankungen als nicht gestillte.

Selbst wenn sie sich anstecken, werden sie nicht so schwer krank und erholen sich

schneller als Babys, die mit künstlicher Säuglingsmilch ernährt werden. Auch

während eines Durchfalls ist das weitere Stillen die beste Therapie. In den seltenen

Fällen, in denen gestillte Säuglinge tatsächlich unter einer Laktoseintoleranz leiden,

kann der abgepumpten Muttermilch Laktase beigefügt werden, oder das Baby erhält

oral ein Präparat.84 Abstillen ist nicht nötig! Übrigens enthält auch Muttermilch etwas

Laktase.

Generell ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass ein Säugling an einer Laktoseintoleranz

leidet.

6.3.3. Laktoseüberlastung

Wie im Kapitel: „6.1.2.3 Gibt es Probleme im Stillmanagement – Milchspendereflex und

Milchangebot“ beschrieben kann es beim Stillen unter bestimmten Umständen dazu

kommen, dass der Säugling übermäßig viel Laktose aufnimmt. Eine einfache Veränderung im

Stillmanagement kann dieses Problem lösen.

6.3.4. Allergien (allergische Proktokolitis)85

Im Protokoll 24 (Allergische Proktokolitis beim ausschließlich gestillten Säugling) der

Akademie for Breastfeeding Medicin (ABM) findet folgende Aussage: „Die Inzidenz von

gesundheitsschädigenden Reaktionen auf Nahrungsmitteleiweiße beim ausschließlich

gestillten Säugling ist schlecht definiert. Prospektive Daten zeigen, dass etwa 0,5-1% der

84 www.still-lexikon.de/laktoseintoleranz-beim-baby-stillen-bleibt-die-beste-option; 9.7.2017

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ausschließlich gestillten Säuglinge allergische Reaktionen gegenüber in die Muttermilch

übergangenen Kuhmilchproteinen entwickeln. Ausgehend von der Tatsache, dass

Kuhmilcheiweiß in 50-65% der Fälle das auslösende Antigen darstellt, scheint die

Gesamtinzidenz von Lebensmittelallergien beim ausschließlich gestillten Säugling etwas

höher als 0,5-1% zu sein. Im Vergleich dazu scheinen Säuglinge, die Muttermilch erhalten,

eine geringere Inzidenz für allergische Reaktionen auf Kuhmilcheiweiß zu haben, als

Säuglinge, die mit kuhmilchbasierter Formulanahrung ernährt werden. Die könnte dem

relativ geringen Anteil von in die Muttermilch übergehendem Kuhmilcheiweiß,

immunmodulierenden Substanzen in der Muttermilch und/oder Unterschieden in der

Darmflora von gestillten und mit künstlicher Säuglingsnahrung ernährten Säuglingen

zuzuschreiben sein.“

Weiter ist in diesem Protokoll zu lesen:

„Wenn bei einem ausschließlich gestillten Säugling eine allergische Kolitis klinisch

nachgewiesen ist, besteht die erste Behandlungsform in einer Eliminationsdiät der Mutter,

bei der die Nahrungsmittel vermieden werden, die das wahrscheinlichste Allergen,

Kuhmilcheiweiß, enthalten. Für eine junge Mutter, die sich nicht nur in die Rolle einfinden

muss, gerade Mutter geworden zu sein und zu stillen, sondern auch mit den Sorgen wegen

der Symptome ihres Babys zurechtkommen muss, kann es extrem schwierig sein, sich der

Tatsache zu stellen, eine strenge Diät einzuhalten.“

Der Eliminationsdiätplan des ABM Protokolls:

Vorschläge für verschiedene Vorgehensweisen:

1. Um es so einfach wie möglich zu machen, kann zunächst damit begonnen werden,

die wahrscheinlichsten Allergene eines nach dem anderen wegzulassen (z.B.

Kuhmilch [und Kuhmilchprodukte wie Käse, Butter, Eiscreme und andere

Milchprodukte], Soja, Zitrusfrüchte, Eier, Nüsse, Erdnüsse, Weizen, Mais, Erdbeeren

und Schokolade). Die Mütter werden angeleitet, ein Nahrungsmittel oder eine

Nahrungsmittelgruppe (z.B. Milchprodukte) nach dem anderen wegzulassen und

mindestens zwei bis hin zu vier Wochen zu warten. Die meisten Fälle zeigen

innerhalb von 72–96 Stunden eine Besserung.

85 ABM Klinisches Protokoll Nr. 24: Allergische Proktokolitis beim ausschließlich gestillten Säugling, 2011

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2. Sollten sich die Symptome beim Säugling innerhalb dieses Zeitraums nicht verändern,

kann die Mutter in der Regel diese Nahrungsmittel wieder in ihren Speiseplan

aufnehmen und ein anderes Nahrungsmittel bzw. eine andere Nahrungsmittelgruppe

aus der Liste weglassen. Dies wird so lange weitergeführt, bis sie alle der

aufgelisteten Nahrungsmittel eliminiert hat. Bei der Eliminationsdiät muss die Mutter

auch daran denken, alle anderen Nahrungsmittel wegzulassen, die dieses Produkt

enthalten (z.B. wenn Kuhmilch weggelassen wird, alles was mit Kuhmilch hergestellt

wird, nicht zu vergessen, die spezifischen Eiweißkomponenten wie Kasein, Molke,

Laktoglobulin usw.; es ist wichtig, die Etiketten sorgfältig in Hinblick auf diese

anderen Inhaltsstoffe zu lesen). Oftmals denken Mütter nicht daran, dass andere

Nahrungsmittel diese Produkte enthalten. Die Zusammenfassung des

Expertengremiums der USA empfiehlt, dass Personen mit Lebensmittelallergie und

ihre Pflegepersonen darin geschult werden, die Zutatenlisten auf

Lebensmitteletiketten zu interpretieren und wie sie die Kennzeichnung von als

Zutaten für Lebensmittel verwendete Nahrungsmittelallergene erkennen. Das

Expertengremium empfiehlt zudem, dass Produkte mit Warnhinweisen wie zum

Beispiel „dieses Produkt kann Spuren von Allergenen enthalten“, gemieden werden.

Es sollte auch nicht vergessen werden, dass manche Medikamente, Vitamine und

sogar Impfstoffe allergene Inhaltsstoffe enthalten können.

3. Wenn das Weglassen von jedem dieser Nahrungsmittel das Problem nicht löst,

könnte der nächste Schritt darin bestehen, die Mutter ein sehr umfassendes

Ernährungstagebuch für zwei Werktage und ein Wochenende führen zu lassen, um

ihre üblichen Essgewohnheiten zu erfahren. Durch eine sorgfältige Analyse ihres

Ernährungstagebuchs kann möglicherweise das auslösende Nahrungsmittel

festgestellt werden.

Wie beschrieben betrifft dies nur einen sehr kleinen Teil der Säuglinge!

Auszugsweise aber wörtlich zitiert

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6.3.5. Blähende Speisen in der mütterlichen Ernährung

Nachdem bei vielen Ratgebern, ob schriftlich oder mündlich, die blähenden Lebensmittel als

Ursache für Säuglingsunruhe benannt werden, überlege ich in diesem Kapitel wie diese

Lebensmittel aus der mütterlichen Ernährung überhaupt Blähungen oder Unwohlsein beim

Baby auslösen könnten.

6.3.5.1 Wie entstehen Darmgase beim Erwachsenen?

Je nachdem, was der Mensch isst, entstehen mehr oder weniger Darmgase. Bis zu zwölfmal

täglich entweichen unserem Darm Gase, als normale Begleiterscheinung der Verdauung von

vor allem ballaststoffreicher Nahrung. Schwer Verdauliches gelangt in den Dickdarm und

dient dort den Bakterien als „Futter“. Bei der Zersetzung dieser Bakteriennahrung wird

„Biogas“ ausgeatmet – bei normaler Verdauung etwa ein Liter pro Tag. Die Darmgase

enthalten zu 99% die geruchsfreien Gase Stickstoff, Wasserstoff, Kohlendioxid, Methan und

Sauerstoff. Der Geruch entsteht aus Abbauprodukten von Eiweiß und schwefelhaltigen

Aminosäuren. 86

Die meisten Gase werden im Darm weiterverdaut und/oder über die Blutbahn zur Lunge

transportiert und dort abgeatmet. Bilden sich zu viele Gase, entstehen Blähungen.

Außerdem können sich Darmgase bilden, wenn Luft geschluckt wird, bei einer

Laktoseintoleranz, bei einer Fruktoseintoleranz, durch Allergien, zu hastiges Essen,

chronische Entzündungen des Darmes, Reizdarmsyndrom…

6.3.5.2 Darmgase beim voll gestillten Säugling?

Muttermilch enthält keine Ballaststoffe und keine Gase – Es stellt sich die Frage wie

es funktionieren soll, dass blähende Speisen in der mütterlichen Diät Blähungen beim

Kind auslösen sollen.

Kinder verschlucken relativ viel Luft beim Weinen, oder wenn sie während des

Stillens das Vakuum nicht gut halten können, z.B. verkürztes Zungenband, zu hastiges

Trinken.

Laktose-Intoleranz ist, wie oben beschrieben beim Säugling extrem selten.

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Über die Muttermilch erhält der Säugling keine Fruktose.

Wie oben beschrieben, sind Allergien möglich, aber mit ca. 1% betroffenen

Säuglingen selten.

6.3.5.3 Wissenschaftliche Evidenz?

Obwohl der Ratschlag, blähende Speisen zu meiden, in fast allen westlichen Ländern auch

von ÄrztInnen, Hebammen und ErnährungswissenschafterInnen fast gebetsmühlenartig

wiederholt wird, fußt diese Empfehlung offensichtlich auf einer einzigen Studie. Befragt

wurden in dieser Studie 272 ausschließlich stillende Frauen mittels Fragebogen, der von der

Mutter zu Hause selbst ausgefüllt wurde. Erfragt wurden der Genuss von 15

Nahrungsmitteln (davon 4 Kreuzblütler) und die Anwesenheit von Koliksymptomen beim

Säugling. Das Ergebnis: „Die Ergebnisse dieser Studie liefern erste Hinweise darauf, dass die

mütterliche Einnahme von Kreuzblütler, Kuhmilch, Zwiebel oder Schokolade während dem

exklusiven Stillen mit Kolik-Symptomen bei jungen Säuglingen einhergeht.“87

6.3.5.4 Persönliche Erfahrung

Ich möchte dieser Studie mit schwacher Evidenz einige meiner persönlichen Erfahrungen

und meine Überlegungen gegenüberstellen:

Kulturelle Eigenheit:

Seit 21 Jahren leite ich Stillgruppen in bis zu 9 verschiedenen Orten. Wie zuvor beschrieben,

werde ich von Beginn an immer wieder mit dem Thema Ernährung der stillenden Mutter

konfrontiert. Von fast allen Müttern, in fast allen Orten bekomme ich einige Wochen später

die Rückmeldung: „Ja du hattest Recht, es ist eigentlich ziemlich egal, was ich esse. Mein

Kind weint nicht mehr oder weniger deshalb.“

Nur in einer Ortschaft kam diese Botschaft überhaupt nicht an. Hier waren die Mütter weiter

überzeugt, dass sogar frische Semmeln und schwarzer Ribiselsaft Blähungen bei ihren

Kindern auslösen würden. Des Rätsels Lösung: Der kleine Ort im Mühlviertel hat ein sehr

86 Schobert Astrid; Die 50 besten Blähbauch-Killer; Trias Verlag; Seite 18

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starkes Gemeinschaftsgefühl, alle Mütter kennen sich schon aus der Volksschulzeit und

tauschen sich untereinander intensiv aus. Und der Ort hatte einen beliebten Hausarzt, der

genau jene Lebensmittel als problematisch identifizierte, die später von den Müttern

benannt wurden. Ich als „Fremde“ wurde zwar freundlich aufgenommen, konnte aber

offensichtlich mit Informationen den gesellschaftlichen Konsens nicht durchbrechen.

Die selbstbewahrheitende Prophezeiung:

Ein weiteres häufig beobachtetes und effektives Phänomen in der Eltern-Kind Arbeit ist die

selbstbewahrheitende Prophezeiung. „Upps, da war ja Zwiebel drin – oje da wird´s am

Abend ein Schreikonzert geben.“ - Mit Sicherheit, da die Eltern mit ihrer Erwartung

emotionell schon alle Weichen dafür stellen.

Übertragung mütterlicher Körperspannungen:

Babys, besonders unruhige Babys, werden viel getragen. Sie erspüren und übernehmen

dabei die Körperspannungen der betreuenden Person. Verdauungsbeschwerden nach der

Geburt sind bei Müttern relativ häufig. Auch dieses „Unwohlbefinden“ spiegeln die Kinder,

allerdings vermutlich nicht über den Weg der Muttermilch, sondern direkt über den Weg des

Haut- und Körperkontaktes.

Beobachtungen aus einer Umfrage unter 507 Müttern:88

Im Jahr 2006 befragte ich gemeinsam mit meiner Kollegin im Rahmen einer Facharbeit 507

Mütter dazu, wie sie das erste Lebensjahr ihres Kindes empfanden. Die Mütter hatten Kinder

zwischen 14 Tagen und 1 Jahr. Abgefragt wurden die letzten 24 Stunden bzw. die letzten 7

Tage. Einige Einzelergebnisse aus dieser Erhebung sind auch für diese Arbeit interessant:

36,87 % der Mütter gaben an, in den letzten 24 Stunden eine leichte bis massive

Belastung durch das Weinen ihrer Kinder erlebt zu haben.

Gerade jene Mütter, die durch das Weinen ihrer Kinder oder durch mehrere

Verhaltensweisen (Weinen, Schlafen, Saugverhalten, Körperkontaktbedürfnis) vor

allem hoch belastet waren, bemühten sich darum, blähende und saure Speisen zu

meiden – offensichtlich mit mäßigem Erfolg.

87 Lust KD, Brown JE, Thomas W.; Maternal intake of cruciferous vegetables and other foods and colic symptoms in exclusively breastfed infants; 1996 88 Hemmelmayr Andrea, IBCLC; Indra Gudrun, IBCLC; Mutterglück und Babystress; 2006

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Die oben genannten Mütter verwendeten auch wesentlich häufiger Stilltee. Es ist zu

vermuten, dass Mütter, deren Babys häufiger weinen, um ihre Milchmenge fürchten.

Außerdem wird Müttern tatsächlich geraten, gegen Blähungen (der Kinder) möglichst

Fencheltee zu trinken. Andererseits machen Stillberaterinnen häufig die

Beobachtung, dass ein Absetzen des Still- oder Fencheltees (besonders bei ohnehin

reichlicher Milchbildung) eine Entlastung der kindlichen Unruhe bringen kann.

Auffallend war auch, dass zahlreiche Mütter mit dem eigenen Essverhalten in der

Stillzeit unzufrieden schienen (leider haben wir nicht genau erfragt, weshalb).

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7. Wer sollte kontaktiert werden wenn das Baby viel weint?

Schritt 1 Ärztliche Abklärung

Schritt 2 Stillberatung – zeitnah!

Szenario 1 A Kind ist gesund aber ist

unruhig Weiter mit Schritt 2

Szenario 1 B Kind ist krank , z.B. Geburtsverletzung,

Herzerkrankung, neurologische Erkrankung,…

Ärztliche Behandlung bei Bedarf weiter mit Schritt 2

Szenario 2 A Baby erhält zu wenige Kalorien

Ursachen finden und beheben, bei Bedarf zufüttern.

Szenario 2 B Baby nimmt ausreichend zu

Stillmanagement und Saugverhalten des Kindes

überprüfen und verbessern

Szenario 2 C Stillberatung löst das Problem nicht oder nicht ausreichend

Schritt 3 Gegebenenfalls Weiterverweisung durch die Stillberaterin und/ oder Zusammenarbeit mit… Arzt – z.B. Infektionen, Zungenbandlösung Logopädie – z.B. anatomische und funktionelle Probleme der orofacialen Muskulatur Ostheopathie, Chiropraktiker – z.B. Fehlhaltungen Ernährungsberatung – bei vermuteter Allergie oder Essstörung der Mutter. Und andere Disziplinen,…

Schritt 3

Emotionelle Erste Hilfe

Krisenintervention

Ostheopathie, craniosacral Therapie

Psychologen

Schreiambulanz

….

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8. Resümee

Eine spannende Reise geht zu Ende! Mein Ursprungsgedanke bei der Themensuche für diese

Diplomarbeit war, dass ich mich in erster Linie dem Thema blähende Speisen, und sonstige

Ammenmärchen rund um die Ernährung in der Stillzeit widmen könnte. Erst im Laufe der

Recherchen stellte ich fest, dass die offiziellen österreichischen Ernährungsempfehlungen

einige Aussagen enthalten, die nicht gerade „stillförderlich“ sind.

Letztlich bin ich dankbar, dass es am Beginn meiner Stillzeit vor 23 Jahren weder diese

Ernährungsempfehlungen gab, noch dass mir bewusst war, dass ich 7 Jahre meines Lebens

entweder schwanger oder stillend sein würde und daher 7 Jahre lang auf zahlreiche meiner

Lieblingsspeisen hätte verzichten müssen.

Habe ich Antworten auf die in der Einleitung gestellten Fragen?

Ich hoffe es ist mir gelungen die Bedeutung des Stillens für Mutter und Kind ausreichend

darzulegen. Außerdem habe ich mich bemüht aufzuzeigen wie sensibel stillende Frauen auf

Empfehlungen reagieren und dass jede Empfehlung einer genauen Nutzen Risiken

Überlegung unterzogen werden muss.

Der Nährstoffbedarf in der Stillzeit ist natürlich erhöht, neben dem Kalorienbedarf steigt

auch der Bedarf an Mikronährstoffen an. Mit einer gesunden Lebensmittelauswahl kann der

Mehrbedarf auch in der Stillzeit ausgeglichen werden.

Die offiziellen österreichischen Ernährungsempfehlungen basieren auf wissenschaftlichen

Fakten – Vieles davon kann in der Basisliteraturrecherche von „Richtig essen von Anfang

an“89 nachgelesen werden. Es ist allerdings schade, dass für Schwangere und Stillende eine

gleichlautende Empfehlung veröffentlicht wurde. Im Text der Arbeit habe ich versucht

klarzulegen,

…dass Lebensmittelinfektionen ein Thema in der Schwangerschaft, nicht jedoch in

der Stillzeit sind.

89Meinlinger Mag., Dieminger Mag.; Basisliteraturrecherche Projekt – Gesund Essen von Anfang an; AGES; Bundesministerium für Gesundheit; 2008

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…dass es natürlich besser ist, nicht zu rauchen, aber wenn die Mutter nicht vom

Rauchen wegkommt, soll sie doch trotzdem stillen,

…dass Alkohol in der Schwangerschaft in jeder Dosis schädlich ist, in der Stillzeit ein

gelegentlicher geringer Genuss von Alkohol aber kein Abstillgrund ist, und

…dass Schadstoffe nur in extremen Ausnahmefällen über die Muttermilch tatsächlich

ein Problem darstellen.

Somit fällt die offizielle Ernährungsempfehlung für stillende Mütter wesentlich strenger aus

als sie eigentlich müsste. Für viele Mütter könnte dies tatsächlich einen Abstillgrund oder

zumindest den letzten Anstoß zum Abstillen darstellen.

Mir fehlt der Hinweis auf jene Frauen bei denen ein konkreter Nährstoffmangel zu erwarten

ist. Ein Mangel an Handlungsempfehlungen könnte hier zu einer vorschnellen

Abstillempfehlung führen

Daher gibt es hier sicherlich Optimierungsbedarf!

Verschiedene Print- und Online-Publikationen warnen stillende Mütter vor dem Genuss

einer ganzen Reihe von Lebensmitteln auf Basis einer einzigen Studie mit kleiner Fallzahl und

schlechtem Evidenzgrad und befeuern so wieder das System der „selbstbewahrheitenden

Prophezeihung“. Außerdem erhalten diese Quellen erschreckend viele Falschinformationen

über das Stillen. Auch wenn die Autorinnen meist Expertinnen im Bereich Ernährung sind

beim Stillen sind sie dies offensichtlich nicht, somit sind in manchen Büchern sogar

gefährliche Ratschläge enthalten. Ich würde mir wünschen wenn Stillwissen in der

Ernährungslehre eine größere Rolle spielt – immerhin ist Stillen für ein halbes Jahr die

ausschließliche Ernährung des Säuglings und sollte noch bis ins 2. Lebensjahr und darüber

hinaus eine wichtige Rolle in der Ernährung des Kindes spielen. Wenn

ErnährungswissenschafterInnen über das Stillen schreiben sollte eine professionelle

Fachkraft IBCLC zu Rate gezogen werden. Übrigens steht auch

ErnährungswisschenschafterInnen die Ausbildung zur IBCLC offen.

Natürlich gibt es unter vielen problematischen Quellen auch sehr positive Beispiele.

Aus Interesse habe ich versucht auch traditionelle Ernährungsempfehlungen für die Stillzeit

in unterschiedlichen Ländern zu sammeln. Dies hat mir ganz besondere Freude bereitet, ich

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danke meinen Kolleginnen aus der ganzen Welt dafür dass sie mich an ihrem interessanten

Wissen teilhaben lassen

Im Abschnitt „Der unruhige Säugling“ habe ich versucht darzulegen, dass es für die

Säuglingsunruhe eine ganze Reihe von Gründen geben kann. Da in der Stillberatung der

Zeitfaktor eine große Rolle spielt, ist es nötig, hier besonders bald und gründlich zu suchen.

Diesen Abschnitt habe ich daher relativ ausführlich besprochen.

Die emotionelle Erste Hilfe ergänzt meine Tätigkeit als Stillberaterin perfekt, sie gibt mir

Antworten auf Fragen die in der Stillberatung offen bleiben.

Im Kapitel „…aus der Sicht des Ernährungstrainings“ habe ich versucht alle Fakten, welche

mit Ernährung zu tun haben, zusammenzufassen, auch wenn einige Fakten die Kompetenz

der Ernährungstrainerin übersteigen, so ist es vielleicht ein interessantes Hintergrundwissen.

Allerdings zeigt sich auch, dass die Annahme dass blähende Speisen beim Kind Blähungen

auslösen würden auf einer sehr schwachen Evidenz beruht.

Letztlich endet die Arbeit mit einem Vorschlag, welche Fachkräfte (in welcher Reihenfolge)

die Eltern mit einem unruhigen Kind möglichst früh aufsuchen sollten.

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6.4. Bücher:

Arzneiverornung in Schwangerschaft und Stillzeit, 7. Auflage (2006); C. Schaefer, H. Spielmann, K. Vetter

Bundesministerium für Gesundheit; Gesund genießen; 3. Auflage, 2015

Der kleine Sourci, Fachmann, Kraut; Lebensmitteltabelle für die Praxis; 5. Auflage, 2011; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH

Gienger Wilhelm Dr.; Gienger Zora; Mein Baby schreit – was tun? – So helfen Sie sich und ihrem Kind; Urania Verlag; 2005; Seite 78

Grabmayr S., Scherbaum V.; Stillen – Frühkindliche Ernährung und reproduktive Gesundheit; Seite 68 – 69 Ernährungsverhalten von Frauen während der Schwangerschaft, Perinatal- und Stillzeit; 2003; Deutscher Ärzteverlag

Guóth-Gumberger Márta; Gewichtsverlauf und Stillen; Dokumentieren, Beurteilen, Begleiten, Mabuseverlag; 2011

Hanreich Ingeborg Mag.; Essen und Trinken – Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit, 1. Auflage, 2006

Harms Thomas; Emotionelle Erste Hilfe – Bindungsförderung, Krisenintervention, Eltern-Baby-Therapie; Leutner Verlag; 2008

Iburg Anne; Mam Food - Die beste Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit; 2014; Trias Verlag

Lawrence Ruth A.; Breastfeeding a guide fort the medical profession; fifth edition,

Lüpold Sibylle; Stillen ohne Zwang; rüffer & rub

Mohrbach Nancy, Stock Julie; Handbuch für die Stillberatung; [Breastfeeding Answer Book – deutsch]; La Leche Liga; 1. Auflage 2000

Nichterl Claudia Dr.; Die 5-Elemente-Küche für Schwangere und Stillende; 2009; av Buch

Riordan Jan, Auerbach Kathleen G.; Breastfeeding and Human Lactation; 2. Edition 1998

Schäfer C., Spielmann H., Vetter K.; Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit 7. Auflage; 2006; Urban & Fischer

Schobert Astrid; Die 50 besten Blähbauch-Killer; Trias Verlag

Solter Aletha J.; Warum Babys weinen – Die Gefühle von Kleinkindern; Kösel Verlag; 8. Auflage 1998

Stadelmann Natalie; Ernährung für dich & Mich – Richtig essen in Schwangerschaft und Stillzeit; 2014; Südwest Verlag

von Cramm Dagmar – Richtig essen in Schwangerschaft und Stillzeit; 8. Auflage; 2017 GU Verlag

6.5. Zeitschriften, Handouts

Bier Anja, Nindl Gabriele & Kussmann Gabriele ; Bindung und Stillen ein Thema für die Kinder und Jungendtherapie?; Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen – Zeitschrift für die psychosoziale Praxis; 9. Jg. (2), 69–78, 2013

Cramer Annika; Zitiert aus dem Artikel Stillen in China – Laktation und Stillen 2/2015

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Eugster Gabi; Laktoseintoleranz – Eine ganz normale „Krankheit“; Laktation und Stillen 1 2012

Hemmelmayr Andrea; Die Kosten des Nicht Stillens; Laktation & Stillen 2/13

Hemmelmayr Andrea; Stillen – so funktioniert´s – Handout; Dez. 2015

Hemmelmayr Andrea; Untröstliche Babys – Handout; 2007

Iburg Anne; Mam Food - Die beste Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit; 2014; Trias Verlag

Institut Sucht Prävention; Alkohol und Rauchen in der Schwangerschaft; 2. Auflage 2013

OÖGKK Forum Gesund; Nachlese zum Ernährungsworkshop - Gesund essen von Anfang an

Skript Vitalakademie – Gesunde Ernährung im Überblick

Winderl Katharina ; Interkulturelle Aspekte von Mutterschaft und Stillzeit, Facharbeit 2016

6.6. Studien, wissenschaftliche Leitlinien, Protokolle und Codice

ABM Klinisches Protokoll Nr. 24: Allergische Proktokolitis beim ausschließlich gestillten Säugling, 2011 Auszugsweise aber wörtlich zitiert

Bajanowski T1, Brinkmann B, Mitchell EA, Vennemann MM, Leukel HW, Larsch KP, Beike J; GeSID Group.; Nicotine and cotinine in infants dying from sudden infant death syndrome

Bartick MC, Schwarz EB, Green BD; Suboptimal Breastfeeding in the United States – Maternal and pediatriv healthoutcomes and costs; Maternal & Child Nutrion 2016

Bundesinstitut für Risikobewertung; Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit; Alkohol in der Stillzeit – Eine Risikobewertung unter Berücksichtigung der Stillförderung; 2012

Bundesministerium für Gesundheit; Säuglingsernährung Heute 2006

Daly S.; The determination of short-term breast volume changes and the rate of synthesis of human milk using computerized breast measurement. 1992

Elmadfa I, Freisling H, König J, et al., Österreichischer Ernährungsbericht 2003. 1. Auflage, Wien, 2003.

Glazer Peres Karen; BarrosAlusisio J D ; Peres Marco Aurélio ; Gomes Victora César; Effects of breastfeeding and sucking habits on malocclusion in a birth cohort study; 1999

Grandjean P., Weihe P., With RF; Milestone development in infants exposed to methylmercury from human milk. 1995

Greiner T., Maternal protein-energy nutrition and breastfeeding, SCN News 11:28-30, 1994.

Hemmelmayr Andrea, IBCLC; Indra Gudrun, IBCLC; Mutterglück und Babystress; 2006

Lust KD, Brown JE, Thomas W.; Maternal intake of cruciferous vegetables and other foods and colic symptoms in exclusively breastfed infants; 1996

Meinlinger Mag., Dieminger Mag.; Basisliteraturrecherche Projekt – Gesund Essen von Anfang an; AGES; Bundesministerium für Gesundheit; 2008

Renfrew Mary J., Pokhrel Subhash, Quigley Maria , Mc Cormick Felicia, Fox Rushy Julie, Dodds Rosemary, Steven Duffy, Trueman Paul, Williams Antony; Preventing

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78

deseases and saving resources: the potential contribution of increasing breastfeeding rates in the UK; 2012

RuoweiLi,MD,PhDa,SaraB.Fein,PhDb,JianChen,MSca,LaurenceM.Grummer-Strawn,PhDa ; Why Mothers Stop Breastfeeding: Mothers’ Self-reported Reasons for Stopping During the First Year

WHA Resolution 54.2 (2001)

WHO Multicenter Growth Reference Study Group; 2006

WHO, Internationaler Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten, Artikel 1, 1981

6.7. Vorträge und persönliche Gespräche

Anwar Fazal, Welternährungstag, Penang, Malaisia, 16.10. 1985

Hemmelmayr Andrea; Kompetenz der IBCLC am Beispiel Säuglingsunruhe; Vortrag ; Linz 2015

Hemmelmayr Andrea; Vortrag – Stillen und Babyernährung

Macnab Iona, IBCLC aus Australien – persönliche Information

6.8. Internet

http://www.babymilkaction.org/archives/8683 24.7. 2017

http://www.babysmiles.com.au/ 24.7. 2017

http://www.familienkost.de/ernaehrunginderstillzeit.php 24.7.2017

http://www.hebammen-nrw.de/cms/aktuelles/meldungen/einzelansicht/datum////stillen-und-ehec/ 8.7. 2017

www.milupa.de 24.7. 2017

http://www.netdoktor.at/familie/schwangerschaft/listeriose-in-der-schwangerschaft-5690?page=2 4.7. 2017

Österreichisches Institut für Familienforschung http://www.oif.ac.at/service/zeitschrift_beziehungsweise/detail/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=173&cHash=c36031ac9836cd37013e012aeb73ac82?&type=98+ 8.7. 2017

www.stillkinder.de ; 9.7. 2017

www.still-lexikon.de/laktoseintoleranz-beim-baby-stillen-bleibt-die-beste-option 9.7.2017

www.still-lexikon.de 9.7. 2017

www.verbraucherzentrale.de/pyrrolizidinalkaloide-in-kraeutertees-und-tees 9.7. 2017

www.vonguteneltern.de ; 9.7. 2017

http://www.who.int/childgrowth/standards/en/

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79

7. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: (c) Andrea Hemmelmayr .............................................................................................................. 5 Abbildung 2: Risikoabwägung, Andrea Hemmelmayr ........................................................................................ 9 Abbildung 3: Vermeidbare Erkrankungs- und Todesfälle ................................................................................. 10 Abbildung 4: © Karl Grabherr .......................................................................................................................... 15 Abbildung 5: Die österreichische Ernährungspyramide für Schwangere und Stillende .................................... 27 Abbildung 6: Striktes Rauchverbot ................................................................................................................... 33 Abbildung 7: Rauchverbot in der Schwangerschaft .......................................................................................... 33 Abbildung 8: Struktur des Modells der Schwangeren ..................................................................................... 36 Abbildung 9: Struktur des Modells der stillenden Frau und des Säuglings ...................................................... 37 Abbildung 10: Your child is what you eat. ........................................................................................................ 51 Abbildung 11: Stillinitiative UNICEF ................................................................................................................. 54

8. Kastenverzeichnis

Kasten 1: Ziele des WHO Kodex ........................................................................................................................ 7 Kasten 2: Weltweite Gesundheitsempfehlung der WHO .................................................................................. 7 Kasten 3: Praktischer Hinweis ......................................................................................................................... 24

9. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Darstellung der Studienkategorien aus der Originalstudie .............................................................. 12 Tabelle 2: Behandlungskostenersparnis bei Kindern........................................................................................ 13 Tabelle 3: Behandlungskostenersparnis bei Frauen ......................................................................................... 13 Tabelle 4: Gründe für das Abstillen : 3, 6 und 12 Monate nach der Geburt ..................................................... 17 Tabelle 5: Lifestyle-Faktoren als Abstillgründe ................................................................................................. 18 Tabelle 6: Nährstoffbedarf der Schwangeren und Stillenden ........................................................................... 22 Tabelle 7: Mehrbedarf an Nährstoffen der stillenden Frau in Prozent ............................................................. 24 Tabelle 8: Erklärung der Portionsgrößen für Ernährungspyramide .................................................................. 26 Tabelle 9: Rauchen vor der Schwangerschaft Tabelle 10: Rauchen in der Schwangerschaft ....................... 32 Tabelle 11: Rauchen nach der Geburt .............................................................................................................. 32 Tabelle 12: Verifizierte Fälle von Listeriose in Österreich 1997–2016 .............................................................. 38