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Diplomarbeit Schule für Craniosacrale Osteopathie Rudolf Merkel Das Os occipitale und seine Bedeutung in der craniosacralen Säuglingstherapie Marlis Wirth Homberger, Praxis Kinderphysio- und Craniosacrale Therapie, Obere Bahnhofstrasse 44, 8640 Rapperswil

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Diplomarbeit Schule für Craniosacrale Osteopathie

Rudolf Merkel

Das Os occipitaleund seine Bedeutung in der

craniosacralen Säuglingstherapie

Marlis Wirth Homberger, Praxis Kinderphysio- und Craniosacrale Therapie, Obere Bahnhofstrasse 44, 8640 Rapperswil

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort 1_ die Embryogenese (Seite 4) 2_ die Bildung des Schädels (Seite 9) 2.1_ das Schädelwachstum 3_ die postnatale Entwicklung (Seite 15) 3.1_ die physiologische Entwicklung 3.2_ die physiologischen Reflexe im 1. Lebensjahr 4_ das Os occipitale (Seite 18) 4.1_ Lage 4.2_ Anatomie 4.3_ Ossifikation 4.4_ Foramen magnum 4.5_ die Eigenbewegung des Os occipitale 4.6_ die Hirnnerven 4.7_ die Synchondrosis sphenobasilaris 4.8_ die Suturen 4.9_ die Fontanellen 4.10_die Dura beim Neugeborenen 5_ knöcherne Begrenzungen (Seite 30) 6_ die Kopfgelenke (Seite 35) 7_ das Cerebellum (Seite 37) 8_ der IV. Ventrikel (Seite 37) 9_ das Os Sacrum (Seite 38) 10_ die Besonderheiten des Bewegungsapparates beim Neugeborenen (Seite 40) 10.1_die Nackenmuskulatur 11_ die Befunderhebung (Seite 42) 11.1_die Anamnese 11.2_die CSO-Behandlung ist eine Kommunikation 11.3_der Behandlungsablauf

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12_ die Behandlung (Seite 45) 12.1_ die Faszienbehandlung 12.2_ die Behandlung des Os occipitale 12.3_ die Modelliertechnik für das Os occipitale 12.4_ Definition der Dysfunktion 12.5_ Dysfunktion des Os occipitale 12.6_ Dysfunktion des Atlas 12.7_ die Modelliertechnik für das Os sacrum 12.8_ der sakro-occipitale Ausgleich 12.9_ das Freimachen des Foramen magnum 12.10_der fronto-occipitale Ausgleich 13_ Kinderphysiotherapie und Craniosacrale Therapie (Seite 55) 14_ Dank (Seite 56) 15_ Literaturverzeichnis 16_ Bildernachweis (Seite 57) 17_ Anhang (Seite 58 / 59) Das Bobath-Konzept Die sensorische Integrationstherapie nach Jean Ayres

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Vorwort Das Os occipitale, die umliegenden Strukturen und die Bedeutung der Schädelbasis haben mich schon während meiner Weiterbildung für die Kinderbehandlungen in der CSO-Therapie besonders interessiert. Seine Besonderheiten beim Neugeborenen sowie die Verbindung zum Atlanto-occipital Gelenk haben mir die Wichtigkeit einer genauen Befunderhebung in der Säuglingstherapie aufgezeigt. Diese Arbeit soll mein Wissen über die Anatomie, Biomechanik und Behandlung des Os occipitale sowie seinen umgebenden Strukturen vertiefen und erweitern. Im zweiten Teil meiner Diplomarbeit schreibe ich über die Arbeit am und mit dem Os occipi-tale. Diese Beschreibungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Als Kinderphysiotherapeutin ist es mir auch sehr wichtig, die Kinder in ihrer gesamten sen-somotorischen Entwicklung zu unterstützen und zu begleiten. Das neurophysiologische Behandlungskonzept nach Bobath sowie meine Ausbildung in sensorischer Integrationstherapie nach Jean Ayres bilden dazu die Basis meiner therapeuti-schen Tätigkeit als Kinderphysiotherapeutin. Meine Ausbildung in der Craniosacralen Therapie gibt mir einen anderen sehr wertvollen Behandlungsansatz um am „Haus des Nervensystems“ zu arbeiten.

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1.die Embryogenese 1.1_die pränatale Entwicklung Die embryologische Entwicklung des Menschen lässt sich in fünf Entwicklungsprozesse einteilen, die überwiegend ineinander greifen oder gleichzeitig stattfinden. Diese Eintei-lung stellt also keinen chronologischen Ablauf dar, sondern ist mehr als eine didatktische Gliederung anzusehen. 1.1.1_Befruchtung, Furchung, Implantation Unter Embryogenese (altgr. émbryon = ungeborene Leibesfrucht und genesis = Entwick-lung/Entstehung) oder Embryonalentwicklung wird jene Phase der Keimentwicklung ver-standen, die von der Befruchtung der Eizelle über Furchung, Blastulation und Gastrulation zur Bildung der Organanlagen (Organogenese) führt und in der es zu einem wesentlichen Wandel in der äusseren Gestalt des Embryoblasten und Embryos kommt. Die ersten 8 Wochen der Schwangerschaft werden als Embryonalperiode bezeichnet. Während dieser acht Wochen werden die Grundlagen für alle Organe, Körpersysteme und Gewebe angelegt. Geht während dieser acht Wochen etwas nicht nach Plan, kann dies zu grundlegenden Fehlbildungen der Strukturen und Systeme führen. 1.1.2_Frühe Embryogenese Die Frühe Embryogenese – beim Menschen in der dritten Entwicklungswoche – ist die Pe-riode in der sich der Embryo am schnellsten entwickelt. Es kommt zur Determinierung seiner Achsen durch die Bildung des Primitivstreifens. 1.1.3_Bildung des Primitivstreifens Am 15. Entwicklungstag lässt sich in der Mitte des Epiblasten eine Verdickung der Zellen erkennen – der Primitivstreifen. Dieses bandartige Gebilde erlaubt zum ersten Mal eine räumliche Achsendetermination: die Längsachse wird festgelegt. Am kranialen Ende vom Primitivstreifen liegt der Primitivknoten. Seine Zellen sorgen für das Wachstum des Kopffortsatzes in kranialer Richtung. Dieses Wachstum wird von der Prächordalplatte (Chorda dorsalis) gestoppt. Nach der vierten Entwicklungswoche verschwindet der Primitivstreifen fast vollständig.

1.1.4_Gastrulation In einem fliessenden Übergang mit der ersten Phase der Embryogenese entwickelt sich die Gastrulation, die mit dem Hervorbringen der dreiblätterigen Keimscheibe abgeschlossen ist.

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o Das Ektoderm bildet den Ursprung des ZNS, der peripheren Nerven, der Haut sowie der epithelialen Anlagen der Sinnesorgane. o Aus dem Entoderm entwickeln sich die epithelialen Auskleidungen des Gastro-Intestinaltrakts, der Bronchien und Lungen, die Leber, das Pankreas und die Schilddrüse. o Aus dem Mesoderm gehen Knochen, Skelettmuskulatur, glatte Muskelzellen, Bindege-webe, Herz, Gefässsystem, Nieren und Milz hervor.

1.1.5_Entwicklung der Chorda dorsalis Die Entstehung der Chorda dorsalis ist von enormer Wichtigkeit, da sie als Leitstruktur zur Bildung der Wirbelsäule dient und die Abfaltung des Neuralrohres induziert. Die Chorda dorsalis entwickelt sich in der Keimscheibe direkt unterhalb der Ektoderm-schicht aus dem Mesoderm. Die Chorda dorsalis induziert die weitere Entwicklung des Gehirns, des Rückenmarks, der Wirbelsäule sowie der zugehörigen Muskeln und Bänder. Nachdem die Entwicklung des Gehirns, des Rückenmarks und der Wirbelsäule begonnen hat, verschwindet die Chorda dorsalis einfach wieder. Wichtig ist jedoch, dass die Chorda dorsalis anfangs die spätere Achse des Neugeborenen festlegt. Es erscheint wahrscheinlich, dass eine Verdrehung der Chorda dorsalis so früh in der Schwangerschaft für einige Formen der Skoliose im späteren Leben verantwortlich sein könn-te. (John E. Upledger)

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Unter dem Einfluss der Chorda dorsalis kommt es um den 18.-19. Tag herum zur Verdi-ckung der Neuralplatte. Im nächsten Schritt kommt es zur Abfaltung des Neuralrohres (Beginn der Neurulation) und zur groben Anlage jedes Organsystems, die sich dann in der folgenden Zeit der Emb-ryogenese fortsetzt. 1.1.6_Neurulation (Abfaltung des Neuralrohrs) Neurulation heisst der Vorgang, bei dem die Vorläufer des Gehirns und des Rückenmarks gebildet werden und ihre Arbeit beginnen. Als Erstes erscheint ein verdicktes Gebiet von Ektodermzellen auf der Keimscheibe, das vom zukünftigen hinteren Ende bis zum zukünftigen Kopfende des Embryos reicht. Es wird Neuralplatte genannt. Die Neuralplatte entwickelt dann in sich selber die oben erwähnte Neuralleiste. Aus dem Neuralrohr entwickeln sich Gehirn und Rückenmark. Ein Grossteil des Rückenmarks entsteht in der vierten Embryonalwoche. Eine Störung in der Schwangerschaft am 25., 26., oder 27. Tag kann zu einer Spina bifida oder einer anderen Missbildung (Meningozele, Myelozele) führen. Dies lässt den Verdacht auf-kommen, dass ein Mangel an Kalzium und/oder Proteinen bei der Mutter in den ersten vier Schwangerschaftswochen zu solchen Fehlbildungen beitragen könnte. Vorläufig werden aus-serdem ein Zink- und Folsäuremangel für die Bildung einer Spina bifida verantwortlich ge-macht. 1.1.7_die Neuralleiste Die Neuralleiste wird gebildet, wenn sich die Zellen in den Neu-ralwülsten spezialisieren. Diese spezialisierten Zellen wandern wäh-rend der Bildung des Neuralrohrs über dessen Oberfläche. Die Neu-ralleiste kommt dann zwischen der Oberfläche des Ektoderms und dem Neuralrohr zu liegen. Die Zellen der Neuralleiste bilden alle Nervenzellganglien, die ent-lang des Rückenmarks und im Kopf liegen. Bei Nervenzellganglien handelt es sich um eine Ansammlung von Nervenzellkörpern. 1.1.8_die Somiten Die Somiten bestehen aus paarigen Blöcken von Mesodermzellen (epitheloiden Zellen), die entlang des Neuralrohrs und der Chorda dorsalis angeordnet sind.

Am Ende der fünften Embryonalwoche ist der Prozess der Bildung der Somitenpaare abgeschlossen. Normalerweise sind dann vier occipitale, acht cervicale, zwölf thorakale, fünf lumbale, fünf sacrale und acht bis zehn coccygeale Somitenpaare angelegt.

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Jeder Somit ist in drei Abschnitte unterteilt, der jeweils eine bestimmte Gewebeart produ-ziert: 1_ Sklerotom 2_Myotom 3_Dermatom 1_Sklerotom Das Sklerotom bildet die Wirbelsäule. Der Einfluss der Chorda dorsalis bewirkt, dass die nicht spezialisierten Mesenchymzellen sich differenzieren und zu folgenden Zellarten ent-wickeln: Chondroblasten =produzieren das Knorpelgewebe Osteoblasten = stellen das Knochengewebe her Fibroblasten = sind für die Herstellung von Bändern, Faszien und Bindegewebe zuständig 2 Myotom Der Myotomabschnitt des Somiten produziert die Muskeln, die das Rumpfskelett bewe-gen und stützen. Die jeweils aus einem Myom entstandene Muskelgruppe wird von einem bestimmten Segment des Rückenmarks nervlich versorgt. 3 Dermatom Das Dermatom ist der Abschnitt des Somiten, der die Haut produziert. Als Dermatom wird ein Abschnitt der Haut bezeichnet, der seine Nervenversorgung aus einem einzigen Rückenmarkssegment erhält. Die Nerven eines Sklerotoms, Myotoms und Dermatoms des gleichen Somiten stammen alle hauptsächlich aus dem gleichen Rückenmarkssegment. Praxishinweis Das Rückenmark enthält horizontale Nervenfasern, die auf die andere Seite kreuzen. Dies hat zur Folge, dass beispielsweise ein Somit auf der linken Seite über dieses überkreuzende Ner-vennetz in enger Zusammenarbeit mit seinem Partner auf der rechten Seite steht = reziproke Innervation. In der Praxis heisst das Folgendes: befindet sich ein Muskel auf einer Körperseite in einem chronischen Spasmus, kann dieser Spasmus oft gelöst werden, indem der Patient den glei-chen Muskel auf der anderen Körperseite anspannt. Diese Anspannung auf der gesunden Sei-te kann zur Entspannung des chronisch spastischen Muskels führen. Es scheint, als ob der überschüssige Nervenimpuls an den spastischen Muskel durch die An-spannung des gesunden Muskels umgeleitet würde.

1.1.9_Gehirn und Rückenmark Während der dritten und vierten Embryonalwoche kommt es zur Abfaltung des Embryos, welche die Gliederung des Gehirns in die einzelnen Abschnitte beeinflusst. Es bilden sich drei Vesikel am vorderen Ende des Neuralrohrs. Ein Vesikel ist ein kleiner, flüssigkeitsge-füllter Sack oder eine Zyste.

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Aus diesen drei Vesikeln entstehen sehr bald folgende Strukturen: 1_Vorderhirn und Prosenzephalon 2_Mittelhirn oder Mesenzephalon 3_Rautenhirn oder Rhombenzephalon 1. Abfaltung die erste Abfaltung ist die Scheitelbeuge, welche mehr im Bereich des Mittelhirns stattfin-det. Das Mittelhirn liegt direkt hinter dem Vorderhirn. Diese Beuge erlaubt es dem Vorderhirn sich über das vordere Ende der Chorda dorsalis zu biegen. 2. Abfaltung Zur gleichen Zeit findet eine zweite Abfaltung, die rhombenzephalische Beuge, am Über-gang des Gehirns zum Rückenmark statt. 3. Abfaltung Die dritte Abfaltung, die Brückenbeuge, macht eine Biegung nach hinten.

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2_die Bildung des Schädels Während der dritten und vierten Embryonalwoche bewirkt die Chorda dorsalis die Bildung von Chondroblasten (= bilden das Knorpelgewebe). Diese Chondroblasten stellen eine knorpelige Basalplatte her, die eine Basis für den Schä-del bildet. Später wird dieses Knorpelgewebe verknöchern und die Knochen des Schädel-bodens bilden. Vier der Somiten tragen zur Bildung der Schädelbasis zwischen der Sella turcica (im Tür-kensattel befindet sich die Hypophyse) und dem hinteren Teil des Occiput bei.

Embryo am Ende der dritten Entwicklungswoche

Zwei seitliche Knorpel produzierende Gebiete bilden sich um die Chorda dorsalis. Dadurch wird das Foramen magnum geformt. Normales Knorpelwachstum bildet dann die vollständige Schädelbasis. Das Schädeldach entsteht aus der Membran, welches kalzifiziert und die Knochen des Schädeldachs bildet. Der Verkalkungsprozess setzt sich während fast der gesamten Schwangerschaft fort und er findet erst seinen Abschluss, wenn sich die Fontanellen während der Kindheit ver-schliessen.

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Das Chondrocranium (=bildet den Boden der Schädelhöhle) in der 6. SSW.

Das Chondrocranium in der elften Schwangerschaftswoche

Mit dem Beginn des dritten Monats p.c. (post conceptionem) wird die weitere Entwick-lung, die sich im Wesentlichen durch schnelles Körperwachstum auszeichnet, als Fetalpe-riode, die weitere Entwicklung als Fotogenese bezeichnet.

Die restlichen 30 bis 34 Wochen in der Gebärmutter dienen Wachstum, Entwicklung und Ausdifferenzierung der Organe, Systeme und Gewebe. Tritt ein Problem nach der achten Entwicklungswoche auf, kann es zu Störungen im Wachstum, in der Entwicklung oder in der Ausdifferenzierung der betroffenen Strukturen kommen.

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2.1_das Schädelwachstum Der Schädel besteht aus 22-30 miteinander über die Suturen verbundene Knochen. Anatomisch unterscheidet man: 1. Hirnschädel (lat. Neurocranium), der eine stabile Hülle um das Gehirn bildet. Morpholo-gisch wird der Hirnschädel in das Schädeldach (Calvaria, Schädelkalotte) und die Schädel-basis unterteilt, welche die Schädelhöhle umgeben. 2.Gesichtsschädel (lat. Viscerocranium), der die Grundlage für das Gesicht bildet. 2.1.1_Die Knochenentwicklung des Schädeldaches Das entstehende Schädeldach besitzt Verknöcherungspunkte (Ossifikationszentren), von de-nen die Knochenbildung strahlig nach allen Seiten ausgeht. Dadurch entstehen paarige Hö-cker, und zwar zwei Stirnhöcker, Tubera frontalia, und zwei Scheitelhöcker, Tubera parietalia. Die Knochen des Schädeldaches entwickeln sich aus Bindegewebe und bilden somit eine Aus-nahme. Sie entwickeln sich aus dem Bindegewebe des äusseren Blattes der Dura mater. Für die craniale Osteopathie ist diese unterschiedliche Herkunft der Schädelknochen von grosser Bedeutung. Die Knochen des Schädeldaches mit der bindegewebigen Anlage werden im Gegensatz zu den Knochen der Schädelbasis als in sich flexibel betrachtet. Die fixen Verbindungen von Knochen und Duragewebe finden sich nicht im Bereich der Bindege-websknochen, sondern vor allem im Bereich der knorpelig angelegten Knochen der Schädelbasis und der einzelnen Wirbelkörper. Die Form des Schädels ist abhängig einerseits von den Muskeln, die durch ihre Funktion be-stimmte Veränderungen hervorrufen können, und andererseits vom Inhalt des Schädels. So besteht eine Korrelation zwischen der knöchernen Hirnkapsel, Neurocranium, und dem Gehirn andererseits. Es besteht jedoch nicht nur eine Wechselwirkung innerhalb des Neurocranium, sondern auch eine enge Beziehung zum Gesichtsschädel. So hängen die Ausbildung der Muskulatur und des Verspannungssystems der harten Hirnhaut innerhalb des Neurocraniums voneinander ab. Erst nach der Geburt kommt es in den ersten Lebensjahren zu einem Wachstum des Gesichts-schädels. Beim Neugeborenen beträgt das Verhältnis von Hirnschädel zu Gesichtsschädel noch 8:1, beim fünfjährigen Kind 4:1 und beim Erwachsenen 2:1. Im 4. Lebensjahr hat der Hirnschädel 90 % seiner Grösse erreicht, der Gesichts- schädel aber erst 40-50%.

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2.1.2_das Wachstum der Schädelbasis Die Entwicklung des Viszerokraniums geschieht in Abhängigkeit von Wachstum und Entwick-lung des Neurokraniums, insbesondere der Schädelbasis. Mit der Umwandlung des Mesenchyms zu Knorpelgewebe beginnt die Bildung der Schädelba-sis etwa um den 40. Tag in utero. Die Verknöcherung der Schädelbasis vollzieht sich zwischen der 10.-20. Woche. Entwicklung und Wachstum der Nasenhöhle sind ein Teil dieser Gesamt-entwicklung. Die Vergrösserung der Schädelbasis ergibt sich aus dem Zusammenspiel von zwei Faktoren: 1. dem Wachstum des Knorpelgewebes zwischen den Knochen 2. durch die expansiven Kräfte, die vom wachsenden Gehirn ausgehen Durch interstielles Wachstum der eingelagerten Knorpel an den Synchondrosen werden be-nachbarte Knorpel auseinandergedrängt, wobei durch appositionelles Knochenwachstum an den Rändern der Suturen eine Vergrösserung der Knochen stattfindet.

Am meisten trägt das postnatale Wachstum der Synchondrosis sphenobasilaris (SSB) zur Entwicklung der Schädelbasis bei. Die SSB bleibt bis in das frühe Erwachsenalter als Wachs-tumszone erhalten.

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Das Wachstum der Schädelbasis muss alle Öffnungen für die zahlreichen Durchgänge der Nerven und Blutgefässe erhalten. Die Schädelbasisknochen „schwimmen“ wie Packeis auf dem Meer.

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Praxishinweis William Garner Sutherland D.O. (1873-1954) Nachdem Sutherland das Grundkonzept der Cranialen Osteopathie entworfen hatte und in seiner Praxis umsetzte, war es ihm ein grosses Anliegen, ein Konzept für die cranialen Kinderbehandlungen, insbesondere für die behinderten Kinder zu entwickeln. Sutherland studierte nochmals die embryonale Entwicklung der Schädelknochen, die Ge-burtsmechanik für den Schädel und die Membranstrukturen. Sutherland hat mit seiner Ar-beit bereits die Grundlagen für die Kinderbehandlungen gelegt. „The hole in the tree“ nannte er das Foramen magnum des Os occipitale. Er wies bereits damals auf den grossen Einfluss des Os occipitale und auch auf die Stellung der übrigen Schädelknochen hin. „Bent twig“ nannte er die Kinder mit einem verdrehten Os occipitale. Er fragte sich: „In a locked mechanism how is the brain going to develop?“

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Sutherland nahm an, dass ein von Schädelfehlstellungen beeinträchtigtes Craniosacral System eine Ursache für eine geistige und / oder körperliche Behinderung sein kann und dass das Nervensystem auf zusätzliche später im Leben auftretende Belastungen mit Dys-funktionen reagiert. Im Sinne des obigen Zitates war es ihm wichtig, die Schädelfehlstellungen so früh wie möglich zu lösen. Um 1930 begann er sein „bent twig research“ und besuchte regelmässig eine Kinderklinik, wo er behinderte Kinder untersuchte und behandelte. Ein wichtiger Hintergrund seiner Forschung war, dass die Schädelbasis bei der Geburt aus dreizehn kleinen Knochenteilen besteht: das Os occipitale besteht aus 4 Teilen, das Os sphenoidale aus 3 und die beiden Os temporale je aus 3 Teilen. Die Dura mater gibt dem Schädel des Kleinkindes die notwendige Stabilität.

3_Die postnatale Entwicklung 3.1_die physiologische Entwicklung Die kognitive, motorische, sprachliche und soziale Entwicklung eines Kindes innerhalb und ausserhalb des Mutterleibes ist von den Reifungsprozessen des zentralen Nerven-systems (ZNS) abhängig. Alle Reize aus der Aussenwelt und die Reize der eigenen Körperfunktionen sind prägend für die Reifungsqualität des Gehirns. Für die tägliche Arbeit in der craniosacralen Praxis sind die Kenntnisse der alters-entsprechenden physiologischen Entwicklung eines Kindes eine wichtige Voraussetzung. Im Rahmen dieser Diplomarbeit werde ich nicht weiter auf die sensomotorische Entwicklung eingehen. Im Anhang stelle ich das Bobath-Konzept sowie die sensorische Integrationsthera-pie nach Jean Ayres näher vor. 3.2_physiologische Reflexe im 1. Lebensjahr Im 1. Lebensjahr sind die physiologischen Reflexe für die Frühdiagnostik und Abweichung der Entwicklung sehr wichtig. Diese charakteristischen Reflexe und Reaktionen sowie ihr zeitliches Auftreten und Verschwinden können bei der Beurteilung des individuellen Ent-wicklungsstandes des Kindes zu Rate gezogen werden (Flehmig 1996, Badaljan 1975). Prechtl und seine Mitarbeiter (1998, 2001) entwickelten eine Methode zur Diagnostik der infantilen Zerebralparese (ICP) bereits in den ersten Lebensmonaten.

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Auch in der craniosacralen Osteopathie sind diese Reflexe und Reaktionen wichtig. So lässt sich aus den Reflexen und Reaktionen im 1. Lebensjahr auf die Struktur und die Entwick-lung des Gehirns schliessen. Das Neugeborene / der Säugling zeigt viele charakteristische Reaktionen, die unter der Dominanz subkortikaler Kerne stehen, da diese vor der Hirnrinde ausgereift sind. Mit zunehmender Hirnreifung werden diese primären Verhaltensmuster gehemmt und ver-schwinden aus dem motorischen Antwort-Repertoire des Kindes (Möckel/Mitha). Blythe (1979) ist der Ansicht, dass die normale Entwicklung gestört sein wird, wenn die pri-mitven Reflexe im 1. Lebensjahr persistieren.

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4_das Os Occipitale 4.1 _Lage Das Hinterhauptbein (auch Hinterhauptsbein; lat. Os occipitale oder kurz Occiput) ist ein unpaariger Knochen, der das Hinterhaupt bedeckt. Es bildet einen Grossteil der Schädelbasis des Neurokraniums und schützt das Kleinhirn. Es ist der einzige Schädelknochen, der mit der Halswirbelsäule artikuliert. Das Os occipitale bildet zusammen mit dem Atlas das erste Kopfgelenk. Das Os occipitale nimmt den grössten Anteil der Rückseite des Kopfes und einen grossen Anteil der Schädelbasis ein . Der Knochen ist auf der Aussenseite (Facies externa) konvex und auf der Innenseite (Facies interna) konkav.

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4.2_ Anatomie 4.2.2 Anteile Das Os occipitale unterteilt sich in vier Teile

- Pars basilaris - zwei Partes laterales - Pars Squamosa

Alle vier Teile sind um das Foramen mag-num angeordnet. Durch ihn ziehen die Medulla oblongata als auch der Ramus ex-ternus des N. accessorius sowie wichtige Blutgefässe wie die Arteria spinalis anterior und posterior, die Arteria vertebralis und die Vena spinalis. Pars basilaris Die Pars basilaris befindet sich anterior des Foramen magnum und neben der Schläfenbein-schuppe (Pars petrosa des Os temporale). Anterior verschmilzt sie während der Pubertät mit dem Os sphenoidale (Os tribasilare) und bildet so den Clivus. Sowohl der M. constrictor pharyngis superior als auch die Raphe pharyngis (Sehnenstreifen der Schlundmuskulatur) sind am Tuberculum pharyngeum befestigt, das sich an der Unter-seite der Pars basilaris befindet. Pars lateralis / Pars condylaris Die zwei Partes laterales, auch Partes condylares genannt, befinden sich lateral des Foramen magnum. Sie bilden zusammen mit dem Pars basilaris den konvexen, schräg nach vorn medial verlaufenden Condylus occipitalis. Diese Gelenkflächen bilden mit dem ersten Halswirbel das Articulatio atlanto-occipitalis. Die inneren Öffnungen des Canalis condylaris und des Canalis nervi hypoglossi sind sichtbar sowie der Proc. jugularis, der sich am Aufbau des Foramen jugulare beteiligt. Dieser Fort-satz entspricht dem Querfortsatz eines Wirbels. Die Vena emissaria condylaris zieht durch den Canalis condylaris, welche den Plexus venosus vertebralis externus mit dem Sinus sigmoideus verbindet. Der Nervus hypoglossus (XII) tritt durch den Canalis nervi hypoglossi aus, der durch die Pars lateralis des Os occipitale verläuft.

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Praxishinweis: Der N. hypoglossus (VII) verläuft unter den Kondylen im Canalis nervi hypoglossi im Knorpel, der Pars lateralis und Pars basilaris verbindet. Er ist der motorische Zungennerv und wenn er gedehnt oder komprimiert wird, ist das Kind möglicherweise nicht in der Lage, die Zunge beim Saugen entsprechend einzusetzen. Pars squamosa / Squama occipitalis Die Pars squamosa (Squama occipitalis, Hinterhautschuppe) ist der grösste der vier Teile. Eine ertastbare Knochenwölbung an der Mittellinie der Aussenseite des Knochens, die Pro-tuberantia occipitalis externa, dient als Ansatzfläche für den Musculus trapezius. Zusätzlich weist die äussere Oberfläche drei bogenförmige Knochenleisten, die sogenannten Nacken-linien auf: 1_Die Linea nuchalis suprema verläuft laterial von der Protuberantia occipitalis externa und ist der Ansatzpunkt des Musculus epicranius und der Galea aponeurotica. 2_Die Linea nuchalis superior verläuft etwas darunter. Sie bildet den Ansatz des Musculus trapezius, des M. sternocleidomastoideus und des M. splenius capitis. 3_Die Linea nuchalis inferior verläuft etwas tiefer. Über ihr setzt der Musculus semispinalis an. Sowohl die Falx cerebri als auch das Tentorium cerebelli sind an der Squama occipitalis befes-tigt und treffen sich am Sinus rectus im Zentrum des „Rades“, das durch die RSM gebildet wird.

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Die Falx cerebelli dient wahrscheinlich einer ähnlichen Funktion, indem sie die 4 Anteile des Os occipitale stabilisiert, damit die adaptive Verformung nicht zu gross wird. Auf der Innenseite weist die Pars squamosa des Os occipitale Vertiefungen auf, die von int-raduralen venösen Blutleitern gebildet werden: dem Sinus sagittalis superior, dem Sinus transversus und dem Sinus sigmoideus. Die Eminentia cruciformis wird durch den Confluens sinuum hervorgerufen. Oberhalb des Sulcus sinus transversus befindet sich eine Mulde für die Okzipitallappen des Gehirns (Fossa cerebralis), in der darunter liegenden Grube liegt das Kleinhirn (Fossa cerebel-laris).

Fossae occipitales cerebrales für die Lobi occipitales der Grosshirnhemisphären Fossae occipitales cerebellares für die beiden Kleinhirnhemisphären Protuberantia occipitalis interna ist die vorspringende Kreuzungsstelle der Furchen Die Sinus liegen in den „Sicheln“ der Dura und treffen sich am Confluens sinuum an der Protuberantia occipitalis interna. Protuberantia occipitalis externa befindet sich auf der Aussenfläche der Squama occipitalis . die Protuberantia occipitalis externa ist eine Ursprungsstelle der Pars descendens des Muscu-lus trapezius. Die Knochenvorsprünge entstehen durch Muskelzug, z.B. bei Kopfaufrichtung gegen die Schwerkraft.

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4.3_Ossifikation Die Pars basilaris und laterales entwickelt sich durch chondrale Ossifikation zwischen dem 5. und 8. Lebensjahr. Die Pars squamosa und die Partes laterales ossifiziert zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr. Der Grossteil der Pars squamosa verknöchert ebenfalls chondral, mit Ausnahme des oberen Teils, der sich auf desmale Weise entwickelt. Praxishinweis Eva Möckel schreibt in ihrem Handbuch der pädiatrischen Osteopathie folgendes über das Os occipitale: „Das Os occipitale liefert ein klassisches Beispiel für die Bedeutung von intraossären Strains. Seine vier Teile bilden das Foramen magnum und bei einer starken Distorsion kann der Hirn-stamm so verletzt werden, dass es zu einer Behinderung kommen kann. Eine Störung der Teile des Os occipitale, mit einer Asymmetrie und einer Kompression rund um das Foramen magnum, führt zu einem Strain in den anderen Teilen dieser „Dreifuss-Struktur“: Falx cerebri und den zwei Bahnen des Tentorium cerebelli als Beine, die sich am Sinus rectus treffen.

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Eine Veränderung der Spannung im Tentorium und in der Falx führt somit zu einer Verformung der Schädelbasis. Der Kopf des Kindes kann sich dann angespannt, unelastisch und „knöchern“ anfühlen, und das Kind ist häufig unruhig und kann nicht still halten. Es ist also kein Wunder, dass Sutherland, sein Lehrprogramm immer mit einem detaillierten Studium des Os occipitale zum Zeitpunkt der Geburt begann. Die zukünftige motorische und sensorische Koordinationsfähigkeit des Kindes, seine Intel-ligenz, Gestalt und Struktur hängen davon ab, ob das ZNS in diesem Bereich gut unterge-bracht oder Belastungen ausgesetzt ist. Abgesehen von der Möglichkeit schwer wiegender Ereignisse peri-, prä- oder postnatal können chronische und subtile Auswirkungen einer int-raossären Distorsion und Kompression auftreten. Klinische Auswirkungen treten eventuell erst in der späteren Kindheit auf, wenn eine Skoli-ose, eine Störung der Okklusion oder ein Unfall die Probleme zum Vorschein bringen. Beim Erwachsenen lässt sich beobachten, dass viele chronische Probleme, die scheinbar auf hormonelle Störungen oder Infektionen zurückzuführen sind, ihren wirklichen Ursprung in sol-chen nicht aufgelösten intraossären Distorsionen zu Beginn des Lebens haben. 4.4_Das Foramen magnum Alle 4 Teile (Pars basilares, 2 Partes laterales und die Squama occipitalis) umschliessen das Foramen magnum. Das Foramen magnum ist die Durchtrittsstelle für die Medulla oblongata und die beiden Ar-teriae vertebrales. Das Foramen magnum vergrössert sich v.a. bis zum 6. Lebensjahr

Sutherland hebt das Foramen magnum besonders hervor, da die Dura mater fest an seinem Rad befestigt ist: „ Hier ist die obere Aufhängung der intraspinalen Dura mater, einer Fort-setzung der inneren Schicht der Dura mater des Schädels. Die intraspinale Dura mate r ist nicht am Atlas befestigt. Die Dura mater ist am 2. und zuweilen auch am 3. Halswirbel fixiert. Von dieser Region hängt sie einem hohlen Rohr vergleichbar quasi lose hinab bis zum Sakrum, an dem sie ebenso fest am Knochen befestigt ist. Wenn sich das Os occipitale bei der Inhalation nach vorne bewegt, kann man feststellen, dass sich das Foramen magnum nach oben in eine höhere Position bewegt. Es gibt eine Bewegung in der Reziproken Spannungsmembran des Canalis spinalis, die das Sakrum in eine Position mitnimmt, in der sich die Basis sacralis nach oben und der Apex nach vorne bewegt.“

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4.5_Eigenbewegung des Os occipitale Das Os occipitale dreht sich um eine transversale Achse, die ca. auf Höhe des Foramen jugulare oberhalb des Foramen magnum liegt. In der Flexion bewegt sich die Pars basilaris nach kranial/dorsal (oben/hinten) und die Spitze der Hinterhauptsschuppe bleibt am Ort. Das ganze Os occipitale hat auch eine intraossäre Bewegung, d.h. in der Flexion wird das Hinterhauptsbein breiter (CV4-Technik). Diese Bewegung ist vergleichbar mit der Öffnung eines Blütenblatts: dieses öffnet sich am Morgen und gleichzeitig entrollt es sich. Die Region der Schädelbasis mit Hinterhauptsbein / Atlas-Gelenk (oberes Kopf- gelenk) ist fast immer in seiner Mobilität eingeschränkt.

4.6_Hirnnerven Durch Torsionen und Kompressionen der Schädelbasis und im oberen Kopfgelenk können die Hirnnerven komprimiert oder irritiert werden. Die Oberkante des Felsenbeines des Os temporale dient zur Grobeinteilung der Topogra-phie der Hirnnerven:

- die Hirnnverven N. facialis (VII) und N. vesitbulocochlearis (VIII) ziehen durch das Felsenbein des Os temporale.

- die Hirnnerven IX – XII posterior der Pyramidenkante können bei einer Dysfunktion im Bereich des Os occipitale in ihrer Funktion beeinträchtigt sein.

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4.6.1 Das Foramen jugulare Das Foramen jugulare (lat. für Drosselloch) eingebettet in die OM-Naht, wird vom Os occipi-tale und der Pars typancia des Os temporale gebildet. Durch diese grosse Öffnung in der Schädelbasis treten die drei Hirnnerven N. glossopharyngeus IX, N. vagus X, N. accessori-us XI und die Vena jugularis interna auf die Aussenseite des Schädels aus. Praxishinweise: Dysfunktionen im Bereich der Sutura occipitomastoidea können die gesamte venöse Drainage aus dem Kopfbereich stören.

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Den N. vagus gilt es vor allem bei Säuglingen zu beachten, die nach den Mahlzeiten erbre-chen und weinen. Die motorische Komponente der N. glossopharyngeus trägt durch Anheben der Pharynx zum Schluckvorgang bei. Noch wichtiger ist aber, dass seine vom Glomus caroticum ausge-henden sensorischen Fasern den Hypothalamus in der Kontrolle von Atmung, Blutdruck und Herzleistung unterstützen. Ein Torticollis kann aus einer Muskelverletzung während der Geburt oder aus einer einseiti-gen Kompression des N. accessorius resultieren, er kann aber auch durch die intrauterine Lage bedingt sein. 4.7_ Synchondrosis sphenobasilaris (SSB) Die knorpelige Verbindung zwischen dem Os sphenoidale und dem Os occipitale im Be-reich des Clivus ist eine Synchrondose. Das bedeutet, dass zuerst ein hyaliner Knorpel zwi-schen den beiden Gelenkanteilen liegt, der später in Spongiosa umgebaut wird. Diese Ossikfikation ist bis zum 25. Lebensjahr abgeschlossen. Sutherland glaubte, dass der so gebildete spongiöse Knochen das gesamte Leben hin-durch einen gewissen Grad von Flexibilität beibehält. Praxishinweis: Dieser Verbindung kommt in der CSO-Therapie eine zentrale Bedeutung zu, da an dieser Stelle eine Mobilität der Schädelknochen festgestellt werden kann. Läsionen wie z.B. eine Verschiebung der Gelenkanteile in der Vertikalen, Horizontalen oder Torsi-onen, führen zu Fixationen einzelner Schädelknochen. Läsionen oder Dysfunktionen der SSB können auch intrauterin zu Verschiebungen der Knochen-komponenten der SSB führen und so Problemstellungen verursachen. 4.8_ Suturen Die Sutur (lat. Sutura; Knochennaht) ist die bindegewebige Nahtstelle zwischen zwei Schä-delknochen. Sie gehört zu den unechten Gelenken. Das Neugeborene hat keine eigentlichen Suturen, sondern nur Knochenränder. Bei der Geburt sind die Suturen in der Regel ca. 0,5 – 0,7 cm breit. Erst im Alter zwischen 5 und 12 Jahren bilden sich die typischen Verzahnungen der Schädel-nähte. o Sutura metopica oder frontalis (zwischen den Ossa frontalia) Ossifikation: im ersten Lebensjahr, so dass das Os frontale als unpaariger Knochen erscheint o Sutura coronalis oder frontoparietalis zwischen Os frontale und Os temporale Ossifikation zwischen dem 30.-40. Lebensjahr

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o Sutura sagittalis oder interparietalis zwischen den Ossa parietalia Ossifikation zwischen dem 20.- 30. Lebensjahr o Sutura lambdoidea oder occipito-parietalis zwischen Os occipitale und den Ossa parietalia Ossifikation zwischen dem 40.-50. Lebensjahr o Sutura occipitomastoidea: zwischen dem Os temporale (Mastoid) und Occiput o Sutura squamosa: zwischen der Squama des Os temporale und dem Os parietale einerseits und dem Os sphenoidale andererseits Praxishinweise: Aus medizinischer Sicht ist die Hauptsorge, dass bei einem vorzeitigen Verschluss der Schä-delnähte nicht genug Platz für das wachsende Gehirn vorhanden ist, da das Wachstum der Hirnschädelknochen vor allem im Bereich der knorpeligen Nähte stattfindet. Die Folge kann eine Erhöhung des intrakranialen Drucks mit gravierenden neurologischen Folgen sein. 4.9_ die Fontanellen Der Begriff Fontanelle (altfranz. „kleine Quelle“) bezeichnet den noch nicht durch knöcher-ne oder knorpelige Struktur umfassten Bereich des Schädels von Neugeborenen und Säug-lingen. Die Fontanellen sind Stellen, an denen mindestens drei Abdeckplatten des Schädels noch nicht vollständig aneinander angrenzen.

Die Fontanellen haben vor allem bei der Geburt eine wichtige Aufgabe. Sie ermöglichen durch ein Übereinanderschieben der Schädelknochen eine Verkleinerung des Schädels und erleich-tern damit den Durchtritt durch den Geburtskanal.

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Bregma ist die anteriore grosse Fontanelle und besteht bis zum Alter von 18 Monaten, sie kann aber radiologisch bis zu 24 Monaten nachgewiesen werden. An dieser Stelle treffen jeweils die rechten und linken Ossa frontalia (Stirnbeine) sowie die Ossa parietalia (Scheitelbeine) aufeinander. Es ist die Vereinigungsstelle der Sutura coronalis mit der Sutura sagittalis und der Sutura fron-talis. Praxishinweis: Erst einige Tage nach der Geburt erreicht die grosse Fontanelle ihre richtige Grösse. Bei Durchfall kann die Fontanelle eingesunken sein, wenn das Kind schreit oder bei erhöhtem Hirndruck ist die Fontanelle vorgewölbt. Lambda ist die posteriore kleinere Fontanelle und bleibt bis zum 12. Lebensmonat offen. Die Lambda liegt am Hinterkopf, am Berührungspunkt der Ossa parietalia mit dem Os occipitale. Die Sutura sagittalis trifft an der Fontanelle Lambda auf die Sutura lambdoidea. Die Fontanellen Bregma und Lambda sind bei der Geburt für die Feststellung der Position des kindlichen Kopfes sehr wichtig. Die Pterion-Fontanellen oder auch Temporal-Fontanellen (Fonticulus sphenoidalis) liegen zwischen Os frontale und Os parietale sowie dem grossen Keilbeinflügel. Die Asterion-Fontanellen (Fonticulus mastoideus) liegen beiderseits des Kopfes Zwischen dem Os temporale, dem Os parietale und dem Os occipitale. Die Fontanellen Pterion und Asterion schliessen sich im Alter zwischen 6 Wochen und 12 Mo-naten.

4.10_Besonderheiten der Dura beim Neugeborenen Die Dura wird aus Zellen der Neuralleiste, dem Mesektoderm, gebildet und besteht aus Binde-gewebe. Sie besteht fast nur aus kollagenen Faser und ist eine derb glänzende Membran. Wie Carreiro (2004) bei ihren Präparationen festgestellt hat, kann man die äusseren und inne-ren duralen Schichten beim Neugeborenen wie einen Beutel sehen, der an Knochenplatten verankert ist, die bei der embryologischen Entwicklung innerhalb des Beutels entstehen. Die innere durale Schicht wurde dabei durch das Wachstum des Schädels gefaltet und formt so die Falx cerebri, die Falx cerebelli und das Tentorium cerebelli. Die Anordnung der Dura beim Neugeborenen unterscheidet sich von der des Erwachsenen. Am wichtigsten ist dabei das vordere durale Band (Septum transversum anterius), eine dicke bilate-rale Einfaltung der Dura, die von den Ala minora ossis sphenoidalis nach koronal zum Schädel-dach verläuft. Möckel schreibt folgendes: „Das anteriore transversale durale Bank ist zum Zeitpunkt der Geburt 8x stärker als das Tentorium cerebelli, dadurch ist auch der vordere Teil des Schädels sehr gut geschützt.

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Dieser durale Reifen spielt eine wichtige Rolle bei der empfindlichen Balance der mechanischen Kräfte, die die Entwicklung der Knochen des Schädeldachs innerhalb ihrer duralen Umhüllung organisieren. Das vordere durale Band ist eine Einfaltung der Dura zwischen dem Frontallappen und den beiden Schläfenlappen, sitzt also zwischen der vorderen und mittleren Schädelgrube. Wenn das Gehirn nach der Geburt wächst, nimmt dieses Band allmählich an Wichtigkeit ab.

„Fünfstern“ erwachsener Schädel kindlicher Schädel

Vor allem bei der Geburt hat das vordere Band eine wichtige Funktion: es verhindert eine ext-reme Konfiguration des Schädels mit eventuellen Rissen der empfindlichen Falx cerebri und des Tentorium cerebelli.“ Die Fasern der Hirnnerven des N. trigeminus (V), des N. vagus (X) und des N. hypoglossus (XII) sowie den drei oberen cervicalen Spinalnerven sind für die sensible Versorgung der cranialen Dura verantwortlich. Praxishinweis: Es ist sinnvoll, nach einer schwierigen Geburt die Falx cerebri, den anterioren Duragurt und das Tentorium zu untersuchen und bei Bedarf zu behandeln.

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5_knöcherne Begrenzungen 5.1_Os sphenoidale 5.2_Os parietale 5.3_Os temporale 5.4Atlas_

5.1_Os sphenoidale Bei der Geburt werden drei Teile unterschieden: Die 2 Alae majores mit den Procc. pterygoidei sind jeweils durch eine Knorpelzone mit dem Corpus und den Alae minores verbunden. Eine Frühgeburt bringt viele Risiken mit sich, wobei in der Praxis auch die intraossäre Kom-pression oder ein Scherkraftmuster des Corpus ossis sphenoidalis, das die Hypophyse mit ihren Verbindungen zu Hypothalamus, 3. Ventrikel und Mittelhirn enthält, zu beachten ist. Die Ossifikation des Os sphenoidale ist gegen Ende des ersten Lebensjahres abge- schlossen. Die Keilbeinhöhlen entwickeln sich weiter und erreichen erst nach der Pubertät ihre endgültige Grösse. Praxishinweis: Die Hirnnerven III (N. occulomotorius), IV (N. trochlearis) und VI (N. abducens), die die äusseren Augenmuskeln kontrollieren, verlaufen durch die Fissura orbitalis superior. Treten Strains zwischen diesen Teilen auf, kann das zu einer Stauung und Beeinträchtigung dieser Nerven und damit zu einem Strabismus führen. 5.2_Os parietale Paariger Knochen, bildet ein Grossteil des Schädeldaches 5.3_Os temporale Das Os temporale besteht zum Zeitpunkt der Geburt aus 3 Teilen:

- Pars squamosa - Pars tympanica verbindet sich mit den anderen

Teilen im 7. Schwangerschaftsmonat. - Pars petrosa

Das Os temporale hat beim Neugeborenen noch keinen Proc. Mastoideus, der den N. facialis bei seinem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum schützt. Die Entwicklung des Processus mastoideus beginnt zu diesem Zeitpunkt zum Teil unter Einwirkung der Zugkraft durch den Musculus sternocleidomastoideus.

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Die Ossifikation ist am Ende des ersten Lebensjahres abgeschlossen. Bei der Geburt haben äusserer Gehörgang, Gehörknöchelchen und Trommelfell annähernd die gleiche Grösse wie beim Erwachsenen. 5.4_ Atlas Der Atlas hat beim Neugeborenen 3 Teile:

- die beiden Massae laterales - der Arcus anterior

Auch wenn es häufig heisst, dass der Atlas bei der Geburt aus 3 Teilen, besteht, ist es doch so, dass der Arcus anterior aus Faserknorpel besteht und sein Ossifikationszentrum nicht vor Ende des 1. Lebensjahres entsteht.

Die beiden Masse laterales verschmelzen etwa im dritten Lebensjahr zum Arcus posterior: der Arcus anterior verbindet sich im Alter zwischen 7 und 9 Jahren mit den beiden Massae laterales. In der Ossifikation des Atlas spiegelt sich zeitlich die Ossifikation des Os occipitale wider.

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Die Oberfläche des Condylus occipitales des Os occipitale ist beim Säugling ganz leicht kon-vex, während die Facies atricularis superior des Atlas konkav ist. Praxishinweis: Die Gelenkflächen des Os occipitale (Condylus occipitales) liegen schräg nach innen. Geht der Kopf in eine Hyperextension erfährt das obere Kopfgelenk eine beidseitige Verkeilung der Condylen des Os occipitale mit den Facetten des Atlas, da diese auch in einer V-Stellung zueinander stehen. Dies kann während der Geburt passieren oder auch wenn sich das Baby intrauterin früh dreht (Kopf nach unten) und dann während mehrerer Wochen in dieser Stellung im Ge-burtskanal bleibt.

Die Spätfolgen eines Schiefhalses sind die Schädelasymmetrie, eine deutliche eingeschränkte Beweglichkeit der oberen Kopfgelenke, asymmetrisches Reflex- und Bewegungsverhalten, übermässiges schreien, Berührungsempfindlichkeit im Nackenbereich, inadäquates Verhalten auf Lagewechsel, Tonusauffälligkeiten. Die Autoren des KISS Syndroms sprechen davon, dass der Schiefhals durch eine Fehlstellung des Atlas bedingt ist. Die CSO/CS-Therapie betrachtet eine Atlasfehlstellung nicht als die alleinige Ursache für den Schiefhals. Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen Schiefhals im Säuglingsal-ter und ADS/ADHS im Schulalter.

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Neuere klinische Studien (Yu, Wong 2004) haben die Krankheitsbilder Torticollis und Plagioce-phalie untersucht. Sie fanden heraus, dass Asymmetrien des Schädels und Gesichtes bei einem infantilen Torticollis bestehen bleiben können, wenn die damit verbundene Kontraktur des M. sternocleidomastoideus unbehandelt bleibt. Daher ist es wichtig, den Kopf des Säuglings auf Einschränkungen der kranialen artikulären Mobilität hin zu untersuchen, zusätzlich zur Untersuchung von somatischen Dysfunktionen der Wirbelsäule, die mit den beobachteten Asymmetrien des Bewegungsappartes in Zusammen-hang stehen. Praxishinweis: Als Kinderphysiotherapeutin bin ich tagtäglich mit dem Krankheitsbild des Torticollis und Pla-giocephalus konfrontiert. Ein Torticollis muscularis macht eine Lateroflexion zur betroffenen Seite und eine Rotation des Kopfes zur gesunden Seite. Eine Plagiocephalie, eine Fehlentwicklung von HWS und Gesichtsschädel können die Fol-gen sein. Seit der „back to sleep capaign“ der American Pediatric Society 1992, die zur SIDS (Sudden Infant Death Syndrome) empfahl, Neugeborene und Säuglinge während des Schlafens in Rü-ckenlage zu lagern, nahmen die Asymmetrien um ein Fünffaches zu. Je früher ein Säugling in die Behandlung kommt, umso besser sind die Heilungschancen. Sehr wichtig sind die korrekte Lagerung sowie das Handling, in dem die Eltern in der ersten physiotherapeutischen Behandlung angeleitet werden. Ebenso wichtig ist eine Anpassung des Umfeldes (Spielsachen, Mobile auf die betroffene Seite) sowie das Kind so oft wie mög-lich dazu bewegen, auf die betroffene Seite zu schauen. Die Zusammenarbeit mit dem Kinderarzt ist beim Schiefhals / Plagiocephalus sehr wichtig. Ist nach 4-5 Behandlungen keine sichtbare Verbesserung eingetreten, müssen andere The-rapiemöglichkeiten (z.B. Chiropraktiker) in Betracht gezogen werden, welche durch den Kinderarzt verordnet werden.

Symmetrisches Tragen des Neugeborenen Seitlage im Bettchen

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Während der Wachphasen des Säuglings sind die verschiedenen Lagerungen sowie die über-wachte Bauchlage ab dem 2. Lebensmonat für die Entwicklung der Kopfform sehr wichtig.

Bauchlage ab dem 2. Lebensmonat bei Papa Bauchlage zum Spielen Die Bauchlage fördert die Kopfkontrolle, aktiviert die Aufrichtung gegen die Schwerkraft und „formt“ das Os occipitale. Ab dem 4. Lebensmonat fördert eine kleine geschützte Spielecke am Boden die Körpereigenwahr-nehmung, die Orientierung im Raum und unterstützt die sensomotorische Bewegungsentwick-lung.

Hand-Fuss-Koordination

Asymmetrisches Tragen ab „Fliegergriff“: tragen in BL dem 4. Monat

Auf die weiteren Therapiemöglichkeiten werde ich in dieser Arbeit nicht näher eingehen.

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6_ die Kopfgelenke 6.1_ Articulatio atlanto occipitale Als oberes Kopfgelenk bezeichnet man die gelenkigen Verbindungen zwischen Atlas und Os occipitale. Dieses Gelenk ist durch Bänder gesichert, die im Bereich der Halswirbelsäule re-lativ locker sind. Beim Säugling und Kleinkind ist einer der wichtigste diagnostische Ort am Kopf das Oc occipitale und die Verbindung zum ersten Halswirbel: das obere Kopfgelenk (Articulatio atlanto-occipitale, AAO). Bewegungsachsen: C0/C1: Flexion / Extension / Lateroflexion

- Transversalachse: quer von rechts nach links mit eine Vor- und Rückbeugung von ca. 20 Grad

- Sagittalachse: von vorne nach hinten mit einer leichten Seitwärtsneigung 6.2_ Articulatio atlantoaxiales Unteres Kopfgelenk zwischen Atlas und Axis. In diesem Gelenk werden Kopf und Atlas ge-meinsam auf der Axis bewegt. Bewegungsachsen C1/C2: grösste Rotation im HWS-Bereich - Longitudinalachse: vertikal durch die Densmitte, mit einer Drehung um ca. 30 Grad nach rechts und links - die Rotationsbewegung ist gleichzeitig eine Schraubbewegung nach lateral/superior Insgesamt sind 6 anatomisch getrennte Gelenke zu unterscheiden, die jedoch mechanisch miteinander kombiniert sind und somit eine Funktionsgemeinschaft bilden.

Die Membrana atlantooccipitalis posterior, das Lig.flavum zwischen Atlas und Os occipitale, zieht vom hinteren Atlasbogen zum hinteren Rand des Foramen magnum.

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45 % der Afferenzen des zentralen Nervensystems kommen aus dem Bereich der drei oberen Halswirbel und der temporo-mandibulären Gelenke. Hiervon wiederum 60 % aus den drei oberen Halswirbeln. Das verdeutlicht, wie wichtig das einwandfreie Funktionieren in diesem Bereich ist. Praxishinweis: Im Wachzustand überwiegt beim Neugeborenen die Beugehaltung, der Kopf ist meist zur Seite gelegt, der Körper folgt der Drehung en bloc. In Bauchlage kann der Kopf kurz angehoben werden, um auf die andere Seite zu legen. Das Neugeborene hat noch keine Kopfkontrolle, seine Haltung wird vorwiegend von der Schwerkraft bestimmt. Im 2. Lebensmonat legt das Kind den Kopf meistens zur Lieblingsseite, der Kopf kann aber aktiv auf die andere Seite gedreht werden. Ab dem 3. Lebensmonat kann das Kind seinen Kopf in Rückenlage in der Mitte halten. Er wird aber häufig eine Seite gelegt, wobei sich der Rumpf auf der Gesichtsseite verkürzt, so dass eine asymmetrische Haltung eingenommen wird. Dabei handelt es sich um den asym-metrisch-tonischen Nackenreflex (ATNR). In Bauchlage wird der Kopf bis 45° angehoben, das Abstützen auf die Unterarme ist noch nicht stabil. Die Entstehung einer Skoliose „Wie der Zweig gebeugt wird, so neigt sich der Baum“, schrieb Sutherland (2004), womit er die Vorstellung ausdrückte, dass Strains und Distorsionen innerhalb der Schädelbasis sowie in der Beziehung zu Atlas und Axis das gesamte Muster bestimmen, nicht nur das der Kopf-form, sondern auch das der Kompensationen entlang der Wirbelsäule, die für eine aufrechte Haltung sorgen. Diese Kompensationen können zu der charakteristischen S- oder C-förmigen seitlichen Krümmung der Wirbelsäule, also einer Skoliose führen. Viele osteopathische Autoren haben das Thema Skoliose detailliert behandelt, wobei jeder den Schwerpunkt anders setzt. Eine Meinung ist, dass die Wirbelsäule und alle axialen Weichgewebe an einer „verdrehten“ Articulatio atlantooccipitalis „aufgehängt“ sein könnten. Oft kommt eine Skoliose familiär gehäuft vor. Die Verdrehung des mütterlichen Beckens wirkt wiederum durch die pränatale Zeit und die Geburt formend auf den Kopf des Kindes. Dieses Muster kann sich in der mütterlichen Linie über viele Generationen hinweg wieder-holen. Bei der klassischen Form der Skoliose liegt eine Seitneigung an der SSB vor sowie inferior eine Rotation auf der Seite der SSB-Vorwölbung. Der Atlas, der mit dem geneigten Os occi-pitale gelenkig verbunden ist, muss sich in diese Richtung neigen. Die Hals- und oberen Brustwirbel folgen mit einer entsprechenden Kompensation nach, die im Verlauf der Wir-belsäule ein Skoliosemuster bildet (Möckel).

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7. Kleinhirn (Cerebellum) Das Kleinhirn (lat. Cerebellum) sitzt auf der Dorsalseite von Medulla oblongata und Pons und bildet das Dach des 4. Ventrikel. Das Cerebellum befindet sich unterhalb des Okzipitallappen des Grosshirns in der hinteren Schädelgrube und wird nach oben vom Tentorium (Kleinhirnzelt) begrenzt. Zusammen mit dem verlängerten Rückenmark (Myelencephalon) und der Brücke (Pons) bildet es das Rautenhirn (Rhombencephalon). Pons und Cerebellum werden als Hinterhirn ((Metencephalon) zusammengefasst. Das Cerebellum ist beim Menschen der nach dem Grosshirn vom Volumen her zweitgröss-te Teil des Gehirns, besitzt aber eine höhere Zelldichte. Ungefähr 50% aller zentralnervö-sen Neurone liegen im Kleinhirn. Das Kleinhirn hat ungefähr 10% des Grosshirngewichts. Aufgrund der feinen blattförmigen Windungen (Folia cerebelli) entspricht seine Oberfläche jedoch ca. 50-70% der des Grosshirns. Das Kleinhirn erfüllt wichtige Aufgaben bei der Steuerung der Motorik: es ist zuständig für Koordination, Feinabstimmung, unbewusste Planung und das Erlernen von Bewegungsabläu-fen. Zudem wird dem Cerebellum auch eine Rolle bei zahlreichen höheren kognitiven Fähigkei-ten zugeschrieben:

- Blickmotorik im Sinne einer Stabilisierung auf ein Zielobjekt - Sprachmotorik -

Die Hirnnerven N. facialis (VII) und N. vestibulocochlearis (VIII)) treten zwischen dem Kleinhirn und dem Unterrand der ventral davor liegenden Pons aus.

8_ der IV. Ventrikel Der IV. Ventrikel liegt im Rhombencephalon im Bereich der Rautengrube und steht über insgesamt drei Öffnungen mit dem Subarachnoidalraum und damit mit dem äusseren Liquorraum in Verbindung. Begrenzt wird er vorne von der Rautengrube und hinten von den Kleinhirnsegeln. Im unteren Bereich des IV. Ventrikels befinden sich sehr wichtige Zentren, wie zum Beispiel die Zentren für das Herz, Vasomotorik, Atmung, Erbrechen und Schlucken. Sutherland forschte in diesem Bereich über den Atemmechanismus des lebendigen menschlichen Körpers und verglich den Atem des Lebens innerhalb des Gehirns mit dem Zündfunken eines Automotors und nannte ihn „den Funken des Lebens“.

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Obwohl die primäre Atembewegung schon innerhalb der ersten Zelle des entstehenden Le-bens anwesend ist, sollte sich mit dem ersten Atemzug die „erneute Zündung“ des „Funkens“ im Gehirn und seinen Ventrikeln in inhärenter Bewegung nach der Geburt ausdrücken. 8.1_ die Kompression des IV. Ventrikels Der Patient liegt auf dem Rücken, der Therapeut sitzt am Kopf des Kindes und platziert die beiden Daumenballen medial des Angulus lateralis des Os occipitale, wobei die Finder nach kaudal gerichtet und übereinandergelegt sind. Während der „Listening“-Phase nimmt der Therapeut die seitlichen Expansions-bewegungen des Os Occipitale wahr; er begleitet diese zunächst über eine Pump-bewegung, dann übt er mit beiden Händen eine Kompression auf das Os occipitale aus, bis es zu einer tiefen Entspannung der Gewebe, einer grossen Flexibilität und starker Wärme kommt. CAVE: Cave: Die Verknöcherung der Anteile des Os occipitale erfolgt erst im Alter von 7-8 Jahren. Darum sollte in den ersten 8 Lebensjahren keine CV4 Technik (Kompression des 4. Ventri-kels) durchgeführt werden.

Stillpoint CV4 – „weiche“ Anwendung

9_ das Os sacrum Bei der Geburt unterscheiden wir fünf Teile, von denen jedes 5 Ossifikationszentren enthält. Zur Zeit der Pubertät beginnen sie, von unten nach oben miteinander zu verwachsen, bis die Ossifikation von S1 und S2 mit etwa 25 Jahren abgeschlossen ist. Das Kreuzbein umschliesst den hinteren Abschnitt des Wirbelkanals und bildet mit dem Hüftbein eine Einheit, den Beckengürtel.

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1_Praxishinweis: Bis auf ihre cranialen und caudalen Anheftungen ist die Dura mater spinalis nur sehr locker im Spinalkanal befestigt. Dadurch werden Verschiebungen der Dura gegenüber dem Wir-belkanal ermöglicht und die feinen Bewegungen des CRI vom Cranium werden auf das Sacrum übertragen. Andererseits bewirkt ein fixiertes Os sacrum einen einseitigen Zug auf den Duraschlauch und somit auch eine Bewegungseinschränkung des Os occipitale. 2_Praxishinweis: Eine anhaltende intraossäre Kompression des Os sacrum – mit einem verformten, unnachgiebi-gen, unflexiblen Gefühl beim Palpieren – ist oft der Grund für viele Probleme. Der fasziale Zug und der Bewegungsverlust der reziproken Spannungsmembran sind häufig sehr gut kompensiert – so lange, bis später eine weitere Belastung auftritt und diese Kompensati-onsmechanismen stört. Die drei Diaphragmen Beckenboden, Zwerchfell und Tentorium cerebelli sorgen durch ihr Zu-sammenwirken dafür, dass die Zirkulation und Drainage bis hin zum Schädel beeinflusst wer-den.

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10_Besonderheiten des Bewegungsapparates beim Neugeborenen

Das termingeborene Neugeborene hat erst 20% der Muskelfasern, die es später als Er-wachsener haben wird. Diese Fasern sind lediglich am Periost befestigt. Erst wenn das Kind 2-3 Monate alt ist, gehen die Anheftungen durch das Periost bis zum Knochen selbst (Carreiro 2004). Wenn man die Knochen des Neugeborenen palpiert, fühlen sich mehr als in jedem ande-ren Lebensabschnitt wie Umhüllungen aus Periost an, in denen die Knochensubstanz „schwebt“. Diese spezielle Qualität ist für uns ausschlaggebend für die Art und Weise, wie wir uns bei der craniosacralen Behandlung annähern. Sutherland (2004) bezeichnete die Knochen als „Flüssigkeit“ – dies ist besonders zutref-fend für das Neugeborene. Im Zustand der Gesundheit sind die Knochen eines Neugebo-renen lebendig und voller metabolischer Aktivität.

10.1_die Nackenmuskulatur Die komplexen anatomischen Strukturen der Nacken- und Halsmuskulatur, der Wirbelsäu-le und der Nervenwurzeln machen den Bereich des Nackens anfällig für eine Vielzahl so-matischer und funktioneller Störungen. Die beiden Kopfmuskeln, die am Schultergürtel ansetzen, sind der M. trapezius und der M. sternocleidomastoideus. Der Musculus trapezius gliedert sich in 3 Teile: - Pars descendens - Pars transversa - Pars ascendens Die Pars descendens entspringt von der Linea nuchae superior, von der Protuberantia occipi-talis externa und vom Lig. nuchae und setzt am lateralen Drittel der Clavicula an. Die pars transversa entspringt vom 7. Halswirbel bis zum 3. Brustwirbel und setzt am acromialen Ende der Clavicula an, am Acromion und ein Teil an der Spina scapulae an. Die pars ascendens nimmt ihren Ursprung vom 3. Brustwirbel bis zum 12. Brustwirbel und setzt am an der Spina scapulae an. Funktion: Der M. trapezius hat eine statische Aufgabe, d.h. er hält die Scapula und fixiert damit den Schultergürtel. Aktiv zieht er die Scapula und die Clavicula nach hinten zur Wirbelsäule. Innervation: N. accessorius (IX.)

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Der M. sternocleidomatoideus hat seinen Ursprung mit einem Kopf vom Sternum und mit dem anderen von der Clavicula. Er setzt am Processus mastoideus (Os temporale) und an der Linea nuchae superior (Os oc-cipitale) an. Dort besteht eine sehnige Verbindung mit dem Ursprung des M. trapezius. Funktion: bei einseitiger Innervation dreht der M. sternocleidmastoideus den Kopf nach der anderen Seite und neigt ihn dabei zur gleichen Seite. Bei Kontraktion beider Muskeln wird der Kopf gehoben. Innervation: N. accessorius (XI. Hirnnerv) Praxishinweis: In der craniosacralen Therapie steht das Lösen von Dysfunktionen im Bereich des Schädelda-ches, der Schädelbasis und des Nackens im Vordergrund.

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11. die Befunderhebung 11.1_Anamnese In der 1. Behandlungsstunde beginne ich mit dem Behandlungsprotokoll. Während der Anamnese kann der Säugling auf dem Schoss der Mutter sein oder, je nach Alter, auf einer mit Spielsachen vorbereiteten Matte. In diesem ersten Gespräch versuche ich auch einzuschätzen, wie beunruhigt und welche Sorgen sich die Eltern betreffend Entwicklung ihres Kindes machen. Fragebogen Er gibt mir zusätzliche und detailliertere Informationen über folgende Bereiche:

- Schwangerschaftsverlauf und Geburt (Gewicht, Länge, APGAR) - Ernährung / Trinkrhythmus - Schlafen - Gewohnheiten: liegt das Kind gerne in Bauchlage, will es viel getragen werden - die ersten Entwicklungsschritte wie lächeln, Spielzeug halten, drehen etc. - Meilensteine in der sensomotorischen Entwicklung (drehen, robben, kriechen etc.)

Beurteilung der Spontanmotorik Die Spontanmotorik gibt mir Auskunft über die Qualität des Bewegungsverhaltens des Kindes und wo das Kind in seiner Entwicklung steht:

- seine Rückenlage, Seitlage, Bauchlage, im Sitzen - wie ist die Kopfhaltung, die Augenstellung - wie ist seine Hand-Hand-Koordination - wie bewegt sich das Kind: drehen, robben, kriechen etc. - wie ist sein Tonus in den Extremitäten, im Rumpf? - In einem weiteren Schritt, es muss nicht gleich in der ersten Behandlung sein, ziehe

ich das Kind aus, damit ich auch die Haltung der Wirbelsäule beurteilen kann. - Neurologische Entwicklung

Faszien / Suturen Seit dem Beginn meiner Ausbildung in der CSO-Therapie untersuche ich bei jedem Neuge-borenen und Säugling die Suturen, die Falx cerebri, das Tentorium cerebelli, den anterio-ren Duragurt und den Duraballon (Behandlungsprotokoll Craniosacrale Osteopathie).

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11.2_die CSO-Behandlung ist eine Kommunikation Während einer Behandlung stehe ich mit dem Kind in Kommunikation. Ich stehe in verbaler und nonverbaler Kommunikation. Meine ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf das Kind, auf die Kommunikation zwischen uns. Ich muss mich nach dem Kind und seinen momentanen Bedürfnissen richten. Kinder und auch Säuglinge lassen sich keine Kommunikation aufzwingen. Theoretisch habe ich die Möglichkeit auf drei verschiedenen Ebenen mit dem Kind während einer Behandlung in craniosacraler Therapie zu kommunizieren. A_die Ebene der Struktur: 1_ die Knochenebene 2_ das Bindegewebe (z.B. Hirnhäute, Faszien) 3_ Flüssigkeitsräume und Organgewebe B_die Ebene der Emotion Erinnerungen an ein traumatisches Erlebnis und die sich daraus ergebenden körperlichen, emotionalen und mentalen Mechanismen C_die Ebene der feinstofflichen Energie Sutherland nannte es „Breath of Life“: „Innerhalb der cerebrospinalen Flüssigkeit existiert ein unsichtbares Element, das ich als Lebensatem bezeichne. Ich möchte, dass ihr euch diesen Lebensatem als eine Flüssigkeit innerhalb der Flüssigkeit vorstellt. Etwas, das Kraft besitzt und die Ursache für die Bewegung ist. Eine intelligente Kraft, die viel intelligenter ist als eure eigene menschliche Vernunft“. D_die Werkzeuge der Kommunikation Die Behandlungstechniken sind die Werkzeuge der Kommunikation. Ich kann keinem Kind eine craniosacrale Technik aufzwingen. Wende ich eine craniosacrale Technik an, muss ich weiterhin mit dem Kind kommunizieren, d.h. ich beobachte ob das Kind die Veränderung annimmt, wie das Kind diese Veränderung integrieren kann Der craniosacrale Rhythmus (CRI) ist das spezifische Kommunikationsmittel in der Behandlung mit der Craniosacrale Therapie. E_der craniosacral rhythmische Impuls Der CRI ist eine rhythmische Bewegung, die wie die Bewegung des Blutes oder der Atmung am ganzen Körper, insbesondere an den Knochen des Schädels und dem Os sacrum pal-pierbar ist.

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Über den Ursprung des CRI gibt es nur Hypothesen. Allerdings gibt es bereits wissenschaftliche Arbeiten, die die praktischen Palpationserfah-rungen der CSO-Therapie bestätigen. In der Literatur wird eine CRI-Frequenz von 2,5 – 16 Zyklen pro Minute angegeben. Entscheidend für eine Aussage über die gesunde Bewegung der Strukturen und das Selbst-heilungspotential des Organismus ist allerdings die Amplitude der Bewegung, d.h. die Kraft, die hinter der Bewegung steht. Da der CRI sofort auf Stress reagiert, d.h. unter Stress stoppt der CRI kurz, ist er vergleich-bar mit anderen Biofeedbackzeichen des Körpers wie die Schwankungen in der Atemfre-quenz oder wie der Pulsreflex und die Pulsfrequenzschwankungen. Da Neugeborene und Kleinkinder nicht reden können, ist die Beobachtung der Qualität des CRI während der Behandlung ein sehr spezifisches und sehr hilfreiches Mittel für die Beur-teilung ihres Wohlbefindens (Merkel). Praxishinweis: Es ist immer wieder erstaunlich, mit zu erleben, wie sich die Kinder bei Wohlbefinden und Ver-trauen während der Behandlung entspannen können und oft dabei auch einschlafen. Welche Technik auch immer zur Anwendung kommt, die Dosierung ist wichtig. Die Dosierung ist vor allem beim Säugling eine grosse Herausforderung (weniger ist mehr!) und es ist sehr wichtig, dass die Eltern ihr Kind nach der Behandlung gut beobachten und mich über die Veränderungen informieren.

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12_die Behandlung Auf der Basis guter anatomischer und physiologischer Kenntnisse muss der Therapeut seine Technik dem Patienten anpassen und die Reaktion des Gewebes berücksichtigen. Bei Kleinkindern ist es oft nicht möglich in Rückenlage zu behandeln. Es kann im Arm der Mutter sein, beim Spielen oder in einer anderen Position, die es gerade einnehmen will. 12.1_ die Faszienbehandlung Bei Neugeborenen ist die Arbeit mit den Faszien sehr wichtig und auch beim Kleinkind steht cranial die Bindegewebsarbeit im Vordergrund. Die Faszien des Halses werden oft bei der Entbindung durch extreme Kopfdrehungen wäh-rend des Austretens der Schultern betroffen. Ich beginne die Behandlung meistens caudal über die Faszientechnik.

Faszientechnik von caudal Beckenboden-Behandlung

Diaphragma Mobilisation sterno-occipitale Ausgleichstechnik

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ear-pull Tentorium

Duraballon

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12.2_die Behandlung des Os occipitale

- „Untertasse“ - Nackenschaukel - (Kompression der Condylen) - (Dekompression der Condylen) - Detorsion der Hinterhauptsschuppe (Konfiglasdeckel-Technik) - Integration der vier Anteile des Os occipitale mit dem Os sphenoidale

Nackenschaukel: Beobachtung und Mobilisierung des Os occipitale und Atlas um den Drehpunkt D

Integration der 5 Teile des Os occipitale

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12.3_ die Modelliertechnik für das Os occipitale Es sind mehrere Handhaltungen möglich: Handhaltung A Eine Hand quer unter dem Os occipitale. Diese Haltung ist bei einer starken Asymmetrie im Bereich der Squama occipitalis zu empfehlen. Handhaltung B Eine Hand unter dem Os occipitale, wobei die Finger nach caudal gerichtet sind, die Finger-spitzen liegen so tief wie möglich in der Nähe des Foramen magnum. Die Haltung ist bei einer ausgeprägten zerviko-occipitalen Extension sehr geeignet, z.B. bei einer Kompression des Foramen magnum. Dabei übt der Therapeut einen leichten Zug auf das Os occipitale nach cranial aus und mit dem Spreizen der Finger kommt es zu einer Expansion nach lateral. Listening Das „Listening“ gibt uns Auskunft über die Bewegung des Knochens an und für sich; für das Os occipitale ist es zugleich die Verschiebung bezogen auf den Atlas (von anterior nach posterior) und die Extensionsbewegung auf den Schädel (die Expansionsbewegung, die auch in der transversalen Ebene verläuft). Und sie gibt Auskunft über die Wahrnehmung der Knochenflexibilität: wie ist die Struktur; ist sie hart, lebendig, elastisch?

Nackenschaukel

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12.4_ Definition der Dysfunktion „Unter einer Dysfunktion verstehen wir im Körper ein ligamentäres Spannungsun-gleichgewicht, im Schädel ein Ungleichgewicht der Membranspannungen.“ (W.G. Sutherland) Die Mikrobewegungen der Primären Atmung setzen eine gewisse Elastizität der Bindege-websstruktur voraus, die als Stützgewebe im gesamten Organismus fungieren. Die Membranen der Dura mater bestehen, wie alle Faszien des Körpers, aus einer Bindege-websstruktur, deren verschiedene Fasern sich je nach den auf sie wirkenden Kräften ange-ordnet haben. Die Knochenstruktur entwickelt sich ursprünglich auch aus Bindegewebsfaseren, die von der interstitiellen Flüssigkeit umgeben sind; im Laufe des Wachstums bilden sich verschiedene Zentren, die den Knochenstrukturen mehr oder weniger Festigkeit verleihen. Bei der Geburt bestehen die Schädelknochen nur aus einer einzigen Schicht, die Ossifikation ist nicht abgeschlossen. Die Formbarkeit der Knochen ist noch sehr gross und normalerweise durch spezifische ultrafeine Palpation = „ Listening“ beurteilbar. Im Laufe der altersbedingten Ent-wicklung vermindert sich diese intraossale Elastizität. 12.5_ Dysfunktionen des Os Occipitale Beim Säugling ist es sehr angebracht, das Os occipitale mit denkenden, fühlenden und wissenden Fingern zu halten. Häufig reicht dies bereits aus, um eine Befreiung aller Körpergewebe zu be-wirken. Bereits bei Geburt können die knorpeligen Verbindungen der 4 Anteile des Os occipitale und die 3 Anteile des Atlas durch Kompression Läsionen erfahren. Nach dem 7. Lebensjahr spricht man von intraossären Läsionen. 1. Läsion: beidseitige Verkeilung Durch eine Überstreckung nach hinten erfährt das obere Kopfgelenk eine beidseitige Ver-keilung der Condylen mit den Gelenkpfannen des Atlas. Dies bedeutet gleichzeitig eine Kompression der Pars laterales mit der Pars basilaris. Mobilisierungstechnik

- Kompression / Dekompression des Os Occipitale - Nackenschaukel - Detorsion

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2. Läsion: einseitige Verkeilung Durch eine Drehung der Squama occipitalis entsteht eine Kompression des Pars lateralis mit der Schuppe (anterior/posteriore Kompression) und/oder mit der Basis (mediane Kompres-sion). Mobilisierungstechnik - Detorsion („Konfiglasdeckel Technik“) - KOAN („Kopf-ohne-Atlas-Nicken)

Kopf-ohne-Atlas-Nicken (KOAN) Detorsion des Os occipitale

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12.6_ Dysfunktionen des Atlas Beim Atlas sind vor allem rechts/links Verschiebungen, rechts/links kippen und rechts/links Torsion möglich. Mobilisierungstechnik - stapeln der Atlasläsionen - Atlas-Recoil - KOAN

Behandlung der Art. atlantooccipitalis

12.7_ die Modelliertechnik für das Os sacrum Der Therapeut legt eine Hand unter das Os sacrum, die Finger zeigen nach kranial, der Mit-telfinger liegt auf der Medianlinie mit der Fingerbeere auf Höhe der lumbalen Dornfortsät-ze, der zweite und vierte Finger auf der Höhe der Iliosakral-gelenke, wobei die Handfläche sich ganz an das Os sacrum anlgegt und so weit wie möglich in einer neutralen Position verweilt.

Sacrum-Behandlung in Rückenlage Sacrum-Behandlung in Bauchlage

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Listening Das „Listening“ gestattet die Wahrnehmung der Bewegungen des Os sacrum, die Flexion-Extension, eventuell die Lateral-Flexion und die Rotation sowie die Beurteilung der intra-ossären Bewegung. Das Modellieren ist für jede Art von Beckenproblemen und bei jedem cranio-sacralen Ungleich-gewicht angezeigt. Eine Dysfunktion des Os occipitale kann zu einem Ungleichgewicht der intraossalen Kraftli-nien des Os sacrum führen. 12.8_ der sakro-occipitale Ausgleich Diese Technik des sakro-occipitalen Ausgleichs ist Untersuchung und Korrektur. Die Hand am Os occipitale kann dort eine spezifischere Korrektur vornehmen, z.B. ein Mo-dellieren. Die Hand am Os sacrum bewirkt eine Korrektur des Beckens und ein Modellieren des Os sacrum. Beim Kleinkind stellt diese Technik die Harmonie des Beckens wieder her, die für ein gut verlaufendes Wachstum erforderlich ist.

Ausgleich Os occipitale- Sacrum 12.9_ das Freimachen des Foramen magnum Wenn möglich sollte das Kind in der RL sein, das Alter und die Art der Dysfunktion bestim-men die Handhaltung des Therapeuten: ein Säugling hat ein kleineres Os occipitale wie ein zehnjähriges Kind. Handhaltung für den Säugling Der Therapeut verwendet nur eine Hand, die Finger sind nach caudal gerichtet und liegen knapp posterior des Foramen magnum. Der zweite und dritte Finger auf der einen Seite, der vierte und fünfte auf der anderen Seite des Os occipitale.

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Behandlung des Foramen magnum

Handhaltung für Kinder und Jugendliche Der Therapeut legt beide Hände unter das Os occipitale, Finger sind nach caudal gerichtet, wobei der dritte, der vierte und der fünfte Finger jeder Hand so nah wie möglich am Fora-men magnum anliegen. Die Zeigefinger liegen unter den Processus mastoidei. Die Arbeit geschieht vor allem am Rand des Foramen magnum, mit der Plazierung der Zei-gefinger können wir in gewissen Fällen auch die Position der Ossa temporalia kontrollieren und diese in eine Gleichgewichtslage bringen. Listening Das Listening gibt uns Auskunft über die Qualität der Gewebe, über den Bereich der stärks-ten Kompression und über die Richtung der Dysfunktions-Kräfte. Die Finger am Os occipitale beginnen mit dem Modelling, das langsam in ein „pumpen“ übergeht, indem die Finger einen leichten Zug ausüben und dann wieder nachlassen. Praxishinweis: Dysfunktionen des Foramen magnum entstehen sehr oft durch die bei der Entbindung ein-wirkenden Kräfte. Seine Form verändert sich, sein Durchmesser wird verkleinert. Es ist von grösster Wichtigkeit, so früh wie möglich einzugreifen, um die Kompressionen zu be-seitigen, die im Bereich des Rückenmarks und der Gefäss- und Nervenstrukturen bestehen.

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12.10_der fronto-occipitale Ausgleich Handhaltung Der Therapeut sitzt am Kopf des Patienten, eine Hand liegt transversal unter dem Os occipi-tale, die andere ebenfalls transversal über das Os frontale. Listening Über das „listening“ nehmen wir die Bewegung des Os occipitale und jene des Os frontale wahr. Ist das Os frontale und Os occipitale in ihrer neutralen Stellung, kann festgestellt werden, dass jede Bewegung des Os frontale über die Dura-Membranen (insbesondere die Falx ce-rebri) auf das Os occipitale übertragen wird und umgekehrt. Modelling von Os frontale und Os occipitale sowie eine Pumptechnik für die verbindenden Gewebe kombinieren. Praxishinweis: Der anteriore Teil der Falx cerebri ist ein sehr wichtiger Ansatzpunkt der Dura mater. Jede Spannung in diesem Bereich kann zu Dysfunktionen auch in entfernten Bereichen führen: Os occipitale, Halswirbelsäule usw. Der fronto-occipitale Ausgleich ermöglicht die Kontrolle des Os sphenoidale über das Os frontale und hat somit auch Einfluss auf die Synchondrosis sphenobasilaris und auf Torsions- oder Sidebending-Rotations-Dysfunktionen.

fronto-occipitale Ausgleichstechnik Ausgleich Schädeldach-Schädelbasis

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13_ Kinderphysiotherapie und craniosacrale Therapie Durch die Ausbildung in der CSO-Therapie wurde mein Wissen und Verstehen betreffend die embryologische Entwicklung, der anatomischen und strukturellen Hirnstrukturen und deren Zusammenhänge vertieft und erweitert. Ebenso wichtig sind feinfühlige und geschickte Hände, die das Wissen anwenden können. Die Ausbildung in der CSO-Therapie hat mir die Zeit, den Raum und die Möglichkeit gege-ben, meine alltägliche Arbeit, mein Handeln und Behandeln auch als Kinderphysiothera-peutin nochmals neu zu überdenken und zu definieren. Die praktische Arbeit als CSO-Therapeutin erlaubt mir, mit meinen Händen und meiner ganzen Aufmerksamkeit in Kontakt mit dem Kind zu kommen und seine Selbstheilungs-kräfte zu aktivieren. Die CSO-Therapie ist kein Ersatz für Physiotherapie, aber die craniale Arbeit kann das noch nicht geweckte Potenzial mobilisieren, das in dem Nervensystem des Kindes steckt. Die Ausbildung und Auseinandersetzung mit der craniosacralen Osteopathie hat mir viele Fragen beantwortet und neue interessante Fragen gestellt. Sie gibt mir die Möglichkeit, mit meinen Händen am „Haus des Nervensystems“ zu arbeiten und vor allem hat diese Ausbildung meine tägliche Arbeit bereichert. Wie der Junge auf dem Bild mit seiner Haltung zeigt, wünsche ich mir für jedes Kind eine möglichst unauffällige sensomotorische Entwicklung: Dass die Kinder all ihre Sinneseindrücke verarbeiten können, eine mühelose Haltung ohne Gleichgewichts- und Koordinationsprobleme einnehmen können und mit einer altersent-sprechenden Hand-Augenkoordination und Aufmerksamkeit den Fokus auf das Tun und Handeln legen können.

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14_Dank Ein liebevoller Dank geht an meine Familie. Sie haben meiner Ausbildungszeit grosses Interesse und Verständnis entgegengebracht und mich mit ihrer Unterstützung im IT-Bereich enorm entlastet. Marion, Enyo und Jara danke ich ganz herzlich für die Zeit und das Vertrauen. Mein aller grösster Dank geht an Rudolf Merkel, Leiter und Begründer der Schule für cra-niosacrale Osteopathie in Zürich. Seine Art zu lehren hat mich tief beeindruckt.

15_Literaturverzeichnis:

- Die Entwicklung des menschlichen Gehirns und ZNS / John E. Upledger - Das grosse Sutherland-Kompendium / Geschichte der Osteopathie - Handbuch der pädiatrischen Osteopathie / Eva Möckel, Noori Mitha - Die craniosacrale Osteopathie bei Kindern / Nicette Sergueef - Kinderbehandlungen in der CSO-Therapie / Rudolf Merkel - Manual Cranio 1-6 / Schule für craniosacrale Osteopathie Rudolf Merkel - Bausteine der kindlichen Entwicklung / Jean Ayres - Kopf, Hals und Neuroanatomie PROMETHEUS - Atlas der Anatomie des Menschen / Frank H. Netter - Normale Entwicklung des Säuglings und ihre Abweichungen / Inge Flehmig - Taschenatlas der Anatomie / Werner Platzer - Diverse Internetseiten

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16_Bildernachweis: Die Entwicklung des menschlichen Gehirns und ZNS (Upledger): Seite 5 / 6 / 8 / 9 / 10 Atlas der Anatomie des Menschen (Frank H. Netter): Seite 12 / 25 Kopf, Hals und Neuroanatomie (Prometheus) Seite 18 / 20 / 21 / 41 Das grosse Sutherland-Kompendium (Christian Hartmann) Seite 24 Handbuch der pädiatrischen Osteopathie (Eva Möckel / Noori Mitha) Seite 14 / 16 / 19 / 22 / 27 / 30 / 31 / 32 / 35 / 39 / 51 Manual 1-6 Schule für craniosacrale Osteopathie (Rudolf Merkel) Seite 13 / 29 / 48 / 50 Alle übrigen Bilder sind Privatbesitz

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17_Anhang das Bobath-Konzept Die Säuglings- und Kinderbehandlungen sind ein Spezialgebiet innerhalb der Physiothera-pie. Schon während meiner Grundausbildung in Physiotherapie wusste ich, dass ich mich in Kinderphysiotherapie weiterbilden wollte. Das Bobath-Konzept (neurophysiologisches Behandlungskonzept) mit seinem ganzheitli-chen Behandlungsansatz interessierte mich sehr und ich absolvierte die Ausbildung 1988/1989 in Lille (Frankreich). Diese Ausbildung ist für Kinderphysiotherapeuten die Voraussetzung, um mit Säuglin-gen und Kleinkindern arbeiten zu können. Die Abklärung und Behandlung von Säuglingen in ihrem sensomotorischen Bewegungs-verhalten richtet sich nach der normalen physiologischen Entwicklung. Das Konzept wurde ab 1943 von Berta Bobath, Physiotherapeutin, und ihrem Mann, dem Neurologen und Kinderarzt Karel Bobath entwickelt. Der Verein Bobath-TherapeutInnen Schweiz wurde 1962 gegründet. NDTSWISS ist eine Fachvereinigung von PhysiotherauptInnen, ErgotherapeutInnen, Lo-gopädInnen und ÄrztInnen. Diese wenden für die Behandlung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen mit Auffälligkeiten im entwicklungsneurologischen Bereich die Erkennt-nisse und Richtlinien des Neurodevelopmental Treatment (NDT) nach Bobath an. Das Bobath-Konzept beruht auf der Annahme der “Umorganisationsfähigkeit” (Plastizität) des Gehirns, das heist, dass gesunde Hirnregionen die zuvor von den erkrankten Regionen ausgeführten Aufgaben neu lernen und übernehmen können. Häufig sind bei traumatischen Hirnschädigungen nicht die eigentlichen Kontrollzentren zerstört, sondern die Verbindungswege unterbrochen, die mit konsequenter Förderung und Stimulation des Pa-tienten neu gebahnt werden können. Hierbei handelt es sich um angeborene und/oder erworbene Störungen des Zentralnervensystems, bei denen motorische, sensorische, perzeptive, soziale, emotionale, kommunikative und kognitive Funktionen in ihrer Wechselwirkung beein-trächtigt sein können. Konzeptionell ist der Bobath-Therapie in erster Linie an der Erleichterung und Verbesse-rung der Alltagssituation der betroffenen Menschen gelegen. Die Physiotherapia paediatrica ist die Vereinigung der Schweizer PhysiotherapeutInnen, die sich in der Pädiatrie spezialisiert haben und in diesem Gebiet tätig sind.

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Die sensomotorische Integrationstherapie nach Jean Ayres Die Psychologin und Beschäftigungstherapeutin Dr. Jean Ayres entwirft um 1970 ihr The-rapiekonzept auf der Basis gründlicher Kenntnisse neuroanatomischer und neurophysio-logischer Gegebenheiten des kindlichen Nervensystems. Sensorische Integration ist die sinnvolle Ordnung, Aufgliederung und Verarbeitung von Sinneserregungen im zentralen Nervensystem (ZNS). Sie ermöglicht dem Menschen eine adäquate Auseinandersetzung mit seiner Umwelt. Für jede Handlung benötigen wir eine gute Organisation von Sinnerwahrnehmungen. Nicht nur von den Augen (Sehsinn), den Ohren (Hörsinn), der Nase (Geruchssinn) und der Zunge (Geschmackssinn) fliessen uns Informationen zu, sondern auch über Berührung (tak-tiles System), Bewegung, Schwerkraft und Körperstellung (vestibuläres und propriozeptives System). Sie ermöglicht uns eine adäquate Auseinandersetzung mit der Umwelt. Das Ziel der SI-Therapie ist eine gute Wahrnehmung und Verarbeitung der Eigen- und Tie-fenwahrnehmung, des Gleichgewichtes und der Berührung sowie eine Verknüpfung mit den anderen Sinnen als Basis für ökonomisches Lernen.

Um die frühen Aktivitäten, die mit dem Lernen zusammenhängen, durchführen zu kön-nen, muss das Kind über ein adäquates Gleichgewicht und Koordination verfügen. Ayres machte auf die Bedeutung des vestibulären Systems für die Entwicklung der Fähig-keit des Kindes, Abstände, Räume und Geschwindigkeiten einzuschätzen, aufmerksam. Das vestibuläre System arbeitet eng mit den Reflexen, die das Gleichgewicht anbahnen, zusammen. Ob das Kind auf einem schmalen Holm balanciert, Federball spielt, Bauklötze aufeinander stapelt oder versucht einen Stift zu halten; es ist auf die vestibuläre Funktion angewiesen. Sie richtete ihre Bemühungen auf Kinder mit Störungen der Wahrnehmung, des Lernver-mögens und Verhaltens, die durch offenkundige Ursachen nicht erklärt werden konnten. Deshalb schrieb Jean Ayres gemeinsam mit Jeff Robbins das Buch „Bausteine der kindli-chen Entwicklung“, um Eltern und Lehrern die Erkennung einer Störung der sensorischen Integration bei Kindern und ihre Behandlung verständlich zu machen. Das taktile System ist das erste sensorische System, welches sich im Mutterleib entwi-ckelt und das bereits voll funktioniert, wenn optische und akustische Systeme sich erst zu entwickeln beginnen.