Diplomarbeit - srf.tuwien.ac.at · marktfähige, immaterielle Realgüter in der Form von...

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DIPLOMARBEIT Dienstleistungen im städtischen Raum - Struktur und räumliche Verteilung des tertiären Sektors in Wien ausgeführt am Institut für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik der Technischen Universität Wien unter Anleitung von a.o. Univ. Prof. Mag. Dr. Wilfried Schönbäck Univ. Ass. D.I. Dr. Johann Bröthaler durch Hans Kramar 1170 Wien, Kulmgasse 31 Wien, Jänner 1996 Hans Kramar

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DIPLOMARBEIT

Dienstleistungen im städtischen Raum - Struktur und räumliche Verteilung

des tertiären Sektors in Wien

ausgeführt am Institut für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik

der Technischen Universität Wien

unter Anleitung von a.o. Univ. Prof. Mag. Dr. Wilfried Schönbäck

Univ. Ass. D.I. Dr. Johann Bröthaler

durch Hans Kramar

1170 Wien, Kulmgasse 31 Wien, Jänner 1996 Hans Kramar

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INHALTSVERZEICHNIS

PROBLEMSTELLUNG

A. THEORETISCHER TEIL 1. DIENSTLEISTUNGEN ALS ZENTRALES ELEMENT DER MODERNEN WIRTSCHAFT 1.1. Der Dienstleistungsbegriff 1.1.1. Begriffsdefinition 1.1.2. Theoretische Gliederungs- und Unterscheidungsansätze 1.1.3. Dienstleistungssystematiken 1.2. Die Tertiärisierung der Wirtschaft 1.2.1. Der sektorale Wandel der österreichischen Wirtschaft 1.2.2. Ursachen der Tertiärisierung 1.3. Dienstleistungsangebot 1.3.1. Dienstleistungsproduktion 1.3.2. Produktionsfaktoren 1.4. Dienstleistungsnachfrage 1.4.1. Dienstleistungsnachfrage der Haushalte 1.4.2. Dienstleistungsnachfrage der Wirtschaftsbetriebe 2. RÄUMLICHE VERTEILUNG VON DIENSTLEISTUNGSAKTIVITÄTEN 2.1. Theoretische Grundlagen 2.1.1. Unternehmerische Standortwahl 2.1.2. Multiple Standortorganisation 2.1.3. Interaktion von Standorten 2.1.4. Standortfaktoren 2.2. Theorie der Dienstleistungsstandorte 2.2.1. Standorttheoretische Grundlagen 2.2.2. Theorie der zentralen Orte 2.2.3. Agglomerationstheoretische Ansätze

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2.2.4. Alternative Theorieansätze 2.3. Auswirkungen neuer Technologien auf den Dienstleistungssektor 2.3.1. Entwicklungen im Transportwesen 2.3.2. Neue Informationstechnologien 3. DIENSTLEISTUNGEN IM STÄDTISCHEN RAUM 3.1. Stadtstrukturtheorien 3.1.1. Elemente der Stadtstruktur 3.1.2. Ökonomische Theorien 3.1.3. Sozialökologische Modelle 3.1.4. Sonstige Stadtstrukturmodelle 3.2. Stadtentwicklungstheorien 3.2.1. Theorie des doppelten Überganges 3.2.2. Theorie des räumlichen Agglomerationszyklus 3.2.3. Counterurbanisation 3.2.4. Duales Zyklusmodell der Stadtentwicklung 3.3. Innerstädtische Standortmuster von Dienstleistungsaktivitäten 3.3.1. Typologien innerstädtischer Verteilungsmuster 3.3.2. Räumliche Verteilung ausgesuchter Dienstleistungsaktivitäten im Stadtraum

B. EMPIRISCHER TEIL

1. DER DIENSTLEISTUNGSSTANDORT WIEN 1.1. Grundlagen der empirischen Untersuchungen 1.1.1. Räumliche Abgrenzung des Untersuchungsgebietes 1.1.2. Datenstruktur 1.1.3. Sektorale Glederung der Daten 1.2. Konkurrenzfähigkeit des Dienstleistungsstandortes Wien 1.2.1. Qualitative Bewertung der Standortgunst Wiens 1.2.2. Der Büromarkt 1.3. Die Tertiärisierung Wiens

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1.3.1. Trends der Wiener Stadtentwicklung 1.3.2. Wien im europäischen Vergleich 1.3.3. Wien im gesamtösterreichischen Vergleich 1.3.4. Wien im Vergleich mit anderen österreichischen Stadtregionen 1.4. Sektorale Struktur des Dienstleistungssektors in Wien 1.4.1. Bedeutung und Entwicklung der einzelnen Dienstleistungsbranchen 1.4.2. Betriebsgrößenstruktur im Dienstleistungssektor 1.5. Mögliche zukünftige Entwicklungen im Dienstleistungssektor durch Telearbeit im Raum Wien 1.5.1. Organisationsformen von Telearbeit 1.5.2. Internationale Vorbilder 1.5.3. Telearbeit-Projekte in der Umgebung von Wien 1.5.4. Planungsüberlegungen in Wien 2. RAUMSTRUKTUR UND STANDORTSPEZIFISCHE WACHTUMS- DYNAMIK VON DIENSTLEISTUNGSAKTIVITÄTEN IN WIEN 2.1. Räumliche Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten 2.1.1. Räumliche Verteilung des Dienstleistungssektors 2.1.2. Dominante Dienstleistungsbranchen 2.1.3. Standortmuster der einzelnen Dienstleistungsbranchen 2.1.4. Verteilungsmaßzahlen 2.2. Standortspezifische Wachstumsdynamik und räumliche Mobilität von Dienstleistungsaktivitäten 2.2.1. Standortspezifische Wachstumsunterschiede des Dienstleistungssektors 2.2.2. Standortspezifische Wachstumsunterschiede der einzelnen Dienstleistungsbranchen 2.2.3. Änderungen der Verteilungsmaßzahlen 2.2.4. Räumliche Mobilität von Wirtschaftsdiensten in Wien 2.2.5. Ursachen der unterschiedlichen räumlichen Entwicklung von Dienstleistungstätigkeiten

C. ANHANG

Zusammenfassung

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Kurzfassung Sumary Tabellenverzeichnis Kartenverzeichnis Quellenverzeichnis

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PROBLEMSTELLUNG Der tiefgreifende wirtschaftliche Strukturwandel, der in den westlichen Industriestaaten seit mehreren Jahrzehnten zu beobachten ist, beruht im wesentlichen auf der Verlagerung von Beschäftigten aus dem produzierenden Sektor in den Dienstleistungsbereich. Diese Entwicklung, die oft mit dem Begriff „Tertiärisierung“ bezeichnet wird und den Weg zur heutigen „post-industriellen“ Gesellschaft geebnet hat, ist allerdings weniger auf die Expansion der klassischen konsumorientierten Tätigkeiten, sondern auf den vermehrten Einsatz von „produktionsnahen“ Servicediensten im Produktionsprozeß zurückzuführen. Erst diese Entwicklung hat die Betrachtungsweise der klassischen Ökonomie, in der Dienstleistungen als „unproduktive“ Tätigkeiten galten, die nicht exportiert werden und somit nicht zum Wohlstand einer Region beitragen konnten, verändert und Dienstleistungen zum Gegenstand theoretischer und analytischer Untersuchungen gemacht. Auch der Großteil der ökonomischen Standorttheorien bezog sich lange Zeit fast ausschließlich auf die Untersuchung der Standortkriterien von Industriebetrieben, die sich im wesentlichen auf Transport- und Arbeitskosten beschränkte. Sieht man von wenigen Ausnahmen wie etwa CHRISTALLER ab, begann die Untersuchung der Raumstrukturen von Dienstleistungsaktivitäten im wesentlichen erst Anfang der 70er Jahre im Anglo-Amerikanischen Raum. Während seit damals eine Vielzahl von Studien und Untersuchungen zur allgemeinen Dienstleistungsgeographie erstellt wurden, ist die Betrachtung der räumlichen Verteilung von Dienstleistungen innerhalb von Stadtagglomerationen noch nicht sehr weit gediehen. Dies ist besonders bemerkenswert, als sich Dienstleistungen als typisch „städtische“ Funktionen in urbanen Räumen konzentrieren und großen Einfluß auf die Struktur von Ballungsräumen haben. Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher eine umfassende Analyse der Struktur und der räumlichen Verteilung von Dienstleistungen im Großraum Wien, wobei im Zuge einer dynamischen Betrachtung auch branchenspezifische und räumliche Veränderungen, Verschiebungen und Verlagerungen in den letzten Jahren im Mittelpunkt stehen sollen. Die Studie gliedert sich in einen theoretischen Teil, in dem die wichtigsten Theorien zur Struktur, Entwicklung und räumlichen Verteilung von Dienstleistungen erörtert werden, und einen empirischen Teil, in dem diese Fragen anhand des Beispiels Wien untersucht werden. Im ersten Kapitel des theoretischen Teiles wird zunächst versucht, eine anwendungsorientierte Definition, Abgrenzung und Gliederung des äußerst diffusen Dienstleistungsbegriffes zu finden und die Bedeutung von Dienstleistungen für die Gesamtwirtschaft darzustellen. Nach dieser Auseinandersetzung mit dem tertiären Sektor an sich werden im zweiten Kapitel die theoretischen Ansätze der Dienstleistungsgeographie aus der einschlägigen Literatur erläutert und der mögliche Einfluß neuer Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten im Raum diskutiert. Das dritte Kapitel schließlich geht spezifisch auf den städtischen Raum ein, wobei zunächst die Rolle der Dienstleistungen in diversen Stadtstruktur- und Stadtentwicklungsmodellen aus der Stadtökonomie und -

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geographie erläutert und dann typische innerstädtische Lokalisierungsmuster bestimmter Dienstleistungsbereiche beschrieben werden. Im ersten Kapitel des empirischen Teils wird die Struktur und die Entwicklung des Dienstleistungssektors sowie die daraus resultierende Rolle Wiens als internationaler Dienstleistungsstandort untersucht und auf die ersten Versuchsprojekte auf dem Gebiet der Telearbeit eigegangen. Das abschließende, aber zentrale Kapitel der Arbeit beschäftigt sich schließlich mit den Eigenheiten der räumlichen Verteilung der verschiedenen Dienstleistungsbranchen innerhalb des Großraumes Wien und versucht aus den Lokalisierungsmustern und deren Veränderungen die unterschiedlichen Präferenzen und Faktoren, die bei der innerstädtischen Standortwahl entscheidend sind, herauszuarbeiten. Die vorliegende Arbeit ist als theoretische und empirische Grundlage für eine branchenspezifische, kleinräumige und analytisch fundierte Wirtschaftsstandortplanung in Wien, die über qualitative Zielvorstellungen hinausgeht, gedacht. Aufgrund der detaillierten Untersuchung der Bedeutung Wiens als internationaler Dienstleistungsstandort und der Analyse der Standortpräferenzen der verschiedenen Dienstleistungstätigkeiten innerhalb des Wiener Raumes können wichtige Erkenntnisse in bezug auf Entwicklungsmöglichkeiten, Flächenansprüche oder optimale Betriebsstandorte für Unternehmungen und Institutionen aus dem tertiären Sektor gewonnen und in die Stadt- und Bezirksentwicklungsplanung einbezogen werden. Die empirischen Ergebnisse der Arbeit sind jedoch stets vor dem Hintergrund der zu erwartenden Auswirkungen neuer Technologien auf den Dienstleistungssektor zu betrachten. Der Einfluß der neuen Organisationsformen der Dienstleistungsproduktion auf die heutigen Stadt- und Raumstrukturen, die durch Anwendung moderner Kommunikations- und Informationssysteme möglich werden, läßt sich heute nur ungefähr abschätzen. Es scheint aber wahrscheinlich, daß die Verbreitung derartiger Technologien im Zeitalter der Tertiärisierung ähnlich revolutionäre Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Raumstruktur haben wird wie die Entwicklung neuer Transportsysteme in der Phase der Industrialisierung.

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A. THEORETISCHER TEIL

• Dienstleistungen als zentrales Element der modernen Wirtschaft

• Räumliche Verteilung von Dienstleistungstätigkeiten

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• Dienstleistungen im städtischen Raum

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1. DIENSTLEISTUNGEN ALS ZENTRALES OBJEKT DER MODERNEN WIRTSCHAFT

1.1. DER DIENSTLEISTUNGSBEGRIFF

Es gibt wohl nur wenige grundlegende wissenschaftliche Begriffe, die eine derart diffuse und ungenaue Bedeutung haben wie der Begriff der „Dienstleistung“. Für eine theoretische und analytische Auseinandersetzung mit diesem Themengebiet ist daher zunächst eine umfassende Definition und eine klare Abgrenzung des Begriffes erforderlich, auf der aufbauend man eine systematische und logische Gliederung der einzelnen Dienstleistungsbereiche entwerfen kann. 1.1.1. BEGRIFFSDEFINITION Dienstleistungen werden oft als Restkategorie der wirtschaftlichen Tätigkeiten verstanden und daher als Gegenstück zum sekundären Sektor, der die gesamte industriell-gewerbliche Güterproduktion umfaßt, definiert. Das Problem der allgemeinen Definition von Dienstleistungen liegt im breiten Spektrum der darunter verstandenen Tätigkeiten, das von staatlicher Verwaltung über Handel bis zu technischen Serviceleistungen reicht. Allen gemein ist, daß sie keine materiellen Güter, sondern immaterielle Leistungen produzieren, was zu gewaltigen Unterschieden in der Produktion, im Konsum und in den dafür bestimmten Märkten führt. Den Versuch, eine umfassende Definition dieses komplexen Begriffes zu finden, unternimmt STAUDACHER (1991), indem er vier verschiedene Betrachtungsansätze wählt, nach denen er die spezifischen Eigenschaften von Dienstleistungen beschreibt: (1) Gutstheoretischer Ansatz: Dienstleistungen sind „produzierte, ursprüngliche, übertragbare,

marktfähige, immaterielle Realgüter in der Form von Verrichtungen mit Zweckeignung und spezifischer Nutzenstiftung“. Wichtig bei diesem Ansatz, bei dem die Eigenschaften der produzierten Güter und deren ökonomische Konsequenzen betrachtet werden, ist die Darstellung der Dienstleistungen als immaterielle Wirtschaftsgüter, die durch die Kombination von Produktionsfaktoren erstellt und für einen Markt produziert werden, und von denen ein spezifischer Nutzen für konsumptive oder produktive Zwecke ausgeht.

(2) Produktionstheoretischer Ansatz: Dienstleistungen werden in einem mehrstufigen Produktionsprozeß erstellt, der aus der Potentialproduktion (Erstellung der Leistungsbereitschaft in einem oder mehreren Schritten) und der Endproduktion (Leistungserstellung) besteht und durch räumlich, zeitlich und sachlich getrennte Phasen mit vielschichtigen Rückkoppelungen gekennzeichnet ist. Da die Endkombination nur in Gegenwart eines „externen Faktors“ (Personen als Leistungsnehmer oder materielle Objekte als Speicher- bzw. Transportmedien) erfolgen kann, ist ein zeitlich-räumlicher Kontakt zwischen Produzenten und Konsumenten erforderlich.

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(3) Funktionstheoretischer Ansatz: Dienstleistungen sind „bedarfssituationsbedingte Verrichtungen“, die der Produktion immateriellen Kapitals, der Vermittlung von Gütern oder ihres Nutzens, der Bewirtschaftung von Werten oder der Erhaltung bzw. der Veränderung von Eigenschaften oder Zuständen dienen. In diesem Ansatz hat die Stiftung von Nutzen für den Konsumenten durch die Dienstleistungsproduktion zentrale Bedeutung.

(4) Raumtheoretischer Ansatz: Dienstleistungen werden aufgrund des mehrstufigen Produktionsprozesses an verschiedenen, räumlich getrennten Orten erstellt, was zu einer spezifischen Standortwahl, multipler Standortorganisation und einer funktionalen und räumlichen Arbeitsteilung führt. Dieser Definitionsansatz ist für die Betrachtung der räumlichen Aspekte der Dienstleistungserstellung und der Nachfrage von großer Bedeutung.

MARTINELLI (1991) bietet eine weniger genaue, dafür aber leichter anwendbare Definition des Begriffes, indem sie Dienstleistungen drei grundlegende Eigenschaften zuweist: • Immaterialität • Gleichzeitigkeit von Endfertigung und Verbrauch • Unmöglichkeit des Transportes oder der Lagerung der Dienstleistung selbst Dieser Definitionsansatz ist zwar weniger formalistisch als der oben genannte, diese drei grundlegenden Eigenschaften grenzen den Begriff aber klar ab und erklären die Besonderheiten des Dienstleistungssektors sowie deren betriebswirtschaftliche und räumliche Auswirkungen in ausreichendem Maße. Nach der Einteilung der wirtschaftlichen Tätigkeiten in drei Sektoren werden Dienstleistungen neben dem primären („Urproduktion“ - Land- und Forstwirtschaft) und dem sekundären („Verarbeitung“ - Güterproduktion) als „tertiärer Sektor“ bezeichnet. In manchen Gliederungsansätzen werden Dienstleistungen auf zwei (tertiär und quartär) oder gar in drei (tertiär, quartär, quintär) Sektoren aufgeteilt, wobei meist klassische Dienstleistungen wie etwa Handel oder persönliche Dienste von „Bürotätigkeiten“ wie Verwaltung oder Forschung und „modernen“ Diensten, die meist durch neue Informations- und Transportsysteme gekennzeichnet sind, unterschieden werden. Es erscheint aber sinnvoller, den gesamten Dienstleistungsbereich unter dem Begriff „tertiärer Sektor“ zu subsumieren, die beiden Begriffe synonym zu verwenden und innerhalb dieses Sektors genauere Unterscheidungen zwischen den einzelnen Dienstleistungsbranchen vorzunehmen. 1.1.2. THEORETISCHE GLIEDERUNGS- UND UNTERSCHEIDUNGSANSÄTZE Die äußerst heterogene Struktur des tertiären Sektors erschwert nicht nur eine umfassende und allgemein gültige Definition des Begriffes, sondern auch die logische Gliederung der einzelnen Branchen, da verschiedene Eigenschaften und Charakteristika als Unterscheidungsmerkmale verwendet werden können. So erscheint es sinnvoll, die theoretischen Konzepte, die auch bei der Begriffsdefinition

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angewandt wurden, auch als Ansätze zu einer Unterscheidung und Systematisierung von Dienstleistungen heranzuziehen. Zunächst sollen die wichtigsten Unterscheidungskriterien der verschiedenen Theorieansätze aufgelistet werden: (1) Gutstheoretischer Ansatz:

• Grad der Immaterialität (Einsatz von Trägermedien) • Entgeltlichkeit (öffentliche oder privatwirtschaftliche Güter) • Nutzungsdauer

(2) Produktionstheoretischer Ansatz: • Ertrags- und Kostenkriterien (Kommerzielle, interne oder öffentliche Dienstleistungen) • Einsatz an Produktionsfaktoren (Verhältnis von Arbeit und Kapital) • Anbieter (öffentliche oder private Leistungsträger) • Leistungsverwertung (intermediäre oder direkte Dienstleistungen) • Spezialierungsgrad des Produktionsprozesses (Erstellung der Potential- und der Endproduktion im

gleichen Betrieb oder räumliche und organisatorische Trennung) • Kontaktorganisation zwischen Anbieter und Nachfrager (Liefersysteme, Abholsysteme oder über

Trägermedien) (3) Funktionstheoretischer Ansatz:

• Art der Nutzenstiftung (objekt- oder personengerichtet) • Soziale und wirtschaftliche Funktionsbereiche (Management-, Verwaltungs-, Verkehrs-,

Vermögensverwaltungs-, Sicherheits-, Reparaturdienste, ...) (4) Raumtheoretischer Ansatz:

• Standortgebundenheit (nach der Art der Produktionsfaktoren) • Standortorientierung (zentral oder dispers)

1.1.3. ANWENDUNGSORIENTIERTE SYSTEMATIKEN DES TERTIÄREN SEKTORS 1.1.3.1. Kriterien einer anwendungsorientierten Systematik Das Problem bei vielen Dienstleistungssystematiken liegt darin, daß die Gliederung wegen der Heterogenität des gesamten Sektors meist pragmatisch nach der Art des Endproduktes und nicht nach der Funktion im sozio-ökonomischen System oder der Produktionsweise erfolgt. Dienstleistungen werden in der amtlichen Statistik meist nach sozialen und wirtschaftlichen Funktionsbereichen („Branchen“) unterschieden, die aufgrund der oben erwähnten Merkmale, die sich auf Eigenschaften des Produktes, des Anbieters, des Nachfragers und des Marktes einer Branche beziehen, charakterisiert werden können. Bei der Betrachtung der räumlichen Dimension von Dienstleistungsbetrieben erscheint vor allem der Aspekt

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der Standortorientierung und -gebundenheit als besonders wichtig, da diese Charakteristika die räumliche Struktur und Verteilung der einzelnen Dienstleistungsbranchen entscheidend beeinflussen. Für eine anwendungsorientierte Systematik und Gliederung des tertiären Sektors werden jedoch meist nur die folgenden zwei grundlegenden Unterscheidungskriterien herangezogen: (1) Art der Leistungsverwertung:

• Konsumdienste: Konsumdienste („consumptive services“) sind direkte Dienstleistungen, die unmittelbar verbrauchsorientiert und so gestaltet sind, daß sie sich für den Endverbrauch eignen. Weil diese Art von Diensten von privaten Haushalten nachgefragt wird, ist sie vom Wohlstand oder Volkseinkommen einer Region abhängig.

• Wirtschaftsdienste: Wirtschaftsdienste („producer services“) sind intermediäre Dienstleistungen, die als Vorleistungen in den Produktionsprozeß eingebracht werden. Sie werden hauptsächlich von privaten Unternehmungen nachgefragt und sind daher von der wirtschaftlichen Situation des Produktions- und Dienstleistungssektors abhängig.

(2) Träger des Dienstleistungsangebotes: • Private Dienste: Private Dienste werden von privatwirtschaftlichen Leistungsträgern nach

kommerziellen Ertrags- und Kostenkriterien erstellt und unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gegen Entgelt verteilt. Die externen Effekte solcher „privater Güter“ sind gering.

• Öffentliche Dienste: Öffentliche Dienste werden von öffentlichen Institutionen erstellt, wobei kommerzielle Kosten- und Ertragskriterien zum Teil eine untergeordnete Rolle spielen. Dies gilt vor allem für Dienstleistungen, von deren Nutzen niemand ausgeschlossen werden kann und die hohe externe Effekte aufweisen. (Kennzeichen „öffentlicher Güter“)

• Interne Dienste: Interne Dienste werden zur Verwendung innerhalb eines Betriebes oder Haushaltes produziert, wodurch lediglich Kosten- aber keine Ertragskriterien relevant sind. Da diese Dienste nicht auf den Markt gelangen, werden sie bei den meisten Sytematiken nicht angewandt. Die unterschiedliche Problematik der Verwendung interner oder externer Vorleistungen im Produktionsprozeß wird aber in Punkt A.1.2. noch ausführlich behandelt.

Aus der Kombination dieser beiden Unterscheidungskriterien ergibt sich eine Gliederung des tertiären Sektors in fünf Teilbereiche:

Wirtschaftsdienste Konsumdienste

Privater Anbieter Kommerzielle Wirtschaftsdienste Persönliche Dienste

Öffentlicher Anbieter Öffentliche Wirtschaftsdienste Soziale Dienste

Als fünfter Teilbereich ergeben sich die distributiven Dienste, die sowohl von privaten als auch von öffentlichen Anbietern erstellt und sowohl konsumptiv als auch produktiv genutzt werden.

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(1) Kommerzielle Wirtschaftsdienste: Kommerzielle Wirtschaftsdienste sind Dienstleistungen, die von privatwirtschaftlichen Firmen als Vorleistungen für andere Betriebe produziert werden: Banken, Versicherungen, Rechtsdienste, Buchhaltung, Marketing, Datenverarbeitung, ...

(2) Persönliche Dienste: Persönliche Dienste werden von privaten Anbietern für Haushalte zum Endverbrauch erstellt und stiften einen unmittelbaren Nutzen: Kultur- und Freizeitdienste, Einzelhandel, Reinigung, Körperpflege, Gaststätten- und Beherbergungswesen,...

(3) Öffentliche Wirtschaftsdienste: Öffentliche Wirtschaftsdienste werden von staatlichen Institutionen zur intermediären Verwendung durch meist private Firmen angeboten: Wirtschaftsorientierte Ämter und Behörden, Forschung, Weiterbildung, staatliche Betriebsbeatung, ...

(4) Soziale Dienste: Soziale Dienste sind komsumorientierte und für private Haushalte bestimmte Dienstleistungen, die von der öffentlichen Hand bereitgestellt werden. Hier stehen meist verteilungspolitische Grundsätze bei der Erstellung des Angebots im Vordergrund: Öffentliche Verwaltung, Justiz, Soziale Sicherheit, Bildung, Gesundheitswesen, ...

(5) Distributive Dienste: Distributive Dienste dienen grundsätzlich zur Deckung der Mobilitäts-, Kommunikations- und Transportbedürfnisse der privaten Haushalte und der Wirtschaftsunternehmungen und werden zum Teil von privatwirtschaftlichen und teilweise von öffentlichen Anbietern erstellt: Verkehrsdienste, Telekommunikation, Großhandel, Nachrichtenwesen, ...

1.1.3.2. Systematik nach MARTINELLI MARTINELLI (1991) bietet eine operationale Dienstleistungssystematik an, die auf der Nomenklatur der wirtschaftlichen Tätigkeiten in der Europäischen Union (NACE) beruht und die eine ähnliche Gliederung aufweist. Sie unterscheidet in die vier Hauptgruppen „Soziale Infrastruktur“, „Verbraucherdienste“, „Verteilungsinfrastruktur“ und „Geschäftsdienste“, wobei die ersteren beiden zu den Konsumdiensten, letztere zu den Wirtschaftsdiensten gehören. Innerhalb dieser beiden Hauptunterscheidungsmerkmale wird ebenso wie in der oben erläuterten Systematik nach der Art des Leistungsträgers unterschieden. Die beiden als „Infrastruktur“ bezeichneten Gruppen beinhalten hauptsächlich Dienstleistungen, die von öffentlichen Institutionen erstellt werden, die beiden anderen umfassen hauptsächlich private Dienste. Wenn man nun die oben zusätzlich angeführte Kategorie der „distributiven Dienste“ ausklammert, so können die von MARTINELLI unterschiedenen Gruppen fast äquivalent mit den zuvor erläuterten Begriffen verwendet werden, wobei die „distributiven Dienste“, obwohl sie zum Teil privatwirtschaftlich erstellt werden, hier der „Verteilungsinfrastruktur“ zugeordnet sind. Die Systematik sieht im Detail folgendermaßen aus: (1) Soziale Infrastruktur (~ „Öffentliche Wirtschaftsdienste“)

• Verwaltung, Justiz und Sicherheit • Soziale Sicherheit • Erziehung

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• Gesundheitswesen • Soziale Dienste • Dienstleistungen von Vereinen und gemeinnützigen Organisationen

Einrichtungen der sozialen Infrastruktur entsprechen etwa den „Öffentlichen Wirtschaftsdiensten“ der vorherigen Gliederung. Sie werden zum Großteil von der öffentlichen Hand angeboten oder zumindest unterstützt, da aufgrund eines Marktversagens oft infolge hoher externer Effekte die optimale Allokation nicht gewährleistet ist. Das Wachstum und die Entwicklung solcher Dienstleistungen ist einerseits von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft, andererseits aber auch von politischen und ideologischen Zielvorstellungen abhängig. (2) Verbraucherdienste (~ „Persönliche Dienste“)

• Einzelhandel • Gaststätten- und Beherbergungswesen • Kultur- und Freizeitdienste • Reperatur von Konsumgütern • Persönliche Dienste (Wäschereien, Friseure, ...)

Verbraucherdienste sind für den Endverbrauch durch private Haushalte bestimmt und entsprechen daher den „persönlichen Diensten“ der vorherigen Gliederung. Ihre Entwicklung ist grundsätzlich vom Wohlstand der Bevölkerung abhängig und kann daher als Funktion des Pro-Kopf-Einkommens angesehen werden. (3) Verteilungsinfrastruktur (~ „Öffentliche Wirtschaftsdienste“ & „Distributive Dienste“)

• Vermögensverwaltung • Immobilien • Verkehr und Transport • Telekommunikation • Groß- und Zwischenhandel

Einrichtungen der Verteilungsinfrastruktur ermöglichen die Verbreitung und Verteilung von Kapital, Gütern, Information und Personen und dienen auch aufgrund ihrer Struktur hauptsächlich als intermediäre Dienstleistungen im Produktionsprozeß privater Betriebe. Zu dieser Kategorie zählen sowohl die „Öffentlichen Wirtschaftsdienste“, als auch die von verschiedenen Institutionen erstellten „Distributiven Dienste“. Das Angebot wird aufgrund der größtenteils hohen Fixkosten und regionalpolitischen Verteilungsgesichtspunkten meist von öffentlichen Institutionen oder von größeren privatwirtschaftlich organisierten Betrieben, die aber oft staatlicher Einflußnahme und Kontrolle unterliegen, bereitgestellt. Das Wachstum solcher Dienstleistungsbetriebe ist von der Entwicklung des produzierenden Sektors und politischen Entscheidungen abhängig.

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(4) Geschäftsdienste (~ „Kommerzielle Wirtschaftsdienste“) • Forschung und Entwicklung • Versicherungen • Finanzdienste • Rechtsdienste • Buchhaltung und Steuerberatung • Technische Dienstleistungen (Ingenieurbüros) • Werbung und Öffentlichkeitsarbeit • Marketing • Betriebsberatung • Elektronische Datenverarbeitung (EDV) • Druck- und Kopierdienste • Verleih von Produktionsanlagen • sonstige Geschäftsdienste

Geschäftsdienste sind von ihrer Struktur und Angebotsstrategie her direkt auf die Verwendung als Vorleistungen in anderen Betrieben ausgerichtet und daher von der Entwicklung der Nachfrager aus primär industriell-gewerblichen, aber auch dienstleistungsproduzierenden oder sogar landwirtschaftlichen Betrieben abhängig. Bei der Erstellung von Geschäftsdiensten spielen im Gegensatz zur Verteilungsinfrastruktur Humankapital und Information eine wesentlich größere Bedeutung als hohe Sachkapitalinvestitionen. Daher wird das Angebot an solchen intermediären Dienstleistungen vornehmlich durch private Firmen oder Selbständige bereitgestellt und unterliegt auch kaum staatlicher Kontrolle oder Einflußnahme. Obwohl diese Dienstleistungssystematik logisch aufgebaut und strukturiert ist, kann sie niemals perfekt sein und wird stets Überschneidungen und Fehlinterpretationen zulassen. Vor allem das grundlegende Gliederungskriterium der Leistungsverwertung ist zwar eminent wichtig, in der Praxis aber oft schwer zu eruieren, da praktisch jede Branche Dienstleistungen anbietet, die sowohl für privaten Konsum als auch als Vorleistung im Produktionsprozeß verwendet werden können. Zudem trennt dieses Kriterium auch strukturell sehr verwandte und benachbarte Branchen, wie etwa den Einzel- und den Großhandel. Auch die Unterscheidung nach der Art des Angebotserstellers ist manchmal schwer, da gewisse Dienste sowohl von privaten als auch von öffentlichen Institutionen angeboten werden. Trotzdem scheint diese Klassifikation ein interessanter Ausgangspunkt für das Verständnis, die Betrachtung und die Analyse der einzelnen Dienstleistungsbranchen zu sein. 1.1.3.3. Amtliche Systematik

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In der amtlichen Statistik Österreichs werden die Wirtschaftsunternehmungen nach der „Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten“ zugeordnet, für die gebräuchliche, teilweise sogar umgangssprachliche „Betriebsbegriffe“ verwendet werden. Diese Begriffe sind hierarchisch in vier Ebenen gegliedert: • Wirtschaftsabteilungen (1-Steller) • Wirtschaftsklassen (2-Steller) • Gruppen von Wirtschaftstätigkeiten (3-Steller) • Arten von Wirtschaftstätigkeiten (4-Steller) Die Wirtschaftsabteilungen 1 bis 6 beinhalten Tätigkeiten des sekundären Sektors, die Abteilungen 7 bis 9 Dienstleistungen. Die grobe Gliederung nach Wirtschaftsabteilungen und Wirtschaftsklassen sieht für den tertiären Sektor folgendermaßen aus: Tab.1: Gliederung von Dienstleistungstätigkeiten nach der Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten in Wirtschaftsabteilungen und -klassen 7A HANDEL / LAGERUNG 71/72/73 Großhandel 74/75/76 Einzelhandel 77 Lagerung und Aufbewahrung 7B BEHERBERGUNGS- UND GASTSTÄTTENWESEN 78 Beherbergungs- und Gaststättenwesen 8 VERKEHR; NACHRICHTENÜBERMITTLUNG 81 Straßenverkehr 82 Eisenbahn- und Seilbahnverkehr 83 Schiffahrt 84 Luftverkehr 85 Transport in Rohrleitungen, Spedition und Hilfsdienste 88 Nachrichtenübermittlung 9A GELD- UND KREDITWESEN, PRIVATVERSICHERUNG, WIRTSCHAFTSDIENSTE 91 Geld- und Kreditwesen 92 Privatversicherung 93 Realitätenwesen; Rechts- und Wirtschaftsdienste 9B PERSÖNLICHE UND ÖFFENTLICHE DIENSTE; HAUSHALTUNG 94 Körperpflege und Reinigung; Bestattungswesen 95 Kunst; Unterhaltung und Sport 96 Gesundheits- und Fürsorgewesen 97 Unterrichts- und Forschungswesen 98 Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen Quelle: Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten (Betriebssystematik 1968)

Die weitere Untergliederung der Wirtschaftsklassen in Gruppen (3-Steller) und Arten (4-Steller) von Wirtschaftstätigkeiten, von denen letztere nur in manchen Bereichen existiert, soll zunächst anhand der Klasse 93 und dann anhand der Gruppe 938 exemplarisch dargestellt werden: Tab.2: Beispiel für die Gliederung von Dienstleistungstätigkeiten nach der Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten in Wirtschaftsgruppen und -arten

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93 Realitätenwesen; Rechts- und Wirtschaftsdienste 931 Realitäten- & Wohnungswesen, Vermögensverwaltung 932 Rechtsberatung 933 Wirtschaftsberatung 934 Technische Dienste 935 Werbe-, Messewesen und sonstige Wirtschaftsdienste 936 Fotographie 938 Vermietung 9282 Vermietung von Bau-, Industrie-, Büromaschinen 9283 Vermietung Gegenständen verschiedener Art Q uelle: Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten (Betriebssystematik 1968)

Da die Arbeitsstättenzählung des Österreichischen Statistischen Zentralamtes, die alle zehn Jahre für ganz Österreich durchgeführt wird (zuletzt 1973, 1981 und 1991), die einzige vollständige und flächendeckende Datengrundlage für Arbeitsstätten- und Beschäftigtendaten darstellt, ist bei statistischen Betrachtungen auf diese Systematik zurückzugreifen. Das Problem dabei stellt die Tatsache dar, daß diese nach pragmatischen Überlegungen bestimmte Gliederung nur schwer mit den theoretisch-inhaltlichen Gesichtspunkten der oben angeführten Systematiken zu kombinieren sind. Möglichkeiten einer inhaltlich sinnvollen Gliederung der statistischen Daten zur empirischen Analyse sollen in Kapitel B.1.1. erläutert werden.

1.2. DIE TERTIÄRISIERUNG DER WIRTSCHAFT Die „Tertiärisierung“ der Wirtschaft ist ein Phänomen, das in allen modernen Industriestaaten zu beobachten ist. Gemeint ist damit die steigende Bedeutung des Dienstleistungssektors, die sich in wachsenden Anteilen der Wertschöpfung und Beschäftigung an der Gesamtwirtschaft ausdrückt. Nach einer Studie des Industriewissenschaftlichen Institutes der WU Wien (1992) liegt der Anteil der Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt in fast allen OECD-Staaten über 50%, in manchen Staaten wie etwa USA, Großbritannien, Kanada oder Frankreich bei über 65%. Dieser Trend ist weiterhin ungebrochen, alleine in den 80er Jahren wuchs der Dienstleistungsanteil in den OECD-Staaten um durchschnittlich rund 5%. In diesen Zahlen spiegelt sich der Übergang von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft, in der die Diensteproduktion eine dominante Rolle für die gesamte Volkswirtschaft spielt, wieder. In der Gegenwart gilt der Anteil des Dienstleistungssektors an der gesamten Wertschöpfung als Maß für den Stand der wirtschaftlichen Entwicklung und für die Wachstumschancen einer Volkswirtschaft. Im folgenden Abschnitt sollen daher anhand der Situation Österreichs Ursachen und Auswirkungen dieses Umwandlungsprozesses aufgezeigt werden. 1.2.1. DER SEKTORALE WANDEL DER ÖSTERREICHISCHEN WIRTSCHAFT Österreich hat in bezug auf den Dienstleistungsanteil im Vergleich mit anderen modernen Industriestaaten einen gewissen Nachholbedarf. Obwohl der tertiäre Sektor nach den Ergebnissen der oben genannte Studie im Zeitraum zwischen 1964 und 1990 jährlich im Durchschnitt mit 9,8% stärker wuchs als der

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sekundäre Sektor mit 7,9%, liegt der Dienstleistungsanteil am BIP mit knapp über 59% im Jahr 1990 noch immer unter den Werten der meisten vergleichbaren OECD-Staaten. Diese Verlagerung geht zu etwa gleichen Teilen auf Kosten des primären und des sekundären Sektors, in bezug auf die Wertschöpfung als auch auf die Beschäftigten. Während im Jahr 1950 erst rund 40% in Dienstleistungsberufen beschäftigt waren, so sollen es im Jahr 2000 bereits 65% sein, was die eminente Bedeutung des tertiären Sektors als Arbeitsplatzgenerator unterstreicht. Österreich weist in den 80er Jahren die höchste Anteilssteigerung aller traditionell industriedominierten Staaten, wie etwa Deutschland (West), Japan oder der Schweiz auf, der Abstand zu Ländern, in denen Dienstleistungen eine dominierende Rolle spielen, hat sich jedoch kaum verringert oder sogar vergrößert. Österreich liegt bezüglich seines Dienstleistungsanteils trotz großer Umstrukturierungen und Modernisierungen noch immer im unteren Drittel der OECD-Staaten, da vor allem die Tertiärisierung des produzierenden Sektors unterdurchschnittlich ist. Während in den USA oder Deutschland die Beschäftigten in Dienstleistungsberufen in der Sachgüterproduktion bereits 38% bzw. 34% ausmachen, liegt der Anteil in Österreich erst bei 26%. Der Nachholbedarf Österreichs bezieht sich daher eher auf intermediäre Wirtschaftsdienste denn auf haushaltsorientierte Konsumdienste. 1.2.2. URSACHEN DER TERTIÄRISIERUNG Der intersektorale Strukturwandel ist die Folge von geänderten Angebots- und Nachfragefaktoren sowie von Umstrukturierungen in den verschiedenen Wirtschaftsbranchen. Tätigkeiten, die früher von privaten Haushalten oder Wirtschaftsbetrieben für den Eigenbedarf erledigt wurden, werden heute in verstärktem Maße von spezialisierten Betrieben angeboten, weshalb ständig neue Dienstleistungen auf den Markt gelangen, um die gestiegene Nachfrage zu befriedigen. Zu den Ursachen des intersektoralen Strukturwandels, der sich in der Verschiebung des Beschäftigungs- und Wertschöpfungsschwerpunktes in den Dienstleistungsbereich ausdrückt, gibt es eine Reihe von Erklärungsansätzen. Diese Vielfalt ist auf die heterogene Struktur des Dienstleistungssektors zurückzuführen, da jede Theorie nur für bestimmte Branchen herangezogen werden kann. Trotzdem kann man diese grob in drei große Gruppen einteilen, die im folgenden Abschnitt einzeln behandelt werden sollen. 1.2.2.1. Konsumnachfrage Die klassischen Theorien zur wachsenden Dominanz des tertiären Sektors und zum Übergang zu einer Dienstleistungsgesellschaft beziehen sich auf konsumorientierte Dienste. Die Annahme, daß die Tertiärisierung der Industriestaaten auf eine sich verändernde Konsumnachfrage zurückzuführen sei, wurde in der Wachstumstufentheorie nach ROSTOW (1966) und in der Meliorationstheorie nach BELL (1973) vertreten. Nach deren Vorstellungen rücken aufgrund eines gesellschaftlichen Wertewandels zunehmend soziale Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund und drängen rein materielle Wünsche

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zurück. Dies führt zu einer Nachfrageverschiebung von vorgefertigten Industrieprodukten zu individuellen Dienstleistungen, die sich in der wachsenden Bedeutung von Freizeit-, Bildungs-, Gesundheits, kulturellen und sozialen Einrichtungen niederschlägt. Das Wachstum des Dienstleistungssektors wird in diesen Theorien als Funktion des Wirtschaftswachstums oder genauer, des Pro-Kopf-Einkommens betrachtet, da es unter Annahme einer höheren Einkommenselastizität der Dienstleistungs- gegenüber der Güternachfrage bei Einkommenssteigerungen zu Verschiebungen zwischen dem sekundären und tertiären Sektor kommt. Andere nachfrageorientierte Theorien wie etwa jene von GERSHUNY (1978), LIPIETZ (1978) oder WÜRTH (1986) stellen diesen Ansatz mit dem Argument, daß konsumorientierte Dienste immer mehr durch Güter und Maschinen ersetzt werden, in Frage. Das Phänomen der Entkoppelung von Konsum und Dienstleistungsbeschäftigung führt nach diesen Ansätzen zu einer wachsenden Substitution von Diensten durch Konsumgüter, da Dienstleistungen, die früher außerhalb des Haushaltes erstellt wurden, zunehmend innerhalb des Haushaltes erledigt werden. Die veränderte Sozialstruktur unserer Gesellschaft dürfte die Folgen dieser technischen Neuerungen jedoch abschwächen, da sich die Anschaffung solcher Geräte für die immer kleineren Haushalte und den wachsenden Anteil der älterer Bevölkerungsgruppen kaum lohnt. Zudem ist im Bereich der sozialen Dienste durch die wachsende Verstaatlichung vieler Funktionen der Anreiz, gewisse Leistungen nicht mehr innerhalb des Haushaltes zu erledigen, sondern an den Staat zu delegieren, immer stärker gegeben. 1.2.2.2. Geringeres Produktivitätswachstum Aufgrund der im Vergleich zur Güterproduktion geringeren Möglichkeit, Dienstleistungstätigkeiten zu standardisieren oder zu automatisieren, gehen einige theoretische Ansätze davon aus, daß der tertiäre Sektor einen gewissen Produktivitätsrückstand gegenüber anderen Aktivitäten aufweist. Dadurch gehen technische Innovationen weniger auf Kosten der Beschäftigungszahlen als in den meist hochtechnisierten Industriebetrieben, was zu einer Verschiebung der Beschäftigungs-, nicht aber der Wertschöpfungsschwerpunkte in Richtung des Dienstleistungssektors beiträgt. Kritiker dieses Ansatzes meinen, daß lediglich die klassischen persönlichen Dienste diesem Klischee entsprechen und weisen darauf hin, daß die Nettoproduktionswerte der produktionsnahen und distributiven Dienste, die einen immer größeren Anteil des tertiären Sektors ausmachen, bereits höher sind als in der meisten Industriezweigen. 1.2.2.3. Intermediäre Nachfrage Die meisten Forschungsarbeiten der letzten Jahre, die sich mit der steigenden Bedeutung des Dienstleistungssektors auseinandersetzen, führen diese Entwicklung auf die dynamische Entwicklung moderner Wirtschaftsdienste, insbesondere industrieorientierter Dienstleistungen zurück. Die „Intensivierungsthese“ besagt, daß durch die wachsende Spezialisierung und Arbeitsteilung werden immer mehr Dienste im Produktionsprozeß notwendig sind, um die komplexer gewordene Produktion zu

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koordinieren und zu optimieren. Diese neuen Arbeitsschritte im Bereich der Planung, Produktentwicklung, Design und Werbung werden ebenso wie andere „klassische“ Leistungen („Externalisierungsthese“) immer stärker aus den Betrieben ausgelagert und spezialierten und daher produktiveren Betrieben anvertraut. Diese Tendenz zur Verselbständigung von Dienstleistungen bewirkt, daß die Wettbewerbsfähigkeit von Industriebetrieben immer stärker vom Angebot an konkurrenzfähigen Dienstleistungen beeinflußt wird. Möglich werden diese Auslagerungen erst durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien, die den Informationstransfer kostengünstiger und schneller machen und eine derartige Arbeitsteilung ermöglichen. Die Vorteile der Externalisierung gegenüber der Selbsterstellung von Servicetätigkeiten sind vor allem höhere Flexibilität, spezialisiertere und qualifiziertere Leistungen, weniger Beschäftigte und meist auch geringere Unkosten durch Großbetriebsvorteile des Anbieters. Da diese intermediären Wirtschaftsdienste zwar immaterieller Natur sind, aber als Vorleistungen für den produzierenden Sektors dienen, werden sie im Anglo-Amerikanischen Sprachraum oft mit dem Begriff „Servuction“ („service“ und „production“) bezeichnet. Der Umwandlungsprozeß kann daher auch als „Schein-Tertiärisierung“ betrachtet werden, da die Zunahme an Diensten lediglich auf eine Substitution von „blue-collar“ durch “white-collar“ Tätigkeiten zurückzuführen ist. Die traditionelle Trennung von typischen Produktions- und Dienstleistungsbranchen wird immer undeutlicher, was sich darin äußert, daß bereits über ein Viertel aller Beschäftigten im Industriesektor mit Serviceaufgaben beschäftigt sind. All diese Theorien stellen die stetig steigende Nachfrage nach intermediären Dienstleistungen in den Vordergrund der Betrachtung, da jene Dienste, die zur Erhöhung der Effizienz des materiellen Produktionssystems beitragen, die höchsten Zuwachsraten aufweisen. Als Determinanten dieses Wachstums intermediärer Dienste werden in der Literatur unter anderem folgende Faktoren erwähnt: • Technologische Innovationen • Wandel der Nachfragestruktur • Wachsende Komplementarität der Dienstleistungen • Steigender Informationsbedarf der Wirtschaft • Externalisierungsstrategien • Spezialisierungsstrategien • Wachsende Arbeitsteilung • Trend zu Mehrbetriebsunternehmungen Die meisten diesbezüglichen theoretischen Konzepte gehen davon aus, daß durch die immer wichtigere Rolle des tertiären Sektors als Vorleistungsproduzent für Industrie und Gewerbe der Verknüpfungsgrad und damit die gegenseitigen Abhängigkeit der beiden Sektoren zunimmt. Aus diesem Grund hängt die Entwicklung der Dienstleistungsgesellschaft immer mehr von produktionsorientierten Diensten ab, während die Bedeutung der konsumorientierten Dienste relativ geringer wird.

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1.3. DIENSTLEISTUNGSANGEBOT

1.3.1. DIENSTLEISTUNGSPRODUKTION Das Sachziel von Dienstleistungsunternehmen besteht in der Produktion von Dienstleistungen, Dienstpaketen oder Dienstleistungspotentialen, aus dem sich ein spezifischer Bedarf an Produktionsfaktoren ergibt. Als Grundmerkmale der Diensteproduktion gegenüber der Güterherstellung gelten nach STAUDACHER (1991) vor allem: • Differenzierung der Produktionsprogramme und der Leistungsziele • Verrichtungscharakter • Zweiebenenorganisation (Potentialerstellung - Endkombination) • Differenzierung und Abhängigkeit der Produktionsfaktoren der beiden Ebenen • Einsatz eines „externen Faktors“ • Verknüpfung zwischen Erstellung und Konsum • Tendenz zur multiplen Standortorganisation Die bedeutendste Besonderheit der Diensteproduktion ist die Mehrstufigkeit der Faktorkombination, da sich durch die Trennung in Potentialerstellung und Endkombination und die dadurch notwendige Verknüpfung der beiden Produktionsebenen viele andere Merkmale ergeben. 1.3.1.1. Leistungspotentialerstellung Die Erstellung eines Leistungspotentials hat vorbereitenden Charakter und das Ziel, eine bestimmte Leistungsbereitschaft zur Diensteproduktion im Rahmen der Endproduktion zu liefern. Im Prozeß der Vorleistungserstellung werden „originäre“ Produktionsfaktoren wie Arbeitskraft oder Wissen zu „derivaten“ Produktionsfaktoren wie etwa Leistungsprogrammen oder Beratern so kombiniert und umgeformt, daß sie eine optimale Grundlage für die Endkombination bieten. Die Potentialproduktion umfaßt eher dispositive Tätigkeiten (Programmentwicklung, Management,...) als operative Aktivitäten (Verwaltung, Realisierung,...), die erst in der zweiten Phase entscheidend sind. Inhalte der Leistungsbereitschaft sind meist Bereitstellung und Aufbau von Personal, interner Infrastruktur oder Know-how und deren Koordination. Die Planung und Gestaltung der Leistungsbereitschaft erfolgt nach CORSTEN (1988) qualitativ oder quantitativ durch geänderten Einsatz an Produktionsfaktoren, räumlich durch Standortentscheidungen, zeitlich durch Änderung der Arbeitszeiten und in bezug auf die Intensität durch Variation des Kundenkontaktes oder der Arbeitsgeschwindigkeit, und dient der Anpassung an die Anforderungen der

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Dienstleistungserstellung. Folglich ist es wichtig, daß zwischen den beiden Produktionsebenen ein rückgekoppelter Austauschprozeß möglich ist. 1.3.1.2. Endkombination Ziel der Endkombination ist es, auf Grundlage der im Prozeß der Potentialproduktion erstellten Leistungsbereitschaft, anderen internen Produktionsfaktoren und durch die Integration eines externen Faktors, Dienstleistungen zu erstellen. Auf der Stufe der Endkombination sind verschiedene Arten der Kontaktorganisation, die von der Beschaffenheit der Leistungsbereitschaft und des „externen Faktors“ abhängen, notwendig, wodurch im Gegensatz zur Potentialproduktion Raum und Zeit eine wichtige Rolle spielen. Die Organisationsgestaltung ist aufgrund des Verrichtungscharakters von Dienstleistungen sowie der Dominanz personenbezogener Tätigkeiten von entscheidender Bedeutung. Die Integration von Leistungspotential und externem Faktor kann in verschiedenen Formen des räumlichen Kontaktes (siehe A.2.1.2.) erfolgen. Bei Abholsystemen muß der Nachfrager mobil und bereit sein, zum Ort der Endkombination zu kommen, während er bei Liefersystemen auf einem von ihm selbst bestimmten Standort versorgt wird. Die Unterscheidung dieser beiden Systeme verliert durch den Ausbau der Telekommunikationsnetze derzeit allerdings an Bedeutung, da ein immer größerer Anteil der notwendigen Kontakte über Trägermedien erfolgt. Bei vielen Dienstleistungen, vor allem bei informationsbezogenen Wirtschaftsdiensten, erfolgt die Diensteproduktion aber nicht durch einen einmaligen Kontakt, sondern in einem mehrphasigen Verrichtungsprozeß. Dieses von KAUFMANN (1977) als Prozeßphasenstruktur bezeichnete Phänomen ist durch sich abwechselnde und rückgekoppelte Phasen der Potentialerstellung, der Teilverrichtung und der Endverrichtung mit mehreren Kontakten zwischen Anbieter und Nachfrager charakterisiert. Diese mehrstufige Kontaktorganisation, die notwendig ist, um die angebotene Leistung optimal auf den Kunden abzustimmen, begünstigt die Standortspaltung der Dienstleistungsunternehmungen und damit die multiple Standortorganisation. 1.3.2. PRODUKTIONSFAKTOREN Produktionsfaktoren sind Güter und Dienste, die zur Erstellung anderer Güter im Produktionsprozeß kombiniert werden. Man unterscheidet grundsätzlich materielle und immaterielle Produktionsfaktoren sowie Trägermedien. Das Problem bei der Entwicklung allgemeiner Systeme von Produktionsfaktoren für Dienstleistungen stellt die Verschiedenartigkeit der einzelnen Dienstebranchen dar. Grundsätzlich ist jedoch eine Dominanz der personellen Produktionsfaktoren festzustellen, die sich aus dem hohen Grad an Individualisierung und dem Verrichtungscharakter der Diensteproduktion ergibt. In den Systematisierungsansätzen von MALERI (1973) und CORSTEN (1988) werden grundsätzlich nach der Verfügungsgewalt und Disponierbarkeit des Leistungsnehmers interne und externe Produktionsfaktoren unterschieden, ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die materielle Beschaffenheit der Faktoren.

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Die wichtigsten materiellen Faktoren stellen Betriebsmittel, Energieträger, vorhandene Infrastruktur, die ökologische Umwelt und die als Vorleistungen eingebrachten Güter dar, doch dominieren bei der Diensteerstellung meist die immateriellen Produktionsfaktoren, wie Wissen, Informationen oder Rechte, die an Personen gebunden sind. Wesentlich scheint auch der interne Fluß der Produktionsfaktoren zwischen der Ebene der Potentialproduktion und der Endkombination. Die im Zuge der Potentialproduktion erstellte Leistungsbereitschaft kann als Produktionsfaktor der Endkombination angesehen werden, während die Erfahrungen der Endkombination wiederum in die Gestaltung der Leistungsprogramme eingehen, wobei dieser Austausch durch die Prozeßphasenstruktur der Diensteproduktion begünstigt wird.

1.4. DIENSTLEISTUNGSNACHFRAGE

Bei der Betrachtung der Grundlagen einer räumlichen Ordnung von Dienstleistungstätigkeiten sind nicht nur die Besonderheiten der Produktion, sondern wegen der starken Einbeziehung des „externen Faktors“ in den Produktionsprozeß auch die Charakteristika der Nachfrage von Bedeutung. Schon bei den Systematisierungsversuchen wird die Art der Nachfrage als eines der wichtigsten Unterscheidungskriterien herangezogen, da durch die Auslagerung von Daseinsgrundfunktionen aus den Haushalten und von Unternehmensfunktionen aus den Betrieben zwei unterschiedliche Nachfragergruppen entstehen. Private Haushalte konsumieren Dienste als Endverbraucher, während Wirtschaftsunternehmungen diese als intermediäre Güter in den Produktionsprozeß eingehen. Bei der Analyse der Eigenschaften der Dienstenachfrage sollte diese Unterteilung aufrecht erhalten bleiben. 1.4.1. DIENSTLEISTUNGSNACHFRAGE DER HAUSHALTE Entscheidungen über die Beschaffung und den Konsum von Dienstleistungen für den Endverbrauch fallen normalerweise in der sozio-ökonomischen Gruppe des Haushaltes und betreffen Bedürfnisse im Rahmen der Daseinsgrundfunktionen, die nicht intern befriedigt werden können, und so eine Nachfrage nach bestimmten Diensten hervorrufen. Die Dienstleistungsnachfrage der Haushalte kann daher nach jener Daseinsgrundfunktion, die diesen Bedarf auslöst, eingeteilt und charakterisiert werden: • Wohnen (Vermittlungs- und Verwaltungsdienste, Einzelhandel, Reperaturdienste,...) • Arbeiten (Verkehrsdienste, Vermittlungsdienste, Rechtsdienste,...) • Versorgung (Einzelhandel, Persönliche Dienste,...) • Erholung (Freizeitdienste, Kulturdienste,...) • Bildung (Unterricht, Informationsdienste,...) • Kommunikation (Nachrichtenübermittlung, Reisedienste,...)

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• Verkehr (Verkehrsdienste, Vermittlungsdienste,...) Die Entscheidung über die Nachfrage von Dienstleistungen auf dem Markt erfolgt in mehreren Stufen. Zuerst müssen die Bedürfnisse formuliert und identifiziert werden, erst dann stellt sich die Frage, ob diese selbst verrichtet oder ausgelagert werden sollen. Sobald feststeht, daß eine bestimmte Leistung externalisiert wird, werden Alternativen zur Beschaffung in Erwägung gezogen. Die Entscheidung über die Art der Beschaffung beinhaltet stets auch die Auswahl eines Funktionsstandortes und bestimmt somit die räumliche Verteilung der Nachfrage nach bestimmten Dienstleistungen. Die Art und der Umfang der Nachfrage wird von Einflußfaktoren, welche die individuellen raumbezogenen Entscheidungen über das Beschaffungsverhalten beeinflussen, bestimmt. Diese Faktoren können grob in drei Kategorien eingeteilt werden: • Reale Dispositionsfaktoren: Reale Dispositionsfaktoren sind Strukturmerkmale der Haushalte, die

das Entscheidungsverhalten bei der Beschaffung von Dienstleistungen mitbestimmen. Dazu gehören sozio-demographische Merkmale wie der Familienzyklus (Gründungsphase - Expansionsphase - Konsolidierungsphase - Reifephase - Altersphase), die Haushaltsgröße, das verfügbare Einkommen und die soziale Stellung eines Haushaltes. Alle diese Faktoren sind eng verknüpft und voneinander abhängig.

• Individuelle Verhaltensdeterminanten: Individuelle Einstellungen, Motive und Wahrnehmung, die aufgrund verschiedener sozialer und charakterlicher Prägung von Mensch zu Mensch verschieden sind, beeinflussen das subjektive Entscheidungsverhalten.

• Externe Rahmenbedingungen: Der Einfluß des Gesellschaftssystems und der Kulturraumzugehörigkeit auf das Konsumverhalten ist ebenso bedeutend wie die Raumstruktur der Funktionsstandorte. Erreichbarkeit und Angebotsstruktur des Dienstleistungsangebotes sind zwar primär objektive Einflußfaktoren für die individuelle Entscheidung, doch wird diese auch von subjektiven Bildern, die in den potentiellen Nachfragern existieren, geprägt.

• Dienstemerkmale: Das räumliche Beschaffungsverhalten wird auch von den Eigenschaften der nachgefragten Dienstleistungen beeinflußt: Preis (Kriterium für die Auslagerung und die Menge), Fristigkeit (Häufigkeit der Beschaffung aufgrund von Haltbarkeit, Wirkungsdauer, Lebensgewohnheiten,...), Transportfähigkeit und Notwendigkeit (bestimmt das Ausmaß des Beschaffungsaufwandes) sind die wichtigsten nachfragebestimmenden Merkmale.

Die Beschaffung von Dienstleistungen erfolgt nicht voneinander getrennt, sondern in multifunktionalen Beschaffungsakten, im Zuge derer Kombinationseffekte genutzt werden. Durch die Verbindung von Beschaffungsvorgängen können die Transport- und damit die Stückkosten gesenkt werden. Diese sind aber nur möglich, wenn räumlich agglomerierte Angebotsstandorte existieren, die eine entsprechende Angebotspalette aufweisen. Die individuelle Entscheidung erfolgt daher in einem räumlich-zeitlichem Zusammenhang, wobei der jeweilige Funktionsstandort nach sujektiven und objektiven Kriterien in

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Betrachtung des zentralörtlichen Systems ausgewählt wird. Die theoretische Grundlage für diesen räumlichen Ansatz der Dienstebeschaffung bietet die Theorie der zentralen Orte, die in Kapitel A.2.2.2. ausführlich behandelt wird. Es gibt eine Reihe von Modellen, die versuchen, das räumliche Beschaffungsverhalten der Haushalte mathematisch abzubilden, indem sie die Intensität der räumlichen Interaktion von verschiedenen Widerstandsgrößen und der Entfernung abhängig machen. Das aus der Physik abgeleitete Gravitationsmodell, die Distance-Decay-Funktion oder das Orientierungsmodell sind nur einige von diesen formalistischen theoretischen Ansätzen. 1.4.2. DIENSTLEISTUNGSNACHFRAGE DER WIRTSCHAFTSBETRIEBE Die Dienstleistungsnachfrage der Wirtschaftsunternehmungen beschränkt sich hauptsächlich auf Leistungen, die so beschaffen und gestaltet sind, um als Produktionsfaktoren in die Herstellung anderer Dienstleistungen oder Güter einzugehen. Es existiert eine Vielzahl von Hypothesen und Erklärungsmodellen, in denen versucht wird, die Art des Einflusses dieser Variablen auf die Nachfrage nach Wirtschaftsdiensten zu analysieren und quantifizieren. Die wichtigsten Bestimmungsvariablen für den Umfang und die Struktur der Nachfrage nach Wirtschaftsdiensten sind: • Interne Strukturvariable: Interne Strukturvariable sind innerbetriebliche Merkmale, die Einfluß auf

die Art und den Umfang der Nachfrage haben. Zu ihnen zählen Betriebsgröße, Wirtschaftsbranche, Produktlebenszyklus, Technologieintensität, Organisatorischer Status, Kontaktorganisation und die Mitwirkung des externen Faktors.

• Strategievariable: Die Nachfrage nach Wirtschaftsdiensten ist von strategischen Auslagerungsentscheidungen der Betriebe abhängig. Dabei werden Rationalisierungs- und Ökonomisierungsstrategien, die auf Großbetriebsvorteile und höhere Qualität im Falle einer Auslagerung bestimmter Arbeiten abzielen, verfolgt.

• Externe Strukturvariable: Die Auslagerungsintensität hängt auch von außerbetrieblichen Bedingungen, vor allem der Angebotssituation auf den relevanten Märkten ab. Entscheidend dabei sind vor allem Kriterien der räumlichen Verfügbarkeit und der Qualität der angebotenen Dienste, sowie die Zugänglichkeit und Überschaubarkeit des Marktes.

Es fällt auf, daß bei der Betrachtung der Dienstleistungsnachfrage der Wirtschaftsunternehmungen von einem objektivierbaren Entscheidungsprozeß aufgrund rationaler Kriterien ausgegangen wird, während bei der Angebotswahl der privaten Haushalte auch subjektive Einflüsse eine wichtige Rolle spielen. ^

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2. RÄUMLICHE VERTEILUNG VON DIENST-LEISTUNGSTÄTIGKEITEN

Im folgenden Kapitel sollen aufgrund der Definitionen, Abgrenzungen und Eigenschaften von Dienstleistungen aus dem ersten Kapitel die theoretischen Grundlagen für die Erklärung der Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten im Raum erarbeitet und erläutert werden. Die Dienstleistungsgeographie, jene wissenschaftliche Disziplin, die sich mit diesen Phänomenen befaßt, ist ein relativ junger Forschungsbereich und umfaßt viele verschiedene Erklärungsansätze aus Bereichen wie Sozial- und Regionalökonomie, Geographie oder Raumforschung, hat sich aber noch zu keiner geschlossenen wissenschaftlichen Theorie entwickelt. In diesem Kapitel soll daher versucht werden, die entscheidenden theoretischen Grundlagen und die wichtigsten Konzepte zur Erklärung der Raumstruktur von Dienstleistungsbetrieben anzuführen und zu erläutern und schließlich die möglichen diesbezüglichen Auswirkungen der revolutionären technischen Entwicklungen und Veränderungen zu diskutieren.

2.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

2.1.1. UNTERNEHMERISCHE STANDORTWAHL Grundsätzlich beruht die Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten auf individuellen Entscheidungen von Unternehmern, und kann daher nur indirekt beeinflußt und untersucht werden. Es scheint daher wichtig zu erwähnen, daß Standortfaktoren zwar Betriebsansiedelungen stimulieren, aber nicht direkt verursachen können. Diese Erkenntnis gilt vor allem für den Dienstleistungssektor, da dieser Bereich von kleinen Betrieben, deren Standortentscheidungen oft von Einzelpersonen und nicht nur unter rationalen Kriterien gefällt werden, geprägt ist. Bei der Betrachtung von Standortentscheidungen werden daher vermehrt behavouristische Ansätze, die nicht untersuchen, wie sich Unternehmer verhalten sollten, sondern wie sie tatsächlich vorgehen, angewandt. In den Arbeiten von PRED (1972) und SCHMENNER (1982) werden aus empirischen Beobachtungen Schlußfolgerungen gezogen, die das Standortverhalten von Betrieben beschreiben sollen. Dabei fällt auf, daß die Standortwahl nicht isoliert, sondern in Abhängigkeit von anderen strategischen Entscheidungen betrachtet wird. Zudem wird nicht von einem rein rationalen, sondern von „heuristischen“ Vorgehen ausgegangen, da aufgrund der hohen Unsicherheiten und der Komplexität der Entscheidungsfindung kaum Optimierungskalküle, sondern vereinfachte Verfahren zur Anwendung gelangen. Heuristiken sind demnach Entscheidungsregeln, die keine optimale, sondern eine akzeptable Lösung mit vertretbarem Aufwand anstreben. Zu diesen gehören nach MAIER / TÖDTLING (1992) vor allem: • Stufenweise Standortentscheidung in räumlichen Ebenen • Konzentration auf besonders wichtige Faktoren

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• Suche nach einem zufriedenstellenden Standort • Mindestanforderungen für die Standortfaktoren • Nachahmung anderer Unternehmen Bei der Untersuchung räumlicher Standort- und Verteilungsmuster sollte daher der individuellen Charakter aller unternehmerischen Entscheidungen stets berücksichtigt werden. 2.1.2. MULTIPLE STANDORTORGANISATION Wie bereits in Kapitel A.1.3.1. erwähnt, zeichnet sich die Dienstleistungsproduktion durch einen mehrstufigen Erstellungsprozeß und daher auch durch eine Spaltung der Produktionsorte aus, wobei vor allem der Ort der Potentialerstellung und der Endkombinationsort zu unterscheiden sind. Diese beiden Ebenen der Diensteproduktion können entweder am Standort des Diensteunternehmens, am Standort des Nachfragers oder an einem anderen Kontaktort realisiert werden. Die Art des Kontaktes zwischen Anbieter und Nachfrager führt zu völlig unterschiedlichen Organisationsformen und hat daher auch eine starke räumliche Dimension. Die Kontaktaufnahme kann nach STAUDACHER (1991) auf folgende 5 Arten erfolgen: • Abholsysteme: Die Potentialerstellung und Endkombination erfolgt am Standort des

Dienstleistungsunternehmens. Die Konsumenten müssen ausreichend mobil sein, um zu den fixen Angebotsstandorten zu gelangen und dort die Leistung zu konsumieren. Dadurch steht bei diesen Systemen die Frage der Erreichbarkeit des Angebotsstandortes im Mittelpunkt der Betrachtungen. Abholsysteme spielen im gesamten Dienstleistungssektor eine dominante Rolle, sowohl bei sozialen (Krankenhäuser, Schulen,...), als auch bei Konsum- (Einzelhandel, persönliche Dienste,...) und Wirtschaftsdiensten (Banken, Rechtsanwälte,...) ist die Leistung an einen fixen Angebotsstandort gebunden.

• Liefersysteme: Die Potentialerstellung und Endkombination erfolgt am Standort des Konsumenten. Dieser Fall vollmobiler Dienstebetriebe ohne fixen Betriebsstandort ist allerdings äußerst selten. Die Mobilität des Anbieters beruht meist auf Absatzstrategien und soll der Marktdeckung dienen, die Wegekosten werden über Liefersysteme vom Anbieter getragen. Nur wenige, eher ausgefallene Einrichtungen, wie Wochenmärkte oder Wanderzirkusse fallen in diese Kategorie.

• Vertretersysteme: Vertreter transportieren das an fixen Produktionsorten erstellte Leistungspotential zum Nachfragerstandort, um dort die Endkombination durchzuführen. Solche Systeme werden vor allem bei Immobilität des Dienstleistungsobjektes angewandt, aber auch um Nachfrager, die nicht in der Lage oder willens sind, einen fixen Angebotsstandort aufzusuchen, zu befriedigen. Vertretersysteme gibt es in fast allen Dienstleistungsbereichen, um eine möglichst gerechte und vollständige Versorgung zu gewährleisten. Als Beispiele seien hier Reinigungsdienste, Hausbesuche im Sozialbereich oder Beratungsunternehmen genannt.

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• Kombinierte Standortsysteme: Durch die flexible Wahl der Endkombinationsstandorte bei ausreichender Mobilität des Dienstepotentials und des Leistungsnehmers können je nach Bedarf verschiedene Arten der Diensteerstellung gewählt werden. Diese Mischformen sind aufgrund ihrer größeren Flexibilität und Anpassungsfähigkeit oft von Vorteil.

• Mediale Diensteproduktion: Der persönliche Kontakt wie er bei Abholungs- oder Lieferungssystemen notwendig ist, wird durch einen medialen Kontakt ersetzt. Die Dienstleistungserstellung erfolgt mit Hilfe von Kommunikationsmedien, wie Fax, Datenleitungen oder Telefon gleichzeitig am Betriebsstandort und am Ort der Nachfrage. Dienstleistungszweige, bei denen die Integration von Anbieter und Nachfrager ausschließlich über medialisierte Kontakte erfolgt, gewinnen im Zuge des technischen Fortschrittes als Ersatz für traditionelle Organisationsformen immer größere Bedeutung, da die teure und aufwendige physische Reisetätigkeit von Personen entfällt.

Bei der Analyse der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsbetrieben werden primär Abholsysteme betrachtet, da diese die weitaus häufigste Form der Kontaktaufnahme darstellen. Es soll aber darauf hingewiesen werden, daß das für die unternehmerische Standortentscheidung wichtigste Kriterium der Erreichbarkeit für potentielle Nachfrager durch Liefer- oder Vertretersysteme ebenso relativiert wird wie durch die wachsende Bedeutung der medialen Kontakte. 2.1.3. INTERAKTION VON STANDORTEN Die Standortentscheidung eines Dienstleistungsbetriebes erfolgt nicht nur aufgrund einzelbetrieblicher Überlegungen, sondern meist auch unter Berücksichtigung des betrieblichen Umfeldes. So neigen manche Branchen eher zu dispersen Standortmustern, andere weisen hingegen starke Konzentrationstendenzen auf. Die Ursachen für die unterschiedliche räumliche Verteilungsmuster von Dienstleistungsaktivitäten sollen im folgenden Abschnitt aufgezeigt werden. 2.1.3.1. Agglomerationseffekte Die Auswirkungen der Interdependenzen zwischen den einzelnen Betrieben, Haushalten und öffentlichen Einrichtungen in den Ballungszentren werden als Agglomerationseffekte bezeichnet. Diese werden durch die Konzentration von Arbeit, Kapital und Infrastruktur in den Zentren verursacht und haben großen Einfluß auf die Qualität und Nutzbarkeit eines Standortes. Man unterscheidet bei den Agglomerationseffekten grundsätzlich Lokalisationseffekte, die zur räumlichen Konzentration gleichartiger Aktivitäten an bestimmten Standorten führen, und Urbanisationseffekte, die heterogene Nutzungsstrukturen begünstigen. Lokalisationseffekte („location economies“) treten grundsätzlich zwischen mehreren Betrieben einer Branche auf. Trotz des Konkurrenzverhältnisses kommt es zu räumlichen Ballungen bestimmter Betriebstypen, da diese dort gemeinsam von bestimmten Faktoren und Einrichtungen profitieren können.

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So wird in solchen Branchenzentren der Spezialisierung von Forschungs- und Bildungseinrichtungen, der technischen Infrastruktur und des Arbeitsmarktes Vorschub geleistet, wodurch gewisse Betriebe Kosten einsparen und die Qualität ihrer Leistungen steigern können. Vor allem kleinere Betriebe, die kaum Skalenerträge erzielen können, profitieren von den gemeinsamen Einrichtungen, die für alle Unternehmungen nutzbar sind. Die Ballung von Aktivitäten einer Branche kann aber natürlich auch zu Lokalisationsnachteilen, welche die räumliche Konzentration einer Branche beschränken, führen. So ergeben sich durch eine hohe regionale Faktornachfrage in einem bestimmten Bereich überdurchschnittliche Lohnkosten oder Grundstückspreise, zudem kann eine zu starke Spezialisierung einer Region aufgrund mangelnder Kontakte mit anderen Branchen auch das bestehende Innovationspotential verringern. Urbanisationseffekte („urbanisation economies“) treten hingegen zwischen Unternehmen verschiedener Branchen auf. Diese Mischungseffekte ergeben sich vor allem durch Komplementaritätsbeziehungen zwischen Wirtschaftssubjekten verschiedenster Funktionsbereiche und haben Auswirkungen auf alle Betriebe. Die durch die Ballung verschiedener Unternehmungen entstehenden Vorteile beziehen sich auf den Absatz- und Arbeitsmarkt, die Verfügbarkeit von Infrastruktursystemen, Forschungseinrichtungen und Unterhaltungsangeboten sowie die Möglichkeit zu direkten Kontakten zu anderen Unternehmungen und bleiben nicht nur Betrieben einer bestimmten Branche vorbehalten. Allerdings ist die Bedeutung dieser Art von Agglomerationsvorteilen je nach Branche verschieden, vor allem Dienstleistungsanbieter mit hohem technischen und fachlichen Know-how profitieren stärker von der Nähe komplementärer Betriebe als traditionelle und weniger spezialisierte Unternehmungen. Diese neigen nicht zu räumlicher Konzentration in den Stadtzentren, da sie von den dort vorhandenen Agglomerationsvorteilen kaum profitieren können, und daher die negativen Agglomerationseffekte, wie schlechtere Umweltqualität, höhere Preise oder Verkehrsprobleme überwiegen. 2.1.3.2. Skalenerträge Skalenerträge, die manchmal auch als interne Agglomerationseffekte bezeichnet werden, entstehen durch die Nutzung von Großbetiebsvorteile, da durch bessere Auslastung des zur Verfügung stehenden Real- und Sachkapitals Einsparungen erzielt werden können. Aufgrund der hohen Dichte an Dienstleistungsbetrieben in den Zentren ist eine höhere Spezialisierung der angebotenen Leistung möglich und auch nötig, wodurch kostengünstigere, weil automatisierte Produktionsweisen angewandt werden können. Größere und spezialisierte Betriebseinheiten, wie sie im Dienstleistungssektor aufgrund der unterschiedlichen Versorgungsbereiche oft nur in den Zentren möglich sind, erlauben die Anschaffung von technischen Geräten und die Beschäftigung von fachlich spezialisierterem Personal, was eine wesentlich rationellere Betriebsorganisation mit sich bringt.

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In vielen Studien wird die Existenz von Skalenerträgen bei Dienstleistungsaktivitäten bezweifelt, da hier im Gegensatz zum produzierenden Sektor nur schwer automatisier- und reproduzierbare Produktionsweisen, die sich an den Wünschen des Konsumenten orientieren, vorherrschen. Allerdings hat gerade die Entwicklung auf dem EDV-Sektor die Standardisierung von Teilen der Dienstleistungserstellung erleichtert. Vor allem in der Phase der Leistungspotentialerstellung ist die Automatisierung mancher Tätigkeiten möglich, während bei der Endkombination durch den starken Bezug zum Kunden kaum Rationalisierungen möglich sind. Neben dem Einsatz von technischen Geräten zur Beschleunigung von bestimmten Tätigkeiten werden Großbetriebsvorteile aber vor allem durch die Möglichkeit, spezifisches Know-how zu erwerben, weiter zu entwickeln und problemorientiert anzuwenden, erzielt. Die steigenden Betriebsgrößen in den meisten Dienstleistungsbranchen und die Entstehung von Dienstleistungsindustrien mit hochkomplexen Organisationsstrukturen sind auf die Existenz von Skalenerträgen zurückzuführen. 2.1.3.3. Disperse und konzentrierte Standortmuster Einen wichtigen Aspekt bei der Standortentscheidung von Dienstleistungsbetrieben stellt die räumliche Verteilung konkurrierender Unternehmen dar. Das Ziel ist es, ein möglichst großes Marktgebiet alleine und ohne Beeinträchtigung durch die Konkurrenz betreuen zu können. Diese Tendenz der Betriebe, nach Möglichkeit eine regionale Monopolstellung zu erreichen, führt zu einer relativ homogenen Verteilung mancher Anbieter über den Raum, was sich in dispersen Standortmustern bestimmter Branchen ausdrückt. Solche Ansiedelungsstrategien kann man vorwiegend in Branchen, die Dienstleistungen für private Haushalte produzieren, beobachten, da unter der Annahme, es gäbe keine Qualitäts- und Preisunterschiede, der Konsument stets das nächstgelegene Angebot wahrnehmen wird, und der Erfolg eines Betriebes daher von der Größe seines Einzugsgebietes abhängt. Die Ansiedlung von Betrieben, die Konsumdienste anbieten, orientiert sich daher grundsätzlich an der Verteilung der Wohnbevölkerung, räumliche Konzentrationen an bestimmten Standorten würden nach dieser Betrachtungsweise nur zu verstärkter Konkurrenz führen. Diese Überlegungen finden sich auch in der Theorie der zentralen Orte (siehe A.2.2.2.) wieder, da dort von einer ähnlichen Konkurrenzsituation ausgegangen wird, in der jeweils nur ein Anbieter einen bestimmten Einzugsbereich exklusiv versorgt. Disperse Verteilungsmuster können aber auch durch andere Gründe, wie etwa die Konkurrenz über die Verfügbarkeit von Ressourcen, oder Umwelt- und Verkehrsprobleme in den Zentren, die der Konzentration von Unternehmungen entgegenwirken, verursacht werden. Man spricht in diesem Fall von Agglomerationsnachteilen, die in Ballungsräumen durch die hohe Nutzungsintensität entstehen und in einigen Branchen ebenfalls die Standortentscheidung beeinflussen. In anderen Branchen, vor allem hochspezialisierten Produktionsdienstleistungen, sind hingegen ausgeprägte konzentrierte Standortmuster zu beobachten. Die Nähe anderer, meist komplementärer Betriebe scheint in bestimmten Branchen von Vorteil zu sein und stellt daher auch eine Ursache für solche räumliche Verteilungen dar. Aufgrund der vielfältigen Verflechtungen zwischen den Betrieben, wobei vor

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allem die Beziehungen zu Lieferanten von Vorleistungen und zu Abnehmern der Endprodukte eine wichtige Rolle spielen, führt die räumliche Nähe zu Kosteneinsparungen durch kürzere Wege und die Möglichkeit der Spezialisierung der Leistungen. Konzentrationsfördernde Effekte treten aber auch dadurch auf, daß an solchen spezialisierten Standorten das Angebot wesentlich umfangreicher und differenzierter ist. Die Ballung von Betrieben führt somit zu wachsender Attraktivität eines Standortes für die Nachfrager, wodurch ein kumulativer Prozeß der Attraktivierung solcher Zentren ausgelöst wird. Auch die Infrastruktur trägt vielfach zur Verstärkung räumlicher Konzentrationstendenzen bei. Trotz politischer Zielvorgaben investiert der Staat aus Rentabilitätsgründen meist in Ballungsgebieten, wodurch zentrale Standorte weiter aufgewertet werden. Die wichtigsten Verkehrssysteme sind meist auf die großen Städte ausgerichtet, an innovative Kommunikationssysteme werden stets zuerst die höherrangigen Standorte angeschlossen. Zudem finden sich auch die wichtigsten öffentlichen Institutionen, Ämter und Forschungseinrichtungen in den urbanen Agglomerationsräumen. 2.1.4. STANDORTFAKTOREN 2.1.4.1. Bedeutung von Standortfaktoren für Dienstleistungsaktivitäten Die unternehmerische Entscheidung bezüglich eines Betriebsstandortes beruht grundsätzlich auf den für die Produktion relevanten Merkmalen, die im Raum unterschiedlich verteilt sind und unter dem Begriff „Standortfaktoren“ zusammengefaßt werden. Diese ökonomisch relevanten Eigenschaften eines Standortes sind die Kriterien der Entscheidungen über das räumliche Verhalten von Unternehmungen, da sie als spezielle Produktionsfaktoren stets in die Produktionsfunktion eingehen. Da sich die klassischen Standorttheorien vornehmlich mit Industriestandorten befassen, gelten Kriterien wie Transport- und Arbeitskosten als wichtigste Standortfaktoren, doch sind aufgrund der besonderen Charakterististik der Dienstleistungserstellung in diesem Bereich ganz andere Faktoren relevant. Historisch betrachtet, war mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel vom primären über den sekundären zum tertiären Sektor auch eine Änderung der entscheidenden Standortfaktoren verbunden. Nachdem der Faktor „Grund und Boden“ in der vorindustriellen Gesellschaft im Vordergrund stand (siehe v.THÜNEN (1826)), wurden in der Industrialisierungsphase die Nähe zu Rohstofflagern und die Transportkosten zu den entscheidenden Kriterien (siehe WEBER (1909)). Mit der wachsenden Komplexität der industriellen Produktion und der daraus folgenden Arbeitsteilung wurde in der Folge die räumliche Nähe anderer Betriebe und diverser Einrichtungen immer wichtiger, zudem sank durch neue Verkehrssysteme und Ausbau des Kommunikationswesens die Bedeutung der Transportkosten. Durch die Expansion des Dienstleistungssektors und die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationssysteme in den letzten fünfzig Jahren rückten bisher nicht beachtete Standortfaktoren in den Mittelpunkt, die im nächsten Abschnitt kurz erörtert werden sollen. 2.1.4.2. Standortfaktorensystem

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Das Standortfaktorensystem, das STAUDACHER (1987) auf Grund verschiedener Forschungsansätze zur Ermittlung und Systematisierung der Standortfaktoren einzelner Dienstleistungsbranchen aufstellt, ist generell für den gesamten Dienstleistungssektor gültig und gliedert die Faktoren nach ihrer Rolle in einem mehrstufigen Entscheidungsprozeß. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Standortwahl in mehreren räumlichen Ebenen unabhängig voneinander erfolgt. So fällt zuerst die Entscheidung auf einer makroräumlichen Ebene für ein Land und eine Region, dann erst wird in der gewählten Region auf einer mikroräumlichen Ebene die optimale Gemeinde und das geeignetste Grundstück gewählt. Die Systematik sieht vereinfacht etwa so aus: 1. Faktoren, die auf einer makroräumlichen Entscheidungsebene relevant sind: • Arbeitsmarktfaktor: Lohnkosten, Ausbildungsniveau,... • Arbeitsteilungsfaktor: Mobilität der Produktionsfaktoren,... • Marktfaktor: Marktgröße, -struktur und -zugang, Konkurrenz,... • Nachfragefaktor: Nachfragerdichte und -qualität 2. Faktoren, die sowohl auf einer makro-, als auch auf einer mikroräumlichen Entscheidungsebene relevant sind: • Politikfaktor: Flächenwidmung, Gewerbeordnung, Steuerniveau, Subventionen,... • Infrastrukturfaktor: Anschluß an das Verkehrs- und Informationsnetz, Parkplatzverfügbarkeit,

Infrastrukturausstattung,... • Städtesystemfaktor: Prestige, Standortsspezialisierung,... • Assoziationsfaktor: Agglomerationsvorteile, Nähe zu Partnern,... 3. Faktoren, die auf einer mikroräumlichen Entscheidungsebene relevant sind: • Immobilienfaktor: Betriebsfläche, Gebäudequalität, Grundstückskosten, Lageimage,... 2.1.4.3. Standortrelevanz der Produktionsfaktoren Inwieweit ein bestimmter Standortfaktor eine wichtige Rolle für einen Dienstleistungsbetrieb spielt, hängt grundsätzlich von der Art des Produktes, der verwendeten Technologie und der Bedeutung des Betriebes innerhalb eines hierarchisch oder funktional gegliederten Unternehmens (Zentrale oder Filiale) ab. Man unterscheidet grundsätzlich boden- und ressourcenintensive, kapitalintensive sowie arbeits- und qualifikationsintensive Produktionsprozesse und Wirtschaftsbranchen. Im Bereich der Dienstleistungen gelten vor allem Großhandel, Lagerung und Verkehr als bodenintensiv, manche technischen Dienste als kapitalintensiv. Grundsätzlich sind aber praktisch alle Dienstleistungen vornehmlich arbeitsintensive Produktionsweisen, wobei der Faktor Arbeit, der eine dominante Rolle in der Produktionsfunktion spielt, nach der Qualifikation differenziert wird. So unterscheidet man Branchen, in denen Arbeitskräfte in relativ kurzer Zeit angelernt werden können, von solchen mit hohen Qualifikationsanforderungen. Da die

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Erbringung von Dienstleistungen meist eine komplexe Abfolge von Tätigkeiten darstellt, sind die hier erforderliche Qualifikationsniveaus meist höher als im Produktionssektor, wo die Industriearbeiter meist standardisierte Arbeiten verrichten. Die höchste Qualifikation ist in den modernen Produzentendiensten, bei denen technisches und sozio-ökonomisches Wissen eine wichtige Rolle spielt und ständig neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Innovationen eingebaut werden müssen, erforderlich. In manchen Studien wird technischer Fortschritt und Innovation sogar als eigener Produktionsfaktor angeführt, um der wachsenden Bedeutung dieses Phänomens gerecht zu werden. Die Standortrelevanz eines Faktors hängt neben der Produktionsfunktion des betrachteten Betriebes auch von dessen Verfügbarkeit und Mobilität ab. Man unterscheidet Faktoren grundsätzlich nach ihrem Lokalisierungsgrad, wobei sich die Verteilung eines Faktors im Raum zwischen konzentriertem und dispersem Vorkommen bewegt. Räumlich konzentrierte Standortfaktoren wie etwa spezialisierte Infrastruktureinrichtungen sind eher für räumliche Ungleichgewichte und Disparitäten verantwortlich als solche mit disperser oder gar ubiquitärer Verteilung. Allerdings sind auch konzentriert auftretende Faktoren an anderen Standorten nutzbar, wenn sie über eine entsprechende Mobität verfügen. Die Mobiltät, die ein Maß für die Möglichkeit und Transportierbarkeit eines Gutes darstellt, greift somit deutlich in die räumliche Verteilung von Standortfaktoren ein. Die höchste Standortrelevanz weisen folglich Faktoren, bei denen starke räumliche Konzentration und Immobilität eines Faktors kombiniert auftreten, auf. So gelten Agglomerationsvorteile in Zentren, hochspezialisierte Infrastruktur, aber auch hochqualifizierte Arbeitskräfte (nur sehr bedingt mobil) als besonders raumdifferenzierende Faktoren mit hoher Standortrelevanz. Die räumliche Differenzierung der vier grundlegenden Produktionsfaktoren stellt sich etwa so dar: • Grund und Boden wirkt durch seine Immobilität stark raumdifferenzierend. Die natürlichen

Ressourcen, die der Boden trägt, sind aufgrund naturräumlicher Gegebenheiten stark konzentriert, ihr Transport ist zwar möglich, aber aufgrund der hohen spezifischen Masse meist teuer.

• Kapital neigt in hoch entwickelten Gesellschaften aufgrund von Rentabilitätsvorteilen zur Konzentration in urbanen oder industriellen Zentren. Während Realkapital aber nur mit hohen Verlagerungskosten bewegt werden kann, ist Finanzkapital äußerst mobil und daher nicht raumdifferenzierend.

• Arbeitskräfte weisen aufgrund von sozio-ökonomischen Gegebenheiten hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit, ihrer Qualität und ihres Preises starke räumliche Unterschiede in ihrer Verteilung auf. Die Mobilität von Arbeit ist innerhalb von Arbeitsmarktregionen, die durch effizientere und schnellere Transportsysteme immer weiter ausdehnen, sehr hoch (Tagespendler), großräumig jedoch aufgrund von Wanderungshemmnissen ziemlich beschränkt.

• Technischer Fortschritt weist aufgrund der Konzentration von Kapital und hochqualifizierten Arbeitskräften in den Zentren („Wachstumspole“) ebenfalls eine starke räumliche Differenzierung auf. Die Mobilität ist aufgrund der weitgehenden Immaterialität neuer Techniken und Organisationsformen

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zwar hoch, doch erfordern Innovationen meist komplementäre Standortfaktoren und weisen daher nicht überall die gleiche wirtschaftliche Effizienz auf. Ihre Verbreitung erfolgt daher langsam und nach einer regionalen Hierarchie von höchst- zum niedrigstrangigen Standort (siehe Produktzyklustheorie).

Da die meisten Produktionsfunktionen von Dienstleistungsaktivitäten nicht streng limitational sind, können Faktoren, die an bestimmten Standorten nicht oder nur in Verbindung mit hohen Aufwendungen zur Verfügung stehen, bis zu einem gewissen Grad durch andere ersetzt werden. Diese Substituierbarkeit ist allerdings hauptsächlich bei weniger qualifizierten Tätigkeiten möglich, während hochspezialisierte Dienstleistungen von bestimmten, konzentriert auftretenden Standortfaktoren abhängig und daher nur an den höchstrangigen Standorten anzutreffen sind. Eine ebenfalls äußerst bedeutende Frage bei der Betrachtung von Standortfaktoren ist, inwieweit trotz moderner Technologien physische Entfernungen noch immer eine große Rolle für die Gunst eines Standortes spielen. Durch Telekommunikations- und Informationssysteme können Daten fast beliebig über riesige Distanzen zu geringen Kosten übertragen werden, was für viele Dienstleistungsanbieter, vor allem im Bereich der modernen kommerziellen Wirtschaftsdienste, eine größere Unabhängigkeit von der Verfügbarkeit bestimmter Standortfaktoren bedeutet. Trotzdem ist weiterhin ist hoher Bedarf an persönlichen Kontakten, vor allem beim Austausch komplexer Informationen, gegeben, wodurch räumliche und zeitliche Entfernungen wiederum an Bedeutung gewinnen. Die Frage, ob gewisse moderne Dienstleistungsbranchen weitgehend unabhängig von konzentriert auftretenden Standortfaktoren sind, und sich daher genauso gut an peripheren und niederrangige Standorten ansiedeln können, soll im Abschnitt A.2.3. diskutiert werden.

2.2. THEORIE DER DIENSTLEISTUNGSSTANDORTE

2.2.1. ALLGEMEINE STANDORTANFORDERUNGEN VON DIENSTLEISTUNGSAKTIVITÄTEN Die traditionelle Standorttheorie mit den Konzepten von v.THÜNEN (1826) und WEBER (1909), die hauptsächlich auf der unterschiedlichen Verteilung von Arbeits- und Transportkosten beruht, galt über Jahrzehnte als wichtigster Erklärungsansatz für die räumliche Verteilung von landwirtschaftlichen und industriell-gewerblichen Betrieben im Raum. Die geänderten Produktionsfaktoren bei Dienstleistungsbetrieben lassen diese Theorie jedoch weitgehend irrelevant erscheinen, da aufgrund der Immaterialität von Diensten die Transportkosten für die Ressourcen und die gefertigten Güter nur mehr eine untergeordnete Rolle spielen. Da die Standortanforderungen von Dienstleistungsaktivitäten aufgrund der im Kapitel A.1.1. beschriebenen Heterogenität dieses Sektors stark differieren, ist es auch hier erforderlich, zwischen den einzelnen Dienstleistungsbranchen zu unterscheiden. Grundsätzlich kann gesagt werden, daß konsumorientierte Dienste eher zu einer dispersen Verteilung tendieren, um den Interessen

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der Konsumenten gerecht zu werden, während produktionsorientierte Dienste zu räumlichen Konzentrationen in Wirtschaftszenten neigen. Doch nicht nur funktionale Unterschiede zwischen den einzelnen Dienstleistungsbranchen sind für die unterschiedliche räumliche Verteilung verantwortlich, sondern auch die Größe und Bedeutung des einzelnen Betriebes. Die Standortanforderungen von Anbietern funktional verwandter Branchen oder sogar der selben Branche können je nach Größe ihres Einzugsbereiches völlig verschieden sein. So suchen zum Beispiel Banken und Versicherungen unterschiedliche Standorte, je nachdem, ob sie einen lokalen oder einen internationalen Markt bedienen. Größere Konzerne mit einer hierarchischen Struktur werden diese Unterscheidung zwischen Zentralen und Filialen auch bei der Wahl der Betriebsstandorte berücksichtigen. Diese hierarchische Struktur, die bei den meisten Branchen sowohl bei den konsumorientierten als auch bei den produktionsorientierten Dienstleistungen (Handel, Banken, Versicherungen, Spitäler, Schulen,...) zu beobachten ist, kann zum Teil als Erklärung für die ungleiche Verteilung und die Anhäufung von Dienstleistungsanbietern in Zentren herangezogen werden. In diesem marktbezogenen Ansatz ist das Konzept der Erreichbarkeit implizit enthalten. Es wird davon ausgegangen, daß die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit für die Kunden ein wesentliches Kriterium bei der Standortwahl eines Dienstleistungsbetriebes ist und ein diesbezügliches Konkurrenzverhältnis zwischen Anbietern der gleichen Hierarchiestufe besteht. In der heutigen Gesellschaft wird die Frage der Erreichbarkeit jedoch insofern relativiert, als persönliche Kontakte zwischen Anbieter und Nachfrager durch die Verfügbarkeit moderner Kommunikationssysteme an Bedeutung verlieren. Die Frage, inwieweit und in welchen Bereichen persönliche Kontakte und die physische Erreichbarkeit von Dienstleistungsbetrieben trotzdem noch große Bedeutung haben, ist grundlegend für die Betrachtung der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsstandorten und wird daher im Kapitel A.2.3. ausführlich diskutiert werden. Die klassische Standorttheorie beruht auf den beiden Faktoren Transport- und Arbeitskosten, die durch WEBER (1909) noch um die Agglomerationseffekte erweitert wurden. Während der Einfluß der Kostenfaktoren auf die räumliche Verteilung von Dienstleistungen vor allem in der Theorie der zentralen Orte Niederschlag findet, gibt es eine große Anzahl von theoretischen Ansätzen, die sich mit den Vor- und Nachteilen der Agglomeration auseinandersetzen. Im folgenden Abschnitt sollen zunächst diese beiden Ansätze der Dienstleistungsstandorttheorie ausführlich erörtert werden, bevor auf neuere alternative Konzepte eingegangen wird. 2.2.2. THEORIE DER ZENTRALEN ORTE 2.2.2.1. Allgemeines

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In der neoklassischen Ökonomie wurden Dienstleistungen ausschließlich als „non-basics“ betrachtet, das heißt man schrieb ihnen eine völlig passive Rolle für die lokale, regionale oder nationale Wirtschaftsentwicklung zu. Die Basis der Wirtschaft stellte nach dieser Auffassung die landwirtschaftliche und die industriell-gewerbliche Produktion dar, da nur diese exportiert werden und somit zum Wohlstand einer Region betragen konnten. Dienstleistungen hingegen dienten lediglich der Versorgung der ansässigen Bevölkerung und hingen in ihrer Entwicklung vom durch „basic activities“ erwirtschafteten Kapital ab. Es wurde bald erkannt, daß die Größe der Region, innerhalb derer Dienstleistungen gehandelt wurden, vom Spezialisierungsgrad der Leistung abhängt. Während Gemischtwarenhändler oder Volksschulen eher kleine Märkte versorgen, finden sich Hochschulen oder Spitäler nur an wenigen, zentralen Standorten und haben entsprechend große Einzugsbereiche. 2.2.2.2. Das Konzept von CHRISTALLER Diese Erkenntnis bildete die Grundlage für die „Theorie der zentralen Orte“, die von CHRISTALLER in seinem 1933 erschienen Werk „Zentrale Orte in Süddeutschland“ begründet wurde, heute als das erste theoretische Konzept der Dienstleistungsgeographie gilt und noch immer für die Erklärung der räumlichen Verteilung von sozialen und persönlichen Diensten herangezogen wird. Nach diesem Ansatz entwickelt sich innerhalb eines geschlossenen Wirtschaftsraumes ein hierarchisches System von Produktionsstandorten, die ihre jeweilige Umgebung mit Gütern und Dienstleistungen versorgen. Da jede Leistung aufgrund ihrer Nachfrage-, Transport- und Produktionsbedingungen eine ganz spezifische Reichweite hat, bilden sich in regelmäßigen Abständen „zentrale Orte“ heraus, die diese Leistung anbieten können. Die räumliche Verteilung der zentralen Orte ergibt sich aus der Annahme, daß die Summe des Wegeaufwandes für die Versorgung mit verschiedenartigen Gütern und Leistungen ein Minimum anstrebt und unterliegt daher einer strengen Hierarchie. Zentrale Orte niederen Ranges können nur die wenig spezialisierten Dienste mit geringerer Reichweite anbieten, während hochspezialisierte Leistungen, die ein entsprechend großes Einzugsgebiet brauchen, nur in wenigen hochrangigen Zentren erhältlich sind. Alle Standorte einer Zentralitätsstufe bieten grundsätzlich die gleiche Versorgung, jedes Zentrum umfaßt zusätzlich zu den seine Zentralitätsstufe definierenden Gütern und Dienstleistungen auch alle Leistungen der niedrigerrangigen Standorte, allerdings mit entsprechend umfangreicheren Wahlmöglichkeiten. Die räumliche Ausformung dieser Überlegungen sieht CHRISTALLER in einem System aus regelmäßigen sechseckigen Einzugsgebieten, in deren Mittelpunkt der zugehörige zentrale Ort liegt, wobei mehrere solcher Netze verschiedener Hierarchiestufen übereinandergelagert und einander zugeordnet sind. Die Zentralität des jeweiligen Standortes legt die Größe der ihm zugeordneten sechseckigen Einzugsgebiete fest. 2.2.2.3. Anwendungsbereiche des Konzeptes

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Obwohl die Theorie von idealisierten Bedingungen ausgeht und wichtige räumliche Einflüsse wie Agglomerations- und Skaleneffekte ausklammert, so gelten CHRISTALLERs Prinzipien von einer Hierarchie der Dienstleistungsstandorte bis heute und finden auch in empirischen Untersuchungen immer wieder Verwendung. Vor allem im Bereich der sozialen Dienste, wie in der Verwaltung, dem Schul- und dem Gesundheitswesen sind räumliche Standortmuster zu beobachten, die diesem theoretischen Konzept sehr nahe kommen. Das liegt vor allem daran, daß die Standorte dieser Einrichtungen meist zentral nach Prinzipien, die sich aus der CHRISTALLER´schen Theorie ableiten, geplant werden. Jede angebotene Dienstleistung wird nach ihrem Zentralitäts- oder Spezialisierungsgrad einer bestimmten räumlichen Ebene zugeordnet, die diese zu erfüllen hat („Subsidiaritätsprinzip“). Jede dieser Ebenen gliedert sich in flächendeckende und sich nicht überschneidende Versorgungsbereiche, denen jeweils ein zentraler Ort, an dem die Leistung angeboten wird, zugeordnet ist. Zentrale Orte höheren Ranges versorgen ein relativ großes Einzugsgebiet mit spezialisierteren Dienstleistungen, bieten aber auch weniger zentrale Dienste für ihre unmittelbare Umgebung an. Warum dieses Prinzip vor allem bei öffentlichen Diensten so verbreitet ist, liegt an der monopolähnlichen Stellung des Staates als Anbieter von Gütern wie Gesundheit, Bildung und Verwaltung. Da es keine marktwirtschaftliche Konkurrenz zwischen Anbietern einer Ebene gibt, wird versucht, die Versorgungsbereiche so zu optimieren, daß es weder Überlappungsbereiche noch unversorgte Gebiete gibt, um dadurch Kosten zu minimieren. Jede Leistung wird daher jener Ebene zugeordnet, die eine optimale Ausnutzung der vorhandenen Kapazitäten, die durch Unteilbarkeiten nicht beliebig festgelegt werden können, verspricht. Aber auch Dienstleistungen, die vornehmlich von privaten Unternehmungen angeboten werden und daher den Gesetzen des Marktes unterworfen sind, können solche hierarchischen Standortmuster aufweisen. Vor allem persönliche Dienste, die laut Definition hauptsächlich von privaten Haushalten nachgefragt werden, neigen zu deratigen räumlichen Verteilungen. Da die meisten persönlichen Dienste nicht über Trägermedien vermittelt werden können, bleibt der persönliche Kontakt zwischen Anbieter und Kunden unerläßlich, womit Erreichbarkeitsverhältnisse zum entscheidenden Faktor werden. Aufgrund der hohen Transportkosten für den Personenverkehr tendieren Dienstleistungen, die auf die Nachfrage privater Haushalte angewiesen sind, daher nicht zur Ballung an wenigen Standorten, sondern zu Verteilungen, die jenen der Wohnbevölkerung ähnlich sind. Um ein möglichst großes Marktgebiet alleine und ohne Beeinträchtigung durch die Konkurrenz versorgen zu können, besteht die Tendenz solcher Betriebe sich möglichst weit voneinander anzusiedeln, was zur Abgrenzung von Einzugsgebieten und räumlichen Monopolstellungen führt. Je spezialisierter die angebotene Dienstleistung ist, desto größer müssen auch die Marktgebiete sein, um eine ausreichende Nachfrage zu erreichen, wodurch automatisch verschiedene Hierarchieebenen entstehen. Hochrangige Dienste werden sich daher nur in hochrangigen zentralen Orten ansiedeln, während in unbedeutenderen Zentren nur wenig spezialisierte Dienste mit kleineren Einzugsbereichen angeboten werden. Für Wirtschaftsdienste hingegen ist die Theorie der zentralen Orte wesentlich weniger relevant. Da sich diese nicht an privaten Haushalten, sondern an Wirtschaftsbetrieben orientieren, siedeln sich solche

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Betriebe vornehmlich in den Ballungszentren, wo sie stärker als andere Dienste von Agglomerationsvorteilen profitieren, an. Lediglich weniger spezialisierte Wirtschaftsdienste, deren Arbeitsweise nicht ständig von neuen Technologien beeinflußt wird, wie etwa Steuerberater oder Buchhalter, weisen Verteilungsmuster auf, die der Theorie der zentralen Orte gerecht werden. Hochtechnisierte und spezialisierte Dienstleistungen wie etwa alle EDV-Dienste tendieren am stärksten zu räumlichen Konzentrationen in den Stadtzentren, da diese besonders vom persönlichen Kontakt zu Forschungseinrichtungen und anderen Unternehmungen abhängig sind. Die Theorie der zentralen Orte kann nicht nur im zwischen-, sondern auch auf innerstädtische Verteilungen von Dienstleistungsaktivitäten angewandt werden. Auch innerhalb von größeren Stadtagglomerationen bildet sich eine komplexe Hierarchie von Zentren mit unterschiedlich großen Einzugsbereichen heraus. Städte ab einer gewissen Größenordnung können daher nicht mehr als punktförmige Standorte bestimmter Angebote betrachtet werden, da sie selbst ein System von zentralen Orten darstellen. In der heutigen Stadtentwicklungsplanung wird versucht, durch die Herausbildung und Stärkung von Bezirks-, Bereichs- und Stadtteilzentren diesen Überlegungen gerecht zu werden, um eine transportkostenoptimale Versorgung mit Dienstleistungen aller Art zu gewährleisten. 2.2.3. AGGLOMERATIONSTHEORETISCHE ANSÄTZE 2.2.3.1. Allgemeines Alle Agglomerationstheoretischen Ansätze der Dienstleistungsgeographie gehen vom Prinzip der Agglomerationsvor- und -nachteile (siehe Punkt A.2.1.2.1), die sich aus den Nutzungen und Tätigkeiten benachbarter Wirtschaftssubjekte ergeben, aus. Es existiert keine umfassende Theorie der Agglomeration und damit der zentral-peripheren Ordnung, dafür aber eine große Anzahl von Theorien, die auf der Verteilung solcher Effekte beruht. STAUDACHER (1991) unterscheidet vier gedankliche Zugänge zur Erklärung des Phänomens der Agglomeration: • Optimierung der Voraussetzungen für Versorgungssysteme: Systeme und Einrichtungen der

technischen und sozialen Infrastruktur werden in Ballungsräumen effizienter genutzt, da sie dort höhere Auslastungsgrade erreichen können als in peripheren Regionen.

• Assoziationsprinzip: Die räumliche Nähe anderer Betriebe und Institutionen erleichtert die gegenseitigen Austausch- und Interaktionsbeziehungen, was vor allem bei Dienstleistungsunternehmen, die auf persönliche Kontakte angewiesen sind, wichtig ist.

• Spezialisierungsvorteile: Der Interaktionsgrad der Wirtschaft ist in den Zentren aufgrund von Interaktionsvorteilen und der Nutzungsdichte so hoch, daß daraus Vorteile für die Ausbildung von spezialisierten Betrieben bestehen.

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• Herrschaftsvorteile: Agglomeration erklärt sich aus Vorteilen der Herrschaftsausübung und der Ausnutzung von Abhängigkeiten. Durch die immer komplexer werdende Organisationsstruktur der Unternehmungen entwickeln sich innerbetriebliche Hierarchien zwischen Firmenzentralen und Filialbetrieben, die sich in der räumlichen Struktur in zentral-peripheren Mustern niederschlagen.

Diese Erklärungsansätze finden sich in verschiedenen agglomerationstheoretischen Konzepten wieder, von denen zwei nun kurz erläutert werden sollen. 2.2.3.2. Innovative Milieux und Wachstumspole Milieutheoretische Ansätze stellen einen wesentlichen Beitrag zur Analyse räumlicher Auswirkungen des technologischen Wandels dar. Es handelt sich dabei grundsätzlich um makroanalytische Theorien, in denen neben ökonomischen auch informelle, soziale und kulturelle Beziehungen zwischen den Akteuren betont werden. Sie beruhen auf der Beobachtung, daß es in allen hochentwickelten Staaten Regionen gibt, in denen durch die Ballung von Betrieben einer Branche eine hohe Dichte von Hochtechnologie und Innovation zu beobachten ist. Als Erklärung für solche Phänomene wird hauptsächlich die Existenz von Lokalisationseffekten, die zwischen Unternehmungen mit ähnlichen Produktionstechnologien entstehen, (siehe A.2.1.2.1.) herangezogen. Einer der wichtigsten milieutheoretischen Ansätze ist die „Theorie der Wachstumspole“, die auf F.PERROUX (1955) zurückgeht, der in den 50er Jahren den Begriff „poles de croissance“ in die regionale Wirtschaftsforschung einbrachte. Nach diesem Konzept tritt Wirtschaftswachstum nicht an allen Orten und zur gleichen Zeit auf, sondern es manifestiert sich in bestimmten Wachstumszentren in unterschiedlicher Intensität und breitet sich nach eigenen Gesetzmäßigkeiten von dort aus. Solche Wachstumspole sind durch bestimmte „Innovationsindustrien“, die technologisch und organisatorisch überlegen und aufgrund ihres hohen Verflechtungsgrades mit anderen Betrieben in der Lage sind, als Initiator einer endogenen Entwicklung zu fungieren, gekennzeichnet. Eine Reihe von wissenschaftlichen Studien hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Faktoren und Bedingungen eine solches innovatives Klima bedingen. Trotz der Verschiedenartigkeit der dabei untersuchten Regionen sind einige gemeinsame Charakteristika (MAIER / TÖDTLING, 1992) zu erkennen. Innovation entsteht im Zuge von arbeitsteiligen Prozessen, in die eine Vielzahl von Akteuren, von privaten Betrieben über öffentliche Forschungs- und Beratungseinrichtungen bis zu Infrastrukturbereitstellern, eingebunden sind. Diese Wirtschaftssubjekte bilden komplexe Netzwerke, die eine bestimmte lokale Verankerung aufweisen und als Quellen von Information, technischem Know-how, finanziellen Ressourcen und potentiellen Partnern fungieren. Da diese Netzwerke zum größten Teil auf persönlichen Kontakten beruhen und nur teilweise auf Kommunikationsmedien beruhen, ist die räumliche Nähe zwischen den Akteuren entscheidend. Die durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren entstehenden Synergieeffekte bringen den dort ansässigen Betrieben, die einer bestimmten Branche

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angehören, Vorteile, die sich in Kosteneinsparungen, Qualitätsverbesserungen und Innovationen niederschlagen. Bereits in der Phase der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entwickelten sich solche räumlichen Konzentrationen von Industriebetrieben, wobei zunächst die Nähe von Rohstofflagern als entscheidender Faktor fungierte. Erst im Laufe der Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, daß durch die räumliche Ballung von Betrieben, die eine gemeinsame Nutzung von technischer, sozialer und finanzieller Infrastruktur möglich machte, Synergieeffekte entstehen, von denen die Unternehmungen profieren können. Mit der wachsenden Komplexität der industriellen Produktion wurde die Nähe anderer Betriebe und das Angebot an Wirtschaftsdiensten immer wichtiger für die Entwicklung einer Branche. In der Gegenwart sind solche „innovativen Milieux“ vor allem im Bereich der hochtechnisierten industriellen Produktion, vor allem der Computertechnik, besonders ausgeprägt. Durch die staatliche Unterstützung solcher „Technologieparks“ soll genau dieses Potential, das durch die Ballung innovativer Betriebe entsteht, ausgeschöpft werden. Trotz der dort bestehenden Dominanz von produzierenden Betrieben ist aber eine wachsende Bedeutung von modernen Dienstleistungsbetrieben in solchen Zentren zu beobachten. Betriebsberater, Forschungsabteilungen, Ingenieurbüros oder Softwareentwickler tragen zum innovativen Klima entscheidend bei und übernehmen eine immer wichtigere Rolle im Entwicklungsprozeß dieser Standorte. Oft kann die Ansiedlung moderner Dienstleistungsbetriebe sogar der Impuls für innovative Industrien sein, Produktionsstätten in einem geplanten Technologiezentrum zu errichten. 2.2.3.3. Innovationsdiffussionsansatz Die räumliche Verteilung von Dienstleistungen hängt nach dem Innovationsdiffussionsansatz von komplexen Innovations- und Diffussionsprozessen ab. Die Neuerungen im organisatorischen und produktionstechnischen Bereich entstehen grundsätzlich in den städtischen Ballungsräumen und breiten sich nach streng hierarchischen Gesichtspunkten im Raum aus. Bei diesen Diffusionsprozessen sind allerdings völlig verschiedene Geschwindigkeiten zu beobachten, vor allem zwischen humankapital- und infrastrukturorientierten sowie intermediären und finalen Dienstleistungen, auch nach dem Grad der notwendigen technischen Fertigkeiten und des Technologieanteils. Nach BEARSE (1972) hängt die Geschwindigkeit der Adaption eines Standortes von folgenden Faktoren ab: • Nähe zum Innovationskern • Stellung in standörtlichen Hierarchie • Mittlere Größe der Betriebe • Wachstumsrate der Neuerung Der Innovationsdiffussionsansatz geht wie alle agglomerationtheoretischen Ansätze von zetral-peripheren räumlichen Verteilungsmustern aus, im Unterschied zu den meisten anderen beruht er auf einer dynamischen Betrachtungsweise, in der die Zeit eine wichtige Rolle spielt. Der Ansatz ist vor allem bei der Betrachtung der räumlichen Verteilung von modernen Wirtschaftsdiensten relevant, da gerade in diesem

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Bereich der Grad an technischen und organisatorischen Innovationen, die hauptsächlich von den städtischen Zentren ausgehen, besonders hoch ist. Die Ausbreitung der Innovationen im Dienstleistungsbereich funktioniert wegen der niedrigeren Produktivität meist sehr langsam, und stellt ein großes Problem der Regionalentwicklung in peripheren Regionen dar. 2.2.3.4. Agglomerationeffekte in Bezug auf Wirtschafts- und Konsumdienste Agglomerationsvorteile spielen bei der Standortwahl von Wirtschaftsdiensten eine eminente Rolle, da in diesem Bereich persönliche Kontakte zu anderen Betrieben wichtiger sind als bei den Konsumdiensten, die sich vornehmlich an den Endverbrauchern orientieren. Moderne Wirtschaftsdienste basieren weitgehend auf dem Austausch von Informationen, weshalb die Intensität und Qualität der Kontakte zwischen den Betrieben entscheidend für den Erfolg einer Dienstleistungsaktivität ist. Da trotz innovativer Kommunikationssysteme der persönliche Kontakt immer noch einen hohen Stellenwert genießt, tendieren solche Dienstleistungsbetriebe dazu, sich in bereits hochrangigen Zentren anzusiedeln und damit den Agglomerationsprozeß zu verstärken. Das Prinzip der Agglomeration ist aber nicht nur auf Wirtschaftsdienste beschränkt, da auch manche Konsumdienste zu räumlichen Konzentrationen tendieren. Das beste Beispiel dafür liefert das Phänomen der „Shopping Centres“, wo verschiedene Dienstleistungen (Geschäfte, Restaurants, Fitnesstudios, Banken, Körperpflege,...) an einem Standort gebündelt angeboten werden. Dem Erfolg solcher Einrichtungen liegt die Tatsache zugrunde, daß eine Gruppe von Geschäften mehr Kunden anzieht als die gleiche Anzahl von isolierten Geschäften. Da dieses Phänomen auch im Bereich der Gesundheits-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen zu beobachten ist, dürfen Agglomerationstendenzen im gesamten Dienstleistungssektor nicht vernachlässigt werden. 2.2.4. ALTERNATIVE THEORIEANSÄTZE Neben den beiden wichtigsten theoretischen Konzepten zur Erklärung der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsbetrieben gibt es auch eine Reihe alternativer Ansätze, die zwar gewisse Phänomene in diesem Bereich behandeln, meist aber keinen ganzheitlichen Anspruch haben. Oft sind solche Konzepte wesentlich realitätsnäher als umfassende Theorien, da sie sich nur mit einem bestimmten Aspekt auseinandersetzen und diesen empirisch und theoretisch nachzuweisen versuchen. Der Lebenszyklusansatz nach MEFFERT (1974) geht von der Hypothese zeitlich variabler Standortansprüche im Laufe der Entwicklung eines Unternehmens aus. Im Zuge dieses Prozesses ändert sich aufgrund von Investitionszyklen die Wahrscheinlichkeit, die Dimension und die Richtung der Verlagerung eines Betriebes. Es werden grundsätzlich vier Phasen der Entwicklung eines Produktes unterschieden, wobei jeder Abschnitt gewisse räumliche Auswirkungen hat. Der Einführungs- und

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Innovationsphase, in der Pionierunternehmen ein Produkt entwickeln und unter großem Risiko auf den Markt bringen, folgt die Wachstumsphase, in der konkurrierende Produzenten auftauchen, um von wachsenden Grenzumsätzen zu profitieren. In der Reifung- und Sättigungsphase wird die Konkurrenz so groß und die Zuwächse so gering, daß die Grenzumsätze negativ werden und die Sicherung der Marktanteile an einem bereits ausgereiften Produkt im Vordergrund steht. Schließlich folgt die Degenerations- und Verfallsphase, die durch stark schrumpfende Umsätze gekennzeichnet ist, weshalb sich jene Betriebe, die überlebt haben, teilweise neuen Produkten zuwenden, womit der Produktlebenszyklus von neuem beginnt. Da jede Phase andere Standortanforderungen mit sich bringt, ist ein Zusammenhang zwischen der Phase, in der sich ein Produkt (und damit der jeweilige Betrieb) befindet, und der räumlichen Verteilung von Unternehmungen zu vermuten. So sind im Bereich innovativer Dienstleistungen Agglomerationseffekte eher in früheren Entwicklungsphasen von Bedeutung, während in der Reifephase deglomerativ wirkende Faktoren wie niedrige Arbeits- und Bodenkosten in den Vordergrund rücken. Die Bodenpreistheorie beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen den Bodenrenten und den Standortentscheidungen der Unternehmungen. Durch unterschiedlich hohe Ertragschancen sind nur jene Betriebe in der Lage, sich auf den hochrangigen und bestausgestatteten Standorten anzusiedeln, welche die dort verfügbaren Potentiale (Infrastruktur, Arbeitsmarkt,...) nutzen und daraus Gewinn erzielen können. Dienstleistungen spielen in diesem Konkurrenzkampf insofern eine aktive Rolle, da die hohe Wertschöpfungsintensität besonders im Bereich der modernen Geschäftsdienste zur Verdrängung von Wohn- und Gewerbenutzungen in den Zentren führt. Die Bodenpreistheorie wurde hauptsächlich im Bereich des Einzelhandels untersucht, wobei der Zusammenhang zwischen den möglichen Bodenrenten bestimmter Geschäfte und ihrer räumlichen Verteilung hergestellt wurde, und eignet sich vor allem für die Untersuchung innerstädtischer Standortmuster. Interaktionstheoretische Ansätze befassen sich mit der Anziehungskraft, die Standorte auf Menschen ausüben, und leiten sich aus dem NEWTON’schen Gravitationsgesetz her. Die Interaktion zwischen Standorten nimmt mit der Masse der Orte (Einwohner, Betriebe,...) zu und quadratisch mit der Entfernung ab. Solche Ansätze eignen sich vor allem zur Abgrenzung von Einzugsgebieten von Dienstleistungsbetrieben, etwa im Bereich des Handels, der Bildung und des Gesundheitswesens. Im Gegensatz zur Theorie der zentralen Orte, wo keine Überlappungen oder Überschneidungen zwischen den Marktgebieten existieren, werden in Marktpotentialkonzepten Konkurrenzbeziehungen zwischen verschiedenen Anbietern berücksichtigt. Da die Annahme eines klar abgegrenzten Einzugsgebietes wegen der steigenden Mobilität der Nachfrager nur noch sehr bedingt gilt, bilden intaktionstheoretische Ansätze, die mit Wahrscheinlichkeiten und Potentialen arbeiten, eine wichtige theoretische Grundlage für Marktforschung oder Standortplanung. Eine Reihe von Forschungsansätzen beschäftigt sich ausschließlich mit bestimmten Dienstleistungsaktivitäten, etwa mit dem Einzelhandel, öffentlichen Einrichtungen oder Büronutzungen. Es

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ist nicht möglich, im Rahmen dieser Arbeit auf diese speziellen theoretischen Ansätze einzugehen, es soll lediglich darauf hingewiesen werden, daß es über die hier angeführten Erklärungskonzepte hinaus viele Forschungsbereiche gibt, die auf allgemeine Theorien zurückgreifen, diese aber um branchenspezifische Gesichtspunkte ergänzen.

2.3. RÄUMLICHE AUSWIRKUNGEN NEUER TECHNOLOGIEN

Genauso wie der technische Fortschritt während der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert die Kriterien bei der Standortwahl von Industriebetrieben verändert hat, schlagen sich heute neue Technologien in der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsbetrieben nieder. Technolgische Neuerungen im Transportwesen, die schon während der industriellen Revolution eine entscheidende Rolle für die Änderungen in der industriellen Raumstruktur spielten, haben auch Auswirkungen auf die moderne Dienstleistungsgesellschaft, und stellen einen wichtigen externen Faktor der technischen Entwicklung dar. Während in der industriellen Gesellschaft das Gewicht auf dem Ressourcen- und Gütertransport lag, so steht bei Dienstleistungen die Mobilität von Personen im Vordergrund, da in den meisten Fällen persönlicher Kontakt zwischen Anbieter und Konsument notwendig ist. Schnellere Transport- und Kommunikationssysteme schaffen neue Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und ermöglichen es Dienstleistungsbetrieben daher, sich weiter von ihren Kunden oder von Zulieferbetrieben entfernt anzusiedeln. Beinahe unabhängig von physischen Entfernungen sind Dienstleistungen, die ausschließlich über Trägermedien vermittelt werden, wobei der Austausch von Leistungen durch die immer größere Bandbreite an Informations- und Telekommunikationssystemen in den letzten Jahren qualitativ enorm erleichert und verbessert wurde. Da es immer mehr Branchen gibt, deren Dienstleistungen ohne persönlichen Kontakt mit dem Nachfrager verrichtet werden können, scheinen Standortfaktoren, die sich auf die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit des Anbieters beziehen, an Bedeutung zu verlieren. In diesem Kapitel werden zunächst die Entwicklungen im Transportwesen und deren Konsequenzen für die Raumstruktur kurz diskutiert, danach sollen die Eigenschaften von neuen Informationsstechnologien und deren Auswirkungen auf den Dienstleistungssektor analysiert werden. 2.3.1. ENTWICKLUNGEN IM TRANSPORTWESEN 2.3.1.1. Motorisierter Individualverkehr Das rasante Wachstum des motorisierten Individualverkehrs seit den 50er Jahren war zweifellos der wichtigste Einfluß der letzten Jahrzehnte auf Veränderungen in der Siedlungsstruktur. Durch die Verfügbarkeit von Privatautos änderten sich die Erreichbarkeitsverhältnisse enorm, und leisteten somit der Dezentralisation und der Suburbanisation innerhalb der Städte Vorschub. Siedlungsentwicklung war

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plötzlich nicht mehr nur entlang von Achsen der öffentlichen Verkehrs möglich, weshalb sich die Städte immer weiter ausbreiteten und somit völlig neue Raumstrukturen entstanden. Diese Entwicklung scheint noch lange nicht zu Ende, der private Autobesitz in allen Staaten der westlichen Welt ist in den letzten Jahren weiter gestiegen. Auch wenn in diesem Zusammenhang oft von „Vollmotorisierung“ gesprochen wird, bleibt stets ein beachtlicher Teil der Bevölkerung von Alten, Jugendlichen, sozial Schwachen und Freiwilligen, die kein Auto zur Verfügung haben, und die damit unter den geänderten Erreichbarkeitsverhältnissen leiden. Für die Dienstleistungsbetriebe bedeutet die wachsende Motorisierung zwar einerseits eine bessere Erreichbarkeit und damit ein größeres Einzugsgebiet, doch bedeutet das eher Vorteile für zentral gelegene Betriebe, da der Kaufkraftabfluß aus peripheren Regionen erleichtert wird. Das Verschwinden kleiner dezentraler Betriebe, vor allem im Bereich der persönlichen Dienste (Greißler, Friseure, Kinos,...), ist zweifellos auf diese rasante Entwicklung der letzten Jahrzehnte zurückzuführen, da erst das Auto eine Konzentration von Dienstleistungen an bestimmten Orten (z.B. Shopping Centres) ökonomisch sinnvoll macht und damit sowohl peripheren Regionen als auch den alten Stadtzentren Kaufkraft entzieht und sie dadurch aushöhlt. 2.3.1.2. Öffentlicher Nahverkehr In den Städten haben neben dem wachsenden Straßenverkehr auch neue Verkehrssysteme im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs in die Raumstruktur eingegriffen. Durch die Errichtung von hochrangigen Systemen wie U- oder S-Bahn wurden die Erreichbarkeitsverhältnisse innerhalb der städtischen Ballungsräume verändert. Einerseits wurden Vororte näher an die dichtbesiedelten Gebiete herangerückt, andererseits erfuhren bereits etablierte Zentren, sofern sie an das Netz angeschlossen wurden, eine Aufwertung und Wiederbelebung. Durch die neuen Systeme sind die Zentren direkt vom Stadtrand aus über öffentliche Verkehrsmittel erreichbar, wodurch diese schneller und bequemer erreicht werden können als wesentlich näher gelegene Dienstleistungsstandorte in den Außenbezirken. Auch dort ist allerdings eine gewaltige Standortaufwertung in der unmittelbaren Umgebung der Stationen zu bemerken. An den meisten neuerrichteten U-Bahn-Knotenpunkten in Wien ist die Entwicklung von Geschäftszentren mit einem umfassenden Angebot an Einzelhandel und anderen persönlichen Dienstleistungen, sowie die vermehrte Ansiedlung von öffentlichen und Wirtschaftsdiensten zu beobachten. Die Linienführung eines hochrangigen öffentlichen Verkehrsmittels greift jedenfalls nicht nur in Erreichbarkeitsverhältnisse, sondern auch in die innerstädtische Verteilung von Standortgunst und damit die Zentrenstruktur ein. Im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs in den Städten sind in den nächsten Jahrzehnten allerdings revolutionäre Veränderungen zu erwarten, deren Auswirkungen auf die Stadtstruktur noch kaum abzuschätzen sind. Neue Systeme wie Kabinenbahnen, Transportbänder oder Fahrsteige, die sich noch im Versuchsstadium befinden, sollen jedenfalls höhere Flexibilität und Geschwindigkeit kombinieren und damit weniger punktuell wirksam sein als die heutigen Transportmittel. Trotzdem werden öffentliche

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Verkehrsmittel immer zu räumlichen Disparitäten beitragen, da nie alle Standorte gleichermaßen an das Netz angeschlossen werden können. 2.3.1.3. Eisenbahn Die Eisenbahn, die im 19. Jahrhundert die wichtigste Verkehrsinnovation darstellte und damit, wie bereits erwähnt, deutlich in die Standortwahl von Industriebetrieben eingriff, spielt heute für die Raumstruktur eine wesentlich geringere Rolle. Die Geschwindigkeit der Züge blieb aufgrund wenig technischer Innovationen ziemlich gleich, durch das wegen der Auflassung von Nebenbahnen immer weitmaschigere Streckennetz hat die Reisegeschwindigkeit teilweise sogar abgenommen. Während der Güterverkehr in ganz Europa stagniert, sind zum Teil beachtliche Zuwächse bei den beförderten Personen zu beobachten, vor allem dort, wo der Versuch unternommen wurde, technische Innovationen in das Eisenbahnwesen einzubringen. Die in den letzten zwei Jahrzehnten aufgekommenen Hochgeschwindigkeitszüge haben vor allem von den nationalen Fluglinien Marktanteile zurückgewonnen, doch ist in den meisten Staaten die Bereitschaft, in den Straßenverkehr zu investieren wesentlich größer als in neue Eisenbahnsysteme. Die Auswirkungen der Eisenbahn auf die Raumstruktur beschränken sich im Gegensatz zum Autoverkehr fast ausschließlich auf zwischenstädtische und überregionale Phänomene. Die Tendenz der Eisenbahngesellschaften, Nebenbahnen aufzulassen und die Hauptstrecken zu beschleunigen, führt zu einer Aufwertung der jener städtischen Zentren, die an dieses Netz angeschlossen sind. Da ein immer noch beträchtlicher Teil des Personenverkehrs, vor allem im Bereich zwischen 100 und 500 km auf die Bahn entfällt, beeinflussen diese Tendenzen die Raumstruktur insofern, als sie die Konzentration jener Dienstleistungen, die einen überregionalen Einzugsbereich aufweisen und auf persönliche Kontakte angewiesen sind, in den Ballungsräumen fördern. Niederrangige Zentren, die nicht an ein solches Bahnnetz angeschlossen werden, sind folglich klar benachteiligt, da sie für bestimmte Branchen nicht mehr als Standort in Frage kommen. 2.3.1.4. Flugverkehr Die Entwicklung im Flugverkehr ist ein klassisches Beispiel für die Auswirkungen von Hochtechnologie auf andere Lebensbereiche. Kein anderes Verkehrsmittel hat physische Entfernungen derartig relativiert wie das Flugzeug. Nahmen vor einigen Jahrzehnten Reisen zwischen den Kontinenten noch mehrere Tage oder gar Wochen in Anspruch, so kann man heute innerhalb weniger Stunden jede größere Stadt der Welt erreichen. Da Flugzeugreisen erst ab etwa 500 km Zeitersparnisse bringen, beschränken sich die räumlichen Auswirkungen des Luftverkehrs allerdings auf internationale und interkontinentale Verteilungen. Die Entwicklung von weltumspannenden Dienstleistungskonzernen, deren Zentralen sich fast ausschließlich auf einige wenige Städte der Welt (New York, London, Tokio, Singapur,...) konzentrieren, ist nur durch ein Transportsystem mit einer solchen Geschwindigkeit möglich, da nur so persönliche Kontakte zwischen den Betrieben untereinander aber auch mit ihren Geschäftspartnern und Kunden in einer vertretbaren Zeit stattfinden können. Die Entwicklung der zurückgelegten Personenkilometer im Flugverkehr hat sich seit

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den 60er Jahren unglaublich rasant entwickelt. Ursachen dafür sind einerseits die stark gefallenen Preise aufgrund höherer Auslastung und steigender Konkurrenz, andererseits die immer größeren zurückgelegten Entfernungen. Besonders große Auswirkungen hat die Entwicklung im Flugverkehr auf den Tourismus, da die Wahl des Urlaubsortes stark von den Reisekosten abhängt. Der Trend zu immer exotischeren Zielen beeinflußt die Struktur und das Angebot des Fremdenverkehrs in Österreich nachhaltig. 2.3.2. NEUE INFORMATIONSTECHNOLOGIEN 2.3.2.1. Die Entwicklung konventioneller Kommunikationssysteme Vor der Betrachtung der Entwicklung von hochtechnisierter Informationssystemen sollten die wichtigsten herkömmlichen Kommunikationssysteme nicht unbeachtet bleiben, da diese noch immer für einen Großteil des Informationsflusses verantwortlich sind. Es ist anzunehmen, daß Systeme wie Telefon, Telefax, Telex oder die Post auch in Zukunft kaum durch hochtechnisierte Kommunikationssysteme zu ersetzen sein werden. Im Bereich der Post ist in fast allen europäischen Länder die Zahl der transportierten Einheiten zwischen 1975 und 1984 gestiegen, was weniger auf private Korrespondenz, sondern auf Postwurfsendungen von verschiedenen kommerziellen und karitativen Organisationen zurückzuführen ist. Die Post stellt somit ein weiterhin sehr bedeutendes System zum Transport von Informationen dar, und ist trotz vieler technischer Innovationen für die moderne Wirtschaft unentbehrlich. So werden zum Beispiel die meisten wissenschaftlichen Fachzeitschriften, aber auch Rechnungen, Prospekte oder Angebote noch immer über den konventionellen Weg überbracht. Das Telefon, das sich nach dem 2.Weltkrieg zu einem fast überall verfügbaren Informationssystem entwickelt hat, ist heute aus der modernen Informationsgesellschaft nicht mehr wegzudenken. Die Möglichkeit, mit einem oder mehreren Partner persönlich zu sprechen, kann niemals durch eine Datenübertragung ersetzt werden. Zur Zeit steht zwar noch die Digitalisierung des Netzes im Vordergrund der Überlegungen, doch gelten die nächsten Anstrengungen bereits der gleichzeitigen Übertragung von Bildern, um damit den persönlichen Kontakt eines Gespräches, der auch im Geschäftsleben große Bedeutung hat, zu intensivieren. Telex, das im Gegensatz dazu hauptsächlich im Geschäftsleben verwendet wird, verzeichnet zwar zum Teil sogar zweistellige Wachstumsraten, doch ist in den höchstentwickelten Staaten bereits ein Stagnationsprozeß eingetreten, da Telex als eines der ersten komplexen Kommunikationssysteme bereits von innovativeren Technologien abgelöst wird. Vor allem Faxgeräte, die wesentlich komplexere, nämlich bildhafte Informationen übertragen können, haben sich in den letzten Jahren auch im privaten Bereich durchgesetzt. Durch den Einsatz von Satelliten hat sich das Netz enorm verdichtet und die weltweite Kommunikation vereinfacht. Da das Telefax über das Telefonleitungsnetz, an das praktisch alle Betriebe

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und Haushalte angeschlossen sind, übertragen wird, ist es eine praktisch überall verfügbare Gelegenheit zum Informationsaustausch und wirkt daher nicht raumdifferenzierend. 2.3.2.2. Die Eigenschaften neuer Informationstechnolgien Erst die Fortschritte in der Mikroelektronik haben die Entwicklung von Telekommunikationssystemen ermöglicht und bedingen noch immer ständige Weiterentwicklungen und Veränderungen in diesem Bereich. Mit der Ablösung der alten Transistortechnik durch Mikrochips wurden sowohl Kapazität als auch Stabilität der Computer entscheidend verbessert, die Entwicklung von Glasfiberkabeln erleichterte die Datenübertragung enorm. In den letzten Jahrzehnten ist in vielen Bereichen eine gemeinsame Entwicklung von Computer- über Kommunikationstechnogie zu beobachten, die oft unter dem Begriff „Informationstechnologie“ zusammengefaßt wird. Während die Weiterentwicklung der Computer hauptsächlich organisatorische und betriebsinterne Auswirkungen auf die Dienstleistungsproduktion hat, greift deren Vernetzung wie alle neuen Kommunikationstechnologien in bestehende räumliche Strukturen ein. Die Frage, wie sich die neuen Informationstechnologien auf die Beschäftigungszahlen auswirken, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Manche Studien (RAJAN and COOKE 1986) belegen jedoch, daß die zusätzliche Nachfrage, die durch die neuen Möglichkeiten hervorgerufen wird, mehr Arbeitsplätze schafft, als durch die Rationalisierung konventioneller Bürotätigkeit verloren gehen. Da all diese neuen Technologien auch entwickelt und umgesetzt werden müssen, ist zudem ein immer größerer Anteil der Bevölkerung im Bereich der Telekommunikation und der EDV-Dienste selbst tätig. Die Entwicklung der Computer hat den Ablauf vieler Dienstleistungsaktivitäten völlig verändert. Durch die Möglichkeit, riesige Datenmengen schnell bearbeiten und aufbereiten zu können, lassen sich viele aufwendige Prozesse automatisieren und beschleunigen. Dienstleistungen werden dadurch standardisiert, sind zumindest teilweise reproduzierbar und verlieren ihren ursprünglichen individuellen Charakter. Die Modelle, die dabei angewandt werden, müssen daher so flexibel sein, daß sie den Anforderungen des Nachfragers entsprechen. Während im produzierenden Sektor neue Technologien den Herstellungsprozeß, aber nicht das Gut selbst ändern, haben technische Neuerungen im Dienstleistungssektor Auswirkungen auf die Art und die Eigenschaften des Produktes. Neue Kommunikationstechnogien ändern stets die Wahrnehmbarkeit und Überwindbarkeit von physischen Distanzen, da durch die Beschleunigung, Vereinfachung und Verbesserung des Informationsaustausches die räumliche Entfernung zwischen verschiedenen Standorten an Bedeutung verliert. Durch die Anwendung komplexer Systeme zum Informationstransfer, wie etwa im Internet, entstehen ständig neue Möglichkeiten der Dienstleistungsproduktion, wobei die jeweilige Technolgie auch auf den Kunden ausgerichtet sein muß, da dieser als wichtiger Teil im Produktionsprozeß fungiert. Die Verteilung der Anschlüsse und Gelegenheiten im Raum spielt daher eine entscheidende Rolle für die

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Wirksamkeit eines Systems. Die Möglichkeit, Computer untereinander über Datenleitungen zu verbinden, in eröffnet in vielen Branchen völlig neue Dimensionen, da auf diese Art Aktivitäten, die an verschiedenen Standorten verrichtet werden, koordiniert werden können. Solche Datennetze ermöglichen die Auslagerung vieler Tätigkeiten an periphere Betriebs- oder Wohnstandorte und haben daher dierekte Auswirkungen auf die Raumstruktur. Einen großen Fortschritt bedeutet vor allem die digitale Datenübertragung, weil im Gegensatz zu analogen Systemen die Verbindung zwischen den Partnern elektronisch hergestellt werden kann und die Signale für die Übertragung nicht analogisiert werden müssen.. Glasfiberkabel haben die zwar die Übertragungskosten verringert, die Installation solcher Datenleitungen ist aber sehr teuer und zahlt sich daher nur bei hohen Auslastungsraten aus, was dazu führt, daß nur höchstrangige Standorte an das Netz angeschlossen werden, wodurch sich die bestehenden Ungleichgewichte und Hierarchien verstärken. Der Wert eines neuen Systems hängt aber stets mit der Zahl der angeschlossenen Teilnehmer zusammen, weil damit auch die Zahl der potentiellen Kommunikationspartner verbunden ist. Viele Systeme sind daher erst in einer Phase der Ausbreitung in periphere Regionen für die bereits angeschlossenen Haushalte oder Betriebe ökonomisch sinnvoll. Die grundsätzliche Frage bei allen Übertragungssystemen stellt die Entfernungssensivität dar, die meist über distanzspezifische Transportkosten dargestellt wird. Auch bei hoher Attraktivität waren periphere Standorte wegen der hohen Distanzsensivität der verfügbaren Kommunikationssysteme lange Zeit für viele Branchen ausgeschlossen, da die anfallenden Transportkosten zu hoch waren. Durch die Verbreitung neuer Systeme können die Kosten so weit reduziert werden, daß sie durch die Ersparnisse für teure Büromieten kompensiert werden. Daher kann über die Gestaltung der Übertragungspreise der Trend zur Dezentralisation beschleunigt oder verlangsamt und somit massiv in Raumstrukturen eingegriffen werden. Bei den meisten staatlich organisierten und verwalteten Systemen werden durch die Tarifgestaltung, die nicht den Erstellungskosten entspricht, regionalpolitische Zielsetzungen umgesetzt, indem periphere Standorte bevorzugt behandelt werden. Allerdings ist stets ein „time-lag“ zwischen dem Anschluß zentraler und niederrangiger Standorte an ein neues System zu beobachten, oft dauert die Verbreitung so lange, daß sich in den Zentren bereits ein noch effizienteres und billigeres System durchsetzt, bevor es die periphereren Regionen erreicht hat. In einer Studie zum Thema Telearbeit führen die amerikanischen Wissenschafter GRANTHAM and PAUL (1994) folgende 5 Punkte als organisatorische und räumliche Auswirkungen der Weiterentwicklung von Kommunikationstechnologien an: • Wachsender Informationsfluß: Einerseits können durch die wachsende Übertragungskapazität

können mehr Daten übertragen werden, andererseits ist es mehr Menschen möglich, sich an das Netz anzuschließen.

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• Zentralisierung von Macht und Kontrolle: Die Fortsetzung dieses historisch nachweisbaren Trends wird in dieser Studie angezweifelt, da die Technologien heute bereits so perfekt sind, daß sie eine Dezentralisierung der Entscheidungsträger zulassen.

• Dezentralisierung von konsumptiven und produktiven Tätigkeiten: Durch die wachsende Verfügbarkeit von modernen Systemen sind neue Arbeitsformen, bei denen man nicht auf die physische Anwesenheit der Partner angewiesen ist, möglich.

• Wachsende Rationalität bei unternehmerischen Entscheidungen: Durch den wachsenden Informationsfluß werden die Unsicherheiten der Unternehmer reduziert und effizientere Entscheidungen ermöglicht.

• Wachsende Geschwindigkeit im Arbeitsprozeß: Durch schnellere Interaktionssysteme wird der Arbeitsprozeß zwar beschleunigt, aber auch öfter gestört, was negative Auswirkungen auf den individuellen Arbeitsrhythmus haben kann.

Trotz der ständigen Weiterentwicklung am Informationssektor, der immer effizientere, schnellere und bequemere Kommunikationstechnolgien hervorbringt, sind aber in gewissen Bereichen persönliche Kontakte unerläßlich. Weder das Telefon noch Video-Konferenzen haben bisher die direkte Kommunikation zwischen Menschen ersetzen können, da sich persönliche Kontakte nicht auf die Vermittlung von visuellen und verbalen Informationen beschränken lassen. Trotzdem spielt bei der Betrachtung von räumlichen Phänomenen die Entwicklung der Telekommunikation eine entscheidende Rolle, da ein immer größerer Anteil des Informationsaustausches nicht mehr physisch, sondern über elektronische Trägermedien erfolgt. Daraus ergibt sich, daß in vielen Bereichen grundlegende Charakteristika der Dienstleistungsproduktion nur mehr bedingt gelten und die Prinzipien der Theorie der zentralen Orte oder Agglomerationseffekte relativiert werden. Es ist noch kaum möglich, eindeutige Konsequenzen der neuen Technologien für die Raumstruktur zu konstatieren, doch besteht kein Zweifel, daß der Dienstleistungssektor an vorderster Front dieser Entwicklungen steht und nachhaltig von den technischen Innovationen beeinflußt wird. 2.3.2.3. Auswirkungen neuer Technologien auf Wirtschaftsdienste Die internen Effekte der neuen Informationstechnologien, die durch die noch immer steigende Verwendung von Computern im Büroalltag entstehen, haben nicht nur Auswirkungen auf organisatorische Produktionsabläufe in den Betrieben, sondern auch auf die Raumstruktur. Durch die steigende Nachfrage an High-Tech Büros, die durch ihre modernen technischen Einrichtungen größtenteils völlig andere Anforderungen haben als herkömmliche Bürogebäude, steigt in den Zentren der Ballungsräume der Druck auf dem Immobilienmarkt und führt zu Verdrängungseffekten. Durch flexible und schnelle Bauweisen (Stahlkonstruktionen, vorgefertigte Elemente, Überbauung von Verkehrswegen,...) hat sich in vielen Dienstleistungsmetropolen auch das Erscheinungsbild gewandelt.

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Wesentlich größeren Einfluß auf die räumliche Verteilung von Wirtschaftsdienstleistungsbetrieben hat aber zweifellos die rasante Entwicklung der Telekommunikation und Computernetzwerke. In der post-industriellen Gesellschaft gilt Wissen in Form von Daten, Know-How oder anderen Informationsträgern als wichtigste Ressource, die im Zuge des Produktionsprozesses ausgetauscht, verarbeitet, übertragen, verändert, angepaßt und kombiniert wird. Die Zugänglichkeit zu dieser Ressource über „elektronische Autobahnen“ spielt daher eine genauso wichtige Rolle wie die Erreichbarkeit von natürlichen Ressourcen mit Hilfe der Eisenbahn in der Phase der Industrialisierung. Durch die neuen Technologien sind zumindest gewisse Informationen leichter auch über größere Entfernungen hinweg verfügbar, wodurch Dienstleistungsbetrieben eine größere Auswahl an möglichen Standorten zur Verfügung steht. Trotzdem siedeln sich neue Betriebe, die vornehmlich Wirtschaftsdienste bereitstellen, meist zentral an, um von Agglomerationsvorteilen aller Art profitieren zu können. Erst später, wenn das Unternehmen expandiert, werden peripherere Standorte für die Filialen gewählt, die über Computernetze und andere Systeme (Telefon, Fax,...) mit der Zentrale verbunden sind. Ein mögliches Zukunftsszenarium könnte daher so aussehen: Ein kleines Zentralbüro auf einem höchstrangigen Standort mit den erfahrensten und bestbezahlten Mitarbeitern, bei denen persönliche Kontakte mit den Kunden, anderen Betrieben, aber auch untereinander eine entscheidende Rolle spielen, dem Filialbetriebe, die vor allem weniger spezialisierte, automatisierte Tätigkeiten (Buchhaltung,...) verrichten und über verschiedene Kommunikationssysteme angebunden sind, zugeordnet sind. Durch die komplexen Vernetzungen gewinnen die Zentralen meist an Macht und Einfluß, da sie ihre Filialbetriebe effizienter überwachen und steuern können. Unter dem Schlagwort „Tele-working“ laufen auf der ganzen Welt mehr oder weniger erfolgreiche Zukunftsprojekte, die es bestimmten Angestellten ermöglichen, zuhause am Computer zu arbeiten, da sie über Datenleitungen mit der Zentrale direkt verbunden sind. In den USA wird die Zahl der „Tele-worker“ bereits auf rund 10 Millionen geschätzt, alleine der Telefongigant AT&T beschäftigt 38.000 Menschen. Trotzdem besuchen die meisten „Tele-worker“ das Büro ein- oder zweimal pro Woche, um persönliche Kontakte zu pflegen, Informationen auszutauschen oder Rat zu holen, Tätigkeiten, die über kein Kommunikationssystem ähnlich gut verrichtet werden können. Die weiteren Ausbreitung von „Tele-working“ hätte zweifellos enorme Auswirkungen auf die organisatorische und räumliche Struktur von Dienstleistungsaktivitäten, und damit auch auf ökonomische, ökologische und soziale Folgen für die Gesellschaft. Die seit der Industrialisierung bestehende Trennung zwischen Arbeits- und Wohnstandort könnte dadurch teilweise wieder aufgehoben werden, was einerseits Verkehr und Büroflächen einsparen, andererseits tief in die Lebenssituation der betroffenen Haushalte eingreifen würde. In einem solchen Szenario würden sämtliche Tätigkeiten, deren In- und Outputs über Computernetze übertragen werden können, an periphere Standorte ausgelagert werden, während nur noch jene Funktionen, für die der persönliche Kontakt mit Kunden, konkurrenzierenden oder verwandten Betrieben unerläßlich ist, in den Bürogebäuden auf zentralen Standorten verbleiben würden. Es scheint dabei die Gefahr gegeben, daß ähnlich wie im produzierenden Sektor nur serielle, automatisierte Tätigkeiten

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ausgelagert werden, während alle kreativen und gestalterischen Entscheidungen weiterhin in den Zentralen getroffen werden. Im Journalismus sind solche Arbeitsweisen auch in Europa bereits weit verbreitet. Mitarbeiter, die on-line mit der Zentrale verbunden sind, können ihre Artikel ohne Zeitverlust in die Redaktion schicken, wo die Zeitung zuerst zusammengestellt und dann wiederum über Datenleitungen an die Druckereien übermittelt wird. Solche Vorgangsweisen haben zu einer Vereinfachung, Beschleunigung und Verbilligung des Informationsaustausches im Zeitungswesen geführt. Trotz des distanzverringernden Charakters von modernen Kommunikationstechnologien hat deren Ausbreitung räumliche Ungleichgewichte eher verstärkt als abgebaut. Da Computer-Netzwerke wie alle hochtechnologischen Systeme stark zentralisierte Strukturen aufweisen, profitieren nur die Betriebe an den hochrangigen Standorten von deren Möglichkeiten. Zudem ignorieren viele Unternehmen weitgehend die Möglichkeiten, die durch die technologischen Innovationen geschaffen worden sind und erhalten ihre hierarchischen und zentralisierten Organisationsstrukturen aufrecht. Die bereits getätigten Investitionen in herkömmliche Büros bewirken zudem eine gewisse Trägheit, neue Technologien zu integrieren und die modernen Herausforderungen anzunehmen. 2.3.2.4. Auswirkungen neuer Technologien auf Konsumdienste Neben den unternehmensbezogenen Auswirkungen der neuen Technologien, besonders im Bereich der EDV, sind externe Effekte durch innovative Kommunikationssysteme auch bei den Konsumdiensten zu beobachten. Allerdings werden die Folgen meist erst später wirksam als bei Wirtschaftsdiensten, da sich private Haushalte aus Wirtschaftlichkeitsgründen mit einer gewissen Zeitverzögerung an neue Kommunikationssysteme anschließen. Genau wie einst bei der Verbreitung des Telefons oder des Telefaxes lohnt es sich heute bei Computernetzwerken bisher hauptsächlich für Wirtschaftsbetriebe an einen solchen System teilzunehmen. Daher erfolgt bis heute die Kontaktaufnahme zwischen dem Dienstleistungsanbieter und privaten Nachfragern überwiegend persönlich, nur in Ausnahmefällen und in gewissen Bereichen werden Leistungen über elektronische Trägermedien, hauptsächlich Telefon und Fax, bereitgestellt. Diese konventionellen Kommunikationssysteme werden aber oft zur Bestellung sowie zur qualitativen, örtlichen und zeitlichen Abstimmung der Leistungserbringung verwendet und spielen somit bei vielen sozialen und persönlichen Diensten eine wichtige Rolle. Die völlige Medialisierung des Kontaktes zwischen dem Leistungsanbieter und privaten Konsumenten ist aber Teil von Zukunftsszenarien einer modernen Informationsgesellschaft, die in Ansätzen schon erprobt werden. So könnte „Tele-shopping“ eine Revolution im Bereich des Einzelhandels auslösen. Dabei kann das komplette Warenangebot zuhause auf dem Bildschirm abgerufen und die Bestellungen über eine Datenleitung gleich aufgegeben werden. Da der Versand über die Post oder über spezielle Vetriebsfirmen erfolgt, gibt es keinen persönlichen Kontakt zwischen Händler und Kunden mehr. Über Teleshopping sind aber nicht nur Gebrauchsgüter erhältlich, man auch mit Aktien handeln, Urlaube buchen oder Theaterkarten bestellen. Als Vorläufer des Teleshoppings können Versandhäuser betrachtet werden, da

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auch hier die Kontaktaufnahme über Trägermedien (Präsentation des Warenangebot per Katalog, Bestellung und Auslieferung per Post) erfolgt. Eine Weiterentwicklung stellen sogenannte „Informercials“, in denen über das Fernsehen mehrere Minuten lang ein Produkt vorgestellt und präsentiert wird, das über Telefon bestellt werden kann, dar. Die Verbreitung des Satelliten- und Kabelfernsehens mit einem immer größeren Programmangebot macht sogar eigene Werbesender möglich, in denen rund um die Uhr verschiedene Produkte angeboten werden. Teleshopping im eigentlichen Sinne ist aber erst durch spezielle zwei-Wege-Kabelnetze möglich, über die der Konsument in Verbindung mit einem PC beliebige Produktinformationen einholen und Bestellungen aufgeben kann. Es ist aber in allen europäischen Staaten eine gewisse Vorsicht der politischen Entscheidungsträger, ein solches flächendeckendes Kabelnetz mit Anschluß an jeden privaten Haushalt und jede Arbeitsstätte zu errichten, zu beobachten. Neben den enorm hohen Investitionskosten für die notwendigen Glasfiberleitungen trägt vor allem die Unsicherheit über zukünftige technische Entwicklungen, die das Netz, dessen Errichtung mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde, sehr schnell veraltet erscheinen lassen könnte. Das Kabel-TV Netz, das zur Zeit ausgebaut wird, läßt derzeit nur „einwegige“ Unterhaltung, Bildung und Information zu, da der Konsument keine Möglichkeit zu Rückmeldungen über das Netz hat, was dessen Möglichkeiten enorm beschränkt. Die Auswirkungen, die „Teleshopping“, aber auch die Medialisierung anderer persönlicher Dienste auf die Gesellschaft haben könnte, sind heute noch kaum abzuschätzen. Der Untergang des Einzelhandels im herkömmlichen Sinn würde einen Verlust an sozialen Kontakten, die gerade beim Handel in allen Kulturkreisen eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielen, mit sich bringen. Da kein persönlicher Kontakt mehr erforderlich ist, wäre die Nähe zum Kunden kein entscheidender Faktor mehr, wodurch Handels- und Warenversandbetriebe zu extrem zentralisierten Betriebsstrukturen neigen würden. Für die an das Netz angeschlossenen Haushalte, die auch über entsprechende Einrichtungen verfügen, würde die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit eines umfassenden Warenangebots zwar räumlich und zeitlich (keine Öffnungszeiten) entscheidend verbessert, doch bleibt zu befürchten, daß stets einige Hauhalte aus sozialen Gründen von diesen Gelegenheiten ausgeschlossen bleiben, für die sich die Versorgungssituation entscheidend verschlechtern würde. Die Zerstörung der herkömmlichen, meist kleinteiligen und dispersen Strukturen im Einzelhandel und anderen Konsumdiensten, die durch das Wachstum von „shopping centres“ ohnehin schon längst begonnen hat, würde außerdem auch große Beschäftigungsverluste in peripheren Regionen bewirken und diese dadurch weiter schwächen. Nicht nur die Verbreitung moderner Kommunikationssysteme, sondern auch Innovationen im Bereich der Haushaltstechnik haben großen Einfluß auf die Struktur und die räumliche Verteilung von sozialen und persönlichen Diensten. Die Entwicklung von langlebigen Konsumgütern hat manche Dienstleistung ersetzt, da mit Hilfe immer billigerer Haushaltsgeräte, wie etwa Waschmaschinen, gewisse Tätigkeiten, die früher bei Dienstleistungsbetrieben nachgefragt wurden, rasch und einfach innerhalb des Haushaltes erledigt werden können. Auch Haushaltsgüter, die nicht direkt eine bestimmte Dienstleistung ersetzen, haben oft

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Auswirkungen auf bestimmte Dienstleistungsbranchen. So ermöglichen erst Tiefkühltruhen seltene wöchentliche Großeinkäufe und damit die Verbreitung von Einkaufszenten, oder hat das steigende Angebot von Kabel- und Satellitenfernsehprogrammen das Kinosterben weiter beschleunigt. Der dadurch hervorgerufene Nachfragerückgang im Bereich von vielen Dienstleistungsbranchen hat dazu geführt, daß vor allem kleinere Betriebe, die periphere Gebiete versorgen, nicht mehr überleben können, wodurch die Versorgung mit gewissen persönlichen Dienstleistungen schlechter und lückenhafter geworden ist. Meist können sich nur hochspezialisierte Betriebe, deren Angebot eine höhere Qualität aufweist als jede mit maschineller Unterstützung produzierte Leistung, durchsetzen. Diese finden jedoch aufgrund ihren hohen Standortanforderungen bezüglich Nachfrage und verfügbaren Arbeitskräften nur in den Zentren der Ballungsräume einen geeigneten Betriebsstandort, was wiederum zur Konzentration von Dienstleistungsaktivitäten in den Zentren führt. Ein Beispiel, daß neue Technologien in Dienstleistungsbetrieben nicht nur Auswirkungen auf die betriebsinterne Abläufe, sondern auch auf Raumstrukturen haben können, stellt die Verbreitung von „Plastikgeld“ in Form von Kredit- und Scheck- und Bankomatkarten dar. Durch die Möglichkeit, in immer mehr Geschäften bargeldlos zu zahlen, verlieren die Standorte der Geldinstitute für private Kunden an Bedeutung. Zudem verbessert die Aufstellung von Bankomaten die Zugänglichkeit von Bankdiensten durch flexiblere Standortwahl und die Unabhängigkeit von Öffnungszeiten. Allerdings sind auch bei dieser Technologie große Unterschiede in der räumlichen Verfügbarkeit gegeben. Die Standorte für Bankomaten werden von den Banken nach streng hierarchischen Gesichtspunkten gewählt und die technischen Vorrichtungen, die nötig sind, um in Geschäften bargeldlos zu zahlen, sind fast nur in den Städten verbreitet. Ein Beispiel für die Durchsetzbarkeit solcher Banksysteme ist die britische CITICORP, die Ende der 80er Jahre bereits mehr als die Hälfte ihrer Transaktionen über Bankomaten abwickelte. Wie bei allen anderen hochtechnisierten Systemen sind auch im Bereich des Geldwesens „technophobe“ Kunden zu berücksichtigen, zudem können komplexere Geschäfte und Transaktionen nicht über Maschinen, sondern nur über persönliche Gespräche durchgeführt werden. Die Liste der Beispiele, die den Einfluß von modernen Technologien auf persönliche und soziale Dienste darstellen sollen, ließe sich fast beliebig fortsetzen, praktisch jede Branche wird von technischen Innovationen ständig beeinflußt. Egal, ob im Gesundheitswesen, wo immer teurere medizinische Geräte eine stärkere Zentralisierung und Hierarchisierung der Spitäler notwendig machen, im Fremdenverkehr, der von neuen Verkehrssystemen und Unterhaltungselektronik profitiert, oder im Bereich der Bildung, wo die neuen elektronischen Medien eine Dezentralisierung des Schulwesens ermöglichen könnte, überall müssen sich die Verantwortlichen den neuen Herausforderungen stellen und sie sich zunutze machen. 2.3.2.5. Gesellschaftliche Bewertung der Veränderungen Der Dienstleistungssektor befindet durch die neuen Technologien im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung und Telekommunikation in einer Phase des Umbruches, ein Prozeß der in seinen

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revolutionären Auswirkungen auf die Gesellschafts- wie auch auf die Raumstruktur durchaus mit der industriellen Revolution vergleichbar ist. In manchen Bereichen ist eine gewisse Euphorie zu beobachten, die auf der Hoffnung an die grenzenlos scheinenden Möglichkeiten des technischen Fortschrittes beruht. Vor allem räumliche Probleme scheinen durch moderne Kommunikationssysteme, die kaum Energie und Zeit zur Raumüberwindung brauchen, lösbar. Allerdings ist der Weg zur einer „Informationsgesellschaft“, wie sie oft postuliert wird, noch weit. Da die dafür notwendigen hochspezialisierten Einrichtungen sowohl von der öffentlichen Hand, aber auch von privaten Unternehmungen und Haushalten gewaltige Investitionen verlangen und die Effektivität des eingesetzten Kapitals mit der Standortqualität zusammenhängt, erfolgt die Ausbreitung neuer Technologien langsam und nach streng räumlich-hierarchischen Gesichtspunkten. Die Auswirkungen auf die Raumstruktur hinken daher der technologischen Entwicklung stets hinterher, weshalb die Frage der praktischen Verwendung ebenso wichtig scheint wie die Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten. Trotzdem sollte immer versucht werden, die möglichen Konsequenzen von neuen Technologien abzuschätzen, um negative Auswirkungen beschränken oder gar verhindern zu können. Da keine Dienstleistungsbranche vor technologischen Neuerungen immun ist, spielen die im diesem Abschnitt diskutierten Veränderungen bei der Betrachtung von räumlichen Verteilungen eine entscheidende Rolle.

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3. DIENSTLEISTUNGEN IM STÄDTISCHEN RAUM Nachdem im vorigen Kapitel die räumliche Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten allgemein behandelt wurde, soll nun speziell auf den städtischen Raum eingegangen werden. Moderne Stadtagglomerationen sind keine amorphen oder heterogenen Gebilde, sondern komplexe Systeme, die sich in Ringe, Sektoren, Zentren und Subzentren mit verschiedenen Nutzungsstrukturen gliedern. Die Dienstleistungsgeographie setzt sich auf einer mikroräumlichen Ebene auch mit innerstädtischen Strukturen und Verteilungen auseinander, wobei vor allem Theoriekonzepte aus der Stadtökonomie und -geographie zur Anwendung gelangen. In diesem Kapitel sollen zunächst die wichtigsten Stadtstruktur- und Stadtentwicklungstheorien erläutert werden, um schließlich im speziellen auf die Raumstruktur der Dienstleistungen in den Städten einzugehen und die wichtigsten Erkenntnisse bezüglich der Verteilung einzelner Dienstleistungsbranchen zu diskutieren.

3.1. STADTSTRUKTURTHEORIEN Raummodelle von Städten können entweder auf theoretischen Überlegungen oder auf den Erkenntnissen empirischer Betrachtungen basieren, trotzdem sind in allen Modellen Gemeinsamkeiten in der räumlichen Struktur zu erkennen. Es handelt sich meist um zentrierte Modelle mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Kern-Rand-Gefälle und Sektoren mit unterschiedlichen dominanten Nutzungen. Die wichtigsten räumlichen Elemente der modernen westlichen Stadt, die sich unter verschiedenen Bezeichnungen in den meisten Modellen finden, sollen zunächst in ihrer Erscheinungsform und Charakteristik beschrieben werden, bevor genauer auf die wichtigsten Stadtstrukturtheorien eingegangen wird. 3.1.1. ELEMENTE DER STADTSTRUKTUR 3.1.1.1. Die City Praktisch alle europäischen und amerikanischen Stadtmodelle sehen einen abgeschlossenen Bereich im Mittelpunkt des Stadtraumes mit einer speziellen Nutzungs-, Bebauungs- und Bevölkerungsstruktur, der in den Stadtstrukturtheorien unter verschiedenen Bezeichnungen auftaucht, vor. Historische Namen wie „Altstadt“ und „Innenstadt“ oder funktionale Bezeichnungen wie „Stadtkern“ und „Stadtzentrum“ umschreiben das selbe Phänomen wie die aus dem anglo-amerikanischen Raum übernommenen Begriffe wie „City“ (bezeichnet im Englischen heute allerdings die Gesamtstadt!) und „CBD“ (Central Business District), allerdings sind mit jedem Begriff bestimmte strukturelle Besonderheiten, die sich aus dem ständigen Bedeutungs- und Erscheinungswandel der zentralen urbanen Bereiche ergeben, verbunden.

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Die City, wie das Stadtzentrum nun im folgenden Abschnitt bezeichnet werden soll, zeichnet sich durch räumliche Geschlossenheit und bauliche Kompaktheit aus, ihre Größe ist von den Erfordernissen des Fußgängerverkehrs gegrenzt, was zu einem Maximaldurchmesser von wenigen Kilometern führt. Die City hat meist historisch bedingte Grenzen, die auf ehemalige Stadtmauern und Befestigungsanlagen zurückzuführen sind, und heute in der Form von Ringstraßen noch die Innenstadt von der Umgebung deutlich abgrenzen. Da sie sich aus diesem Grund horizontal kaum ausbreiten kann, wächst sie vor allem in vertikaler Richtung, was sich in wachsenden Bebauungshöhen ausdrückt, und macht flächenmäßig einen immer kleineren Anteil der Gesamtfläche des Stadtraumes aus. Funktional wird die City über Kriterien der Flächennutzung, des Bodenpreisniveaus und der Wirtschaftsstruktur vor allem aber über Nutzungs- und Bebauungsdichtewerte begrenzt. Die beiden Hauptnutzungskategorien in der City sind einerseits private Wirtschaftsbetriebe, meist aus dem Dienstleistungssektor, und anderseits Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, die beide besonders von der zentralen Lage profitieren können und daher auch in der Lage sind, hohe Boden- oder Mietpreise zu zahlen. An erster Stelle der kommerziellen Nutzungen ist zweifellos der Einzelhandel zu nennen, der in der City einerseits in Form von kleinen, spezialisierten und prestigeträchtigen Boutiquen, die sich oft in Passagen konzentrieren, auftritt, und sich anderseits in Warenhäusern mit einem umfassendem Angebot an Massenwaren manifestiert. Die Errichtung und Gestaltung von Fußgängerzonen nach dem 2.Weltkrieg hat dem Einzelhandel in den Zentren neue Attraktivität und Impulse verliehen. Fast ebenso dominant im Erscheinungsbild der Cities sind die privaten Wirtschaftsdienste, die für den ständig steigenden Bedarf an Büroflächen verantwortlich sind. Zentralen von Banken und Versicherungen, Werbeagenturen, Datenverarbeitungsbetriebe, Anwaltskanzleien, Wirtschaftstreuhändler sowie Makler-, Architekten- und Ingenieurbüros, um nur einige zu nennen, siedeln sich ebenfalls vornehmlich im Citybereich an. Manche Branchen konzentrieren sich auch innerhalb der City an bestimmten Standorten, meist um in unmittelbarer Nähe der Nachfrager zu sein. So bevorzugen Anwaltskanzleien repräsentative Lagen in der Nähe der Gerichtsstandorte, Wirtschaftsprüfer hingegen lehnen sich oft an die Unternehmensverwaltung großer Betriebe an. Ein weiteres wichtiges strukturbildendes Merkmal der Cities sind Unterhaltungs-, Vergnügungs- und Kultureinrichtungen, wie Theater, Opernhäuser, Museen, Kinos oder Kabaretts, die kaum zur Dezentralisierung neigen und sich auch innerhalb der Innenstadtbereiche in bestimmten Umgebungen sammeln. Die Institutionen der staatlichen Administration konzentrieren sich ebenfalls in eigenen „Verwaltungscities“, in Städten mit Hauptstadtfunktionen befinden sich meistens zumindest einige der wichtigsten Einrichtungen, wie Parlament, Rathaus, Gerichtshof, Regierungsgebäude oder Sitz des Staatsoberhauptes, in unmittelbarer Nähe, da gerade im Bereich der Politik persönliche Kontakte unerläßlich sind. Aus diesem Grund suchen auch verschiedene offiziöse Einrichtungen, wie die Büros politischer Parteien, Verbände oder Interessensvertretungen, verständlicherweise die Umgebung der wichtigsten staatlichen Institutionen. Durch die Tertiärisierung der Wirtschaft wird der Konkurrenzkampf am Bodenmarkt in der City ständig verstärkt, was sich in der Verdrängung der Wohnbevölkerung und weniger potenten Betrieben aus den

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zentralen Bereichen niederschlägt. Dieser Nutzungsdruck hat viele Stadtverwaltungen dazu veranlaßt, sogenannte „Entlastungscities“ zu schaffen, die möglichst in der Nähe des eigentlichen Stadtzentrums liegen und alle Agglomerationsvorteile der ursprünglichen Zentren aufweisen sollen. Das Problem dabei ist es, eine komplexe und heterogene Struktur, die über Jahrhunderte gewachsen ist, auf dem Reißbrett zu entwerfen und nachzubilden. Die City unterliegt seit ihren Anfängen zyklischen Prozessen, die sich einerseits in Wachstumsschüben andererseits in Rezzessionsphasen äußern. So waren viele Stadtzentren in den letzten Jahrzehnten aufgrund der immer stärker werdenden Agglomerationsnachteile durch zu hohe Nutzungsintensität von Entleerung, teilweisem Verfall und Bedeutungsverlust gekennzeichnet. Erst staatliche Maßnahmen zur Verbesserung der Standortqualität in den Zentren (Errichtung von Fußgängerzonen, Stadterneuerung,...) haben die Cities wieder attraktiv gemacht und somit der Suburbanisierung teilweise Einhalt geboten. 3.1.1.2. Die Übergangszone In den meisten europäischen Städten befindet sich um die City eine Übergangszone, die aus den Stadterweiterungen der Gründerzeit hervorgegangen sind. Dieser Bereich, der im Englischen mit der Bezeichnung „Transition Zone“ versehen wurde, weist eine durchmischte Nutzungsstruktur mit mehrstöckigen Mietshäusern sowie Kleingewerbe- und Industriebetrieben auf. Durch die schlechte Bausubstanz dieser damals in wenigen Jahrzehnten entstandenen Stadtviertel, der fehlenden Funktionstrennung zwischen Wohn- und Produktionsnutzung und dem Verfall der Gewerbebetriebe leiden diese Gebiete heute unter großen Schwierigkeiten. Die Übergangszone, die jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben war, ist heute das wichtigste Objekt der Stadterneuerung und Revitalisierung. Mit Wohnungszusammenlegungen, Standardverbesserungen und Hofentkernungen wird versucht, bessere Wohnverhältnisse zu schaffen und damit das Image des Armenwohnviertels (Arbeiter, Ausländer, Alte,...) loszuwerden. Durch die Auflassung von Klein- und Mittelbetrieben aus dem produzierenden Sektor stehen Flächen zur Verfügung, die zur Schaffung von Freiräumen und modernen Wohnungen, aber auch für die Ansiedlung von modernen Dienstleistungsbetrieben herangezogen werden können. Die Dienstleistungsdichte ist in dieser Zone traditionell niedrig, für Wirtschaftsdienste überwiegen die Agglomerationsnachteile die -vorteile und der Bedarf an den meisten etwas höherrangigen Konsumdienste wird von Anbietern in der nahen City gedeckt. Weniger spezialisierte haushaltsorientierte Dienste wie Lebensmittelhandel, Wäschereien, Friseure oder Ärzte konzentrieren sich hauptsächlich auf den radialen Verkehrsrouten, welche die Vorstädte mit dem Stadtzentrum verbinden und sich zu niederrangigeren Geschäftsstraßen entwickelt haben. Die Schaffung von Subzentren in diesen Bereichen, die auch höherrangige Dienste für die Wohnbevölkerung und die noch verbliebenen Betriebe anbieten, ist ein vornehmliches Ziel der Stadterneuerung.

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3.1.1.3. Vorstädte und Vororte - der Stadtrand Die ehemaligen Vorstädte und Vororte sind durch die rasante Stadtentwicklung der letzten Jahrzehnte bereits mit den Kernstädten zusammengewachsen. Aus einst eigenständigen Siedlungen sind vornehmlich Wohngebiete, die eine von geographischen, naturräumlichen, historischen und wirtschaftlichen Verhältnissen geprägte Struktur aufweisen, geworden. Das dazwischenliegende, lange Zeit agrarisch genutzte Land dient meist als Standort für flächenintensive Industrie-, Gewerbe- und Lagerbetriebe oder für Einrichtungen der technischen Infrastruktur, vor allem städtische Ver- und Entsorgungsbetriebe. Reste von landwirtschaftlicher Nutzung, Kleingärten der Stadtbevölkerung, großzügige Parks und andere Freiflächen bilden Grünverbindungen, die vom Umland in die Stadt führen. Insgesamt betrachtet zeichnet sich der Stadtrand durch lockere Bebauung und die Heterogenität von Baukörpern und Flächennutzungen aus. Das Zusammenwachsen der Kernstadt mit ihren Vororten und Vorstädten ist eine Folge des steigenden Flächenbedarfes aller städtischen Nutzungen und der Entwicklungen im Verkehrswesen, vor allem der wachsenden Verfügbarkeit von privaten Autos. (siehe A.2.3.1.1.) Durch die geänderten Erreichbarkeitsverhältnisse konnten sich die Städte in bisher ungeahnten Ausmaßen ausbreiten, was zur „Suburbanisierung“ führte, ein Prozeß, auf den im Abschnitt A.3.2.2.2. noch genauer eingegangen wird. Aufgrund der geänderten Erreichbarkeitsverhältnisse war es sowohl Industriebetrieben als auch privaten Haushalten möglich, die Kernstädte zu verlassen, um von den billigeren Boden- und Mietpreisen und der höheren Umweltqualität am Stadtrand zu profitieren, ohne die Vorteile der Stadtnähe einzubüßen. Die Verstädterung des Stadtrandes ist ein Phänomen unserer Zeit, das große gesellschaftliche und ökologische Probleme aufwirft und den ursprünglichen Charakter der Stadtumlandbereiche völlig verändert und zerstört hat. Diese heterogene Struktur der Stadtrandzonen schlägt sich auch in der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten nieder, die sich besonders ausgeprägte räumliche Ballungen bestimmter Branchen ausdrückt. Während in den noblen Wohngebieten aufgrund der hohen Umweltqualität vornehmlich kleine Betriebe aus dem Bereich der hochqualifizierten Wirtschaftsdienste, wie etwa Steuerberater, Architekturbüros oder Werbeagenturen, zu finden sind, siedeln sich in den Industriegebieten flächenintensive Dienstleistungensbetriebe, wie etwa Großhändler oder Speditionen, an. Ein Phänomen, das mit der fortschreitenden Suburbanisierung zusammenhängt, ist die rasante Entwicklung riesiger „shopping centres“ am Stadtrand, in denen Waren und persönliche Dienstleistungen aller Art angeboten werden. Diese Zentren, die ursprünglich nur Einzelhandelsgeschäfte beheimateten, haben sich in den letzen Jahren zu komplex genutzten Arealen mit einer Vielzahl an Freizeit-, Sport- und Unterhaltungseinrichtungen, aber auch Bürogebäuden entwickelt. Solche Konzentrationen von Dienstleistungsbetrieben folgen nicht der Verteilung der Wohnbevölkerung, sondern befinden sich meistens in Industriegebieten mit niedrigen Bodenpreisen und sind vor allem durch das Nebeneinander

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verschiedener Geschäfte für die Kunden interessant. Da die Entfernung der Stadtrandbereiche zur City bereits relativ groß ist, gibt es im Gegensatz zur Übergangszone aber auch in den Zentren der ehemaligen Vororte und Vorstädte und an den Straßen, die ins Zentrum führen, ein relativ großes Angebot an Konsumdiensten. Auch mit öffentlichen Einrichtungen, wie Schulen, Spitälern oder Kirchen ist die Bevölkerung meist relativ gut versorgt, da der Staat versucht, den neuen Bevölkerungsschwerpunkten gerecht zu werden. 3.1.1.4. Das Umland Die Umlandgebiete, die im englischen als „Rural-urban Fringe“ bezeichnet werden, bilden den Übergang zwischen dem Stadtrand und der Umgebung einer Stadt. Da die meisten Städte allerdings teilweise durch naturräumliche Gegebenheiten, wie Gebirge, Gewässer oder Waldgürtel klar begrenzt sind, gibt es diese Übergangsbereiche zwischen städtischen und ländlichen Strukturen nur dort, wo sich die Stadt mehr oder weniger ungestört ausdehnen kann. Diese Bereiche sind von einer vornehmlich agrarisch strukturierten Landschaft, niedrigeren Bodenpreisen und einer Wohnbevölkerung gekennzeichnet, die zu einem Großteil in der Stadt arbeitet und sich daher eher aus Pendlern denn aus landwirtschaftlich Erwerbstätigen zusammensetzt. Die Umlandzone ist daher zwar (noch) nicht strukturell, aber funktional mit der Stadt verknüpft. Durch die geringe Bevölkerungs- und Unternehmensdichte gibt es nur wenige, meist weniger spezialisierte Dienstleistungsbetriebe mit niedriger Produktivität. 3.1.2. ÖKONOMISCHE THEORIEN Ökonomische Theorien beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen ökonomischen Größen wie den Transportkosten oder der Grundrente mit räumlichen Verteilungsmustern innerhalb von Stadtagglomerationen. Stadtstrukturen entstehen demnach durch die Tendenz jeder Nutzung zur Minimierung der Kosten, was sich in ringförmigen Zonen, in denen jeweils eine bestimmte Nutzung dominiert, niederschlägt. 3.1.2.1. Bodennutzungstheorie nach v.THÜNEN Die ökonomischen Ansätze zur Erklärung der Stadtstruktur gehen im wesentlichen auf den deutschen Ökonomen v.THÜNEN zurück, der bereits im Jahre 1826 in seinem Werk „Der isolierte Staat“ das erste heute noch anerkannte Landnutzungsmodell entwarf. v.THÜNEN versuchte unter Annahme bestimmter restriktiver Voraussetzungen, was er als „Methode der isolierenden Abstraktion“ bezeichnete, gewisse Gesetzmäßigkeiten über die räumliche Verteilung der verschiedenen damals noch ausschließlich landwirtschaftlichen Nutzungen herauszufinden. Da jedes Produkt aufgrund seines Gewichtes, seiner Größe und seiner Verderblichkeit unterschiedliche Transportkosten aufweist, können manche Güter nur in unmittelbarer Nähe des Stadtkernes, wo sich auch der Markt befindet, andere auch in größerer

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Entfernung produziert werden. Durch unterschiedliche gutspezifische Transportkosten entsteht daher ein System von scharf abgegrenzten konzentrischen Kreisen, in denen jeweils eine bestimmte Nutzung vorherrscht. Obwohl diese Theorie ausschließlich die Verteilung von landwirtschaftlichen Bodennutzungen behandelt, gilt sie als Vorläufer der marktbezogenen Stadtstrukturtheorien. 3.1.2.2. Theorie des städtischen Bodenmarktes nach ALONSO Die Überlegungen über den Zusammenhang zwischen Transportkosten und Raumstruktur bilden auch die Grundlage für ALONSO, der 1964 die Theorie des städtischen Bodenmarktes begründete. Dieses Konzept, das sich zu einem Klassiker der „new urban economics“ entwickelte, geht vom Prinzip aus, daß sich die Mieten mit der Entfernung zum Zentrum verringern, da mit wachsender Distanz geringere Erträge und höhere Transportkosten zu erwarten sind. Da jede Nutzungskategorie eine eigene Ertragsfunktion, die unterschiedlich stark mit der Entfernung zum Zentrum abfällt, hat, kommt es dazu, daß manche Nutzungen nur an zentralen Standorten möglich sind, während andere weitgehend unabhängig von der Entfernung zum Zentrum sind. Die „rent paying ability“, die von der Höhe der erzielbaren Erträge einer Nutzung abhängt, entscheidet darüber, wer sich auf dem Standortmarkt durchsetzt. Daraus ergibt sich eine funktionale Gliederung der Stadt, die sich in ringförmigen Nutzungszonen ausdrückt. Da die Ertragsfunktion von Dienstleistungsaktivitäten im allgemeinen mit der Entfernung zum Zentrum rasch abnimmt, siedeln sich diese im einfachsten Fall im Zentrum an, umgeben von konzentrischen Ringen, in den die Nutzungskategorien Wohnen, Industrie und schließlich Landwirtschaft vorherrschen. 3.1.2.3. Anwendungsmöglichkeiten der Theorie des städtischen Bodenmarktes Die Theorie des städtischen Bodenmarktes kann in vielen Fällen als Modell zur Erklärung von städtischen Nutzungsverteilungen herangezogen werden, da sie auf marktwirtschaftlichen Überlegungen beruht. Der Zusammenhang zwischen den Ertragschancen einer bestimmten Nutzung und der Höhe der Miete, die bezahlt werden kann, führt zu einer Zuordnung von Nutzungen auf gewisse Standorte. Da Städte aber nicht nur ein Zentrum haben und zudem Verkehrsachsen die physischen Entfernungen relativieren, verläuft die Verteilung der Ertragschancen nicht nach so einfachen Mustern, wodurch die ringförmige Struktur der Stadt nur in Ansätzen zu nachzuweisen ist. Es besteht aber kein Zweifel darüber, daß in verschiedenen Städten immer wieder ähnliche zentral-periphere Nutzungsverteilungen zu beobachten sind. Die starke räumliche Konzentration vieler Dienstleistungsaktivitäten in den Stadtzentren wird durch die Theorie des städtischen Bodenmarktes ökonomisch begründet. Durch ihre Immaterialität sind Dienstleistungen besonders entfernungssensibel, da zu ihrer Erstellung meist eine persönliche Kontaktaufnahme zwischen Anbieter und Kunden nötig ist, was zu hohen Transportaufwendungen führt. Vor allem moderne, innovative und komplexe Wirtschaftsdienste profitieren von der Zentrumsnähe stärker als andere Nutzungsformen (siehe A.2.2.3.4.) und sind daher fähig, höhere Mieten zu zahlen. Diese Überlegenheit führt zu Verdrängungseffekten, da die bisherigen Nutzer mit dem Mietniveau nicht

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mehr mithalten können und daher auf periphere und billigere Standorte ausweichen. Da allerdings nicht alle Dienstleistungen gleichermaßen von zentrumsnahen Standorten profitieren und unterschiedliche spezifische Transportkosten aufweisen, konzentrieren sich manche Dienste, vor allem im Bereich der distributiven Dienste, in den Randzonen der Städte. 3.1.3. SOZIALÖKOLOGISCHE MODELLE Die sozialökologische Stadtforschung, die sich Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in Chicago entwickelt hat, bildet eine interessante Verknüpfung zwischen der ökonomischen Standorttheorie und dem DARWIN´schen Sukzessionskonzept und ist deswegen auch gleichermaßen in der Soziologie wie in der Stadtgeographie anerkannt. Aus dieser Richtung stammen Begriffe wie „Segregation“, „Sukzession“, „Invasion“ oder „Dominanz“, die aus der heutigen Stadtforschung nicht mehr wegzudenken sind. Aber auch die verschiedenen Stadtstrukturmodelle, die zu dieser Zeit entwickelt worden sind, spielen bis heute eine wichtige Rolle in der Stadtforschung, da in diesem zum erstem Mal die Begriffe „Konzentration“ und „Zentralisierung“ auftauchten und verwendet wurden. Als erstes Modell gilt heute die „star theory“ von HURD (1903), die der sternförmigen Entwicklung der Städte im Straßenbahnzeitalter gerecht wird. Es kann in gewissem Sinne als Vorläufer der Modelle der Chicagoer Schule, die nun kurz zusammengefaßt werden sollen, angesehen werden. 3.1.3.1. Das Zonenmodell von BURGESS und PARK Das Zonenmodell („concentric zone theory“) von BURGESS und PARK (1925) kann als Weiterentwicklung des fast 100 Jahre älteren Konzeptes von v.THÜNEN betrachtet werden, da es ebenso eine ringförmige Raumstruktur vorsieht. Allerdings handelt es sich nicht um die Verteilung von agrarischen Nutzungen in der Umgebung einer vorindustriellen Stadt, sondern um die Anordnung städtischen Nutzungskategorien innerhalb einer städtischen Agglomeration. Das Modell ist um einen Stadtkern, der in der Literatur auch als „Loop“, „Downtown“ oder vor allem „Central Business District (CBD)“ bezeichnet wird, zentriert. Dieser fungiert wirtschaftlicher, kultureller und politischer Mittelpunkt einer Stadt und ist daher vom tertiären Sektor dominiert. An dieses Zentrum schließen nach einer Übergangszone mit vornehmlich gewerblicher Nutzung („transition zone“), die wegen der Auflassung gründerzeitlicher Industrien von Verfall und Verslumung bedroht ist, Arbeiterwohngebiete („low income housing“), die hauptsächlich von Zuwanderung ärmerer Bevölkerung geprägt ist, an. Danach folgen noch Wohngebiete des besitzenden Bürgertums („high income housing“) und schließlich der Pendlereinzugsbereich („commuters zone“) am Stadtrand. Das Modell ist aber nicht rein statisch, sondern erklärt teilweise städtisches Wachstum, indem es auf das soziale Verhalten der Bevölkerung eingeht. Die Entwicklung einer Stadt erfolgt demnach in zentral-peripherer Richtung, da sich Nutzungen und Bevölkerungsgruppen grundsätzlich nach außen hin durch

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Invasion und Sukzession ausbreiten. Da sich die einzelnen Zonen stets in zentripetaler Richtung ausdehnen, kommt es zu ständigen Verdrängungsprozessen und Nutzungsänderungen innerhalb der Städte. 3.1.3.2. Das Sektorenmodell von HOYT Im Gegensatz zum Zonenmodell, daß grundsätzlich von zentral-peripheren Entwicklungen ausgeht, entwickelt HOYT (1936) mit seinem Sektorenmodell („sector theory“) die Vorstellung, daß sich Stadtteile unterschiedlicher Nutzungsstruktur nicht ring- sondern keilförmig an das Zentrum anlagern. Das Modell berücksichtigt radiale Entwicklungen vor allem entlang von Verkehrswegen, und sieht daher die Anordnung von verschiedenen Nutzungskategorien in Kreissektoren, die sich beliebig nach außen ausbreiten können, vor. Diese sektorale Struktur, die sich in Stadtvierteln mit unterschiedlicher Struktur niederschlägt, wird aber teilweise durch ringförmige Nutzungskategorien überlagert, so findet sich zwischen dem Wohnsektor der Arbeiter und jenem der Bürger einer dem Zonenmodell ähnliche Verteilung von Wohnstandorten. Gewerbe und Industrie sind in einem, von billigen Wohngebieten umgebenen Sektor, der auch an das Zentrum grenzt, konzentriert. 3.1.3.3. Das Mehrkernmodell von HARRIS und ULLMAN Das Mehrkernmodell („multiple nuclei theory“) von HARRIS und ULLMAN (1945) geht von der Vorstellung aus, daß sich in innerhalb der Städte aufgrund der unterschiedlichen und komplexen Anforderungen der Nutzungen grundsätzlich mehrere Kerne entwickeln. Je größer eine Stadt ist, desto stärker wird die räumliche Differenzierung der verschiedenen Nutzungskategorien ausfallen. So ist die Entwicklung von Branchenschwerpunkten, wie etwa Geschäfts-, Regierungs- oder Kulturzentrum, ebenso möglich, wie die Herausbildung umfassender Subzentren in den Außenzonen und Vororten der Städte. Weiters fällt auf, daß sich Industrie und billige Wohngebiete in der einen, bessere Wohngebiete und kleinere Geschäftszentren in der anderen Hälfte der Stadt befinden, und daß sich das Hauptzentrum asymmetrisch in Richtung der hochwertigeren Standorte ausdehnt. Überhaupt sind benachbarte Nutzungen einander nach bestimmten Verträglichkeitskriterien zugeordnet, wodurch die räumliche Trennung von nicht kompatiblen Nutzungen besonders deutlich ausfällt. Das Modell sieht darüber hinaus auch Vorstädte außerhalb des eigentlichen Stadtraumes („suburbs“) mit Industrie- oder Wohnnutzung vor. 3.1.3.4. Kritik und Anwendbarkeit der sozialökologischen Stadtmodelle Die Kritik an den ersten beiden Modellen richtet sich vor allem gegen die Annahme völliger räumlicher Homogenität, wodurch die Erreichbarkeit des Zentrums die wichtigste Rolle für die Entwicklung von Stadtstrukturen spielt, was vor allem im Bereich des Wohnens ziemlich unrealistisch erscheint. Zudem scheint die monozentrale Stuktur und die völlige Konzentration aller wichtigen Dienstleistungen im Zentrum einer Stadt zumindest zweifelhaft, da einerseits in allen größeren Städten die Entwicklung von Subzentren am Stadtrand und entlang von Verkehrsachsen zu beobachten ist und andererseits Dienstleistungen

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aufgrund von Agglomerationsnachteilen und Marktabdeckungskalkülen bewußt den Zentrum ausweichen. Das Zonenmodell vernachlässigt zudem alle lineare Entwicklungen („ribbon development“) entlang von wichtigen Verkehrswegen. In einer modifizierten Form müßten die konzentrischen Ringe daher sternförmig verzerrt sein, um den ungleich verteilten Erreichbarkeitsverhältnissen gerecht zu werden. Trotzdem werden in diesen beiden Modellen räumliche Strukturen abgebildet, die in den meisten Städten der Welt zu finden sind. In den europäischen Großstädten ist die in der Zonentheorie beschriebene ringförmige Stadtstruktur oft in sehr ausgeprägter Form zu finden, wenn man die naturräumlichen und verkehrstechnischen Gelegenheiten einbezieht. Die Anordnung der Nutzungskategorien in keilförmigen Sektoren wie im HOYT´schen Modell ist hingegen eher in nordamerikanischen Städten zu finden. Das Mehrkernmodell unterscheidet sich grundsätzlich den beiden vorherigen dadurch, daß es eine multizentrale Struktur vorsieht, die sich in ihrer Ausformung und Differenzierung nach der Stadtgröße richtet. Dadurch beschäftigt es sich nicht nur mit der Verteilung verschiedener Nutzungskategorien, sondern mit der räumliche Differenzierung des Arbeitsangebotes, wobei allerdings nichts über die räumliche Verteilung dieser Siedlungskerne gesagt wird. Genau wie die beiden anderen Modelle gibt es keine Aufschlüsse über die Struktur und die Veränderungen innerhalb dieser Zentren, was vor allem in Bezug auf den tertiären Sektor hoch interessant wäre. Die Hypothese, daß eine Tendenz des Hauptzentrums besteht, sich in Richtung der höherwertigen Standorte auszubreiten, ist im Bezug auf die Zentrenentwicklung hingegen ein äußerst interessanter Ansatz in diesem Modell. 3.1.4. SONSTIGE STADTSTRUKTURMODELLE Kulturökologische Stadtmodelle untersuchen den Einfluß kultureller Faktoren auf die räumliche Erscheinung von Städten. Die soziale, religiöse oder politische Prägung einer Gesellschaft hat wichtige Auswirkungen auf die Struktur einer Stadt, etwa durch den räumlichen Bezug von Arbeit und Wohnen, die Segregation der Bevölkerung oder das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit. Auch Dienstleistungen sind von ihren Eigenschaften und ihrer Art der Vermittlung von Kultur und Tradition geprägt, und weisen daher in verschiedenen Gesellschaften unterschiedliche Standortmuster innerhalb der Städte auf. Dies gilt vor allem für klassische, konsumorientierte Dienste, wie etwa Handel (Märkte!), Verwaltung oder Bildung. Städtische Interaktionsmodelle beruhen auf dem Gravitationsgesetz aus der Physik und stellen einen Zusammenhang von Erreichbarkeiten und innerstädtischen Standort- und Interaktionsmustern her. Allerdings sind nicht physische Entfernungen, sondern die Aufwendungen zur Überwindung von Distanzen (Zeit, Kosten,...) zwischen Wohnung, Arbeitsplatz, Konsum, Freizeitangeboten und anderen städtischen Nutzungen für die Entwicklung von Städten maßgeblich. Die Interaktion zwischen komplementären Standorten bedingt eine komplexe räumliche Zuordnung von Nutzungen, die sich in einer bestimmten Stadtstruktur niederschlägt.

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Die Theorie der zentralen Orte wird seit den 50er Jahren auch zur Erklärung innerstädtischer Raumstrukturen angewandt, wodurch die Anordnung städtischer Versorgungszentren, vor allem im Bereich des Einzelhandels, analysiert werden soll. Wesentlich erscheint dabei der Zusammenhang zwischen funktionaler und räumlicher Hierarchisierung, die sich aufgrund von gegenseitigen Abhängigkeiten, Unter- oder Überordnungen in bestimmten Standortmustern niederschlägt. Die Ausbildung von Subzentren innerhalb einer Stadt, die sich meist durch die Ballung von Dienstleistungen aller Art auszeichnet, kann in vielen Fällen mit der zentralörtlichen Theorie erklärt werden. Ökonometrische Stadtmodelle bestehen aus komplexen mathematischen Gleichungssystemen, mit Hilfe derer versucht wird, die wesentlichen Funktionen der Stadt und deren Verknüpfung abzubilden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Modellen bieten diese keine allgemeingültigen Standort- und Verteilungsmuster der verschiedenen städtischen Nutzungen an. Vielmehr sollen Zusammenhänge zwischen den Grundfunktionen (Arbeit, Wohnen, Bildung, Versorgung, Verkehr,...) erfaßt und nach ihren räumlichen Auswirkungen untersucht werden. Das Modell von LOWRY (1964) gliedert den gesamten Stadtraum in einzelne Stadtteile, denen jeweils Wohnbevölkerung, Basissektor (vornehmlich Industrie) und der Derivativsektor (vornehmlich Dienstleistungen) zugeordnet wird. Aufgrund bestimmter Annahmen werden über ein kompliziertes Gleichungssystem der jeweilige Flächenverbrauch und die Verkehrsströme bestimmt, woraus sich eine bestimmte Stadtstruktur ableitet. Mithilfe des Modells kann man die räumlichen Auswirkungen jeder Veränderung der maßgeblichen Variablen (z.B. Einwohnerwachstum durch Einwanderung) abschätzen und prognostizieren.

3.2. STADTENTWICKLUNGSTHEORIEN Stadtentwicklungstheorien versuchen die statischen Stadtstrukturmodelle um die Zeitkomponente zu erweitern und damit zu dynamisieren. In diesem Kapitel sollen aber nicht die allgemeinen Theorien der Urbanisierung und der Städtebildung, die lediglich die Entstehung heutiger Stadtstrukturen nachvollziehen, behandelt werden, sondern jene Ansätze, die sich mit gegenwärtigen Phänomenen der Stadtentwicklung, wie etwa der Tertiärisierung der urbanen Wirtschaft oder der Suburbanisierung, beschäftigen. 3.2.1. THEORIE DES DOPPELTEN ÜBERGANGES Nach der Theorie des doppelten Überganges von FRIEDRICHS (1985) kann die Entwicklung von Großstadtagglomerartionen anhand der Variablen Bevölkerung, Wirtschaft und Technologie sowie deren Wechselwirkungen erklärt werden. Für die Bevölkerung und die Wirtschaft werden Hypothesen, welche die langfristige Entwicklung erklären sollen, aufgestellt, während die Variable Technologie nicht weiter beachtet wird, da sie sich ohnehin größtenteils in den beiden anderen ausdrückt. Die Entwicklung der

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beiden entscheidenden Variablen ist durch einen Übergangsprozeß charakterisiert, in der jeweils drei Phasen durchlaufen werden. FRIEDRICHS übernimmt die Bevölkerungsentwicklung aus der Theorie des demographischen Überganges, die eine prätransformative Phase mit hoher Geburten- und Sterberate, eine Transformationsphase mit einem Geburtenüberschuß und eine posttransformative Phase, in der sich Geburten- und Sterberaten auf einem niedrigeren Niveau einpendeln, unterscheidet. Der Übergangsprozeß der Wirtschaft wird analog in drei Phasen, die verschiedene Beschäftigtenanteile der drei Wirtschaftsektoren aufweisen, gegliedert. Von einem stabilen Zustand mit einem Verhältnis von 2:1 zwischen sekundärem und tertiären Sektor entwickelt sich die Beschäftigtenstruktur in einer Transformationsphase zu einem genau umgekehrten Verhältnis zugunsten des Dienstleistungssektors. Die Kombination dieser beiden Phasenentwicklungen kann zu einer Typologie der Urbanisation herangezogen werden, nach der jede Stadt hinsichtlich ihrer Entwicklungsstufe eingeteilt werden kann. FRIEDRICHS unterscheidet fünf Phasen, in denen sich Städte in ihrer Entwicklung des Überganges hinsichtlich ihrer Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur befinden können, und die individuell für jede Stadt verschieden lang dauern. Zudem verlaufen die beiden Übergänge selten synchron, in manchen Städten ist die Bevölkerungs-, in anderen die Wirtschaftsentwicklung bereits weiter fortgeschritten. Seit den 70er Jahren befinden sich die meisten westeuropäischen Städte bereits in der fünften oder zumindest Ende der vierten Phase, während der Entwicklungsprozeß im Osten um einige Jahrzehnte nachhinkt. Die Theorie des doppelten Überganges kann als allgemeine Typologie zur Einteilung von Großstädten hinsichtlich ihrer Entwicklung herangezogen werden, doch geht sie nicht auf die Veränderungen innerstädtische Verteilungen ein und vernachlässigt räumliche Dezentralisations- oder Konzentationstendenzen. 3.2.2. THEORIE DES RÄUMLICHEN AGGLOMERATIONSZYKLUS Die Theorie des räumlichen Agglomerationszyklus geht aus dem „CURB-Forschungsprojekt“, das Ende der 70er Jahre die Verschiebung von Bevölkerung und Wirtschaftstätigkeiten innerhalb der Stadtagglomerationen zu erklären versuchte, hervor und wurde 1982 von VAN DEN BERG u.a. in England publiziert. Die Theorie besteht aus einer Typologie der Entwicklungsphasen von städtischen Agglomerationen, die sich auf das räumlich unterschiedliche Wachstum von Wohnbevölkerung und Arbeitsplätzen zwischen dem Zentrum einerseits und dem Ring andererseits beziehen. Es werden grundsätzlich vier Phasen der Stadtentwicklung unterschieden, die durch typische räumliche Strukturen und Verteilungen, Probleme, politische Ziele sowie demographische und ökonomische Entwicklungen gekennzeichnet sind und die im folgenden Abschnitt einzeln hinsichtlich ihrer Charakteristika und ihrer Auswirkungen dargestellt werden sollen. 3.2.2.1. Urbanisierung

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Die Urbanisierungsphase einer Stadt beginnt mit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft, da zu diesem Zeitpunkt sowohl für die Wohnbevölkerung als auch für Wirtschaftsbetriebe die Agglomerationsvorteile überwiegen. Diese Phase ist von einer massiven Zuwanderung aus den ländlichen Regionen, die von der Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Produktion betroffen sind, in den Stadtkern geprägt, was zu einer enormen Erhöhung der Nutzungsdichte mit all ihren sozialen und städtebaulichen Problemen führt. Gleichzeitig bedingt diese räumliche Konzentration eine wachsende Spezialisierung der Produktion und damit steigende Produktivität und erhöhtes Wachstum. Die Stadtverwaltung muß in dieser Phase versuchen, öffentliche Dienstleistungen, wie Gesundheits-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen, Verwaltung und öffentlichen Verkehr, aber auch technische Infrastruktureinrichtungen in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen. In einer späteren Entwicklungsetappe der Urbanisationsphase breiten die reicheren Bewohner in den Kernstädten ihren Wohnraum aus, was zusammen mit der verstärkten Gründung von Wirtschaftsdienstleistungsbetrieben zu Verdrängungseffekten und damit zu einer sinkenden Bevölkerungsdichte im Zentrum führt. Industriebetriebe mit hohem Flächenbedarf finden bereits am Ende der Urbanisierungsphase keine ausreichend großen Grundstücke mehr in der Kernstadt und siedeln sich vornehmlich am Stadtrand an. 3.2.2.2. Suburbanisierung Die Suburbanisierungsphase ist von einem Umverteilungsprozeß zwischen Kernstadt und umgebenden Ring geprägt. Die wachsenden Probleme in den verdichteten Gebieten und die erhöhte Mobilität durch das Auto bewirken zentrifugale Wanderungsbewegungen der Wohnbevölkerung, die sich am Rande der Stadt bessere Lebensbedingungen erwarten. Aber auch Industrie- und Gewerbebetriebe verlagern wegen der steigenden Flächenansprüche und der wachsenden Agglomerationsnachteile der Zentren ihre Produktion an die Peripherie. Gleichzeitig nimmt die Zuwanderung in die Stadtregionen ab, was dazu führt, daß die Dichte im Kern sinkt, während sich die Zahl der Bewohner und der Arbeitsstätten in den Randzonen erhöht. Während in der ersten Etappe der Suburbanisierungsphase die gesamte Stadtagglomeration noch stark wächst, kommt es in der zweiten Etappe zu einer Verlangsamung und schließlich zu einem Zustand der Stagnation, der nur noch von zentrifugalen Verlagerungen innerhalb der Städte geprägt ist. Trotzdem führen Suburbanisierungstendenzen wegen der auseinanderdriftenden Nutzungen, deren Flächenbedarf ständig steigt, zu immer größer werdenden Stadtagglomerationen ohne echtes Zentrum und zu wachsenden Verkehrsbelastungen. Dienstleistungsbetriebe, vor allem im Bereich der intermediären Wirtschaftsdienste, können den Suburbanisierungstendenzen innerhalb der Städte einige Zeit widerstehen, da sie am stärksten auf Agglomerationsvorteile angewiesen sind. Mit der Abnahme dieser Effekte durch Entleerung der Zentren ändert sich aber auch die Verteilung der Standortgunst für Dienstleistungsaktivitäten zugunsten des Agglomerationsringes, was auch in diesem Bereich zu Standortverlagerungen an die Peripherie führt.

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Konsumdienste orientieren sich grundsätzlich viel stärker an der Verteilung der Wohnbevölkerung und reagieren daher unmittelbar auf Suburbanisierungsprozesse und verstärken diese, indem sie ihnen folgen. 3.2.2.3. Desurbanisierung Die Verstärkung der negativen Tendenzen der Suburbanisierung führt zu einer Verlagerung der Wohnbevölkerung und der wirtschaftlichen Aktivitäten aus den Großstadtagglomerationen in Klein- und Mittelstädte. Die Stadtrandgebiete verlieren infolge der massiven Zuwanderung einen Großteil ihrer Standortvorteile, da niedrige Bodenpreise und höhere Lebensqualität aufgrund der fortschreitenden Verdichtung nicht mehr gewährleistet sind. Zudem erschweren die wachsenden Verkehrsprobleme die Erreichbarkeit des Stadtkernes. Da es sowohl im Zentrum als an der Peripherie einen Rückgang der Einwohner- und Beschäftigungszahlen gibt, schrumpft die gesamte Agglomeration quantitativ und dehnt sich flächenmäßig nicht mehr weiter aus. Die Abwanderung der sozial höhergestellten und produktiveren Schichten führt zu einem sich selbst verstärkenden Verfallsprozeß, da damit auch Investitionen weniger rentabel werden und vor allem spezialisiertere Industriebetriebe die Städte verlassen. Für den Dienstleistungssektor, der meist auf die Nähe seiner Kunden angewiesen ist, hat dieser Trend ebenfalls negative Auswirkungen. Zudem kann das Innovationspotential von Städten, die sich in einer solchen Desurbanisierungsphase befinden, als gering eingeschätzt werden, was zu einer qualitativen Verschlechterung der Leistungen und damit einer verringerten Konkurrenzfähigkeit im zwischenstädtischen Vergleich beiträgt. 3.2.2.4. Reurbanisierung Nach der Theorie des räumlichen Agglomerationszyklus folgt auf die Phase der Desurbanisierung wieder ein Verstädterungsprozeß, mit dem die Stadt wieder an den Anfang der Entwicklung zurückkehrt und der Kreislauf von neuem beginnt. Durch die Desurbanisierung werden Städte wieder so weit „gesundgeschrumpft“, bis sie wieder überwiegend positive Agglomerationseffekte aufweisen, und somit ihre Attraktivität für private Haushalte und Betriebe zurückgewonnen haben. Theoretische Überlegungen und empirische Untersuchungen zeigen allerdings, daß die Reurbanisierungsphase keinesfalls eine Wiederholung der Urbanisierungsphase darstellen kann, da sich die strukturellen Voraussetzungen für eine demographische und wirtschaftliche Entwicklung völlig geändert haben. Vor allem das ehemals große Reservoir an ländlicher Bevölkerung ist durch die Änderung der Wirtschafts- und Sozialstruktur kaum mehr vorhanden. Reurbanisierungsprozesse funktionieren heute daher hauptsächlich als Umverteilungsprozesse zwischen den Städten oder durch ausländische Zuwanderung. Zudem kann die Desurbanisierung die wachsenden Agglomerationsnachteile alleine kaum verringern, da schlechte Umweltqualität, hohe Preise und hohe Bebauungsdichte nur mit massiven politischen Eingriffen zu verbessern sind. Die Rückwanderung in die Stadtkerne erfolgt auch aufgrund der geänderten Verkehrsverhältnisse sehr selektiv, da sich nur bestimmte Bevölkerungsgruppen oder

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Wirtschaftsbranchen mit besonderen Präferenzen für zentrale Standorte in den Kernstädten ansiedeln. Diese weisen daher einer wesentlich homogenere Struktur, die von Wirtschaftsdienstleistungen und jungen, mobilen, meist kinderlosen Bewohnern geprägt ist, als in der Urbanisierungsphase vor über hundert Jahren auf. 3.2.2.5. Kritik an der Theorie des räumlichen Agglomerationszyklus Wie bereits im Abschnitt über die Phase der Reurbanisierung erwähnt, wird vor allem die Aussage, es handle sich bei der Stadtentwicklung um einen sich zyklisch wiederholenden Prozeß, von vielen Stadtökonomen kritisiert. Die heute zur Verfügung stehenden Daten beweisen zwar die empirische Relevanz der ersten drei Phasen für praktisch alle Städte der westlichen Welt, doch scheint die Annahme einer Reurbanisierungsphase und der daraus folgenden Wiederholung der Entwicklungsphasen doch eher hypothetisch. Einen anderen Kritikpunkt stellt die räumliche Gliederung von komplexen Stadtagglomerationen nach der eher verallgemeinernden Zentrum-Ring-Typologie dar. In den heutigen Großstädten differieren Nutzungsstrukturen und Dichtewerte nicht nur mit der Entfernung zum Stadtzentrum, sondern auch zwischen gleichrangigen Stadteilen, und sind daher nie völlig symmetrisch verteilt. Allerdings ist die Stadtentwicklung der letzten Jahrzehnte tatsächlich von Verlagerungsprozessen gekennzeichnet, die sich bei einer verallgemeinerten Betrachtungsweise zwischen diesen beiden Stadträumen ereignet haben. Daher können mit Hilfe dieses Modells globale Phänomene wie Sub- und der Desurbanisierung von städtischen Agglomerationen, nicht aber kleinräumigere Entwicklungen und Verlagerungen, die in der gegenwärtigen Stadtentwicklung zu beobachten sind, erklärt werden. 3.2.3. COUNTERURBANISATION Als Weiterentwicklung des „urban sprawl“, der Zersiedelung und Verstädterung des ländlichen Raumes entwirft BERRY (1976) das Modell der „Counterurbanisation“, nach dem städtische Infrastruktur und Dienstleistungen praktisch ubiquitär vorhanden und damit für jeden verfügbar sind. Durch perfekte Telekommunikation und immer schnellere Verkehrstechnologien sind Agglomerationsvorteile nicht mehr auf die Stadtzentren beschränkt, die Stadt als räumlich abgegrenztes und definierbares System wird in Frage gestellt. Alle Aktivitäten dieser völlig verstädterten Gesellschaft verteilen sich dispers im Raum, regionale Disparitäten und ungleiche Standortausstattungen sind kaum mehr zu bemerken. Dieses Zukunftsszenario basiert auf der empirischen Erkenntnis, daß der technische Fortschritt im Laufe des 20.Jahrhunderts zu einem Abbau interregionaler Disparitäten, aber zu einer Verstärkung der Ungleichheiten innerhalb der Städte, vor allem zwischen der Kernstadt und den Suburbs, geführt hat. Vor allem in den USA haben sich bereits heute durch das Zusammenwachsen einzelner Städte riesige

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Agglomerationen gebildet, in denen die Unterscheidung von „urbanem“ und „ländlichem“ Raum praktisch verlorengegangen ist. 3.2.4. DUALES ZYKLUSMODELL DER STADTENTWICKLUNG Das duale Zyklusmodell der Stadtentwicklung von LICHTENBERGER (1990) beruht ebenfalls auf der Annahme, daß sich städtische Entwicklungsprozesse in einem regelmäßigen Kreislauf wiederholen. Die Autorin betrachtet die Stadtentwicklung als Konsequenz aus zwei komplementären Prozessen, der Stadterweiterung und der Stadterneuerung, aus deren zeitlicher Verschiebung sich der Stadtverfall ergibt. Beide Prozesse werden durch politische, wirtschaftliche, technische, soziale oder städtebauliche Rahmenbedingungen in Gang gesetzt und haben einen fixen zeitlichen Ablauf, der aus einer Innovations-, Take-off-, Hoch- und Spätphase besteht. Dieser aus der Produktzyklustheorie übernommene Ablauf kennzeichnet die Entwicklung, die jeder neue Impuls für die Stadtentwicklung durchmacht. Dieser theoretische Ansatz erklärt vor allem die Notwendigkeit einer dualen Stadtentwicklung, die sich sowohl nach innen (Stadterneuerung) als auch nach außen (Stadterweiterung) richtet. Je größer der time-lag zwischen den beiden Phasen ist, desto größer wird das Ausmaß des Stadtverfalls, da bei einer Verzögerung des Anschlusses alter Stadtgebiete an neue technischen Systeme der Infrastruktur im Bereich des Verkehrs, der Kommunikation oder der Ver- und Entsorgung, die Investitionsneigung privater Investoren abnimmt und damit gewisse Stadtgebiete benachteiligt werden und an Attraktivität und Wert verlieren. Wirtschaftlicher Erfolg innerhalb einer Stadt ist daher nur durch eine gemeinsame und ausgeglichene Entwicklung von Stadterneuerung und Stadterweiterung möglich.

3.3. INNERSTÄDTISCHE STANDORTMUSTER VON DIENSTLEISTUNGSAKTIVITÄTEN Im letzten Abschnitt dieses Kapitels soll im Detail auf die Verteilungen, zu denen Dienstleistungsaktivitäten innerhalb von Stadtagglomerationen tendieren, eingegangen werden. Aufbauend auf einer Typisierung der räumlichen Standortmuster werden allgemeingültige Phänomene und Trends in den wichtigsten Dienstleistungsbranchen bezüglich ihrer Verteilung im Stadtraum anhand von verschiedenen Forschungsergebnissen diskutiert. 3.3.1. TYPOLOGIEN INNERSTÄDTISCHER VERTEILUNGSMUSTER Bei der Betrachtung der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten innerhalb des Stadtraumes lassen sich nach STAUDACHER (1991) drei ausgeprägte Typen von Standortmustern erkennen. Jede Branche tendiert aufgrund ihrer spezifischen ökonomischen Eigenheiten mehr oder weniger zu einem, bei manchen überlagern sich mehrere dieser Verteilungsmuster, weshalb sich für jede Art von

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Dienstleistungsbetrieben individuelle Raumstrukturen, die in den meisten Städten in ähnlicher Form zu beobachten sind, entwickeln. 3.3.1.1. Zentral-periphere Muster Viele Dienstleistungsbranchen verteilen sich innerhalb des Stadtraumes nach zentral-peripheren Mustern. Je stärker die Abhängigkeit einer Aktivität von innerstädtischen Agglomerationsvorteilen ist, desto mehr wird die Standortwahl eines Betriebes auf das Zentrum ausgerichtet sein, während sich andere Betriebe, die besonders an den negativen Standortfaktoren der City, wie etwa hohe Bodenpreise oder Verkehrsüberlastung, leiden, eher am Stadtrand ansiedeln. Je nach Zusammensetzung der entscheidenden Standortfaktoren einer Branche wird daher die Dichte der Betriebsstandorte entweder in zentripetaler oder in zentrifugaler Richtung zunehmen. Dieses Konzept basiert auf der Theorie des städtischen Bodenmarktes (siehe A.3.1.2.), die besagt, daß die mit der Distanz zum Zentrum abnehmenden Bodenrenten nur Nutzungen mit entsprechenden Ertragschancen ermöglichen, und es somit für jede Branche eine optimale Entfernung von der Stadtmitte gibt, in der sich diese folglich in konzentrierter Form ansiedeln. 3.3.1.2. Sektorale Muster Eine andere Standortspezifität von Dienstleistungsaktivitäten ist die Konzentration von Betrieben in bestimmten Sektoren oder Stadtvierteln. Dieses Phänomen basiert auf unterschiedlichen, oft historisch bedingten Verteilungen von Standortfaktoren, die nicht auf der Entfernung zum Zentrum, sondern auf der Spezialisierung von Stadtteilen auf bestimmte Eigenschaften beruhen. So sind immer wieder asymmetrisch verteilte Branchenschwerpunkte innerhalb des Stadtraumes zu beobachten, die aufgrund besonderer Standorteigenschaften, wie etwa spezielle Infrastrukturgelegenheiten oder die Nähe wichtiger Betriebe oder Institutionen, entstehen. Durch die Konzentration bestimmter Branchen in bestimmten Stadtteilen kommt es außerdem zu Lokalisationseffekten und damit zu Standortvorteilen, die nur bestimmten Betrieben zugute kommen, was zu einer Verstärkung der sektoralen Standortmuster innerhalb von Städten führt. 3.3.1.3. Homogene Muster Gewisse Standortfaktoren treten innerhalb von Städten fast ubiquitär auf, und sind daher überall gleich gut erreich- und nutzbar. Dienstleistungsbranchen, die weitgehend von diesen allgemeinen Standortfaktoren, wie etwa Arbeitskraftangebot oder Nachfragerdichte abhängen, neigen daher zur gleichmäßigen Verteilung innerhalb des Stadtraumes und bilden homogene Standortmuster. Für solche Betriebe sind die Agglomerationsvorteile der Zentren genauso hoch wie die zusätzliche Miete, die sie für einen höherwertigen Standort bezahlen müssen. Vor allem Unternehmungen, die vornehmlich Dienstleistungen

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für private Haushalte produzieren, tendieren zu dispersen Verteilungen in den Städten, da sie versuchen, konkurrierenden Anbietern auszuweichen und in der Nähe der Kunden zu sein. 3.3.2. RÄUMLICHE VERTEILUNG AUSGESUCHTER DIENSTLEISTUNGS- AKTIVITÄTEN IM STADTRAUM Eine große Anzahl von empirischen Forschungsarbeiten hat sich mit der räumlichen Verteilung von einzelnen Dienstleistungsaktivitäten innerhalb von Stadtagglomerationen beschäftigt und versucht, allgemeingültige Verteilungsregeln für bestimmte Branchen aufzustellen. Einige der wichtigsten Erkenntnisse sollen im folgenden Abschnitt kurz erläutert und diskutiert werden, wobei vor allem die Studien von MURPHY (1966), LICHTENBERGER (1963), DAWSON (1985), DANIELS (1982), BERRY (1967), BURKART / MEDLIK (1982), HEINEBERG / HEINRITZ (1983), RICHARDSON (1971) und STAUDACHER (1981) sowie die Zusammenfassungen von LICHTENBERGER (1986), PRICE / BLAIR (1989) und BALCHIN / KIEVE / BULL (1988) Berücksichtigung fanden. 3.3.2.1. Einzelhandel Die Ertragschancen im Einzelhandel sind besonders stark vom Geschäftsstandort abhängig, wobei nicht nur die ungefähre Situation innerhalb der Stadt, sondern auch die genaue Lage innerhalb eines Stadtteils entscheidend ist. Oft können wenige Meter oder die richtige Straßenseite über den Erfolg oder Mißerfolg eines Geschäftes entscheiden. Die räumliche Verteilung von Einzelhändlern hängt hauptsächlich von der Art und den Eigenschaften der angebotenen Güter ab. So bestimmen vor allem die Beschaffungshäufigkeit (Güter des täglichen / wöchentlichen /... Bedarfes), die von der Lagerfähigkeit, individuellen Lebensgewohnheiten und Produktlebenszyklen abhängt, der Preis (im Verhältnis zum Transportaufwand) und die Notwendigkeit (Gebrauchs- / Luxusgüter) der dort gehandelten Güter den Standort eines Geschäftes. Die Anzahl und Größe der Geschäfte eines bestimmten Zweiges ist durch ein mehr oder weniger fixes Umsatzvolumen begrenzt, weshalb es zu einem harten Konkurrenzkampf zwischen den Händlern kommt, dem viele durch eine deutliche Segmentierung des Marktes in verschiedene Angebotskategorien zu entkommen versuchen. Wegen der gezielten Ausrichtung des Angebotes auf eine bestimmte Zielgruppe suchen Geschäfte der gleichen Warengruppe oft völlig verschiedene Standorte auf. Die räumliche Verteilung von Einzelhändlern hängt daher nicht nur von der Art des Gutes, sondern auch von der Qualität und Gestaltung des Angebotes ab. Je spezialisierter ein Gut von seiner Bedarfshäufigkeit oder nach seiner Zielgruppe ist, desto größer muß der Einzugsbereich, in dessen Mitte sich das Geschäft ansiedeln sollte, um die Wegeaufwände zu minimieren, sein. Zudem können nur Geschäfte mit im Verhältnis zur Verkaufsfläche hohen Umsätzen die teuren Mieten bezahlen. Dieses Phänomen begünstigt eine

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hierarchisch gegliederten Verteilung von Einzelhandelsgeschäften, wie sie in der Theorie der zentralen Orte beschrieben wird. Wegen des unterschiedlichen Grades an Spezialisierung und Qualität des Sortiments finden sich besondere Juweliere, Herren- und Damenboutiquen oder Delikatessenläden vornehmlich in der City, Schuhgeschäfte oder Elektrohändler auch in den Bereichs- und Bezirkszentren der Übergangszone und des Stadtrandes, während sich Lebensmittelgeschäfte und Trafiken praktisch überall, wo Menschen wohnen, ansiedeln können. Einzelhandelsgeschäfte mit ähnlichem Warenangebot neigen zu räumlichen Konzentrationen und damit zur Ausbildung sektoraler Standortmuster. In traditionellen Einkaufsstraßen und Geschäftsvierteln sind immer wieder Ballungen von Geschäften mit ähnlichen Angeboten zu beobachten, die von vielfältigen Lokalisierungseffekten profitieren. Vor allem Geschäfte, die aufgrund ihres Angebotes eine ziemlich beschränkte Nachfragestruktur aufweisen, wie etwa Antiquitäten- oder Kunsthändler, bilden relativ scharf abgegrenzte von einer bestimmten Branche dominierte Geschäftsviertel, da für sie die Konzentration potentieller Kunden von Vorteil ist. Oft gehen solche sektoralen Muster im Bereich des Einzelhandels aber auch auf ehemalige industrielle oder gewerbliche Betriebsstandorte zurück. Der Verkauf von Maschinen, Textilien oder Glaswaren wurde meist in unmittelbarer Nähe der Produktionsstätten abgewickelt, um Transportkosten zu sparen. Nach der Verlagerung der Fabriken an die Peripherie blieben nur noch die Geschäfte in den Städten zurück und bildeten eigenen Branchenschwerpunkte. Da sich solche Ballungen gleichartiger Geschäfte nicht nur in der City bilden, ist in bestimmten Branchen der höchste Spezialisierungsgrad nicht unbedingt im Stadtzentrum zu finden, wie es die Theorie der Zentralen Orte besagt. Die Entwicklung von Einkaufsstraßen, -passagen oder -zentren mit einem umfassenden Warenangebot läßt aber auch auf positive Synergieeffekte zwischen verschiedenartigen Geschäften schließen. Durch die Konzentration der Kaufkraft auf bestimmte Einkaufszonen profitieren die meisten Einzelhändler, die sich in einem solchen Bereich ansiedeln, da ihr Angebot von wesentlich mehr Leuten wahrgenommen wird als an anderen Standorten. Die Umwandlung von Geschäftsstraßen in Fußgängerzonen in den 70er und 80er Jahren hat entscheidend zur Wiederbelebung des Einzelhandels in den Zentren beigetragen. Einkaufsstraßen innerhalb des dicht verbauten Bereiches werden meist von Geschäften des längerfristigen Bedarfes, die auf die breite Masse der Konsumenten ausgerichtet ist, dominiert. Neben Bekleidungs- und Schuhgeschäften, Möbel- und Einrichtungshäusern oder Elektronik-, Bücher- und Schallplattenfachhändlern finden sich dort auch mehrgeschossigen Kaufhäuser mit einem umfassenden Angebot an verschiedenen Konsumgütern. Diese belegen stets mehrere, manchmal sogar alle Stockwerke der Gebäude, während sich alle anderen Einzelhandelsgeschäfte in der Regel nur im Erdgeschoß ansiedeln, weshalb Geschäftsstraßen grundsätzlich eher durchmischte Nutzungsstrukturen aufweisen. Die Entwicklungen im Bereich des Einzelhandels haben die Stadtentwicklung in den letzten Jahrzehnten massiv beeinflußt. Die Errichtung von Geschäftszentren an der Peripherie der Städte hat die traditionelle städtische Einzelhandelsstruktur, wie sie in diesem Abschnitt skizziert wurde, verändert. Vor allem die großen Shopping Centers am Stadtrand trugen zum Bedeutungsverlust der zentrumsnahen

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Geschäftsgebiete, die unter großen Kaufkraftverlusten zu leiden hatten, bei und leisteten damit der Suburbanisierung der Städte mit allen ihren negativen Auswirkungen für die städtische Gesellschaft Vorschub. Durch die räumliche Konzentration von verschiedenen Geschäften, die aufwendige Innengestaltung der Gebäude und Bereitstellung von genügendem Parkraum sind diese Zentren trotz der dezentralen Lage für viele Bevölkerungsgruppen äußerst attraktiv. Das Einkaufsverhalten in Shopping Centers unterscheidet sich grundsätzlich von jenem in traditionellen Geschäftsgebieten, da die Aufmerksamkeit der Besucher ausschließlich auf den Konsum gelenkt wird. Durch die Ansammlung der umsatzträchtigsten Geschäfte unter einem Dach können unter Ausschluß von äußeren Einflüssen mit Hilfe von Klimaanlagen, Musikberieselung, optischer Gestaltung und besonderen Attraktionen „optimierte“ Einkaufsbedingungen in einer künstlichen Umgebung geschaffen werden. Waren vor wenigen Jahrzehnten Shopping Centers ausschließlich an der Peripherie der Städte errichtet, so finden sich heute immer mehr solcher Geschäftszentren innerhalb der dicht bebauten Bereiche, wo sie allerdings auch als Weiterentwicklung der historischen Einkaufspassagen betrachtet werden können. Die Herausbildung neuer räumlicher Strukturen und Organisationsweisen des Einzelhandels hat das Erscheinungsbild der Städte in allen ihren Entwicklungsphasen entscheidend beeinflußt, da der Austausch von Gütern eine der wichtigsten städtischen Funktionen darstellt. Die Art und Weise, in welcher der Einzelhandel abgewickelt wird, sei es auf Märkten, in kleinen Geschäften, in Kaufhäusern, in Passagen oder in modernen Shopping Centres, schlägt sich in der Form und in der Struktur jeder Stadt nieder. 3.3.2.2. Großhandel und Speditionen Warenlager, Großhändler, Speditionen und andere distributive Dienste haben Standortanforderungen, die eher Industrie- als Dienstleistungsbetrieben entsprechen. Für diese Branchen spielt der persönliche Kontakt zu Kunden oder anderen Unternehmungen nur eine untergeordnete Rolle, entscheidend bei der Standortwahl ist die Verfügbarkeit von großen Flächen, niedrige Bodenpreise und eine verkehrsgünstige Lage. Da die Leistung bei den distributiven Diensten in Transport, Handel oder Lagerung von Industriegütern besteht, werden räumliche Entfernungen im Gegensatz zu anderen Dienstleistungsaktivitäten eine entscheidende Rolle spielen. Aufgrund der geringeren Bodenrente, die mit distributiven Diensten zu erzielen ist, wurden die meisten Betriebe dieser Branche von anderen Nutzungen aus dem Stadtkern, meist aus der Umgebung der City, verdrängt. Da solche Unternehmungen aber Güter, die innerhalb des Stadtraumes produziert oder konsumiert werden, transportieren, lagern oder (ver-) kaufen, siedeln sich solche Unternehmungen meist am Rand und in der Umgebung der Städte in der Nähe von Anschlüssen an hochrangige Verkehrssysteme also Autobahnzubringern, Eisenbahngleisen, Hafenanlagen oder Flughäfen an. 3.3.2.3. Büroaktivitäten

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Büroaktivitäten sind die dominierende Organisationsform und Produktionsweise in vielen Dienstleistungsbranchen, und haben daher entscheidenden Einfluß auf deren räumliche Verteilung innerhalb der Städte. Sie umfassen eine Vielzahl von Funktionen, in denen hauptsächlich Informationen eingesetzt, verarbeitet, gespeichert und ausgetauscht werden. Bürotätigkeiten dominieren vor allem den gesamten Bereich der Wirtschaftsdienste, spielen aber auch in der öffentlichen Verwaltung eine große Rolle. Da sich diese Branchen in hochrangigen Zentren konzentrieren, kann man von einem Zusammenhang zwischen der Stadtgröße und dem Anteil an Bürobeschäftigten ausgehen. Bei der Betrachtung der innerstädtischen Verteilung spielen Zentralbüros überregionaler oder internationaler Unternehmungen, wie etwa Banken, Versicherungen oder Werbeagenturen, eine besondere Rolle. Diese neigen besonders zur Ansiedlung auf den höchstwertigen Standorten im Stadtzentrum, einerseits aus Prestigegründen, andererseits wegen der Nähe anderer Firmensitze Geschäftspartner oder Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung und der daraus folgenden Erleichterung des Zuganges zu Informationen. Wegen der Knappheit solcher Standorte in den Zentren sind die Mietpreise enorm hoch und nur größere Unternehmungen in der Lage, diese zu bezahlen. Die Folge davon ist die Verdrängung weniger rentabler Nutzungen und die Herausbildung von höchstrangigen Bürostandorten, die fast ausschließlich von regionalen oder nationalen Zentralbüros internationaler Dienstleistungskonzerne genutzt werden und die sich auch im Stadtbild durch aufwendige und repräsentative Architektur und große Gebäudehöhen niederschlagen. Kleine eigenständige Dienstleistungsbetriebe sind in ihrer Bürostandortwahl wesentlich stärker auf die Nähe ihrer Kunden angewiesen als Zentralbüros, weshalb sie sich oft in der Nähe potentieller Nachfrager ansiedeln. Die Tendenz solcher Büros, zentrale Standorte zu wählen, hängt daher weniger mit Prestigeüberlegungen, sondern mit der günstigeren Auftragslage zusammen. Dieses Verhalten führt zur Konzentration der Büros gewisser Branchen in der Nähe von Einrichtungen und Betrieben, die bestimmte Dienste in größerem Ausmaß nachfragen. Besonders Finanz-, Rechts- und technische Dienste, die hauptsächlich von Kleinunternehmungen bereitgestellt werden, neigen zu solchen räumlichen Ballungen innerhalb der City. Allerdings hat sich gerade bei den selbständig Berufstätigen, wie Ärzten, Architekten oder Steuerberatern, die Einheit von Wohnung und Arbeitsstätte weitgehend erhalten, was dazu führt, daß deren Büros einen bedeutenden und weit überdurchschnittlichen Anteil der Arbeitsstätten in den Wohngebieten der Mittel- und Oberschicht am Stadtrand ausmachen. Zudem kann die Bodenpreisentwicklung in den Zentren so rasant verlaufen, daß viele Betriebe ihre Büros an den Stadtrand verlagern. Der ständig wachsende Bedarf an Büroflächen kann nur durch die Erschließung und Bebauung periphererer Grundstücke befriedigt werden, weshalb der Anteil der innerstädtischen Büroflächen in den meisten europäischen Großstädten in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen hat. Dieser Prozeß wird durch die Gründung dezentraler Bürozentren, sogenannter „office parks“, die aufgrund ihrer optimalen Infrastrukturausstattung auch für Zentralbüros internationaler Konzerne attraktiv sind und somit bei wesentlich geringeren Mietpreisen ähnliche positive Agglomerationseffekte aufweisen, begünstigt. Solche Bürozentren finden sich hauptsächlich in den

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Bezirks- und Stadtteilzentren außerhalb der City, an wichtigen Verkehrsknotenpunkten, und immer öfter in Shopping Centres an der Peripherie der Städte. 3.3.2.4. Gesundheitseinrichtungen Die räumliche Verteilung von Gesundheitseinrichtungen hängt primär vom deren Spezialierungsgrad ab. Da die medizinische Versorgung zentral nach Kriterien der flächendeckenden Versorgung und der Erreichbarkeit geplant wird, unterliegt sie streng hierarchischen Planungsrichtlinien, die der Theorie der zentralen Orte entsprechen. Teure und spezialisierte medizinische Technologien und Behandlungsmethoden finden sich daher fast ausschließlich in den Spitälern der großen Städte. Innerhalb dieser Städte können sich entweder Schwerpunktkliniken für bestimmte Behandlungsmethoden oder Zentralspitäler, die mehrere Abteilungen umfassen, entwickeln. Sofern die Areale ehemaliger Spitalskomplexe innerhalb des dicht verbauten Stadtgebietes groß genug sind, werden die Standorte meist auch für neu- oder umgebaute Krankenanstalten übernommen, ansonsten weichen vor allem spezialisierte Kliniken oft an den Stadtrand aus. Zudem sind in den letzten Jahren deutliche Dezentralisierungstendenzen im Spitalswesen innerhalb der großen Städte zu bemerken. Der Trend scheint zu mehreren, dafür überschaubareren und einfacher zu verwaltenden medizinischen Zentren zu gehen, wodurch auch die Erreichbarkeit für die Stadtbevölkerung entscheidend verbessert wird. Die Standorte der Arztpraxen sind hingegen relativ homogen im städtischen Raum verteilt. Allerdings gilt auch hier, daß mit wachsender Spezialisierung auch der Zentralisierungsgrad zunimmt. Während sich Praktiker und Zahnärzte ähnlich der Wohnbevölkerung innerhalb der Städte verteilen, neigen Fachärzte einerseits zur verstärkten Ansiedlung im Stadtzentrum, andererseits zur Konzentration in der Nähe von Spitälern und Universitätskliniken, woraus auf die Existenz gewisser Lokalisationsvorteile geschlossen werden kann. 3.3.2.5. Bildungseinrichtungen Bildungseinrichtungen verteilen sich auch innerhalb der Städte nach den Kriterien der Theorie der Zentralen Orte, da gerade bei der Schulstandortplanung Verteilungsgerechtigkeit und Chancengleichheit oberstes Prinzip ist. Weniger spezialisierte Ausbildungsstätten wie Volksschulen haben wesentlich kleinere Einzugsbereiche als zum Beispiel berufsbildende und allgemeinbildende höhere Schulen oder gar Universitäten und sind daher auch an peripheren Standorten innerhalb der Städte zu finden, während spezialisiertere Schultypen fast nur in Bezirks- oder Stadtteilzentren angesiedelt werden. Besondere Fachschulen befinden sich, sofern sie keine besonderen naturräumlichen Erfordernisse aufweisen, meist in zentraler Lage, um eine Minimierung der Wege zu erreichen.

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Vor allem im anglo-amerikanischen Raum sind Schul- und Universitätszentren am Rand oder in der Umgebung der Städte weit verbreitet. Auf den riesigen Arealen sind nicht nur Schulgebäude und Freizeiteinrichtungen sondern auch Appartements und Heime für die Schüler und Studenten, die während des Studienjahres auf dem „campus“ wohnen, untergebracht. Solche Zentren zeichnen sich vor allem durch die großzügige Gestaltung aller Einrichtungen und Gebäude, von den Sportanlagen über Bibliotheken, Veranstaltungsräume und Versuchslabors bis hin zu den Unterrichtsräumen, aus, weshalb diese zu bestimmten Zeiten auch von den Bewohnern der Umgebung mitbenutzt werden können. In Mitteleuropa sind solche Schul- und Universitätszentren kaum verbreitet, was auf grundlegende Unterschiede der Erziehungs- und Ausbildungssysteme zurückzuführen ist. 3.3.2.6. Kultureinrichtungen Kulturelle Einrichtungen sind sowohl für die Bewohner als auch für Touristen entscheidend für die Attraktivität einer Stadt. Die meisten Einrichtungen traditioneller Kunst und Kultur, wie Theater, Opernhäuser, Konzertsäle oder Museen konzentrieren sich aus historischen Gründen an bestimmten Standorten innerhalb des Stadtzentrums. Die meist in repräsentativen Bauten beheimateten Institutionen sind an fixe Standorte gebunden und daher nur schwer oder gar nicht verlagerbar. In den meisten Städten haben sich eine oder mehrere Kulturcities herausgebildet, in denen neben den Aufführungs- und Ausstellungsräumlichkeiten auch Galerien, Künstlercafés oder spezialisierte Dienstleistungsbetriebe für eine eigene Struktur sorgen. Die Einrichtungen, die zeitgenössische oder Unterhaltungskultur anbieten, wie Konzerthallen, Kinos, Kellertheater oder Ausstellungsgebäude für moderne Kunst, weisen eine wesentlich homogenere Verteilung innerhalb des Stadtraumes auf, da diese nur in wenigen Fällen in der Lage sind, zentrale Standorte zu bezahlen. Ein interessantes Beispiel für die räumliche Entwicklung solcher Einrichtungen der Unterhaltungskultur stellen die Kinos dar, wo aufgrund von Skalenerträgen ein Trend von vielen kleinen Betreibern hin zu Großunternehmungen mit mehreren Vorführungssälen zu beobachten ist. Moderne Kinocenter haben sich einerseits in den Stadtzentren etabliert, andererseits gibt es immer mehr solcher Center in der Peripherie, meist in Zusammenhang mit Shopping Centers. In dicht bebauten städtischen Bereichen außerhalb der City hingegen haben die Verbreitung des Fernsehers einerseits und die wachsende Konkurrenz größerer Betreiber zur Schließung der meisten kleinen Kinosäle geführt. Kleine Kellertheater oder Galerien befinden sich oft auf billigen Standorten am Stadtrand, da diese wesentlich geringere Umsätze und kommerzielle Erfolge verbuchen können als Kinos. Für solche Einrichtungen stellen die Mietkosten eines Lokales den wichtigsten Standortfaktor innerhalb der Stadt dar. 3.3.2.7. Freizeit- und Erholungseinrichtungen

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Die räumliche Verteilung von Freizeit- und Erholungseinrichtungen hängt entscheidend von naturräumlichen Gegebenheiten, der vorhandenen technischen Infrastruktur (meist staatlich betriebene Systeme zur Ver- und Entsorgung, zur Kommunikation oder zum Austausch von Gütern) und der zu diesen Zwecken nutzbaren Superstruktur (sichtbare, meist von Privaten betriebene Einrichtungen), wie etwa Sportanlagen, Freibäder oder Vergnügungsparks, ab. Innerhalb des städtischen Raumes sind die meisten Freizeit- und Erholungseinrichtungen an bestimmte Standorte gebunden und weisen daher sektorale und zentral-periphere Schwerpunkte auf. Da sich Parks, Gartenanlagen und Freiflächen vornehmlich am Stadtrand befinden, sind bei Freizeit- und Erholungseinrichtungen eher periphere Verteilungsmuster innerhalb der Städte zu beobachten. Vor allem Sportanlagen im Freien und die damit verbundenen Einrichtungen sind auf große zusammenhängende Freiflächen angewiesen und konzentrieren sich daher an bestimmten Standorten im locker verbauten Gebiet. Aufgrund des hohen Siedlungsdruckes innerhalb des Stadtkernes wurden die meisten kleinen kommerziell genutzten Sportplätze von anderen Nutzungen verdrängt und an die Peripherie verlagert, wo sich meist größere zusammenhängende Anlagen, deren Verwaltung und Pflege effizienter war, bildeten. Die in den dicht verbauten Stadtgebieten verbliebenen Freiflächen dienen fast ausschließlich als öffentlich zugängliche Parks und Gärten. Die großen Vergnügungsparks, die meist Ende des 19.Jahrhunderts in den Vorstädten angelegt wurden, befinden sich inzwischen durch das enorme Wachstum der Städte inmitten des dicht verbauten Gebietes. Verlagerungen sind aufgrund des investierten Kapitals kaum möglich, doch sind viele dieser traditionellen Vergnügungsparks durch die Konkurrenz von moderneren Anlagen im Stadtumland in ihrer Existenz bedroht, weshalb ihr Fortbestand in Zukunft keineswegs gesichert ist. Freizeit- und Erholungseinrichtungen finden sich in den dicht bebauten Stadtgebieten meist nur mehr in Gebäuden, wie etwa Sporthallen, Hallenbäder oder Fitnesscenter. Diese weisen im Allgemeinen typische Standortmuster für Konsumdienstleistungen auf, sie verteilen sich ziemlich gleichmäßig im Stadtraum, um eine gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Spezialisierte Anbieter finden sich meist im Stadtzentrum oder in Subzentren am Stadtrand. Allerdings ist auch hierin den letzten Jahren eine leichte Tendenz zur Suburbanisierung zu beobachten. Riesige Freizeitcenter mit einem umfassenden Angebot an Sport- und Unterhaltungseinrichtungen und Gastronomiebetrieben tauchen auch in europäischen Städten, wo sie sich an der Peripherie, oft in Anlehnung an Shopping Centres, ansiedeln, immer öfter auf. 3.3.2.8. Touristische Einrichtungen - Gaststätten- und Beherbergungswesen Während sich der Fremdenverkehr in Städten, die besondere natürliche oder historische Attraktionen anzubieten haben, konzentrisch mit abnehmender Dichte der touristischen Einrichtungen wie Hotels, Restaurants oder Souvenirgeschäften von diesen Anziehungspunkten ausbreitet, liegt der Schwerpunkt des Fremdenverkehrs in „normalen“ Großstädten im Zentrum. Sowohl in der Hotelerie als auch im Gaststättenwesen ist tendenziell eine Zunahme des Qualitätsstandards und der Preise mit der Nähe zum Stadtkern zu beobachten. Die traditionsreichen und berühmten Hotels und Restaurants befinden sich in den meisten Städten an besonders prestigeträchtigen Standorten innerhalb der City. In der

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Übergangszone und am dicht bebauten Stadtrand konzentrieren sich kleinere Hotels meist um Verkehrsknotenpunkte (vor allem in der Nähe der Bahnhöfe), die Zahl an billigeren Privatquartieren nimmt mit der Entfernung zum Stadtzentrum zu. Eine Ausnahme von diesem zentral ausgerichteten Verteilungsmuster bilden moderne Luxushotels und -restaurants in der Peripherie, die von außergewöhnlichen Angeboten oder besonderer Lage profitieren. Trotzdem sind im Beherbergungswesen der europäischen Großstädte aufgrund der Konzentration der touristischen Attraktionen in den Stadtkernen keine entscheidenden Dezentralisierungsprozesse bemerkbar. Ein immer wichtigerer Zweig des Fremdenverkehrs ist der Konferenztourismus, der aufgrund der wachsenden internationalen Wirtschaftsverflechtungen floriert. Aufgrund des reichhaltigen Kultur- und Freizeitangebotes sind Großstädte für die Abhaltung von Konferenzen wesentlich besser geeignet als der ländliche Raum. Allerdings finden sich neu errichtete Konferenzzentren aufgrund ihres großen Flächenbedarfes meist an der Peripherie der Städte und beeinflussen die dortigen Strukturen nachhaltig. Durch die gewünschte Kombination von Stadtnähe und hoher Umweltqualität sind optimale Standorte für Konferenzzentren zwar ziemlich teuer, doch wegen der hohen wirtschaftlichen Potenz der nachfragenden Unternehmen, Parteien oder Vereine durchaus sinnvoll. 3.3.2.9. Forschung und Entwicklung Die räumliche Struktur von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten weist im allgemeinen aufgrund der enorm hohen Synergieeffekte zwischen einzelnen wissenschaftlich tätigen Institutionen die höchsten räumliche Konzentrationstendenzen aller Dienstleistungsaktivitäten innerhalb der Städte auf. Meist bilden die Universitäten die Kerne solcher Forschungszentren, die sich grundlegend aus wissenschaftlichen Abteilungen öffentlicher Einrichtungen und den Forschungslabors privater Unternehmungen zusammensetzen aber auch diverse spezialisierte Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe, wie Fachbuchhandlungen, Patentanwälte oder Softwareentwickler, umfassen. Meist bilden sich innerhalb von europäischen Großstädten mit verschiedenen Universitäten mehrere solcher Forschungszentren, die jeweils einen bestimmten wissenschaftlichen Schwerpunkt, etwa im Bereich Naturwissenschaften, Technik oder Wirtschaftswissenschaften, aufweisen. Sie liegen meist am Rand der Innenstadt, und weisen eine andere Sozial- und Wirtschaftsstruktur auf als die Geschäfts- und die Verwaltungscity, von denen sie auch deutlich abgegrenzt sind. Obwohl auch in der wissenschaftlichen Forschung ein großer Teil der Information über Datenleitungen übertragen werden könnte, scheint gerade in diesem Bereich der persönliche Informationsaustausch besonders wichtig zu sein. Kleinere Forschungsabteilungen profitieren von der Nähe größerer und kapitalkräftigerer Institutionen, vor allem der Universitäten, da sie in manchen Fällen Infrastruktureinrichtungen oder teure Spezialgeräte mitbenutzen können und zudem einen leichteren Zugang zu hochqualifiziertem Personal haben. Auch bei der Zusammenarbeit mehrerer Institute an umfassenderen Forschungsprojekten ist die einfache und schnelle Möglichkeit von persönlichen

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Gesprächen von großem Vorteil, da dadurch eine effiziente Koordination und gegenseitige Abstimmung der Aktivitäten erleichtert wird. Manche Forschungseinrichtungen müssen sich aufgrund besonderer Erfordernisse außerhalb dieser Forschungszentren ansiedeln. Biologische und meteorologische Stationen sind an natürliche Standortbedingungen gebunden, Firmeneigene Entwicklungsabteilungen befinden sich meist am Produktionsstandort, medizinische Forschung kann teilweise nur in Spitälern erfolgen. Solche speziellen Anforderungen führen nicht nur zu einer dispersen Verteilung mancher wissenschaftlicher Institutionen, sondern auch zu sektoralen Forschungsschwerpunkten an der Peripherie der Städte. So siedeln sich manche Universitätsinstitute an diesen Standorten an und sorgen für geringfügige räumliche Verlagerungen der Forschungsaktivitäten innerhalb der Städte. Zudem müssen aufgrund der steigenden Studentenzahlen und der geänderten Raumansprüche ohnehin neue Gebäude errichtet werden, für die innerhalb der Universitätsviertel kein Platz mehr ist. Während im anglo-amerikanischen Raum die Errichtung von Universitätszentren im Umland von Großstädten, sogenannten „campus“ bereits weit verbreitet ist, herrschen in Europa noch zentrale Hochschulstandorte vor. Die wachsende Bedeutung von Forschung und Entwicklung für die gesamte Wirtschaft sowie das immer höher werdende Bildungsniveau der Bevölkerung haben allerdings den Bedarf an Universitäts- und Forschungseinrichtungen so weit gesteigert, daß die Verlagerung von Teilen der wissenschaftlichen Tätigkeiten an die Peripherie der Städte abseits der traditionellen Forschungsstandorte unumgänglich scheint.

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B. EMPIRISCHER TEIL

• Der Dienstleistungsstandort Wien

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• Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien

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1. DER DIENSTLEISTUNGSSTANDORT WIEN

1.1. GRUNDLAGEN DER EMPIRISCHEN UNTER- SUCHUNGEN Zu Beginn des empirischen Teils dieser Arbeit sollen kurz die technischen Grundlagen der durchgeführten Untersuchungen dargestellt werden. Es wird aber gleich darauf hingewiesen, daß die in diesem Abschnitt angeführten Kriterien bezüglich der Abgrenzung des Untersuchungsgebietes und der Struktur der Daten für einen Großteil, aber nicht für alle Analysen gelten. Alle zusätzlich verwendeten speziellen Daten und Grundlagen werden erst im Zusammenhang mit den konkreten Methoden, für die sie verwendet wurden, in späteren Kapiteln vorgestellt. 1.1.1. RÄUMLICHE ABGRENZUNG DES UNTERSUCHUNGSGEBIETES Für die empirische Untersuchung der Struktur und der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten wurde eine Stadtagglomeration definiert, die nicht nur das Land Wien, sondern auch 86 niederösterreichische Gemeinden, die in seiner unmittelbaren Umgebung liegen, umfaßt. Die Auswahl der Gemeinden erfolgte nicht nach wirtschaftlichen, sondern nach geographischen Gesichtspunkten, um verschiedene Arten von Umlandregionen zu erfassen. So wurden alle Gemeinden, die teilweise oder zur Gänze weniger als etwa 10 Kilometer von der Stadtgrenze entfernt sind, für die Untersuchung herangezogen, um deren unterschiedliche funktionale Beziehungen zu Wien untersuchen zu können. Im Detail handelt es sich um folgende 86 Gemeinden aus 7 verschiedenen politischen Bezirken: Tab.3: Niederösterreichische Gemeinden in der Untersuchungsregion

• Bezirk Bruck a. d. Leitha 307

Enzersdorf an der Fischa 30706 Göttlesbrunn-Arbesthal 30708 Götzendorf an der Leitha 30709 Haslau-Maria Ellend 30711 Trautmannsdorf an der Leitha 30726

• Bezirk Gänserndorf 308

Aderklaa 30801 Andlersdorf 30802 Auersthal 30804 Deutsch-Wagram 30808 Gänserndorf 30817 Glinzendorf 30819 Groß-Enzersdorf 30821 Großhofen 30822 Leopoldsdorf im Marchfelde 30831 Mannsdorf an der Donau 30834 Markgrafneusiedl 30836 Obersiebenbrunn 30842 Orth an der Donau 30844 Parbasdorf 30846 Raasdorf 30849 Schönkirchen-Reyersdorf 30852

Strasshof an der Nordbahn 30856 • Bezirk Korneuburg 312

Bisamberg 31201 Enzersfeld 31202 Hagenbrunn 31206 Harmannsdorf 31207 Korneuburg 31213 Langenzersdorf 31214 Leobendorf 31216 Spillern 31227 Stetten 31229 Stockerau 31230

• Bezirk Mistelbach 316

Bockfließ 31605 Großebersdorf 31614 Groß-Engersdorf 31615 Pillichsdorf 31642 Ulrichskirchen-Schleinbach 31651 Wolkersdorf im Weinviertel 31655

• Bezirk Mödling 317

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Achau 31701 Biedermannsdorf 31702 Breitenfurt bei Wien 31703 Brunn am Gebirge 31704 Gaaden 31706 Gießhübl 31707 Gumpoldskirchen 31709 Guntramsdorf 31710 Hennersdorf 31711 Hinterbrühl 31712 Kaltenleutgeben 31713 Laab im Walde 31714 Laxenburg 31715 Mödling 31717 Münchendorf 31718 Perchtoldsdorf 31719 Vösendorf 31723 Wiener Neudorf 31725 Wienerwald 31726

• Bezirk Tulln 321

Judenau-Baumgarten 32112 Königstetten 32116 Sieghartskirchen 32131 Tulbing 32134

Tulln 32135 Zeiselmauer 32140 St. Andrä-Wördern 32142

• Bezirk Wien-Umgebung 324

Ebergassing 32401 Fischamend 32402 Gablitz 32403 Gerasdorf bei Wien 32404 Gramatneusiedl 32405 Himberg 32406 Klein-Neusiedl 32407 Klosterneuburg 32408 Lanzendorf 32409 Leopoldsdorf 32410 Maria-Lanzendorf 32411 Mauerbach 32412 Moosbrunn 32413 Pressbaum 32415 Purkersdorf 32416 Rauchenwarth 32417 Schwadorf 32418 Schwechat 32419 Tullnerbach 32421 Wolfsgraben 32423 Zwölfaxing 32424

Quelle: Volkszählung 1981 Um einer kleinräumigen Betrachtungsweise gerecht zu werden, bilden diese 86 Gemeinden im Umland und die 250 Zählbezirke innerhalb der Stadt Wien die kleinste räumliche Bezugseinheit. Eine noch stärkere Disaggregation der Daten, etwa auf Zählgebiets- oder Zählsprengelebene, hätte zu kleine und damit nicht mehr als eigenständige Strukturen zu betrachtende Gebiete geschaffen, was genauso wie bei einer zu starken Aggregation der Daten zur Verzerrung der Ergebnisse führen kann. Diese 336 Teilgebiete des Untersuchungsgebietes werden für großräumigere Betrachtungen nach der in Punkt A.3.1.1. beschriebenen Gliederung der Städte in vier ringförmige Zonen zu den folgenden Gebietseinheiten zusammengefaßt: Tab.4: Großräumigere Gliederung des Untersuchungsgebietes 1. Innere Stadt („City“)

• Innere Stadt (1.Bezirk) 2. Innenbezirke („Übergangszone“)

• Innen-West (6., 7., 8., 9. Bezirk) • Innen-Süd (3., 4., 5. Bezirk) • Innen-Ost (2., 20. Bezirk)

3. Außenbezirke („Stadtrand“)

• Außen-West (12., 13., 14., 15., 16., 17., 18., 19. Bezirk) • Außen-Süd (10., 11., 12., 23. Bezirk) • Außen-Ost (21., 22. Bezirk)

4. Umlandgemeinden („Umland“)

• Umland-Ost - „Gänserndorf“ (Gemeinden 308 01 / 02 / 04 / 08 / 17 / 19 / 21 / 22 / 31 / 34 / 36 / 42 / 44 / 46 / 49 / 52 / 56) • Umland-Südost - „Schwechat“ (Gemeind.en 307 06 / 08 / 09 / 11 / 26 // 324 01 / 02 / 05 / 06 / 07 / 09 / 10 / 11 / 13 / 17 / 18 /

19 / 24) • Umland-Südwest - „Mödling“ (Gemeinden 317 01 / 02 / 03 / 04 / 06 / 07 / 09 / 10 / 11 / 12 / 13 / 14 / 15 / 16 / 17 / 18 / 19 / 23

/ 25 / 26) • Umland-West - „Wienerwald“ (Gemeinden 321 12 / 16 / 31 / 34 / 35 / 40 / 42 // 324 03 / 08 / 12 / 15 / 16 / 21 / 23) • Umland-Nord - „Korneuburg“ (Gemeinden 312 01 / 02 / 06 / 07 / 13 / 14 / 16 / 27 / 29 / 30 // 316 05 / 14 / 15 / 42 / 51 / 55 //

324 04)

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Quelle: eigene Erhebungen Die räumliche Gliederung des Gliederung des Untersuchungsgebietes ist graphisch auf der Karte 0 ersichtlich, auf der die Grenzen aller 250 Wiener Zählbezirke und der 86 ausgewählten niederösterreichischen Gemeinden sowie deren Zusammenfassung zu größeren Gebietseinheiten dargestellt sind. 1.1.2. DATENSTRUKTUR Die Daten der meisten Untersuchungen dieser Studie stammen von der Datenbank des Österreichischen Statistischen Zentralamtes (ÖSTZ), und beruhen auf den Arbeitsstättenzählungen und den Volkszählungen der Jahre 1981 und 1991. Während aus den Volkszählungen lediglich die gesamte Wohnbevölkerung für jede Gebietseinheit zur Anwendung gelangte, wurde von den Arbeitsstättenzählungen die Zahl der Arbeitsstätten und der Beschäftigten, jeweils nach Wirtschaftsbranchen disaggregiert, herangezogen. Zu den technischen Grundlagen der Arbeitsstättenzählung, die bei der Verwendung der Daten zu beachten sind, bemerkt das ÖSTZ folgendes: Tab.5: Kommentar des ÖSTZ zur Arbeitsstättenzählung „Die Daten stammen aus der Arbeitsstättenzählung 1991, die im Rahmen der Großzählung 1991 gemeinsam mit der Volkszählung sowie der Häuser- und Wohnungszählung vom ÖSTAT mit Stichtag 15.Mai 1991 durchgeführt wurde. Gesetzliche Grundlagen: Bundesgesetz vom 14.Februar 1973 über die Zählung von Arbeitsstätten, BGBl.Nr.119/1973; Verordnung der Bundesregierung vom 10.Jänner 1991, BGBl.Nr.7/1991. Als Beschäftigte gelten alle Personen, die zum Erhebungsstichtag einer Arbeitsstätte angehören, ohne Rücksicht darauf, ob sie innerhalb oder außerhalb der Arbeitsstätte tätig sind. Auch Teilzeitbeschäftigte sowie zum Stichtag beschäftigte Saisonarbeiter zählen zu den Beschäftigten. Nicht einbezogen sind Präsenz- und Zivildiener sowie Karenzurlauber(innen). Erhebungseinheit war die Arbeitsstätte. Als solche gilt jede Einheit, die durch Name bzw. Bezeichnung gekennzeichnet, auf Dauer eingerichtet, und in der mindestens eine Person erwerbstätig ist. Nicht enthalten sind Arbeitsstätten aus Land- und Forstwirtschaft, Botschaften, Konsulate und internationale Organisationen sowie Haushaltung und Hauswartung. Die Eckzahlen nach BS und ÖNACE unterscheiden sich infolge unterschiedlicher Zuordnungen zur Land- und Forstwirtschaft bzw. zu den nichtlandwirtschaftlichen Wirtschaftsbereichen. Die Zuordnung der Arbeitsstät ten nach Wirtschaftszweigen erfolgte anhand der Betriebssystematik 1968, ergänzte Ausgabe 1985, aufgrund der in der Arbeitsstätte ausgeführten Haupttätigkeit. Verwaltungbüros wurden der 'Wirtschaftsberatung' zugeteilt. Die Erhebungsformulare wurden an die Gemeinden übermittelt und von diesen an die Auskunftspflichtigen (Inhaber bzw. Leiter der Arbeitsstätten) weitergeleitet. Weiters oblag den Gemeinden das Einsammeln, die Prüfung auf Vollständigkeit und die Weiterleitung der ausgefüllten Erhebungspapiere an das Österreichische Statistische Zentralamt. Die Erhebung erstreckte sich auf die Arbeitsstätten aller Wirtschaftsbereiche mit Ausnahme der Land- und Forstwirtschaft sowie der Haushaltung und Hauswartung. Erfaßt wurden daher im wesentlichen die 'Unternehmen mit Erwerbscharakter (einschließlich der freien Berufe)', die 'Organisationen ohne Erwerbscharakter' sowie die Einrichtungen der 'Gebietskörperschaften und Sozialversicherungsträger'. Die manuelle Aufarbeitung des Erhebungsmaterials erstreckte sich auf die betriebssystematische und kammersystematische Zuordnung der Arbeitsstätten und auf die Zusammenführung der Arbeitsstätten zu Unternehmen. Durch das Abgleichen mit der ADV-mässig geführten Adreßdatei (Gebäudeadresse) entfiel die arbeitsaufwendige Signierung und Erfassung der Arbeitsstättenadressen. Die Plausibilitätsprüfung der Daten und die Erstellung der Ergebnisse erfolgte mittels ADV. Nach Durchführung der von den Gemeinden organisierten Erhebung (in größeren Gemeinden meist Einsatz von Zählorganen) wurde das Zählmaterial über die Bezirkshauptmannschaften an das ÖSTAT weitergeleitet. Die Aufarbeitung der Arbeitsstättenzählung 1991 (AZ 91) im ÖSTAT bestand im wesentlichen aus folgenden Schritten: • Überprüfung der richtigen Lage der AZ-Belege hinsichtlich der Arbeitsstättenadresse innerhalb der übrigen Großzählungs-(GZ-

)Belege anhand des Objektverzeichnisses • Einlesen der AZ-Belege mittels Lesegerät gemeinsam mit den übrigen GZ-Lesebelegen • Manuelle Vollzähligkeitskontrolle der AZ-Belege • Nacherfassung fehlender Arbeitsstätten und Eliminierung der Belege jener Einheiten, die nicht unter die Arbeitsstättendefinition

fallen. • Kontrolle der Angaben auf den AZ-Belegen auf Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit sowie Durchführung allfälliger

Ergänzungen bzw. Korrekturen • Signierung der Texteintragungen auf den AZ-Belegen

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• Manuelle Datenerfassung der signierten Merkmale, danach ADV-mäßig Zusammenführung der gelesenen und manuell erfaßten Satzteile

• Plausibilitätsprüfungen (Mikro- und Makroplaus)“ Quelle: ISIS - Datenbank

Besonders wichtig scheint es in diesem Zusammenhang zu erwähnen, daß aufgrund der Verwendung von Daten aus der Arbeitsstättenzählung sämtliche Untersuchungen ohne die Berücksichtigung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt wurden. Diese Einschränkung ist besonders bei der Betrachtung der „Tertiärisierung“, also des Dienstleistungsanteils an der Gesamtbeschäftigung, zu berücksichtigen, da dieser Wert bei Einbeziehung von Land- und Forstwirtschaft je nach Struktur der Untersuchungsregion um wenige Prozentpunkte geringer wäre. Im Falle von Wien, aber auch den meisten anderen größeren Stadtregionen Österreichs, bewegt sich diese Verzerrung allerdings im Promillebereich, und kann daher vernachlässigt werden. Als Grundlage der durchgeführten Untersuchungen wurde sowohl die Wohnbevölkerung als auch die nach Branchen gegliederten Beschäftigten- und Arbeitsstättenzahlen aller 336 Gebietseinheiten der Untersuchungsregion für die Jahre 1981 und 1991 herangezogen. Um Vergleichsmöglichkeiten innerhalb Österreichs zu schaffen, wurde ein Großteil der Daten nicht nur für Wien, sondern auch für die neun Bundesländer und für 12 österreichische Stadtregionen, jeweils in Kernstadt und Umgebung gegliedert, erhoben. 1.1.3. SEKTORALE GLIEDERUNG DER DATEN Die Arbeitsstätten- und Beschäftigtenzahlen aus der Arbeitstättenzählung wurden sektoral nach der Branchenzugehörigkeit disaggregiert. Bei der Erarbeitung einer sinnvollen und nachvollziehbaren Systematik des Dienstleistungssektors ist einerseits auf die Struktur der vom ÖSTZ publizierten Daten und andererseits auf die in Punkt A.1.1. diskutierten Gliederungs- und Unterscheidungsgrundsätze Rücksicht zu nehmen. Die Zuordnung der Arbeitsstätten und Beschäftigten nach Wirtschaftszweigen erfolgt beim ÖSTZ anhand der „Betriebssystematik“ (1968) in der Form der „Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten“ (1985), die auf einer hierarchischen Gliederung in vier Ebenen beruht (siehe A.1.1.3). In der vorliegenden Studie wurde für die globale Analyse der Branchenentwicklung in Wien die Aufschlüsselung nach der 3.Ebene („Gruppen von Wirtschaftstätigkeiten“) herangezogen, für die räumlich disaggregierte Betrachtung wurden neun Gruppen von Dienstleistungsaktivitäten gebildet, in denen jeweils mehrere Wirtschaftsklassen (2.Gliederungsebene) zusammengefaßt wurden. Diese wurden wiederum den vier Hauptgruppen des Dienstleistungssektors, die auf Grundlage der im Abschnitt A.1.1.3. erörterterten Systematiken definiert wurden, zugeordnet. Diese grobe Gliederung des tertiären Sektors wurde nach den beiden Unterscheidungskriterien „Art der Leistungsverwertung“ und „Träger des Dienstleistungsangebotes“ vorgenommen, wobei Begriffe und Bezeichnungen aus den Ansätzen von STAUDACHER (1991) und MARTINELLI (1991) übernommen wurden. Unter

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Berücksichtigung der theoretischen Gliederungskriterien und der Struktur der amtlichen Daten ergaben sich die folgenden vier Hauptgruppen: 1. Kommerzielle Wirtschaftsdienste: Dienstleistungen, die von privatwirtschaftlichen Firmen als

Vorleistungen für andere Betriebe produziert werden. 2. Persönliche Dienste: Dienstleistungen, die von privaten Anbietern für Haushalte zum Endverbrauch

erstellt werden und dort einen unmittelbaren Nutzen stiften. 3. Soziale Dienste: Komsumorientierte und für private Haushalte bestimmte Dienstleistungen, die von

der öffentlichen Hand meist unter Beachtung von verteilungspolitischen und sozialen Grundsätze bereitgestellt werden.

4. Distributive Dienste: Dienstleistungen, die der Deckung der Mobilitäts-, Kommunikations- und Transportbedürfnisse sowohl der privaten Haushalte als auch der produzierenden Betriebe dienen und von privatwirtschaftlichen oder öffentlichen Anbietern erstellt werden können.

Wegen der unterschiedlichen Datenstruktur stellte die Zuordnung der Wirtschaftsklassen auf die vier Hauptgruppen ein Problem dar, vor allem weil das dieser Gliederung zugrunde liegende Kriterium der Leistungsverwertung (intermediär oder konsumtiv) in der amtlichen Systematik, die auf pragmatischen Überlegungen beruht, nicht berücksichtigt wird. Die in der Theorie oft angeführten öffentlichen Wirtschaftsdienste, die von staatlichen Institutionen für private Unternehmungen angeboten werden, scheinen in dieser Systematik nicht auf, da sie einerseits aufgrund der ÖSTZ-Daten kaum abzugrenzen sind, andererseits aber auch quantitativ keine besonders große Rolle spielen. Die bei allen räumlich disaggregierten Analysen verwendete Branchensystematik der Arbeitsstätten- und Beschäftigungsdaten hat im Detail folgendes Aussehen: Tab. 6: Sektorale Gliederung des Dienstleistungssektors 1. KOMMERZIELLE WIRTSCHAFTSDIENSTE

• „Banken und Versicherungen“: Geld- und Kreditwesen (91) / Privatversicherung (92) − Banken und Hypothekenanstalten (911) − Sparkassen (912) − Kreditgenossenschaften (913) − Bausparkassen, Teilzahlungsinstitute und sonstige Geldeinrichtungen (914) − Privatversicherung (920)

• „Wirtschaftsdienste“: Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93)

− Realitäten-, Wohnungswesen, Vermögensverwaltung (931) − Rechtsberatung (932) − Technische Dienste (934) − Werbe-, Messewesen, sonstige Wirtschaftsdienste (935) − Fotographie (936)

2. PERSÖNLICHE DIENSTE

• „Einzelhandel“: Einzelhandel (74/75/76)

• „Beherbergungs- und Gaststättenwesen“: Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78)

− Beherbergungswesen (781) − Gaststättenwesen (782)

• „Sonstige persönliche Dienste“: Körperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94) / Kunst, Unterhaltung und

Sport (95)

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− Körperpflege (941) − Wäscherei, Putzerei, Büglerei (942) − Reinigungsanstalten, Rauchfangkehrer (943) − Kanal-, Straßen- und sonstige Reinigung (944) − Bestattungswesen (945) − Musik, Theater, Rundfunk und Fernsehen (951) − Freischaffende Kunst (952) − Filmproduktion und -verleih (953) − Unterhaltungseinrichtungen (954) − Bibliotheken, Museen, zoologische und botanische Gärten (955) − Sport (956)

3. SOZIALE DIENSTE

• „Verwaltung und Interessensvertretung“: Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

− Einrichtungen der Gebietskörperschaften (981) − Sozialversicherungsträger (984) − Öffentlich-rechtliche Interessensvertretungen (985) − Nicht-öffentliche Interessensvertretungen, Vereine (986) − Religiöse Einrichtungen (987)

• „Gesundheits- und Bildungswesen“: Gesundheits- und Fürsorgewesen (96) / Unterrichts- und Forschungswesen

(97)

− Gesundheitswesen (961) − Veterinärwesen (962) − Fürsorge und karitative Einrichtungen (963) − Unterrichtswesen (971) − Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen (972)

4. DISTRIBUTIVE DIENSTE

• „Großhandel“: Großhandel (71/72/73) / Lagerung (77)

• „Verkehr und Nachrichtenübermittlung“: Straßenverkehr (81) / Eisenbahn- und Seilbahnverkehr (82) / Schiffahrt (83) / Luftverkehr (84) / Transport in Rohrleitungen, Speditionen und übrige Hilfsdienste (85) / Nachrichtenübermittlung (88)

− Straßenbahn- und Autobuslinienverkehr (811) − Taxi, Mietwagen und sonstige Personenbeförderung (812) − Lastfuhrwerksverkehr (813) − Hilfseinrichtungen des Straßenverkehrs (819) − Eisenbahnverkehr (821) − Seilbahn-, Sessel- und Schleppliftverkehr (822) − Schiffahrt (831) − Hafenbetrieb und sonstige Hilfseinrichtungen der Schiffahrt (832) − Luftverkehr (841) − Flugplatzbetrieb und sonstige Hilfseinrichtungen des Luftverkehrs (842) − Transport in Rohrleitungen (851) − Spedition (852) − Reise- und Verkehrsbüros (853) − Nachrichtenübermittlung (880)

Quelle: Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten (Betriebssystematik 1968), eigene Erhebungen Die Daten der Arbeitsstättenzählung wurden aber nicht nur für diese 9 Gruppen von Dienstleistungen, sondern auch für die Summe sämtlicher anderer wirtschaftlicher Tätigkeiten, ausgenommen der Land- und Forstwirtschaft, erhoben. Die Bereiche Energie- und Wasserversorgung (1), Bergbau (2), Verarbeitendes Gewerbe und Industrie (3/4/5) und Bauwesen (6) wurden unter der Bezeichnung „Produzierender Sektor“ zusammengefaßt, um Vergleiche der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten und „industriellen“ Tätigkeiten anstellen zu können. Allerdings soll darau hingewiesen werden, daß diese Bezeichnung theoretisch nicht ganz korrekt ist, da der Bergbau meist zum primären Sektor gezählt wird und technische Versorgungseinrichtungen in manchen Systematiken als Dienstleistungsunternehmungen mit distributiver Funktion gelten.

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Zudem soll darauf hingewiesen werden, daß in der amtlichen Statistik die sektorale Zuordung „aufgrund der in der Arbeitsstätte ausgeführten Haupttätigkeit“ erfolgt, weshalb interne Dienstleistungen, die in Produktionsbetrieben erbracht werden, nicht als Dienstleistungen aufscheinen. Diese Zuteilung hat allerdings auch insofern seine theoretische Berechtigung, als diese Leistungen nicht für den Markt produziert werden, und ihnen daher das konstituierende Merkmal des „externen Faktors“ fehlt. Das Phänomen der zunehmenden „white collar“ Tätigkeiten innerhalb von Produktionsbetrieben sollte daher auch eher als „Bürokratisierung“ oder „Informatisierung“ bezeichnet werden, von „Tertiärisierung“ kann man erst dann sprechen, wenn Dienstleistungen ausgelagert werden.

1.2. KONKURRENZFÄHIGKEIT DES DIENSTLEISTUNGS- STANDORTES WIEN

Wien fungiert als Bundeshauptstadt nicht nur als das politische Zentrum Österreichs, sondern stellt die mit Abstand größte Wirtschafts- und Bevölkerungsagglomeration des Landes dar und zählt neben Prag, Budapest und Berlin zu den wichtigsten Metropolen Mitteleuropas. Wien spielt daher nicht nur die Rolle eines überregionalen, sondern auch eines internationalen Zentrums und rangiert in der europäischen Städtehierarchie gemeinsam mit Städten wie Rom, Brüssel, Madrid oder Hamburg in der zweiten Ebene hinter den Welthandelszentren London und Paris. 1.2.1. QUALITATIVE BEWERTUNG DER STANDORTGUNST WIENS Für die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Wien spielt die Struktur und Entwicklung gewisser innovativer und wachstumsfördernder Branchen, welche die Grundlage für eine international konkurrenzfähige Stadtwirtschaft darstellen, eine besondere Rolle. In verschiedenen Studien zur wirtschaftlichen Entwicklung Wiens, wie etwa von MAYERHOFER (1992), (1993) oder BÖHM (1994), wird immer wieder auf die große Bedeutung innovativer produktionsnaher Wirtschaftsdienste sowohl für den Export, als auch als entscheidender Standortfaktor für die Ansiedlung moderner Industrie- und Dienstleistungsbetriebe hingewiesen. Wien schneidet in den meisten diesbezüglichen Studien bei den „harten“ Standortfaktoren, die hauptverantwortlich für die wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt sind, im internationalen Vergleich nur durchschnittlich ab. Trotz des hohen Qualifikationsniveaus der Beschäftigten und der chancenreichen geopolitischen Lage werden die Bodenknappheit im Zentrum, Defizite im Bereich der technischen Infrastruktur, Verkehrsprobleme, zu starke Binnenmarktorientierung und vor allem eine gewisse Innovationsschwäche durch zu geringe Kooperation zwischen Forschung und Produktion als Hemmschuh für die Wirtschaftsentwicklung betrachtet. Eine Verbesserung dieser Standortfaktoren könnte den Aufbau eines modernen Produktionssystems, in dem spezialisierte Industriebetriebe in enger

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Verbindung mit komplementären Dienstleistungsaktivitäten flexible Produktionsweisen entwickeln und anwenden, wesentlich beschleunigen. In diesem Zusammenhang zeigt sich, daß die Entwicklung solcher industrieorientierter Dienstleistungen in Wien in den 80er Jahren zwar schnell (siehe B.2.3.1.), aber doch weniger rasant als in anderen Stadtregionen verlief, weshalb die Bundeshauptstadt noch immer einen gewissen Aufholbedarf aufzuweisen hat, der sich in der lokalen Dominanz von sozialen und öffentlichen Dienstleistungen ausdrückt. Mit insgesamt 30,6% aller Wiener Beschäftigten spielt dieser Bereich, von dem kaum Wachstumsimpulse ausgehen, eine überdurchschnittlich große Rolle, die auf Kosten innovativerer und dynamischerer Dienstleistungsbranchen geht. Es wird aber auch auf die außergewöhnlich hohe Standortgunst Wiens bei den intangiblen und „weichen“ Standortfaktoren hingewiesen. Hohe kulturelle und gesellschaftliche Attraktivität, gute Umweltbedingungen und niedrige Kriminalität bedingen eine für eine Millionenstadt überdurchschnittliche Lebensqualität, die gerade für innovative Unternehmungen mit hochqualifiziertem Personal eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung hat. Auch die Rolle Wiens als Sitz wichtiger internationaler Organisationen, wie UNIDO, OPEC, IAEA oder IIASA, ist einem innovativen wissenschaftlichem Klima zuträglich, sollte aber verstärkt zu Kooperationen genützt werden. Um die Attraktivität Wiens als moderner Dienstleistungsstandort zu erhöhen, ist eine ständige Adaption der technischen Infrastruktur im Bereich Transport und Telekommunikation an die neuesten Standards anzustreben, da diese Systeme den Austausch von Informationen, eines der wichtigsten Kriterien für Dienstleistungsaktivitäten, wesentlich erleichtern und beschleunigen. 1.2.2. DER BÜROMARKT Die rasante Entwicklung des tertiären Sektors hat während der letzten Jahre in allem hochentwickelten Staaten Europas zu einer raschen Steigerung der Nachfrage nach modernen Büroflächen geführt. Wien hat der „Büroboom“ mit Verspätung erreicht, als Anfang der 90er Jahre durch nationale und internationale Entwicklungen (Wirtschaftsaufschwung, EU-Beitrittsansuchen, Ostöffnung) der Immobilienmarkt in Bewegung kam. Vor allem Firmen, die nach Osteuropa expandieren wollen, wie etwa IBM, ABB, Hewlett Packard oder Mc Donalds, errichteten in Wien Firmenstützpunkte, um von hier auf den ungarischen, tschechischen und slowakischen Markt zu expandieren. Durch die Ansiedlung von Filialbüros internationaler Konzerne hat sich die Stellung Wiens auf dem internationalen Büromarkt enorm verbessert. Die Entwicklung des tertiären Sektors hängt in immer stärkerem Maße von der Verfügbarkeit von Büroräumen ab, da die wachsende Bedeutung der Wirtschaftsdienste und der steigenden Flächenbedarf pro Beschäftigtem zu einer „Bürokratisierung“ der Dienstleistungstätigkeiten geführt hat. Nach einer Studie der MA 18 (1992) arbeiten bereits 45,3% der Wiener Beschäftigten in Büros, wofür hauptsächlich der Dienstleistungssektor, der immer stärker von Bürotätigkeiten dominiert wird, verantwortlich ist. Aber nicht nur die ausreichende Verfügbarkeit von Büroflächen, sondern auch deren

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Lage und Ausstattung hinsichtlich der geänderten Ansprüche ist im Zuge der Stadtentwicklungspolitik vermehrt zu berücksichtigen, um ein attraktives Klima für ansiedlungswillige Unternehmungen zu schaffen. Die Studie weist nach, daß durch einen Boom von Bürohausprojekten, die in den Jahren 1992 bis 1995 gebaut werden sollten, dem positiven Trend ausreichend Rechnung getragen wird und vom Angebot an modernem Büroraum her alle Voraussetzungen für die Entwicklung eines innovativen Dienstleistungssektors gegeben sind. Schließlich spielt auch das Preisniveau im internationalen Konkurrenzkampf um die Ansiedlung innovativer Dienstleistungsunternehmungen eine wichtige Rolle. Wien kann diesbezüglich als durchaus konkurrenzfähig betrachtet werden, da die Büromieten im Vergleich zu anderen westeuropäischen Stadtregionen laut einer ERECO-Studie (1992) um rund ein Viertel unter dem Durchschnitt liegen. Mit einer durchschnittlichen Jahresmiete von 293 ECU pro Quadratmeter Bürofläche im Jahre 1991 ist Wien nicht nur wesentlich billiger als die Welthandelszentren London (675 ECU) und Paris (605 ECU), sondern auch als vergleichbare Städte wie Frankfurt (561 ECU), Berlin (502 ECU), Madrid (473 ECU), Mailand (470 ECU), Lissabon (467 ECU), Barcelona (417 ECU), Rom (415 ECU) oder München (413 ECU). Das niedrige Bodenpreisniveau stellt zwar zweifellos einen positiven Standortfaktor, der auf einem ausgewogenen Immobilienmarkt beruht, dar, kann aber auch als Zeichen einer im Verhältnis zur Größe und Bedeutung der Stadt geringeren Attraktivität Wiens als internationaler Dienstleistungsstandort betrachtet werden.

1.3. DIE TERTIÄRISIERUNG WIENS

1.3.1. TRENDS DER WIENER STADTENTWICKLUNG Wien war seit dem Zerfall der Monarchie im Jahre 1918 jahrzehntelangen Schrumpfungsprozessen unterworfen, da das ehemalige wirtschaftliche und politische Zentrum eines Staates von über 50 Millionen Einwohnern plötzlich nur mehr Hauptstadt eines Kleinstaates war. Erst gegen Ende der 80er Jahre wurde dieser Trend gestoppt, wofür vor allem die geänderte Rolle Wiens in einem neuen, geeinten Europa ohne eisernen Vorhang verantwortlich war. Die Bevölkerung in der Stadt wuchs zwischen 1981 und 1991 mit 0,6% zwar nur gering, doch kann dies als Zeichen einer Trendumkehr in Richtung der Aufwertung von innerstädtischen Standorten gesehen werden. Im Stadtumland verlief allerdings nicht nur das Bevölkerungswachstum mit +11,2%, sondern auch die Entwicklung der Beschäftigten insgesamt (4,8% / 20,5%) und im Dienstleistungssektor (19,8% / 51,3%) erwartungsgemäß schneller als in der Kernstadt, was auf eine Fortsetzung der Suburbanisierung hindeutet. Ob Wien in den nächsten Jahren eine echte Phase der Reurbanisierung erleben wird, wie es nach der Theorie des räumlichen Agglomerationszyklus plausibel wäre, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden, es sind aber leichte Anzeichen eines solchen Trends, der auch von der Stadtverwaltung gefördert wird, zu beobachten.

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Nach dem Stand der Großzählung 1991 wohnen in der Gegenwart 1.539.848 und arbeiten 744.516 Menschen innerhalb der Stadtgrenzen Wiens. Damit entfallen 19,8% der Wohnbevölkerung, 17,6% der industriellen und gewerblichen Arbeitsplätze und 29,9% der Dienstleistungsbeschäftigten des gesamten Bundesgebietes alleine auf den Wiener Stadtraum. Wenn man die gesamte Stadtagglomeration, die sich vor allem im Süden weit nach Niederösterreich ausdehnt, betrachtet, kommt man je nach Abgrenzung des Gebietes auf noch höhere Werte. So umfaßte die für diese Studie definierte Untersuchungsregion im Jahr 1991 1.869.671 Einwohner und 870.711 Beschäftigte. Der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor, der als oft als Maß für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region herangezogen wird, hat sich in Wien in den letzten zwei Jahrzehnten von 61,1% (1973) über 65,2% (1981) auf 74,5% im Jahre 1991 gesteigert. Dieses rasante Wachstum wird oft als Nachholprozeß interpretiert, da Wien bezüglich der Entwicklung des Dienstleistungssektors lange Zeit hinter den meisten anderen west- und mitteleuropäischen Millionenstädten nachhinkte. Verantwortlich für die zunehmende Tertiärisierung ist vor allem das Wachstum der Beschäftigten in Wirtschaftsdiensten und die Abnahme der Zahl industrieller Arbeitsplätze, die meist durch Rationalisierungen oder Betriebsverlagerungen verloren gingen. So büßte Wien innerhalb von 18 Jahren mit 110.082 über ein Drittel seiner Arbeitsplätzen im sekundären Sektor ein, was einer jährlichen Schrumpfungsrate von 2,5% entspricht, während 53% der 85.373 in diesem Zeitraum geschaffenen zusätzlichen Dienstleistungsbeschäftigten auf den relativ kleinen, aber dynamischen Bereich der Wirtschaftsdienste entfielen. Heute hat sich Wien mit einem Tertiärisierungsgrad von etwa 3/4 strukturell vergleichbaren Städten angepaßt und befindet sich seit Anfang der 80er Jahre nach der Theorie des doppelten Überganges sowohl hinsichtlich der Bevölkerung als auch der Wirtschaft in der post-transformativen Phase. 1.3.2. WIEN IM EUROPÄISCHEN VERGLEICH Im Jahr 1991 waren 74,5% aller Wiener Beschäftigten im Dienstleistungssektor tätig. Um diesen Wert in Relation zu setzen, wurden die Tertiärierungsgrade einiger vergleichbarer mitteleuropäischer Großstädte, vor allem aus Deutschland und der Schweiz erhoben. Da die Werte im Zuge des rasanten Strukturwandels in wenigen Jahren deutlich anwachsen können, muß bei Vergleichen zwischen den Städten der jeweilige Erhebungszeitpunkt berücksichtigt werden. Tab.7: Dienstleistungsanteile in ausgesuchten mitteleuropäischen Großstädten (1) (2) Deutschland: Berlin-West 1987 71,1% Frankfurt 1992 72,6% Hamburg 1987 78,4% Köln 1993 70,0% Schweiz: Basel 1993 68,3% Bern 1991 81,0% Genf 1989 77,7%

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Zürich 1991 81,4% Sonstige: Mailand 1993 63,4% Prag 1992 71,6% Wien 1991 74,5% (1) ... Erhebungsjahr (2) ... Beschäftigungsanteil des tertiären Sektors Datengrundlage: Statistische Jahrbücher verschiedener europäischer Städte Es zeigt sich, daß Wien bezüglich der Entwicklung des gesamten Dienstleistungssektors im Mittelfeld der untersuchten Städte liegt. Der Anteil der Dienstleistungsbeschäftigten ist zwar niedriger als in Handels- und Verwaltungszentren wie Hamburg, Bern oder Zürich, aber deutlich höher als in Industriestädten wie Mailand oder Basel. Im mitteleuropäischen Vergleich sticht der Beschäftigungsanteil des Dienstleistungssektors in Wien daher weder negativ noch positiv heraus. 1.3.3. WIEN IM GESAMTÖSTERREICHISCHEN VERGLEICH Innerhalb der österreichischen Bundesländer hat Wien aufgrund seiner fast ausschließlich städtischen Struktur eine Sonderstellung, die sich auch in der Entwicklung des Dienstleistungssektors niederschlägt. Die Tatsache, daß der Beschäftigungsanteil des tertiären Sektors hier wesentlich schneller gewachsen ist als in den anderen Ländern, liegt vor allem am rasanten Rückgang der Beschäftigten im produzierenden Sektor. Während die diesbezüglichen Änderungsraten in den 80er Jahren mit Ausnahme der Steiermark (-17,7%) zwischen +4,1% (Tirol) und -8,6% (NÖ) eher moderat ausgefallen sind, hat Wien eine Schrumpfung von fast einem Viertel (23,3%) seiner sekundären Arbeitsplätze zu verkraften. Diese De-Industrialisierung der Bundeshauptstadt, die durch die Verlagerung vieler Betriebe aus den städtischen Raum und die Rationalisierung der Produktionsweisen hervorgerufen wird, wird aber durch die Neuschaffung von Arbeitsplätzen im tertiären Sektor kompensiert. Tab.8: Dienstleistungsanteile der österreichischen Bundesländer 1981 und 1991 (1) (2) (3) (4) (5) (6) Burgenland 60,0% 77,6% 24,2% 0,4% 13,4% 14,5% Kärnten 64,4% 81,5% 20,4% -7,6% 8,7% 8,9% Niederösterreich 56,5% 77,4% 26,7% -8,6% 8,5% 17,5% Oberösterreich 54,5% 77,5% 28,3% -0,0% 13,6% 21,1% Salzburg 68,2% 81,0% 23,5% -1,7% 14,2% 20,4% Steiermark 59,9% 79,8% 24,6% -17,7% 3,3% 19,4% Tirol 66,2% 81,9% 23,9% 4,1% 16,4% 13,8% Vorarlberg 52,9% 73,1% 41,4% -6,3% 14,0% 28,8% Wien 74,5% 84,7% 19,8% -23,3% 4,8% 15,6% Österreich 63,2% 80,2% 24,0% -9,9% 9,0% 17,2% (1) ... Dienstleistungsanteil der Beschäftigten 1991 (2) ... Dienstleistungsanteil der Arbeitsstätten 1991 (3) ... Veränderung der Dienstleistungsbeschäftigten 1981 / 1991 (4) ... Veränderung der Beschäftigten im produzierenden Sektor 1981 / 1991 (5) ... Veränderung der Gesamtbeschäftigten 1981 / 1991 (6) ... Veränderung der Dienstleistungsarbeitsstätten1981 / 1991 Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991

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In Wien stieg die Zahl der Dienstleistungsbeschäftigten zwischen 1981 und 1991 um 91.855, das sind 25,6% des Gesamtösterreichischen Wachstums in diesem Bereich, wofür vor allem die Wirtschaftsdienste und das Gesundheits- und Bildungswesen verantwortlich waren. Obwohl in Wien mit Abstand die meisten Dienstleistungsarbeitsplätze geschaffen wurden, ist die relative Wachstumsrate im tertiären Sektor von 19,8% die geringste aller Bundesländer, die bis zu 41,4% (Vorarlberg) an Zuwächsen zu verzeichnen hatten, was allerdings darin begründet ist, daß Wien bereits von einem wesentlichen höheren Niveau im Jahre 1981 ausgegangen war. Es fällt auf, daß gerade jene Bundesländer mit einem ursprünglich niedrigem Dienstleistungsanteil die höchsten prozentualen Zuwächse aufweisen, und es daher zu einem leichten Ausgleich zwischen den Ländern kommt. So sind im Jahre 1991 „nur“ noch 29,9% aller Dienstleistungsbeschäftigten in Wien zu finden, zehn Jahre zuvor waren es noch 31,1%. Durch die vornehmlich kleinbetriebliche Struktur des Dienstleistungssektors fallen die Anteile des tertiären Sektors bei der Betrachtung der Arbeitsstättenszahlen noch deutlicher aus. In Wien sind 84,7%, in ganz Österreich 80,2% (1991) der Arbeitsstätten diesem Sektor zuzurechnen. Das in allen Bundesländern im Vergleich zu den Beschäftigten wesentlich geringere Wachstum deutet allerdings auf geänderte Betriebsgrößenstrukturen hin, ein Phänomen, das im folgenden Abschnitt genauer behandelt werden soll. 1.3.4. WIEN IM VERGLEICH MIT ANDEREN ÖSTERREICHISCHEN STADTREGIONEN Um die Bedeutung des Dienstleistungssektors in Wien nicht nur in Relation zu den anderen Bundesländern sondern auch im zwischenstädtischen Vergleich abschätzen zu können, wurden Wien 12 österreichischen Stadtregionen gegenübergestellt. Dabei wurden die Anteile des gesamten Dienstleistungssektors, aber auch der Wirtschaftsdienste im speziellen (Wirtschaftsklasse 93 nach der BS 68), die als besonders innovative und expansive Branche gelten, jeweils für die Kernstadt und für das Umland berechnet. Als Grundlage der Gebietsabgrenzung der 12 Stadtregionen wurde die amtliche Statistik herangezogen, nach der die 12 österreichischen Städte mit eigenen Statut in jeweils einen Kernstadt- („Stadt“) und einen Umlandbezirk („Umgebung“, „Land“) gegliedert werden. Die Bedeutung dieser 13 Städte (inklusive Wien) als Zentren der österreichischen Wirtschaft wird deutlich, wenn man bedenkt, daß sie 47,1% aller Beschäftigten in ihren Kernstädten und 13,2% in ihren Umlandregionen umfassen. Die detaillierten Ergebnisse dieser vergleichenden Untersuchung der Tertiärisierung österreichischer Stadtregionen sind in Tabelle 9 ersichtlich. Tab.9: Anteile der Beschäftigten in Dienstleistungen und Wirtschaftsdiensten in 12 österreichischen Stadtregionen 1981 und 1991

Anteile 1981 Anteile 1991 Wachstum

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Wi Di DL Wi Di DL Wi Di DL Summe 101 Eisenstadt - Stadt 3,7% 73,2% 3,4% 77,3% 0,9% 13,9% 8,0% 103 Eisenstadt - Umgebung 0,2% 47,6% 2,3% 56,3% 900,0% 24,7% 5,4% 201 Klagenfurt - Stadt 3,8% 67,1% 7,0% 76,0% 97,5% 23,1% 8,8% 204 Klagenfurt - Land 0,8% 57,6% 4,1% 63,4% 447,3% 22,6% 11,3% 202 Villach - Stadt 3,3% 65,5% 6,0% 69,6% 102,0% 19,5% 12,5% 207 Villach - Land 0,5% 52,1% 1,7% 59,0% 235,6% 21,4% 7,2% 301 Krems - Stadt 2,8% 52,3% 4,3% 60,4% 64,6% 24,3% 7,5% 313 Krems - Land 0,8% 56,5% 2,1% 58,5% 164,2% 6,5% 2,8% 302 St.Pölten -Stadt 2,7% 55,6% 4,7% 61,6% 98,9% 26,6% 14,2% 319 St. Pölten - Land 1,0% 41,9% 2,9% 46,2% 207,6% 13,2% 2,6% 304 Wr. Neustadt - Stadt 3,6% 59,4% 5,3% 64,8% 70,6% 26,8% 16,3% 323 Wr. Neustadt - Land 0,5% 36,4% 1,7% 43,6% 257,3% 27,9% 6,8% 401 Linz -Stadt 4,2% 58,4% 8,7% 65,5% 121,2% 20,9% 7,8% 410 Linz - Land 1,5% 37,6% 5,2% 49,1% 331,2% 67,4% 28,1% 416 Urfahr - Umgebung 1,0% 52,1% 4,1% 56,6% 389,0% 29,8% 19,5% 402 Steyr -Stadt 1,8% 34,5% 4,4% 45,0% 137,2% 27,4% -2,3% 415 Steyr -Land 0,5% 51,1% 2,6% 54,3% 465,4% 16,1% 9,1% 403 Wels - Stadt 3,0% 53,0% 5,0% 62,7% 98,5% 44,1% 21,8% 418 Wels - Land 1,0% 38,8% 3,8% 43,3% 370,9% 42,1% 27,4% 501 Salzburg - Stadt 5,7% 72,0% 10,0% 78,6% 87,5% 16,8% 7,0% 503 Salzburg - Umgebung 1,3% 51,0% 3,8% 57,2% 308,1% 61,5% 44,1% 601 Graz - Stadt 3,6% 61,7% 7,6% 75,0% 123,9% 29,8% 6,9% 606 Graz - Umgebung 1,1% 45,6% 2,5% 50,5% 194,2% 42,0% 28,3% 701 Innsbruck - Stadt 5,4% 75,4% 7,9% 82,7% 67,0% 25,3% 14,3% 703 Innsbruck - Land 1,6% 51,2% 3,4% 55,9% 164,2% 30,7% 19,7% SUMME KERNSTÄDTE (O. WIEN) 4,1% 62,5% 7,5% 71,0% 100,4% 24,2% 9,2% SUMME UMGEBUNG (O. WIEN) 1,1% 46,5% 3,4% 52,7% 271,1% 36,2% 20,1% Wien 4,7% 65,2% 9,5% 74,5% 112,2% 19,8% 4,8% Wien - Umland 2,4% 49,4% 5,9% 62,0% 201,0% 51,3% 20,5% SUMME KERNSTÄDTE 4,4% 64,0% 8,5% 72,9% 107,2% 21,8% 6,8% SUMME UMGEBUNG 1,5% 47,4% 4,2% 55,7% 235,5% 41,3% 20,3% Rest Österreich 1,5% 47,6% 3,2% 53,9% 138,5% 22,6% 8,2% SUMME ÖSTERREICH 2,9% 55,5% 5,9% 63,2% 121,5% 24,0% 9,0% Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991

Es zeigt sich, daß Wien im zwischenstädtischen Vergleich keinen auffallend hohen Anteil an Dienstleistungsbeschäftigten zu verzeichnen hat. So verschieden strukturierte Städte wie Innsbruck, Eisenstadt, Klagenfurt, Salzburg und Klagenfurt wiesen im Jahr 1991 höhere Dienstleistungsanteile als Wien auf, das mit 74,5% nur geringfügig über dem Durchschnitt aller 12 Städte von 71% lag. Eine dominierende Stellung haben in Wien allerdings die Wirtschaftsdienste inne. Der Beschäftigungsanteil von 9,5% in diesem Bereich wird lediglich von Salzburg mit 10% übertroffen, und befindet sich deutlich über dem Durchschnitt. Überhaupt scheint sich die Standortwahl der Anbieter von produktionsnahen Diensten besonders an der Größe und Bedeutung der Stadt zu orientieren, da nach Salzburg und Wien die anderen wichtigen Landeshauptstädte Linz (8,7%), Innsbruck (7,9%), Graz (7,6%) und Klagenfurt (7%) folgen. In kleinere Städten mit niedrigerer Zentralitätsstufe wie Eisenstadt, Krems St.Pölten oder Steyr spielen Wirtschaftsdienste bei Anteilen von 3% bis 5% eine wesentlich geringere Rolle.

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Was die Bedeutung des tertiären Sektors in den Umlandbereichen betrifft, so ist diese mit Ausnahme der traditionellen Industriestadt Steyr stets geringer als in den Kernstädten. Beim Vergleich dieser Werte ist aber auf die völlig uneinheitliche Abgrenzung der Umlandbezirke, die unterschiedliche Größen und Strukturen aufweisen, zu beachten. Im Gegensatz zu den Kernstädten weist die in Abschnitt 4.1. definierte Wiener Umlandregion mit 62% einen deutlich überdurchschnittlichen Dienstleistungsanteil auf, der nur vom Bezirk Klagenfurt-Land (63,4%) übertroffen wird. Bei der speziellen Betrachtung der Wirtschaftsdienste ist in der Umgebung Wiens mit 5,9% sogar der mit Abstand höchste Wert zu beobachten, lediglich die Regionen rund um die Landeshauptstädte Linz (5,2% bzw. 4,1%), Klagenfurt (4,1%), Salzburg (3,8%) und Innsbruck (3,4%) sowie Wels (3,8%) kommen dem nahe. Wirtschaftsdienste scheinen daher nicht nur im Zentrum, sondern auch in der Umgebung der wichtigsten Städte von den dort vorhandenen Attraktivitäten profitieren. Die Verteilung der Anteile deutet aber darauf hin, daß die Zentren von Viertelshauptstädten vorteilhafter für Wirtschaftsdienste sind als das Umland größerer Städte. Grundsätzlich kann gesagt werden, daß für solche Dienstleistungsstandorte der Zentralitätsgrad der Stadt und die Entfernung zum Stadtzentrum bis zu einem gewissen Grad substituierbar sind. Im Vergleich zum Rest des österreichischen Bundesgebietes, dessen besiedelter Teil vorwiegend kleinstädtisch oder agrarisch strukturiert ist, haben die Umlandbezirke der großen Städte (ohne Wien), die ehemals hohe Industrialisierungsgrade aufwiesen, in Bezug auf den Anteil von Dienstleistungsarbeitsplätzen bereits fast aufgeschlossen, bei den Wirtschaftsdiensten weisen sie mit 3,4% im Durchschnitt bereits geringfügig höhere Werte auf. Mit einem Beschäftigungsanteil von 53,9% im Dienstleistungssektor liegen die kleinstädtischen und ländlichen Regionen zwar noch knapp vor den Umlandgebieten aber weit hinter den Kernstädten. Die Umlandbezirke der großen Stadtagglomerationen können in Bezug auf die Beschäftigungsentwicklung als die dynamischsten Wachstumsregionen der 80er Jahre angesehen werden. Während in Wien nur ein Zuwachs von 4,8%, in den anderen Kernstädten von 9,2% und in den ländlichen und kleinstädtischen Regionen von 8,2% zu verzeichnen war, stieg die Gesamtbeschäftigung in der Umgebung von Wien um 20,5% und in den Umlandgebieten der anderen 12 Städte um durchschnittlich 20,1%, wofür vor allem die Gebiete am Rande der großen Landeshauptstädte Salzburg (44,1%), Graz (28,3%) und Linz (28,1%) verantwortlich waren. Die Tatsache, daß Eisenstadt, Villach, Krems, St.Pölten und Wr.Neustadt im Zentrum höhere Wachstumsraten als im Umland aufweisen, deutet darauf hin, daß in Österreich Suburbanisierungstendenzen von Wirtschaftsunternehmungen mit der Größe und Bedeutung einer Stadt wachsen. Im gesamten Dienstleistungssektor, aber im besonderen bei den Wirtschaftsdiensten, sind enorm hohe Zuwächse in Stadtumlandgebieten zu beobachten. Obwohl auch in den Kernstädten die Dienstleistungsbeschäftigten zwischen 13,9% (Eisenstadt) und 44,1% (Wels) deutlich zugenommen

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haben, liegen die suburbanen Wachstumsraten vor allem in den Landeshauptstädten deutlich höher, am deutlichsten ist diese Divergenz in Wien, Linz und Salzburg zu beobachten. In den Zentren dieser Städten scheinen verschiedene Agglomerationsnachteile für Dienstleistungsaktivitäten wirksam zu werden, weshalb diese ins Stadtumland ausweichen, wo sie immer noch vom Vorteil der Nähe einer Großstadt profitieren. Besonders ausgeprägt ist diese Suburbanisierungstendenz bei den Wirtschaftsdiensten, der dynamischsten Branche mit den höchsten Wachstumsraten, die sich zwar sowohl in Wien als auch im Durchschnitt der anderen Kernstädte in einem Jahrzehnt mehr als verdoppelt haben, in den Umlandregionen aber Zuwächse zwischen 164,2% (Innsbruck-Land) und 900% (Eisenstadt-Land) bei einem Durchschnitt von 271,1% aufzuweisen haben. In Wien ist diese Entwicklung mit 112,4% in der Stadt und 201% in der Umgebung zwar etwas schwächer ausgeprägt als in den anderen Städten, aber immer noch sehr deutlich. Trotz des zentralen und urbanen Charakters dieser Dienste verläuft das Wachstum in den Stadtkernen nicht nur langsamer als im Umland, sondern auch als im ländlichen und kleinstädtischen Bereich. Es scheint sich dabei um einen Nachholprozeß zu handeln, da auch im Vergleich der verschiedenen Stadtkerne auffällt, daß Städte mit höheren Anteilen an Dienstleistungen, oder an Wirtschaftsdiensten im speziellen, geringere Zuwächse in diesem Bereich aufweisen und umgekehrt. Es soll aber darauf hingewiesen werden, daß der Großteil von modernen Dienstleistungsarbeitsplätzen immer noch in den Zentren der großen Städte geschaffen werden, nur das diese bei einer relativen Betrachtung des Wachstums weniger ins Gewicht fallen als bei Regionen mit geringerer Bedeutung des tertiären Sektors. So entfallen bei 19,6% Bevölkerungs- und 25,4% Beschäftigungsanteil immer noch 39,3% des gesamten österreichischen Beschäftigungszuwachses bei den Wirtschaftsdiensten und 25,6% im gesamten Dienstleistungssektor auf die Stadt Wien. Die leichte Angleichung der Beschäftigungsanteile des tertiären Sektors zwischen Kernstädten, den Stadtumlandregionen und dem ländlichen Raum ändert die räumliche Konzentration von Dienstleistungsaktivitäten im urbanen Raum nur geringfügig.

1.4. SEKTORALE STRUKTUR DES DIENSTLEISTUNGS- SEKTORS IN WIEN

1.4.1. BEDEUTUNG UND ENTWICKLUNG DER EINZELNEN DIENSTLEISTUNGSBRANCHEN Nachdem im bisherigen Teil diese Kapitels der Dienstleistungssektor in Wien mit Ausnahme der Wirtschaftsdienste als ganzes betrachtet wurde, soll nun eine sektorale Disaggregation der Daten vorgenommen werden, um die Entwicklung die Bedeutung und Entwicklung der einzelnen Dienstleistungsbranchen analysieren zu können. Zu diesem Zweck wurde die Zahl der Arbeitsstätten und der Beschäftigten der Jahre 1981 und 1991 für das Land Wien und ganz Österreich nach der Gliederung nach Wirtschaftsgruppen (3-Steller der BS 68) erhoben. Bei einer sektoral so detaillierten

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Betrachtungsweise schien die Stadt Wien als räumliche Bezugsebene als ausreichend, da bei einer kleinräumigeren Betrachtungsweise die Datenmenge unüberschaubar geworden wäre, allerdings war somit das Wiener Umland von dieser Betrachtung ausgeschlossen. Die Ergebnisse der Untersuchung sind im Detail in Tabelle 10, die für alle Wirtschaftsgruppen aus dem tertiären Sektor, außer dem Einzel- und Großhandel, bei den eine solche Differenzierung keine entscheidenden Erkenntnisse brächte, den jeweiligen Anteil Wiens an der österreichischen Beschäftigung und die Veränderungen in den Beschäftigungszahlen zwischen 1981 und 1991 auflistet. Im folgenden Abschnitt werden die einzelnen Wirtschaftsgruppen allerdings nicht in der Reihenfolge der Nummer, die ihnen die Betriebssystematik zuordnet, sondern nach ihrer Zugehörigkeit zu den vier Hauptgruppen des Dienstleistungssektors behandelt. Tab.10: Anteil der Wiener Dienstleistungsbeschäftigten nach Wirtschaftsgruppen 1981 und 1991 (1) (2) 1981 1991 Wien Öst SEKTORALE GLIEDERUNG NACH DEN WIRTSCHAFTSGRUPPEN DER BS 68 71/72/73 Großhandel 39,4% 35,9% 2,9% 13,2% 74/75/76 Einzelhandel 26,3% 22,9% -4,8% 9,2% 77 Lagerung und Aufbewahrung 55,0% 30,0% 1683,8% 3168,0% 77 Lagerung und Aufbewahrung 55,0% 30,0% 1683,8% 3168,0% 781 Beherbergungswesen 10,4% 11,3% 23,3% 13,6% 782 Gaststättenwesen 21,6% 22,6% 21,9% 16,8% 78 Beherbergungs- und Gaststättenwesen 16,8% 17,8% 22,3% 15,4% 811 Straßenbahn- und Autobuslinienverkehr 42,2% 44,9% -16,9% -21,9% 812 Taxi, Mietwagen und sonstige Personenbeförderung 31,3% 30,3% 14,3% 18,0% 813 Lastfuhrwerksverkehr 13,3% 12,8% 31,7% 36,3% 819 Hilfseinrichtungen des Straßenverkehrs 33,1% 38,9% 30,3% 10,9% 81 Straßenverkehr 27,3% 24,8% 1,5% 11,5% 821 Eisenbahnverkehr 22,3% 25,1% 29,9% 15,4% 822 Seilbahn-, Sessel- und Schleppliftverkehr 1,0% 0,0% -100,0% 1,2% 829 Hilfseinrichtungen des Eisenbahnverkehrs 96,0% 99,5% 484,7% 464,0% 82 Eisenbahn- und Seilbahnverkehr 20,6% 23,8% 32,3% 14,8% 831 Schiffahrt 38,5% 74,5% 207,4% 58,8% 832 Hafenbetrieb und sonstige Hilfseinrichtungen der Schiffahrt 62,1% 49,3% -14,5% 7,8% 83 Schiffahrt 46,2% 68,3% 110,1% 42,1% 841 Luftverkehr 30,5% 20,6% 23,5% 82,5% 842 Flugplatzbetrieb und sonstige Hilfseinrichtungen des Luftverkehrs 16,1% 0,0% -90,0% 3567,7% 84 Luftverkehr 30,2% 14,7% 22,3% 151,6% 851 Transport in Rohrleitungen 0,0% 0,0% 852 Spedition 38,6% 30,2% -8,8% 16,7% 853 Reise- und Verkehrsbüros 42,2% 39,7% 45,0% 54,1% 85 Transport in Rohrleitungen, Speditionen und übri ge Hilfsd. 39,2% 33,0% 5,9% 25,8% 880 Nachrichtenübermittlung 32,3% 32,2% 9,3% 9,7% 88 Nachrichtenübermittlung 32,3% 32,2% 9,3% 9,7% 911 Banken und Hypothekenanstalten 59,9% 59,0% 61,0% 63,5%

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912 Sparkassen 43,8% 24,3% -61,9% -31,3% 913 Kreditgenossenschaften 13,3% 8,1% -26,8% 20,7% 914 Bausparkassen, Teilzahlungsinstitute und sonst. Geldeinrichtungen 65,6% 77,3% 44,3% 22,4% 91 Geld- und Kreditwesen 41,0% 37,8% 8,5% 17,5% 920 Privatversicherung 45,6% 41,5% 12,5% 23,8% 92 Privatversicherung 45,6% 41,5% 12,5% 23,8% 931 Realitäten-, Wohnungswesen, Vermögensverwaltung 47,8% 43,4% 61,9% 78,1% 932 Rechtsberatung 39,6% 37,9% 21,1% 26,7% 933 Wirtschaftsberatung 37,7% 40,0% 284,0% 261,7% 934 Technische Dienste 38,3% 35,4% 65,4% 78,9% 935 Werbe-, Messewesen, sonstige Wirtschaftsdienste 52,5% 47,5% 114,6% 137,0% 936 Fotographie 30,8% 29,5% -11,8% -8,1% 938 Vermietung 45,6% 38,9% 72,6% 102,1% 93 Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste 42,5% 40,8% 112,2% 121,5% 941 Körperpflege 30,1% 25,4% -4,3% 13,2% 942 Wäscherei, Putzerei, Büglerei 38,8% 33,6% -24,8% -13,2% 943 Reinigungsanstalten, Rauchfangkehrer 48,0% 43,1% 54,8% 72,4% 944 Kanal-, Straßen- und sonstige Reinigung 40,6% 42,3% 85,3% 77,8% 945 Bestattungswesen 34,7% 25,3% -34,4% -9,9% 94 Körperpflege und Reinigung, Bestattungswesen 37,1% 34,3% 19,2% 28,8% 951 Musik, Theater, Rundfunk und Fernsehen 66,3% 62,6% 20,7% 27,8% 952 Freischaffende Kunst 49,6% 50,0% 44,3% 43,1% 953 Filmproduktion und -verleih 48,2% 49,4% 0,3% -2,1% 954 Unterhaltungseinrichtungen 52,0% 42,5% 65,3% 102,2% 955 Bibliotheken, Museen, zoologische und botanische Gärten 60,6% 45,6% -17,3% 9,9% 956 Sport 28,5% 29,1% 60,8% 57,4% 95 Kunst, Unterhaltung und Sport 51,9% 47,4% 25,0% 36,9% 961 Gesundheitswesen 30,9% 30,0% 38,6% 42,7% 962 Veterinärwesen 9,1% 11,2% 66,4% 36,0% 963 Fürsorge und karitative Einrichtungen 27,1% 28,9% 78,2% 67,1% 96 Gesundheits- und Fürsorgewesen 29,8% 29,6% 46,8% 48,1% 971 Unterrichtswesen 21,5% 20,3% 19,3% 26,2% 972 Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen 55,6% 43,1% -14,3% 10,7% 97 Unterrichts- und Forschungswesen 23,2% 21,3% 15,4% 25,4% 981 Einrichtungen der Gebietskörperscxhaften 32,3% 33,6% 10,6% 6,6% 984 Sozialversicherungsträger 44,0% 47,5% 12,5% 4,2% 985 Öffentlich-rechtliche Interessensvertretungen 41,9% 41,6% 6,2% 6,9% 986 Nicht-öffentliche Interessensvertretungen, Vereine 54,0% 50,5% -16,3% -10,6% 987 Religiöse Einrichtungen 23,6% 19,0% -33,6% -17,8% 98 Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen 34,6% 35,5% 7,2% 4,4% DIENSTLEISTUNGEN 31,0% 29,9% 19,8% 24,0% SUMME 26,4% 25,4% 4,8% 9,0% SEKTORALE GLIEDERUNG NACH DEN 9 DIENSTLEISTUNGSGRUPPEN Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) 42,4% 39,0% 9,9% 19,5% Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) 42,5% 40,8% 112,2% 121,5% Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) 16,8% 17,8% 22,3% 15,4% Einzelhandel (74/75/76) 26,3% 22,9% -4,8% 9,2% Körperpflege & Reinigung, Bestattung (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) 41,7% 38,5% 21,4% 31,3% Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98) 34,6% 35,5% 7,2% 4,4% Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) 26,8% 26,1% 34,3% 37,7% Grosshandel (71/72/73), Lagerung (77) 39,5% 35,6% 6,5% 18,0% Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) 28,2% 27,4% 12,6% 16,1% DIENSTLEISTUNGEN 31,0% 29,9% 19,8% 24,0% SUMME 26,4% 25,4% 4,8% 9,0% SEKTORALE GLIEDERUNG NACH DEN 4 HAUPTGRUPPEN DES

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Wirtschaftsdienste (91/92/93) 42,5% 40,1% 56,8% 66,2% Konsumdienste (74/75/76/78/94/95) 26,0% 24,3% 7,4% 14,7% Soziale Dienste (96/97/98) 30,0% 29,4% 21,4% 23,9% Distributive Dienste (71/72/73/77/81/82/83/84/85/88) 33,7% 31,4% 9,1% 17,0% DIENSTLEISTUNGEN 31,0% 29,9% 19,8% 24,0% SUMME 26,4% 25,4% 4,8% 9,0% (1) ... Anteil Wiens an den Beschäftigten in dieser Dienstleistungsgruppe in ganz Österreich (2) ... Relatives Wachstum 1981 / 1991 Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991

1.4.1.1. Kommerzielle Wirtschaftsdienste Die kommerziellen Wirtschaftsdienste weisen mit 40,1% Beschäftigungsanteil die mit Abstand größte Konzentration in Wien aller vier Hauptgruppen des Dienstleistungssektors auf. Im Geld- und Kreditwesen gilt das vor allem für Banken und Hypothekenanstalten (911) sowie Bausparkassen und Teilzahlungsinstitute (914), die 59,9% beziehungsweise 77,3% der Beschäftigten in Wien sammeln, während sich kleine Sparkassen und Kreditgenossenschaften traditionsgemäß eher in ländlichen Regionen ansiedeln. Auffallend, daß sich in diesem Bereich die Disparitäten zwischen Wien und dem restlichen Staatsgebiet in den 80er Jahren verstärkt haben, indem sich die beiden ersteren Betriebsarten in Wien wesentlich günstiger entwickelten als die beiden letzteren, was aber zum größten Teil auf Umstrukturierungen, Zusammenlegungen und Verkäufe von Geldinstituten beruht. Trotzdem verläuft die Entwicklung im Geld- und Kreditwesen, das ohnehin keine besondere Wachstumsbranche darstellt, mit +8,5% langsamer als im österreichischen Durchschnitt. Ähnliches gilt auch für die Privatversicherungen, wo der Anteil der Wiener Beschäftigten von 45,6% auf 41,5% zurückgegangen ist. Die Wachstumsbranche schlechthin stellen wie bereits erwähnt die Wirtschaftsdienste im engeren Sinne dar. Die Beschäftigten in diesen produktionsnahen Geschäftsdiensten sind österreichweit zwischen 1981 und 1991 um 121,6% gewachsen, weshalb die etwas geringere, aber immer noch imposante Steigerungsrate in Wien von 112,2%, einen minimalen Rückgang der Konzentration auf den Wiener Raum zur Folge hatte. Trotzdem liegt der Wiener Anteil an der Zuwachsrate in diesem Bereich weit über ihrem Gesamt- oder Dienstleistungsbeschäftigungsanteil. Besonders dynamisch entwickelten sich die Wirtschaftsberatungsunternehmen (933), die sich in Wien fast vervierfachten, und damit sogar über dem österreichischen Durchschnitt liegen, und das Werbe- und Messewesen (935), das sich auch in Wien mehr als verdoppelte. Auch das Realitäten- und Wohnungswesen, Vermietung und Technische Dienste können als Zweige mit überdurchschnittlichem Wachstum angesehen werden, während die Bereiche Rechtsberatung und Fotographie stagnieren oder sogar schrumpfen. Die außergewöhnlich dynamische Entwicklung der produktionsnahen Dienste hängt zweifellos mit der im theoretischen Teil dieser Arbeit bereits erwähnten Externalisierung, der Auslagerung bestimmter Funktionen aus dem Produktionsprozeß zusammen. Durch die zunehmende Spezialisierung der für die komplexer gewordenen Produktionsprozesse notwendigen Dienstleistungsaktivitäten wird es immer effizienter, diese auf Märkten nachzufragen. Zudem wächst auch der Anteil von Dienstleistungen an industriellen oder gewerblichen Produkten, da diese immer mehr an neue Technologien,

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Modeströmungen oder individuelle Kundenwünsche angepaßt werden müssen. Aus diesem Grund wächst die Bedeutung von Werbung, Design, Informationsverarbeitung, Forschung, Planung und Produktentwicklung ständig. Auch die Tatsache, daß all diese Tätigkeiten nur sehr bedingt rationalisiert und automatisiert werden können, da sie auf der Kreativität von Menschen beruhen, und somit geringen Produktivitätssteigerungen unterliegen, führt zu einer außergewöhnlich dynamischen Entwicklung dieser Wirtschaftsbranche, die diesen Ergebnissen zugrunde liegt. 1.4.1.2. Persönliche Dienste Wien spielt bei den persönlichen Diensten mit rund einem Viertel aller Beschäftigten keine überdurchschnittliche Rolle, da dieser Wert ziemlich genau dem gesamten Beschäftigungsanteil Wiens entspricht. Im Einzelhandel hat ein Rückgang von 4,8% der Arbeitsplätze sogar einen wesentlichen Bedeutungsverlust der Bundeshauptstadt als Geschäftszentum bewirkt, der sich mit dem Abfluß von Kaufkraft an Umlandgemeinden begründen läßt. Die klassischen Dienstleistungsberufe im Bereich der Körperpflege (Friseur, Masseur,...) und der Reinigung (Wäscherei, Putzerei,...) weisen überraschenderweise überdurchschnittliche Konzentrationen im Wiener Raum auf, was sich darauf zurückführen läßt, daß diese Dienste in Großstädten eher auf dem Markt nachgefragt als selbst erstellt werden. Allerdings ist auch hier ein leichter Bedeutungsverlust in den letzten 10 Jahren zu beobachten. Im Gaststätten- und Beherbergungswesen hat hingegen die wachsende Popularität des Großstadttourismus zu einem überdurchschnittlichen Wachstum von über 20% geführt, trotzdem bleibt diese Branche mit 17,8% der relativ unwichtigste Dienstleistungszweig in Wien. Am deutlichsten äußert sich die zentrale Stellung Wiens bei den Kultur- und Unterhaltungseinrichtungen, die sich trotz geringerer Wachstumsraten als im österreichischen Durchschnitt noch immer fast zur Hälfte auf die Bundeshauptstadt konzentrieren. In den Bereichen Musik, Theater, Fernsehen und Film stellt Wien ebenso wie bei Bibliotheken und Museen das kulturelle Zentrum Österreichs dar. Allerdings scheint Wien bei den Unterhaltungseinrichtungen wie Kinos oder Diskotheken weniger innovativ zu sein als der Rest Österreichs, da hier doch weit geringere Zuwächse zu verzeichnen sind. Diese Tendenz sollte angesichts der allgemein wachsenden Bedeutung von Kultur- und Unterhaltungseinrichtungen, die sich als Folge der geänderten Freizeitverfügbarkeit der Bevölkerung ergibt, nicht geringgeschätzt werden. 1.4.1.3. Soziale Dienste Soziale und öffentliche Dienste konzentrieren sich zu rund 30%, also etwa ebenso stark wie der gesamte Dienstleistungssektor, auf Wien. Der Bedeutungsverlust Wiens ist in dieser Gruppe von Dienstleistungsaktivitäten am schwächsten ausgeprägt, das Beschäftigungswachstum mit 21,4% weit überdurchschnittlich und nur wenig geringer als im gesamten Bundesgebiet. Die dynamische Entwicklung der sozialen Dienste beruht aber nicht auf einer Ausweitung der staatlichen Verwaltung, sondern auf einer Expansion im Gesundheits- und im Bildungswesen. Gebietskörperschaften sowie private und

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öffentliche Interessensvertretungen weisen mit 4,4% sogar die niedrigste Wachstumsrate aller Dienstleistungsklassen auf, der angebliche Trend einer wachsenden Bürokratisierung des Staates kann daher nicht bestätigt werden. Dafür ist eine stärkere Zentralisierung der öffentlichen Verwaltung, die sich überdurchschnittlichen Zuwächsen Wiens im Bereich der Gebietskörperschaften und der Sozialversicherungsträger niederschlägt, zu beobachten. Der ohnehin hohe Zentralisierungsgrad dieser Verwaltungsdienste auf Wien hat sich dadurch zwischen 1981 und 1991 von 34,6% auf 35,5% sogar leicht vergrößert. Das Gesundheits- und Fürsorgewesen stellt mit der Schaffung von über 70.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen nach den Wirtschaftsdiensten die größte Wachstumsbranche der österreichischen Wirtschaft dar. Sowohl das Gesundheits- und Veterinärwesen als auch Fürsorge- und karitative Einrichtungen tragen zu einem Beschäftigungswachstum von 46,8% in Wien bei, das nur geringfügig unter jenem des gesamten Staates liegt. Die Expansion im Gesundheitswesen bewirkt ein immer größeres Finanzierungsproblem, da die durch neue Technologien und wachsenden Personalbedarf explosionsartig steigenden Kosten nicht mehr alleine durch Krankenversicherungen gedeckt werden können und die Zuschüsse aus dem allgemeinen Staatsbudget wachsen. Die Konzentration des gesamten Gesundheitswesens in Wien ist nicht besonders stark ausgeprägt und ist während der letzten 10 Jahre ziemlich konstant bei knapp unter 30% geblieben. Die Betrachtung der vierstelligen Gliederungssystematik zeigt, daß diesbezüglich überraschenderweise zwischen Arztpraxen und Spitälern nur geringe Unterschiede bestehen. Im Bereich von Unterricht und Forschung ist zwischen dem Schulwesen einerseits und wissenschaftlichen Einrichtungen andererseits zu unterscheiden. Während das Schulwesen in Wien unverändert etwa jene Bedeutung hat, die ihm aufgrund des Bevölkerungsanteiles zusteht (etwa 20%), so konzentrieren sich immer noch 43,1% aller Arbeitsplätze im Forschungsbereich in der Bundeshauptstadt. Allerdings wurde die Positions Wiens als wissenschaftliches Zentrum des Landes in den 80er Jahren deutlich zurückgeschraubt. 14,3% Beschäftigungsrückgang in Wien und 10,7% Wachstum in ganz Österreich deuten auf die Verlagerung einiger Forschungsinstitute hin, die man durchaus als beginnende Dezentralisierung von universitären und wissenschaftlichen Einrichtungen deuten kann. Die geringere allgemeine Wachstumsrate in diesem für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung so wichtigen Bereich ist aber zweifellos ein beunruhigendes Zeichen für ganz Österreich, da der Erfolg praktisch aller Wirtschaftsbranchen immer stärker von der Anwendung innovativer Technologien und Organisationsformen abhängt. Die wesentlich dynamischere Entwicklung des besonders arbeitsintensiven Bildungsbereiches mit Zuwachsraten von 19,2% (Wien) bzw. 26,2% (Österreich) ist hingegen durchaus erfreulich und läßt auf eine qualitative Verbesserung und Steigerung der internationalen Konkurrenzfähigkeit des Arbeitskraftangebotes hoffen.

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1.4.1.4. Distributive Dienste Die distributiven Dienste weisen überraschenderweise eine überdurchschnittliche Konzentration in Wien von 31,4% auf. Das unterdurchschnittliche Beschäftigungswachstum dieses Bereiches in Wien, das in den 80er Jahren mit 9,1% zwischen dem Wert der Gesamtwirtschaft und jenem des Dienstleistungssektors lag, bedingte einen leichten Rückgang des Wiener Anteils gegenüber den anderen Bundesländern. Der Großhandel, mit einer gesamtösterreichischen Wachstumsrate von 13,2% durchaus eine dynamische Branche, hat trotz ähnlicher Entwicklungsrückstände mit 35,9% noch immer seinen Schwerpunkt in Wien. Nicht einmal 10% der neu geschaffenen Großhandelsarbeitsplätze finden sich in der Bundeshauptstadt, was auf eine echte Dezentralisierung dieser Branche hindeutet. Gewaltige Zuwachsraten weisen Beschäftigte im Lagerungs- und Aufbewahrungsbetrieben hin. Diese sind vermutlich insofern auf Änderungen in der Betriebsstruktur zurückzuführen, als Warenlager immer öfter aus Großhandelsbetrieben ausgegliedert werden, und damit als eigene Unternehmungen aufscheinen. Im Bereich des Verkehrs sind die Beschäftigungsanteile Wiens je nach Organisationsstruktur sowie geographischer Eignung und Sinnhaftigkeit der verschiedenen Transportmittel äußerst unterschiedlich. Von den Straßenverkehrsdienstleistungen spielen vor allem der Straßenbahn- und Autobuslinienverkehr in Wien eine überdurchschnittliche Rolle, was auf die höhere Inanspruchnahme und Rentabilität öffentlicher Nahverkehrsmittel in Ballungsräumen zurückzuführen ist. Das Taxi- und Mietwagenwesen weist mit rund 30% noch gewisse Konzentrationstendenzen auf, während der Lastfuhrwerksverkehr kaum eine Bedeutung in Wien hat. Der Eisenbahnverkehr spielt trotz der hierarchischen Struktur der ÖBB keine dominante Rolle in Wien, allerdings ist in diesem Bereich eine leichte Zentralisierungstendenz in den letzten 10 Jahren nachzuweisen. Die Beschäftigten im Bereich der Schiffahrt sind hingegen mit 68,3% besonders stark auf den Wiener Raum konzentriert, was aber auf die Organisationsstruktur diesbezüglicher Unternehmungen zurückzuführen ist. Die Luftfahrt ist in Wien unterrepräsentiert, da der Wiener Flughafen außerhalb der Stadtgrenzen liegt und damit in der amtlichen Statistik der Gemeinde Schwechat zugeordnet wird. Der Güter- und Personentransport kann insgesamt durchaus als expansiver Wirtschaftszweig angesehen werden, vor allem Schiff- und Luftfahrt haben zwischen 1981 und 1991 überdurchschnittlich an Beschäftigten gewonnen. Dieser Trend entspricht den in Abschnitt A.2.3.1. beschriebenen Phänomenen, die durch neue Verkehrstechnologien, geänderte Siedlungsstrukturen und vernetztere Wirtschaftssysteme hervorgerufen werden, und die zu einem ständigen Wachstum an Verkehr, und damit auch an Verkehrsdiensten führen. Überraschend erscheinen hingegen die durchschnittlichen Zuwachsraten der Beschäftigten in Nachrichtenübermittlungsbetrieben. Die Entwicklung und Verbreitung innovativer Kommunikationssysteme scheint zwar die gesamte Arbeitswelt zu revolutionieren, in

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Beschäftigungszahlen schlägt sie sich kaum nieder. Dies scheint an der geringen Arbeits- und hohen Kapitalintensität von Tätigkeiten, die sich mit der Errichtung und dem Betrieb von Nachrichtenübermittlungssystemen beschäftigen, zu liegen. Die Arbeitsplätze in dieser innovativen Branche sind mit 32,2% überdurchschnittlich auf Wien konzentriert, ein Wert, der in den 80er Jahren konstant blieb. Ähnlich stark ist die Standortpräferenz für Wien auch bei Reisebüros, die mit Zuwachsraten von um die 50% zu den dynamischsten Branchen gehören, und Speditionen, obwohl hier deutliche Verlagerungstendenzen auf Kosten Wiens im Untersuchungszeitraum zu beobachten waren. 1.4.2. BETRIEBSGRÖSSENSTRUKTUREN IM DIENSTLEISTUNGSSEKTOR Dienstleistungsunternehmungen weisen aufgrund ihrer unterschiedlichen Organisations- und Produktionsweisen auch stark differenzierte Betriebsgrößenstrukturen auf. Es fällt aber auf, daß diese Strukturen nicht in allen Regionen gleich sind, sondern in bestimmten Sparten große räumliche Unterschiede zu beobachten sind. Die Betriebsgrößenstruktur von Dienstleistungsbetrieben wurde anhand der durchschnittlichen Beschäftigungszahlen pro Arbeitsstätte auf Bundesländerebene untersucht, wobei nach den neun abgegrenzten Gruppen von Dienstleistungsaktivitäten differenziert wurde. Tab.11: Betriebsgrößen und deren Veränderung zwischen 1981 und 1991 (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) Beschäftigte / Arbeitsstätte 1991 Wien 30,3 6,1 5,6 4,1 6,7 40,7 14,7 9,6 18,3 9,2 17,5 10,5 Österreich 12,2 5,4 3,8 4,5 5,2 18,1 12,9 8,1 13,2 7,3 17,4 9,3 Änderung der Zahl der Beschäftigten pro Arbeitsstätte in Prozent 1981 / 1991 Wien -17,4% 18,0% 1,5% 0,9% 1,8% 4,4% 14,5% -3,2% 13,8% 3,6% -0,2% -2,4% Österreich -9,6% 8,5% 9,5% 4,1% 2,1% 12,0% 17,1% -4,8% 14,9% 5,8% -14,9% -5,1% (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Körperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98) (7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe Produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft) Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991

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Dienstleistungsbetriebe weisen im allgemeinen wesentlich geringere Betriebsgrößen auf als Unternehmungen des produzierenden Sektors. So beschäftigen Produktionsbetriebe in ganz Österreich durchschnittlich 17,4 Personen, während bis auf den Bereich der Verwaltung und Interessensvertretung alle Dienstleistungsgruppen mit 3 bis 13 Beschäftigten pro Betrieb weit unter diesem Wert liegen. Wien weicht in Bezug auf die durchschnittlichen Beschäftigungszahlen im sekundären Sektor nur gering vom gesamtösterreichischen Wert ab, bei den Dienstleistungen hingegen ist hier mit 9,2 Beschäftigte pro Arbeitsstätte der höchste Wert aller Bundesländer zu beobachten. Hauptverantwortlich für die überdurchschnittlichen Betriebsgrößen im Dienstleistungssektor sind vor allem jene Bereiche, die ohnehin zu mittel- oder großbetrieblichen Strukturen neigen, nämlich Banken und Versicherungen (30,3), Verwaltung und Interessensvertretung (40,7), Verkehr (18,3) sowie Gesundheit und Bildung (14,7), und die in Wien noch zu weit größeren Unternehmungsbildungen tendieren. Der Grund für dieses Phänomen liegt wohl darin, daß gerade Branchen, die zu staatlichen Organisationsformen oder privatwirtschaftlichen Konzernbildungen mit starker hierarchischer Gliederung der einzelnen Filialbetriebe neigen, ihre Verwaltungssitze oder Firmenzentralen in Wien ansiedeln. Im Gegensatz weichen die anderen Bereiche, die meist von Einzelunternehmern dominiert werden und allesamt durchschnittlich unter 10 Beschäftigte pro Arbeitsstätte aufweisen, in Wien nur geringfügig von den Größenstrukturen der anderen Bundesländer ab. Besonders kleinbetriebliche Strukturen sind im Einzelhandel (4,1), im Gaststätten- und Beherbergungswesen (5,6), bei den Wirtschaftsdiensten (6,1) und bei den sonstigen persönlichen Diensten (6,7) festzustellen. Bei der Betrachtung der Veränderungen der Betriebsgrößen zwischen 1981 und 1991 fällt auf, daß Betriebe des sekundären Sektors tendenziell geringfügig kleiner werden, was aber vor allem an den höheren Produktivitätszuwächsen und Rationalisierungsmaßnahmen liegt, während Dienstleistungsunternehmungen aufgrund der wachsenden Automatisierung gewisser Arbeitsschritte und -abläufe immer stärker von Großbetriebsvorteilen profitieren und daher die durchschnittliche Zahl der Beschäftigten pro Arbeitsstätte zunimmt. Besonders deutlich ist dieser Trend mit Ausnahme der Banken bei allen Branchen, die ohnehin zu großbetrieblichen Strukturen neigen, aber auch bei den Wirtschaftsdiensten. In Wien weist dieser wohl innovativste und dynamischste Bereich sogar die höchsten positiven relativen Änderungsraten bei den Betriebsgrößen auf, während sämtliche persönlichen Dienste auf niedrigem Niveau praktisch unverändert bleiben und das Bankwesen zu wesentlich kleineren und übersichtlicheren Betriebsstrukturen tendiert.

1.5. MÖGLICHE ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN IM DIENSTLEISTUNGSSEKTOR DURCH TELEARBEIT IM RAUM WIEN

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Die größten Veränderungen der Stadtstruktur werden zur Zeit durch die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien erwartet. Nachdem in Abschnitt A.2.3.2. ausführlich auf die Auswirkungen solcher neuen Technologien auf die Gesellschaft im allgemeinen und die Raumstruktur im speziellen diskutiert wurde, sollen nun als Abschluß dieses Kapitels die Planungen, Entwicklungen und Szenarien für Wien und die umgebende Ostregion bezüglich Telearbeit aufgearbeitet werden. Durch die fortschreitende Vernetzung aller Standorte durch Datenleitungen wird es in Zukunft verstärkt möglich sein, gewisse Dienstleistungsaktivitäten in die Nähe der Wohnstandorte der Beschäftigten zu verlagern und dadurch tiefgreifende Veränderungen in der zeitlichen und räumlichen Organisation von Arbeitsprozessen zu bewirken. Mit der Einführung von Telearbeit ist es nicht mehr der Mensch, der sich über Verkehrswege zur Arbeit bewegt, sondern die Arbeit, die über Datenleitungen zum Menschen kommt. Diese Trends, die in den USA oder manchen westeuropäischen Staaten bereits statistisch nachweisbare Entwicklungen hervorgerufen haben, schlagen sich in den empirischen Untersuchungen dieser Arbeit noch nicht nieder, da in Wien erst Anfang der 90er Jahre Überlegungen zur Einflußnahme von Informationstechnologien auf die Stadtentwicklungsplanung in ein konkreteres Studium gelangten. Trotzdem oder gerade deswegen sollte eine Studie, die sich mit Verteilungsphänomenen von Dienstleistungsbetrieben beschäftigt, versuchen, erste Planungsansätze und Szenarien zur zukünftigen Entwicklung von Telearbeit zu berücksichtigen und ihre Auswirkungen auf die Raumstruktur abzuschätzen, auch wenn es sich in nächster Zukunft rein quantitativ noch um eher geringe Veränderungen handeln wird. 1.5.1. ORGANISATIONSFORMEN VON TELEARBEIT Telearbeit kann auf verschiedene Arten organisiert werden, wobei laut amerikanischen Studien nur rund ein Drittel der geleisteten Arbeit „online“, also durch die Verbindung von Rechnern über Datenleitungen, erfolgt. Da bei der Telearbeit auch andere Kommunikationssysteme, wie Telefon oder Fax verwendet werden und ein großer Teil der Arbeit „offline“, also ohne mediale Verbindung, durchgeführt wird, erscheint der Begriff „Fernarbeit“ („Distance work“) in vielen Fällen fast zutreffender. Allen Formen von Telearbeit ist jedoch die Verbindung des Arbeitsplatzes mit der Zentrale über Datenleitungen gemeinsam. 1.5.1.1. Tele-Heimarbeit Die klassische Form von Telearbeit erfolgt am Wohnort des Angestellten, da dadurch teure Büromieten und Betriebskosten eingespart werden können. Allerdings wird ein solcher on-line Anschluß im Regelfall nur von einer Person genutzt, weshalb die vorhandenen Kapazitäten der teuren technischen Einrichtungen bei weitem nicht ausgeschöpft werden können. Zudem fehlen bei Heimarbeit die unentbehrlichen sozialen Kontakte im Arbeitsumfeld völlig, die Möglichkeit zur Kooperation mit anderen

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Mitarbeitern sind äußerst eingeschränkt, weshalb die Tendenz besteht, nur wenig qualifizierte, innovative und kreative Tätigkeiten an Heimarbeiter zu vergeben. Solche Befürchtungen leiten sich auch aus den Erfahrungen im produzierenden Sektor ab, wo Heimarbeit die billigste und sozial am schlechtesten abgesicherte Erwerbstätigkeit darstellt. Zudem sind durch die fehlenden sozialen Kontakte und die daraus folgende Isolierung auch kaum berufliche Aufstiegschancen vorhanden, weshalb zu befürchten ist, daß eine solche Entwicklung zu einer wachsenden Segregation der Arbeitswelt führen kann, in der Heimarbeit sozial benachteiligten Gruppen, vor allem minder qualifizierten Frauen, zugeteilt wird. Aus diesem Grund bietet die alternierende Telearbeit, bei der der Telearbeitsplatz in der Wohnung nur an wenigen Tagen in der Woche genutzt wird, eine absolute Bereicherung der Lebensqualität der Beschäftigten, da dadurch gewisse Tätigkeiten in entspannter Atmosphäre zu Hause erledigt, und soziale Kontakte am zweiten Arbeitsplatz im Firmenbüro gepflegt werden können. „Flexiwork“ stellt eine weitere Steigerung der flexiblen Arbeitsorganisation und die fast völlige Loslösung von fixen Arbeitsstandorten dar, da die Arbeit je nach Bedarf entweder im Zentralbüro, in Telearbeitszentren, zu Hause oder unterwegs verrichtet und über fix installierte oder tragbare Kommunikationseinrichtungen (z.B. Modem oder Fax über das Funktelefonnetz) übertragen werden kann. 1.5.1.2. Lokale Telearbeitszentren Lokale Telearbeitszentren sind dezentral gelegene Bürogebäude, die moderne Dienstleistungsarbeitsplätze, die mit allen für Telearbeit erforderlichen Computer- und Kommunikationstechnologien ausgestattet sind, anbieten. Die Einrichtungen können von Angestellten verschiedener Firmen und Branchen, freiberuflich tätigen Personen oder kleinen Betrieben, die sich die technische Ausstattung nicht selbst leisten können, gegen Mietgebühren benutzt werden. In den meisten Telearbeitszentren werden neben modernen Arbeitsplätzen auch verschiedene Dienstleistungen für die Beschäftigten, wie Sekretariatsdienste, Kinderbetreuung, Betriebsberatung oder Gastronomie angeboten, um ein möglichst angenehmes Arbeitsklima zu schaffen. Lokale Telearbeitszentren bieten die Möglichkeit, hochqualifizierte Dienstleistungstätigkeiten an periphere Standorte zu verlagern und sich daher Großbetriebsvorteile, die durch die Zusammenarbeit mehrerer Menschen an einem Ort und die gemeinsame Nutzung von technischen und sozialen Einrichtungen entstehen, auch außerhalb der Dienstleistungszentren zunutze zu machen. Telearbeitsbüros werden im Regelfall in Wohngebieten am Rand großer Städte, in Kleinstädten oder im ländlichen Raum errichtet, um der dort lebenden Bevölkerung neue Arbeitsplätze im Wohnumfeld zur Verfügung zu stellen und damit umwelt- und menschenfreundliche Siedlungsstrukturen zu schaffen. Telearbeitszentren weisen je nach den gestellten Anforderungen und Bedürfnissen der Nutzer verschiedene Organisationsformen auf. Telehäuser und Nachbarschaftsbüros befinden sich meist im ländlichen Raum, bieten nur wenige Arbeitsplätze und zusätzliche Einrichtungen an und werden von Telearbeitern verschiedener Betriebe und Branchen gegen Mietgebühren in Anspruch genommen.

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Lokale Dienstleistungszentren stellen mehr Arbeitsplätze bereit und weisen ein wesentlich umfassenderes und spezialisierteres Angebot an Hilfseinrichtungen, wie etwa Kopier-, Recherche- oder Beratungsdienste, auf. Besonders effizient sind Telearbeitsbüros dann, wenn sie in Form von „Tele-Villages“ gemeinsam mit neuen Wohnsiedlungen errichtet werden und bereits im Planungsprozeß innovative Ansätze zur räumlichen und sozialen Integration der Telearbeitsplätze in das Wohnumfeld berücksichtigt werden. Telearbeitszentren können sich aber auch im Besitz von einzelnen privaten Unternehmungen befinden und ausschließlich von diesen benutzt werden. Solche Satellitenbüros, die über verschiedene Kommunikationstechnologien in ständiger elektronischer Verbindung mit der Zentrale stehen, bieten Dienstleistungsbetrieben gewisser Branchen die Möglichkeit, Computerarbeitsplätze an die Peripherie auszulagern und dadurch teure Mieten für Büroflächen im Stadtzentrum einzusparen. 1.5.2. INTERNATIONALE VORBILDER Unter dem Eindruck der Energiekrise Mitte der 70er Jahre beschäftigte die westliche Wirtschaft erstmals mit Konzepten zur Verkehrs- und Transportkostenvermeidung. Einige high-tech Unternehmungen begannen daher, einigen ihrer Angestellten Fernanschlüsse an die Zentralcomputer über das Telefonnetz zu ermöglichen. Der Begriff „Telecommuting“, der im Jahre 1976 von NILLES geformt wurde, bildete somit seit damals die Grundlage für Zukunftsszenarien, in denen durch elektronische Datenvermittlung ein Teil des Pendlerverkehrs eingespart werden könnte. In den 80er Jahren starteten zukunftsorientierte Unternehmungen größere Pilotprojekte zur Telearbeit, die durch ständige technische Innovationen auf dem EDV- und dem Kommunikationssektor immer effizienter wurden. Waren bis vor wenigen Jahren alle Telearbeitsprojekte lediglich Teil zukunftsorientierter Forschungen, so sind die Auswirkungen dieser neuen Form der Arbeitsorganisation auf Gesellschaft und Raum in manchen westlichen Staaten bereits quantitativ nachweisbar. Nach einer Studie von GRANTHAM / PAUL (1994) werden bereits 3,45% aller Bürojobs in Kalifornischen Großstadtagglomerationen zumindest in einigen Tagen der Woche in Form von Telearbeit abgewickelt, in den nächsten fünf Jahren soll sich diese Zahl mehr als verdoppeln. Für die gesamten USA werden für das Jahr 2005 fast 8 Millionen Telearbeiter prognostiziert, also fast 7% der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung des Landes. In Europa gelten vor allem die skandinavischen Staaten und Großbritanien als Pioniere auf dem Gebiet der Telearbeit. Bereits Anfang der 90er Jahre wurden dort Telearbeitszentren gegründet, im Jahre 1993 gab es in Skandinavien bereits über 100, in Großbritanien mehr als 50 solcher hochtechnisierten dezentralen Mehrzweckbüros. In Frankreich bieten bereits mehrere Betriebe der Organisation „Telergos“, die sich ausschließlich im ländlichen Raum befinden, Bürodienste für große Betriebe in den Zentren der Großstädte über Datenleitung an und beschäftigen dadurch über 50 Personen. In Finnland

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konnten über ein vom Staat gefördertes Projekt rund 200 Telearbeitsplätze, die so verschiedene Tätigkeiten wie Graphische Gestaltung, Planung, Übersetzung, Buchhaltung oder Verrechnung verrichten, für Bewohner peripherer Regionen in Form von Flexiwork geschaffen werden. 1.5.3. TELEARBEIT - PROJEKTE IN DER UMGEBUNG VON WIEN In der Umgebung von Wien gibt es bereits einige Pilotprojekte, die durch die Errichtung von Telearbeitszentren auf die Schaffung moderner Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten abzielen. Solche Initiativen können als erste Anhaltspunkte für die Dezentralisierung von modernen Dienstleistungsaktivitäten in der Ostregion herangezogen werden. Unter dem Slogan „Daten sollen anstelle von Menschen pendeln“ soll in Regionen, die lange Zeit unter der Dominanz des Ballungsraumes Wiens litten, die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte verhindert, der Pendelverkehr verringert und die Wiederbelebung des ländlichen und kleinstädtischen Raumes gefördert werden. Zwei der niederösterreichischen Projekte sollen im folgenden Abschnitt kurz näher beleuchtet werden. 1.5.3.1. Das Telecenter in Bruck an der Leitha Das umfassendste Telearbeitsprojekt Österreichs wurde 1995 in der niederösterreichischen Gemeinde Bruck an der Leitha realisiert. In der 7.000 Einwohner fassenden Bezirkshauptstadt an der Grenze zum Burgenland pendeln 53,9% aller Beschäftigten in andere Gemeinden, zum größten Teil in den Wiener Raum aus. Das Angebot an modernen Dienstleistungsarbeitsplätzen ist gering, lediglich 3,4% (1991) der Beschäftigten sind im Bereich der Wirtschaftsdienste tätig. Das besondere an diesem Projekt ist, daß das Telearbeitszentrum nicht alleine, sondern zusammen mit Gemeinschaftseinrichtungen, 31 Einfamilienhäusern und Genossenschaftsbauten mit 83 Wohneinheiten in Form eines Tele-Villages errichtet wurde. Dadurch genießen die Bewohner der Siedlung die Vorteile eines modernen Arbeitsplatzes in einem Gemeinschaftsbüro, von dem sie über Datenleitungen mit ihren Firmen verbunden sind, in der unmittelbaren Umgebung ihrer Wohnung. Durch die Schaffung von hochqualifizierten Arbeitsplätzen in Verbindung mit Wohnraum wird einerseits der tägliche Pendelverkehr, der sich vor allem Richtung Wien bewegt, reduziert, andererseits zur Verbesserung der persönlichen und familiären Lebensqualität der Bewohner beigetragen. Es wurde außerdem darauf Rücksicht genommen, daß alle Beteiligten, also die Betreiber, Nutzer, Gemeindevertreter und lokale Wirtschaftsbetriebe, in den Planungsprozeß integriert wurden. Das Projekt kann als eine Maßnahme zur Regionalentwicklung betrachtet werden, mit der versucht wird, die Möglichkeiten moderner Technik für Ziele der Raumordnung oder der Stadt- und Dorferneuerung einzusetzen. Vor allem die Belebung des ländlichen und kleinstädtischen Raumes, der durch Abwanderung und Auspendeln von sozialer und wirtschaftlicher Erosion bedroht ist, steht dabei im Mittelpunkt der Überlegungen. Die in Bruck gewonnenen Erfahrungen sollen in den nächsten Jahren

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als Vorbild für zukünftige lokale Telearbeitszentren in Verbindung mit Wohnbauprojekten herangezogen werden. 1.5.3.2. Die Telestube „Retzer Land“ In Retz, einer historischen Kleinstadt im Weinviertel mit rund 4.300 Einwohnern und bisher lediglich 48 Arbeitsplätzen (3,4%) im Bereich der Wirtschaftsdienste (1991) errichtete der Computer Club Retz gemeinsam mit der Caritas und der Kapsch AG, die der Verein „Telebüro Retzer Land“ ins Leben gerufen haben, im Jahre 1995 eine Telestube mit rund 10 Computer-Arbeitsplätzen, die in Zukunft gegen eine Gebühr kurzfristig verwendet, aber auch für längere Zeit angemietet werden können. Diese sind mit modernstem PC-Equipment, Tele-Infrastruktur zur Kommunikation mit externen Auftraggebern sowie einer Infothek mit regionaler Datenbank und vernetztem Zugriff auf andere Informationsquellen ausgestattet. Der Zugang zu Daten verschiedener Bereiche, wie etwa Landwirtschaft, Finanzwesen, Verwaltung, Weiterbildung, Soziales, Wirtschaft oder Verkehr ist dadurch gewährleistet. Die integrierte Sprach- und Datenkommunikation mit anderen Rechnern erfolgt über das ISDN-Netz (Integrated Services Digital Network), das eine wesentlich höhere Übertragungsgeschwindigkeit und -sicherheit ausweist als analoge Übertragungsarten über das Telefonnetz mittels Modem. Die technische Ausstattung der Arbeitsplätze reicht von Multimedia-Work-stations bis zur kompletten Büro-Infrastruktur. An die Telestube ist ein Schulungszentrum für interne und externe Benutzer angeschlossen, in dem unter anderem auch Betreuer zukünftiger Telehäuser in Österreich ausgebildet werden. Die Vernetzung und PR-Tätigkeit aller niederösterreichischen Telehäuser, die sich neben den beiden genannten Beispielen auch in Eschenau, Edelhof, Mistelbach, Tullnerfeld und Warth befinden, wird über eine Dachorganisation, die Niederösterreichische Telehaus GesmbH, koordiniert. Zur Zeit arbeitet diese daran, weitere Projekte im Weinviertel, in den Gemeinden Laa an der Thaya, Poysdorf und Zistersdorf, zu realisieren. 1.5.4. PLANUNGSÜBERLEGUNGEN IN WIEN Auch die Gemeinde Wien beschäftigt sich seit Anfang der 90er Jahre mit der Machbarkeit und dem Bedarf von Telearbeitszentren am Stadtrand. Die Stadtverwaltung versucht private Firmen, die im Informationssektor tätig sind (wie etwa IBM, ALCATEL oder SCHRACK), für diesbezügliche Projekte zu gewinnen, um gemeinsam lokale Telecenter in den Stadterweiterungsgebieten zu errichten und zu betreiben. Den stadtplanerische Hintergrund solcher Überlegungen bildet die Tatsache, daß sich der größte Teil der Wohnbauvorhaben der nächsten Jahre auf Gebiete jenseits der Donau, die wirtschaftlich nur gering entwickelt sind, und daher wenig Arbeitsplätze aufweisen, konzentriert. Moderne Telarbeitsplätze in der Nähe der neuen Wohngebiete sollen daher zur Verringerung des

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Berufspendelverkehrs zwischen dem Osten und dem Süden der Stadt und zur Vermeidung monostruktureller „Schlafstädte“ am Stadtrand beitragen. Das Büro für Urbanistik präsentierte im September 1995 auf einer GPA-Tagung zum Thema Telearbeit Richtlinien für Telematikinitiativen der Stadt Wien. Als Ziele wurden dabei die Verkehrsentflechtung, die Aufwertung des Wirtschaftsstandortes Wien, die Förderung einer bügernahen Verwaltung und die Schaffung dezentraler Dienstleistungsarbeitsplätze genannt. Die mögliche Entwicklungsrichtung eines Pilotprojektes, anhand dessen die optimale Funktions- und Nutzungskonfiguration herausgefunden werden soll, könnte nach Ansicht des Institutes für Urbanistik entweder ein Telezentrum in einem Betriebsbaugebiet, ein Nachbarschaftszentrum in einem Siedlungsgebiet, eine bürgernahe Verwaltungsdienststelle oder eine privatwirtschaftliche Einrichtung, wie zum Beispiel eine Bankfiliale, sein. Als derzeit wahrscheinlichster Standort des ersten Wiener Telearbeitszentrums gilt das Stadterweiterungsgebiet am ehemaligen Asperner Flugfeld im 22.Bezirk, aber auch der Bereich Donaufeld in Floridsdorf wird von den städtischen Planungsstellen als geeignet betrachtet. Die geplanten Telearbeitszentren sollen aber nicht nur als Arbeitsstätten, sondern auch als soziale Zentren der Wohnsiedlungen, in denen sich Geschäfte, Service-Einrichtungen und Gastronomie befinden, dienen. Grundlegend für die Entwicklung der Telekommunikation in Wien ist die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur. Der Aufbau eines flächendeckenden Glasfaserkabelnetzes ist Voraussetzung für eine effiziente Datenübertragung über das Internet, an das Anfang des Jahres 1995 rund 23.000 Nutzer angeschlossen waren. Über dieses Netz könnten nicht nur Informationen für Telearbeiter sondern auch für private Konsumenten vermittelt und ausgetauscht werden, wodurch elektronische Möglichkeiten für die Vermittlung konsumorientierter Dienstleistungen, wie etwa Telebanking, Teleshopping oder Electronic Publishing, geschaffen werden. Die Auswirkungen, die Telearbeit auf den Dienstleistungssektor haben könnte, sind vor allem deswegen so groß, weil mit den Bereichen Banken und Versicherungswesen (91/92), Wirtschaftsdienste (93) und Verwaltung (98) gerade jene drei Branchen davon betroffen sind, welche die stärksten Zentralisierungsgrade innerhalb der Untersuchungsregion aufweisen und sich außerdem in den letzten Jahren besonders dynamisch entwickelt haben. Nach einer Studie des Beratungsunternehmens KREUZER, FISCHER UND PARTNER gibt es in ganz Österreich 250.000 Arbeitsplätze, die potentiell über Computernetze auf dezentrale Standorte ausgelagert werden könnten. Da Wien über mehr als ein Drittel der Beschäftigten in den betroffenen Branchen verfügt, ist damit zu rechnen, daß über 100.000, also rund ein Fünftel aller Wiener Arbeitsplätze davon betroffen wären. Das große Verlagerungspotential zeigt deutlich, welche gewaltigen Auswirkungen die Verbreitung der Telearbeit auf die soziale und räumliche Struktur Wiens haben könnte. Auch wenn nur ein kleiner Prozentsatz der Betriebe die vorhandenen Möglichkeiten nützen sollte, ist daher enormer Handlungsbedarf für die Stadtentwicklungsplanung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gegeben. Die Chancen, aber auch die Probleme, die sich durch die neuen Informations- und Kommunikationssysteme für die Bevölkerung und

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die Wirtschaftsbetriebe Wiens ergeben könnten, sollten deshalb ins Zentrum der planerischen Überlegungen rücken.

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2. RAUMSTRUKTUR UND STANDORTSPEZIFISCHE WACHTUMSDYNAMIK VON DIENST-LEISTUNGSAKTIVITÄTEN IN WIEN

2.1. RÄUMLICHE VERTEILUNG VON DIENSTLEISTUNGS- AKTIVITÄTEN 2.1.1. RÄUMLICHE VERTEILUNG DES DIENSTLEISTUNGSSEKTORS Die Verteilung der Summe aller Dienstleistungsaktivitäten innerhalb des Untersuchungsgebietes wurde anhand zweier Dichtewerte untersucht. Es wurde einerseits der Anteil des Dienstleistungssektors an der Gesamtbeschäftigung und andererseits die Zahl der Dienstleistungsbeschäftigten pro Einwohner berechnet und graphisch für alle 336 Teilgebiete, die über 50 Beschäftigte aufweisen, in den Karten 1 („Dienstleistungsanteil“) und 2 („Dienstleistungsdichte“) kleinräumig dargestellt. Die entsprechenden Ergebnisse der Bezirks- bzw. Gemeindegruppen sowie die Vergleichswerte des produzierenden Sektors sind in der Tabelle 12 ersichtlich. Tab.12: Dienstleistungsdichte nach Bezirks- bzw. Gemeindegruppen 1991 (1) (2) (3) (4) (5) (6) Innere Stadt 5,24 0,42 92,7% 14,9% 1,0% 0,1% Innen - West (6.,7.,8.,9.) 0,69 0,14 83,2% 13,7% 6,7% 0,3% Innen - Süd (3.,4.,5.) 0,49 0,13 79,1% 13,0% 9,0% 0,5% Innen - Ost (2.,20.) 0,27 0,06 82,4% 7,0% 8,8% 1,1% Innenbezirke 0,47 0,11 81,4% 33,7% 24,5% 1,9% Außen- West (12. - 19.) 0,25 0,09 72,4% 21,0% 29,0% 6,0% Außen - Süd (10.,11.,23.) 0,25 0,18 59,0% 11,8% 15,9% 3,9% Außen - Ost (21.,22.) 0,17 0,14 56,3% 6,2% 12,1% 6,5% Außenbezirke 0,23 0,13 65,0% 39,1% 56,9% 16,3% Umland - Ost 0,15 0,17 47,9% 0,9% 1,9% 16,1% Umland - Südost 0,31 0,20 60,4% 2,4% 2,7% 15,5% Umland - Südwest 0,30 0,15 67,5% 4,8% 5,4% 12,3% Umland - West 0,19 0,09 68,5% 2,3% 4,2% 21,2% Umland - Nord 0,19 0,16 53,9% 1,9% 3,5% 16,6% Umland 0,24 0,15 62,0% 12,4% 17,6% 81,6% Summe Wien-Umland 0,34 0,13 72,7% 100,0% 100,0% 100,0% (1) ... Dienstleistungsbeschäftigte pro Einwohner (2) ... Beschäftigte im sekundären Sektor pro Einwohner (3) ... Anteil der Dienstleistungsbeschäft igten an den Gesamtbeschäftigten in % (4) ... Anteil des Stadtteils an den gesamten Dienstleistungsbeschäftigten (5) ... Anteil des Stadtteils an der gesamten Wohnbevölkerung (6) ... Anteil des Stadtteils an der gesamten Katasterfläche Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991, Volkszählung 1991

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Wien weist eine deutliche konzentrische Verteilung der Dienstleistungstätigkeiten mit einem starken Zentrum-Rand-Gradienten auf. Bei einer groben Betrachtung der gesamten Stadtregion fällt die in alle Richtungen nach außen hin fast kontinuierlich abnehmende Dienstleistungsdichte auf. So konzentrieren sich mit 48,6% praktisch die Hälfte aller tertiären Arbeitsplätze der gesamten Region in den Innenbezirken, auf die lediglich 2,1% der Fläche und 25,4% der Bevölkerung entfallen. Auffallend ist auch die Assymmetrie der räumlichen Verteilung der Tertiärisierung in Wien. Die Dominanz des Dienstleistungssektors breitet sich von der City deutlich Richtung Westen aus, sowohl die Innen- und Außenbezirke als auch das Umland weisen im Westen die höchsten Beschäftigungsanteile im tertiären Sektor auf. Bei der Betrachtung der Dichte der Dienstleistungsbeschäftigten pro Einwohner verläuft die Orientierung stärker Richtung Süden, wo insgesamt wesentlich mehr Arbeitsplätze zu finden sind, während im Osten jenseits der Donau der tertiäre Sektor wesentlich geringer entwickelt ist. Mit 92,7% weist der 1.Bezirk erwartungsgemäß den höchsten Dienstleistungsanteil aller Teilräume auf. Wie stark die Büronutzung inzwischen die Wohnbevölkerung aus der City verdrängt hat, wird deutlich, wenn man beachtet, daß in diesem Bezirk auf einen Einwohner über 5 Dienstleistungsbeschäftigte kommen. Der produzierende Sektor spielt, obwohl er in der Inneren Stadt mit 0,42 Beschäftigten pro Einwohner ebenfalls die höchste Dichte aufweist, wegen der Dominanz der Dienstleistungen eine ungeordnete Rolle. Am geringsten ist dessen Bedeutung im Bezug auf die Wohnbevölkerung hingegen in den Innenbezirken, wo immerhin noch 0,47 Beschätigte im Dienstleistungssektor auf einen Einwohner kommen. Diese Dichtewerte weisen aber große räumliche Unterschiede innerhalb dieser Zone auf. Die Dienstleistungszentren breiten sich von der City aus wesentlich stärker in Richtung Westen und Süden, vor allem entlang der Geschäftszentren Mariahilferstraße und Landstraßer Hauptstraße aus, als jenseits des Donaukanals im Osten. Der Ring der erweiterten City um den ersten Bezirk wird hier deutlich unterbrochen. Der Dienstleistungsanteil dieses Stadtteils liegt mit weit über 80% allerdings höher als in den südlichen Innenbezirken Landstraße, Wieden und Margarethen, die eine wesentlich günstigere traditionelle Industrie- und Gewerbestruktur aufweisen. In den Außenbezirken sind die gründerzeitlichen dicht bebauten Stadtgebiete von den dünn besiedelten Stadtrandgebieten zu unterscheiden. In den Gründerzeitzeitvierteln entlang des Gürtels, die als klassische „Übergangszone“ nach der Stadtstrukturtheorie angesehen werden kann, spielen Industrie und Gewrbe noch immer eine wichtige Rolle, weshalb der Dienstleistungsanteil hier außer in der Umgebung der beiden großen Bahnhöfe meist zwischen 50% und 80% liegt. In fast allen Wohngebieten im Westen der Stadt am Rande des Wienerwaldes sind hingegen über 80% aller Arbeitsplätze dem Dienstleistungssektor zuzuordnen. Weil hier die Beschäftigtendichte ziemlich gering ist, machen die Arbeitsstätten von Freiberuflern, wie etwa Arztpraxen, Archtikturbüros oder Wirtschaftsberatern, die sich meist in Wohnhäusern befinden, einen großen Teil der dortigen Wirtschaftstätigkeit aus. Der Süden Wiens, der traditionellerweise die wichtigsten Industriegebiete Wiens beheimatet, weist zwar eher geringe Dienstleistungsanteile auf, doch liegt dies an der Dominanz des sekundären Sektors. In Relation zu den Einwohnern gibt es hier praktisch genauso viele Dienstleistungsarbeitsplätze wie im Westen, an

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der südlichen Stadtgrenze in den Industriezonen um Inzersdorf, sogar wesentlich mehr. Die Stadtteile jenseits der Donau, die von großflächigen Wohngebieten dominiert werden, zeichnen sich im Durchschnitt durch eine ziemlich geringe Dienstleistungsdichte von 0,17 aus, weshalb die dort lebende Bevölkerung zum Großteil in andere Stadtteile auspendeln muß. Die Dienstleistungsanteile sind gerade in den Wohngebieten hoch, wo die wenigen Arbeitsplätze vornehmlich im Bereich der Konsumdienste zu finden sind. In allen Stadtrandgebieten befinden sich mehrere relativ dispers verteilte Dienstleistungsschwerpunkte mit hohen Beschäftigungsdichten. Diese deuten meist auf dezentrale Bezirks- und Stadtteilszentren hin stellen aber manchmal auch eine Anhäufung von Dienstleistungsbetrieben in Bereich von Industriegebieten dar. Zum Teil handelt es sich dabei aber auch um Standorte, die von öffentlichen Dienstleistungseinrichtungen mit hohen Beschäftigtenzahlen, wie etwa Spitälern, Verkehrsbetrieben oder Bahnhöfen, dominiert werden. Wenn man von solchen speziellen Schwerpunkten absieht, kann man durchaus davon ausgehen, daß die Verteilung der Dienstleistungsdichte die grobe Zentrenstruktur innerhalb des Stadtraumes abbildet. Punktförmige Subzentren lassen sich aus der graphischen Darstellung ebenso ablesen wie linienförmige Entwicklungsachsen entlang wichtiger Verkehrsverbindungen. Besonders deutlich lassen sich dabei im Osten die Achsen Richtung Floridsdorf und Kagran, im Westen die Marihilferstraße und die Wienzeile, im Norden die Gegend um die Währinger- und Nußdorferstraße und im Süden die Umgebung von Prinz-Eugenstraße, Rennweg und Landstraßer Hauptstraße ablesen. In den Umlandgemeinden ist die Tertiärisierung noch nicht so weit fortgeschritten wie im Stadtraum von Wien, mit 62% Dienstleistungsanteil liegt diese Region aber nur unwesentlich hinter den Außenbezirken, die 65 % aufweisen. In Relation zu den Einwohnern ist sogar ein geringfügig höherer Wert festzustellen, was nicht verwundert, da im Umland auch im sekundären Sektor relativ mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stehen als in den Außenbezirken. Auch in der Umgebung von Wien sind allerdings große räumliche Unterschiede und Assymetrien zu beobachten. Im den südlichen Gemeinden gibt es im Durchschnitt mehr Dienstleistungsarbeitsplätze pro Einwohner als in den Wiener Außenbezirken. Sowohl in der Region Südost (Schwechat) als auch Südwest (Mödling) liegen die Werte mit knapp über 0,3 höher als in allen Außenbezirken mit Ausnahme von Hietzing, Rudolfsheim und Liesing. Während dieses Phänomen im Südosten hauptsächlich mit den fast 10.000 Beschäftigten, die im Zusammenhang mit dem Flughafen Wien-Schwechat im Dienstleistungsberufen tätig sind, zusammenhängt, so gibt es im Bezirk Mödling mehrere Gemeinden, die ein relativ großes Arbeitsplatzangebot im tertiären Sektor aufweisen. Vor allem Gemeinden in der Umgebung der Südautobahn wie Vösendorf, Wiener Neudorf, Laxenburg, Biedermannsdorf und Brunn am Gebirge beheimaten viele Betriebe aus dem Bereich der distributiven Dienste und gelten somit als wichtige Wirtschaftsstandorte im Süden von Wien.

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Je weiter man Richtung Westen blickt, desto geringer wird die Dienstleistungsdichte, doch desto höher wird aber der Anteil der im Dienstleistungssektor Beschäftigten. Dieses Phänomen ist auch in den westlichen Stadtbezirken zu beobachten, da sich in den Gebieten am Rande des Wienerwaldes aufgrund der Topographie kaum produzierende Betriebe ansiedeln, und somit die wenigen Arbeitsplätze hauptsächlich auf lokale Konsumdienste oder kleine Wirtschaftsdienstebüros entfallen. Nördlich von Wien, in den Umlandgemeinden der Bezirke Korneuburg und Mistelbach sind die Dienstleistungsanteile wieder wesentlich geringer, auch in den größeren Gemeinden wie Korneuburg oder Stockerau bleiben sie unter 60%, auch die Dichte der Beschäftigten im tertiären Sektor liegt unter dem Durchschnitt. Noch schlechter ist Situation allerdings östlich von Wien im Bezirk Gänserndorf, wo der Dienstleistungssektor völlig unterentwickelt ist, und nur 47,8% der Beschäftigten auf den tertiären Sektor entfallen. Ein Angebot von 0,15 Dienstleistungs- und 0,17 Industriearbeitsplätzen pro Einwohner gibt den Bewohnern dieser Region kaum die Chance auf qualifizierte Arbeitsplätze in ihrer Umgebung und zwingt sie größtenteils zum Auspendeln ins zentrale oder südliche Wien. 2.1.2. DOMINANTE DIENSTLEISTUNGSBRANCHEN Als erster Schritt einer sektoral disaggregierten Betrachtungsweise des Dienstleistungssektors auf kleinräumigerer Ebene soll für jedes Gebiet die jeweils dominante Dienstleistungsbranche ermittelt werden. Für diese Untersuchung wurde die grobe Gliederung der Dienstleistungen in vier Hauptgruppen herangezogen, wobei eine Branche dann als dominant gilt, wenn sie einen gewissen Beschäftigungsanteil überschreitet. Unter der Voraussetzung, daß jede Branche in ähnlich vielen Teilgebieten (∼70) als dominant aufscheinen sollte, wurde die Grenzwerte als Anteil an den Gesamtbeschäftigten eines Gebietes folgendermaßen festgelegt: • Kommerzielle Wirtschaftsdienste: 15% (∅ 16,1%) • Persönliche Dienste: 30% (∅ 18,7%) • Soziale Dienste: 30% (∅ 22,3%) • Distributive Dienste: 25% (∅ 17,7%) Aufgrund dieser Grenzwertfestlegungen wird nicht jedem Gebiet genau eine dominante Branche zugewiesen. Von den 336 Teilgebieten weisen 99 Gebiete keine, 176 eine, 47 zwei und 2 sogar drei dominante Branchen auf, 12 wurden wie in allen anderen Analysen auch aufgrund ihrer zu geringen Beschäftigungszahlen (unter 50) nicht untersucht. Die Ergebnisse sind in der Karte 3 („Dominante Dienstleistungsbranche“) graphisch und in der Tabelle 13, in der für jede Bezirks- bzw. Gemeindegruppe der Anteil der Teilgebiete, in denen die jeweilige Branche dominiert, dargestellt ist, ersichtlich.

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Tab.13: Anteil der Teilgebiete, in denen eine bestimmte Dienstleistungsbranche dominiert 1991 (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) Innere Stadt 100,0% 28,6% 42,9% 0,0% 0,0% 0,0% 7 Innen - West (6.,7.,8.,9.) 70,6% 29,4% 35,3% 0,0% 5,9% 0,0% 17 Innen - Süd (3.,4.,5.) 57,9% 0,0% 26,3% 15,8% 10,5% 0,0% 19 Innen - Ost (2.,20.) 22,2% 16,7% 27,8% 33,3% 16,7% 5,6% 18 Innenbezirke 50,0% 14,8% 29,6% 16,7% 11,1% 1,9% 54 Außen- West (12. - 19.) 31,9% 19,4% 30,6% 9,7% 25,0% 2,8% 72 Außen - Süd (10.,11.,23.) 9,1% 20,0% 21,8% 36,4% 18,2% 1,8% 55 Außen - Ost (21.,22.) 6,5% 32,3% 29,0% 14,5% 33,9% 4,8% 62 Außenbezirke 16,9% 23,8% 27,5% 19,0% 25,9% 3,2% 189 Umland - Ost 5,9% 11,8% 0,0% 17,6% 41,2% 23,5% 17 Umland - Südost 5,6% 11,1% 5,6% 27,8% 50,0% 5,6% 18 Umland - Südwest 5,0% 15,0% 15,0% 30,0% 40,0% 0,0% 20 Umland - West 7,1% 7,1% 21,4% 7,1% 57,1% 0,0% 14 Umland - Nord 0,0% 5,9% 0,0% 23,5% 70,6% 0,0% 17 Umland 4,7% 10,5% 8,1% 22,1% 51,2% 5,8% 86 Summe Wien-Umland 20,8% 19,0% 23,2% 19,0% 29,5% 3,6% 336 (1) ... Anteil der Gebiete, in denen die kommerziellen Wirtschaftsdienste (91/92/93) dominieren (2) ... Anteil der Gebiete, in denen die persönlichen Dienste (74/75/76/78/94/95) dominieren (3) ... Anteil der Gebiete, in denen die sozialen Dienste (96/97/98) dominieren (4) ... Anteil der Gebiete, in denen die distributiven Dienste (71/72/73/77/81/82/83/84/85/88) dominieren (5) ... Anteil der Gebiete, in denen keine Dienstleistungsbranche dominiert (6) ... Anteil der Gebiete, die unter 50 Beschäftigten aufweisen, und daher nicht weiter behandelt wurden (7) ... Anzahl der Gebiete (Zählbezirke und Gemeinden) Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991

2.1.2.1. Kommerzielle Wirtschaftsdienste Die kommerziellen Wirtschaftsdienste, also Banken, Versicherungen und Wirtschaftsdienste im engeren Sinne, weisen eine deutliche Assymetrie in der räumlichen Verteilung auf. Sie spielen vor allem in den meisten Gebieten der Inneren Stadt sowie der südlichen und westlichen Innebezirke eine dominante Rolle. Auch in den westlichen Außenbezirken, vor allem in den locker bebauten Wohngebieten am Rande des Wienerwaldes, haben Wirtschaftsdienste eine große Bedeutung, während die gürtelnahen Gebiete, die allgemein niedrige Dienstleistungsanteile aufweisen, davon ausgenommen sind. Außerhalb dieser Region, die vom Donaukanal und der Donau im Osten sowie von der Südbahnstrecke im Süden scharf begrenzt wird, spielen Wirtschaftsdienste nur in wenigen Ausnahmefällen, meist in der Umgebung von Bezirkszentren eine entscheidende Rolle. Da sich jene vier (von insgesamt 86) Umlandgemeinden, in denen die Wirtschaftsdienste dominant sind, auf ebensoviele verschiedene Regionen verteilen und weit voneinander entfernt sind, kann man bei dieser Untersuchung keine räumlichen Schwerpunkte der Wirtschaftsdienste im Umland von Wien feststellen. 2.1.2.2. Persönliche Dienste

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Die Gebiete, in denen die persönliche Dienste eine dominante Rolle spielen, weisen eine ausgeprägte disperse Verteilung im gesamten Untersuchungsgebiet auf. Es gibt keinen Stadtteil, in dem nicht mindestens ein Subzentrum, das sich durch ein konzentriertes Angebot an Konsumdiensten auszeichnet, existiert. Es sind daher auch keine großen zusammenhängende Gebiete, in denen die persönlichen Dienste dominieren, zu erkennen, die Zentren verteilen sich dispers im Raum. Obwohl ansonsten keine Anzeichen einer dezentralen Struktur dieses Sektors zu beobachten sind, ist festzuhalten, daß die persönlichen Dienste in den südlichen und westlichen Innenbezirken mit Ausnahme von Teilen des ersten Bezirkes und der Umgebung der Mariahilferstraße aufgrund der Dominanz der Wirtschaftsdienste keine herausragende Bedeutung innehaben. Am ehesten ist noch im Nordosten der Stadt, in Floridsdorf, eine gewisse Häufung von Zählbezirken, in denen persönliche Dienste dominieren, zu beobachten, doch auch in den anderen Außenbezirken ist sowohl in den dicht bebauten Bereichen, als auch am Stadtrand stets ein solches Subzentrum in der unmittelbaren Umgebung zu finden. Im Umland verteilen sich die Gemeinden mit überdurchschnittlicher Bedeutung der privaten Konsumdienste ebenso dispers im Raum, machen aber einen wesentlich geringeren Anteil aus, was sich aber nicht auf eine geringe Bedeutung dieses Sektors, sondern auf eine im allgemeinen ausgeglichenere Verteilung zwischen den Gemeinden, aus der nur wenige herausragen, zurückzuführen ist. Dieses Phänomen beruht darauf, daß Gemeinden als selbständige Siedlungskörper von einer wesentlich größere Autharkie geprägt sind als Wiener Zählbezirke und daher meist eine gewisse Grundausstattung an persönlichen Diensten aufweisen. 2.1.2.3. Soziale Dienste Auch die sozialen Dienste weisen kein ausgeprägtes Ungleichgewicht der Verteilung innerhalb des Stadtraumes von Wien auf, lediglich im Südosten gibt es kaum Schwerpunkte dieses Sektors. Es fällt auf, daß persönliche und soziale Dienste einander oft räumlich zugeordnet sind, und sich Gebiete, die von diesen beiden Sektoren dominiert werden, oft in unmittelbarer Nähe befinden. Diese kleinräumigen Konzentrationen von persönlichen und sozialen Dienstleistungen bilden meist lokale Subzentren und befinden sich an wichtigen Verkehrsachsen innerhalb der Siedlungsgebiete. Die Dominanz von sozialen Dienstleistungen in peripheren Gebieten erklärt sich meist weniger durch Verwaltungs-, als durch größere Gesundheits- oder Bildungseinrichtungen, deren Flächenanforderungen eher am Stadtrand befriedigt werden kann. Alle Gemeinden im Umland, die einen Schwerpunkt im Bereich der sozialen Dienste aufweisen, befinden sich südwestlich von Wien im Bereich des Wienerwaldes, wobei vor allem die Städte Klosterneuburg und Mödling herausstechen, in denen sich öffentliche Einrichtungen der Umgebung konzentrieren. Östlich von Wien befindet sich keine einzige Gemeinde, die als Zentrum für öffentliche Dienstleistungen fungiert, da die Siedlungen in dieser Gegend wesentlich weniger urbane Strukturen aufweisen als im Westen und auch die größeren Gemeinden wie Gänserndorf oder Groß-Enzersdorf eher industriell ausgerichtet sind. 2.1.2.4. Distributive Dienste

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Gebiete, in denen distributive Dienste dominieren, finden sich fast ausschließlich am Stadtrand und im Umland von Wien, während die zentralen Bezirke westlich des Donaukanals andere Branchenschwerpunkte aufweisen. In diesem Sektor ist eine den Wirtschaftsdiensten entgegengesetzte Assymetrie mit Schwerpunkt auf die südöstlichen Teile der Stadt zu beobachten. Distributive Dienste, also Großhandel und Verkehrsdienste dominieren große Teile des 2., 10., 11., 22. und 23. Bezirkes und der Gebiete nördlich, östlich und südlich von Wien, die einzigen Schwerpunkte im Westen befinden sich entlang des Wientales, der wichtigsten Verkehrsachse Richtung Westen. Auch im Umland ist eine Konzentration dieser Branche entlang der wichtigsten Verkehrsverbindungen, vor allem der Süd- und Ostautobahn, offensichtlich. 2.1.3. STANDORTMUSTER DER EINZELNEN DIENSTLEISTUNGSBRANCHEN Nach der groben Betrachtung der räumlichen Schwerpunkte der vier großen Dienstleistungssektoren, sollen nun die Standortmuster der neun definierten Gruppen von Dienstleistungen genauer untersucht werden. Diese Analyse erfolgt aufgrund der Beschäftigungsanteile der einzelnen Dienstleistungsbranchen (Tab.14) sowie der jeweiligen Beschäftigten pro Einwohner (Tab.15) nach der Stadtteilgliederung, anhand derer sektorale Muster und Zentralisierungsgrade aufgezeigt werden können. Bei zwei ausgewählten Gruppen, den Wirtschaftsdiensten und dem Einzelhandel, wurde auch die detailiertere Gliederung auf Zählbezirks- bzw. Gemeindeebene herangezogen und graphisch dargestellt (Karten 4 & 5), da diese beiden Branchen als Idealtypen für intermediäre und produktionsnahe einerseits und verbrauchs- und haushaltsorientierte Dienstleistungen andererseits gelten, und somit die grundlegenden Unterschiede in der Standortwahl von Betrieben dieser beiden entgegengesetzten Bereiche auch kleinräumig dargestellt werden können. Tab.14: Beschäftigungsanteile der einzelnen Dienstleistungsbranchen nach Bezirks- bzw. Gemeindegruppen 1991 (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) Innere Stadt 18,3% 14,0% 7,0% 7,5% 5,3% 22,3% 6,3% 5,6% 6,2% 92,7% 7,3% 100,0% Innen - West (6.,7.,8.,9.) 6,3% 14,5% 4,3% 9,5% 5,9% 11,2% 19,5% 6,9% 5,1% 83,2% 16,8% 100,0% Innen - Süd (3.,4.,5.) 6,2% 13,0% 4,3% 7,3% 4,6% 15,7% 11,8% 9,1% 7,2% 79,1% 20,9% 100,0% Innen - Ost (2.,20.) 7,7% 7,2% 4,4% 9,5% 7,8% 12,1% 8,4% 10,1% 15,1% 82,4% 17,6% 100,0% Innenbezirke 6,6% 12,4% 4,4% 8,6% 5,8% 13,2% 14,1% 8,4% 8,0% 81,4% 18,6% 100,0% Außen- West (12. - 19.) 2,3% 8,0% 4,0% 9,3% 6,8% 4,1% 20,3% 10,2% 7,5% 72,4% 27,6% 100,0% Außen - Süd (10.,11.,23.) 1,4% 5,0% 2,0% 8,7% 3,1% 3,6% 8,3% 15,9% 10,9% 59,0% 41,0% 100,0% Außen - Ost (21.,22.) 1,5% 3,9% 3,1% 10,9% 6,2% 3,5% 10,7% 10,5% 6,0% 56,3% 43,7% 100,0% Außenbezirke 1,9% 6,3% 3,2% 9,4% 5,5% 3,8% 14,5% 12,1% 8,3% 65,0% 35,0% 100,0% Umland - Ost 2,4% 4,6% 4,8% 8,8% 2,9% 5,1% 6,9% 7,9% 4,6% 47,9% 52,1% 100,0% Umland - Südost 1,5% 2,0% 4,9% 5,7% 3,0% 6,0% 4,0% 5,6% 27,7% 60,4% 39,6% 100,0% Umland - Südwest 1,5% 10,0% 4,3% 14,1% 3,1% 3,5% 8,1% 16,0% 6,8% 67,5% 32,5% 100,0% Umland - West 2,5% 5,6% 6,3% 11,4% 4,1% 6,3% 19,2% 7,6% 5,5% 68,5% 31,5% 100,0% Umland - Nord 2,1% 3,0% 3,4% 10,4% 2,4% 4,4% 9,2% 14,6% 4,5% 53,9% 46,1% 100,0% Umland 1,9% 5,9% 4,7% 10,8% 3,1% 4,8% 9,3% 11,5% 10,2% 62,0% 38,0% 100,0%

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 120

Summe Wien-Umland 5,2% 9,0% 4,2% 9,1% 5,2% 8,9% 12,7% 10,1% 8,2% 72,7% 27,3% 100,0% (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Grosshandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft)

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991

2.1.3.1. Banken und Versicherungen (91 / 92) Banken und Versicherungen weisen eine starke räumliche Konzentration in den zentralen Stadtbereichen und daher einen sehr hohen Zentrum-Rand Gradienten auf. Während im ersten Bezirk 18,3% der Beschäftigten in dieser Branche arbeiten, sind es in den Innenbezirken noch 6,6% und in den Außenbezirken und im Umland nur mehr jeweils 1,9%. Diese extreme Konzentration auf das innerste Zentrum läßt sich vor allem darauf zurückführen, daß praktisch alle auf dem österreichischen Markt vertretenen Banken und Versicherungen ihre Firmenzentralen im Zentrum von Wien ansiedeln, was darauf hindeutet, daß bestimmte Agglomerationseffekte, vor allem die Nähe von potentiellen Kunden und die repräsentativen Lage, für solche Betriebe besonders wichtig sind. Schon die Innenbezirke, die für andere Dienstleistungsbranchen noch zentral genug sind, scheinen vornehmlich nur mehr für kleinere Filialbetriebe, die sich den privaten Haushalten widmen sollen, geeignet. Überraschend dabei, daß zwischen den Innenbezirken kaum Unterschiede bestehen, und die beiden Bezirke im Osten sogar den höchsten Beschäftigungsanteil in dieser Branche aufweisen. Am Stadtrand spielt das Bank- und Versicherungswesen noch am ehestens in den westlichen Außenbezirken außerhalb des Gürtels eine wichtige Rolle, während beim Vergleich der Umlandregionen auffällt, daß gerade in den dynamischen und verstädterten Regionen südlich von Wien die niedrigsten Anteile dieser Branche zu beobachten sind. Tab.15: Beschäftigte der einzelnen Dienstleistungsbranchen pro Einwohner nach Bezirks- bzw. Gemeindegruppen 1991 (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) Innere Stadt 1,038 0,794 0,399 0,425 0,301 1,262 0,359 0,315 0,350 5,243 0,416 5,658 Innen - West (6.,7.,8.,9.) 0,053 0,120 0,036 0,079 0,049 0,093 0,162 0,057 0,042 0,692 0,139 0,831 Innen - Süd (3.,4.,5.) 0,038 0,081 0,027 0,045 0,028 0,098 0,073 0,056 0,045 0,492 0,130 0,622 Innen - Ost (2.,20.) 0,025 0,024 0,014 0,031 0,025 0,039 0,027 0,033 0,049 0,269 0,058 0,327 Innenbezirke 0,038 0,071 0,025 0,049 0,033 0,075 0,081 0,048 0,046 0,466 0,106 0,572 Außen- West (12. - 19.) 0,008 0,027 0,014 0,031 0,023 0,014 0,069 0,034 0,025 0,246 0,094 0,339 Außen - Süd (10.,11.,23.) 0,006 0,021 0,009 0,037 0,013 0,016 0,036 0,068 0,046 0,252 0,175 0,428 Außen - Ost (21.,22.) 0,005 0,012 0,010 0,034 0,019 0,011 0,033 0,033 0,018 0,175 0,136 0,310 Außenbezirke 0,007 0,022 0,011 0,034 0,020 0,014 0,052 0,043 0,030 0,232 0,125 0,358 Umland - Ost 0,008 0,015 0,015 0,028 0,009 0,016 0,022 0,025 0,015 0,153 0,167 0,320 Umland - Südost 0,007 0,010 0,025 0,029 0,015 0,030 0,020 0,029 0,141 0,307 0,201 0,508 Umland - Südwest 0,007 0,045 0,020 0,064 0,014 0,016 0,037 0,072 0,031 0,305 0,147 0,451 Umland - West 0,007 0,015 0,017 0,031 0,011 0,017 0,052 0,021 0,015 0,188 0,086 0,274 Umland - Nord 0,007 0,010 0,012 0,036 0,008 0,015 0,032 0,051 0,016 0,187 0,160 0,346 Umland 0,007 0,023 0,018 0,041 0,012 0,018 0,035 0,044 0,039 0,237 0,145 0,383 Summe Wien-Umland 0,024 0,042 0,020 0,043 0,024 0,042 0,059 0,047 0,038 0,339 0,127 0,466

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 121

(1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Grosshandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft)

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991, Volkszählung 1991

2.1.3.2. Wirtschaftsdienste (93) Die Wirtschaftsdienste, die dynamischste und innovativste aller Wirtschaftsbranchen, tendieren ebenfalls zu zentrumsorientierten Standortmustern, doch verläuft der Gradient hier wesentlich flacher als im Banken- und Versicherungswesen. Wirtschaftsdienstleistungsbetriebe finden in den westlichen und südlichen Innenbezirken anscheinend ebenso gute Standortbedingungen vor wie im ersten Bezirk, da die Beschäftigungsanteile dort mit rund 13 bis 14% etwa gleich hoch sind. Diese relativ ausgeglichene räumliche Verteilung innerhalb der zentralen Stadtgebiete läßt sich auf die klein- und einzelbetriebliche Struktur der Wirtschaftsdienste zurückführen, da hier im Gegensatz zu den hierarchisch organisierten Bank- und Versicherungsunternehmungen kaum große Zentralbüros, die sich meist an den hochrangigsten Standorten im ersten Bezirk befinden, existieren. Allerdings nimmt die Bedeutung der Wirtschaftsdienste in den meisten westlichen und südlichen Innenbezirken mit der Entfernung zum Zentrum tendenziell leicht ab, in den gürtelnahen Bereichen sind teiweise Anteile von unter 10% zu bemerken. In den östlichen Innenbezirken befinden sich nur in einem schmalen Streifen entlang des Donaukanals an der Grenze zum ersten und dritten Bezirk hochwertige Standorte für Wirtschaftsdienste, deren Bedeutung aber Richtung Donau stark abnimmt. Daher ergibt sich für diesen Stadtteil ein durchschnittlicher Beschäftigungsanteil von 7,2% in diesem Bereich, der weit unter den Vergleichswerten der anderen Innenbezirke liegt. Obwohl der Anteil der Wirtschaftsdienste in den Außenbezirken im Durchschnitt nur rund halb so groß ist wie in den Innenbezirken, weisen die westlichen Außenbezirke höhere Werte auf als die Region Innen-Ost. Dies liegt, wie die Karte 4 zeigt, nicht an den gürtelnahen Bereichen, die trotz der Abwanderung der meisten Industriebetriebe in den letzten Jahrzehnten, noch immer stark von kleineren Produktionsbetrieben geprägt sind, sondern an den Einfamilienhausgebieten am Stadtrand, in denen Dienstleistungsbüros einen Großteil der Arbeitsplätze ausmachen. In diesen Wohngebieten am Rande des Wienerwaldes zwischen 13. und 19. Bezirk, die traditionell eine von besser ausgebildeten und vedienenden Schichten geprägte Sozialstruktur aufweisen, richten sich viele der dort lebenden freiberuflich tätigen Akademiker wie etwa Architekten, Steuerberater oder Rechtsanwälte, Büros im eigenen Haus ein, sofern sie nicht an zentrale Standorte gebunden sind. Im den südlichen und östlichen Außenbezirken Wiens befinden sich die wenigen räumlichen Schwerpunkte der Wirtschaftsdienste hingegen nicht an hochwertigen Wohnstandorten, sondern hauptsächlich in der Nähe wichtiger Industriegebiete, wie Inzersdorf (23.Bezirk), Wienerberger

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 122

Ziegelfabrik (10.Bezirk), Erzherzog-Karl-Straße (22.Bezirk) oder Shuttleworthstraße (21.Bezirk), wo sie bedeutende Anteile der dort Beschäftigten ausmachen. Zudem finden sich aber auch in manchen Bezirks- oder Stadtteilzentren, wie in Donaufeld in Floridsdorf oder am Gellertplatz in Favoriten, besondere Konzentrationen von Wirtschaftdienstebüros. Doch grundsätzlich sind im Süden und Osten sowohl in den Wohngebieten als auch in den Bezirkszentren wesentlich geringere Anteile der Wirtschaftsdienste zu beobachten als in vergleichbaren Stadtteilen im Westen der Stadt. Auch im Umland sind große Unterschiede in der Bedeutung der Wirtschaftsdienste zwischen den Regionen festzustellen, wobei hier aber der Schwerpunkt eher im Südwesten, im südlichen Wienerwald und im Bezirk Mödling liegt. Durchschnittlich fallen 10% aller Arbeitsplätze in diesem Bezirk in diesen Bereich, in Gemeinden wie Maria Enzersdorf (32,6% der über 4.000 Beschäftigten!), Achau, Perchtoldsdorf, Wr. Neudorf und Hinterbrühl sind es sogar noch wesentlich mehr. Auch westlich von Wien, in den Wienerwaldgemeinden Purkersdorf, Wolfsgraben, Tullnerbach und Gablitz, die entlang des Wientales liegen, gibt es ähnlich hohe Werte. Die Entwicklung der gesamten Wirtschaftsdienstebranche hinkt in der übrigen Umgebung von Wien wesentlich hinter dem Westen nach. Selbst in den städtisch strukturierten Umlandgemeinden wie Korneuburg (2,9%), Langenzersdorf (2,7%), Gerasdorf (2,5%) und Stockerau (3,2%) in Norden, oder Gänserndorf (4,2%), Großenzersdorf (1,1%) und Schwechat (1,6%) im Osten bzw. Süden von Wien spielt diese innovative und dynamische Branche noch immer eine untergeordnete Rolle. Die gesamten Anteile der Regionen Umland-Ost (4,6%), Nord (3,0%) und vor allem Südost (2,0%) sind ebenfalls ein deutliches Zeichen für die problematische wirtschaftliche Entwicklung dieser Region und gleichzeitig auch ein Hemmnis für potentielle Betriebsansiedelungen. 2.1.3.3. Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) Bei der Betrachtung des Beherbergungs- und Gaststättenwesens ist grundsätzlich zwischen Einrichtungen für Touristen und Angeboten für die Einheimischen zu unterscheiden. Während Hotels und Spitzenrestaurants aufgrund der Nähe zu zentralen Sehenswürdigkeiten und Unterhaltungsangeboten zu ziemlich zentralen Standortmustern tendieren, orientieren sich herkömmliche Gaststätten hauptsächlich an der Verteilung der Wohnbevölkerung. Dies führt dazu, daß das Beherbergungs- und Gaststättenwesen mit Ausnahme des Schwerpunktes im ersten Bezirk wie die meisten Konsumdienste eine ziemlich disperse Verteilung innerhalb der Untersuchungsregion aufweist. Während das Gastgewerbe in der Inneren Stadt mit 7% der Beschäftigten eine besondere Rolle spielt, sind in allen zentralen Stadtteilen und in den westlichen Außenbezirken Anteile von knapp über 4% sowie am südlichen und östlchen Stadtrand von 2-3% zu beobachten. Daraus jedoch eine mit der Entfernung zum Stadtzentrum abnnehmende Bedeutung des Beherbergungs- und Gaststättenwesens zu schließen wäre weitgehend falsch, da im Stadtumland, wo die westlichen Wienerwaldgemeinden aufgrund ihrer hohen landschaftlichen Attraktivität einen touristischen Schwerpunkt bilden, wieder fast 5% in dieser Branche beschäftigt sind. Innerhalb des dicht bebauten Stadtraumes neigt aber vor allem die hochrangige Gastronomie und Hotelerie, die sich vornehmlich am wachsenden ausländischen Städtetourismus

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 123

orientiert, zur Konzentration im Stadtzentrum und bewirkt damit die weit überdurchschnittlichen Beschäftigungszahlen dieser Branche im ersten Bezirk. 2.1.3.4. Einzelhandel (74 / 75 / 76) Der Einzelhandel weist alle typischen Merkmale einer haushaltsorientierten Konsumdienstleistung, die von privatwirtschaftlichen Betrieben angeboten wird auf, und eignet sich daher am besten zur Untersuchung der Standortmuster solcher Tätigkeiten. Einzelhandelsgeschäfte sind durch eine weitgehend disperse Verteilung innerhalb der Untersuchungsregion gekennzeichnet, sie bilden homogene Standortmuster mit kleinräumiger Zentrenbildung. Allerdings ist eine leichte Bedetungszunahme mit der Entfernung vom Zentrum zu beobachten, die sich geringfügig steigenden Beschäftigtenanteilen ausdrückt, was vor allem dadurch zu erklären ist, daß mit sinkender Bedeutung anderer Wirtschaftsbranchen der Handel relativ wichtiger wird. Betrachtet man die Zahl der Beschäftigten pro Einwohner, so spielt der erste Bezirk noch immer eine klare dominierende Rolle, das Angebot in den Außenbezirken ist geringfügig schlechter als in den Innenbezirken und im Umland. Das führt dazu, daß die Wiener City trotz einer leicht dezentralen Struktur des Einzelhandels alle umliegenden Bezirke zum Teil mitversorgt. Innerhalb des Stadtraumes sind auch die Unterschiede zwischen gleichrangigen Stadtteilen ziemlich gering, man kann daher von einer symmetrischen Verteilung dieser Branche sprechen. Bei einer kleinräumigeren Betrachtung des Untersuchungsgebietes auf Zählbezirks- bzw. Gemeindeebene können aber in fast allen Stadtteilen Schwerpunkte des Einzelhandels festgestellt werden. Als Geschäftszentren mit lokaler oder gesamtstädtischer Bedeutung können folgende Gebiete betrachtet werden: • 1.Bezirk: Altstadt-Mitte / Ost • 2.Bezirk: Ausstellungsstraße, Taborstraße, Praterstraße • 3.Bezirk: Landstraße / Ungargasse / Fasangasse, Erdberg • 4., 5. Bezirk: Reinprechtsdorferstraße / Siebenbrunnenplatz • 6., 7.Bezirk: Marihilferstraße • 8.Bezirk: Josefstädterstraße • 9.Bezirk: Nußdorferstraße / Währingerstraße • 10.Bezirk: Quellenplatz, Arthaberplatz, Triester Straße, Raxstraße, Humboldplatz, Eisenstadtplatz,

Per-Albin-Hansonsiedlung • 11.Bezirk: Alt-Simmering / Enkplatz, Simmeringer Hauptstraße, Kaiser-Ebersdorf • 12.Bezirk: Meidlinger Hauptstraße, Wilhelmsdorf, Am Schöpfwerk • 13.Bezirk: Hietzing, Auhofstraße, Ober St.Veit • 14.Bezirk: Breitensee, Hütteldorf • 15.Bezirk: Teithoferplatz, Rauscherplatz, Hütteldorferstraße, Mariahilferstraße • 16.Bezirk: Neulerchenfeld, Alt-Ottakring, Thaliastraße

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 124

• 17.Bezirk: Alt-Hernals, Hernalser Hauptstraße, Neuwaldegg • 18.Bezirk: Gentzgasse / Währingerstraße, Gersthof • 19.Bezirk: Krottenbachstraße, Billrothstraße / Döblinger Hauptstraße, Heiligenstadt • 20.Bezirk: Wallensteinstraße / Brigittaplatz • 21.Bezirk: Am Spitz, Prager Straße, Brünner Straße, Jedlesee, Leopoldau, Großfeldsiedlung • 22.Bezirk: Zentrum Kagran, Neu Kagran, Stadlau, Hirschstätten, Eßling • 23.Bezirk: Atzgersdorf, Mauer, Alt-Erlaa Diese Gebiete weisen deutliche Konzentrationen von Einzelhandelsbeschäftigten auf und können daher als Auswahl an Haupt-, Bezirks-, Stadtteil- und Subzentren innerhalb Wiens angesehen werden. Wie diese Auflistung beweist, sind solche Geschäftszentren über den gesamten bewohnten Wiener Stadtraum relativ gleichmäßig verteilt, weisen aber weitgehend verschiedene Angebotsstrukturen und Einzugsgebiete auf. Im Wiener Umland ist im Gegensatz zum Stadtraum scheinbar eine deutliche Assymetrie der räumlichen Verteilung des Einzelhandels festzustellen. Vom Bezirk Mödling im Südwesten aus nimmt der Beschäftigungsanteil im Uhrzeigersinn stetig ab, im Gebiet um Schwechat sind nicht einmal 6% in dieser Branche beschäftigt. Bezieht man die Wohnbevölkerung in die Betrachtung ein, stellt man allerdings fest, daß sich die Versorgung mit Geschäften mit Ausnahme des Bezirks Mödling nicht wesentlich unterscheidet. Dort ist es aber lediglich die Shoppinng City Süd, die als größtes Einkaufszentrum in Europa gilt und der Gemeinde Vösendorf eine Einzelhandelsdichte (Beschäftigte pro Einwohner) zuweist, die mit 0,85 genau doppelt so hoch ist wie im ersten Wiener Gemeindebezirk (!!). Rechnet man Vösendorf heraus, erreicht auch der Bezirk Mödling mit 0,033 einen ähnlichen Wert wie die anderen Umlandregionen. Die Unterschiede bezüglich der Bedeutung des Einzelhandels sind zwischen den Umlandgemeinden im allgemeinen wesentlich geringer als zwischen den Zählbezirken im Wiener Stadtgebiet. In fast 60% aller Gemeinden weist der Einzelhandel einen Beschäftigungsanteil zwischen 3 und 10% auf. Dieses Phänomen erklärt sich durch die wesentlich eigenständigere Gebietsstruktur der Gemeinden, die zumindest bei weniger spezialisierten Dienstleistungen ein eigenständiges Angebot zu bieten haben. Um die Einzelhandelszentren im Wiener Umland zu eruieren, reicht die isolierte Betrachtung der Einzelhandelsanteile nicht aus, da viele kleine Gemeinden diesbezüglich höhere Werte aufweisen als die größeren Städte. Dies ist auf die allgemein schlechte Arbeitsplatzsituation in manchen ländlichen Regionen, wo die lokale Versorgung oft den Großteil der Arbeitsplätze ausmacht, zurückzuführen. Zieht man auch die Gemeindegröße und das Verhältnis von Einzelhandelsbeschäftigten zu Einwohner in Betracht, so lassen sich neben Vösendorf vor allem die Städte Deutsch-Wagram im Osten, Stockerau, Korneuburg, und Langenzersdorf im Norden, Möding, Perchtoldsdorf und Brunn im Süden sowie Klosterneuburg, Tulln, und Preßbaum im Westen als Einzelhandelszentren bezeichnen. 2.1.3.5. Sonstige persönliche Dienste (94 / 95)

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 125

Die sonstigen persönlichen Dienste, die Kultur- und Freizeit- sowie Reinigungs- und Pflegedienste umfassen, weisen innerhalb des Stadtraumes keinen nennenswerten Zetrum-Rand Gradienten auf, bei einer sektoralen Betrachtung fällt allerdings auf, daß ihre Bedeutung in den südlichen Stadtteilen stets geringer ist als im übrigen Stadtgebiet. Im Umland hingegen ist diese Art von persönlichen Dienste deutlich unterrepräsentiert, was darauf hindeutet, daß dort ein Großteil der diesbezüglichen Nachfrage von Wiener Anbietern gedeckt wird. Dies ist vor allem auf das weit umfassendere Kultur- und Unterhaltungsangebot in der Stadt zurückzuführen, während klassische Konsumdienste wie Reinigung oder Körperpflege ziemlich dispers über das gesamte Untersuchungsgebiet verteilt sind. 2.1.3.6. Verwaltung und Interessensvertretung (98) Die Einrichtungen von Verwaltung und Interessensvertretungen, die größtenteils von der öffentlichen Hand geleitet und finanziert werden, tendieren deutlich zur Zentralisierung innerhalb des Stadtraumes und weisen einen starken Zentrum-Rand Gradienten, der nur mit jenem im Banken- und Versicherungswesen vergleichbar ist, auf. 22,3% aller Beschäftigten des ersten Bezirkes sind in diesem Bereich tätig, was vor allem auf die Konzentration von Bundesbehörden und den damit verbundenen Einrichtungen im Stadtzentrum zurückzuführen ist. Neben fast allen Ministerien, Parteizentralen und Interessensvertretungen des Bundes befinden sich in der Inneren Stadt auch ein Großteil der Magistratsabteilungen und Verwaltungsbehörden der Stadt Wien sowie die Zentralen einflußreicher privater und religiöser Einrichtungen, da gerade in den Bereichen Politik und Verwaltung persönliche Kontakte zwischen den Beteiligten unerläßlich sind. Die Entfernungen spielen dabei eine so wichtige Rolle, daß sich sogar innerhalb der knapp 4km2 Fläche des ersten Bezirkes deutliche Schwerpunkte, wie etwa das Regierungsviertel mit Bundeskanzleramt, Parteizentralen und verschiedenen Ministerien oder die Umgebung des Rathauses, die von Einrichtungen der Stadtverwaltung dominiert wird, herausbilden. Der Beschäftigungsanteil in dieser Branche nimmt innerhalb des Stadtgebietes mit wachsender Entfernung zum Zentrum deutlich ab. Während in den Innenbezirken noch durchschnittlich 13,2% in der Verwaltung arbeiten, sind es in den Außenbezirken nur noch 3,8%, wobei kaum gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Stadtteilen zu beobachten sind. Im Umland ist dieser Wert mit durchschnittlich 4,8% wieder etwas höher, was daran liegt, daß aufgrund der Gemeindeautonomie gewisse Verwaltungsdienste in den Gemeinden selbst geleistet werden müssen, während die Wiener Stadtbezirke nicht als autonome Gebietskörperschaften gelten. Der Bereich der Verwaltung und der Interessensvertreungen kann daher als idealtypisches Beispiel für zentrale Standortmuster innerhalb von Städten ohne nennenswerte sektorale Schwerpunkte betrachtet werden. 2.1.3.7. Gesundheits- und Bildungswesen (96 / 97)

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 126

Das Gesundheits- und Bildungswesen tendiert zu Standorten innerhalb des Stadtraumes, aber außerhalb des dicht verbauten Zentrums. Dies liegt einerseits an dem hohen Flächenbedarf derartiger Einrichtungen, aber auch an der geringeren Dichte der Wohnbevölkerung im Stadtzentrum, weshalb die Nachfrage dort auch kleiner ist als in den Wohngebieten außerhalb des Ringes. Die hohen Grundstückspreise sind deshalb für andere Dienstleistungsbetriebe, vor allem aus dem Bereich des Bankwesens, der Wirtschaftsdienste und der Verwaltung, die aus den Agglomerationfaktoren der City mehr Vorteile ziehen können, wesentlich rentabler als für soziale Dienste der öffentlichen Hand. Trotzdem weist der erste Bezirk mit 0,36 Beschäftigten pro Einwohner immer noch die höchste Dichte dieser Branche aller Stadtteile auf. In der Umgebung von Wien nimmt die Konzentration der in diesem Bereich Beschäftigten wieder deutlich ab, da ein Teil hochrangiger Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, wie etwa Universitäten oder Spezialkliniken, von Wien aus für einen größeren Einzugsbereich, der über die Stadtgrenzen weit hinausgeht, bereitgestellt werden. Innerhalb der einzelnen Zonen gibt es allerdings große Unterschiede in der Verteilung derartiger Einrichtungen und deutliche räumliche Schwerpunkte. Sowohl in den Innenbezirken, als auch am Stadtrand und im Umland ist eine deutliche Konzentration auf den Westen des Untersuchungsgebietes zu beobachten. Die Beschäftigungsanteile liegen dort mit durchschnittlich 20% mehr als doppelt so hoch wie in den entsprechenden Stadtteilen im Süden oder im Osten. Auch wenn man die Beschäftigungszahlen auf die jeweilige Wohnbevölkerung bezieht, ist klar ersichtlich, daß der Westen Wiens den Osten in bezug auf medizinische und schulische Einrichtungen weitgehend mitversorgt. 2.1.3.8. Großhandel (71 / 72 / 73 / 77) Der Großhandel weist aufgrund des großen Flächenbedarfes und der geringen Bedeutung von Kundenkontakten ausgeprägt periphere Standortmuster innerhalb der Untersuchungsregion auf, die sich in mit der Entfernung zum Stadtzentrum wachsenden Beschäftigungsanteilen dieser Branche ausdrücken. Zudem sind auch nennenswerte sektorale Unterschiede zwischen den Stadtteilen zu beobachten, so liegt das Schwergewicht auf den östlichen und südlichen Gebieten Wiens. Im Umland sind noch wesentlich deutlichere Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen festzustellen. Der Großhandel spielt demnach vor allem im Bezirk Mödling und im Norden Wiens, wo er mit jeweils rund 15% Beschäftigungsanteil die klar dominierende Dienstleistungsbranche darstellt, eine besonders wichtige Rolle für die regionale Arbeitsmarktsituation, während er für die Gebiete im Westen und Osten der Stadt wesentlich weniger bedeutend ist. 2.1.3.9. Verkehr und Nachrichtenübermittlung (81 / 82 / 83 / 84 / 85 / 88) Unternehmungen, die Verkehrsdienste anbieten, siedeln sich ähnlich wie Großhandelsbetriebe eher in peripheren Gebieten innerhalb der Stadtregion an. Die meist flächenintensiven Betriebe tendieren

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 127

normalerweise zu Standorten am Stadtrand, die sich in der Nähe von hochrangigen Verkehrsrouten befinden. So ist auch die geringe Bedeutung des Verkehrssektors in den dicht verbauten Bereichen der City und der südlichen und westlichen Innenbezirke sowie in den Wohngebieten im Westen und Osten der Stadt zu erklären. Der Schwerpunkt liegt deutlich auf den östlichen Innen- und den südlichen Außenbezirken, die eine wesentlich günstigere Verkehrslage aufweisen. Die wichtigste Rolle spielt der Verkehrssektor bei Betrachtung der durchschnittlichen Beschäftigungsanteile aber im Umland von Wien. Allerdings ist diese scheinbare Dominanz lediglich auf den Standort des Flughafens in Schwechat zurückzuführen, denn abgesehen von der Region Süd-Ost, in der über ein Viertel der Beschäftigten in diesem Sektor tätig ist, sind die Anteile mit 4% bis 7% geringer als in Wien. Daraus läßt sich schließen, daß Unternehmungen, die im Bereich des Verkehrs tätig sind, zwar periphere und verkehrsgünstig gelegene Standorte aufsuchen, aber meist in der Nähe des Zentrums und innerhalb des Stadtraumes bleiben, um die Agglomerationsvorteile zu nutzen. 2.1.3.10.Zusammenfassende Beurteilung Zur Zusammenfassung der Ergebnisse, die sich aus der Betrachtung der räumlichen Verteilung der einzelnen Dienstleistungsbranchen ergeben haben, wurde die Bedeutung, die eine Branche für das betrachtete Gebiet hat, qualitativ bewertet. Je nach Abweichung des Beschäftigungsanteiles vom Durchschnittswert der gesamten Untersuchungsregion wurde die Bedeutung einer Branche als „außergewöhnlich hoch“, „überdurchschnittlich“, „durchschnittlich“, „unterdurchschnittlich“ oder „außergewönlich gering“ bezeichnet. Die Tabelle 16 gibt daher einen groben Überblick über die unterschiedlichen Standortmuster der verschiedenen Dienstleistungsbranchen. Tab.16: Räumliche Unterschiede in der Bedeutung der Dienstleistungsbranchen (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) Innere Stadt ++ ++ ++ - o ++ -- -- - + -- Innen - West (6.,7.,8.,9.) + ++ o o + + ++ - - + - Innen - Süd (3.,4.,5.) + ++ o - - ++ o - - o - Innen - Ost (2.,20.) ++ - o o ++ + - o ++ + - Innenbezirke + + o o + ++ + - o + - Außen- West (12. - 19.) -- - o o + -- ++ o o o o Außen - Süd (10.,11.,23.) -- -- -- o - -- - ++ + - ++ Außen - Ost (21.,22.) -- -- - + + -- - o - - ++ Außenbezirke -- - - o o -- + + o - + Umland - Ost -- -- + o -- -- -- - -- - ++ Umland - Südost -- -- + - -- - -- -- ++ - ++ Umland - Südwest -- + o ++ - -- - ++ - o + Umland - West -- - ++ + - - ++ - - o + Umland - Nord -- -- - + -- -- - ++ -- - ++ Summe Wien-Umland -- - + + -- -- - + + - ++ ++ außergewöhnlich hohe Bedeutung der Branche (Beschäftigtenanteil mehr als 40% über dem Durchschnitt) + überdurchschnittliche Bedeutung der Branche (Beschäftigtenanteil zwischen 10% und 40% über dem Durchschnitt) o durchschnittlicheBedeutung der Branche (Beschäftigtenanteil bis zu 10% über bzw. unter dem Durchschnitt) - unterdurchschnittliche Bedeutung der Branche (Beschäftigtenanteil zwischen 10% und 40% unter dem Durchschnitt)

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 128

-- außergewöhnlich geringe Bedeutung der Branche (Beschäftigtenanteil mehr als 40% unter dem Durchschnitt) (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor

Quelle: Ei gene Erhebungen Um allgemeine Aussagen über die Unterschiede in der räumlichen Verteilung treffen zu können, wurden den einzelnen Branchen Typen der Standort- und Lokalisierungsmuster, die in Teil A.3.3.1. erläutert wurden, zugeordnet. Es handelt sich dabei um folgende vier generelle Standortmuster: • Zentrale Muster: Konzentration einer Branche in den zentralen Bereichen, die mit wachsender

Entfernung zur Stadtmitte abnimmt • Perphere Muster: Mit der Entfernung zum Stadtzentrum zunehmende Bedeutung einer Branche • Homogene Muster: Weitgehend disperse Verteilung einer Branche • Sektorale Muster: Assymetrische Verteilung einer Branche durch Ungleichgewichte zwischen

Standorten mit gleichem Zentralitätsgrad Grundsätzlich können auch Kombinationen dieser vier idealtypischen Standortmuster auftreten, wobei zentrale, periphere und homogene Muster einander weitgehend ausschließen, da sie komplementär definiert sind. Tab.17: Relevanz idealtypischer Standortmuster für die 9 Dienstleistungsbranchen (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) Zentrale Muster ++ + ++ Periphere Muster + + ++ + Homogene Muster + ++ + Sektorale Muster ++ ++ + ++ ++ deutliche Ausprägung des jeweiligen Standortmusters + leichte Ausprägung des jeweiligen Standortmusters (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95)

(6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98) (7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88)

Quelle: Eigene Erhebungen

2.1.4. VERTEILUNGSMASSZAHLEN

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 129

Nachdem die verschiedenen Dienstleistungsaktivitäten bisher isoliert betrachtet wurden, soll nun mit Hilfe geeigneter Verteilungsmaßzahlen der Einfluß, den andere Nutzungen auf die Eignung eines Standortes für eine bestimmte Dienstleistungsbranche ausüben, untersucht werden. Es soll dabei eruiert werden, welche Nutzungsstrukturen eines Standortes besondere Konzentrationen einer Branche begünstigen und welche sie erschweren. 2.1.4.1. Spezialisierungskoeffizienten Mit Hilfe von Spezialisierungskoeffizienten kann man den Grad der branchenspezifischen Spezialisierung der Teilräume eines Untersuchungsgebietes bestimmen und daher die strukturelle Ein- oder Vielseitigkeit von Stadtteilen untersuchen. Die Grenzen des Spezialisierungskoeffizienten sind 0 und 1, wobei ein Wert von 0 bedeutet, daß die Branchenstruktur des Gebietes jener des Gesamtraumes entspricht. Je größer der Koeffizient ist, desto stärker ist die Dominanz weniger Branchen im betrachteten Gebiet und die strukturelle Abweichung vom Gesamtraum, ein Wert von 1 besagt, daß ein Gebiet nur auf eine Branche spezialisiert ist. Um Aussagen über die räumliche Verteilung weniger oder stärker spezialisierter Gebiete in Wien treffen zu können, wurden die Spezialisierungskoeffizienten aller 336 Teilgebiete des Untersuchungsgebietes auf Basis der detaillierten Dienstleistungssytematik, die den Sektor in neun Branchen gliedert, berechnet und graphisch in Karte 6 („Spezialisierungskoeffizienten“) dargestellt. Um auch einen Vergleich auf einer großräumigeren Ebene zu ermöglichen, wurden die mit der Zahl der Dienstleistungsbeschäftigten gewichteten Mittelwerte der Bezirks- bzw. Gemeindegruppen ermittelt. Beim Vergleich der Spezialisierungskoeffizienten ist grundsätzlich darauf zu achten, daß mit wachsender Beschäftigtenzahl eines Gebietes der Spezialisierungsgrad tendenziell abnimmt, da zufällige und kleinräumigere Branchenschwerpunkte einander immer mehr ausgleichen. Tab.18: Spezialisierungskoeffizienten auf Ebene der Bezirks- bzw. Gemeindegruppen 1991 (1) Innere Stadt 0,364 Innen - West (6.,7.,8.,9.) 0,338 Innen - Süd (3.,4.,5.) 0,298 Innen - Ost (2.,20.) 0,384 Innenbezirke 0,332 Außen- West (12. - 19.) 0,363 Außen - Süd (10.,11.,23.) 0,457 Außen - Ost (21.,22.) 0,431 Außenbezirke 0,402 Umland - Ost 0,244 Umland - Südost 0,433

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 130

Umland - Südwest 0,350 Umland - West 0,223 Umland - Nord 0,272 Umland 0,323 Summe Wien-Umland 0,363 (1) ... Nach Dienstleistungsbeschäftigten gewichteter Mittelwert der Spezialisierungskoeffizienten der Zählbezirke bzw. Gemeinden Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991

Die räumliche Verteilung der Spezialisierungsgrade weist innerhalb des Wiener Stadtgebietes sowohl eine deutliche Assymetrie zwischen den westlichen und östlichen Stadtteilen als auch eine klare Differenzierung zwischen den zentrumsnahen und peripheren Gebieten auf. Die homogenste Branchenstruktur im Wiener Stadtraum haben die gründerzeitlichen Gebiete südlich und westlich der City. Vor allem die Bezirke 4 bis 7 und die gürtelnahen Bereiche der westlichen Außenbezirke sind durch Beschäftigungsanteile in den einzelnen Dienstleistungsbranchen, die jenen der ganzen Untersuchungsregion ähneln, gekennzeichnet. Wesentlich höhere Spezialisierungsgrade weisen überraschenderweise die Teile des ersten Bezirkes auf, was auf eine deutliche Abgrenzung zwischen Regierungs-, Verwaltungs-, Einkaufs- und Bürocity schließen läßt. Je größer die Entfernung von den zentralen Bereichen der Stadt ist, desto spezialisierter wird die Branchenstruktur. In den meisten Teilen der östlichen und südlichen Außenbezirke am Stadtrand, Gegenden mit geringen Tertiärisierungsgraden und der Dominanz bestimmter Dienstleistungsaktivitäten, sind Spezialisierungskoeffizienten von über 0,5 zu beobachten. Auch die Wohngebieten am westlichen Stadtrand am Rande des Wienerwaldes weisen höhere Spezialisierungsgrade als die zentraleren Gebiete auf, was größtenteils an der dort dominierenden Rolle der Wirtschaftsdienste liegt. Die Gemeinden im Umland von Wien sind durch eine wesentlich homogenere Branchenstruktur gekennzeichnet, da diese, wie bereits erwähnt, wesentlich eigenständigere Siedlungen darstellen als die Wiener Zählbezirke, die ein Teil eines größeren Systems sind. Daher haben zumindest die größeren Gemeinden eine Grundausstattung an den haushaltsorientierten persönlichen und sozialen Diensten aufzuweisen, die meisten Abweichungen vom Durchschnitt beruhen auf der Dominanz von Wirtschafts- oder distributiven Diensten. Die höchsten Spezialisierungsgrade haben die Gemeinden im Süden zu verzeichnen, wobei hier Vösendorf und die benachbarten Gemeinden mit dem Schwerpunkt Einzel- und Großhandel und Schwechat als Zentrum der Verkehrsdienste herausragen. Die hohen Spezialisierungskoeffizienten der kleineren Gemeinden sind darauf zurückzuführen, daß bei niedrigen Beschäftigtenzahlen oft ein Betrieb dominiert, wodurch das Gesamtbild verzerrt wird, und sind daher nicht weiter beachtenswert. 2.1.4.2. Lokalisierungskoeffizienten Mit Hilfe von Lokalisierungskoeffizienten kann man den Grad der Konzentration einer Branche innerhalb eines Untersuchungsgebietes bestimmen. Dadurch können für jeden Wirtschaftsbereich

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 131

Aussagen über die Bedeutung von Lokalisationseffekten, die durch die Ballung mehrerer Betriebe der gleichen Branche an einem Standort entstehen, getroffen werden. Die Grenzen des Lokalisierungskoeffizienten sind ebenso wie beim Spezialisierungskoeffizienten 0 und 1, wobei ein Wert von 0 bedeutet, daß die räumliche Verteilung einer Wirtschaftsbranche genau der Gesamtverteilung aller untersuchten wirtschaftlichen Tätigkeiten entspricht. Je größer der Koeffizient ist, desto höher ist der Grad der räumlichen Konzentration einer Branche, ein Wert von 1 besagt, daß die betrachtete Tätigkeit auf einen einzigen Teilraum konzentriert ist. Um Aussagen über die kleinräumigen Konzentrationstendenzen der einzelnen Wirtschaftrsbereiche treffen zu können, wurden die Lokalisierungskoeffizienten der neun unterschiedenen Dienstleistungsgruppen auf der Ebene der Zählbezirke bzw. Gemeinden berechnet. Es scheint wichtig, darauf hinzuweisen, daß dadurch im Gegensatz zum Punkt B.2.1.3., in dem großräumigere Verteilungen zwischen den Stadtteilen analysiert wurden, hier die räumliche Ballung bestimmter Sektoren auf wesentlich kleinere Gebiete untersucht wird. Tab.19: Lokalisierungskoeffizienten der neun Dienstleistungsgruppen 1991

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9)

0,456 0,281 0,252 0,298 0,343 0,430 0,375 0,353 0,458 (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95)

(6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98) (7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88)

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991 Am stärksten neigen die Bereiche Bank- und Versicherungswesen, Verwaltung und Interessensvertetung sowie Verkehr und Nachrichtenübermittlung zur räumlichen Konzentration innerhalb des Stadtraumes. Während dieses Phänomen bei den beiden ersteren Branchen allerdings auf Ballungen im Stadtzentrum zurückzuführen ist, konzentrieren sich Verkehrsdienste eher auf bestimmte periphere Standorte, die aufgrund ihrer besonders verkehrsgünstigen Lage für derartige Betriebe geeignet sind. Wesentlich geringer sind die Konzentrationstendenzen von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, obwohl hier große Versorgungsunterschiede zwischen den Stadtteilen (siehe B.2.1.3.7.) zu beobachten sind, sowie im Großhandel. Die geringsten Lokalisierungskoeffizienten sind erwartungsgemäß bei den Konsumdiensten, die sich auch innerhalb der Stadtteile relativ gleichmäßig im Raum verteilen, zu beobachten. Überraschend ist hingegen der geringe Wert der Wirtschaftsdienste, die zwar deutliche zentrale und sektorale Standortmuster mit Schwerpunkt auf dem westlichen Teil des Untersuchungsgebietes aufweisen, vermutlich aufgrund ihrer kleinbetrieblichen Struktur aber zu einer relativ ausgeglichenen Verteilung neigen. Überhaupt scheint die Betriebsgrößenstruktur einer Branche großen Einfluß auf die kleinräumige Verteilung von Dienstleistungsbetrieben zu haben, was durch eine Korrelation von 0,80 zwischen den

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 132

Lokalisierungskoeffizenten der Dienstleistungsbranchen und deren durchschnittlichen Beschäftigtenzahlen pro Betrieb unterstrichen wird. Das bedeutet, daß gerade große Dienstleistungsbetriebe der gleichen Branche zu Konzentrationen auf bestimmten Standorten neigen, während sich kleinere Unternehmungen eher in heterogen strukturierten Gebieten ansiedeln und zur Durchmischung mit anderen Nutzungen tendieren. Die außergewöhnliche Ballung der wichtigsten Banken- und Versicherungszentralen oder der Verwaltungsgebäude in bestimmten Gegenden der Inneren Stadt oder die Konzentration von Speditionsunternehmungen entlang der Südautobahn können als Beispiele dafür herangezogen werden, daß die Lokalisierungseffekte bei großen Dienstleistungsbetrieben wichtiger sind als füe kleine Unternehmungen, die stärker von Urbanisationseffekten profitieren. 2.1.4.3. Assoziationen von Dienstleistungsbetrieben verschiedener Branchen Nach der isolierten Betrachtung der einzelnen Branchen sollen nun Ähnlichkeiten in der räumlichen Verteilung verschiedener Branchen untersucht werden. Tendieren Betriebe verschiedener Branchen zu ähnlichen oder benachbarten Standorten, kann dies entweder auf ähnliche Standortanforderungen oder bestimmte Interaktionen zwischen den Unternehmungen zurückzuführen sein. Zu diesem Zweck wurde in Anlehnung an den Lokalisierungskoeffizienten eine Maßzahl definiert, die Aufschluß darüber geben soll, inwieweit sich die Standorte bestimmter Dienstleistungsbetriebe an der Nähe anderer Branchen orientieren. Diese Assoziationskoeffizienten berechnen sich aus der Differenz von zwei verschiedenen Branchenanteilen eines Teilgebietes am Gesamtraum, deren Absolutbeträge zuerst summiert und dann halbiert werden. Dadurch erreicht man Werte zwischen 0 und 1, wobei 0 eine völlige Gleichverteilung zweier Merkmale bedeutet. Je höher der Wert des Gleichverteilungskoeffizienten ausfällt, desto stärker weichen die räumlichen Verteilungen voneinander ab, 1 bedeutet, daß es kein Gebiet gibt, in dem beide Merkmale vertreten sind. Es wurden die Assoziationskoeffizienten aller möglichen Kombinationen von Dienstleistungsbranchen auf kleinräumiger Basis anhand der 336 Zählbezirke bzw. Gemeinden berechnet und in einer symmetrischen Matrix, in der die besonders bemerkenswerten Ergebnisse fett gedruckt sind, dargestellt. Tab.20: Matrix der Assoziationskoeffizienten bezüglich anderer Dienstleistungsbranchen 1991

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10)

(1) 0,46 0,45 0,56 0,57 0,50 0,60 0,62 0,64 0,46 (2) 0,46 0,33 0,41 0,41 0,45 0,49 0,45 0,59 0,28 (3) 0,45 0,33 0,31 0,36 0,50 0,46 0,43 0,53 0,25 (4) 0,56 0,41 0,31 0,39 0,57 0,46 0,39 0,54 0,30 (5) 0,57 0,41 0,36 0,39 0,56 0,48 0,49 0,56 0,34 (6) 0,50 0,45 0,50 0,57 0,56 0,60 0,60 0,61 0,43 (7) 0,60 0,49 0,46 0,46 0,48 0,60 0,53 0,63 0,38 (8) 0,62 0,45 0,43 0,39 0,49 0,60 0,53 0,56 0,35 (9) 0,64 0,59 0,53 0,54 0,56 0,61 0,63 0,56 0,46

(1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76)

(5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 133

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77)

(9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991, Volkszählung 1991

Ähnliche räumliche Verteilungen sind vor allem bei den verschiedenen Arten von persönlichen Diensten, also zwischen Gastgewerbe, Einzelhandel, Kultur-, Freizeit- und Reinigungsdiensten festzustellen. Dieses Phänomen beruht zweifellos auf den ähnlichen Standortfaktoren dieser Branchen, die allesamt hauptsächlich auf die Nähe ihrer Kunden, der privaten Haushalte, angewiesen sind. Auch Wirtschaftsdienste scheinen sich an ähnlichen Standorten wie Betriebe, die persönliche Dienstleistungen anbieten, anzusiedeln, während ihnen Verkehrs- und soziale Dienste eher ausweichen. Trotz der unterschiedlichen Nachfragerstrukturen und Betriebsgrößen tendieren der Einzel- und Großhandel aufgrund vergleichbarer Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen ebenso zu räumlichen Assoziationen. Besonders spezialisierte Standortanforderungen scheinen vor allem das Bank- und Versicherungswesen sowie die öffentliche Verwaltung zu haben. Beide gehen vor allem den flächenintensiven Betrieben aus dem Bereich des Geundheits- und Bildungswesens sowie der distributiven Dienste in ähnlicher Weise aus dem Weg, neigen aber nicht zu gemeinsamen Standorten. Die Verteilung beider Branchen ähnelt noch am ehesten der Verteilung der Wirtschaftsdienste, da diese ebenso eher zentral orientiert sind. Die Tatsache, daß die Bereiche Bildungs- und Gesundheitswesen sowie die Verkehrsdienste aufgrund ihrer völlig unterschiedlichen Tätigkeiten fast konträre Standortfaktoren aufweisen, schlägt sich auch in ihrem Assoziationskoeffizienten deutlich nieder. Überraschend erscheint hingegen, daß sich Betriebe, die im Bereich der Verkehrsdienste tätig sind, nur selten die selben Standorte wählen wie Großhändler, da diese beiden Branchen durchaus vergleichbare Anforderungen haben. 2.1.4.4. Assoziationen von Dienstleistungen und anderen Nutzungen Um Aussagen darüber zu erhalten, inwieweit sich die Standorte an Dienstleistungsbetrieben an der räumlichen Verteilung von anderen Nutzungen orientieren, wurden auch bezüglich der Wohnbevölkerung und der Industriebeschäftigten Assoziationskoeffizienten berechnet. Diese sollen Aufschluß darüber geben, welche Branchen sich stärker an der Wohnbevölkerung orientieren und für welche eher die Nähe von industriellen oder gewerblichen Nutzungen wichtig ist. Zur Untersuchung der diesbezüglich unterschiedlichen Standortpräferenzen wurden die Berechnungen ebenfalls auf der kleinräumigen Ebene der Zählbezirke bzw. der Gemeinden durchgeführt, und schließlich die Standortpräferenz bezüglich der Wohnbevölkerung als prozentuelle Abweichung der beiden Assoziationskoeffizienten berechnet. Tab.21: Assoziationskoeffizienten bezüglich der Wohnbevölkerung und der Beschäftigten im sekundären Sektor 1991 (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10)

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 134

Bez. der Wohnbevölkerung 0,67 0,51 0,42 0,36 0,43 0,64 0,43 0,45 0,58 0,39 Bez. der Beschäftigten im sek. Sektor 0,68 0,50 0,46 0,41 0,49 0,63 0,53 0,34 0,56 0,41 Standortpräferenz bez. der Wohnbev. 0,7% -1,9% 10,6% 12,2% 13,8% -0,9% 23,0% -25,7% -2,7% 5,9% (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95)

(6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98) (7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991, Volkszählung 1991

Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen, daß die Gesamtheit aller Dienstleistungen eine leichte Standortpräferenz bezüglich der Wohnbevölkerung aufweist, das heißt, daß sich Dienstleistungsbetriebe eher in Wohngebieten als in Industriegebieten ansiedeln. Dieses Phänomen ist vor allem bei sämlichen Konsumdiensten zu beobachten, während es sich bei den distributiven Diensten, die ähnliche Standortanforderungen haben wie Industriebetriebe, genau konträr verhält. Ebenfalls plausibel erscheint die klare Standortpräferenz des Bildungs- und Gesundheitswesens, dessen Verteilung eher der Wohnbevölkerung als der Industriebeschäftigten entspricht. Die Bereiche Bank- und Versicherungswesen, Verwaltung und Verkehr konzentrieren sich weder in Wohn- noch Industriegebieten, sie siedeln sich, wie es bereits bei der Betrachtung der Lokalisierungskoeffizienten festgestellt wurde, meist auf speziellen Standorten in der Nähe ähnlicher Betriebe an, da sie mehr als andere Branchen von verschiedenen Lokalisierungseffekten profitieren. Am besten zur Mischung mit anderen Nutzungen eignet sich hingegen der Einzelhandel, der sowohl in Wohngebieten als auch in Industriezonen günstige Standortfaktoren vorfindet. 2.1.4.5. Übersicht über die Standortpräferenzen der einzelnen Dienstleistungsbranchen bezüglich der Nutzungsstruktur der Umgebung Die unterschiedlichen Präferenzen der einzelnen Dienstleistungsbranchen hinsichtlichlich der Nutzungsstruktur eines Standortes, die im Zuge der Berechnung von Spezialisierungs-, Lokalisierungs- und Assoziationskoeffizienten ermittelt wurden, werden abschließend in einer Tabelle grob zusammengefaßt, um einen Überblick über die Bedeutung von Agglomerationseffekten für verschiedene Dienstleistungstätigkeiten zu bekommen. Während Betriebe, die die Nähe von Unternehmungen der selben Branche suchen, meist von Lokalisationseffekten profitieren, deutet eine Präferenz für Standorte, die eine hohe Dichte von anderen Industrie- oder Dienstleistungsbetrieben aufweisen, auf den positiven Einfluß von Urbanisationseffekten hin. Tab.22: Standortpräferenzen der Dienstleistungsbranchen bezüglich der Nutzungsstruktur (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) Nähe von Wohngebieten - o + + + - + - - Nähe von Industriebetrieben - o o o o - - + - Nähe von Dienstleistungsbetrieben der selben Branche + - - - o + o o +

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 135

Nähe von Dienstleistungsbetrieben aller Branchen - + + + o - o o - + positive Standortpräferenz bezüglich dieser Nutzungsstruktur (Betriebe dieser Branche siedeln sich gerne an solchen Standorten an) o keine ausgeprägte Standortpräferenz bezüglich dieser Nutzungsstruktur (Betriebe dieser Branche verhalten sich indifferent) - negative Standortpräferenz bezüglich dieser Nutzungsstruktur (Betriebe dieser Branche weichen tendenziell solchen Standorten aus) (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95)

(6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98) (7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88)

Quelle: Eigene Erhebungen

2.2. WACHSTUMSDYNAMIK UND RÄUMLICHE MOBILITÄT VON DIENSTLEISTUNGSAKTIVITÄTEN 2.2.1. STANDORTSPEZIFISCHE WACHSTUMSUNTERSCHIEDE DES DIENST- LEISTUNGSSEKTORS Zur Untersuchung der räumlichen Unterschiede der Entwicklung des Dienstleistungssektors wurden die prozentuallen Zuwachs- oder Schrumpfungsraten der Beschäftigtenzahlen zwischen 1981 und 1991 auf kleinräumigerer Ebene berechnet und in Karte 7 („Änderung der Dienstleistungsbeschäftigten“) graphisch dargestellt. Die Ergebnisse auf der räumlichen Betrachtungsebene der Bezirks- bzw. Gemeindegruppen sowohl für den gesamten tertiären Sektor, als auch für die einzelnen Dienstleistungsbranchen, die in Punkt B.2.2.2. behandelt werden, ermittelt und sind in Tabelle 23 ersichtlich. Tab.23: Relative Veränderung der Zahl der Dienstleistungsbeschäftigten zwischen 1981 und 1991 in Prozent (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) Innere Stadt -5,6% 69,0% 28,1% -7,0% 21,2% -4,2% 33,5% -

32,9% -21,8% 3,0% -

51,0% -4,7%

Innen - West (6.,7.,8.,9.)

39,7% 116,2% 25,8% -14,8%

-8,9% -6,9% 56,3% -27,6% -0,6% 16,5% -45,9% -2,4%

Innen - Süd (3.,4.,5.) 26,5% 135,2% 26,0% -1,9% 12,7% 12,0% 39,6% -10,6% 16,5% 23,4% -29,5% 6,6% Innen - Ost (2.,20.) 7,5% 142,6% 24,7% -7,0% 40,0% 119,5

% -7,3% -13,4% 11,2% 18,9% -40,7% 1,0%

Innenbezirke 25,7% 126,8% 25,7% -9,1% 8,1% 14,8% 39,1% -

17,5% 9,7% 19,6% -

38,5% 1,7%

Außen- West (12. - 19.) 35,2% 83,9% 12,2% -

18,4% 11,8% -9,0% 30,2% 14,2% 24,6% 16,7% -26,7% 0,3%

Außen - Süd (10.,11.,23.)

3,4% 250,1% 1,9% 17,1% 32,2% 52,7% 19,2% 47,4% 26,6% 36,1% -6,6% 14,7%

Außen - Ost (21.,22.) 35,7% 321,5% 62,9% 29,5% 203,9%

26,3% 61,3% 74,9% 27,1% 63,1% 10,2% 34,8%

Außenbezirke 25,5% 127,2% 16,2% -1,3% 33,5% 10,4% 31,3% 34,9% 25,8% 28,1% -12,7%

10,1%

Umland - Ost 32,2% 220,6% 13,2% 5,1% 10,6% -3,0% 33,3% 41,2% 10,0% 24,1% -13,5% 1,2% Umland - Südost 52,5% 239,1% 53,4% 31,0% 108,4

% 26,6% 20,0% 59,8% 191,4% 91,1% -10,2% 32,1%

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 136

Umland - Südwest 40,3% 220,0% 46,0% 24,2% 33,1% 23,2% 19,7% 50,1% 98,3% 51,5% -14,3% 21,3% Umland - West 26,3% 157,5% 20,7% 41,6% 72,6% 18,6% 42,7% 103,0

% 28,9% 47,0% -6,0% 24,8%

Umland - Nord 31,5% 144,2% 31,3% 31,5% 18,7% -31,5% 44,6% 72,9% 24,4% 34,4% -1,1% 15,3% Umland 35,7% 201,0% 35,2% 27,2% 45,8% 6,2% 32,2% 59,9% 107,4

% 51,3% -9,6% 20,5%

Summe Wien-Umland

10,9% 118,4% 24,2% -0,5% 23,2% 7,1% 34,1% 12,7% 22,6% 23,0% -20,9%

6,8%

(1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft)

Quelle: Arbeitsstättenzählung 1981 /1991

Bei der ersten Betrachtung der Ergebnisse fällt auf, daß die Zahl der Dienstleistungsbeschäftigten gerade in jenen Gebieten, die hohe Tertiärisierungsgrade aufzuweisen haben, viel langsamer wächst als in solchen, in denen der Dienstleistungssektor noch nicht so entwickelt ist. Dieses Phänomen drückt sich im Korrelationskoeffizienten zwischen den Dienstleistungsanteilen und den prozentualen Beschäftigungssteigerungen im tertiären Sektor der Bezirke bzw. der Umlandregionen aus, der -0,57 beträgt. Der Schluß liegt nahe, daß sich der Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft nicht überall gleichzeitig vollzieht, sondern sich erst langsam über die gesamte Stadtregion ausbreitet. Während manche zentrale Gebiete mit hohen Dienstleistungsanteilen und -dichten bereits eine Obergrenze der Tertiärisierung erreicht zu haben scheinen, sind die höchsten Zuwachsraten im tertiären Sektor nun in periphereren Stadtteilen zu beobachten. Dieser Trend läßt sich daher auf die zeitliche und räumliche Differenzierung der Entwicklungsstufen eines längerfristigen Prozesses zurückführen und trägt zu einer Angleichung der Beschäftigungsanteile des tertiären Sektors zwischen verschiedenen Stadtteilen bei. Obwohl die starke räumliche Differenzierung des Wachstums der Dienstleistungsarbeitsplätze als Aufholprozeß der weniger entwickelten Gebiete interpretiert werden kann, darf nicht übersehen werden, daß dieser Prozeß auch eine Folge des Bedeutungsverlustes der Stadtkerne und damit der Suburbanisierung darstellt. Die Wachstumsraten des Dienstleistungssektors steigen tatsächlich mit der Entfernung zum Stadtzentrum stark an. Blieb die Beschäftigungszahl bei plus 3% in 10 Jahren in der Inneren Stadt praktisch unverändert, betrug das tertiäre Wachstum in den Innenbezirken 19,6%, in den Außenbezirke 28,1% und im Umland 51,3%. Da sich die Schrumpfungsraten im produzierenden Sektor in umgekehrter Richtung entwickeln, kam es insgesamt zu einer deutlichen Verschiebung des Arbeitsplatzangebotes zugunsten des Stadtrandes und des Umlandes. Das Beschäftigungswachstum weist innerhalb des Stadtraumes eine dem Tertiärisierungsgrad entgegengesetze asymmetrische räumliche Verteilung auf. Während die Dienstleistungszentren der Inneren Stadt sowie der westlichen und südlichen Innenbezirke ebenso stagnieren wie die von Wirtschaftsdiensten dominierten Wohngebiete am Rande des Wienerwaldes, sind in den Industriegebieten im Süden der Stadt, wie etwa am Laaerberg, in Rothneusiedel oder in der Umgebung

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 137

der Wienerberger Ziegelfabrik im 10., in der südlichen Simmeringer Haide im 11. und in Atzgersdorf, Inzersdorf oder Siebenhirten im 23.Bezirk, Zuwächse von weit über 50% zu beobachten. Auch östlich der Donau entwickelt sich der Dienstleistungssektor in den meisten industriell strukturierten Gebieten, wie etwa in der Leopoldau, entlang der Shuttleworthstraße, in Kagran oder an der Erzherzog-Karl-Straße besonders positiv. Dieser Trend unterstreicht, daß die höchste Wachstumsdynamik bei den produktionsnahen Diensten besteht, die sich bei ausreichender Infrastruktur und Bodenverfügbarkeit in der unmittelbaren Umgebung ihrer Partner aus der Industrie ansiedeln. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, daß sich die wesentlich dynamischere Entwicklung des tertiären Sektors im Süden und im Osten größtenteils auf die Industrizonen beschränkt. Die Dienstleistungszentren der südlichen und östlichen Außenbezirke weisen mit wenigen Ausnahmen, wie zum Beispiel dem Bezirkszentrum Favoriten, im Schnitt keine wesentlich höheren Beschäftigungszuwächse auf als vergleichbare Standorte im Westen. Dies beweist, daß das größte Wachstums- und Entwicklungspotential im Dienstleistungssektor zur Zeit im Bereich der innovativen produktionsnahen Wirtschaftsdienste vorhanden ist, das sich aufgrund der hohen Distanzsensibilität der erstellten Leistungen weitgend auf Industriestandorte beschränkt. Bei der Betrachtung der Umlandregionen fällt auf, daß sich die im Stadtraum von Wien zu beobachtende Tendenz zur Angleichung der Tertiärisierungsgrade in den Gemeinden nicht fortsetzt. Der Dienstleistungssektor entwickelt sich gerade in jenen Gebieten, in denen der Strukturwandel bereits relativ weit fortgeschritten ist, am dynamischsten. Die höchsten Zuwachsraten sind im Raum Schwechat, in den Gemeinden entlang der Südautobahn und einigen Wienerwaldgemeinden zu verzeichnen, während in den eher unterentwickelten Gebiete nördlich und östlich von Wien weit weniger Dienstleistungsarbeitsplätze neu geschaffen wurden. Weder in den städtischen Zentren, wie Stockerau, Korneuburg oder Gänserndorf, noch in den kleineren Gemeinden, wo sich die geringen Zuwächse allerdings in relativ hohen Steigerungsraten niederschlagen, konnten entscheidende Schritte bei der Entwicklung des Dienstleistungssektors gemacht werden, weshalb diese Regionen am Rande des Weinviertels und des Marchfeldes eine äußerst ungünstige Ausgangsposition für zukünftiges Wirtschaftswachstum haben, und daher von Abwanderung und steigenden Pendlerzahlen bedroht sind. 2.2.2. STANDORTSPEZIFISCHE WACHSTUMSUNTERSCHIEDE DER EINZELNEN DIENSTLEISTUNGSBRANCHEN Nach der Betrachtung des unterschiedlichen Entwicklung des gesamten tertiären Sektors sollen nun die Unterschiede in der räumlichen Wachstumsdynamik der einzelnen Dienstleistungsbranchen untersucht werden. Da eine flächendeckende kartographische Darstellung der Zuwachsraten für jede der neun Branchen zu umfangreich gewesen wäre, wurden primär die Ergebnisse auf der Ebene der Bezirks- bzw. Gemeindegruppen für die Analyse herangezogen, bei auffallenden kleinräumigen

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 138

Wachstumsschwerpunkten sollen aber auch die jeweiligen Werte auf der Zählbezirks- bzw. Gemeindeebene angeführt werden. 2.2.2.1. Banken und Versicherungen (91 / 92) Das Banken- und Versicherungswesen hat sich in den 80er Jahren leicht dezentralisiert, da die Beschäftigungsverluste in der City durch überdurchschnittliches Wachstum in den übrigen Teilen von Wien und im Umland mehr als kompensiert wurden. Besonders deutlich war die Verschiebung des Schwerpunktes in Richtung der Bezirke 3 bis 9 und in die westlichen und östlichen Außenbezirke. Eher geringe Zuwächse sind hingegen in den östlichen Innenbezirken, deren Banken- und Versicherungszentren am Donaukanal sogar Verluste hinnehmen mußten, und Bezirken am südlichen Stadtrand, wo die Situation relativ unverändert blieb, zu beobachten. Höhere relative Zuwachsraten als in den Außenbezirken sind in den Umlandgemeinden festzustellen, wo sich die Suburbanisierung aber fast ausschließlich in den größeren Städten, wie etwa Gänserndorf, Groß-Enzersdorf, Korneuburg, Stockerau, Mödling, Perchtodsdorf, Tulln oder Klosterneuburg niederschlägt. Es scheint daher eine Strategie dieser Unternehmenskonzerne zu sein, Filialen aus dem Stadtzentrum Wiens in die größeren Gemeinden im Wiener Umland zu verlagern, um dadurch die Erreichbarkeit für die Kunden zu verbessern und negativen Agglomerationseffekten auszuweichen. 2.2.2.2. Wirtschaftsdienste (93) Die Wirtschaftsdienste im engeren Sinne, mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 118,4% in 10 Jahren (8,1% pro Jahr) die mit Abstand dynamischste Wirtschaftsbranche, entwickeln sich ebenfalls an der Peripherie schneller als im Stadtzentrum. Dazu ist allerdings anzumerken, daß sich dieser Vergleich nur auf die jeweiligen Relativwerte bezieht. Betrachtet man die absoluten Werte, so ist festzustellen, daß in allen Umlandgemeinden zusammen weniger Arbeitsplätze im Bereich der Wirtschaftsdienste geschaffen wurden als im ersten Bezirk, obwohl deren Einwohnerzahl fast zwanzig Mal so groß ist. Trotzdem ist aber von der Tendenz her ein leichter Trend zur Dezentralisierung der Wirtschaftsdienste zu bemerken, der sich in geringeren Zentrum-Rand Gradienten niederschlägt. Die Entwicklung der Wirtschaftsdienste verlief innerhalb der Innenbezirke relativ ausgeglichen, wobei die Entwicklungsschwerpunkte mit Ausnahme des Gebietes um das AKH zumeist in der Umgebung der wichtigsten Geschäftsstraßen und zentralen Punkten liegen. Im Vergleich der Außenbezirke hingegen ist ein deutliches Ungleichgweicht vor allem zugunsten des Ostens, aber auch des Südens und zu beobachten, wo vor allem in den Industriegebieten neue Arbeitsplätze im Bereich der Wirtschaftsdienste (siehe B.2.2.1.) geschaffen wurden. Im Vergleich zu den Einwohnern sind in den westlichen Außenbezirken in den letzten 10 Jahren nicht wesentlich mehr Arbeitsplätze im diesem Bereich

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 139

hinzugekommen als im Osten und bereits weniger als im Süden der Stadt, weshalb es zu einer deutlichen Angleichung zwischen den Stadtrandregionen gekommen ist. Ähnlich verhält es sich zum Teil auch zwischen den Umlandregionen, wo die diesbezüglich unterentwickelten Regionen im Süden und Südosten überdurchschnittlich hohe Zuwachsraten bei den Wirtschaftsdiensten aufweisen. Doch auch im Bezirk Mödling, im dem bereits 1981 höhere Beschäftigungsanteile zu beobachten waren als in den meisten Wiener Außenbezirken, wuchs diese Branche weit überdurchschnittlich, während der unterentwickelte Norden die geringsten Zuwachsraten aller Umlandregionen zu verzeichnen hatte. Obwohl bei den Wirtschaftsdiensten viele zusätzliche Arbeitsplätze in den größeren Gemeinden geschaffen wurden, sind hier im Gegensatz zum Banken- und Versicherungswesen auch im ländlichen Raum und in Kleingemeinden durchaus positive Entwicklungen möglich. Das bedeutet, daß Wirtschaftsdienste nicht nur auf periphere Subzentren, sondern auch auf niedrigrangige Standorte außerhalb von urbanen Gebieten ausweichen und damit zur Dezentralisierung und Verringerung räumlicher Ungleichgewichte beitragen können. 2.2.2.3. Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) Im Beherbergungs- und Gaststättenwesen hat sich die bestehende Verteilung, die auf einer mit der Entfernung zum Stadtzentrum abnehmenden Dichte innerhalb des Stadtraumes und einer überdurchschnittlichen Bedeutung im Umland beruht, in den 80er Jahren leicht verstärkt. Während das Beschäftigungswachstum in dieser Branche in der City und in den Innenbezirken mit jeweils knapp 30% ziemlich ausgeglichen und durchschnittlich verlief, ereigneten sich am Stadtrand einige Verschiebungen. In den Stadtteilen östlich der Donau waren mit über 60% die höchsten Zuwachsraten aller untersuchten Bezirks- bzw. Gemeindegruppen zu beobachten, sicherlich auch aufgrund der rasant wachsenden Wohnbevölkerung in dieser Gegend, auf die das Angebot an Konsumdiensten naturgemäß relativ schnell reagiert. Im Gegensatz dazu velief die Entwicklung in den südlichen und westlichen Außenbezirken nur ziemlich langsam, was auf den Nutzungsdruck anderer Branchen zurückzuführen sein dürfte. Von den Umlandgebieten entwickelten sich auch im Gastgewerbe die Regionen Südwest und Südost am dynamischesten, der bereits gut ausgestattete Westen blieb bezüglich des Beschäftigungswachstums ebenso wie die Gegenden nördlich und östlich von Wien deutlich dahinter. 2.2.2.4. Einzelhandel (74 / 75 / 76) Im Einzelhandel spiegelt sich die Suburbanisierung noch deutlicher als bei Änderung der Bevölkerungsverteilung innerhalb der Stadtagglomeration wieder. In fast allen untersuchten Bezirksgruppen Wiens sind deutliche Rückgange der Einzelhandelsberschäftigten zu beobachten, wobei vor allem der Westen die höchsten Schrumpfungsraten aufweist. Lediglich die südlichen und östlichen Außenbezirke haben diesbezügliche Zuwächse zu verzeichnen, wofür einerseits die Stadtteilzentren, wie etwa in Favoriten oder in Kagran, aber auch Gebiete in der Nähe von Industriezonen anderseits

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 140

verantwortlich sind. Gewinner dieser zentrifugalen Verlagerung des Einzelhandels sind aber eindeutig die Gemeinden in der Umgebung Wiens. Die höchsten relativen Beschäftigungszuwächse sind aber nicht mehr im Bezirk Mödling, wo in den Handelszentren Vösendorf und Brunn am Gebirge wieder zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen wurden, sondern in den westlichen Wienerwaldgemeinden, wie etwa Tulln, Klosterneuburg oder Purkersdorf, zu beobachten. Auch im Norden und im Südosten war die Entwicklung hauptsächlich in den größeren Städten wie Stockerau, Korneuburg und Langenzersdorf bzw. Schwechat durchaus positiv, nur im Bezirk Gänserndorf stagnierte der in bezug auf die Bevölkerung ohnehin schwache Einzelhandel. 2.2.2.5. Sonstige persönliche Dienste (94 / 95) Besonders starke räumliche Unterschiede sind bei der Entwicklung der sonstigen persönlichen Dienste, die hauptsächlich Kultur- und Freizeit- sowie Reinigungs- und Körperpflegediensten umfassen, zu beobachten. Auch wenn die City noch eine durchaus günstige Wachstumsrate, die allerdings fast ausschließlich auf das Staatsopernviertel beschränkt ist, aufweist, scheint sich dieser Bereich ansonsten eher auf peripheren Standorten positiv zu entwickeln. Obwohl die Wachstumsraten tendenziell mit der Entfernung zum Stadtzentrum ansteigen, sind die Werte der einzelnen Stadtteile äußerst unterschiedlich. Sowohl in den Innen- als auch in den Außenbezirken liegt der Schwerpunkt der Entwicklungsdynamik im Osten mit dem Schwerpunkt Shuttleworthstraße in Floridsdorf, von wo diese Richtung Süden und vor allem Richtung Westen deutlich abnimmt. Im Umland hingegen weisen die Gemeinden östlich von Wien auch bei den persönlichen Diensten die ungünstigsten Werte aller Umlandregionen auf, auch der diesbezüglich unterentwickelte Norden schneidet nicht viel besser ab. Durchaus positiv ist die Entwicklung der Regionen Südost und West zu bewerten, wo vor allem in den Gemeinden Schwechat, Himberg und Fischamend bzw. Klosterneuburg und Tulln überdurchschnittlich viele zusätzliche Arbeitsplätze in dieser Branche geschaffen werden konnten. 2.2.2.6. Verwaltung und Interessensvertretung (98) Der Bereich der Verwaltung und Interessensvertretung, der eine besonders hohe Konzentration auf die Innere Stadt aufweist, hat sich im Beobachtungszeitraum innerhalb des Wiener Stadtgebietes einerseits leicht dezentralisiert und sich andererseits Richtung Osten verlagert. Dies drückt sich sowohl im Beschäftigungsrückgang im ersten sowie in den westlichen Innen- und Außenbezirken als auch im weit überdurchschnittlichen Wachstum in den zentralen Bereichen jenseits des Donaukanals aus. Bei einer kleinräumigeren Betrachtung könnte man von einer teilweisen Verlagerung der Verwaltung von der City und den westlichen Innenbezirken an den östlichen und südlichen Cityrand, und hier vor allem an das Nordbahnhofgelände, die Wiedner Hauptstraße, die Prater- sowie die Weißgerberlände sprechen. Im Gegensatz dazu haben viele zentrale Bereiche in den anderen Innenbezirken, wie vor allem die

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Umgebung der Liechtensteinstraße im 9. oder Matzleinsdorf im 5.Bezirk deutllich an Beschäftigten in dieser Branche verloren. In den südlichen Außenbezirken fallen vor allem jene fast 2.000 Arbeitsplätze, die am Wienerberg in Favoriten geschaffen wurden, ins Gewicht, während im Westen die Zahl der Verwaltungsbeschäftigten an vielen Standorten zurückging. Im Wiener Umland hat die ungünstigste Entwicklung wieder einmal im Norden, wo durch einen Rückgang von über 500 Beschäftigten in Stockerau fast ein Drittel aller Arbeitsplätze in der Verwaltung verloren ging, stattgefunden. Während auch im Osten leichte Verluste zu verzeichnen waren, stiegen in den südlichen und westlichen Umlandregionen die Beschäftigungszahlen in diesem Bereich um rund 20%, wofür hauptsächlich Brunn und Maria-Enzersdorf im Bezirk Mödling, Klosterneuburg im Westen und Schwechat im Süden-Osten verantwortlich waren. 2.2.2.7. Gesundheits- und Bildungswesen (96 / 97) Die Beschäftigungszahlen im Gesundheits- und Bildungswesen, dessen räumliche Verteilung in den meisten Fällen von zentralen Stellen geplant wird, wachsen weitgehend unabhängig von der Entfernung zum Stadtzentrum relativ gleichmäßig, doch sind zwischen den Standorten innerhalb der vier Stadtzonen doch erhebliche Unterschiede zu bemerken. Innerhalb der Innenbezirke war zwischen 1981 und 1991 eine Verlagerung zugunsten des ohnehin schon gut versorgten Westens zu beobachten, vor allem im Universitätsviertel des 9.Bezirkes wurden über 4.000 zusätzliche Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen, während im Osten die Beschäftigung zurückging. In den Außenbezirken verlief die Entwicklung konträr, da in den diesbezüglich bislang deutlich unterentwickelten Gebieten östlich der Donau bewußt Schwerpunkte in der Planung von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen gesetzt wurden. Strebersdorf, das Bezirkszentrum von Floridsdorf und Stadlau, wo das Sozialmedizinische Zentrum Ost errichtet wurde, haben hier die größten Beschäftigungszuwächse zu verzeichnen. Aber auch die westlichen Außenbezirke haben durch die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze in Speising, Lainz, Steinhof oder im Döblinger Cottageviertel die Versorgung der Wohnbevölkerung mit sozialen Diensten wesentlich verbessert. Im Umland verlief die Entwicklung relativ ausgeglichen mit leichtem Schwerpunkt auf den Gebieten westlich und nördlich von Wien. Die bedeutensten Wachstumspole sind auch im Bereich des Gesundheits- und Bildungswesens die größeren Städte wie Korneuburg, Stockerau, Mödling, Tulln und Klosterneuburg, obwohl auch kleinere Gemeinden wie Obersiebenbrunn, Straßhof, Laab am Walde oder Purkersdorf bemerkenswerte Zuwachsraten aufzuweisen haben. 2.2.2.8. Großhandel (71 / 72 / 73 / 77) Der Großhandel war zwischen 1981 und 1991 von deutlichen Suburbanisierungstendenzen, die sich in der Entwicklung der Beschäftigungszahlen niederschlagen, geprägt. Während im ersten Bezirk rund ein Drittel und in den Innenbezirken rund ein Sechstel aller Arbeitsplätze im Großhandel verloren gingen,

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 142

stiegen die Beschäftigungszahlen am Stadtrand und im Umland um etwa 35% bzw. 60%. Da die Zahl der Beschäftigten in der gesamten Region nur um durchschnittliche 12,7% in 10 Jahren gewachsen ist, kann man von einer echten Betriebsstandortverlagerung von den dicht bebauten Bereichen an die Peripherie sprechen. Auch die Schwerpunkte innerhalb der vier Zonen zeigen, daß dabei die Verfügbarkeit und die Kosten von Betriebsgrundstücken die entscheidende Rolle spielen dürfte, da sowohl im Vergleich der Innen-, als auch der Außenbezirke jeweils die weniger dicht bebauten Gebiete im Osten der Stadt die günstigeren Wachstumsraten aufzuweisen haben. Während in fast allen Teilen der Innenbezirke Beschäftigungsverluste zu beobachten waren, haben sich vor allem in der Nähe der Industriegebiete jenseits der Donau, wie etwa der Leopoldau, Kagran, Shuttlewothsraße, Biberhaufen oder Scheydgasse, zusätzliche Großhandelsbetriebe angesiedelt. Noch günstiger für Großhändler scheinen aber Betriebsstandorte im Umland von Wien zu sein. Während sich die Beschäftigtenzahl in den westlichen Gemeinden in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat, ist neben deutlichen Zuwächsen in Stockerau, Korneuburg und Langenzersdorf im Norden auch der Trend im Bezirk Mödling, der als Handelszentrum für die gesamte Ostregion gilt, ungebrochen. In Vösendorf, Wiener Neudorf, Maria-Enzersdorf, Laxenburg, Brunn und Biedermannsdorf wurden zwischen 1981 und 1991 insgesamt weit über 2.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Großhandel geschaffen, wobei in dieser Region vor allem die äußerst günstige Verkehrslage und die vorhandene Infrastrukturausstattung eine große Rolle für diese positive Entwicklung gespielt haben dürfte. 2.2.2.9. Verkehr und Nachrichtenübermittlung (81 / 82 / 83 / 84 / 85 / 88) Auch Betriebe, die Verkehrs- und Nachrichtendienste anbieten, haben in den letzten Jahren stark zur Dezentralisierung tendiert. Die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen verlief ziemlich genau entgegengesetzt zur Nutzungsdichte und dem Verstädterungsgrad eines Gebietes. Während die Zahl der Beschäftigten in der City und den westlichen Innenbezirken zurückging, gab es in den südlichen und östlichen Innenbezirken, vor allem in der Umgebung des Praters und des alten Gaswerkes im 3.Bezirk, leichte Zuwächse. In den Außenbezirken ist eine relativ ausgeglichene positive Entwicklung in allen drei Bezirksgruppen festzustellen, wobei hier die Schwerpunkte in der Nähe wichtiger Verkehrsinfrastruktur, wie etwa des Zentralwerkes der Wiener Verkehrsbetriebe, des West-, oder des Nordwestbahnhofes, liegen. Im Umland von Wien verläuft die Entwicklung dieser Branche hingegen äußerst unterschiedlich. Eine Ausnahmestellung nimmt dabei die Region Südost mit der Gemeinde Schwechat ein, auf die mit über 4.500 mehr als ein Drittel der zusätzlich im Verkehrssektor geschaffenen Arbeitsplätze des gesamten Untersuchungsgebietes entfielen. Auch im Bezirk Mödling haben sich die Verkehrsdienste äußerst dynamisch entwickelt und die Beschäftigungszahlen innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt, wofür ähnlich wie beim Großhandel die Gemeinden entlang der Südautobahn hauptverantwortlich waren. In

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den übrigen Regionen, in denen die distributiven Dienstleistungen eine wesentlich geringere Rolle spielen, war auch in den Jahren zwischen 1981 und 1991 keine besondere Wachstumsdynamik zu bemerken, weshalb sich die Konzentration von Betrieben dieser Branchen auf den Raum südlich von Wien weiter verstärkt hat. 2.2.3. ÄNDERUNGEN DER VERTEILUNGSMASSZAHLEN 2.2.3.1. Spezialisierungskoeffizienten Die Änderung der Spezialisierungskoeffizienten zwischen den Jahren 1981 und 1991 gibt Aufschluß darüber, ob sich die Zählbezirke bzw. Gemeinden in ihrer Branchenstruktur mehr oder weniger spezialisiert haben. Faßt man die Teilergebnisse durch die Berechnung von gewichteten Mittelwerten zu größeren räumlichen Einheiten zusammen, kann man daher Aussagen darüber treffen, welche Stadtteile oder Umlandregionen zur Angleichung und Homogenisierung und welche zu einer wachsenden Differenzierung der räumlichen Verteilung der verschiedenen Dienstleistungsbranchen tendieren. Tab.24: Änderung der Spezialisierungskoeffizienten zwischen 1981 und 1991

(1) (2) (3) Innere Stadt 0,357 0,364 1,9% Innen - West (6.,7.,8.,9.) 0,333 0,338 1,7% Innen - Süd (3.,4.,5.) 0,288 0,298 3,4% Innen - Ost (2.,20.) 0,374 0,384 2,6% Innenbezirke 0,325 0,332 2,3% Außen- West (12. - 19.) 0,366 0,363 -0,7% Außen - Süd (10.,11.,23.) 0,433 0,457 5,6% Außen - Ost (21.,22.) 0,419 0,431 3,1% Außenbezirke 0,391 0,402 2,8% Umland - Ost 0,238 0,244 2,5% Umland - Südost 0,322 0,433 34,5% Umland - Südwest 0,335 0,350 4,4% Umland - West 0,244 0,223 -8,7% Umland - Nord 0,200 0,272 36,4% Umland 0,283 0,323 13,9% Summe Wien-Umland 0,351 0,363 3,4% (1) ... Nach Dienstleistungsbeschäftigten gewichteter Mittelwert der Spezialisierungskoeffizienten der Zählbezirke bzw. Gemeinden 1981 (2) ... Nach Dienstleistungsbeschäftigten gewichteter Mittelwert der Spezialisierungskoeffizienten der Zählbezirke bzw. Gemeinden 1991 (3) ... Relative Änderung 1981 / 1991 Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991

Grundsätzlich kann gesagt werden, daß die Spezialisierung der einzelnen Teilgebiete hinsichtlich der Branchenstruktur im Dienstleistungssektor in fast allen Teilen des Untersuchungsgebietes gestiegen ist. Dies deutet darauf hin, daß Dienstleistungsbetriebe immer stärker zu Branchenkonzentrationen in

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bestimmten Gebieten neigen, was einerseits mit der wachsenden Spezialisierung der Tätigkeiten und den daraus folgenden Standortanforderungen, und andererseits mit der steigenden durchschnittlichen Betriebsgröße (siehe B.1.4.2.) zu erklären ist. Besonders ausgeprägt ist diese wachsende Spezialisierung in den Gemeinden südöstlich und nördlich von Wien, deren Branchenstruktur tendenziell immer einseitiger wird. Dieses Phänomen ist vor allem durch die Auslagerung von Betrieben aus dem distributiven Sektor in bestimmte Umlandregionen, die sich immer stärker auf diese Branchen konzentrieren, zu erklären. 2.2.3.2. Lokalisierungskoeffizienten Die Änderung der Lokalisierungskoeffizienten zwischen den Jahren 1981 und 1991 gibt an, in welchen der betrachteten neun Dienstleistungsbranchen Konzentrations- und in welchen eher Dispersionstendenzen zu beobachten waren. Tab.25: Änderung der Lokalisierungskoeffizienten zwischen 1981 und 1991 (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) 1981 0,487 0,281 0,259 0,292 0,322 0,399 0,380 0,299 0,417 1991 0,456 0,281 0,252 0,298 0,343 0,430 0,375 0,353 0,458 Relative Änderung -6,3% -0,0% -2,5% 2,0% 6,5% 7,8% -1,2% 17,8% 9,8% (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95)

(6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98) (7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88)

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991

Im Banken- und Versicherungswesen, das allerdings traditionell ausgeprägte Konzentrationsmuster innerhalb von Städten aufweist („Bankenviertel“), sind die Tendenzen zur Homogenisierung der räumlichen Verteilung am deutlichsten. Auch im Gesundheits- und Bildungswesen sowie im Gastgewerbe ist ein leichter Trend zur Dispersion über den Stadtraum zu beobachten. Wesentlich schneller verläuft hingegen die wachsende Konzentration von Betrieben aus dem Bereich der distributiven Dienste. Während der Großhandel allerdings bisher eher homogen im Stadtraum verteilt war, hat sich die ohnehin schon starke räumliche Ballung von Unternehmungen im Bereich der Verkehrsdienste weiter verstärkt. Ähnliches gilt für die Verwaltung, deren Konzentration auf zentrale Standorte ohnehin bereits sehr hoch war, und für die persönlichen Dienste. Der Einzelhandel weist zwar deutliche Suburbanisierungstendenzen auf, doch führt dies nicht zu einer Homogenisierung der räumlichen Verteilung, sondern zu einer dezentralen Konzentration an Standorten am Stadtrand und in der Umgebung. 2.2.3.3. Assoziationskoeffizienten

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 145

Die Änderung der Assoziationskoeffizienten gibt Aufschluß darüber, ob die Bedeutung der unmittelbaren Nachbarschaft von Wohn- bzw. Industriegebieten für Dienstleistungsbetriebe zu- oder angenommen hat. Die Ergebnisse lassen sich vor allem hinsichtlich der Entwicklung der Kundenstruktur (Private Haushalte oder Industriebetriebe) und der Änderung der Bedeutung von Entfernungs- und Erreichbarkeitskriterien interpretieren. Tab.26: Änderung der Assoziationskoeffizienten zwischen 1981 und 1991 (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10)

Assoziationskoeffizient bezüglich der Wohnbevölkerung 1981 0,713 0,512 0,412 0,369 0,441 0,627 0,420 0,456 0,574 0,391 1991 0,672 0,506 0,416 0,365 0,433 0,638 0,434 0,454 0,575 0,386 Relative Änderung -5,8% -1,2% 1,0% -1,1% -1,8% 1,8% 3,5% -0,3% 0,2% -1,2%

Assoziationskoeffizient bezüglich der Beschäftigten im sek. Sektor 1981 1981

0,678 0,500 0,427 0,383 0,470 0,584 0,493 0,338 0,530 0,387 1991 0,677 0,496 0,460 0,409 0,493 0,632 0,534 0,337 0,560 0,409 Relative Änderung -0,3% -0,7% 7,7% 6,9% 4,9% 8,3% 8,4% -0,1% 5,6% 5,5% (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95)

(6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98) (7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1991

Sowohl das Banken- und Versicherungswesen als auch die Wirtschaftsdienste haben sich, obwohl beide Bereiche nur teilweise private Kunden bedienen, eindeutig verstärkt in Wohngebiete verlagert. Auch der Einzelhandel und die persönlichen Dienste haben sich im Zuge ihrer Dezentralisierung an die Veteilung der Wohnbevölkerung im Untersuchungsgebiet leicht angenähert. Im Gegensatz dazu haben sich gerade Einrichtungen der sozialen Dienstleistungen, deren Standorte größtenteils von öffentlichen Stellen geplant werden, und deren Erreichbarkeit für die privaten Haushalte besonders wichtig ist, tendenziell eher aus den Wohngebieten zurückgezogen, was vor allem an der diesbezüglichen Unterversorgung der Neubaugebiete am Stadtrand liegt. Das bereits in anderen Berechnungen festgestellte Phänomen, daß kommerzielle Wirtschaftsdienste sich verstärkt an Industriestandorten ansiedeln, kann auch hier bestätigt werden. Während sich alle persönlichen und sozialen Dienste deutlich von industriell geprägten Gebieten abwenden, ist nur in diesem Bereich ein leichter Trend zur wachsenden räumlichen Assoziation von Dienstleistungs- und Produktionsbetrieben zu beobachten, und das obwohl die sekundäre Sektor immer noch starke Suburbanisierungstendenzen aufweist, und sich dadurch von den traditionellen Standorten der Wirtschaftsdienste entfernt. 2.2.4. RÄUMLICHE MOBILITÄT VON WIRTSCHAFTSDIENSTEN IN WIEN

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 146

Um Aussagen über Verlagerungsprozesse und Neugründungstätigkeiten von Dienstleistungsbetrieben innerhalb des Stadtraumes von Wien treffen zu können, wurden die in den beiden Ausgaben des „Dienstleistungs- und Behördenkompasses“ der Jahre 1983/84 und 1993/94 angeführten Betriebe und deren Standorte verglichen. Dieses Firmenverzeichnis, das in Zusammenarbeit des Compass Verlages mit der Wirtschaftskammer jährlich herausgegeben wird, enthält insgesamt rund 7.000 Österreichische Dienstleistungsunternehmungen, hauptsächlich aus dem Bereich der Wirtschaftsdienste, und weist für diese unter anderem auch den Betriebsstandort aus. Da die Erfassung der Betriebe, die sich in der für diese Arbeit definierten Umlandregion befinden, kaum möglich war, wurde die Untersuchung auf den Stadtraum von Wien beschränkt. Es wurden Betriebe aus folgenden Branchen erfaßt: • Banken (nur Zentralen) • Factoring-Gesellschaften • Leasing Unternehmen, Personalbereitstellung • Versicherungsanstalten • Versicherungsmakler, -berater • Inkassoinstitute, Auskunfteien • Immobilienhändler, Gebäudeverwalter • Betriebsberatung, Marktforschung, • Datenverarbeitung • Werbeunternehmungen • Transportunternehmungen, Spiditeure, Lagerungsunternehmungen • Reisebüros • Tankschutz, Industrielle Reinigung • Gemeinnützige Wohnungsunternehmungen • Versuchsanstalten • Technische Büros Als räumliche Ebene der durchgeführten Untersuchungen wurden die Wiener Gemeindebezirke herangezogen, die für eine großräumigere Betrachtung zu den bereits bekannten sieben Bezirksgruppen ( siehe B.1.1.1.) zusammengefaßt wurden. Beim Vergleich der beiden genau zehn Jahre auseinanderliegenden Ausgabe des Dienstleistungs- und Behördenkompasses konnten insgesamt 756 Unternehmungen identifiziert werden, die zu beiden Zeitpunkten einen Betriebsstandort in Wien hatten. Während 505 Betriebe (66,8%) zwischen Juli 1983 und August 1993 ihren Standort beibehielten, verlagerten 251 Betriebe, also ziemlich genau ein Drittel aller untersuchten Firmen, mindestens einmal ihren Standort, was einer durchschnittlichen jährlichen Verlagerungsrate von 3,32% entspricht. Diese im Vergleich zu Industrie- oder anderen Dienstleistungsunternehmungen enorm hohe Fluktuation hängt zwefellos mit der kleinbetrieblichen

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Struktur und dem geringen Investitionsvolumen von Wirtschaftsdienstleistungsbetrieben zusammen. Die 251 festgestellten Betriebsverlagerungen wurden zunächst in einer Verlagerungsmatrix auf Bezirksebene dargestellt. Tab.27: Betriebsverlagerungen zwischen 1983 und 1993 auf Bezirksebene nach der Betriebsstandortanalyse nach dem Dienstleistungs- und Behördenkompass

1 6 7 8 9 3 4 5 2 20 12 13 14 15 16 17 18 19 10 11 23 21 22 ∑ 1 26 2 7 3 4 4 2 3 4 1 2 2 3 2 1 3 4 3 1 77 6 1 2 1 1 1 1 1 1 9 7 2 2 1 3 1 1 1 11 8 1 1 1 1 4 9 2 1 3 1 1 1 1 10 3 3 3 1 11 1 1 3 1 1 2 1 2 1 31 4 2 2 1 2 8 2 1 1 1 1 21 5 1 1 2 2 4 2 3 1 2 1 1 1 3 18 20 1 1 2 12 1 1 1 2 5 13 2 1 1 1 1 3 1 10 14 1 1 15 2 2 2 2 1 2 1 12 16 1 2 1 1 5 17 1 1 18 1 1 1 2 1 6 19 2 1 2 1 6 10 1 1 1 3 6 11 4 4 23 1 1 1 1 3 7 21 1 1 2 22 1 1

∑ 43 12 16 7 14 26 18 7 13 6 6 10 3 6 7 1 5 12 11 14 8 3 3 251 Zahl der erhobenen Betriebsverlagerungen zwischen 1983 und 1993 Bezirke geordnet nach Bezirksgruppen Datengrundlage: Dienstleistungs- und Behördenkompass 1983/84 und 1993/1994

Die Auswertung dieser Matrix erfolgte einerseits graphisch in Karte 8 („Betriebsstandortverlagerungen im Raum Wien zwischen 1983 und 1993“), wo sämliche Verlagerungen zwischen den sieben Bezirksgruppen dargestellt wurden, und andererseits nach ihrer Richtung. Die dabei entscheidende Frage war, ob sich die Verlagerungen tatsächlich eher in zentrifugaler Richtung vollzogen, wie dies nach den Ergebnissen der Wachstumsanalyse zu erwarten wäre und welche Stadtteile davon besonders profitierten. Tab.28: Richtung der Betriebsverlagerungen der Betriebsstandortanalyse nach dem Dienstleistungs- und Behördenkompass

inklusive Verlagerungen innerhalb des Bezirkes exklusive Verlagerungen innerhalb des Bezirkes (1) (2) (3) (1) (2) (3) ∑

(1) 26 29 22 77 (1) 0 29 22 51 (2) 14 67 27 108 (2) 14 38 27 79 (3) 3 23 40 66 (3) 3 23 17 43

∑ 43 119 89 251 ∑ 17 90 66 173

(1) 10,4% 11,6% 8,8% 30,7% (1) 0,0% 16,8% 12,7% 29,5% (2) 5,6% 26,7% 10,8% 43,0% (2) 8,1% 22,0% 15,6% 45,7% (3) 1,2% 9,2% 15,9% 26,3% (3) 1,7% 13,3% 9,8% 24,9%

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 148

∑ 17,1% 47,4% 35,5% 100,0% ∑ 9,8% 52,0% 38,2% 100,0%

(1) ... Innere Stadt (2) ... Innenbezirke (3) ... Außenbezirke Datengrundlage: Dienstleistungs- und Behördenkompass 1983/84 und 1993/1994

Von den 251 identifizierten Verlagerungen innerhalb des Wiener Stadtraumes fanden 78 (31,1%) innerhalb des Bezirkes und 23 (9,2%) innerhalb der Bezirksgruppe, also zwischen ähnlich ausgestatteten Standorten statt. 150 (59,8%) Betriebe verlagerten ihren Standort über die Grenzen der Bezirksgruppen hinaus, nahmen also eine entscheidende Änderung des Produktionsstandortes in einen meist anders strukturierten Stadtteil vor. Davon wichen 78 (31,1%) in zentrifugaler, und nur 40 (15,9%) in zentripetaler Richtung aus, während 32 (12,7%) Betriebe zwar die Bezirksgruppe wechselten, aber in der gleichen Zone blieben. Dieses Ergebnis zeigt, daß die Verlagerungen tendenziell in zentrifugaler Richtung verlaufen, und es daher eindeutig die peripheren Standorte sind, die davon profitieren. Das Mobilitätszentrum Wiens in bezug auf die untersuchten Wirtschaftsdienstleistungsbetriebe ist eindeutig der westliche Teil der Stadt. Von den insgesamt 51 Betrieben, die den ersten Bezirk verlassen haben, haben 30 ihren Standort in Richtung der westlichen Innen- oder Außenbezirke verlagert, außerdem ereigneten sich 57,4% aller lokalen Umzüge (innerhalb der Bezirksgruppe) in der inneren Stadt oder den westlichen Bezirken. Die vornehmlich zentrifugale Verlagerungsrichtung von Dienstleistungsbetrieben kann durch zwei unterschiedliche Trends erklärt werden. Die Subzentralisierung einerseits drückt sich in der Standortverlagerung vom Citykern an den Cityrand, vor allem in die südlichen und westlichen Innenbezirke aus, die Suburbanisierung andererseits macht sich hauptsächlich durch die Verlagerungen von den dicht bebauten Stadtgebieten an den westlichen Stadtrand bemerkbar. 37,1% aller zentrifugalen Verlagerungen tragen zur Subzentralisierung, der Rest zur Suburbanisierung bei, wobei letztere zu 61,1% die westlichen Wienerwaldbezirke betrifft. Die Betriebsverlagerungen in zentripetaler Richtung betreffen nur in wenigen Fällen die Innere Stadt, die meisten Umzüge finden zwischen den westlichen Außen- und den südlichen und westlichen Innenbezirken statt. Um das Verlagerungssaldo und damit die Attraktivität der Bezirke relativieren zu können, wurden zusätzlich auch die Bezirksanteile an allen 1713 Betrieben, die im Dienstleistungs- und Behördenkompass 1983/84 in den oben angeführten Branchen angeführt sind, und an den 1552 Neugründungen der Jahre 1984 bis 1993, die in der Ausgabe 1993/94 aufscheinen, berechnet. Dieses Vorgehen war nötig, da aufgrund der nicht angestrebten Vollständigkeit dieses Verzeichnisses keine lückenlose Auflistung aller Schließungen, Neugründungen und Verlagerungen möglich war. Daher kann man die Ergebnisse des Bestandes 1983 und der Neugründungen nicht gegenüberstellen, sondern nur ihre Verteilung auf die Bezirke vergleichen. Als Kennwerte dieser Standortattraktivitätsuntersuchung der Bezirke wurden das Verlagerungssaldo (Anteil an den Zuwanderungen zwischen 1983 und 1993 - Anteil an den Abwanderungen zwischen 1983 und 1993) und die Neugründungsdynamik (Anteil an den Neugründungen zwischen 1983 und 1993 - Anteil am Bestand 1983) herangezogen. In den meisten

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Bezirken sind keine großen Abweichungen zwischen diesen beiden Werten zu beobachten, weshalb kein signifikanter Unterschied zwischen der Standortwahl neugegründeter und verlagerungswilliger Betriebe festgestellt werden kann. Tab.29: Gesamtergebnisse der Betriebsstandortanalyse nach dem Dienstleistungs- und Behördenkompaß auf Bezirksebene Absolute Werte Relative Werte (1) (2) (3) (4) (5) (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) Innere Stadt

478 279 149 77 43 27,90% 17,98% 29,50% 30,68% 17,13% -9,93% -13,55%

6 64 54 12 9 12 3,74% 3,48% 2,38% 3,59% 4,78% -0,26% 1,20% 7 72 98 24 11 16 4,20% 6,31% 4,75% 4,38% 6,37% 2,11% 1,99% 8 35 39 15 4 7 2,04% 2,51% 2,97% 1,59% 2,79% 0,47% 1,20% 9 88 97 38 10 14 5,14% 6,25% 7,52% 3,98% 5,58% 1,11% 1,59% Innen-West

259 288 89 34 49 15,12% 18,56% 17,62% 13,55% 19,52% 3,44% 5,98%

3 160 125 33 31 26 9,34% 8,05% 6,53% 12,35% 10,36% -1,29% -1,99% 4 118 97 35 21 18 6,89% 6,25% 6,93% 8,37% 7,17% -0,64% -1,20% 5 42 45 17 2 7 2,45% 2,90% 3,37% 0,80% 2,79% 0,45% 1,99% Innen-Süd

320 267 85 54 51 18,68% 17,20% 16,83% 21,51% 20,32% -1,48% -1,20% 2 93 72 27 18 13 5,43% 4,64% 5,35% 7,17% 5,18% -0,79% -1,99% 20 33 17 13 2 6 1,93% 1,10% 2,57% 0,80% 2,39% -0,83% 1,59% Innen-Ost

126 89 40 20 19 7,36% 5,73% 7,92% 7,97% 7,57% -1,62% -0,40%

12 39 54 10 5 6 2,28% 3,48% 1,98% 1,99% 2,39% 1,20% 0,40% 13 54 67 11 10 10 3,15% 4,32% 2,18% 3,98% 3,98% 1,16% 0,00% 14 31 39 8 1 3 1,81% 2,51% 1,58% 0,40% 1,20% 0,70% 0,80% 15 57 46 17 12 6 3,33% 2,96% 3,37% 4,78% 2,39% -0,36% -2,39% 16 38 39 9 5 7 2,22% 2,51% 1,78% 1,99% 2,79% 0,29% 0,80% 17 26 26 7 1 1 1,52% 1,68% 1,39% 0,40% 0,40% 0,16% 0,00% 18 43 57 13 6 5 2,51% 3,67% 2,57% 2,39% 1,99% 1,16% -0,40% 19 65 84 13 6 12 3,79% 5,41% 2,57% 2,39% 4,78% 1,62% 2,39% Außen-West

353 412 88 46 50 20,61% 26,55% 17,43% 18,33% 19,92% 5,94% 1,59%

10 54 60 15 6 11 3,15% 3,87% 2,97% 2,39% 4,38% 0,71% 1,99% 11 27 30 9 4 14 1,58% 1,93% 1,78% 1,59% 5,58% 0,36% 3,98% 23 56 49 18 7 8 3,27% 3,16% 3,56% 2,79% 3,19% -0,11% 0,40% Außen-Süd

137 139 42 17 33 8,00% 8,96% 8,32% 6,77% 13,15% 0,96% 6,37%

21 21 38 4 2 3 1,23% 2,45% 0,79% 0,80% 1,20% 1,22% 0,40% 22 19 40 8 1 3 1,11% 2,58% 1,58% 0,40% 1,20% 1,47% 0,80% Außen-Ost

40 78 12 3 6 2,34% 5,03% 2,38% 1,20% 2,39% 2,69% 1,20%

Summe Wien

1713

1552

505 251 251 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 0,00% 0,00% (1) ... Erhobene Betriebe 1983 (2) ... Neugründungen zwischen 1983 und 1993 (3) ... Betriebe ohne Standortwechsel zwischen 1983 und 1993

(4) ... Abgewanderte Betriebe zwischen 1983 und 1993 (5) ... Zugewanderte Betriebe zwischen 1983 und 1993 (6) ... Neugründungsdynamik (2)-(1) (7) ... Verlagerungssaldo (5)-(4)

Quelle: Dienstleistungs- und Behördenkompass 1983/84 und 1993/1994

Die Ergebnisse der Betriebsstandortanalyse nach dem Dienstleistungs- und Behördenkompass entsprechen, wenn man die Neugründungsdynamik und das Wanderungssaldo der Bezirksgruppen betrachtet, durchaus den Erkenntnissen, die im Zuge der Untersuchung der Wachstumsdynamik der Dienstleistungsbeschäftigten in den Abschnitten B.2.2.1. und B.2.2.2. gewonnen wurden. Die Innere Stadt ist auch bei der Betrachtung der Betriebsverlagerungen von Wirtschaftsdiensten mit 43 zu- und 77

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 150

abgewanderten Betrieben der klare Verlierer der Betriebsverlagerungsanalyse. Auch die Neugründungsdynamik ist in der City im Wiener Vergleich ziemlich gering. Während im Jahre 1983 noch über 27% aller erfaßten Betriebe dort ihren Standort hatten, wurden nur rund 18% aller neuen Betriebe im ersten Bezirk gegründet. Ebenfalls rückläufig ist die Entwicklung in den südlichen und östlichen Innenbezirken, wo beide Werte leicht negativ sind. Auszunehmen sind hier aber die Bezirke 5 und 20, die beide deutlich positive Verlagerungssaldi aufweisen. Wesentlich dynamischer entwickelten sich die westlichen Innenbezirke, die unter anderem auch von den Betrieben, die von der City dorthin verlagert wurden, profitierten und auch für neue Betriebe höchst attraktiv scheinen. In allen Außenbezirken mit Ausnahme des 15. und des 18.Bezirkes wanderten mehr Dienstleistungsbetriebe zu als ab und auch der Anteil der Neugründungen war fast überall wesentlich höher als dies aufgrund der Anteile im Jahr 1983 zu erwarten gewesen wäre. Von den Standortverlagerungen profitierten zwei so unterschiedlich strukturierte Bezirke wie der 11. und der 19. am meisten, die Neugründungsdynamik war in allen Außenbezirken ähnlich hoch. Gliedert man diese in die drei großen Gruppen, so scheint der Westen eher für neugegründete und der Süden für ältere Betriebe, die ihren Standort verlagern wollen, attraktiv zu sein. Der Osten spielt aufgrund seines geringeren Urbanisierungsgrades noch eine geringere Rolle, doch ist die Entwicklung im Bereich der betrachteten Wirtschaftsdienste durchwegs positv. 2.2.5. URSACHEN DER UNTERSCHIEDLICHEN RÄUMLICHEN ENTWICKLUNG VON DIENSTLEISTUNGSTÄTIGKEITEN Um die Ursachen der räumlichen Entwicklungsunterschiede von Dienstleistungstätigkeiten zu ermitteln, wurden verschiedene mikroräumlich relevante Standortfaktoren hinsichtlich ihres Einflusses auf das Beschäftigungswachstum der einzelnen Dienstleistungsbranchen mit Hilfe von Korrelationskoeffizienten untersucht. Da die Zählbezirke zu große Größenunterschiede aufweisen, und dadurch die Ergebnisse verzerrt worden wären, mußten die Korrelationen auf einer großräumigeren räumlichen Ebene ermittelt werden. Die Berechnung, für die in Wien die 23 Gemeindebezirke und in der Umgebung die fünf Umlandregionen herangezogen wurden, erfolgte also aufgrund von 28 Gebietseinheiten, deren Beschäftigungszahlen sich in ähnlichen Größenordnungen bewegen. Da diese Standortfaktoren mit dem prozentuellen Wachstum der einzelnen Dienstleistungsbranchen korreliert wurden, liefert diese Analyse keine Erklärung von bestehenden Strukturen, sondern Aussagen darüber, welche Faktoren die dynamische Entwicklung einer Branche begünstigen und welche diese erschweren. Die Ergebnisse können als theoretische Grundlage für eine effiziente Standortplanung herangezogen werden, da sie Hinweise auf die entscheidenden Standortfaktoren der verschiedenen Dienstleistungsbranchen geben. Zur Untersuchung wurden die wichtigsten kleinräumig relevanten Faktoren des Standortfaktorensystems nach STAUDACHER (1987), das in Punkt A.2.1.4. bereits näher erläutert wurde, herangezogen. Bei der Betrachtung der Ergebnisse ist natürlich insofern Vorsicht geboten, als gewisse Faktoren ähnliche Verteilungen aufweisen, und daher manche nur scheinbaren

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 151

Einfluß auf die Entwicklung der Dienstleistungsbranchen haben. So sind Standortfaktoren wie Parkraummangel, Lärmbelastung oder hohe Büromieten räumlich meist konzentriert anzutreffen, weil sie einander zumindest teilweise bedingen, und daher schwer differenziert und getrennt voneinander zu betrachten. 2.2.5.1. Nachfragefaktoren Um die Rolle, die die räumliche Verteilung der privaten Nachfrage für die Standortwahl der verschiedenen Dienstleistungsbranchen spielt, näher beleuchten zu können, muß der Zusammenhang zwischen dem Beschäftigungswachstum und der Dichte bzw. der Entwicklung der Wohnbevölkerung untersucht werden. Tab.30: Korrelationen zwischen Nachfragefaktoren und Beschäftigungswachstum

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12)

Bevölkerungsdichte (EW/ha) 1981

-0,18 -0,32 0,10 -0,62 -0,33 -0,14 0,18 -0,65 -0,23 -0,53 -0,54 -0,53

Reatives Bevölkerungswachstum 1981 / 1991

0,06 0,26 0,17 0,59 0,27 -0,11 0,05 0,70 0,26 0,47 0,57 0,37 (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft)

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991, Volkszählung 1981 Bei der Betrachtung der Ergebnisse bezüglich der Verteilung der Bevölkerung zeigt sich, daß die Entwicklung von Dienstleistungsbetrieben eher dort stattfindet, wo die Einwohnerdichte nicht allzu hoch ist. Dieses Phänomen hängt mit dem allgemeinen Dezentralisierungstrend der meisten Dienstleistungsbranchen zusammen, eine Tendenz, die vor allem im Einzel- und Großhandel, aber auch bei den Wirtschafts-, Verkehrs- und persönlichen Diensten deutlich zu beobachten ist. Ein fast konträres Bild ergibt sich bei der Analyse des Zusammenhanges zwischen dem Wachstum der Dienstleistungsbranchen und der Bevölkerungsentwicklung. Hier zeigt sich, daß die Dezentralisierung des tertiären Sektors größtenteils auf die Suburbanisierung der Wohnbevölkerung, der die Dienstleistungsanbieter folgen, um neue Nachfragergruppen versorgen zu können, zurückzuführen ist. Da

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 152

Dichte und Entwicklung der Einwohnerzahlen praktisch entgegengesetzt auftreten, propfitieren gerade jene Branchen, deren Wachstum in dünn besiedelten Gebieten am höchsten ist, besonders von Bevölkerungszuwächsen. Während dieser Zusammenhang bei den persönlichen Diensten, die sich aufgrund ihrer Nachfragerstruktur besonders stark an der Wohnbevölkerung orientieren, logisch erscheint, überrascht der Zuwachs an Betrieben des distributiven Sektors in Gebieten mit dynamischer Bevölkerungsentwicklung. Die Bevölkerungsbewegungen spielen hingegen bei der Standortwahl im Bank- und Versicherungswesen eine ebenso geringe Rolle wie bei den sozialen Diensten, wo anscheinend aufgrund mangelnder Flexibilität die Abstimmung der Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen auf geänderte Einwohnerzahlen nicht ausreichend funktioniert. 2.2.5.2. Assoziationsfaktoren Nicht nur die Nähe von privaten Haushalten als potentielle Nachfrager, sondern auch das betriebliche Umfeld eines Standortes ist für die Entwicklung von Dienstleistungsunternehmungen besonders wichtig, da jede Branche auf unterschiedliche Art von Urbanisations- und Lokalisationseffekten profitiert oder unter ihnen leidet. Während für manche Betriebe die Nähe zu komplementären Partnern wichtig ist und potentiellen Konkurrenzbetrieben bewußt ausweichen, suchen andere die Nähe der Betriebe der gleichen Branche, um etwa bestimmte Infrastruktureinrichtungen effizienter nutzen zu können. Folglich wurde der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Dienstleistungsbetriebe und der Branchenstruktur im Jahre 1981 untersucht, indem das Beschäftigungswachstum der neun Dienstleistungsgruppen mit dem Anteil der Industriebeschäftigten und der untersuchten Branche selbst korreliert wurde. Tab.31: Korrelationen zwischen Assoziationsfaktoren und Beschäftigungswachstum

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12)

Anteil der Beschäftigten im sekundären Sektor 1981

0,10 0,32 0,24 0,51 0,42 -0,10 -0,00 0,67 0,51 0,57 0,64 0,40

Anteil der Branche 1981

-0,30 -0,52 -0,23 -0,37 -0,36 -0,22 -0,02 -0,17 0,06 -0,57 0,64 (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft)

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991 Das Phänomen, daß Dienstleistungsbetriebe immer mehr mit produzierenden Betrieben verknüpft sind, hat auch räumliche Auswirkungen. Es sind gerade die industriell geprägten Gebiete, die hohe Wachstumsraten des tertiären Sektors aufweisen. Besonders deutlich ist dieser Zusammenhang erwartungsgemäß bei Betrieben, die distributive Dienste anbieten, aber auch der Einzelhandel, persönliche Dienstleistungen und Wirtschaftsdienste tendieren deutlich zu Industrie- oder

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 153

Gewerbestandorten. Dies hat zur Folge, daß Gebiete mit hohen Dienstleistungsanteilen für die meisten Branchen eher ungünstig erscheinen. Sämliche kommerzielle Wirtschaftsdienste und persönliche Dienstleistungen weichen Gebieten, in denen Betriebe dieser Art ohnehin schon stark vertreten sind, aus, um der drohenden Konkurrenz zu entgehen. Dieser Trend zu einer wachsenden Dezentralisierung und räumlichen Homogenisierung mancher Branchen läßt sich vor allem im Bereich der Wirtschaftsdienste als Folge der negativen Auswirkungen von zu starken räumlichen Konzentrationen erklären und könnte zu einer ausgeglicheneren Verteilung von modernen Arbeitsplätzen innerhalb der Stadtregion führen. Erleichtert wird dieser Prozeß durch den technischen Fortschritt im Bereich der Informationstechnologien, der den Arbeitsablauf und die Organisation dieser Betriebe maßgeblich beeinflußt und es ermöglicht, auch außerhalb bestimmter Standorte konkurrenzfähig zu sein. 2.2.5.3. Infrastrukturfaktoren Für Dienstleistungsbetriebe, die im Normalfall auf den persönlichen Kontakt mit Partnern oder Kunden angewiesen sind, spielt die Erreichbarkeit eine große Rolle. Daß gerade die Parkraumverfügbarkeit daher großen Einfluß auf die Entwicklung von Dienstleistungsbetrieben hat, wird anhand dieser Korrelation, in welcher der Anteil der PKW-Besitzer, die meistens Schwierigkeiten haben, in diesem Gebiet tagsüber einen Parkplatz zu finden, dem Beschäftigungswachstum gegenübergestellt wird, gezeigt. Da diese Daten im Zuge der Umwelterhebung 1982 nur für Wien erhoben wurden, konnte die Korrelation nur auf Basis des Stadtraumes ohne Berücksichtigung der Umlandgemeinden berechnet werden. Tab.32: Korrelationen zwischen Infrastrukturfaktoren und Beschäftigungswachstum

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12)

Schwierige Parkplatzsituation

-0,12 -0,20 0,08 -0,43 -0,30 -0,07 0,15 -0,70 -0,31 -0,48 -0,64 -0,44 (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft)

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991, Umwelterhebung 1982 Wie die Ergebnisse zeigen, sind vor allem Einzel- und Großhandelsbetriebe auf diesen Faktor angewiesen. Je schwieriger die Parkraumsituation ist, desto schlechter sind solche Standorte für diese Nutzung geeignet. Während auch Verkehrs-, Kultur- und Wirtschaftsdienste von der ausreichenden Verfügbarkeit von Parkraum profitieren, scheint dieser Faktor für die Entwicklung von Verwaltungsinstitutionen oder Hotel- und Gastronomiebetrieben nicht besonders bedeutend zu sein. 2.2.5.4. Immobilienfaktoren

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 154

Die Büromieten, die dieser Untersuchung zugrundeliegen, sind die Mittelwerte der Mietpreisintervalle für Büroflächen in Wien, die im Zuge einer Studie der MA 18 (1992) für sechs Bezirksgruppen erhoben wurden. Die Korrelation zwischen dem Bodenwert, der durch die Mieten repräsentiert wird, und der Beschäftigungsentwicklung beruht daher nur auf dem Vergleich von sechs Teilgebieten und berücksichtigt folglich keine kleinräumigen Differenzierungen innerhalb der Stadtteile. Tab.33: Korrelationen zwischen Immobilienfaktoren und Beschäftigungswachstum

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12)

Büromieten

-0,58 -0,79 -0,13 -0,65 -0,57 -0,04 -0,22 -0,94 -0,90 -0,83 -0,94 -0,79 (1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft)

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991 Die Ergebnisse zeigen, daß sich der Dienstleistungssektor in den 80er Jahren tendenziell in Stadtrandgebiete mit niedrigeren Büromieten verlagert hat. Vor allem die beiden flächenintensivsten Branchen, Großhandel und Verkehr, sind in ihrer Entwicklung ähnlich stark vom Bodenpreisniveau abhängig wie Betriebe des sekundären Sektors und expandieren daher an peripheren Standorten innerhalb des städtischen Raumes. Aber auch Branchen, die traditionell zur Zentralisierung neigen, wie das Bank- und Versicherungswesen oder die Wirtschaftsdienste, tendieren ebenso wie die weitgehend dispers verteilten persönlichen Dienste zu billigeren Standorten außerhalb des Zentrums. Die sozialen Dienste, also Verwaltung, Bildungs- und Gesundheitswesen, und das Gastgewerbe scheinen hohe Mieten hingegen nicht abzuschrecken. Während sich das Gaststätten- und Beherbergungswesen durch den anhaltenden Boom zum Städtetourismus immer stärker am Fremdenverkehr orientiert und daher besonders von zentralen Betriebsstandorten profitiert, würde eine verstärkte Verlagerung bestimmter öffentlicher Einrichtungen in Stadtrandrebiete nicht nur Kostenersparnisse bringen, sondern auch hochwertige Standorte für andere Nutzungen freimachen und zu einer Dezentralisierung von Einrichtungen der Verwaltung und des Gesundheitswesens beitragen. 2.2.5.5. Umweltfaktoren Als Indikator für die Umweltqualität eines Gebietes wurde der Anteil der Wohnbevölkerung, der sich durch Lärm erheblich belastet fühlt, herangezogen. Da diese Daten von der MA 22 nur für Wien erhoben wurden, beschränkt sich diese Analyse wie schon die Betrachtung der Infrastrukturfaktoren auf die 23 Stadtbezirke ohne Einbeziehung des Umlandes. Tab.34: Korrelationen zwischen Umweltfaktoren und Beschäftigungswachstum

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12)

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 155

Lärmbelastung

-0,20 -0,25 -0,03 -0,66 -0,45 0,09 -0,19 -0,83 -0,23 -0,71 -0,68 -0,70

(1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft)

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991, Umwelterhebung 1982 Auch die schlechte Umweltqualität scheint viele Dienstleistungsbetriebe aus den zentralen Stadtbereichen zu vertreiben, sogar Unternehmungen, die von verschiedenen Agglomerationsvorteilen profitieren, weichen Stadtteilen, die unter großer Lärmbelastung leiden, aus. Es wäre aber zweifellos falsch, die Umweltqualität als entscheidenden Faktor der Dezentralisierung der meisten Dienstleistungsbranchen zu bezeichnen, da andere Agglomerationsnachteile, die eine ähnliche räumliche Verteilug aufweisen wie die Lärmbelastung, vermutlich wesentlich größeren Einfluß auf diese Enwicklung haben. 2.2.5.6. Entwicklungsfaktoren Einflüsse, die durch ein dynamisches Wirtschaftsklima entstehen, werden als Entwicklungsfaktoren (kommen in der Standortfaktorensystematik nicht vor) bezeichnet. Um den Einfluß dieser Faktoren auf die Entwicklung der Dienstleistungstätigkeiten zu ermitteln, wurde das Beschäftigungswachstum der neun Dienstleistungsbranchen der Entwicklung der Gesamtbeschäftigung gegenübergestellt. Es zeigt sich, daß der Dienstleistungssektor mehr Vorteile aus einem dynamischen Wirtschaftsklima ziehen kann als der produzierende Sektor. Dies gilt vor allem für die Bereiche Handel, Verkehr und persönliche Dienstleistungen, aber auch in geringerem Ausmaß für Wirtschaftsdienste, das Gastgewerbe sowie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen. Im Gegensatz dazu ist die Entwicklung des Bank- und Versicherungswesens sowie der öffentlichen Verwaltung weitgehend unabhängig von der Situation der Betriebe in der Umgebung, derartige Unternehmungen können sich auch an Standorten, die geringere Wachstumschancen versprechen, positiv entwickeln. Tab.35: Korrelationen zwischen Entwicklungsfaktoren und Beschäftigungswachstum

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12)

Wachstum der Gesamtbeschäftigten

0,18 0,39 0,32 0,83 0,60 0,11 0,28 0,67 0,48 0,90 0,77 1,00

(1) ... Geld- und Kreditwesen (91), Privatversicherung (92) (2) ... Realitätenwesen, Rechts- und Wirtschaftsdienste (93) (3) ... Beherbergungs- und Gaststättenwesen (78) (4) ... Einzelhandel (74/75/76) (5) ... Koerperpflege und Reinigung, Bestattungswesen (94), Kunst, Unterhaltung und Sport (95) (6) ... Gebietskörperschaften, Interessensvertretungen (98)

(7) ... Gesundheits- und Fürsorgewesen (96), Unterricht und Forschung (97) (8) ... Großhandel (71/72/73), Lagerung (77) (9) ... Verkehr, Nachrichtenübermittlung (81/82/83/84/85/88) (10) . Summe aller Dienstleistungen (11) . Summe produzierender Sektor (12) . Summe aller Wirtschaftsklassen (ohne Landwirtschaft)

Raumstruktur und standortspezifische Wachstumsdynamik von Dienstleistungsaktivitäten in Wien Seite 156

Datengrundlage: Arbeitsstättenzählung 1981 / 1991

Tabellenverzeichnis Seite 165

C. ANHANG

• Zusammenfassung

• Kurzfassung

• Sumary

• Tabellenverzeichnis

• Kartenverzeichnis

• Quellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis Seite 166

ZUSAMMENFASSUNG 1. THEORETISCHER TEIL „Dienstleistungen“ werden oft als Restkategorie der wirtschaftlichen Tätigkeiten, die weder dem primären (Urproduktion) noch dem sekundärer Sektor (Verarbeitung) zugeordnet werden können, verstanden. Trotz der äußerst heterogenen Struktur des tertiären Sektors weisen alle Dienstleistungen folgende grundlegenden Eigenschaften auf: • Immaterialität • Unmöglichkeit des Transportes oder der Lagerung • Mehrstufiger Produktionsprozeß (Potentialproduktion / Endkombination) • Gleichzeitigkeit von Endfertigung und Verbrauch • Interaktion zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten Zur Gliederung der verschiedenen Dienstleistungstätigkeiten wurden die folgenden zwei Unterscheidungsmerkmale herangezogen: • Art der Leistungsverwertung (intermediär - Vorleistungen oder direkt - Konsumleistungen) • Träger des Dienstleistungsangebotes (staatlich oder privat) Aus der Kombination dieser beiden Unterscheidungskriterien ergibt sich unter Berücksichtigung pragmatischer Überlegungen eine fünfteilige Dienstleistungsssystematik: • Kommerzielle Wirtschaftsdienste: Dienstleistungen, die von privatwirtschaftlichen Firmen als

Vorleistungen für andere Betriebe produziert werden: Banken, Versicherungen, Rechtsdienste, Buchhaltung, Marketing, Datenverarbeitung, ...

• Persönliche Dienste: Dienstleistungen, die von privaten Anbietern für Haushalte zum Endverbrauch erstellt werden: Kultur- und Freizeitdienste, Einzelhandel, Reinigung, Körperpflege, Gaststätten- und Beherbergungswesen, Unterhaltung, ...

• Öffentliche Wirtschaftsdienste: Dienstleistungen, die von staatlichen Institutionen zur intermediären Verwendung für Wirtschaftsbetriebe angeboten werden: Wirtschaftsorientierte Ämter und Behörden, Forschung, Weiterbildung, staatliche Betriebsbeatung, ...

• Soziale Dienste: Dienstleistungen, die von der öffentlichen Hand für private Haushalte bereitgestellt werden: Öffentliche Verwaltung, Justiz, Soziale Sicherheit, Bildung, Gesundheitswesen, ...

• Distributive Dienste: Dienstleistungen, die zur Deckung der Mobilitäts-, Kommunikations- und Transportbedürfnisse der privaten Haushalte und der Wirtschaftsunternehmungen von privatwirtschaftlichen oder öffentlichen Anbietern erstellt werden: Verkehrsdienste, Telekommunikation, Großhandel, Nachrichtenwesen, ...

Die „Tertiärisierung“ der Wirtschaft ist ein Phänomen, das in allen Industriestaaten seit den fünfziger Jahren zu beobachten ist. Als mögliche Ursachen für diesen intersektoralen Strukturwandel werden in der Literatur hauptsächlich folgende Phänomene genannt:

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• Steigende Nachfrage nach Konsumdiensten infolge eines gesellschaftlichen Wertewandels • Geringere Produktivitätssteigerungsraten als im sekundären Sektor • Steigende Nachfrage nach Wirtschaftsdiensten aus dem Unternehmensbereich durch Externalisierung

(Auslagerung) und Intensivierung (Mehreinsatz) produktionsnaher Dienste Die Dienstleistungsgeographie ist jene wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten im Raum befaßt. Dieser Verteilung liegt stets eine unternehmerische Standortwahl zugrunde, die meist nicht nach Optimierungskalkülen, sondern nach vereinfachten Entscheidungsregeln („Heuristiken“) erfolgt. Eine besondere Rolle in diesem Entscheidungsprozeß spielt die Art der Kontaktaufnahme zwischen Produzenten und Nachfrager, die aufgrund der grundlegenden Eigenschaften von Dienstleistungen unumgänglich ist. Man unterscheidet dabei Abhol-, Liefer-, Vertreter- und kombinierte Standortsysteme, bei denen Leistungspotentialerstellung und Endkombination verschieden räumlich organisiert sind. In immer mehr Bereichen kann durch den Einsatz von Trägermedien die persönliche Kontaktaufnahme entfallen, wodurch die Frage der Erreichbarkeit relativiert wird. Die Standortentscheidung erfolgt nicht nur aufgrund einzelbetrieblicher Überlegungen, sondern bezieht meist auch das betriebliche Umfeld ein. Dienstleistungsbetriebe profitieren auf unterschiedliche Weise von Agglomerationseffekten, die auf bestimmten Standorten durch die Ballung von Arbeit, Kapital und Infrastruktur entstehen. Dabei unterscheidet man grundsätzlich Lokalisationseffekte, die zwischen Betrieben der selben Branche auftreten und zu einer räumlichen Konzentration gleichartiger Aktivitäten führen, und Urbanisationseffekte, die zwischen verschiedenen, meist komplemetären Betrieben zu beobachten sind und heterogene Nutzungsstrukturen begünstigen. Je nach den Auswirkungen von Agglomerationseffekten tendieren Dienstleistungsbetriebe entweder zu konzentrierten oder zu dispersen Verteilungen im Raum. All diese ökonomisch relevanten Kriterien, die der Unternehmer bei der Wahl eines Betriebsstandortes ins Kalkül zieht, werden unter dem Begriff „Standortfaktoren“ zusammengefaßt. Im Vergleich zu Industriebetrieben, die stark von Transport- und Arbeitskosten abhängen, ist für Dienstleistungsunternehmungen ein wesentlich komplexeres System von Standortfaktoren von Bedeutung. Da die Standortwahl in mehreren räumlichen Ebenen unabhängig voneinander erfolgt, unterscheidet man Faktoren, die auf einer makroräumlichen (Arbeitsmarkt, Nachfragedichte, Marktgröße,...) und solche, die auf einer mikroräumlichen (Infrastrukturausstattung, Agglomerationseffekte, Grundstückspreise,...) Entscheidungsebene relevant sind. Zudem haben Standortfaktoren eine unterschiedlich starke raumdifferenzierende Wirkung, da ihre Verteilung im Raum und ihre Mobilität höchst unterschiedlich ist. Inwieweit ein bestimmter Standortfaktor eine wichtige Rolle für einen Dienstleistungsbetrieb spielt, hängt grundsätzlich von der Art des Produktes, der verwendeten Technologie und der Organisationsform des Betriebes ab.

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Als grundlegende Theorie der räumlichen Verteilung von konsumorientierten Dienstleistungen gilt die Theorie der zentralen Orte nach CHRISTALLER. Sie geht davon aus, daß sich innerhalb jedes geschlossenen Wirtschaftsraumes ein hierarchisches System von Dienstleistungsstandorten unterschiedlicher Zentralitätsstufen herausbildet, von denen aus die Betriebe ein klar abgegrenztes Marktgebiet, dessen Größe vom Spezialisierungsgrad der angebotenen Leistung abhängt, versorgen. Dieses Prinzip gilt für alle Tätigkeiten, die nicht oder nur geringfügig von Agglomerationsvorteilen profitieren und die auf eine optimale Versorgung der Bevölkerung ausgerichtet sind, also fast alle sozialen und persönlichen Dienste, und kann zur Erklärung sowohl von interregionalen als auch von innerstädtischen Standortmustern herangezogen werden. Agglomerationtheoretische Ansätze erklären die räumliche Konzentration von Wirtschaftsbetrieben durch Agglomerationsvorteile, die aus der hohen Nutzungsdichte an bestimmten Standorten resultieren. Durch optimale Nutzung von Infrastruktureinrichtungen, die Nähe anderer Betriebe, den hohen Spezialisierungsgrad und Herrschaftsvorteile entstehen meist in den Stadtzentren „Wachstumspole“, die ein besonders innovatives und dynamisches Wirtschaftsklima schaffen. Agglomerationtheoretische Ansätze werden vor allem zur Erklärung der Verteilung von Wirtschaftsdienstleistungsbetrieben herangezogen, da diese am stärksten von Agglomerationseffekten profitieren, doch scheinen diese auch für verschiedene Bereiche der Konsumdienste eine wichtige Rolle zu spielen. Neben diesen beiden umfassenden Theorien gibt es auch eine Reihe alternativer Ansätze zur Erklärung räumlicher Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten, die meist nur Teilaspekte der gesamten Problematik untersuchen. Zu erwähnen wäre hier vor allem der Lebenszyklusansatz, nach dem sich die Standortansprüche im Laufe der Entwicklung eines Unternehmens ändern, die Bodenpreistheorie, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Bodenrenten und Bodennutzung beschäftigt, und die interaktionstheoretischen Ansätze, die die Beziehungen zwischen den Standorten als wichtigstes Kriterium betrachten. Die Standortwahl von Dienstleistungsbetrieben wurde in den letzten Jahren durch die Verbreitung neuer Technologien massiv beeinflußt. Waren es bisher Entwicklungen im Transportwesen, die räumliche Strukturen nachhaltig verändert haben, sind es heute moderne Kommunikations- und Informationssysteme, die physische Entfernungen relativieren und damit periphere Standorte aufwerten. Da Dienstleistungen immaterielle Güter sind, können sie schnell und billig über diese Systeme übertragen werden, wodurch die Wahl eines geeigneten Produktionsstandortes immer weniger von der Erreichbarkeit für Kunden oder Geschäftspartnern beeinflußt wird. Sowohl im Bereich der Wirtschafts-, als der Konsumdienste gibt es eine Reihe von Tätigkeiten, bei denen die Kontaktaufnahme zwischen Produzenten und Kunden oder zwischen Arbeitskollegen größtenteils über Informationssysteme erfolgen kann, wie etwa im Fall von „Teleworking“, „Teleshopping“ oder „Telebanking“. Allerdings läßt sich gerade bei hochqualifizierten Dienstleistungstätigkeiten die Kontaktaufnahme nicht auf die Vermittlung

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von visuellen oder verbalen Informationen beschränken, weshalb persönliche Begegnungen in vielen Bereichen auch in Zukunft unerläßlich sein werden. Bei der Betrachtung von Dienstleistungen im städtischen Raum sind zunächst die vier Elemente der Stadtstruktur zu unterscheiden: • City: Stadtkern mit hoher Dienstleistungsdichte (Wirtschaftsdienste und öffentliche Verwaltung) • Übergangszone: Stadterweiterungsgebiete aus der Gründerzeit mit durchmischter Nutzungsstruktur

(Wohnen, Industrie, Kleingewerbe) und teilweisen Verfallserscheinungen • Stadtrand: Ehemalige Vorstädte und Vororte mit völlig unterschiedlicher Nutzungsstruktur

(Wohnen, Landwirtschaft, Industrie, technische Infrastruktureinrichtungen,...); als Stadterweiterungsgebiete von der Suburbanisierung betroffen

• Umland: Pendlereinzugsbereiche Als wichtigste Theorie zur Erklärung der innerstädtischen Verteilung von Dienstleistungsbetrieben gilt die Theorie des städtischen Bodenmarktes von ALONSO, in der die ringförmige Nutzungsstruktur der Städte erklärt wird. Da die Bodenpreise aufgrund geringerer Transportkosten mit der Nähe zum Zentrum zunehmen, können sich nur Nutzungen, die eine bestimmte „rent paying ability“, die von der Höhe der erzielbaren Erträge abhängt, aufweisen, auf einem Standort ansiedeln. Mit dieser Theorie kann man die Konzentration von hochqualifizieten Wirtschaftsdiensten oder teuren Einzelhandelsgeschäften in den Stadtzentren erklären. In den Stadtmodellen der amerikanischen Sozialökologen sind Dienstleistungsbetriebe grundsätzlich im Central Business District (CBD) in der Stadtmitte konzentriert, und breiten sich von dort entweder ringförmig oder entlang von Entwicklungsachsen aus. Lediglich das Mehrkernmodell sieht die Bildung mehrerer Stadtkerne mit unterschiedlichen Branchenschwerpunkten, wie etwa Geschäfts-, Regierungs- oder Kulturzentrum, und die Entwicklung von Subzentren in den Außenzonen vor. Neben diesen beiden Ansätzen gibt es noch eine Reihe weiterer bedeutender Theorien zur Stadtstruktur, wie etwa die kulturökologischen, ökonometrischen oder Interaktionsmodelle, die bestimmte Teilaspekte der innerstädtischen Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten betrachten. Auch die Theorie der zentralen Orte ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, da sie auch auf die innerstädtische Zentrenstruktur angewendet werden kann. Stadtentwicklungstheorien sind dynamische Modelle, die zur Erklärung von stadtstrukturellen Entwicklungen herangezogen werden können. Der Entwicklungsprozeß von Städten wird in der Theorie des doppelten Überganges als Kombination von demographischem Übergang und Tertiärisierung der Wirtschaft beschrieben, während ihn die Theorie des räumlichen Agglomerationszyklus als zyklische Abfolge von Urbanisierungs-, Suburbanisierungs-, Desurbanisierungs- und Reurbanisierungsphasen, die durch räumlich differenziete Wanderungs- und

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Wachstumsentwicklungen innerhalb der Städte gekennzeichnet sind, betrachtet. Das Modell der „counterurbanisation“ ist eine Weiterentwicklung des „urban sprawl“ und beschreibt einen gleichmäßig verstädterten Raum, in dem durch perfekte Verkehrs- und Kommunikationssysteme alle Standortfaktoren praktisch ubiquitär vorhanden sind und in dem es daher keine Ungleichgewichte mehr gibt. Dienstleistungsbetriebe können sich im städtischen Raum nach folgenden Standortmustern verteilen: • Zentral-periphere Muster: Konzentration nimmt mit der Entfernung zum Zentrum zu oder ab • Sektorale Muster: Assymetrische Konzentrationen in bestimmten Stadtvierteln • Homogene Muster: Gleichmäßige Verteilung innerhalb des Stadtraumes In den Literatur finden sich zahlreiche empirische Erkenntnisse zur räumlichen Verteilung der einzelnen Dienstleistungsbranchen im Stadtraum, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. 2. EMPIRISCHER TEIL Für die empirsche Untersuchung der Struktur und der räumlichen Verteilung von Dienstleistungsaktivitäten wurde eine Stadtagglomeration definiert, die nicht nur alle 250 Wiener Zählbezirke, sondern auch 86 niederösterreichische Gemeinden, die in der unmittelbaren Umgebung der Stadt liegen, umfaßt. Diese 336 Teilgebiete des Untersuchungsgebietes wurden für großräumigere Betrachtungen in 12 Bezirks- bzw. Gemeindegruppen zusammengefaßt, die wiederum vier ringförmigen Zonen (Innere Stadt, Innenbezirke, Außenbezirke und Umland) zugeordnet wurden. Ein Großteil der Berechnungen erfolgte aufgrund von Daten aus den Arbeitsstättenzählungen 1981 und 1991, die nach der „Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten“ disaggregiert vorlagen und aufgrund der theoretischen Systematisierungsansätzen in vier Ober- (Kommerzielle Wirtschaftsdienste, Persönliche Dienste, Soziale Dienste, Distributive Dienste) und neun Untergruppen gegliedert wurden. Wien stellt nicht nur als das politische Zentrum sowie die größte Wirtschafts- und Bevölkerungsagglomeration Österreichs dar, sondern zählt zu den wichtigsten Dienstleistungszentren Mitteleuropas. Mit einem Beschäftigungsanteil des tertiären Sektors von 74,5% liegt Wien im Mittelfeld vergleichbarer europäischer Städte. Von besonderer Bedeutung für die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Wien ist die Struktur und Entwicklung gewisser innovativer und wachstumsfördernder Branchen, die als entscheidender Standortfaktor für die Ansiedlung moderner Industrie- und Dienstleistungsbetriebe gelten. In verschiedenen Studien wird auf die außergewöhnlich hohe Qualität der „weichen“, aber die mangelnde Ausstattung mit „harten“ Standortfaktoren, wie Infrastrukturausstattung, Bodenverfügbarkeit, Verwaltungsabläufe oder Technologiestandard hingewiesen. In Zukunft wird vor allem das Angebot an Informations- und Kommunikationssystemen für Konkurrenzfähigkeit eines Dienstleistungsstandortes wichtig sein.

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Die Entwicklung des tertiären Sektors hängt in immer stärkerem Maße aber auch von der Verfügbarkeit, der Lage, der Ausstattung und dem Preis von Büroräumen ab. In Wien ist seit Beginn der 90er Jahre aufgrund verschiedener nationaler und internationaler Entwicklungen (Wirtschaftsaufschwung, EU-Beitrittsansuchen, Ostöffnung) ein deutlicher Boom in bezug auf Büroneubauten zu beobachten. Da sich dadurch das Angebot an modern ausgestatteten Büroflächen wesentlich verbessert hat und das Mietpreisniveau rund ein Vietel unter dem Durchschnitt vergleichbarer westeuropäischer Städte liegt, hat sich Wien in den letzten Jahren zu einem attraktiven und international konkurrenzfähigen Bürostandort entwickelt. Die Steigerung des Anteils der Dienstleistungsbeschäftigten der Wiener Wirtschaft von 65,2% auf 74,5% zwischen 1981 und 1991 ist auf den Verlust von fast einem Viertel aller Industriearbeitsplätze, der durch den Zuwachs an Dienstleistungstätigkeiten mehr als kompensiert wurde, zurückzuführen. In Wien wurden mit über 90.000 zwar die meisten zusätzlichen tertiären Arbeitsplätze aller Bundesländer geschaffen, doch war die relative Wachsrate mit knapp 20% aufgrund des hohen Ausgangsniveaus die niedrigste. Die deutliche Dominanz der Stadt Wien als Dienstleistungszentrum Österreichs zeigt sich darin, daß auf rund 0,5% der Gesamtfläche Österreichs 19,6% der Wohnbevölkerung, 17,6% der Arbeitsplätze im produzierenden Sektor und 29,9% der Dienstleistungsbeschäftigten entfallen. Im Vergleich mit anderen österreichischen Stadtregionen fällt auf, daß zwar der Beschäftigungsanteil des tertiären Sektors in Wien nicht allzuweit über dem Durchschnitt liegt, daß dafür aber Wirtschaftsdienste mit einem Anteil von 9,5% besonders stark vertreten sind. Überhaupt scheint die Dichte von produktionsnahen Dienstleistungen mit der Größe einer Stadt zuzunehmen, was durch die starke Abhängigkeit solcher Betriebe von Agglomerationseffekten zu erklären ist. In praktisch allen Stadtagglomerationen ist der Dienstleistungsanteil in der Kernstadt höher als im Umland, wobei die Umgebung Wiens deutlich über den Werten der anderen Regionen liegt. Aus der Betrachtung aller untersuchten Agglomerationen kann geschlossen werden, daß bei der Wahl von Dienstleistungsstandorten der Zentralitätsgrad der Stadt und die Entfernung zum Stadtzentrum bis zu einem gewissen Grad substituierbar sind. In bezug auf die Beschäftigungsentwicklung können die Umlandbezirke der großen Stadtagglomerationen als die dynamischsten Wachstumsregionen der 80er Jahre angesehen werden. Dieses Phänomen ist eine Folge der Suburbanisierungstendenzen, die mit der Größe und Bedeutung der Städte zunehmen und auch in Wien, sogar bei den zentral ausgerichteten Wirtschaftsdiensten, deutlich nachzuweisen sind. Trotz der niedrigeren relativen Zuwachsraten in den Kernstädten hat sich die räumliche Konzentration von Dienstleistungsaktivitäten auf den urbanen Raum nur geringfügig geändert, da noch immer 25,6% aller zusätzlich geschaffenen Dienstleistungsarbeitsplätze auf Wien entfielen, doch ist es zu einer leichten Angleichung der Tertiärisierungsanteile zwischen Kernstädten, Stadtumlandregionen und dem ländlichen Raum gekommen. Bei der detaillierten Betrachtung der Bedeutung und Entwicklung der einzelnen Dienstleistungsbranchen in Wien stellt man fest, daß in den meisten Teilbereichen der kommerziellen Wirtschaftsdienste über 40% aller österreichischen Beschäftigten in Wien tätig sind,

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wobei vor allem Banken, Versicherungen, Wirtschaftsberater, Immobilienverwalter und Werbeagenturen dominieren. Genau diese Branchen sind auch hauptverantwortlich dafür, daß die kommerziellen Wirtschaftsdienste mit einer Zuwachsrate von 56,8% in Wien auch die mit Abstand dynamischste der vier unterschiedenen Dienstleistungsgruppen ist, ein Befund, der den erwähnten theoretischen Konzepten, die von einer Externalisierung und Intensivierung von produktionsnahen Diensten sprechen, recht gibt. Von den persönlichen Diensten spielt Wien nur in den Bereichen Kunst und Unterhaltung mit rund der Hälfte aller Beschäftigten eine dominante Rolle, obwohl auch die klassischen Dienstleistungsberufe im Zusammenhang mit Körperpflege und Reinigung überraschenderweise eine leicht überdurchschnittliche Konzentration in Wien aufweisen. Der Einzelhandel hingegen hat in Wien durch die Suburbanisierung Beschäftigte verloren, was zu einem wesentlichen Bedeutungsverlust der Bundeshauptstadt als Geschäftszentrum beigetragen hat. Einrichtungen der sozialen Dienste, vor allem im Bereich des Gesundheits- und Bildungswesens, weisen keine besondere Konzentration in Wien auf, lediglich Forschungs- und manche Verwaltungsinstitutionen orientieren sich stark an Wien. Die dynamische Beschäftigungsentwicklung in diesem Sektor basiert fast ausschließlich auf dem Gesundheits- und Fürsorgewesen, denn während Bildung und Verwaltung fast stagnierten, wurden alleine in Wien über 20.000 neue Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen, der damit die dynamischste Branche nach den Wirtschaftsdiensten darstellt. Die distributiven Dienste, deren Wiener Beschäftigungsanteil noch immer über dem Durchschnitt liegt, haben in den 80er Jahren durch die Verlagerung vieler Betriebe in das Stadtumland leicht an Bedeutung verloren. Die Dezentralisierung betrifft vor allem den bislang stark in Wien konzentrietrten Großhandel, während die Verkehrsdienste je nach Art des Verkehrsmittels und der Organisationsstruktur der Betriebe von unterschiedlichen Entwicklungstrends betroffen sind, in Summe aber ebenfalls leicht in diese Richtung tendieren. Dienstleistungsunternehmungen sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Organisations- und Produktionsweisen auch von stark diffenzierten Betriebsgrößenstrukturen mit beträchtlichen räumlichen Unterschieden gekennzeichnet. Dienstleistungsbetriebe weisen im allgemeinen wesentlich geringere Betriebgrößen als Unternehmungen des produzierenden Sektors auf, doch ist dieser Unterschied in Wien wesentlich geringer als im österreichischen Durchschnitt. Hauptverantwortlich für die überdurchschnittliche Größe der Arbeitsstätten in Wien sind jene Dienstleistungsbranchen, die ohnehin zu mittel- oder großbetrieblichen Strukturen neigen (Bank- und Versicherungenswesen, Verwaltung, Verkehr, Gesundheits- und Bildungswesen). Im Gegensatz dazu weichen Bereiche, die von Klein- und Einzelunternehmern dominiert werden (Einzelhandel, Gaststätten- und Beherbergungswesen, Wirtschaftsdienste, persönliche Dienste), in Wien nur geringfügig von den Größenstrukturen der anderen Bundesländer ab. Zwischen 1981 und 1991 hat die durchschnittliche Zahl der Beschäftigten pro Arbeitsstätte im Dienstleistungssektor im Gegensatz zum produzierenden Sektor zugenommen, was darauf zurückzuführen ist, daß sich die Betriebe aufgrund der wachsenden Automatisierung mancher Arbeitsabläufe gewisse Großbetriebsvorteile zunutze machen können. Besonders deutlich ist dieser

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Trend mit Ausnahme der Banken bei allen Branchen, die ohnehin zu großbetrieblichen Strukturen neigen, und bei den Wirtschaftsdiensten. Die Verbreitung der Telearbeit, die durch den gewaltigen Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht wird, wird in den nächsten Jahren zu einschneidenden Veränderungen der in dieser Studie abgebildeten Raumstruktur von Dienstleistungsbetrieben führen. Obwohl zur Zeit noch keine quantitiven Auswirkungen auf die Stadtstruktur in Wien nachweisbar sind, können die möglichlichen Folgen eines solchen Trends aus internationalen Vergleichen abgeleitet werden. In den USA, wo die Entwicklung aufgrund der enormen Distanzen am weitesten fortgeschritten ist, werden nach wissenschaftlichtlichen Prognosen im Jahr 2005 bereits 7% der Erwerbstätigen ihre Arbeitsstätte nur mehr ein- oder zweimal in der Woche aufsuchen müssen. Telearbeit kann entweder am Wohnort, in lokalen Arbeitszentren oder von unterwegs verrichtet werden, sobald ein Anschluß an verschiedene Kommunikationssysteme (Computernetze, Telefon, Fax,...) die Verbindung des Angestellten mit dem Zentralbüro ermöglicht. In der Umgebung von Wien gibt es bereits einige Telearbeitsprojekte, mit Hilfe derer moderne Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen wie dem Weinviertel oder dem Marchfeld geschaffen und damit zusätzliche Pendlerströme vermieden werden sollen. In Wien versucht man derzeit private Firmen, die am Technologiesektor tätig sind, für solche Projekte zu gewinnen. Als derzeit wahrscheinlichster Standort für Wiens erstes Telearbeitszentrum gilt das Stadterweierungsgebiet am ehemaligen Asperner Flugfeld, wo inmitten neuer Wohngebiete moderne Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. In einer Studie eines Betriebsberatungsunternehmens wird geschätzt, daß rund ein Fünftel aller Wiener Arbeitsplätze über Computernetze auf dezentrale Standorte ausgelagert werden könnten. Dieses gewaltige Potential läßt erahnen, welche gewaltigen Auswirkungen die Verbreitung der Telearbeit auf die soziale und räumliche Struktur Wiens haben könnte, auch wenn nur kleiner Prozentsatz aller betroffenen Betriebe die vorhandenen Möglichkeiten nützen sollte. Die räumliche Verteilung des Dienstleistungssektors in Wien weist eine deutlich konzentrische Struktur mit einer nach außen kontinuierlich annehmenden Dichte auf. Fast die Hälfte der Dienstleistungsbeschäftigten der gesamten Stadtagglomeration konzentrieren sich auf die Bezirke innerhalb des Gürtels, auf die nur 2,1% der Fläche und 25,4% der Wohnbevölkerung entfallen. Die Dominanz des tertiären Sektors breitet sich nicht symmetrisch von der City in alle Richtungen, sondern hauptsächlich nach Westen aus, wo Dienstleistungstätigkeiten bis zu den Wohngebieten am Stadtrand eine wichtige Rolle spielen. Im Umland gilt die Region südlich von Wien als das wichtigste Dienstleistungszentrum. Bei der Untersuchung, in welchen Gebieten eine der vier großen Dienstleistungsgruppen eine dominante Stellung innehat, stellt man fest, daß die kommerziellen Wirtschaftsdienste in vielen Teilen der westlichen Stadtgebietes, das im Osten vom Donaukanal und im Süden von der Südbahnstrecke begrenzt wird, eine besondere Rolle spielen. Die Gebiete, in denen die persönlichen Dienste dominieren, verteilen sich ebenso relativ dispers über die gesamte Stadt wie die Schwerpunkte der sozialen Dienste.

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Diese beide Branchen sind einander räumlich oft zugeordnet, wodurch kleinräumige Konzentrationen entstehen, welche die innerstädtische Zentrenstruktur weitgehend abbilden. Die Schwerpunkte der distributiven Dienste weisen eine den Wirtschaftsdiensten ziemlich exakt entgegengesetzte Asysmmetrie auf, da sie sich weitgehend im südöstlichen Teil der Stadt und im nördlichen, östlichen und südlichen Umland entlang der wichtigsten Verkehrsverbindungen konzentrieren. Die Standortmuster der einzelnen Dienstleistungsbranchen weisen äußerst unterschiedliche Strukturen innerhalb des Untersuchungsgebietes auf. • Da praktisch alle auf dem österreichischen Markt vertretenen Banken und Versicherungen ihre

Firmenzentralen im Zentrum von Wien ansiedeln, neigen diese Branchen zu außergewöhnlich starken Konzentrationen im Stadtzentrum („Bankenviertel“) und zu Dichtewerten, die mit wachsender Entfernung zur City kontinuierlich abnehmen. Aufgrund spezifischer Standortanforderungen und hoher Agglomerationseffekte eignet sich die Mehrzahl derartige Betriebe auch nicht zur Mischung mit Wohn- oder Industrienutzung, sondern tendiert zu eigenen und speziellen Standorten.

• Auch die Wirtschaftsdienste tendieren zu zentrumsorientierten Standortmustern, doch verläuft der Gradient hier wesentlich flacher, da sich das Zentrum der Wirtschaftsdienstleistungsbetriebe von der City aus Richtung Westen und Süden ausbreitet und auch dezentrale Schwerpunkten in den westlichen Außenbezirken und im südwestlichen Umland aufweist. Die Dichte dieser Branche breitet sich zwar weitgehend konzentrisch, aber extrem asysmetrisch von der Stadtmitte aus, ein deutliches West-Ost Gefälle und starke Abweichungen zwischen den einzelnen Stadtteilen sind zu beobachten. Wirtschaftsdienstleistungsbetriebe neigen zu keinen kleinräumigen Branchenkonzentrationen, sondern zur Durchmischung mit anderen Dienstleistungsanbietern und orientieren sich auch wesentlich stärker an der Nähe von Wohn- und Industriegebieten als Banken und Versicherungen.

• Wirtschaftsdienste weisen zudem eine auffallend ähnliche Verteilung wie das Gaststätten- und Beherbergungswesen auf, das sich durch eine besonders homogene Verteilung über die gesamte Region mit einem Schwerpunkt in der Inneren Stadt auszeichnet. Als Anbieter typischer Konsumdienstleistungen haben solche Betriebe haben eine deutliche Standortpräferenz für Wohngebiete und profitieren von der Nähe anderer Dienstleistungsunternehmungen.

• Ähnliches gilt auch für den Einzelhandel, der innerhalb des Stadtgebietes zu einer kleinräumigen und hierarchischen Zentrenbildung ohne besondere räumliche Asymmetrien neigt. Durch die Errichtung von shopping centres im Umland von Wien sind jedoch einige außergewöhnliche Konzentrationen von Einzelhandelsgeschäften zu beobachten, die diese Strukturen verändern.

• Auch die sonstigen persönlichen Dienste (Kultur/Unterhaltung und Reinigung/Körperpflege) siedeln sich wie alle haushaltsorientierten Dienstleistungen, die ähnliche Standortfaktoren zu haben scheinen, vornehmlich in Wohngebieten an, verhalten sich bezüglich anderer Wirtschaftsunternehmungen aber eher indifferent. Die Betriebe verteilen sich innerhalb des Stadtgebietes auffallend homogen und symmetrisch, und versorgen die Umlandgemeinden, deren diesbezügliches Angebot etwas geringer ist, teilweise mit.

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• Der Bereich der Verwaltung und Interessensvertetung tendiert ähnlich wie das Banken- und Versicherungswesen zur einer starken Zentralisierung innerhalb des Stadtraumes, was sich in einem bis zum Stadtrand deutlich fallenden und im Umland (aufgrund der höheren Autonomie und Autharkie der Gemeinden) wieder leicht ansteigenden Zentrum-Rand-Gradienten ausdrückt. Auch dieser Bereich neigt zu branchenspezifischen Konzentrationen an bestimmten monostrukturierten Standorten in der Innenstadt („Regierungs-/ Verwaltungsviertel“) und eignet sich wenig zur Mischung mit anderen Nutzungen.

• Das Bildungs- und Gesundheitswesen tendiert aufgrund des hohen Flächenbedarfes der baulichen Einrichtungen zu Standorten am Rand des dicht verbauten Stadtgebietes, von wo auch ein Teil der Bevölkerung des Umlandes mitversorgt wird. In allen Zonen ist eine deutliche asymmetrische Verteilung mit klaren Schwerpunkten auf den Westen zu beobachten, wo es aufgrund der hohen Betriebsgrößen zu außergewöhnlichen Beschäftigungskonzentrationen kommt. Trotzdem tendiert diese Branche nicht zur Ballung an bestimmten Standorten, sondern erwartungsgemäß zu einer Orientierung an der Verteilung der Wohnbevölkerung.

• Der Großhandel hingegen scheint auf ähnliche Standortbedingungen wie Betriebe des produzierenden Sektors angewiesen zu sein, da dieser Bereich eine starke Standortpräferenz für Industriegebiete aufweist und sowohl Wohngebieten als auch Dienstleistungszentren ausweicht. Allerdings ist aufgrund vergleichbarer Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen eine Tendenz zu räumlichen Assoziationen mit dem Einzelhandel gegeben. Großhandelsbetriebe siedeln sich aufgrund ihrer hohen Bodenintensität grundsätzlich eher an Standorten am Stadtrand und im Umland an, was sich in deutlich peripheren Lokalisierungsmustern dieser Branche, die aber merkbare Abweichungen zwischen den einzelnen Gebieten aufweisen, ausdrückt.

• Die Verkehrsdienste neigen zu deutlichen räumlichen Konzentrationen an der Peripherie, da sie im Normalfall besonders auf die Verfügbarkeit von Grundstücken und den Anschluß an bestimmte Verkehrssysteme angewiesen sind. Dies führt zu einer besonders spezifischen Kombination von Standortfaktoren, die nur an wenigen Standorten am Stadtrand, vornehmlich im Süden Wiens zu finden sind.

Bei der Betrachtung der standortspezifischen Wachstumsunterschiede der Beschäftigungszahlen im Dienstleistungssektor zwischen 1981 und 1991 fällt auf, daß sich die Gebiete mit hohen Tertiärisierungsgraden langsamer entwickeln als solche mit geringeren Dienstleistungsanteilen. Das liegt zum Teil daran, daß sich der Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft nicht überall gleichzeitig vollzieht, sondern sich im Zuge eines längerfristigen Prozesses mit deutlicher zeitlicher und räumlicher Differenzierung über die gesamte Stadtregion ausbreitet. Da sich die Entwicklungschwerpunkte hauptsächlich am Stadtrand und im Umland befinden, und die Zuwachsraten mit der Entfernung zum Stadtzentrum tendenziell ansteigen, ist dieser Prozeß allerdings auch auf Agglomerationsnachteile in den Stadtkernen und Suburbanisierungstendenzen zurückzuführen. Die starke Asymmetrie der Wachstumsdynamik des tertiären Sektors zugunsten des südlichen und östlichen Stadtrandes ist weitgehend auf Industriegebiete beschränkt, während sich die Dienstleistungszentren in

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allen Stadtteilen ziemlich gleichmäßig und langsam entwickeln. Die Tendenz zur Angleichung der Tertiärisierungsgrade setzt sich im Umland nicht fort, da hauptsächlich die größeren Gemeinden in den höher entwickelten Regionen im Süden und im Westen von den Beschäftigungszuwächsen profitierten. • Das Banken- und Versicherungswesen weist einen leichten Subzentralisierungstrend vom

Citykern an den Cityrand, vor allem in die südlichen und westlichen Innenbezirke auf. Von der Suburbanisierung profitieren fast ausschließlich die größeren Umlandgemeinden.

• Die relativen Zuwachsraten der Wirtschaftsdienste, der mit Abstand dynamischesten Wirtschaftsbranche, sind im Durchschnitt an der Peripherie höher als in den dicht verbauten Stadtgebieten, doch entfällt immer noch ein Großteil der neugeschaffenen Arbeitsplätze auf die zentralen Bereiche. Diese leichte Tendenz zur Dezentralisierung und zur Verringerung räumlicher Ungleichgewichte kommt wegen der geänderten Standortanforderungen mancher Wirtschaftsdienstleistungsbetiebe nicht nur den lokalen Subzentren, sondern auch ländlichen und schlechter entwickelten Gegenden zugute.

• Im Beherbergungs- und Gaststättenwesen ist zwar eine deutliche Verlagerung von den gut ausgestatteten westlichen Außenbezirken zu den weniger attraktiven Standorten am östlichen Stadtrand und ins südliche Umland zu beobachten, doch kann man nicht von einer Suburbanisierung sprechen, weil sich diese Branche auch in den dicht bebauten Gebieten gut entwickelt hat.

• Im Einzelhandel spiegeln sich die Suburbanisierungstendenzen noch deutlicher als bei der der Verteilung der Wohnbevölkerung wieder. Die Abwanderung von Einzelhandelsgeschäften aus den zentralen Bereichen kam den östlichen Außenbezirken, vor allem aber den Umlandgemeinden zugute, die immer mehr Kaufkraft aus Wien anziehen.

• Bei den sonstigen persönlichen Diensten ist mit Ausnahme des ersten Bezirkes steigen die Wachstumraten tendenziell mit der Entfernung zum Stadtzentrum, wobei deutliche Asymmetrien zugunsten des Ostens am Stadtrand und zugunsten des Südens und Westens im Umland zu beobachten sind.

• Im Bereich der Verwaltung und Interessensvertretung ist eine deutliche Subzentralisierung von der City und den westlichen Innenbezirken an den östlichen und südlichen Cityrand aber keine Dezentralisierung zugunsten des Stadtrandes oder des Umlandes festzustellen.

• Die Entwicklung des Gesundheits- und Bildungswesens ist weitgehend unabhängig von der Entfernung vom Stadtzentrum, doch sind deutliche Entwicklungsschwerpunkte in den westlichen Innenbezirken und in den Stadtentwicklungsgebieten östlich der Donau nachzuweisen.

• Der Großhandel ist derzeit am stärksten von Suburbanisierungstendenzen betroffen, wobei die Verfügbarkeit und Kosten der Betriebsgrundstücke die entscheidende Rolle spielen dürften, da die Entwicklung in den weniger dicht bebauten Gegenden am Stadtrand und im Umland am dynamischsten verläuft.

• Auch die Entwicklung der Verkehrsdienste verlief ziemlich genau entgegengesetzt zur Nutzungsdichte und zum Verstädterungsgrad eines Gebietes. Da die höchsten Zuwachsraten in der

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Nähe wichtiger Verkehrsinfrastruktur an der Peripherie zu verzeichnen waren, kommt es vor allem südlich von Wien zu immer stärkeren dezentralen Konzentrationen von Betrieben dieser Branche.

Diese standortspezifischen Wachstumsunterschiede der einzelnen Dienstleistungsbranchen haben tendenziell zu einer wachsenden Spezialisierung und räumlichen Differenzierung des Dienstleistungsangebotes beigetragen. Mit Ausnahme des Banken- und Versicherungswesens, des Gastgewerbes sowie der Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen neigen alle untersuchten Dienstleistungsbranchen, vor allem aber die distributiven Dienste, zu steigenden räumlichen Konzentrationen. Fast alle Wirtschafts- und persönlichen Dienste tendieren im Gegensatz zu den sozialen Dienstleistungen stärker zu Standorten in der Nähe von Wohngebieten, während die Nähe von Industriegebieten erwartungsgemäß nur für produktionsnahe Dienste attraktiver geworden ist. Bei der exemplarischen Untersuchung der Verlagerungsvorgänge von Dienstleistungsunternehmungen zwischen 1993 und 1993 anhand des Dienstleistungs- und Behördenkompasses wurde mit einer durchschnittlichen jährlichen Standortverlagerungsrate von 3,32% eine im Vergleich zu Industriebetrieben enorm hohe Fluktuation festgestellt. Rund 60% aller Verlagerungsvorgänge wurden über die Grenzen von Bezirksgruppen durchgeführt und können daher als großräumige Standortverlagerungen bezeichnet werden. Die Zahl der Verlagerungen in zentrifugaler Richtung war fast genau doppelt so hoch wie umgekehrt, und führte etwa zu 2/3 zur Suburbanisierung (Verlagerungen an die Peripherie) und zu 1/3 zur Subzentralisierung (Verlagerungen an den Cityrand) des Dienstleistungssektors. Das Mobilitätszentrum Wiens in bezug auf die untersuchten Wirtschaftsdienstleistungsbetriebe ist eindeutig der westliche Teil der Stadt, da die Hauptverlagerungsrichtung von der City in diese Richtung verläuft und sich auch der Großteil der lokalen Umzüge in der Inneren Stadt und den westlichen Bezirken ereignet. Die Innere Stadt, die ebenso wie der südliche und östliche Cityrand neben einem negativen Wanderungssaldo auch eine unterdurchschnittliche Neugründungsdynamik aufweist, verliert viele Betriebe an die westlichen Innenbezirke und an den Stadtrand, wo in den letzten Jahren zahlreiche dynamische Dienstleistungsstandorte, die von überdurchschnittlich vielen Betriebsverlagerungen und -neugründungen profitieren. Die Untersuchung der Auswirkungen einiger ausgesuchter Standortfaktoren auf die Entwicklung der verschiedenen Dienstleistungsbranchen ergibt folgendes Bild: • Nachfragefaktoren: Aufgrund der Suburbanisierungstendenzen entwickeln sich die meisten

Dienstleistungsbranchen nicht in dicht besiedelten Gebieten, sondern dort, wo große Bevölkerungszuwächse zu verzeichnen sind. Vor allem Handel, Wirtschafts- und persönliche Dienstleistungen siedeln sich in neuen Wohngebieten an, während die sozialen Dienste nicht sofort auf Stadtentwicklungsprozesse reagieren.

• Assoziationsfaktoren: Wie wichtig das betriebliche Umfeld für die Entwicklung von Dienstleistungsbetrieben ist, zeigt sich deutlich durch den Zusammenhang zwischen

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Industriebeschäftigungsanteil und Wachstum im Dienstleistungssektor, vor allem im Bereich distributiven Dienste, die auf ähnliche Standortfaktoren wie Industriebetriebe angewiesen sind. Die Nähe von Betrieben der gleichen Branche scheint hingegen für die meisten Dienstleistungsunternehmungen ein deutlicher Nachteil zu sein. Vor allem produktionsorientierte, aber auch die meisten Konsumdienste weichen im Gegensatz zu sozialen und distributiven Dienstleistungen Gebieten mit hohen Branchenkonzentrationen aus, was auf zunehmend negative Lokalisierungseffekte schließen läßt.

• Infrastrukturfaktoren: Handelsbetriebe sind besonders stark, Wirtschaftsdienstebüros zum Teil auf die Verfügbarkeit von Parkplätzen angewiesen, während sich öffentliche und gastronomische Einrichtungen auch in verkehrsungünstigen Gebieten entwickeln können.

• Immobilienfaktoren: Die Mietpreise für Büroflächen sind ein besonders wichtiger Standortfaktor für Dienstleistungsbetriebe. Vor allem die flächenintensiven Betriebe im Bereich der distributiven Dienste, aber auch Banken und Versicherungen, Wirtschaftsdienstleistungsbüros, Einzelhändler sowie Anbieter persönlicher Dienste siedeln sich in zunehmend in Gegenden mit niedrigen Mietpreisniveaus an. Lediglich für Verwaltungseinrichtungen und Gastronomiebetriebe scheinen sich die höheren Mieten in zentralen Stadtteilen zu lohnen.

• Umweltfaktoren: Auch die Lärmbelastung spielt als negativer Agglomerationsfaktor eine gewisse Rolle für die Standortentscheidung und die Entwicklung der meisten Dienstleistungsbranchen.

• Entwicklungsfaktoren: Dienstleistungsunternehmungen können im allgemeinen mehr Vorteile aus einem dynamischen Wirtschaftsklima auf einem Standort ziehen als Industriebetriebe. Vor allem die Bereiche Handel, Verkehr, persönliche sowie Wirtschaftsdienste profitieren von positiven Wachstumsentwicklungen in ihrer Umgebung.

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KURZFASSUNG Dienstleistungen sind aufgrund ihrer Eigenschaften typisch „städtische“ Funktionen und konzentrieren sich daher in urbanen Ballungsräumen. Wien ist als Bundeshauptstadt nicht nur die größte Wirtschafts- und Bevölkerungsagglomeration Österreichs, sondern zählt auch zu den wichtigsten Dienstleistungszentren Mitteleuropas. Mit einem Beschäftigungsanteil des tertiären Sektors von 74,5% (1991) liegt Wien im Durchschnitt vergleichbarer europäischer Städte. Die rasante Steigerung dieses Anteils in den letzten Jahren ist hauptsächlich auf produktionsnahe Wirtschaftsdienste zurückzuführen, deren Beschäftigungszahlen sich in den 80er Jahren in manchen Bereichen mehr als verdoppelt haben, während die Nachfrage nach Konsumdienstleistungen eher stagniert hat. Diese Entwicklung ist als günstig zu bewerten, da das Angebot an produktionsnahen Dienstleistungen eine der wichtigsten Voraussetzungen für die internationale Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Wien darstellt. In den letzten Jahren ist die Verfügbarkeit von Informations- und Kommunikationssystemen, vor allem von Computernetzwerken, zu einem entscheidenden Standortfaktor für moderne Dienstleistungsbetriebe geworden. Da ein immer größerer Anteil von Dienstleistungstätigkeiten, wie etwa im Falle von „Teleworking“, „Telebanking“ und „Teleshopping“, über solche Systeme abgewickelt werden kann, ergeben sich für gewisse Dienstleistungsanbieter völlig neue Prioritäten bei der Standortwahl, die sich in den nächsten Jahren deutlich in einer Veränderung der Raumstruktur niederschlagen werden. Allerdings wird gerade bei hochqualifizierten Dienstleistungstätigkeiten der persönliche Kontakt auch in Zukunft unerläßlich bleiben, weil er sich nicht auf die Vermittlung von visuellen oder verbalen Informationen beschränken läßt. Die räumliche Verteilung der Dienstleistungstätigkeiten in Wien weist eine deutlich konzentrische Struktur mit einer nach außen kontinuierlich abnehmenden Dichte auf, wobei eine starke Asymmetrie zugunsten der westlichen Stadtteile zu beobachten ist. Während sich Banken und Versicherungen sowie Verwaltungsinstitutionen auf wenigen Standorten im ersten Bezirk konzentrieren („Bankencity“, „Regierungsviertel“), siedeln sich die im Durchschnitt wesentlich kleineren Wirtschaftsdienstleistungsbetriebe, die ebenfalls von gewissen Agglomerationseffekten profitieren, auch auf zentralen Standorten in der erweiterten City und am Stadtrand an. Im Gegensatz dazu verteilen sich alle Konsumdienste ziemlich gleichmäßig über den gesamten Stadtraum, neigen aber zu kleinräumigen und ausgeprägt hierarchischen Zentrenbildungen, wie sie in der Theorie der zentralen Orte beschrieben werden. Da Unternehmungen aus dem Bereich der distributiven Dienste (Verkehrsdienste und Großhandel) ähnlich wie Industriebetriebe auf eine verkehrsgünstige Lage und die Verfügbarkeit großer Betriebsflächen angewiesen sind, konzentrieren sich diese auf bestimmten Standorten am Stadtrand und im Umland. Die Entwicklung der Dienstleistungsbeschäftigten verlief zwischen 1981 und 1991 in den Stadtteilen, in denen der sektorale Strukturwandel noch nicht so weit fortgeschritten ist, tendenziell wesentlich

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dynamischer als in den zentralen Bereichen, was einerseits auf Dezentralisierungstendenzen zurückzuführen ist und andererseits auf einen gewissen strukturellen Ausgleich innerhalb des Stadtraumes schließen läßt. Dieser Trend ist allerdings weitgehend auf produktionsnahe Wirtschaftsdienste in der Nähe von Industriegebieten am Stadtrand beschränkt, während sich die traditionellen Dienstleistungszentren in allen Stadtteilen ziemlich gleichmäßig entwickelt haben. Auffällig ist auch die wachsende durchschnittliche Unternehmensgröße im traditionell kleinbetrieblich strukturierten Dienstleistungssektor, die erst auf die Möglichkeit, gewisse Arbeitsabläufe mit Hilfe von neuen Technologien zu automatisieren und zu standardisieren und sich damit Großbetriebsvorteile zu verschaffen, zurückzuführen ist. Trotzdem ist das standortgebundene Investitionsvolumen von Dienstleistungsunternehmungen im Vergleich zu Industriebetrieben so gering, daß diese ihren Betriebsstandort wesentlich häufiger wechseln. Die Betriebsverlagerungen begünstigen in Wien hauptsächlich Suburbanisierungs- und Subzentralisierungstendenzen und orientieren sich größtenteils in Richtung der westlichen Stadtbezirke. Als Ursachen für die unterschiedliche räumliche Entwicklung von Dienstleistungsunternehmungen und damit als wichtigste Faktoren der innerstädtischen Standortwahl scheinen für Konsumdienstleistungen Bevölkerungszuwächse und die Distanz zu konkurrierenden Betrieben, für Wirtschaftsdienste Mietpreise, die Verkehrslage und ein dynamisches und innovatives Wirtschaftsklima zu sein.

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SUMMARY Their specific economic characteristics make services typical “urban” functions that concentrate in the urban agglomerations. Therefore Vienna is not only the administrative capital and the main economic center of Austria, it also belongs to the most important service centres in middle Europe. The rapid development of service activities over the last decades is reflected in the fact that 74,5% of all Viennese employees (1991) work in the service sector, which is an average value in comparison to similar cities. The transition towards a “post-industrial” society can mainly be explained by the growth of employment in business services, which amounts to almost 60% between 1981 and 1991. In contrast to that the demand for consumer services nearly stagnated during the 80ies. This development is advantageous to future economic growth, because the supply with producer services is one of the most important requirements for Vienna’s competitiveness as an international business centre. Over the last years the availability of computer-aided information and communication systems, especially computer networks, has become a decisive locational factor for modern service industries. The fact that an increasing share of service activities can be transmitted by such systems will certainly show locational consequences, which will be reflected in changes in the regional and urban structure. New kinds of service transactions like “tele-work”, “tele-banking” or “tele-shopping” give a good example for possible future developments in this field. Nevertheless, there is no doubt that personal meetings will remain important in future, particularly in highly skilled and creative activities, because personal contacts can not be replaced by the transmission of visual or verbal information. The locational pattern of service activities in Vienna is characterized by a clearly concentric but asymetric structure with a distinct west-east differential and a density of employment that is regularly deminishing outwards. While banks, insurance and administration offices are extremely concentrated in a limited number of sites in the first district, business service activities also accept well supplied locations in less central areas, although they profit from agglomeration effects in a similar way. Contrary to that consumer services exhibit a widespread distribution over the whole agglomeration, although they tend to form hierarchical patterns of supply within the city, just as described in CHRISTALLER’s central place theory. Distributive service businesses (wholesale and transport) show similar locational factors to industrial firms, just like transport facilities and the availability of land, which is the reason why they concentrate in particular sites in the outskirts of the city. In the period between 1981 and 1991 service employment grew much faster in the less developed districts than in the traditional service centres. This phenomenon can either be interpreted as a consequence of decentralization or as a result of the structural equalization among the different urban areas. However, this trend is largely restricted to business services in the neighbourhood of industrial sites in the urban fringe, whereas the traditional business centres have developed quite slowly in all parts of Vienna. The growing average size of service firms can be explained by the new opportunities offered

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by modern technology which enable the service producers to automate and to standardize the sequence of operations in order to profit from economies of scale. Nevertheless, the fact that their proportion of fixed capital costs is relatively small induces service firms to change their location more frequently than industrial enterprises do. In Vienna the main part of location removals take place in the central and western districts and they mainly encourage the trends of suburbanization and subdecentralization. Relating to producer-orientated services the most important factors that influence intra-urban location patterns are transport facilities, the level of rents and a dynamic and innovative environment, whereas consumer-orientated services attach a great importance to a maximum distance from potential competitors and to increases in population.

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TABELLENVERZEICHNIS Tab.1: Gliederung von Dienstleistungstätigkeiten nach der Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten in Wirtschaftsabteilungen und -klassen Tab.2: Beispiel für die Gliederung von Dienstleistungstätigkeiten nach der Grundsystematik der Wirtschaftstätigkeiten in Wirtschaftsgruppen und -arten Tab.3: Niederösterreichische Gemeinden in der Untersuchungsregion Tab.4: Großräumigere Gliederung des Untersuchungsgebietes Tab.5: Kommentar des ÖSTZ zur Arbeitsstättenzählung Tab.6: Sektorale Gliederung des Dienstleistungssektors Tab.7: Dienstleistungsanteile in ausgesuchten mitteleuropäischen Großstädten Tab.8: Dienstleistungsanteile der österreichischen Bundesländer 1981 und 1991 Tab.9: Anteile der Beschäftigten in Dienstleistungen und Wirtschaftsdiensten in 12 österreichischen Stadtregionen 1981 und 1991 Tab.10: Anteil der Wiener Dienstleistungsbeschäftigten nach Wirtschaftsgruppen 1981 und 1991 Tab.11: Betriebsgrößen und deren Veränderung zwischen 1981 und 1991 Tab.12: Dienstleistungsdichte nach Bezirks- bzw. Gemeindegruppen 1991 Tab.13: Anteil der Teilgebiete, in denen eine bestimmte Dienstleistungsbranche dominiert 1991 Tab.14: Beschäftigungsanteile der einzelnen Dienstleistungsbranchen nach Bezirks- bzw. Gemeindegruppen 1991 Tab.15: Beschäftigte der einzelnen Dienstleistungsbranchen pro Einwohner nach Bezirks- bzw. Gemeindegruppen 1991 Tab.16: Räumliche Unterschiede in der Bedeutung der Dienstleistungsbranchen Tab.17: Relevanz idealtypischer Standortmuster für die 9 Dienstleistungsbranchen Tab.18: Spezialisierungskoeffizienten auf Ebene der Bezirks- bzw. Gemeindegruppen 1991 Tab.19: Lokalisierungskoeffizienten der neun Dienstleistungsgruppen 1991 Tab.20: Matrix der Assoziationskoeffizienten bezüglich anderer Dienstleistungsbranchen 1991 Tab.21: Assoziationskoeffizienten bezüglich der Wohnbevölkerung und der Beschäftigten im sekundären Sektor 1991 Tab.22: Standortpräferenzen der Dienstleistungsbranchen bezüglich der Nutzungsstruktur Tab.23: Relative Veränderung der Zahl der Dienstleistungsbeschäftigten zwischen 1981 und 1991 in Prozent Tab.24: Änderung der Spezialisierungskoeffizienten zwischen 1981 und 1991 Tab.25: Änderung der Lokalisierungskoeffizienten zwischen 1981 und 1991 Tab.26: Änderung der Assoziationskoeffizienten zwischen 1981 und 1991 Tab.27: Betriebsverlagerungen zwischen 1983 und 1993 auf Bezirksebene nach der Betriebsstandortanalyse nach dem Dienstleistungs- und Behördenkompass

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Tab.28: Richtung der Betriebsverlagerungen der Betriebsstandortanalyse nach dem Dienstleistungs- und Behördenkompass Tab.29: Gesamtergebnisse der Betriebsstandortanalyse nach dem Dienstleistungs- und Behördenkompaß auf Bezirksebene Tab.30: Korrelationen zwischen Nachfragefaktoren und Beschäftigungswachstum Tab.31: Korrelationen zwischen Assoziationsfaktoren und Beschäftigungswachstum Tab.32: Korrelationen zwischen Infrastrukturfaktoren und Beschäftigungswachstum Tab.33: Korrelationen zwischen Immobilienfaktoren und Beschäftigungswachstum Tab.34: Korrelationen zwischen Umweltfaktoren und Beschäftigungswachstum Tab.35: Korrelationen zwischen Entwicklungsfaktoren und Beschäftigungswachstum

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KARTENVERZEICHNIS Karte 0: Räumliche Gliederung des Untersuchungsgebietes Karte 1: Dienstleistungsanteile 1991 Karte 2: Dienstleistungsdichte 1991 Karte 3: Dominante Dienstleistungsbranche Karte 4: Anteil der Wirtschaftsdienste Karte 5: Anteil des Einzelhandels Karte 6: Spezialisierungskoeffizienten Karte 7: Änderung der Dienstleistungsbeschäftigten 1981 / 1991 Karte 8: Standortverlagerungen von Dienstleistungsbetrieben innerhalb des Stadtraumes von

Wien zwischen 1983 und 1993

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