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Horst Korn, Kathrin Bockmühl und Rainer Schliep (Hrsg.) Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland XI – Dokumentation der 11. Tagung BfN-Skripten 389 2015

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Horst Korn, Kathrin Bockmühl und Rainer Schliep (Hrsg.)

Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland XI –

Dokumentation der 11. Tagung

BfN-Skripten 389

2015

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Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland XI –

Ergebnisse und Dokumentation der 11. Tagung

Herausgegeben von Horst Korn

Kathrin Bockmühl Rainer Schliep

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Titelbild-Collage: Links oben: urwaldartiges Waldbild auf der Insel Vilm bei Rügen; rechts oben: Tornado vor der Küste Madagaskars; links unten: Überschwemmungsschäden in der Aue des Guadalquivir; rechts unten: Ausbreitung von Lorbeerwaldarten (hier Rhododendron) in Wales (alle Fotos: H. Klöser)

Adressen der Herausgeberin und der Herausgeber Dr. Horst Korn Bundesamt für Naturschutz M.Sc. Kathrin Bockmühl Außenstelle Insel Vilm 18581 Putbus E-Mail: [email protected] [email protected]

Dipl. Ing. Rainer Schliep Haderslebener Straße 27 12163 Berlin E-Mail: [email protected]

Fachbetreuung im BfN: M.Sc. Kathrin Bockmühl Fachgebiet II 5.1 „Biologische Vielfalt“

F+E-Vorhaben „Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland“ (FKZ 3512 80 0300)

Diese Veröffentlichung wird aufgenommen in die Literaturdatenbank „DNL-online“ (www.dnl-online.de).

BfN-Skripten sind nicht im Buchhandel erhältlich. Eine pdf-Version dieser Ausgabe kann unter http://www.bfn.de heruntergeladen werden.

Institutioneller Herausgeber: Bundesamt für Naturschutz Konstantinstr. 110 53179 Bonn URL: www.bfn.de

Der institutionelle Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollstän-digkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die in den Beiträgen geäußerten An-sichten und Meinungen müssen nicht mit denen des institutionellen Herausgebers übereinstimmen.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des institutionellen Herausgebers unzu-lässig und strafbar.

Nachdruck, auch in Auszügen, nur mit Genehmigung des BfN.

Druck: Druckerei des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)

Gedruckt auf 100% Altpapier

ISBN 978-3-89624-124-5

Bonn - Bad Godesberg 2015

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Inhaltsverzeichnis

1 Einführung ...................................................................................................................... 7

2 Biodiversität und Klimawandel: Ausgewählte Aktivitäten auf Bundesebene ................................................................................................................. 9

Aktivitäten des Bundesamtes für Naturschutz im Themenfeld „Biodiversität und Klima“ KATHRIN BOCKMÜHL .......................................................................................................... 9

Ökosystembasierte Ansätze zur Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz – Aktivitäten des BfN JUTTA STADLER ............................................................................................................... 14

Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, Arbeiten des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung (KomPass) des Umweltbundesamtes PETRA VAN RÜTH ............................................................................................................. 17

Die neu gegründete Deutsche IPBES-Koordinierungsstelle SUSANNE LEHMANN, MARIAM AKHTAR-SCHUSTER, ROLAND KEIL, UTA VON WITSCH ......... 19

3 Herausforderungen für den Naturschutz ................................................................. 23

Herausforderungen des Klimawandels für die Naturschutzpraxis - Ein dialogischer Auftakt RENÉ ZIMMER .................................................................................................................. 23

Über den Wert von Langzeit- und Dauerbeobachtungen in der Biodiversitäts- und Klimaforschung JOCHEN WULFHORST ....................................................................................................... 27

Arten in Bewegung – Wie dynamisch sind unsere Konzepte? HEINZ KLÖSER ................................................................................................................. 35

4 Erneuerbare Energien und Energiewende ............................................................... 39

Naturschutz und Energiewende – Bericht aus der Arbeit des NABU Bundesverbandes MARIA MOORFELD............................................................................................................ 39

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Perspektiven für das Landmanagement – Energiepreisentwicklung und Landnutzung im Kreis Herzogtum Lauenburg CARL-HEINZ SCHULZ ....................................................................................................... 42

5 Landnutzung als wesentlicher Faktor für Klima und Biodiversität ..................... 47

Agrobiodiversität – Bonusversicherung gegen Extremereignisse? Stand der Forschung mit Blick auf Deutschland UTE PETERSEN, HANS-JOACHIM WEIGEL ......................................................................... 47

Seltene Ackerwildkräuter im Klimawandel – Ergebnisse von Semifeld- versuchen und Artverbreitungsmodellierung von Lithospermum arvense und Scandix pecten-veneris KRISTIAN PETERS, JANA BÜRGER, BÄRBEL GEROWITT ..................................................... 50

Agrobiodiversität und Klimawandel – Beobachtungen aus Guatemala HARALD HIMSEL .............................................................................................................. 57

Abkühlung in Zeiten der Erwärmung RAINER HOLZ .................................................................................................................. 60

6 Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz in verschiedenen Ökosystemen ............................................................................................................... 63

Das Potenzial seltener und trockentoleranter Laubbaumarten zur Aufforstung von aufgelassenen Weinbergen JÖRG KUNZ, JÜRGEN BAUHUS ......................................................................................... 63

Großflächige Wiederherstellung von Niedermoorflächen mittels Ober- bodenabtrag auf ehemals intensiv entwässerten und bewirtschafteten Standorten unter ökonomischen Gesichtspunkten – Vorstellung einer E+E-Vorstudie MATTHES PFEIFFENBERGER............................................................................................. 70

Anpassungsstrategien an den Klimawandel im Ostseeraum SUSANNE ALTVATER ........................................................................................................ 73

Die Einbindung von Praxisakteuren in transdisziplinäre Forschung als sozialer Prozess CARINA BRINKMANN, SUSANNE SCHUCK-ZÖLLER, MATTHIAS BERGMANN, JO-TING HUANG-LACHMANN, SIMONE RÖDDER ................................................................ 76

7 Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ............................................................ 81

8 Programm der Tagung ............................................................................................... 85

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Abkürzungsverzeichnis

APA Aktionsplan Anpassung (DAS)

BfN Bundesamt für Naturschutz (BMUB)

BIP Bruttoinlandsprodukt

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung

BMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

BMUB Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz

BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

CBD Convention on Biological Diversity (Übereinkommen über die biologische Vielfalt)

DAS Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel

DNR Deutscher Naturschutzring

E+E Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben

EEG Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Kurztitel: Erneuerbare-Energien-

Gesetz)

EU Europäische Union

F+E Forschung und Entwicklung

FKZ Forschungskennziffer

IHK Industrie- und Handelskammer

IKI Internationale Klimaschutzinitiative

IKZM Integriertes Küstenzonenmanagement

INA Internationale Naturschutzakademie Insel Vilm

IPBES Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services

(„Weltbiodiversitätsrat”)

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IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change („Weltklimarat“)

KLIFF Klimafolgenforschung (Niedersachsen)

KoBiK Kompetenzzentrum Biodiversität und Klimawandel (BfN)

KomPass Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (UBA)

MEP Multidisziplinäres Expertengremium (IPBES)

NABU Naturschutzbund Deutschland e. V.

NAS Nationale Anpassungsstrategie

NBS Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt

NRO Nicht-Regierungs-Organisation

NSG Naturschutzgebiet

ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr

PT-DLR Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt

TEEB The Economics of Ecosystems and Biodiversity (Die Ökonomie von Ökosystemen

und Biodiversität)

THG Treibhausgas

UBA Umweltbundesamt

UFZ Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

UN United Nations (Vereinte Nationen)

UNEP United Nations Environment Program (Umweltprogramm der Vereinten Nationen)

UNFCCC United Nations Framework Convention on Climate Change (Klimarahmenkonvention

der Vereinten Nationen)

UFOPLAN Umweltforschungsplan (BMUB)

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1 Einführung

Vom 18. bis 19. August 2014 führte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) an der Internationalen Naturschutzakademie Insel Vilm (INA) die 11. Tagung „Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland“ durch. An der Veranstaltung nahmen 36 Expertinnen und Experten teil, die in Deutschland zu den Themen Anpassung an den Klimawandel sowie Klima- und Biodiversitäts-schutz arbeiten.

Das BfN strebt einen besseren Informations- und Erfahrungsaustausch der nationalen Akteure im Bereich Biodiversität und Klimawandel sowie eine Vernetzung der damit befassten Institutionen an, damit Deutschland seinen Verpflichtungen aus dem Übereinkommen zur biologischen Vielfalt der Vereinten Nationen (Convention on Biological Diversity, CBD) gerecht wird. Zu diesem Zweck führt das BfN seit 2004 die Tagungsreihe „Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutsch-land“ durch. An den Tagungen nehmen deutsche Fachleute aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und von Nicht-Regierungsorganisationen teil. Die Veranstaltungen dienen vorrangig dem fachwis-senschaftlichen Informationsaustausch und der verstärkten Koordination zukünftiger Forschungs-projekte, der Erarbeitung von wissenschaftlichen Grundlagen möglicher Verhandlungspositionen im internationalen Bereich sowie der Sichtung von Informationen, die im Hinblick auf aktuelle Entwick-lungen (u. a. die Erarbeitung von Anpassungsstrategien an den Klimawandel auf Länder- und Bundesebene sowie die Verhandlungen eines Post-Kyoto-Regimes) in Deutschland von Bedeutung sind. Aufbauend auf den Ergebnissen der vorangegangenen Tagungen sollen konkrete Synergie- und Kooperationsmöglichkeiten erarbeitet werden, die auch zu einem verbesserten Wissenstransfer von der Forschung in die Umsetzung bzw. Politikberatung führen sollen. So wurden zum einen Naturschutz- bzw. Biodiversitätsschutzmaßnahmen, die zugleich dem Klimaschutz bzw. der Klima-anpassung dienen, und zum anderen Klimaschutzmaßnahmen bzw. Klimaanpassungsmaßnahmen vorgestellt und diskutiert, die sich positiv auf den Naturschutz bzw. auf die Biodiversität auswirken.

Unter dem Vorsitz von Horst Korn (Fachgebietsleiter Biologische Vielfalt, BfN) wurde die Tagung als informelles wissenschaftliches Treffen durchgeführt. Die hier veröffentlichten Beiträge sind als persönliche Meinungsäußerung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihrer Eigenschaft als Fach-leute zu verstehen und müssen nicht die Meinung des BfN oder der Institutionen, denen sie ange-hören, widergeben.

Der vorliegende Bericht beinhaltet die Kurzfassungen der Vorträge, mit denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Aktivitäten, Erfahrungen und Standpunkte in Bezug auf die Wechselwirkungen zwischen Forschung und Politik in den Feldern Biodiversitätserhaltung und Klimaschutz bzw. An-passung an den Klimawandel vorstellten und austauschten.

Die Tagungsdokumentation (PDF-Versionen der Vorträge etc.) kann außerdem im Internet unter http://www.bfn.de/0610_vortraege.html eingesehen werden.

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2 Biodiversität und Klimawandel: Ausgewählte Aktivitäten auf Bundes-ebene

Aktivitäten des Bundesamtes für Naturschutz im Themenfeld „Biodiversität und Klima“

KATHRIN BOCKMÜHL

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Zentrale Aufgaben des BfN sind u. a. die wissenschaftliche Politikberatung, die Forschungskonzeption und -förderung und Capacity Building in Form von Workshops, Konferenzen und Tagungen zu unterschiedlichen Naturschutzthemen an der Internationalen Naturschutzakademie Insel Vilm. In diesem Rahmen findet seit 2004 jährlich die Tagungsreihe „Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland“ statt, die sich als beliebte Netzwerkveranstaltung etabliert hat.

Bereits seit 20 Jahren befasst sich das Bundesamt für Naturschutz mit dem Thema „Biodiversität und Klima“. An der Internationalen Naturschutzakademie Insel Vilm fand 1994 ein Experten-Fachgespräch mit dem Titel „Klimabedingte Vegetations- und Faunenveränderungen und Konse-quenzen für den praktischen Naturschutz“ statt. In dieser Sitzung wurde erstmals darüber diskutiert, welche Herausforderungen ein bevorstehender Klimawandel für den Naturschutz mit sich bringen würde. Die Ergebnisse dieses Fachgespräches wurden in der BfN-Reihe „Angewandte Land-schaftsökologie“ mit dem Titel „Klimaänderungen und Naturschutz“ (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ, 1995) veröffentlicht. Diese Publikation bildete den Ausgangspunkt für das weitere Vorgehen des BfN.

Wie in der Publikation vorgestellt wird angenommen, dass Biodiversität und Klima eng miteinander verknüpft sind und miteinander in Wechselwirkung stehen. Das Klima beeinflusst zum einen Öko-systeme, zum anderen beeinflussen Ökosysteme das globale Klima (KORN und EPPLE, 2006). Vor dem Hintergrund des Klimawandels kommt dem Naturschutz für das Klima also eine entscheidende Rolle zu. Um das Klima zu schützen (mitigation) und um eine Anpassung an den Klimawandel (adaptation) zu ermöglichen, sind der Schutz und die Renaturierung von Ökosystemen erforderlich (siehe den Beitrag von Jutta Stadler in diesem Band). Das BfN konzipiert und fördert in diesem Sinne relevante Forschung und berät mit seiner Expertise das Umweltministerium in relevanten politischen Entscheidungsfragen.

Das Kompetenzzentrum Biodiversität und Klimawandel (KoBiK)

Da der Bereich „Biodiversität und Klimawandel“ zu den Kernthemen des BfN gehört, gibt es in fast allen Abteilungen und Fachgebieten Berührungspunkte mit dem Thema. Um die zahlreichen klima-relevanten laufenden und abgeschlossenen Aktivitäten des BfN zu koordinieren, wurde das Kompe-tenzzentrum Biodiversität und Klimawandel (KoBiK) gegründet. Die Geschäftsstelle des KoBiK ist im Fachgebiet Biologische Vielfalt unter der Leitung von Horst Korn angesiedelt. KoBiK ist An-

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sprechpartner für externe Anfragen zu dem Thema und leitet diese an die entsprechenden Exper-tinnen und Experten im BfN weiter. Außerdem koordiniert KoBiK die Erarbeitung und Verfassung von Stellungnahmen zum Themenbereich „Biodiversität, Naturschutz und Klimawandel“ für das Umweltministerium und andere Gremien.

BfN-Forschungsprojekte mit Klimabezug

Um eine erstklassige Expertise auf dem Gebiet „Biodiversität und Klimawandel“ gewährleisten zu können, hat im BfN die Konzeption und Förderung entsprechender Forschung einen hohen Stel-lenwert. Dementsprechend vielfältig und zahlreich sind die vom BfN konzipierten und geförderten Forschungsprojekte. Zur besseren Darstellung und Übersicht hat KoBiK eine Webseite angelegt, in der alle abgeschlossenen und laufenden Forschungsprojekte des BfN mit Projektsteckbriefen gelis-tet sind. Diese Webseite ist einzusehen unter https://www.bfn.de/0307_klima_forschung.html.

Das BfN hat u. a. folgende Forschungsschwerpunkte gesetzt:

• Ökosystembasierte Ansätze zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz in verschiedenen Sek-toren

• Artenschutz unter Klimawandel

• Moorschutz und Moorrenaturierung

• Entwicklung eines Fachinformationssystems zur Darstellung der Auswirkungen des Klimawan-dels auf die biologische Vielfalt

• Auswirkungen erneuerbarer Energien auf Natur und Landschaft und damit verbunden Optionen für eine naturverträgliche Energiewende

• Meisterung der Herausforderungen für den Tourismus

Zu diesen und zahlreichen weiteren Themen konzipiert und fördert das BfN exzellente Forschung. Die daraus resultierenden Forschungsergebnisse nutzt das Bundesamt für Naturschutz in seiner Rolle als politikberatende Behörde, um auf nationaler und internationaler Ebene nachdrücklich auf die Notwendigkeit hinzuweisen, den Naturschutz in den Klimaschutz und die Klimaanpassung einzubeziehen, und die aktive Umsetzung der Forschungsergebnisse voranzutreiben.

Weiterführende Literatur :

BONN, A., MACGREGOR, N., STADLER, J., KORN, H., STIFFEL, S., WOLF, K., VAN DIJK, N. (2014): Hel-ping ecosystems in Europe to adapt to climate change. BfN-Skripten 375: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_375.pdf

BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (Hg.) (1995): Angewandte Landschaftsökologie Heft 4: Klimaände-rungen und Naturschutz. Bonn Bad Godesberg

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DOSWALD, N., OSTI, M. (2011): Ecosystem-based approaches to adaptation and mitigation – good practice examples and lessons learned in Europe. BfN-Skripten 306: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_306.pdf

DRÖSLER, M., AUGUSTIN, J., BERGMANN, L. et al. (2012): Beitrag ausgewählter Schutzgebiete zum Klimaschutz und dessen monetäre Bewertung. BfN-Skripten 328: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript328.pdf

ELLWANGER, G., SSYMANK, A., PAULSCH, C. (Bearb.) (2012): Natura 2000 and Climate Change a Challenge. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 118

EPPLE, C. (2012): The climate relevance of ecosystems beyond forests and peatlands. BfN-Skripten 312. http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_312.pdf

ESSL, F., RABITSCH, W. (Hg.) (2013): Biodiversität und Klimawandel. Springer Berlin Heidelberg

KORN, H., EPPLE, C. (2006): Biologische Vielfalt und Klimawandel – Gefahren, Chancen, Hand-lungsoptionen. BfN-Skripten 148: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript148.pdf

KORN, H., BOCKMÜHL, K., SCHLIEP, R. (Hg.) (2014): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteu-re in Deutschland X – Ergebnisse und Dokumentation des 10. Workshops. BfN-Skripten 357: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_357.pdf

KORN, H., BOCKMÜHL, K., SCHLIEP, R. (Hg.) (2013): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteu-re in Deutschland IV – Ergebnisse und Dokumentation des 9. Workshops. BfN-Skripten 332: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_332.pdf

KORN, H., FEIT, U., SCHLIEP, R. (Hg.) (2012): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland VIII – Ergebnisse und Dokumentation des 8. Workshops. BfN-Skripten 307: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_307.pdf

KORN, H., SCHLIEP, R., STADLER, J. (Hg.) (2010): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland VII – Ergebnisse und Dokumentation des 7. Workshops. BfN-Skripten 282: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_282.pdf

KORN, H., SCHLIEP, R., STADLER, J. (Hg.) (2010): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland VI – Ergebnisse und Dokumentation des 6. Workshops. BfN-Skripten 263: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript263.pdf

KORN, H., SCHLIEP, R., STADLER, J. (Hg.) (2009): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland V – Ergebnisse und Dokumentation des 5. Workshops. BfN-Skripten 252: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript252.pdf

KORN, H., SCHLIEP, R., STADLER, J. (Hg.) (2009): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland IV – Ergebnisse und Dokumentation des 4. Workshops. BfN-Skripten 246: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript246.pdf

KORN, H., SCHLIEP, R., STADLER, J. (Hg.) (2008): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland III – Ergebnisse und Dokumentation des 3. Workshops. BfN-Skripten 241: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript241.pdf

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KORN, H., SCHLIEP, R., STADLER, J. (Hg.) (2006): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland II – Ergebnisse und Dokumentation des 2. Workshops. BfN-Skripten 180: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript180.pdf

KORN, H., SCHLIEP, R., STADLER, J. (Hg.) (2005): Biodiversität und Klima – Vernetzung der Akteure in Deutschland – Ergebnisse und Dokumentation des Auftaktworkshops. BfN-Skripten 131: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/skript131.pdf

KORN, H., STADLER, J., BONN, A., BOCKMÜHL, K., MACGREGOR, N. (Hg.) (2014): Proceedings of the European Conference „Climate Change and Nature Conservation in Europe – an ecological, policy and economic perspective“. BfN-Skripten 367: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_367.pdf

MACKINNON, K., DUDLEY, N., FISCHER, K. (2012): Putting Natural Solutions to Work: Mainstreaming Protected Areas in Climate Change Responses. BfN-Skripten 321: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/BfN-Skript-321.pdf

MILAD, M., STORCH, S., SCHAICH, H., KONOLD, W., WINKEL, G. (2013): Wälder und Klimawandel: Künftige Strategien für Schutz und nachhaltige Nutzung. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 125

REICH, M., RÜTER, S., PRASSE, R., MATTHIES, S., WIX, N., ULLRICH, K. (2012): Biotopverbund als Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 122

SCHLIEP, R. (2013): Biodiversität und Klima: 10 Jahre Vernetzung der Akteure in Deutschland – eine Bilanz. BfN-Skripten 347: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_347.pdf

SCHOLZ, M., MEHL, D., SCHULZ-ZUNKEL, C., KASPERIDUS, H. D., BORN, W., HENLE, K. (2012): Ökosys-temfunktionen von Flussauen. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 124

Vohland, K., Badeck, F.Böhning-Gaese, K., Ellwanger, G., Hanspach, J., Ibisch, P. L., Klotz, S., Kreft, S., Kühn, I., Schröder, E., Trautmann, S., Cramer, W. (Hg.) (2013): Schutzgebiete Deutschlands im Klimawandel – Risiken und Handlungsoptionen. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 129

Weiterführende Links:

Bundesamt für Naturschutz (BfN): http://www.bfn.de/

BfN-Themenseite „Biodiversität und Klimawandel“: http://www.bfn.de/0307_klima.html

BfN-Skripten (Download-Option): http://www.bfn.de/0502_skripten.html

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB): http://www.bmub.bund.de/

BMUB-Themenseite „Naturschutz/Biologische Vielfalt“: http://www.bmub.bund.de/themen/natur-arten/naturschutz-biologische-vielfalt/

Biodiversitätskonvention (CBD): http://www.cbd.int/

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„Biodiversität und Klimawandel“ als Querschnittsthema der CBD: http://www.cbd.int/climate/

Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt (NBS): http://www.biologischevielfalt.de/

Internationale Klimaschutzinitiative (IKI): http://www.international-climate-initiative.com/de/

Klimarahmenkonvention (UNFCCC): http://unfccc.int/2860.php

Zwischenstaatlicher Ausschuss für den Klimawandel (IPCC): http://www.ipcc.ch/index.htm

Kontakt

Kathrin Bockmühl, Bundesamt für Naturschutz, Fachgebiet Biologische Vielfalt, Außenstelle Insel Vilm, 18581 Putbus, Tel.: 038301 – 86 136, E-Mail: [email protected]

KoBiK-Geschäftsstelle: Harald Dünnfelder, Bundesamt für Naturschutz, Fachgebiet Biologische Vielfalt, Außenstelle Insel Vilm, 18581 Putbus, Tel.: 038301 – 86 156, E-Mail: [email protected]

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Ökosystembasierte Ansätze zur Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz – Aktivitäten des BfN

JUTTA STADLER

Einleitung

Bei ökosystembasierten Ansätzen zum Klimaschutz werden Ökosysteme genutzt, um Treibhaus-gasemissionen zu reduzieren, indem Kohlenstoffspeicher z. B. in naturnahen Wäldern und intakten Mooren erhalten oder durch Renaturierungsmaßnahmen gesichert werden, und indem die aktive Bindung von CO2 aus der Atmosphäre z. B. durch naturschutzverträgliche Aufforstung oder die Steigerung des Holzvorrates im Wald (Senkenfunktion) gefördert wird.

Ziel der ökosystembasierten Ansätze zur Anpassung an den Klimawandel ist es, die für den Men-schen notwendigen ökosystemaren Leistungen trotz Klimawandel langfristig zu erhalten (z. B. die Wasserversorgung durch Feuchtgebietsschutz sicher zu stellen) und klimawandelbedingte, negati-ve Folgen für den Menschen abzupuffern (z. B. durch die Auenrenaturierung als natürlicher Überflu-tungsschutz bei klimawandelbedingt vermehrt auftretenden Hochwasserereignissen oder durch die Anlage städtischer Grünflächen als Schutz gegen die „Überhitzung“ der Wärmeinsel Stadt).

Daraus können sich Synergien mit Naturschutzmaßnahmen und weitere sozio-ökonomische Nut-zen (z. B. Verbesserung der Lebensqualität in Innenstädten, Nährstoffrückhalt) ergeben. Bei Einbe-ziehung dieser Effekte und auf lange Sicht sind ökosystembasierte Ansätze kosteneffiziente Maß-nahmen, die als Alternative oder Ergänzung zu technischen Maßnahmen des Klimaschutzes oder zur Anpassung an den Klimawandel gesehen werden können.

Aktivitäten des Bundesamtes für Naturschutz

Aufbauend auf erste, konzeptionelle Arbeiten des BfN zu dem Thema (COWAN et al. 2010) wurde eine Sammlung und Analyse europäischer Fallbeispiele durchgeführt (DOSWALD und OSTI 2011). Nach diesen eher querschnittsorientierten Studien folgten eine Reihe weiterer Publikationen zu speziellen Aspekten ökosystembasierter Ansätze (SCHOLZ et al. 2012; MACKINNON et al. 2012, EPPLE 2012, DRÖSLER et al. 2012, NATURKAPITAL DEUTSCHLAND 2014).

Um ökosystembasierte Ansätze zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel auch im deutschsprachigen Raum bekannter zu machen, führt das BfN derzeit eine Sammlung und Analyse von Fallbeispielen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durch. Eine Broschüre für die interessierte Öffentlichkeit, insbesondere Entscheidungsträger in Verwaltungen, Kommunen, NROs etc., die entsprechende Projekte initiieren und umsetzen könnten, ist erschienen (NAUMANN et al. 2014). Die Analyse der Erfolgsfaktoren und Hindernisse der ausgewählten Projektbeispiele wird im Rahmen einer Studie und eines Leitfadens für Praktiker veröffentlicht. Das Kernstück des Projektes bildet die Datenbank „Pro Natur & Klima“, in der über 90 Fallbeispiele auf der Internetseite des BfN (http://www.bfn.de/0307_klima.html) mit Hilfe einer Suchmaske online recherchiert werden können. Über „Projektsteckbriefe“ erhält man detaillierte Informationen zu den vorgestellten Projekten. Hier

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besteht auch die Möglichkeit für interessierte Projektverantwortliche weitere, eigene Projekte über eine Eingabemaske in die Datenbank zu integrieren, sie damit der Öffentlichkeit bekannt zu machen und den fachlichen Austausch zwischen den Akteuren zu unterstützen.

Anpassung im Naturschutz

Unterstützende Maßnahmen des Naturschutzes zur Anpassung europäischer Ökosysteme an den Klimawandel, ein den ökosystemaren Ansätzen sehr nah verwandtes Thema, ist Inhalt zweier weiterer, kürzlich erschienener Publikationen des BfN (KORN et al. 2014, BONN et al. 2014).

Literatur

BONN, A., MACGREGOR, N., STADLER, J., KORN, H., STIFFEL, S., WOLF, K., VAN DIJK, N. (2014): Help-ing ecosystems in Europe to adapt to climate change. BfN-Skripten 375: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_375.pdf

COWAN, C., EPPLE, C., KORN, H., SCHLIEP, R., STADLER, J. (Hg.) (2009): Working with Nature to tackle Climate Change. BfN-Skripten 264: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript264.pdf

DOSWALD, N., OSTI, M. (2011): Ecosystem-based approaches to adaptation and mitigation – good practice examples and lessons learned in Europe. BfN-Skripten 306: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_306.pdf

DRÖSLER, M., AUGUSTIN, J., BERGMANN, L. et al. (2012): Beitrag ausgewählter Schutzgebiete zum Klimaschutz und dessen monetäre Bewertung. BfN-Skripten 328: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript328.pdf

EPPLE, C. (2012): The climate relevance of ecosystems beyond forests and peatlands. BfN-Skripten 312. http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_312.pdf

KORN, H., STADLER, J., BONN, A., BOCKMÜHL, K., MACGREGOR, N. (Hg.) (2014): Proceedings of the European Conference „Climate Change and Nature Conservation in Europe – an ecological, policy and economic perspective“. BfN-Skripten 367: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_367.pdf

MACKINNON, K., DUDLEY, N., FISCHER, K. (2012): Putting Natural Solutions to Work: Mainstreaming Protected Areas in Climate Change Responses. BfN-Skripten 321: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/BfN-Skript-321.pdf

NAUMANN, S., KAPHENGST, T., MCFARLAND, K., STADLER, J. (2014): Naturbasierte Ansätze für Klima-schutz und Anpassung an den Klimawandel. BfN.

NATURKAPITAL DEUTSCHLAND – TEEB-DE (2014): Naturkapital und Klimapolitik: Synergien und Konflikte. Kurzbericht für Entscheidungsträger. Technische Universität Berlin, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung-UFZ, Leipzig.

SCHOLZ, M., MEHL, D., SCHULZ-ZUNKEL, C., KASPERIDUS, H. D., BORN, W., HENLE, K. (2012): Ökosys-temfunktionen von Flussauen. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 124.

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Kontakt

Jutta Stadler, Bundesamt für Naturschutz (BfN), Außenstelle Insel Vilm, 18581 Putbus, Tel.: 038301-86134, E-Mail: [email protected], BfN-Themenseite „Biologische Vielfalt und Klima-wandel“ im Internet: http://www.bfn.de/0307_klima.html

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Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, Arbeiten des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung (KomPass) des Um-weltbundesamtes

PETRA VAN RÜTH

Übergreifendes Ziel der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) ist es, die Vulnerabilität Deutschlands gegenüber den Wirkungen des Klimawandels zu vermindern und die Anpassungskapazität Deutschlands an den Klimawandel zu erhöhen und damit bestehende Hand-lungsziele der verschiedenen Politikfelder auch unter den Bedingungen des weiter fortschreitenden Klimawandels möglichst realisierbar zu halten. Der Fortschrittsbericht zur DAS wird im zentralen Berichtsdokument die Fortschritte in der Umsetzung der Strategie und die Weiterentwicklung der Anpassungsstrategie darstellen. Darüber hinaus sind drei vorrangig informierende Anhänge zum Fortschrittsbericht geplant, die das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass) des Umweltbundesamtes (UBA) fachlich vorbereitet.

Monitoringbericht zur DAS

Der Monitoringbericht liefert Informationen über bereits beobachtete Folgen des Klimawandels und bereits begonnene Anpassungsmaßnahmen. Es ist vorgesehen, dass dieser Bericht in Zukunft regelmäßig auf der Basis von Datensätzen aktualisiert wird, deren zukünftige Erhebung gesichert ist. Dabei werden die thematische Breite der DAS widergespiegelt und die in der DAS als relevant eingeschätzten Themen abgebildet. Grundlage sind 102 DAS-Indikatoren, die auf gemessenen Datenreihen beruhen. Um den aktuellen Wissensstand zu berücksichtigen und die richtigen thema-tischen Schwerpunkte zu setzen, wurden bei der Entwicklung der Indikatoren Experten aus Bun-des- und Landesbehörden, Verbänden und wissenschaftlichen Institutionen in den Entwicklungs-prozess eingebunden. Die Indikatoren fassen Entwicklungen auf Bundesebene zusammen. Der Indikatorenbericht zur DAS hat in der ersten Fassung vor allem Informationscharakter. Für die spätere Weiterentwicklung sollen Referenzpunkte gesetzt werden, um zukünftig die beobachtbaren Entwicklungen rückblickend beurteilen zu können. In der Zukunft kann die Fortschreibung des Indikatorenberichts als Grundlage der Evaluation des Anpassungsprozesses an den Klimawandel auf Bundesebene dienen.

Vulnerabilitätsanalyse

Die Vulnerabilitätsanalyse nutzt so weit möglich die im Indikatorenbericht erfolgte Auswahl von Themen und Indikatoren, um Vulnerabilitätsindikatoren zu entwickeln. Diese bilden mögliche zu-künftige Entwicklungen von Klimafolgen und Vulnerabilitäten ab, um dadurch räumliche und thema-tische Schwerpunkte der Vulnerabilität („Hotspots“) zu identifizieren.

Mit der Vulnerabilitätsanalyse sollen in einem Screeningverfahren deutschlandweit die Regionen und Themen identifiziert werden, die zukünftig besonders durch den Klimawandel gefährdet sind. Aus der Analyse der Vulnerabilität, inkl. der Anpassungskapazität, soll abgeleitet werden, welcher Anpassungsbedarf besteht und wie der Bund unterstützen könnte. Die Ergebnisse sollen als Grund-

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lage für mögliche Anpassungsmaßnahmen im Rahmen der Fortschreibung des Aktionsplans An-passung (APA) dienen. Die Vulnerabilitätsanalyse wird im Rahmen des Netzwerks Vulnerabilität erarbeitet. Das Netzwerk besteht aus 16 Bundesoberbehörden und –institutionen aus neun Res-sorts und wird durch ein vom BMUB finanziertes und durch UBA geleitetes Vorhaben unterstützt; es hat vorhandene Klimafolgenbetrachtungen und Vulnerabilitätsabschätzungen strukturiert zusam-mengeführt und ausgewertet. Die Ergebnisse können im internetbasierten Klimastudienkatalog (http://netzwerk-vulnerabilitaet.de) abgerufen werden.

Die Analyse der bisherigen Arbeiten zeigt eine geringe Konsistenz, viele (sektorale und regionale) Lücken und daher kein konsistentes Gesamtbild der Vulnerabilität Deutschlands. Daher wird in einem 2. Schritt eine eigene, konsistente und flächendeckende Vulnerabilitätsanalyse für Deutsch-land für alle Handlungsfelder der DAS durchgeführt. Das methodische Vorgehen wurde im Netz-werk entwickelt. Anhand von Wirkungsketten zwischen Klimasignal (z. B. Anzahl der Hitzetage) und Klimawirkung (z. B. Hitzestress bei Menschen) wurden durch die am Netzwerk beteiligten Bundes-behörden die weiter zu untersuchenden Klimawirkungen ausgewählt. Soweit möglich berücksichti-gen die Wirkungsketten die Ergebnisse des Indikatorensystems zur DAS. Die zukünftige Entwick-lung der ausgewählten Klimawirkungen wird mit Vulnerabilitäts-Indikatoren abgebildet, die durch Modelle unter Nutzung von Klimaprojektionen und sozioökonomischen Szenarien berechnet oder durch Experten geschätzt werden. Zusätzlich soll die Anpassungskapazität berücksichtig werden, d.h. die Möglichkeit, in Zukunft zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Die Vulnerabilität ergibt sich im letzten Schritt für jede Region aus der Verschneidung der Klimawirkung mit der Anpassungska-pazität.

Aktionsplan 2

Die Darstellung der Aktivitäten und Maßnahmen des Aktionsplans 2 (APA 2) basieren auf den in der Vulnerabilitätsanalyse identifizierten Schwerpunkten der Vulnerabilität und dem abgeleiteten An-passungsbedarf. Für diese thematischen und räumlichen Schwerpunkte werden Politikinstrumente und Maßnahmen des Bundes im Bereich Klimaanpassung zusammengestellt, die u. a. die erforder-lichen Zeit- und Kostenaspekte von Instrumenten und Maßnahmen beinhalten. Ausgangspunkt der Arbeit ist eine umfassende Zusammenstellung von Maßnahmen und Instrumenten für die Anpas-sung an den Klimawandel, die bereits angewendet wurden oder sich in der Diskussion befinden. Ziel ist es, für die Entscheidungsträger die Maßnahmenauswahl und Priorisierung fachlich vorzube-reiten.

Kontakt

Dr. Petra van Rüth, Umweltbundesamt, KomPass Fachgebiet I 1.6, Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau-Roßlau, Tel.: +49 (0)340 2103 2127, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung

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Die neu gegründete Deutsche IPBES-Koordinierungsstelle

SUSANNE LEHMANN, MARIAM AKHTAR-SCHUSTER, ROLAND KEIL, UTA VON WITSCH

Neues UN-Sekretariat für Weltbiodiversitätsrat gegründet

Anfang des Jahres 2014 hat das internationale Sekretariat des neu gegründeten Weltbiodiversitäts-rates IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) als 19. Sekretariat am UN-Standort Bonn seine Arbeit aufgenommen.

Die Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) sowie Bildung und Forschung (BMBF) haben zur Beratung und Unterstützung der Arbeiten von IPBES im April 2014 die Deutsche IPBES-Koordinierungsstelle am Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (PT-DLR) in Bonn eingerichtet. Die nationale IPBES-Koordinierungsstelle soll so-wohl die internationalen Arbeiten unterstützen als auch Bindeglied in die deutsche Wissenschafts-gemeinde und zu weiteren Interessensvertretern sein.

Abb. 1: Erste internationale IPBES-Vollversammlung im Januar 2013 im alten Plenarsaal in Bonn (Bild: S. Lehmann)

Der Weg zur Einrichtung der globalen zwischenstaatlichen Plattform für Biodiversität und Ökosystemleistungen (IPBES)

Bei einer Regierungskonferenz im Juni 2010 in Busan (Südkorea) wurde die Einrichtung von IPBES von der internationalen Gemeinschaft beschlossen und noch im selben Jahr von der UN-Generalversammlung bestätigt. Das sogenannte Busan-Outcome wurde von der 10. Vertragsstaa-

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tenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD) begrüßt und das UN-Umweltprogramm UNEP zur Einberufung der ersten IPBES-Vollversammlung aufgefordert.

Im Oktober 2011 fand das erste IPBES-Gründungsplenum zum Aufbau von IPBES und seiner Strukturen in Nairobi statt. Auf dem zweiten Gründungsplenum in Panama City, im April 2012, wurde IPBES von der Staatengemeinschaft schließlich formell gegründet. Während des zweiten Gründungsplenums wurde auch beschlossen, das Sekretariat des IPBES in Bonn anzusiedeln. IPBES wird vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) verwaltet.

Die erste Plenarsitzung fand im Januar 2013 in Bonn statt. Die Mitgliedsstaaten verabschiedeten richtungsweisende Entscheidungen zu Regeln für die Arbeit, den Aufbau sowie die Strukturen von IPBES. Es folgte die zweite Sitzung im Dezember desselben Jahres in Antalya in der Türkei. Hier wurden das fünfjährige Arbeitsprogramm (2014-2018), das konzeptionelle Rahmenwerk sowie finanzielle und haushaltsrechtliche Vereinbarungen verabschiedet. Die dritte Vollversammlung wird im Januar 2015 in Bonn stattfinden.

Wozu ein neues Biodiversitätsgremium?

IPBES berät politische Entscheidungsträger über den Zustand und die Entwicklung der Biodiversität sowie ihrer Ökosystemleistungen. IPBES führt keine eigenen Forschungsarbeiten durch, aber sammelt und bewertet weltweit vorhandene Daten. Aus den Bewertungen werden Handlungsoptio-nen zum Schutz der biologischen Vielfalt abgeleitet, die politische Entscheidungsträger in ihrer Arbeit unterstützen sollen. Darüber hinaus wird IPBES in seinen Auswertungen und Empfehlungen auch andere Formen des Wissens - wie zum Beispiel die reichhaltigen und wertvollen Kenntnisse von indigenen und lokalen Bevölkerungsgruppen über die biologische Vielfalt in ihren Regionen - berücksichtigen und mit diesen Bevölkerungsgruppen eng zusammenarbeiten. Die IPBES-Berichte sollen hohen wissenschaftlichen Standards entsprechen und politisch neutral sein.

Die vier Aufgabenbereiche des IPBES umfassen

• die Identifizierung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die politische Entscheidungsträger benötigen;

• die regelmäßige Erstellung von Berichten über den aktuellen Wissensstand zu Biodiversität und Ökosystemleistungen sowie deren Wechselbeziehungen;

• die Identifizierung von politikrelevanten Instrumenten und Methoden zur Unterstützung bei der Formulierung und Umsetzung von politischen Maßnahmen;

• die Priorisierung des Bedarfs im Bereich Kapazitätsaufbau zur weiteren Entwicklung der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft sowie die Bereitstellung und Einwerbung von fi-nanziellen Mitteln und anderer Unterstützung.

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Integration deutscher Expertise bei IPBES

Die Deutsche IPBES-Koordinierungsstelle soll helfen, nationale Expertise bei IPBES zu integrieren und dadurch die internationalen Aktivitäten zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologi-schen Vielfalt zu stärken. Dazu werden u.a. die von der Bundesregierung nominierten und von IPBES ausgewählten Experten, insbesondere Autoren und Prüfeditoren, unterstützt (z. B. durch die Organisation von Expertentreffen oder die Information zu Verfahrensabläufen), dem Gutachterkreis für die Nominierungsvorschläge der Bundesregierung (Ad-hoc-Expertengremium) zugearbeitet sowie zusätzlicher Bedarf bei Forschung und Kapazitätenbildung ermittelt.

Mit dem zweiten IPBES-Plenum im Dezember 2013 wurde beschlossen, aufgabenbezogene Exper-ten- und Arbeitsgruppen (Task Forces) einzurichten. Im Januar und April 2014 waren Regierungen und Stakeholder dazu aufgerufen, für mehrere dieser Expertengruppen und Task Forces geeignete Personen vorzuschlagen (erster und zweiter IPBES-Nominierungsaufruf). Deutsche Expertinnen und Experten konnten sich auch über die zuständigen Bundesministerien für eine Nominierung bewerben.

Die Nominierungsliste von BMUB und BMBF zum ersten Aufruf umfasste 39 Vorschläge. Dar-über hinaus wurden auch von deutschen Forschungseinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen Experten nominiert. Das Nominierungsverfahren von BMBF und BMUB zum ersten Aufruf wurde durch das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NeFo) administrativ unter-stützt.

Mit Einrichtung der IPBES-Koordinierungsstelle übernahm diese im Auftrag des BMBF und BMUB die Durchführung des zweiten Nominierungsverfahrens. Im Ergebnis schlugen die Bundesministe-rien insgesamt 15 Bewerber für die Expertengruppen zu den Regionalen/Subregionalen Assess-ments zu biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen (2b) und dem Thematischen Assessment zu Landdegradation und Wiederherstellung (3bi) vor. Den Vor-schlägen der Bundesregierung liegen die Empfehlungen des Ad hoc-Expertengremiums zur Nominierung nationaler Exper-ten/Expertinnen zu Grunde.

Von den deutschen Nominierungen insgesamt wurden bislang 15 Fachleute durch das multidiszipli-näre Expertengremium des IPBES (MEP) ausgewählt und in die folgenden IPBES-Expertengruppen aufgenommen: Task Force zu Kapazitätenbildung (1a/b), Task Force zu Wissen und Daten (1c), Leitfaden zur Durchführung von Begutachtungen (Assessments) auf verschieden Skalen (2a), Fast Track Assessment zu Bestäubung und Bestäubern (3a), Konzeptualisierung der Werte von Biodiversität und Natur (3d) und Katalog relevanter Politik-Unterstützungsinstrumente (4c).

Ein dritter Nominierungsaufruf zu zwei weiteren Arbeitsbeiträgen – Thematisches Assessment zu invasiven Arten (3bii) und Thematisches Assessment zur nachhaltigen Nutzung und dem Schutz der biologischen Vielfalt (3biii) - soll im September des Jahres 2014 erfolgen. Die Bundesministe-rien begrüßen es, wenn zahlreiche deutsche Bewerbungen eingehen. Eine intensive Beteiligung an den IPBES-Expertengruppen und Task Forces fördert die Möglichkeiten der Mit-gestaltung und Einbringung nationaler Belange in den internationalen IPBES-Prozess. Gleich-zeitig können über

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die bei IPBES vertretenen deutschen Fachleute internationale Aktivitäten zu den nationalen Akteu-ren rückgekoppelt werden und entsprechend Berücksichtigung finden.

Für die ausgewählten Experten und Expertinnen selbst schafft die aktive Mitarbeit bei IPBES einen Mehrwert im Hinblick auf Renommee, Vernetzung sowie inter- und transdisziplinäre Fähigkeiten.

Öffentlichkeitsarbeit und weitere Informationen

Ein weiterer Schwerpunkt der deutschen IPBES-Koordinierungsstelle ist die Öffentlichkeitsarbeit: Die Koordinierungsstelle wird regelmäßig über die wichtigsten Ereignisse und Arbeiten des IPBES berichten, um das Bewusstsein für den Schutz der biologischen Vielfalt in Forschung, Politik und der breiten Öffentlichkeit national und international zu stärken.

Informationen, Nachrichten und Links aus dem nationalen und internationalen IPBES-Prozess und zu Schutz und Nutzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen sind unter www.de-ipbes.de erhältlich und werden laufend aktualisiert.

Weiterführende Literatur

HEUBACH, K., MARQUARDT, E. (2014): The Intergovernmental Platform on Biodiversity and Eco-system Services (IPBES) – Historie, Status nach IPBES-1 und Trends. BfN-Skripten 370: 9-15.

DODT, G. (2014): IPBES – Eine effektive Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik? Anforde-rungen an die Gestaltung und Ausrichtung der Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES). BfN-Skripten 370: 17-22.

Kontakt

Deutsche IPBES-Koordinierungsstelle im Projektträger im DLR, Heinrich-Konen-Str. 1, 53227 Bonn, Tel.: 0228 – 3821 1536, E-Mail: [email protected], Internet: www.de-ipbes.de

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3 Herausforderungen für den Naturschutz

Herausforderungen des Klimawandels für die Naturschutzpraxis - Ein dialogischer Auftakt

RENÉ ZIMMER

Am 2. und 3. April 2014 fand im Leipziger Kubus des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) die Regionalkonferenz “Mittel- und norddeutsche Trockenregionen im Klimawandel – Heraus-forderung für die Landnutzung” statt. Die Regionalkonferenz war von den Bundesländern Branden-burg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Unterstützung des BMUB organisiert worden. Am Nachmittag des ersten Tages wurde ein Workshop zum Thema „Wie können Ökosystemfunktionen unter den Bedingungen des Klimawandels erhalten bleiben?“ durchgeführt, der von dem Unternehmen re:member vorbereitet und moderiert wurde. Es trafen sich Mitarbeiter von Umweltministerien mehrerer Bundesländer, Landesämtern für Umweltschutz, unte-ren Naturschutzbehörden sowie Vertreter aus Politik und Wissenschaft.

Abb. 1: Workshop-Diskussion (Regionalkonferenz Leipzig; Bild: W. Schmidt)

Im Mittelpunkt des Workshops stand das Problem, dass klimatische Veränderungen nicht nur in der Normallandschaft, sondern auch in Schutzgebieten wirksam werden. Das hat Konsequenzen für die dort jeweils geschützten Schutzgüter (Arten und Lebensräume, Landschaftsausschnitte, spezielle Ökosystemfunktionen) wie auch für Schutzstrategien, Schutzkonzepte oder Schutzgebietsma-nagement. So stand die Frage im Raum, wie der Naturschutz künftig vorgeht, um Schutzgüter auch unter klimatisch veränderten Bedingungen möglichst lange zu erhalten. Ebenso stand zur Debatte, was künftig schutzwürdig ist, wenn Schutzgüter wie gefährdete Arten nicht mehr erhalten werden

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können. Ziel des Workshops war es, Vorschläge zu entwickeln, wie in der Naturschutzpraxis mit den Auswirkungen des Klimawandels umgegangen werden soll.

Mit drei Input-Vorträgen wurden die Workshop-Teilnehmer über die Bedeutung des Klimawandels für den Artenschutz und die Erhaltung der Ökosystemfunktionen informiert. Frau Dr. Aletta Bonn von Naturkapital Deutschland – TEEB DE sprach über die neuen Herausforderungen, die sich dem Naturschutz durch den Klimawandel stellen. Herr Dr. Martin Musche vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung referierte über Möglichkeiten und Grenzen des Artenschutzes im Klimawandel und Frau Dr. Ulrike Doyle vom Sachverständigenrat für Umweltfragen fragte, was es braucht, damit Ökosystemfunktionen erhalten bleiben.

Anschließend wurden erste Ansatzpunkte gesammelt, wie Naturschutz auch unter veränderten klimatischen Bedingungen gelingen kann. Dazu wurde methodisch mit einem Rollenspiel gearbeitet und ein “Blick zurück aus der Zukunft” geworfen (s. Abb. 2). In der Spielsituation waren die Heraus-forderungen des Klimawandels erfolgreich in die Naturschutzpraxis integriert worden und die drei „Macher“, die diesen Veränderungsprozess von Anfang an begleitet hatten, werden auf der 10. Regionalkonferenz im Jahre 2024 auf einer Podiumsdiskussion interviewt. Durch die Rückschau aus der Position eines erfolgreichen Abschlusses des Vorhabens konzentriert sich die Gruppe nicht auf Probleme, die zum Scheitern führen können, sondern auf das, was gelungen ist, und auf die Herausforderungen, die gemeistert wurden.

Abb. 2: Rollenspiel: Blick zurück aus der Zukunft (Regionalkonferenz Leipzig, Bild: R. Zimmer)

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Im Rollenspiel und der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer davon ausgehen, dass sich der Artenwandel in Schutzgebieten unter den Bedingungen des Klimawandels nicht aufhalten lassen wird. Deshalb müsse Naturschutz künftig noch stärker systemisch gedacht und Ökosystemfunktionen erhalten werden, ohne den Artenschutz zu vernach-lässigen. Auch gilt es, künftig bei den sogenannten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen den Klima-wandel zu berücksichtigen. Deutlich wurde aber auch, dass der Klimawandel aktuell von vielen Teilnehmern als nachrangig gegenüber den Einflüssen von Land- und Forstwirtschaft auf Schutz-gebiete gesehen wird. Die Ergebnisse aus der Diskussion sind in der folgenden Abbildung 3 darge-stellt:

Abb. 3: Workshop-Ergebnisse

Da klimatische Veränderungen mittelfristig Auswirkungen auf Schutzgüter und Schutzgebiete haben werden, wird vorgeschlagen, das Thema in einem zweitägigen Workshop im BfN auf der Insel Vilm zu vertiefen. Ziel eines solchen Workshops wäre es, Mitarbeiter der Naturschutzverwaltungen auf kommunaler und Landesebene über die Bedeutung des Klimawandels für die künftige Ausgestal-tung der Naturschutzpraxis zu sensibilisieren und aufbauend auf den Ergebnissen des Workshops von 2. April 2014 Handlungsschwerpunkte zu finden und diese im Detail auszuarbeiten.

Wandel mitgestalten

Das Unternehmen re:member gestaltet Dialoge mit den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und allen relevanten Entscheidungsträgern. Die Expertise und Erfahrung der Teilnehmer werden genutzt, um in Einzelworkshops oder Workshop-Staffeln Strategien und Szenarien zu entwickeln,

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zu Entscheidungen zu kommen oder Probleme zu lösen. Das Leistungsspektrum reicht von Bürger-konferenzen, über Fokusgruppen, die Speed Science-Methode, World Cafés bis zu Horizon Scan-ning-Workshops. Dabei zeichnet sich re:member durch eine klare, ergebnisorientierte Zielsetzung aus, die über den Austausch von Informationen deutlich hinausgeht.

Kontakt

Dr. René Zimmer, re:member – Wandel mitgestalten, Schloßstraße 13, 14467 Potsdam, Tel.: 0162-208-47-54, Email: [email protected], Internet: www.remember-wandel.de

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Über den Wert von Langzeit- und Dauerbeobachtungen in der Biodiversitäts- und Klimaforschung

JOCHEN WULFHORST

Anlass

Nach den Klimamodellen wird nicht nur die Temperatur weiter ansteigen, sondern es wird in Mittel-europa auch mehr extreme Wetterereignisse und eine saisonale Verschiebung der Niederschläge geben (MATOVELLE und SIMON 2013). Da der Klimawandel ein langfristiger Prozess ist, müssen seine Auswirkungen auf Ökosysteme nicht nur mit Langzeitbeobachtungen im Freiland erfasst werden, sondern auch von anderen menschengemachten Veränderungen sowie natürlichen perio-dischen Schwankungen abgegrenzt werden.

Tab. 1: Charakter der untersuchten Quelle und des Quellgebiets in Kassel

Name Geologie Quelltyp Abfluss-Muster

Vegetation Quellgebiet

Landnutzung Umge-bung

Langefeld-Bach1

Löss, Lehm freifließend, eine Tümpelquelle, mehrere Sickerquel-len, eine Drainage

dauerhaft fließend

von Weiden dominiertes Feuchtgebiet

Ackerland

Diedichsborn Muschelkalk gefasst (Abb. 1) saisonal trocken

kleiner Wald mit Eschen und Schwarzerlen

Einfamilienhäuser in großen Gärten, Buchenwald (Hor-delymo-Fagetum)

Hypothese: Die Wirkung des Klimawandels auf Ökosysteme ist am frühesten sichtbar in solchen mit besonders extremen Umweltbedingungen: trockene Ökosysteme, subalpine und alpine Ökosys-teme, feuchte Ökosysteme – Moore, Feuchtwiesen, Auen usw., Quellen und Quellbäche, saisonal austrocknende Gewässer, austrocknungsgefährdete Gewässer. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden im Kasseler Becken mehrere Langzeit- und Dauerbeobachtungen begonnen, u. a. die folgenden.

Untersuchungsgegenstand und -methode

Quellen und Quellbäche: Die Tabelle 1 beschreibt die beiden Quellsysteme in den Kasseler Orts-bezirken Niederzwehren und Kirchditmold. Der Abfluss wurde mit einer Stoppuhr, geeigneten Auf-fanggefäßen (verschiedene Schalen, Eimer) und kalibrierten Messbechern gemessen. Die Dynamik des Abflussregimes wurde mit dem Dynamikquotient DYQ und dem Dynamikkoeffizient DK (nicht-parametrischer Variationskoeffizient) (WULFHORST 2004: 71, 114) beschrieben. Je niedriger der

1 In den Karten der Hessischen Landesvermessung ohne Namen. Benennung nach der Flur „Das Lange Feld“, durch die der Bach fließt.

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Wert dieser beiden nichtparametrischen Maßzahlen ist, desto ausgeglichener ist das Abflussre-gime, und umgekehrt. Auf einer Feuchtwiese in Kassel-Wilhelmshöhe wurden jeweils im Mai mit einer Streifenkartierung die Populationsgröße von Dactylorhiza majalis (H. G. L. REICHENBACH) W. HUNT und SUMMERHAYES 1965 – Breitblättriges Knabenkraut (Abb. 2) ermittelt. Austrocknungsge-fährdete Gewässer: In einem derzeit noch dauerhaft mit Wasser gefüllten Teich im Quellgebiet des Langefeld-Bachs wurde in der Vegetationsperiode der Deckungsgrad von Stratiotes aloides LINNAEUS 1753 – Krebsschere bestimmt (Abb. 3).

Abb. 1: Quellhaus des Diedichsborns in Kassel-Kirchditmold (Bild: J. Wulfhorst 10.03.2008)

Abb. 2: Dactylorhiza majalis und Caltha palustris (Sumpfdotterblume) auf der untersuchten Feuchtwiese (Bild: J. Wulfhorst 06.05.2009)

Tab. 2: Statistiken des Abflusses in l ∙ s-1 im Diedichsborn und am unteren Ende des Quellgebiets des Langefeld-Bachs. Berechnung auf Grund der Messungen zwischen 16.03.2001 bzw. 19.07.2009 und 10.08.2014. DYQ: Dynamik-Quotient, DK: Dynamikkoeffizient (nichtparametrischer Variati-onskoeffizient Vnp). Zum Vergleich zwei quellnahe Messstellen im Oberharz (WULFHORST 2004: 54, 287), R1 in der Alten Riefensbeek (Fließ-km 0.93) und S1 in der Großen Söse (Fließ-km 0.97).

Bach geom. Mittel Min Max n DYQ DK

Diedichsborn 0,516 0,000 7,321 591 9,5 14,18 Langefeld-Bach 0,787 0,166 6,339 165 7,9 8,06 R1 20,9 2,8 90,6 44 4,5 4,30 S1 33,3 4,4 156,5 41 4,4 4,20

Ergebnisse und Diskussion

Abfluss: Entgegen der Beschreibung in Schul- und Lehrbüchern schwankt der Abfluss in vielen Quellen im Jahresgang deutlich. Dies ist auch im Langefeld-Bach (Abb. 4) und im Diedichsborn (Abb. 5 und 6) der Fall. Die Tabelle 2 beschreibt die Statistiken der beiden Quellsysteme. Der Dy-namikquotient DYQ und der Dynamikkoeffizient DK waren deutlich höher als diejenigen von zwei zum Vergleich herangezogenen Quellbächen im Oberharz. Zu erwarten war eher ein umgekehrtes Verhältnis, weil es im Oberharz etwa doppelt so viel Niederschlag gibt wie im Kasseler Becken,

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insbesondere in Form einer meterhohen Schneedecke. Möglicherweise werden aber diese höheren Niederschläge durch moorige Böden abgepuffert.

Abb. 3: Stratiotes aloides (Krebsschere) im mittleren Teich im Feuchtgebiet auf dem Langen Feld in Kassel (Bild: J. Wulfhorst 26.07.2009)

Die Hypothese, dass es einen engen Zusammenhang zwischen dem jährlichen Niederschlag und dem Abfluss im Langefeld-Bach gebe, wurde mit dem Rang-Korrelationskoeffizient von Spearman zwischen der Jahressumme des Niederschlags und dem jährlichen geometrischen Mittel des Ab-flusses überprüft. Es gab eine nur mäßig enge Korrelation zwischen der Jahressumme des Nieder-schlags und dem jährlichen geometrischen Mittel des Abflusses (rs = +0,40, nicht signifikant, n = 4). Diese lässt sich mit der noch niedrigen Zahl vollständiger Abflussjahre, der hohen Evapotranspirati-on im Feuchtgebiet und der Versiegelung von Feldwegen im Bereich des Quellgebiets erklären.

Abb. 4: Abfluss-Ganglinie des Langefeld-Bachs am unteren Ende seines Quellgebiets. Messungen zwischen 19.07.2009 und 10.08.2014.

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Abb. 5: Abfluss-Ganglinie des Diedichsborns am Quellhaus 2001–2007. Messungen zwischen 16.03.2001 und 13.03.2007.

Abb. 6: Abfluss-Ganglinie des Diedichsborns am Quellhaus 2007–2014. Messungen zwischen 21.03.2007 und 10.08.2014.

Die Hypothese, dass es einen engen Zusammenhang zwischen dem jährlichen Niederschlag und dem Abfluss im Langefeld-Bach gebe, wurde mit dem Rang-Korrelationskoeffizient von SPEARMAN überprüft. Die ersten sechs Jahre der Messungen im Diedichsborn (Abb. 5) hatten ein ähnliches Abflussmuster: Nach Abflussspitzen im Winter und Frühjahr trocknete die Quelle in der zweiten Jahreshälfte aus. Ab 2007 änderte sich dieses Muster in mehreren Jahren (Abb. 6): Die Austrock-

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nungsphase wurde von kurzem Wiederanlaufen der Schüttung unterbrochen, die Dauer der Aus-trocknung wurde kürzer, und es gab auch im Sommer Abfluss-Spitzen. Hypothese: Je länger der Diedichsborn trockenfällt, desto weniger Niederschlag ist gefallen, und umgekehrt. Diese ließe sich bestätigen, wenn der Korrelationskoeffizient zwischen der Dauer des Trockenfallens und der Nie-derschlagssumme negativ und signifikant wäre. Die Korrelation zwischen der Dauer des Trockenfal-lens und der Niederschlagssumme während der Trockenperiode war aber entgegen den Erwartun-gen positiv (rs = +0,890, p ≤ 0,001, n = 12). Die Beziehung zwischen der Dauer des Trockenfallens und der Niederschlagssumme ein Jahr vor Ende der Trockenperiode war zwar negativ, aber nur mäßig eng (rs = -0,358, n.s., n = 12). Die Korrelation zwischen der Dauer des Trockenfallens und der Niederschlagssumme zwei Jahre vor Ende der Trockenperiode war sehr gering (rs = -0,046, n.s., n = 12). Ursachen für den lockeren und nicht signifikanten bzw. unerwartet positiven statisti-schen Zusammenhang zwischen Niederschlag und der Dauer des Trockenfallens des Diedichs-borns können die hohe Evapotranspiration im Gehölz um die Quelle und die Einleitung der Nieder-schläge von versiegelten Flächen in den Kanal sein.

Abb. 7: Zahl der Blütentriebe von D. majalis auf einer Feuchtwiese in Kassel-Wilhelmshöhe. Streifenzählung zwischen Mai 2006 und Mai 2014. Maximaler Zählfehler 9,3 %.

Populationsgröße von Dactylorhiza majalis – Breitblättriges Knabenkraut: D. majalis ist in Nordosthessen gefährdet (Rote-Liste-Status 3). Seine Populationsgröße auf der untersuchten Feuchtwiese schwankte um mehr als den Faktor 2 (Abb. 7 – Min.: 845, Max.: 2.366). Hinweise auf

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mögliche Ursachen für diese Schwankungen geben die Korrelationsberechnungen zwischen der Populationsgröße und dem Niederschlag (Wasserversorgung) bzw. dem Abstand der Mahd zum Blühtermin im Vorjahr (Samenreife, Entfernung von Samen von der Fläche über das Mahdgut). Die statistische Beziehung zwischen der Populationsgröße und dem Mahdtermin im Vorjahr war eng (rs = +0,766, p 0,028, n = 8). Die Korrelation zwischen der Populationsgröße und der Niederschlags-summe der Monate Februar bis April war dagegen gering, negativ und nicht signifikant (rs = -0,250, n = 9). Der Zeitpunkt der Mahd war also wichtiger für die Populationsgröße als die Wasserversor-gung vor der Blüte. Die nicht signifikante Korrelation mit der Wasserversorgung lässt sich folgen-dermaßen erklären: D. majalis ist zwar ein Feuchtezeiger (Feuchtezahl 8 nach ELLENBERG et al.), sein Feuchtestatus kann aber stark wechseln. Es kann also auch trockenere Bedingungen gut ertragen, ist also vom Niederschlag nicht stark abhängig.

Abb. 8: Deckungsgrad von Stratiotes aloides im mittleren Teich im Feuchtgebiet auf dem Langen Feld in Kassel-Niederzwehren. Aufnahmen zwischen 19.07.2009 und 10.08.2014.

Stratiotes aloides – Krebsschere steht unter dem Schutz der Bundesartenschutzverordnung, die Naturschutzbehörden sind also verpflichtet, sie zu schützen. Im Sommer 2009 bedeckte Stratiotes noch fast zwei Drittel des Teiches (Abb. 3, 8). Der Deckungsgrad war 2012 und 2013 auf höchstens 10 % abgesunken, 2014 waren es weniger als 5 %. Für die Ermittlung der Ursachen dieses Rück-gangs sind keine statistischen Berechnungen nötig. Stratiotes schwimmt im Sommer auf der Was-seroberfläche, sinkt aber in der kalten Jahreshälfte auf den Gewässergrund ab, um sich vor der

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Schädigung durch Eisbedeckung zu schützen. Durch Eintrag von Falllaub und Holz befindet sich der Teich jedoch im Prozess der Verlandung. Die Wassersäule war spätestens 2012 im größten Teil des Teichs so flach, dass Stratiotes nicht mehr tief genug absinken konnte, um sich vor der Eisbedeckung zu schützen. Außerdem war ein Teil des Teichs bereits 2009 so stark von Ufergehöl-zen beschattet, dass Stratiotes nicht genug Licht hatte (siehe den Vordergrund von Abbildung 3).

Wegen des Verzichts auf Untersuchungen in 2010 und 2011 wurden erste Anzeichen des Rück-gangs der Population übersehen. Solche Datenlücken sind bei naturschutzfachlichen Untersuchun-gen üblich. Z. B. erfolgt die Überwachung nach den europäischen FFH- und Wasserrahmenrichtli-nien im sechsjährigen Turnus, ist also noch seltener als die hier vorgestellten Untersuchungen von Stratiotes.

Fazit und Schlussfolgerungen

Erst die Langzeituntersuchung konnte zeigen, dass sich das Abflussregime des Diedichsborns nach sieben Untersuchungsjahren änderte. Die Untersuchungen müssen fortgeführt werden, um zuver-lässige Aussagen über einen Einfluss des Klimawandels auf das Abflussregime und die Populati-onsgröße der untersuchten Pflanzenarten zu machen. So kann auch die Vermutung abgeklärt werden, ob D. majalis und Stratiotes wirklich keine geeigneten Bioindikatoren für den Klimawandel sind.

Die untersuchte Feuchtwiese sollte erst Mitte bis Ende August gemäht werden. Dies fördert nicht nur den Bestand von D. majalis, sondern auch weitere im Sommer fruchtende gefährdete Arten.

Der Teich mit Stratiotes aloides sollte sofort entschlammt und die Ufergehölze sehr kräftig zurück-geschnitten werden. Dabei ist eine Beschädigung der letzten Krebsscheren-Pflanzen zu vermeiden.

Ein sechsjähriger Turnus für die Überwachung von Schutzgebieten und Gewässern (FFH- und Wasserrahmenrichtlinie) ist in sehr vielen Fällen viel zu weitmaschig, um erste Warnsignale für negative Veränderungen zu erkennen. Es muss viel häufiger untersucht werden. Nur mit Langzeit- und Daueruntersuchungen, insbesondere mit quantitativen Erhebungen, kann man langfristige Entwicklungen in Ökosystemen erkennen, dokumentieren und bei negativen Prozessen rechtzeitig Maßnahmen ergreifen. Für Naturschutz und Freilandökologie sollte genauso viel Geld zur Verfü-gung stehen wie für andere Bereiche der Daseinsvorsorge, z. B. technische Infrastruktur und Bil-dung.

Literatur

MATOVELLE, A. und SIMON, K.-H. (2013): Regionalisierung von Klimaszenarien. In: ROßNAGEL, A. (Hg.), Regionale Klimaanpassung. Herausforderungen – Lösungen – Hemmnisse – Umset-zungen am Beispiel Nordhessens. Kassel: kassel university press, 73–112.

WULFHORST, J. (2004): Einfluß der Gewässerversauerung auf Hyporheos und Bryorheos: Untersu-chungen an zwei Waldbächen im Westharz. Kassel (Gesamthochschule Kassel, Universität des Landes Hessen, Fachbereich 19–Biologie / Chemie), (Dissertation) XXXIV + 1189 S. http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/handle/urn:nbn:de:hebis:34–2008081223227

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Danksagung

Das Rechenzentrum (ITS) der Universität Kassel stellte EDV-Kapazitäten zur Verfügung, insbeson-dere IBM SPSS 20 für die statistischen Auswertungen. Die Niederschlagswerte der Wetterstation Kassel bis Ende Oktober 2013 stammen vom Deutschen Wetterdienst.

Kontakt

Jochen Wulfhorst, Zentrum für Biologische Vielfalt im Kasseler Becken und Umgebung (ZeBiViKS e.V.), Hermann-Mattern-Straße 33, 34134 Kassel, E-Mail: [email protected]

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Arten in Bewegung – Wie dynamisch sind unsere Konzepte?

HEINZ KLÖSER

Neuere Publikationen zum Klimawandel gehen inzwischen von +3,6 °C oder höheren Werten aus. Damit dürfte der Klimawandel einen wesentlich schnelleren und tiefgreifenderen Verlauf nehmen als bisher angenommen. Da sich die Vegetation und die in ihr lebende Tierwelt grundsätzlich entspre-chend der herrschenden Klimabedingungen einstellen, ist mit dramatischen Wechseln im Artenbe-stand Mitteleuropas zu rechnen. Zum Beispiel dürften Eiszeitrelikte aus unserer Flora verschwin-den. Da solche Arten im borealen Raum weite Verbreitungsgebiete einnehmen, werden solche Änderungen zwar unsere Umwelt verarmen lassen, aber kaum das Überleben der betroffenen Arten in Frage stellen. Andererseits ist zweifelhaft, ob z. B. mitteleuropäischen Endemiten mit eng begrenzten Verbreitungsgebieten geeignete Ausweichmöglichkeiten offen stehen.

Gleichzeitig gewinnen Arten, deren Ausbreitung bislang durch Winterkälte verhindert wurde, bereits im Norden Wuchsgebiete (z. B. die Walnuß (Juglans regia) in Norddeutschland, die Esskastanie (Castanea sativa) im Hochschwarzwald). Da Mitteleuropa eine durch die letzten Eiszeiten bedingte verarmte Flora besitzt und zahlreiche ökologische Nischen unbesetzt sind, dürfte die Ausbreitung dieser Arten kaum Probleme bereiten. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob wir dies eher als notwen-dige Anpassung der Vegetation an das sich ändernde Klima oder aber als weitere unerwünschte Florenverfälschung werten, da wir die Präsenz dieser Arten durch den Gartenbau bereits vorweg-genommen haben. Diese Frage ist nicht ohne Brisanz, da es auch Arten betrifft, die das Potential haben, Lebensräumen einen grundsätzlich neuen Charakter zu verleihen.

So ist Iberische Rhododendron (Rhododendron ponticum ssp. baeticum) auf den Britischen Inseln aus Gärten verwildert und hat dort günstigere Wuchsbedingungen gefunden als an seinen iberi-schen Reliktstandorten, wo es ihm angesichts zunehmender Sommerdürren immer schwerer fällt, lebensfähige Samen zu produzieren. Auf den Britischen Inseln wird er mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft. Dass die dortigen Vorkommen der Erhaltung einer in ihrer Heimat vom Klimawandel bedrohten Art dienen könnten, wird weder für den Rhododendron noch für einige weitere Arten in ähnlicher Situation thematisiert.

Auch bei uns wird beobachtet, dass sich immergrüne Arten wie die Stechpalme (Ilex aquifolium), der Efeu (Hedera helix), aber auch die Lorbeerkirsche (Prunus laurocerasus) zunehmend ausbrei-ten. Dieser als Laurophyllisation benannte Prozess wird deshalb als problematisch gesehen, weil mit dem Vordringen immergrüner Arten auch ein Lebensraumwandel von winterkahlen zu halbim-mergrünen Wäldern einhergeht. Es gibt zwar Indizien, dass zumindest im Nordwesten und Südwes-ten die Wälder vor Einführung der Forstwirtschaft ohnehin aus einer höheren Baumschicht aus laubwerfenden Bäumen und einer niedrigeren aus immergrünen Bäumen bestanden. Dennoch stehen Naturschützer solchen Veränderungen überwiegend ablehnend gegenüber.

Weitverbreitet ist die Ansicht, dass unsere Hauptwaldbaumart, die Rotbuche Fagus sylvatica, be-sonders flexibel in ihrem ökologischen Verhalten ist und deshalb ihre ökologische Rolle behaupten wird. Dennoch wird sich auch ihr Areal dahingehend verändern, dass sie in Nord- und Osteuropa

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weite neue Gebiete dazugewinnt, dafür jedoch im Mittelmeerraum zurückgeht, besonders auf dem Balkan, wo ihr eiszeitliches Refugium lag. Gerade dort gibt es zahlreiche lokale Buchenwaldarten, die mit dem Schwinden der Rotbuche in ihrer Existenz bedroht sind. Damit ergibt sich die Frage: Helfen wir diesen Arten, ebenfalls ihren Weg nach Mitteleuropa zu finden? Oder schauen wir taten-los zu, wie diese Arten aussterben, weil sie „hier nicht her gehören“?

Als wichtigstes Instrument wird in diesem Kontext eine umfassende Wiedervernetzung von Lebens-räumen gesehen, die Zu- und Abwanderungen ermöglicht. Die realen Fortschritte hinken jedoch der ungebremsten Landschaftszerschneidung hinterher. Lässt sich unter diesen Umständen vertreten, auf weitergehende Maßnahmen wie die absichtliche Verbringung bedrohter Organismen in geeig-nete neue Räume, wie es unter dem Stichwort „assisted migration“ bereits in anderen Ländern geschieht, zu verzichten? Zur Erhaltung bedrohter Arten kann es darüber hinaus nötig werden, diese auch in Räumen anzusiedeln, in denen sie nicht einheimisch sind, um Reservepopulationen in politisch stabilen Ländern aufzubauen, in denen Wilderei und Habitatzerstörung unter Kontrolle sind. Während Gedanken hierzu in deutschen Naturschutzkreisen weitgehend nicht verfolgt wer-den, sind Vorhaben zur Anpassung des Artenspektrums in Land- und Forstwirtschaft längst in Diskussion und Erprobung.

Demgegenüber ist längst erwiesen, dass urwaldähnliche Waldbestände in einer Klimaschutzstrate-gie unverzichtbar sind. Aber auch hier gibt es selbst innerhalb des Naturschutzes Widerstände, da bei einer unregulierten Waldentwicklung weitreichende Artenverluste befürchtet werden. Das typi-sche Thema des deutschen Naturschutzes ist eher Kulturdenkmalpflege, indem Heiden, Trockenra-sen, Wiesen o. ä. gegen die Waldentwicklung geschützt werden, und nicht die Wiederherstellung ursprünglicher Naturlandschaften. Artenschutzkonflikte könnten jedoch vermieden werden, wenn geringer wertige Wälder als selbstregulierende Naturwälder ausgewiesen oder freie Waldentwick-lung auf Sukzessionsflächen zugelassen würden. Dabei ist zu beachten, dass eine Sukzession, die zu relativ artenarmen Dominanzbeständen führt, etwas anderes ist als eine Wildnis, deren wesentli-che Voraussetzung ein weitgehend vollständiges Ökosystem ist. Insbesondere die Präsenz großer Wildtiere führt zu einer gesteigerten Dynamik und Biodiversität. Die Realität ist jedoch, dass in Mitteleuropa nirgendwo alle noch verfügbaren einheimischen Großtierarten gemeinsam vorkom-men, und schon der Rothirsch wird in weiten Gebieten Deutschlands nicht geduldet. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob sich nicht auch der hiesige Naturschutz den Gedanken der in anderen Ländern bereits stärker favorisierten restaurativen Ökologie oder des sog. „Rewildings“ öffnet.

Insgesamt besteht ein dringender Bedarf, tradierte Positionen im Naturschutz zu revidieren und Verantwortung auch für Arten, die jetzt noch nicht in Mitteleuropa vorkommen, zu übernehmen.

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Literatur

Ausführliche Literatur zu den angesprochenen Aspekten findet sich in:

KLÖSER, H (2014): Neobiota – Anregungen für eine Neubewertung. BUND Standpunkt: im Druck.

Kontakt

Dr. Heinz Klöser, BUND, Kapellenweg 3, 23883 Grambek, E-Mail: [email protected]

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4 Erneuerbare Energien und Energiewende

Naturschutz und Energiewende – Bericht aus der Arbeit des NABU Bundes-verbandes

MARIA MOORFELD

Der Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) ist neben dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) einer der Umwelt- und Naturschutzverbände, die flächendeckend in Deutschland über Landes- und Kreisverbände sowie Ortsgruppen präsent sind. Inzwischen ist der NABU mit 520.000 Mitgliedern und Förderern einer der größten Naturschutzverbände Deutsch-lands. Der NABU möchte Menschen dafür begeistern sich durch gemeinschaftliches Handeln für die Natur einzusetzen. Für die kommenden Jahre hat sich der NABU daher auch das Thema Natur-schutz und Energiewende als eines seiner Schwerpunktthemen gewählt. Denn vor dem Hinter-grund des sich abzeichnenden Klimawandels sind Klimaschutzmaßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen notwendig. Gleichzeitig soll der Atomausstieg vollzogen werden, so dass der NABU sich für Energieeinsparung und -effizienz sowie für den naturverträglichen Ausbau er-neuerbarer Energien, Netze und Speicher einsetzt. Deshalb bringt sich der NABU-Bundesverband zur Umsetzung einer naturverträglichen Energiewende in verschiedene Projekte und im Rahmen seiner Lobbyarbeit auf Bundesebene ein.

F+E-Vorhaben „Stärkung des Wissensmanagements zur Energiewende“

Die Hauptaufgabe des F+E-Vorhabens „Stärkung des Wissensmanagements zur Energiewende – Anforderungen aus Sicht des Naturschutzes“ (Laufzeit: 05/2013 bis 04/2015) ist es, eine zentrale Informations-, Diskussions- und Austauschplattform der Umweltverbände zu etablieren. Zu den beteiligten Umweltverbänden gehören BUND, Deutscher Naturschutzring (DNR), Deutsche Um-welthilfe (DUH), Greenpeace, WWF und NABU. Es werden zudem Studien, Projekte und andere Dokumente zum Thema recherchiert und ausgewertet. Ergebnis sind zusammenfassende Bewer-tungen für Entscheidungsträger, Checklisten und Arbeitsmaterialien für regionale Akteure aus den Bereichen Energiewende, Planung und Naturschutz. Von besonderer Relevanz ist die Darstellung von Herausforderungen, Defiziten und Lösungsansätzen für eine naturverträgliche Energiewende sowie deren Kommunikation. Darüber hinaus wird der Austausch mit anderen Akteuren gefördert.

Ein weiteres Ergebnis des Projektes ist die seit Juni 2014 online gestellte Internetplattform „Ener-giewende naturverträglich“ (www.energiewende-naturvertraeglich.de). Auf dieser werden Artikel, Links und Downloads zu Studien, laufenden und abgeschlossenen Forschungsprojekten, Leitfäden, rechtlichen Grundlagen, Best-Practice-Beispielen und Akteuren zur Verfügung gestellt. Der NABU freut sich über weitere Hinweise, Anregungen und über Anmeldungen zu dem monatlich erschei-nenden Newsletter.

Im Rahmen des Projektes haben Koordinationstreffen der Umweltverbände stattgefunden, in denen neben der Erarbeitung eines gemeinsamen Arbeitsprogramms auch die Forderung des NABU nach

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einer Transfer- und Clearingstelle und einem Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende thematisiert wurde. Ende 2013 wurde vom NABU eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die auf ein Eckpunktepapier der Umweltverbände zur Ausgestaltung des Kompetenzzentrums Natur-schutz und Energiewende Bezug nimmt. Von der Bosch & Partner GmbH und dem Öko-Institut e. V. wurden darin inhaltliche und organisatorische Ausgestaltungsmöglichkeiten des Kompetenzzent-rums näher beleuchtet. Darauf aufbauend wird im Rahmen eines F+E-Vorhabens „Schaffung der Voraussetzungen für ein Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende“, welches im Mai 2014 gestartet ist, der Aushandlungsprozess über die Ausgestaltung des Kompetenzzentrums weitergeführt.

Lobbyarbeit

Neben der Umsetzung des Kompetenzzentrums ist die Beteiligung an der EEG-Novellierung und der daran anschließenden Energiewende-Plattformen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ein wichtiger Teil der NABU-Lobbyarbeit. Bei beidem ist zu konstatieren, dass naturschutzfachliche Kriterien nicht in dem Um-fang Eingang gefunden haben wie von den Umwelt- und Naturschutzverbänden gehofft.

Schwerpunktthemen des NABU Bundesverbands und der Landesverbände

Zu den Schwerpunktthemen des NABU gehören neben der Windenergie an Land, die ein bestim-mendes Thema in allen Landesverbänden ist, auch die Offshore-Windenergie, der Netzausbau und die Bioenergie:

• Bei der Windenergie an Land setzt sich der NABU verstärkt für die Einführung bundesweiter Standards ein, zu denen auch die naturverträgliche Standortfindung gehört. Dies ist auch bei der Offshore-Windenergie ein wichtiger Aspekt.

• Zum naturverträglichen Netzausbau hat der NABU Leitfäden zu Fragen des Vogelschutzes an Freileitungen, Auswirkungen von Erdkabeln, Offshore-Netzanbindung und weiteren Themen veröffentlicht (siehe http://www.nabu.de/themen/energie/stromnetze/).

• Bei der Bioenergie stehen die Auswirkungen des intensiven Energiepflanzenanbaus, der Ener-gieholznutzung und der Bioökonomie auf Naturschutzfragen im Fokus.

Literatur

NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND E. V. (NABU) (2013): Vorschlag für eine nationale Transfer- und Clearingstelle Naturschutz und Energiewende.

BOSCH & PARTNER GMBH & ÖKO-INSTITUT E. V. (2014): Einrichtung, Aufgaben und Themen eines Kompetenzzentrums für Naturschutz und Energiewende - Machbarkeitsstudie.

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Kontakt

Maria Moorfeld (Referentin für Naturschutz und Energiewende), NABU Bundesgeschäftsstelle, Charitéstr. 3, 10117 Berlin, Tel.: 030-284984-1632, E-Mail: [email protected], Internet: www.energiewende-naturvertraeglich.de

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Perspektiven für das Landmanagement - Energiepreisentwicklung und Landnutzung im Kreis Herzogtum Lauenburg

CARL-HEINZ SCHULZ

Klimawandel und Klimafolgen sind in ihren Auswirkungen auf die Entwicklung unserer unmittelbaren Umwelt immer stärker wahrzunehmen, finden aber nach wie vor nicht ausreichend Berücksichti-gung in den laufenden Entscheidungsprozessen. Dabei müssen sich sowohl private Haushalte, Unternehmen und der Staat auf die sich verändernden Rahmenbedingungen einstellen. Eine große Rolle spielen dabei Ressourcen, die sich im Zuge des Klimawandels und der Klimafolgen in ihrer Verfügbarkeit und in ihrem Preis ändern können. „Entscheidungsträger in Kommunalpolitik und in Unternehmen bestimmen daher mit, ob und inwieweit Klima bedingte Veränderungen und Verletz-lichkeiten wahrgenommen und Anpassungsprozesse geplant und umgesetzt werden.“ (MAHAMMAD-

ZANEH et al. 2013)

Dabei reicht die Kenntnis der Folgen des Klimawandels nicht aus, um die tatsächlichen Auswirkun-gen auf eine Region zu erkennen. Die Betroffenheit einer Region ergibt sich aus der vorhandenen Wirtschaftsstruktur und dem Maß der Exposition. Die Vulnerabilität ist somit eine Funktion aus der Betroffenheit (der Sensitivität aus sektoraler und der Exposition aus regionaler Betrachtung) und der Anpassung (s. a. FREI und KOWALEWSKI 2013).

Der Kreis Herzogtum Lauenburg liegt im Hamburger Rand, hat eine Fläche von 1.263 km² und eine Bevölkerungszahl von knapp 190.000 Einwohnern. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt ca. 60.000 Euro. Obwohl landwirtschaftlich geprägt, tragen Land-, Forstwirtschaft und Fischerei nur zu 2 % zur Bruttowertschöpfung bei, das produzierende Gewerbe mit 21,1 %, Handel, Gastgewerbe und Verkehr mit 15,4 %, Unternehmensdienstleister mit 32 % sowie öffentliche und private Dienst-leister mit 29,5 %.

Die durch den Klimawandel verursachten Einflussfaktoren auf private Haushalte, Unternehmen und Staat sind vielfältig und mit anderen, insbesondere wirtschaftlichen Entwicklungen vernetzt. Zu den wichtigsten gehören Wasser und Wasserverfügbarkeit sowie Energieverfügbarkeit und Energie-preis.

Die folgenden Überlegungen beschränken sich auf den Einfluss des Energiepreises auf die Land-nutzung im Kreis Herzogtum Lauenburg.

Die Höhe des Strompreises, den die privaten Haushalte zahlen müssen, hängt von den Erzeu-gungskosten, aber auch von weiteren Strompreis beeinflussenden Faktoren, Abgaben und Steuern ab. Das BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (2010) geht davon aus, dass der Strompreis für die privaten Haushalte von rund 23 ct/kWh mit leichten Schwankungen bis zum Jahr 2030 gehalten wird. Dabei sieht es gleichzeitig eine Senkung des Endenergieverbrauches für die privaten Haushalte von bis zu 24 %, insbesondere aufgrund der Vorgaben der Effizienzrichtlinie und der Energieeinsparverordnung der EU.

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Ob die Ergebnisse der Studie wirklich eintreten, bezweifelt der Verfasser, da er bereits in 2014 24,63 ct/kWh netto bei der EON bezahlt; bei stark steigender Tendenz.

Die Sensitivität der privaten Haushalte im Kreis Herzogtum Lauenburg hängt insbesondere auch von der Mobilitätsenergiepreisentwicklung ab, da der Kreis eine große Zahl Auspendler hat. Da der Kreis aber in seiner Alterszusammensetzung eine Verschiebung zu den älteren Gruppen aufweist, verstärkt durch den Zuzug von Senioren, nimmt die Zahl der Pendler ab. Zugleich wird der in der Tendenz steigende Mobilitätsenergiepreis konterkariert durch die stark steigenden Baulandpreise, verbunden mit ebenfalls stark steigenden Mieten in der Metropole Hamburg. Da der Kreis Mitglied im Hamburger Verkehrsverbund ist, ziehen junge Familien in Orte wie Schwarzenbek, Geesthacht und Büchen sowie die Hamburg-Rand-Gemeinden wie Dassendorf und Escheburg, die über den ÖPNV an Hamburg angebunden sind.

Eine Vulnerabilität des Kreises scheint nicht gegeben. Es kommt aber zu einer weiteren Versiege-lung des Geestrückens. Hierdurch erhöht sich der Oberflächenwasserabfluss den Geesthang hinab. Bei Großregenereignissen verstärken sich damit die Binnenhochwasserspitzen der Elbe (SCHULZ 2012).

Es gibt nur wenige energieintensive Produktionsbetriebe im Kreis Herzogtum Lauenburg. Sofern sich die Energiepreisentwicklung bundesweit einheitlich entwickelt, ist kein Standortnachteil zu erkennen. Aufgrund der attraktiven Lage zwischen den Zentren Hamburg und Berlin empfiehlt die IHK Lübeck in einem undatierten Positionspapier zu den Entwicklungsperspektiven der Wirtschaft im Kreis Herzogtum Lauenburg verstärkt die Ansiedlung von Logistik- und Distributionsunterneh-men an den überregionalen Straßen und Autobahnen (IHK LÜBECK 2014).

Die Steigerung der Energiekosten wird sich im Bereich der landwirtschaftlichen Unternehmen in Zukunft voraussichtlich stärker bemerkbar machen: höhere Maschineneinsatzkosten und steigende Düngemittelkosten führen zu höheren Erzeugerpreisen, die am Markt kaum durchzusetzen sein werden.

Eine Vulnerabilität ist bei den meisten Unternehmen nicht gegeben. In den landwirtschaftlichen Betrieben wird es darauf ankommen, wie lange Grenzertragsböden mit Gewinn bewirtschaftet werden können. Es ist davon auszugehen, dass magere trockene Ackerstandorte mit Beregnungs-notwendigkeiten und feuchte Grünlandstandorte mit hohen Meliorationskosten aus der Bewirtschaf-tung fallen werden (SCHULZ 2007).

Die bisherigen Überlegungen basieren darauf, dass sich die Akteure am Markt ökonomisch rational verhalten. Dies kann sich ändern, wenn es zu einer politischen Einflussnahme am Markt kommt; auch könnte der Einsatz von Subventionen zu Umwelt gefährdenden Landnutzungen führen. So hat sich beispielsweise im Zuge der politischen Vorgaben für die Energiewende und der damit verbun-denen Subventionierung des Baues und des Betriebes von Biogasanlagen auf Maisbasis die Land-nutzung in Schleswig-Holstein und anderswo erheblich negativ verändert.

Da parallel die Anzahl der Milchviehbetriebe in Deutschland von 1999 bis 2011 von 150.000 auf 90.000 bei gleichzeitigem Wachstum der verbleibenden Betriebe sank und immer mehr Futter auf

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Ackerflächen produziert wird, ist zwar das wirtschaftliche Interesse an Grünland erheblich gesun-ken. In Schleswig-Holstein ist nichtsdestotrotz ein massiver Verlust an Grünland durch Umbruch zu subventionierten Maisackerstandorten zu verzeichnen. Teilweise betrugen die Verlustraten an Grünland mit den starken Auswirkungen auf die Biodiversität pro Jahr mehr als 5 %. Im Kreis Her-zogtum Lauenburg ist allerdings aufgrund der geringen Zahl der Biogasbetriebe nur mit einer gerin-gen Landnutzungsänderung zu rechnen.

Da sich zurzeit die Rahmenbedingungen durch die Novellierung des EEG verändern, ist eine Prog-nose zur zukünftigen Landnutzung nicht oder nur schwer abzugeben. In landwirtschaftlichen Behör-den wird eine Abnahme der Energiemaisanbauflächen erwartet. Am Markt ist derzeit ein neuer Trend zu erkennen: aufgrund der anziehenden Preise werden insbesondere Ackerflächen immer häufiger als Finanzinvestition oder aus spekulativen Gründen erworben (LÜBECKER NACHRICHTEN

2014).

Als Fazit ergeben sich für den Kreis Herzogtum Lauenburg aus der Energiepreisentwicklung durch andere überlagernde Trends für die privaten Haushalte und die Unternehmen – mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Betriebe - relativ wenige Veränderungen bzw. so geringe Veränderungen, dass es zu keinen wesentlichen „Umzugsbewegungen“ kommt. Der im Kreis dominierende Bereich Handel, Dienstleistungen und Gastgewerbe ist gegenüber Energiepreissteigerungen relativ wenig vulnerabel. Bislang reagieren Naherholungssuchende und Touristen flexibel oder substituieren Auslandsreisen durch Ferien in Deutschland.

Im Bereich der landwirtschaftlichen Unternehmen geht der Verfasser von einer steigenden Abgabe-bereitschaft aufgrund wirtschaftlicher Zwänge aus. Hier muss der Kreis Herzogtum Lauenburg Strategien entwickeln, um diese Flächen aus dem Markt zu nehmen. Dabei erhält und stärkt er die Finanzkraft und die Zukunftsfähigkeit der verbleibenden Betriebe und des ländlichen Raums. Gleichzeitig kann er damit folgende anstehende Probleme des Klimawandels lösen (s. SCHULZ 2013):

• Wasserrückhaltung in der Landschaft

• Schaffung von CO2-Senken

• Erhaltung der Biodiversität und Schaffung von Biotopvernetzung und Wanderkorridoren

Die elementarste Folge für den Kreis Herzogtum Lauenburg wird eine, bezogen auf die Energie-preisentwicklung, indirekte sein. Zwar wird die Bevölkerungszahl des Kreises weiter leicht steigen. Aber die Verteilung der Bevölkerung im Kreis wird sich ändern. Während der südliche Kreis und die dortigen zentralen Orte sowie der Speckgürtel um Hamburg aufgrund der Anbindung an den ÖPNV der Metropolregion wachsen, werden weite Teile des Kreises, die verkehrstechnisch schlechter versorgt sind, abnehmende Bevölkerungszahlen zu verzeichnen haben. Der Kreis wird sich Gedan-ken machen müssen, wie er die verkehrliche und sonstige Versorgung bei begrenztem finanziellen Spielraum noch sicherstellen kann.

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Literatur

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FREI, X., KOWALEWSKI, J. (2013): Sektorale und regionale Betroffenheit durch den Klimawandel am Beispiel der Metropolregion Hamburg. HWWI Research Paper: 139.

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MAHAMMADZANEH, M., CHRISCHILLES, E., BIEBELER, H. (2013): Klimaanpassung in Unternehmen und Kommunen. Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Forschungsbericht Nr. 83, 18.

SCHULZ, C.-H. (2007): Nachhaltige naturschutzfachliche Renaturierung von Naturräumen durch ein Projekt- und Naturschutzflächenmanagement. Dissertation.

SCHULZ, C.-H. (2012): Klimafolgenmanagement – Wasserrückhaltung in der Landschaft: Entwick-lung von Retentionsräumen für Großregenereignisse in Kernzonen des Biotopverbundsystems bei gleichzeitiger Renaturierung von Bachtälern und Mooren sowie Schaffung von CO2-Senken. BfN-Skripten 307: 87-91.

SCHULZ, C.-H. (2013): Praktische Ansätze zur Schaffung von Wanderkorridoren für Pflanzen und Tiere aufgrund des Klimawandels beispielhaft dargestellt am Projekt „Niederung des Elbe-Lübeck-Kanals. BfN-Skripten 332: 23-25.

Kontakt

Dr. Carl-Heinz Schulz, Langetwiete 1, 21493 Schretstaken

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5 Landnutzung als wesentlicher Faktor für Klima und Biodiversität

Agrobiodiversität – Bonusversicherung gegen Extremereignisse? Stand der For-schung mit Blick auf Deutschland

UTE PETERSEN UND HANS-JOACHIM WEIGEL

Im globalen und regionalen Kontext wird wiederholt auf eine Diversifizierung der Agrarproduktion von der genetischen über die Betriebs- bis hin zur Landschaftsebene als eine entscheidende Maß-nahme zur Anpassung an den Klimawandel hingewiesen. Dass für die züchterische Anpassung bzw. Vorbereitung der Nutzpflanzen auf künftige Klimaverhältnisse (die graduelle Änderung des Klimas) ausreichende genetische Ressourcen in Form von Varietäten und Wildformen der Kultur-pflanzen unerlässlich sind, ist allgemein bekannt. Weniger genau untersucht sind dagegen die Anpassungsstrategien an die zukünftig häufiger auftretenden Extrem-Wetterereignisse (u. a. Hitze-welle, Starkregen, Sturm). Ob eine erhöhte Agrobiodiversität (u. a. Sorten-, Arten-, Fruchtfolgen-wahl, Landschaftsgliederung, angebaute und assoziierte Biodiversität, vgl. Abb. 1) in diesen Fällen als eine Art Versicherung gegen Totalausfälle dienen kann, ist umstritten.

Die hier vorgestellt Literaturstudie dient dem Zweck, einen Überblick über bisher zu den Thema veröffentlichte Literatur zu gewinnen und so den aktuellen Stand der Forschung speziell im Hinblick auf Deutschland vorzustellen.

Abb. 1: Hohe und niedrige Agrobiodiversität auf verschiedenen Skalenebenen (aus: TIRADO und COTTER 2010)

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Literaturrecherche

Mehrere wissenschaftliche Datenbanken wurden unter Verwendung der drei Schlagworte „Agrobio-diversität – Extreme – Resilienz“ (sowie zugehöriger Synonyme) auf verwertbare Quellen hin unter-sucht. Es wurden nur primäre Quellen in Betracht gezogen, das heißt solche, die auf experimentell oder per Umfrage ermittelten Daten aufbauen. Nur bei einem geringen Teil (18 %) der über 1.100 gefundenen Quellen handelte es sich um Primärquellen, die sich gezielt mit dem Themenkomplex Agrobiodiversität-Extremereignisse-Resilienz befassten.

Ergebnisse

Es wurden nach Auswertung aller verfügbaren Literatur auf allen Diversitätsebenen vorwiegend positive Wirkungen der Agrobiodiversität gefunden (Abb. 2). Die Erhöhung der Artenvielfalt war am häufigsten Ziel der Untersuchungen. Auffallend ist die Ungleichverteilung zwischen den analysierten Agrarsystemen. Vorwiegend wurden kleinbäuerliche Systeme betrachtet, Studien aus der industria-lisierten Landwirtschaft oder Experimente zu dem hier dargestellten Thema gibt es nur wenige.

Abb. 2: Anzahl der Studien mit positiver, negativer und indifferenter Wirkung der Agrobiodiversität auf die Resilienz in verschiedenen landwirtschaftlichen Systemen und Experimenten.

Für Deutschland selbst gibt es bisher zehn thematisch passende Studien. Ein Interesse besteht hier vor allem im Rahmen der ökologischen Grundlagenforschung. Dort wird landwirtschaftlich genutztes Grünland repräsentativ für andere, schwerer experimentell nachzuempfindende Ökosysteme unter-sucht. Für konventionell bewirtschaftete Betriebe gibt es bisher keine Untersuchungen zur Steige-rung der Resilienz durch Erhöhung der Agrobiodiversität.

Es wird speziell von Seiten des ökologischen Landbaus Interesse an dem Thema gezeigt. Die Resilienz wird dort indirekt über durch spezielle Bewirtschaftung und erweiterte Fruchtfolgen ver-besserte Bodeneigenschaften gestärkt. Ein reich strukturierter, humusreicher Boden, wie er in der

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ökologischen Landwirtschaft Bewirtschaftungsziel ist, ist in der Lage sowohl Trockenzeiten als auch Starkregenereignisse abzupuffern (ZEIGER und FOHRER 2009).

Literatur

TIRADO, R., COTTER, J. (2010): Ecological farming: drought resistant agriculture. GRL technical notes. S. ERWOOD, N. TRUCHI UND D. STABINSKY (Hg.), Greenpeace Research Laboratories (GRL), Amsterdam, Netherlands.

ZEIGER, M., FOHRER, N. (2009): Impact of organic farming systems on runoff formation processes-A long-term sequential rainfall experiment. Soil & Tillage Research 102: 45-54.

Kontakt

Dr. Ute Petersen, Thünen-Institut für Biodiversität, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig, Tel.:0531 596 2534, E-Mail: [email protected]

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Seltene Ackerwildkräuter im Klimawandel – Ergebnisse von Semifeldversuchen und Artverbreitungsmodellierung von Lithospermum arvense und Scandix pecten-veneris

KRISTIAN PETERS, JANA BÜRGER, BÄRBEL GEROWITT

Einleitung

Seit etwas mehr als 150 Jahren verschwinden zunehmend ehemals häufige Ackerwildkräuter von den Äckern. Als Grund dafür werden die Mechanisierung, mineralische Düngung und die allgemei-ne Intensivierung des Ackerbaus, sowie Veränderungen in der Landnutzung angesehen (HOLZNER und IMMONEN 1982). Eine zweite Welle des Verschwindens trat auf, als vor etwa 60 Jahren begon-nen wurde, Herbizide weiträumig einzusetzen (FRIED et al. 2010). Mit dem Klimawandel könnte eine dritten Phase des Rückgangs seltener Ackerwildkrautarten beginnen (WALTHER et al. 2002), da sowohl indirekte Auswirkungen wie dem Klima angepasste Landnutzung, Bewirtschaftungsmetho-den und politische Entscheidungen wie z. B. Förderprogramme (OLESEN und BINDI, 2002), als auch direkte Klimaveränderungen wie die bis 2100 prognostizierte Temperaturerhöhung von +3°C, Nie-derschlagsveränderungen, u. v. m. einen großen Einfluss auf die individuelle Biologie, die Populati-onsbiologie und auf die Verbreitung von Ackerwildkräutern ausüben (BLOOMFIELD et al. 2006).

Abb. 1: Venuskamm (links) und Acker-Steinsame (rechts) im Semifeldversuch.

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Material und Methoden

Für den Versuch und für die Artverbreitungsmodellierung wurden zwei seltene und stark gefährdete Ackerwildkrautarten ausgewählt, die vornehmlich in Wintergetreidekulturen zu finden sind. Der Venuskamm bzw. der Gewöhnliche Nadelkerbel (Scandix pecten-veneris) (Abb. 1) ist eine ur-sprünglich aus dem östlichen Mittelmeergebiet stammende Art und mit dem Ackerbau vermutlich erst während des Mittelalters (ca. 500-600 n. Chr.) nach Deutschland gekommen (WILLERDING 1986). Er ist in Niedersachsen vom Aussterben bedroht (FLORAWEB 2014) und besiedelt v. a. kalk-reiche Böden mit niedrigem bis mäßig niedrigem Stickstoffgehalt. Als zweite Ackerwildkrautart wurde der Acker-Steinsame (Lithospermum arvense subsp. arvense) ausgewählt (Abb. 1). In Nie-dersachsen ist er als gefährdete Art eingestuft (FLORAWEB 2014), die thermophile, sandig-lehmige, häufig nährstoffreiche Böden besiedelt, die oft schwach basisch und leicht kalkhaltig sind (SCHNEI-

DER et al. 1994). Der Acker-Steinsame stammt ursprünglich aus dem Vorderen Orient und ist mit dem Ackerbau während des Neolithikums (ca. 4200-1800 v. Chr.) nach Deutschland gekommen (WILLERDING 1986).

Der Semifeldversuch wurde in den Jahren 2010/2011 bis 2012/2013 in der Versuchsanlage der Phytomedizin der Universität Rostock durchgeführt (Abb. 2). Es wurden 48 im Boden eingelassene Fässer genutzt. Es gab zwei Varianten mit unterschiedlicher Temperatur (normal, erhöht) und zudem eine niedrige und hohe Bestandsdichte an Weizen (200 Pfl./m2 und 400 Pfl./m2; zur weiteren Methodik s. PETERS und GEROWITT 2014). Um das zukünftige Vorkommen der beiden Ackerwild-kräuter zu modellieren, wurden für das Modell Trainingsdaten des Zeitraumes 1950-2000 verwen-det, aktuelle Klimadaten (1970-2000) sowie projizierte Klimadaten (2070-2100) (REMO, Lauf UBA, basierend auf dem A1B-Szenario des IPCC; zur weiteren Methodik s. BÜRGER et al. 2014 und BREITSAMETER et al. 2014).

Abb. 2: Semifeldversuch auf dem Versuchsgelände der Phytomedizin der Universität Rostock.

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Ergebnisse

Zusammenfassend ergab der Semifeldversuch, dass der Venuskamm mit einem Rückgang der Samenproduktion und in der Trockenmasse sowohl in den wärmeren Klimakäfigen als auch in den Käfigen mit hoher Weizenbestandsdichte zur Zeit der Weizenernte reagierte (PETERS und GERO-

WITT 2014). Pro Individuum produzierte der Venuskamm durchschnittlich 44±3 Samen in den nor-malen Käfigen und 32±4 Samen in den wärmeren Klimakäfigen (p=0,135). (Werte nach ± geben jeweils den Standardfehler an.) In den Käfigen mit 200 Weizenpfl./m² produzierte er 46±4 Samen und unter 400 Weizenpfl./m² 25±2 Samen (p<=0,001). Die Trockenmasse war in beiden Varianten mit p<=0,001 signifikant unterschiedlich.

Der Acker-Steinsame zeigte im Vergleich zum Venuskamm eine höhere phänotypische Plastizität hinsichtlich wärmerer Klimabedingungen und die Individuen vermochten sich, den veränderten Bedingungen besser anzupassen (PETERS und GEROWITT 2014). In den wärmeren Klimakäfigen produzierte der Acker-Steinsame 138 ± 17 Samen und in den Käfigen mit normalem Klima 146 ± 17 Samen (p=0,962). In den Käfigen mit hoher Weizenbestandsdichte hatten die Individuen durch-schnittlich 132 ± 12 Samen und in den Käfigen mit niedriger Bestandsdichte 152 ± 20 Samen (p=0,016). Die Weizendichte hatte also einen signifikanten Einfluss auf die Samenbildung und auch auf die Trockenmasse (p< = 0,001).

Die Artverbreitungsmodellierung für Niedersachsen ergab für den Venuskamm eine leichte Abnah-me der günstigen Bedingungen (Abb. 3). Das Veränderungssignal der vier Modell-Läufe mit unter-schiedlicher Parametrisierung war wie folgt: 0,00; -0,16; 0,00; -0,10. Für das ohnehin in Nieder-sachsen bereits vom Aussterben bedrohte Ackerwildkraut bestätigt die Modellierung den aktuellen Trend der Abnahme.

Für den Acker-Steinsamen ergab die Artverbreitungsmodellierung dagegen eine starke Abnahme der günstigen Bedingungen (Abb. 3). Das Veränderungssignal für die vier unterschiedlichen Modell-Läufe war: -0,55; -0,39; -0,76; -0,25.

Diskussion

Der Klimawandel verändert die für die Population im Habitat vorherrschenden Umweltbedingungen. Daher müssen die Individuen sich auch biologisch an die sich verändernden direkten und indirekten Klimaveränderungen anpassen. Der Semifeldversuch hat gezeigt, dass vor allem der Venuskamm eine geringe phänotypische Plastizität (ökologische Potenz) hinsichtlich der getesteten Parameter hatte.

Der Venuskamm konnte sich im Versuch biologisch nur bedingt an die wärmeren Bedingungen anpassen. Dies ist insofern erstaunlich, da die Art ursprünglich aus wärmeren Gebieten stammt (WILLERDING 1986). Es ist daher anzunehmen, dass die Individuen lokaler Populationen sich an die vorherrschenden klimatischen Bedingungen mittels natürlicher Selektion, Outbreeding Depression und Gendrift akklimatisiert haben, wie es typisch für Spezialisten ist (BARRETT und KOHN 1991; FRIED et al. 2010). Geschieht der Klimawandel zu rapide, besteht die Gefahr, dass die Art sich nicht mehr akklimatisieren kann. Die starke Habitatfragmentierung, die geringe

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Abb. 3: Ergebnis der Artverbreitungsmodellierung für den Modell-Lauf Hinge 2.5 für den Venuskamm (obere beiden Reihen der Abbildung) und Acker-Steinsamen (untere beiden Reihen der Abbildung). Obere Zeile: Vorkommen anhand der Habitateignung entsprechend dem Trainingssatz, der aktuellen Verbreitung und anhand der projizierten Klimadaten. Je wärmer die Farben, desto besser (geeigneter) die Bedingungen für die Art. Untere Zeile: Präsenz-/Absenz-Karte.

Wuchshöhe, die wenigen großen Samen und die schlechte Ausbreitung der Samen lassen zudem eine Wanderung mit dem Klimagradienten unwahrscheinlich erscheinen (THUILLER et al. 2005; PETERS et al. 2014). Im Gegensatz zum Acker-Steinsame ist der Venuskamm auch biologisch weniger gepuffert gegenüber landwirtschaftlichen Veränderungen. Um die Art langfristig an einem Standort zu erhalten, ist eine Kombination aus mehreren Maßnahmen notwendig. Dazu zählen u. a.

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extensive Bewirtschaftungsmethoden wie geringe Bestandsdichten, Bodenbearbeitung, geringe organische Düngung und eine Nachkalkung der Böden sofern nötig (MARSHALL et al. 2003, BROOKE 2008). Der Erfolg von Ackerrandstreifen ist für die Art nur bedingt gegeben, da durch die große Fragmentierung zwischen den Randstreifen und wegen der geringen Samenausstreuung keine Möglichkeit besteht, zwischen den unterschiedlichen Habitaten einen Austausch an Samen (bzw. Genen) durchzuführen. Um den Bestand der Art langfristig in der Landschaft zu erhalten, sind womöglich menschliche Eingriffe in Form von geförderten Umsiedlungsmaßnahmen nötig (engl. managed relocation, assisted colonisation) (RICHARDSON et al., 2009; LOSS et al., 2011). Damit solche gezielten Maßnahmen gelingen, ist ein Wissen über die biologischen Reaktionen auf die sich ändernden Klimabedingungen und mögliche in Frage kommenden Lebensräume unerlässlich (PETERS und GEROWITT 2014, KLIMEK et al. 2014).

Der Acker-Steinsame verfügt über relativ kleine Samen, die gut vom Wind ausgebreitet werden können (SVENSSON & WIGREN, 1986). Da die Habitatfragmentierung dieser Art noch nicht zu hoch ist, ist es wahrscheinlich, dass der Acker-Steinsame neben biologischer Anpassung auch mit einem vorteilhaften Klimagradienten wandern kann, sofern sich der Wandel nicht zu schnell vollzieht (THUILLER et al. 2005). Problematisch sind jedoch intensive Bewirtschaftungsmethoden wie u. a. hohe Bestandsdichten. Auf Grund der engen Keimspanne der Samen im Herbst kann sich für die Populationsdynamik eine Verschiebung der Saattermine von Winterweizen als problematisch er-weisen (OTTE et al. 2006).

Die durchgeführte Artverbreitungsmodellierung hat für beide Ackerwildkräuter eine Abnahme von geeigneten Lebensräumen ergeben. Dabei fiel die Abnahme für den Acker-Steinsame stärker aus als für den Venuskamm – was den Ergebnissen des Semifeldversuches entgegensteht. Dies liegt einerseits daran, dass für den Versuch nur Samen einiger weniger Populationen im Raum Göttin-gen verwendet wurden. Für zukünftige Versuche ist es daher notwendig, Samen von Populationen aus weiter auseinander liegenden Habitaten zu verwenden und diese zu screenen. So lässt sich auch die phänotypische Plastizität innerhalb der Meta-Population hinsichtlich veränderter Klimabe-dingungen besser abschätzen. Die Genauigkeit von Artverbreitungsmodellen lässt sich dagegen verbessern, wenn biologische und ökologische Parameter in das Modell integriert werden (PETERS und GEROWITT 2014). Die Ergebnisse aus dem Semifeldversuch und der Artverbreitungsmodellie-rung sind jedoch nicht als widersprüchlich zu interpretieren. Vielmehr ergänzen beide einander und decken unterschiedliche Interpretationsebenen ab. Die durchgeführte Artverbreitungsmodellierung zeigt als Ergebnis eine räumliche Abnahme von geeigneten Lebensräumen für die Arten, während der Semifeldversuch ergeben hat, dass die biologische Fitness der Ackerwildkräuter unter bestimm-ten Bedingungen abnimmt. Während der Acker-Steinsame noch über Anpassungspotenziale auf biologischer Ebene verfügt, fehlen ihm zukünftig Ausweichgebiete auf räumlicher Ebene. Beim Venuskamm gibt es dagegen nur geringe Potenziale der biologischen Anpassung, während die Reserve von geeigneten Lebensräumen weniger stark schwindet als beim Acker-Steinsame.

Auch in Zukunft ist eine Veränderung von Bewirtschaftungsmethoden am bedeutsamsten für selte-ne Ackerwildkräuter. Sowohl der Versuch als auch die Artverbreitungsmodellierung haben jedoch gezeigt, dass Klimaveränderungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Damit langfristige Natur-schutzstrategien und kurzfristige Naturschutzmaßnahmen gelingen, ist ein besseres Verständnis der Biologie von seltenen Ackerwildkräutern nötig. Da Naturschutzplanungen häufig auf die Projek-

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tion von Artverbreitungsmodellen beruhen, müssen Modelle künftig stärker mit den biologischen Reaktionen der Zielarten in Verbindung gesetzt werden (PETERS und GEROWITT, 2014). Unser Beitrag liefert einen ersten Beitrag, um den Fortbestand seltener Ackerwildkräuter auf lange Sicht zu gewährleisten. Weitere Forschung ist notwendig, um die Biologie der Arten mit Modellierung zu verknüpfen.

Danksagung

Wir danken dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und dem Forschungs-verbund KLIFF – Klimafolgenforschung in Niedersachsen – für die Förderung dieser Studie.

Literatur

BARRETT, S. C. H., KOHN, J. R. (1991): Genetic and Evolutionary Consequences of Small Population Size in Plants: Implications for Conservation. In: FALK. D. A., HOLSINGER, K. E. (Hg.): Genetics and Conservation of Rare Plants. Oxford University Press: 3-30.

BLOOMFIELD, J. P., WILLIAMS, R. J., GOODDY, D. C., CAPE, J. N., GUHA, P. (2006): Impacts of climate change on the fate and behaviour of pesticides in surface and groundwater - a UK perspective. Science of the Total Environment 369: 163-177. doi:10.1016/j.scitotenv.2006.05.019

BREITSAMETER, L., BÜRGER, J., PETERS, K., GEROWITT, B., STEINMANN, H.-H. (2014): Klimafolgenfor-schung zu Ackerunkräutern - Daten, Methoden und Anwendungen auf verschiedenen Skalen. Julius-Kühn-Archiv 443: 123-132. doi:10.5073/jka.2014.443.014

BROOKE, C. (2008): Conservation and Adaptation to Climate Change. Conservation Biology, 22(6): 1471-1476. doi:10.1111/j.1523-1739.2008.01031.x

BÜRGER, J., EDLER, B., GEROWITT, B., STEINMANN, H.-H. (2014): Prognose künftiger Problemunkräu-ter im Maisanbau durch Artverbreitungsmodellierung. Julius-Kühn-Archiv 443: 379-386. doi:10.5073/jka.2014.443.048

FLORAWEB (2014): FloraWeb Internetseite. Bundesamt Für Naturschutz. www.floraweb.de

FRIED, G., PETIT, S., REBOUD, X. (2010): A specialist-generalist classification of the arable flora and its response to changes in agricultural practices. BioMedCentral Ecology 10(20): 1-11. doi:10.1186/1472-6785-10-20

HOLZNER, W., IMMONEN, R. (1982): The agrestal weed flora and vegetation of the world. In: Holzner, W., Numata, M. (Hg.): Biology and ecology of weeds. The Hague, Boston, London: Dr. W. Junk: 203-226.

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KLIMEK, S., LOHSS, G., GABRIEL, D. (2014): Modelling the spatial distribution of species-rich farmland to identify priority areas for conservation actions. Biological Conservation 174: 65-74. doi:10.1016/j.biocon.2014.03.019

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LOSS, S. R., TERWILLIGER, L. A., PETERSON, A. C. (2011): Assisted colonization: Integrating conserva-tion strategies in the face of climate change. Biological Conservation 144: 92-100. doi:10.1016/j.biocon.2010.11.016

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OTTE, A., BISSELS, S., WALDHARDT, R. (2006): Samen-, Keimungs- und Habitateigenschaften: Wel-che Parameter erklären Veränderungstendenzen in der Häufigkeit von Ackerwildkräutern in Deutschland? Journal of Plant Diseases and Protection, Sonderheft 20: 507-516.

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WILLERDING, U. (1986): Zur Geschichte der Unkräuter Mitteleuropas. Neumünster: Karl Wachholtz.

Kontakt

Kristian Peters, Universität Rostock, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Phytomedizin, Satower Str. 48, 18051 Rostock, Tel: (+49) 381 498 31 75, E-Mail: [email protected]

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Agrobiodiversität und Klimawandel - Beobachtungen aus Guatemala

HARALD HIMSEL

Einleitung

Guatemala ist für weniger als 0,5 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und somit weniger Verursacher als Leidtragender des Klimawandels. Der ländliche Raum Guatemalas ist von Armut geprägt. Zwei Drittel der vorwiegend indigenen Kleinbetriebe bewirtschaften weniger als eine Manzana (0,7 ha) und können sich kaum selbst versorgen. Armut und ein sehr hohes Bevölkerungswachstum führen dazu, dass die Bauern den Boden übernutzen und die Naturres-sourcen degradieren. Die Ressourcendegradation hat einen negativen Effekt auf die Armutssituati-on auf dem Land: 56 % der Bevölkerung liegen unter der nationalen Armutsgrenze, 24 % leben von weniger als 2 US$ am Tag.

Anzeichen des Klimawandels in Guatemala

Zum Klimawandel in Guatemala liegen bisher kaum wissenschaftlich gesicherte Informationen und keine verlässlichen regionalen Daten vor. Es ist daher schwierig, die Folgen des Klimawandels abzuschätzen. Die kleinräumliche Gliederung der Naturräume des Landes erschwert dies zusätz-lich.

In den letzten Jahren wurde Guatemala von mehreren Tropenstürmen von großer Intensität getrof-fen: die Hurrikane Mitch (1998), Stan (2005) und Agatha (2010). Stan allein hat einen Schaden in der Größenordnung von 3 % des Bruttoinlandsprodukt (BIP) verursacht.

Die Niederschlagsmuster verlaufen zunehmend erratisch: Der Beginn der Regenzeit ist schwerer vorherzusagen und setzt später ein. Sonneneinstrahlung und Temperaturen während der Wachs-tumsphase steigen. Es treten unerwartete Trockenperioden auf. Abwechselnd kommt es zu Über-schwemmungen und Dürren, die zunehmend häufiger auftreten.

Die klimatischen Veränderungen haben bereits heute einen erheblichen Einfluss auf die landwirt-schaftlichen Erträge: Die Erzeugung von Grundnahrungsmitteln wird von den genannten starken Schwankungen der Temperatur und der Niederschläge sowie häufig von Trockenperioden beein-trächtigt. Extremwetterereignisse führen zu Überschwemmungen und Erdrutschen, die Infrastruktur, Felder und Pflanzungen zerstören und die Erosion beschleunigen. Die klimatischen Schwankungen wirken sich somit unmittelbar auf die soziale Lage und die Ernährungssituation der Landbevölke-rung aus. Zudem mindert die eingangs genannte Ressourcendegradation die Widerstandsfähigkeit der natürlichen Systeme und landwirtschaftlichen Kulturen gegenüber den Auswirkungen des Kli-mawandels.

Zusammengefasst können folgende Anzeichen und Auswirkungen des Klimawandels in Guatemala beobachtet werden:

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• Änderung der Regenzyklen und Niederschlagscharakteristiken (Intensitäten, Zeitpunkte und Niederschlagszyklen)

• Temperaturanstieg verlagert landwirtschaftliche Produktion in höhere Lagen auf Kosten der extensiven Tierhaltung und Bewaldung

• Zunahme von Dürren in den unteren und mittleren Höhenlagen

Integrierte landwirtschaftliche Produktionssysteme zur Anpassung an den Klimawandel

Die traditionelle landwirtschaftliche Produktion ist die wichtigste wirtschaftliche Aktivität im ländlichen Raum und dient in erster Linie der Eigenversorgung der Kleinbauernfamilien. Die kleinen Anbauflä-chen werden in der Regel nach einem integrierten Anbausystem bewirtschaftet.

Das integrierte Anbausystem ermöglicht es den Kleinbauern, auf verschiedene Weise auf die Aus-wirkungen des Klimawandels zu antworten:

• Erste Option: Nicht vorhersehbaren Regenzeiten begegnen die Bauern mit dem Anbau von Sorten mit kürzerer Vegetationszeit

• Zweite Option: Aussaat einer Mischung aus verschiedenen Sorten der gleichen Pflanzenart mit unterschiedliche Wachstumseigenschaften

• Dritte Option: Zeitlich gestaffelte Aussaat zur Reduzierung des Risikos einer Missernte

• Vierte Option: Mischanbau (Milpa) von verschiedenen Pflanzenarten und -sorten (Mais, Boh-nen, Kürbis); der Anbau von Bohnen leistet einen Beitrag zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit durch Stickstoffanreicherung im Boden; ermöglicht potenzielle Kompensation bei klimabeding-tem Ausfall einer der angebauten Kulturen

Die Bedeutung der Agrobiodiversität

Die Kleinbauernfamilien verfügen über jahrhundertealtes Wissen über die lokalen Nutzpflanzensor-ten und wenden es bis heute in der landwirtschaftlichen Praxis an. In den Zentren der indigenen Kultur in Guatemala ist ein hoher Grad von Agrobiodiversität vorhanden, was eine bedeutende Genreserve darstellt.

Die Kultivierung der verschiedenen lokalen Varietäten stellt ein enormes, aber bisher nicht erkann-tes Potenzial zur Anpassung an den Klimawandel dar, da die Regierung bislang die Verwendung von Hybridsorten fördert. Die genetische Vielfalt, die den Kleinbauern und dem Land zur Verfügung steht, könnte für die Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels von entscheidender Bedeutung sein und sollte bewahrt werden.

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Nachtrag

Nach meiner Rückkehr nach Guatemala hat es gerade um diesen Aspekt eine ernste Auseinander-setzung gegeben. Die guatemaltekische Regierung wollte ein Gesetz (Ley de Obtenciones Vegeta-les; entspricht in etwa dem deutschen Sortenschutzgesetz) vom Kongress verabschieden lassen, das die natürliche genetische Vielfalt in Frage gestellt und den Vertrieb von gentechnisch veränder-ten Feldfrüchten und verschiedenen transgenen Maissorten legalisiert hätte. Dieses Gesetz wird umgangssprachlich als ´Ley Monsanto´ bezeichnet (deutsch ‚Monsanto-Gesetz‘ nach dem gleich-namigen börsennotierten Agrarkonzern mit Sitz in den USA, der gentechnisch veränderte Feldfrüch-te und verschiedene transgene Maissorten erzeugt und vertreibt). In den Tagen vor der Kongress-abstimmung kam es in vielen Orten zu Demonstrationen bis hin zu Straßensperrungen und Ausei-nandersetzungen zwischen der indigenen ländlichen Bevölkerung und der Polizei. Für die indigene Bevölkerung hätte die Umsetzung dieser Gesetzvorlage nicht nur einen Eingriff in ihre traditionelle landwirtschaftliche Produktionsweise, sondern auch in ihr kulturelles Leben bedeutet. Am Ende wurde die Gesetzesvorlage wieder gestrichen.

Abb. 1: Karikatur aus der guatemaltekischen Presse zu der Gesetzesvorlage über den Sortenschutz. Mit der Legalisierung gentechnisch veränderter Feldfrüchte und transgener Maissorten, die urheberrechtlich geschützt sind, könnte verhindert werden, dass Landwirte Erntegut, das sie aus dem Anbau im eigenen Betrieb gewon-nen haben, im eigenen Betrieb zum Zwecke der Vermehrung verwenden können (Prensa Libre, 20.08.2014)

Kontakt

Harald Himsel, Dag-Hammarskjoeld Weg 1, 65760 Eschborn, Tel.: +502-31086776, E-Mail: [email protected]

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Abkühlung in Zeiten der Erwärmung

RAINER HOLZ

Dieses Kurzstatement geht zurück auf den Zeitschriftenbeitrag „Gegen den Trend: Abkühlung in der Erwärmung? Warum es seit 40 Jahren in den Lebensräumen womöglich kühler wurde“ (veröffent-licht in der Schriftenreihe „Naturschutzarbeit in Mecklenburg-Vorpommern“, 55 (2012), Heft 1: 1-10).

In diesem Beitrag wird die These vertreten, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten die Abküh-lung und nicht die Erwärmung die bestimmende Einflussgröße auf die Entwicklung der Ökosysteme und Artengemeinschaften war.

Auslöser der Abkühlung ist die enorme Zunahme der Primärproduktion, mit der Folge einer Verdich-tung des Pflanzenkleides in sämtlichen Großlebensräumen, terrestrischen wie aquatischen. Die Konsequenz dieser Verdichtung ist der Lichtverlust rsp. die Verdunklung in den unteren Strata, in dessen Folge Kühle und Feuchte zu-, Wärme und Trockenheit dagegen abnehmen. Vermutet wird, dass dadurch die unbestreitbaren Temperaturzunahmen in der Luft relativiert und teilweise in ihr Gegenteil verkehrt werden.

Als Ursachen für die erhöhte Primärproduktion kann die seit mindestens 40 Jahren wirkende und seither eher zu- als abnehmende Eutrophierung über den Luftpfad und die mit der zunehmenden Kohlendioxidanreicherung in der Atmosphäre einhergehende Temperaturerhöhung der Luft gelten.

Neben diesen viel diskutierten und bekannten nahezu global wirkenden Einflüssen gibt es diverse Prozesse vor Ort, die vergleichbare Wirkungsketten in Gang setzen. Sie alle haben ein und den-selben Ausgangspunkt: die Entwicklung zur voll mechanisierten, automatisierten Landnutzung, d. h. der Wandel von der - durch Energieklemme gekennzeichneten - Kultur- zur Hochenergielandschaft und damit die Ablösung geschlossener landschaftlicher Stoffkreisläufe durch offene Systeme. Diese neue Qualität bedeutet verkürzt: Statt Energiemangel bestimmt Energieüberschuss die landschaftli-chen Prozesse.

Im jungpleistozänen Osten Deutschlands haben in der jüngeren Vergangenheit drei sozioökonomi-sche Entwicklungsschübe zum Paradigmenwechsel in der Landschaft beigetragen:

• die Meliorationswelle und die Industrialisierung der Landwirtschaft in den späten 1960er und den 1970er Jahren;

• der Hochtechnologie-Marktfruchtanbau in Verbindung mit dem Bedeutungsverlust der Viehwirt-schaft seit den 1990er Jahren;

• die Bioenergiegewinnung im Zuge der sog. Energiewende seit etwa dem Jahr 2005.

Diese drei „Revolutionen“ oder besser Zäsuren im Grünen und die damit ausgelösten Veränderun-gen der landschaftlichen Stoffflüsse haben das Schicksal der Arten, Artengemeinschaften und

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Lebensräume mehr als alles andere bestimmt. Ihre direkten oder indirekten ökologischen Auswir-kungen sind auf jedem Quadratmeter, in jedem Lebensraum spürbar: Die komplette Melioration der Landschaft setzt bis heute überall - auf organogenen Böden stärker als auf minerogenen - pflan-zenverfügbare Nährstoffe frei, deren Mengen bestenfalls überschlägig erfassbar sind. Vergleichba-res vollzieht sich im Schlepptau der Hochtechnologie-Landwirtschaft und im Energiepflanzenanbau. Hinzu kommt, dass es in beiden Bereichen erklärtes Ziel ist, die Biomasse je Flächeneinheit zu maximieren. Abgesehen davon, dass das Gros der Anbaufläche nur noch von den beiden Feld-früchten Raps und Weizen beherrscht wird, gibt es keine Kultur, die in ihrem Bestandsinneren Licht- und Wärmebilanzen aufweist, die den Verhältnissen von vor 40 Jahren vergleichbar wären.

So verschieden die ökologischen Auswirkungen der „Inflation von Landschaft“ und des eutrophen „Fallout“ sind, im Endergebnis haben sie eine Gemeinsamkeit: einen anhaltenden Trend zur Anrei-cherung pflanzlicher Biomasse, sprich: des frei verfügbaren Nährstoffpotenzials. Als Ergebnis voll-zieht sich mit Beständigkeit ein anhaltender Prozess der “Festlegung“ aller natürlichen, dynami-schen Landschaftsfaktoren oder eine Prävention vor ihren „schädigenden“ Auswirkungen. Das betrifft das Feuer, das (Grund- und Oberflächen-)Wasser, den Sturm und den Verbiss durch die Großherbivoren – das alles wären potenziell Einflüsse, die „freie“ Nährstoffe binden, verbrauchen und/der „versenken“ könnten.

Im Ergebnis haben sich die ökologischen Zustände in und zwischen den Lebensräumen mehr oder weniger radikal verändert. Selbst die sog. Extremstandorte mit ihren trockenen, mageren oder salzigen Eigenheiten machen da keine Ausnahme – im Gegenteil, nirgends sind die Auswirkungen des Nährstoffüberschusses und der fehlenden landschaftlichen Dynamik so evident wie hier. Ana-log dazu verlieren die Artengemeinschaften der Pflanzen und der Tiere beständig an Diversität, sortieren sich die Verhältnisse allenthalben in Verlierer und Gewinner. Es klingt in Zeiten der Klimadebatte paradox: Es waren und sind vor allem die wärme- und lichtliebenden Floren- und Faunenelemente, die sukzessive aussortiert wurden und werden. Wer diese Dynamik verstehen will, muss vor allem die ihr zugrunde liegenden ökonomischen Prozesse verstehen. Auch und vor allem die von gestern. Die heutige Landschaft lebt in dem Rahmen, der ihr gestern gesetzt wurde.

Kontakt

Dr. Rainer Holz, Arndtstraße 32, 17489 Greifswald, Tel.: 0170-5351021, E-Mail: [email protected]

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6 Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz in verschiedenen Ökosystemen

Das Potenzial seltener und trockentoleranter Laubbaumarten zur Aufforstung von aufgelassenen Weinbergen

JÖRG KUNZ UND JÜRGEN BAUHUS

Seit Mitte der 1990er Jahre ist die mit Reben bestockte Fläche in einigen Regionen Deutschlands rückläufig. Entlang der Mosel sank die Weinanbaufläche seitdem um über 35 %, im gleichen Zeit-raum zeichnete sich bundesweit ein deutlicher Rückgang der Anzahl an Weinbaubetrieben ab (EUROSTAT 2014). Insgesamt wurden innerhalb der letzten 20 Jahre nur innerhalb der Weinbaure-gion „Mosel-Saar-Ruwer“ etwa 3.800 Hektar aus der Nutzung genommen. Neben dem fortschrei-tenden Strukturwandel hin zu wenigen großen und ökonomisierten Betrieben ist ein weiterer Haupt-grund für den Flächenrückgang die von der Europäischen Kommission beschlossene Reform des Weinsektors, welche eine gemeinsame Marktorganisation der Mitgliedsstaaten zum Ziel hatte (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2012). Zu den Instrumenten der Reform gehören die finanzielle Förde-rung von Rodungen und Maßnahmen zur Umwandlung beziehungsweise Umstrukturierung der Reben. Aufgrund dieser Reform wurden insbesondere Steillagen oder wenig ertragreiche Flächen aufgegeben.

Dabei zählen insbesondere die traditionell bewirtschafteten Hanglagen entlang der Flusstäler zu typischen regionalen Landschaftsbildern, die aufgrund ihrer kleinstrukturierten baulichen Elemente sowie des warm-trockenen Mikroklimas vielen seltenen Pflanzen und Tieren Habitate bieten (HÖCHTL et al. 2011). Weinberge stellen zudem ein System aus verschiedensten Lebensräumen dar, die vielschichtig miteinander verknüpft sind, wodurch für bedrohte Arten wie die Wilde Tulpe (Tulipa sylvestris), den Doldigen Milchstern (Ornithogalum umbellatum), die Rote Taubnessel (Lamium purpureum), den Baumpieper (Anthus trivialis), die Kreuzotter (Vipera berus), die Mauer-eidechse (Podarcis muralis) oder den Mondfleck (Callistus lunatus) Lebensräume erhalten bleiben (SCHMIDT 1985, PETRISCHAK 2011, HÖCHTL et al. 2011).

Sukzessionsprozesse nach Auflassung der Weinberge

Nach einer Nutzungsaufgabe sollen auf ehemaligen Rebflächen in Rheinland-Pfalz innerhalb von zwei Jahren nach Bewirtschaftungsende die Rebstöcke entfernt (REBFLSCHV RP 1997) und die Fläche nach Möglichkeit weiterhin genutzt werden. Nach der Aufgabe der Reben kann eine Um-wandlung der aufgelassenen Weinberge in land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen erfolgen. Eine Nutzung als Agrarfläche bedeutet häufig den Anbau von Getreide oder eine Flächennutzung als Wiese oder Weide. Dies zieht in den meisten Fällen ebenfalls einen deutlichen Verlust des ökologischen Wertes nach sich (SCHMIDT 1985). Forstwirtschaftlich genutzte Flächen wurden in der Vergangenheit oftmals mit schnellwachsenden Nadelhölzern wie Fichte (Picea abies), Waldkiefer (Pinus sylvestris), Schwarzkiefer (Pinus nigra) oder Douglasie (Pseudotsuga menziesii) bepflanzt

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(HAKES 1987). Diese Arten sind häufig nicht an trocken-warme Standorte angepasst, bleiben weit hinter ihren Ertragserwartungen zurück oder fallen ganz aus (EILMANN et al. 2006, BRÉDA UND BA-

DEAU 2008, FRIEDRICHS et al. 2009, ZANG et al. 2011). Folgeschäden durch Sturmereignisse oder Insektenbefall sind nicht selten (ARCHAUX UND WOLTERS 2006). Ebenso ist die Artenvielfalt auch in den von Koniferen dominierten Hochwäldern sehr gering (HEMERY 2008). Eine Umwandlung in vielfältige, naturnahe Laubmischwälder ist bisher nur in seltenen Einzelfällen erfolgt.

Allerdings werden in den meisten Fällen die aufgelassen Flächen der natürlichen Sukzession über-lassen. Dabei ist es möglich, dass sich ökologisch wertvolle Trockenrasen- und Staudengesell-schaften etablieren können. Diese stellen wertvolle Refugien zum Beispiel für verschiedene Kräuter, Gräser oder Orchideen dar (HAKES 1987, POMPE 2004).

Abb. 1: Ein seit ungefähr 15 Jahren aufgelassener Weinberg in Sukzession.

Weinberge sind intensiv genutzte Kulturflächen, die oftmals deutlich durch Bodenverdichtung und -bearbeitung, Überdüngung mit Stickstoff und starken Pestizid- und Kupfereinsatz geprägt sind (HANSEN 1994, HOFMANN 2014). Dadurch wird eine Entwicklung von nitrophilen Generalisten be-günstigt; Ergebnis ist eine Vergrasung und Verbuschung (Abb. 1) mit häufig vorkommenden Arten wie Brombeeren (Rubus sp.), Schwarzem Holunder (Sambucus nigra) oder Großer Brennnessel (Urtica dioica). Dadurch können sich innerhalb kurzer Zeit ehemalige Weinberge in ein dichtes, kaum noch zugängliches Gebüsch verwandeln (DIERSCHKE 2006). Oftmals folgt dann die Entwick-lung einer Baumschicht mit häufig vorkommenden Weiden- (Salix sp.) und Pappelarten (Populus sp.), der Waldkiefer oder der Robinie (Robinia pseudoacacia), wodurch der ökologische Wert der Flächen weiter sinkt (HAKES 1987). Die vorwaldartigen Strukturen bieten vor allem Wildschweinen (Sus scrofa) und Rehwild (Capreolus capreolus) gute Einstandsmöglichkeiten, was zu erheblichen Wildschäden führen kann. Außerdem können die Sukzessionsflächen auch einigen Schaderregern wie der Reblaus (Viteus vitifoliae) oder Pathogenen wie dem Erreger der Schwarzholzkrankheit als

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Brutstätte dienen (HOFMANN 2014), wodurch sich der Druck auf die weiterhin bewirtschafteten Reben erhöht, die nach wiederholten Schadereignissen ebenfalls häufig aufgegeben werden.

Unter diesen Voraussetzungen ist ein Fortschreiten der natürlichen Sukzessionsprozesse sehr kritisch zu bewerten. Bisher gilt die Offenhaltung bei Vertretern der Naturschutz-, Landespflege- und Winzerverbände als wichtigstes und am häufigsten angewandtes Behandlungskonzept für aufge-lassene Weinberge. Durch Maßnahmen wie Mahd, Mulchen oder Beweidung wird eine weitere Ausbreitung von Büschen und Sträuchern auf den Flächen verhindert (POMPE 2004). Ebenso ist eine klar strukturierte Ordnungsform der ehemaligen Weinberge für weiterhin praktizierende Winzer überaus wichtig (HOFMANN 2014). Allerdings ist eine Offenhaltung durch Mahd oder Beweidung sehr kostspielig und daher auf größeren Flächeneinheiten finanziell oft nur dann tragbar, wenn die Pflege der einzelnen Flächen durch institutionelle Strukturen dauerhaft gesichert ist (HIRSCH et al. 1998). Daher werden alternative Bewirtschaftungskonzepte zur Offenhaltung für aufgelassene Weinberge gesucht, die verschiedene Optionen der langfristigen Nutzung bei vergleichsweise geringen Kosten und extensivem Arbeitseinsatz ermöglichen (RODE 1998). Ein auf Dauer erfolgrei-ches Konzept muss zudem von vielen verschiedenen Akteuren positiv bewertet und gemeinsam getragen werden, da auf diese Weise mögliche Konflikte minimiert und die Akzeptanz der einzelnen Maßnahmen gewährleistet werden kann (HIRSCH et al. 1998). Gerade entlang der Mosel treffen mit Weinbau, Land- und Forstwirtschaft, Tourismus, Naturschutz, Landes- und Denkmalpflege viele unterschiedliche Beteiligte mit traditionell oft voneinander abweichenden Sichtweisen zu aufgelas-senen Weinbergen aufeinander.

Das Projekt SILVITI – Alternative Bewirtschaftungskonzepte für aufgelassene Weinberge

Auf Grundlage dieser Ausgangssituation ist das Hauptziel des Forschungsprojekts „SILVITI - Silvi-cultura statt Viticultura“, langfristige Nutzungsoptionen für aufgelassene Weinberge aufzuzeigen. Im Rahmen des Projekts werden verschiedene Möglichkeiten entwickelt um ökologische, klimaschutz-relevante und ökonomische Zielsetzungen zu vereinen. Durch die Aufforstung der aufgelassenen Weinberge mit verschiedenen Provenienzen seltener Laubbaumarten wie Elsbeere (Sorbus tormi-nalis), Speierling (Sorbus domestica), Mehlbeere (Sorbus aria), Feldahorn (Acer campestre), Fran-zösischen Ahorn (Acer monspessulanum), Wildapfel (Malus sylvestris) und Wildbirne (Pyrus pyras-ter) werden diese gezielt gefördert, die regionale Biodiversität erhöht und ihr Fortbestand dadurch langfristig gesichert. Denn trotz ihrer weiten Verbreitung über ganz Mitteleuropa und den Balkan hinweg haben diese Arten auch aufgrund ihrer Konkurrenzschwäche nur kleine Populationsgrößen und sind dadurch teilweise, wie zum Beispiel Speierling und Wildapfel, in ihrem Bestand in Deutsch-land bedroht (SCHRÖDER et al. 2013). Dabei sind diese seltenen Laubbaumarten typische Begleitar-ten der natürlich vorkommenden xerothermen Eichenmischwaldgesellschaften der gut nährstoffver-sorgten trocken-warmen Standorte des sogenannten „Weinbauklimas“ (HÄRDTLE et al. 2004).

Aufgrund ihrer hohen Trockentoleranz (KUNZ et al. 2013) werden die nicht häufig vorkommenden Arten auch für die Forstwirtschaft vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels immer bedeu-tender (REIF et al. 2010). Eine aktive Einbringung von Sorbus-Arten und Wildobst ist zudem auch wirtschaftlich interessant, da diese zu den wertvollsten Hölzern Europas zählen (SUCHOMEL UND

PYTTEL 2011). Aus dem Holz der seltenen Arten werden vorwiegend qualitativ hochwertige und langlebige Produkte hergestellt, die Kohlenstoff dauerhaft speichern und somit einen wichtigen

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Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zusätzlich ist durch die dauerhafte Bestockung ehemaliger Wein-berge mit Laubbäumen im Vergleich zu Weinreben ein erhöhtes CO2-Speicherpotential in Böden und Biomasse gegeben. Des Weiteren lassen sich aus den Früchten einiger Spezies edle und hochpreisige Obstbrände erzeugen. Da es sich bei den ausgewählten Baumarten um oftmals wenig bekannte Raritäten handelt, setzen sie in der Landschaft willkommene Kontrapunkte (Abb. 2) und bieten nicht nur aufgrund ihres farbenfrohen Herbstlaubs ästhetische Anreize. Zudem dienen die seltenen Arten vielen Insekten als Habitat, sind ausgewiesene Bienenweiden und ihre Früchte eine beliebte Nahrungsquelle für verschiedenste Kleinsäuger- und Vogelarten, wodurch sie wichtige ökologische Funktionen übernehmen (HEMERY 2008).

Abb. 2: Blätter des Französischen Ahorns.

Praktische Umsetzung des Projekts

Die Flächen, die innerhalb des Projekts angelegt werden, sollen Forschungszwecken sowie zur Demonstration und Veranschaulichung der vorgestellten Bewirtschaftungskonzepte dienen. Inner-halb des Projekts werden insgesamt drei Demonstrationsflächen in Avelsbach, Osann-Monzel und Maring-Noviant aufgeforstet. Dabei sollen historische bauliche Strukturen wie Rinnen, Trockenmau-ern oder Steinriegel unverändert bleiben (SCHMIDT 1985). So kann das Projekt ebenfalls dazu beitragen, ästhetisch und kulturgeschichtlich wertvolle Elemente der Weinberge zu erhalten. Eine Flurbereinigung der Flächen ist weder benötigt, beabsichtigt noch für die Durchführung der Unter-suchung erwünscht. Eine Wiederbewaldung mit standortsangepassten seltenen Laubbäumen kann ebenfalls Auswirkungen auf die Artenzusammensetzung aufgelassener Weinberge haben. Auf-grund des mit der Zeit höher werdenden Aufwuchses sinkt der Lichteinfall. Dadurch erhöht sich die Wasser- und Stickstoffverfügbarkeit bei einem parallelen Absenken der Temperaturen von Luft und Oberboden (HAKES 1987, POMPE 2004). Somit könnten auch weiterhin bewirtschaftete Weinberge negativ beeinflusst werden. Umgekehrt lässt sich durch eine Aufforstung die Dominanz von konkur-renzstarken, dominanten Gräsern oder Dornbüschen kontrollieren und so die lokale Struktur- und Artenvielfalt erhöhen (POMPE 2004).

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Auf den Versuchs- und Demonstrationsflächen wird die praktische Durchführung der vorgeschlage-nen Bewirtschaftungskonzepte überprüft. Dabei werden alle möglichen Wirtschaftsziele gleichwertig behandelt und so die Möglichkeiten der Wertholzproduktion oder Fruchtgewinnung, aber auch die finanziell weniger lukrativen Optionen wie die langfristige Speicherung von Kohlenstoff in Holz und Boden, die Erhöhung der Biodiversität, die Sicherung von genetischen Ressourcen, die Steigerung des Erholungswerts oder die ästhetische Wahrnehmung der Flächen untersucht. Somit werden neue Anreize zur extensiven Nutzung aufgelassener Weinberge geschaffen. Zusätzlich dienen die aufgeforsteten Weinberge aber auch der Erforschung bisher wenig bekannter Laubbaumarten (PYTTEL et al. 2013). Auf den Versuchsflächen lassen sich verschiedenste wissenschaftliche Frage-stellungen zu Wuchsdynamik, physiologischer Leistungsfähigkeit oder Konkurrenzstärke dieser Arten zukünftig beantworten.

Das wichtige Ziel des Projekts SILVITI ist jedoch weiterhin die dauerhafte Etablierung alternativer Nutzungsformen für aufgelassene Weinberge auch über das Ende des Förderzeitraums hinaus. Um dies gewährleisten zu können, ist es von großer Bedeutung, Flächeneigentümer direkt über Ideen und Maßnahmen des Projekts zu informieren und ihnen gleichzeitig konkrete Hilfestellungen bei der Umsetzung anzubieten. Darüber hinaus sollen die gewonnenen Erkenntnisse an Entscheidungsträ-ger und weitere Multiplikatoren aus dem Weinbau, der Land- und Forstwirtschaft, aber auch den Naturschutz- und Landespflegeverbänden weitergegeben werden, um die erarbeiteten Bewirtschaf-tungskonzepte weiter zu implementieren und einen Wissenstransfer in die Praxis zu bewirken (DIETER et al. 2014). Hierfür sind sowohl überzeugende Bewirtschaftungskonzepte als auch eine direkte Vernetzung der Akteure überaus wichtig. Diese Voraussetzungen kann das Projekt SILVITI erfüllen, weshalb eine erfolgreiche Aufforstung von aufgelassenen Weinbergen mit seltenen Laub-baumarten durchaus möglich ist.

Danksagung

Das Projekt SILVITI wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Waldklimafonds. Wei-terhin wird das Projekt unterstützt durch die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft (FAWF) Rheinland-Pfalz, das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Department Biozöno-seforschung, das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel, die Staatliche Weinbau-domäne Trier, den Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, die Forstämter Wittlich und Trier sowie die Gemeinden Osann-Monzel und Maring-Noviant.

Literatur

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Kontakt

Jörg Kunz, Professur für Waldbau, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Tennenbacher Straße 4, 79106 Freiburg, Tel.: 0761-203-8603, E-Mail: [email protected], Internet: www.silviti.org, www.waldbau.org

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Großflächige Wiederherstellung von Niedermoorflächen mittels Oberbodenabtrag auf ehemals intensiv entwässerten und bewirtschafteten Standorten unter ökonomi-schen Gesichtspunkten - Vorstellung einer E+E Vorstudie

MATTHES PFEIFFENBERGER

Einleitung

In diesem Beitrag wird die einjährige Vorstudie eines Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens vorgestellt, die durch das Bundesamt für Naturschutz finanziert wurde (FKZ: 351308902102). Der Oberbodenabtrag mit anschließender Materialverwertung wird in diesem Vorhaben als Chance gesehen, degradierte Niedermoorstandorte ökologisch deutlich aufzuwerten und die dabei entste-henden Kosten durch eine Materialverwertung zukünftig ganz oder teilweise zu refinanzieren. In einem ersten Schritt wurde der Status Quo der Vorhabenfläche als Grundlage für die spätere Um-setzung und eine anschließende Erfolgskontrolle erfasst. Es wurde untersucht, wie das angestrebte ökologische Ziel, d. h. die Schaffung besserer Ausgangsbedingungen für die Wiederansiedlung besonders gefährdeter Lebensgemeinschaften, erreicht werden kann. Ein weiterer Punkt war die Gewinnung von Erfahrungen zur Aufbereitung des Materials. Es wurden erste Erkenntnisse über eine mögliche Produktverwertung und Vermarktungschancen gesammelt. Im Rahmen der Vorun-tersuchung wurde ferner die Öffentlichkeit im Umfeld des Projektgebietes informiert.

Vorhabenziele

Ziel des folgenden mehrjährigen Hauptvorhabens soll es sein, auf einer ca. 5 ha umfassenden Niedermoorfläche im Peenetal, durch Abtrag des nutzungsbedingten Vererdungs- und Verdich-tungshorizontes, die hydrologisch-physikalischen Voraussetzungen für die Etablierung von basen-reichen und pflegeunabhängigen Pflanzengesellschaften zu schaffen. Diese Maßnahme soll mittel- bis langfristig der Wiederherstellung wertvoller Lebensräume, der Bewahrung hoch gefährdeter Arten und somit der Erhaltung der Biodiversität dienen. Auf nationaler Ebene gab es bislang einige kleinflächige Vorhaben. Auch international gab es bereits Versuche zum Abtrag des Oberbodens (PFEIFFENBERGER und FOCK 2013). Da jedoch großflächiger Oberbodenabtrag kostspielig ist (SCHUMANN und MAUERSBERGER 2009) und eine erhebliche Menge an Material anfällt, ist die Unter-suchung von Verwertungsmöglichkeiten ein weiteres Ziel. Eine erfolgreiche Vermarktung könnte zukünftig die Kosten für die Umsetzung solcher Vorhaben erheblich reduzieren und den Schritt in die Praxis erleichtern. Angestrebt wird ein Mehrfachnutzen mit folgenden Zielen: 1. Renaturierung von Moor (Naturschutz und Biodiversität), 2. Torfsubstitution, Moorerhaltung an anderen Stellen (Klimaschutz), 3. Generierung von Torfwachstum (CO2-Fixierung) und 4. Verwertung des Materials (regionale Wertschöpfung). Vermarktungsmöglichkeiten werden vor allem im Hobbygartenbereich gesehen. Darum wird untersucht, inwieweit hier eine teilweise Substitution von Torf möglich ist. Diese Erkenntnisse können im Hinblick auf die weitere Anwendung von großflächigem Oberboden-abtrag in vielen anderen degradierten Moorgebieten bundesweit von großer Bedeutung sein. Das Flächenpotenzial in Deutschland wird mit mehreren 100.000 ha degradiertem Niedermoor als hoch eingeschätzt.

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Gebietsbeschreibung

Im Nordosten Deutschlands gelegen, erstreckt sich das Peenetal vom Kummerower See bis zur Mündung der Peene in den Peenestrom bei Usedom. Auf etwa 85 km Länge durchquert der Fluss dabei die Landkreise Mecklenburgische Seenplatte im Westen und Vorpommern-Greifswald im Osten. Mit seiner Artenvielfalt ist das Peenetal eines der wertvollsten und besterhaltenen Flusstal-moore Deutschlands. Dennoch sind die Niedermoortorfe, infolge der intensiven Entwässerung und Nutzung, vielfach vererdet und nachhaltig gestört. Zur Vorhabenumsetzung wurde eine Fläche im Peenebogen Bentzin ausgewählt. Es handelt sich um ein degradiertes Durchströmungsmoor mit leichter Neigung zur Peene. Die Fläche liegt 2 bis 2,5 Meter über Normalnull. Die Torfmächtigkeit erreicht ca. 4 bis 7,5 Meter. Das Untersuchungsgebiet unterliegt europäischen und nationalen Schutzgebietskategorien. Der Gebietszustand der meisten Naturschutzgebiete im Peenetal wurde im Jahr 2003 lediglich als befriedigend eingeschätzt, da vor allem die hydrologischen Verhältnisse nachhaltig gestört waren (MLUV 2003). Dies trifft auch auf das Untersuchungsgebiet zu. 1976 wurde das Entwässerungssystem erheblich ausgebaut und das Grünland in der Folge intensiv als Saatgrasland genutzt (UMWELTPLAN 2006). Nach 1990 erfolgte nur noch eine sporadische Bewei-dung, die Nutzung wurde großflächig aufgelassen. 2007 kam es im Rahmen des Naturschutzgroß-projektes Peenetal/Peene-Haff-Moor zur Wiedervernässung durch eine fast flächendeckende Still-legung des Entwässerungssystems. Derzeit erfolgt nur noch die jagdliche Nutzung und vereinzelt eine randliche Beweidung.

Oberbodenabtrag

Der probeweise Oberbodenabtrag wurde Anfang April 2014 durchgeführt. Auf einer Fläche von 20 x 20 Metern wurde zuerst die Grasnarbe und nachfolgend der vererdete Oberboden abgetragen. Die Grasnarbe wurde zur Verfüllung eines kurzen Grabenabschnittes verwendet. Der vererdete Oberboden wurde an den Rand des Gebietes gebracht, von wo aus er verladen werden konnte. Die Vorteile des Verfahrens bestehen zum einen in der Trennung des Materials vor Ort und damit in der Reduktion des Transportvolumens. Zum anderen eignet sich die Grasnarbe sehr gut zur Graben-verfüllung, da sie erosionsstabil ist und schnell begrünt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bodenab-tragsverfahren zur Renaturierung oder zur Torfgewinnung, bei denen der Boden / Torf flächig mit Pistenraupen abgeschoben und somit der anstehende Torf befahren und geschädigt wird, wird bei der beschriebenen Methodik immer auf der noch bestehenden Grasnarbe gearbeitet. So wird eine strukturelle Schädigung der neuen Oberfläche verhindert (Abb. 1). Die Vorteile sind somit gleicher-maßen arbeitstechnischer aber auch naturschutzfachlicher Art. Ein Nachteil, der mit der zweistufi-gen Materialtrennung einhergeht, besteht im größeren zeitlichen Aufwand, der jedoch bei entspre-chendem Technikeinsatz teilweise wieder ausgeglichen werden kann. Das Grasnarbenmaterial, das über die Grabenverfüllung hinaus anfällt, kann von einem ortsansässigen Landwirtschaftsbetrieb kostenfrei angenommen und ausgebracht werden.

Die Bewertung der Qualität des Oberbodens wurde bei einem kooperierenden regionalen Erden-werk, zunächst durch Inaugenscheinnahme (sensorisch) vorgenommen. Erste Ein-schätzungen gehen von einer guten Verwertbarkeit für Blumenerde im Hobbybereich aus. Zum anderen wurde das Rohmaterial von einem Torfwerk in Niedersachsen auch labortechnisch analysiert. Daraus geht hervor, dass lediglich die Nährstoffgehalte für N, P und K für eine Blumenerde (nach RAL-GZ

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250/3) zu gering sind. Im Ergebnis wird empfohlen, dass bis zu 80 % des Rohmaterials in eine Universalblumenerde eingehen kann. Weitere Produkte, wie z. B. Rosenerde sind durch anteilige Beimischung möglich. Im Hauptvorhaben können die erfolgversprechendsten Varianten geprüft werden.

Abb. 1: Umsetzung des Abtrages; 1. Abtrag der Grasnarbe (Hintergrund), 2. Abtrag des Oberbodens (Vorder-grund); Maschinen fahren immer auf der schützenden Grasnarbe

Literatur

MLUV - MINISTERIUM FÜR LANDWIRTSCHAFT, UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ MECKLENBURG-VORPOMMERN (Hg.) (2003): Die Naturschutzgebiete in Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin (Demmler Verlag): 713 S.

PFEIFFENBERGER, M., FOCK, T. (2013): Restitution of degraded percolation mires in Western Pome-rania by large-scale top soil removal. In: Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie (Edit.): Book of Abstracts, Band 43. Potsdam: S. 284.

SCHUMANN, M., MAUERSBERGER, R. (2009): Naturschutzorientierte Flachabtorfung in Kalkflachmoo-ren - ein Erfahrungsbericht aus Nord-Brandenburg. In: Deutsche Gesellschaft für Moor- und Torfkunde (Hg.): Band 39. - Hannover: 157-174.

UMWELTPLAN (2006): Neuregulierung des hydrologischen Systems im Bentziner Peenebogen, Genehmigungsplanung. - Güstrow (unveröffentlicht).

Kontakt und weiterführende Informationen

Matthes Pfeiffenberger, Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmit-telwissenschaften, Tel.: 0395-5693-2302, E-Mail: [email protected], Internet: UBA, Umwelt-forschungsdatenbank UFORDAT: www.doku.uba.de; BfN, Liste aktueller Vorhaben: www.bfn.de/19673.html

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Anpassungsstrategien an den Klimawandel im Ostseeraum

SUSANNE ALTVATER

Herausforderungen durch den Klimawandel

Der Klimawandel führt auch im Ostseeraum zu Änderungen im Niederschlagsaufkommen und in der Niederschlagsverteilung, zum Meeresspiegelanstieg sowie zu einer Zunahme der Temperatu-ren an Land und im Meer. Er stellt für die nachhaltige Entwicklung der Küstenzonen eine große Herausforderung dar und erfordert sowohl Maßnahmen zum Klimaschutz als auch zur Anpassung an den Klimawandel. Die EU möchte mit ihrer EU-Anpassungsstrategie von 2013 eine gemeinsame Wissensgrundlage für die Anpassung an den Klimawandel schaffen. Gleichzeitig fordert sie die Mitgliedsstaaten auf, umfassende Anpassungsstrategien zu beschließen. Die Kommission will entsprechende Maßnahmen der Mitgliedstaaten auch finanziell fördern. Ziel ist es, die Anpassungs-frage in die verschiedenen Politikbereiche der EU einzubeziehen.

Makroregionale Strategie

Um die bereits gute Kooperation im Ostseeraum weiter zu stärken, wurden im Rahmen des EU-Leuchtturm-Projektes BaltAdapt (2013) eine Strategie und ein Aktionsplan für die Anpassung an den Klimawandel in dieser Makroregion entworfen. Wissenschaftliche Analysen befassten sich u. a. mit dem Einfluss des Klimawandels auf das Ökosystem Ostsee (DAHL et al. 2012) sowie mit den Auswirkungen auf die Fischbestände (PELTONEN et al. 2012). In intensiven Akteursbefragungen wurden auch für den Bereich Biodiversität Maßnahmen zusammengestellt, um Wissen besser für alle Betroffenen bereit zu stellen, Anpassungsmaßnahmen in andere Politikbereiche voranzutreiben und die Region noch besser zu verknüpfen (ALTVATER und STUKE 2013).

Nationale und regionale Strategien: Wie steht es um die Umsetzung?

Neben dieser ersten makroregionalen Anpassungsstrategie für eine Meeresregion haben alle An-rainerstaaten der Ostsee nationale Anpassungsstrategien (NAS) verabschiedet oder mit der Ent-wicklung begonnen. Im Rahmen des EU-Projektes BASE wurde eine Analyse ihrer Umsetzung sowie der Auswirkungen dieser Strategien auf nationale Politiken durchgeführt (BASE POLICY BRIEF 2014). Dabei wurde auf das Stadium der Umsetzung geachtet und regionale Strategien mit einbe-zogen.

Das Beispiel Dänemark zeigt, dass ein im Jahr 2012 verabschiedeter Aktionsplan die bereits seit 2008 bestehende NAS auf fünf Gebieten zielgerichtet voranbringt, u. a. bei der verbesserten Unter-stützung der lokalen Akteure und bei der Datenverfügbarkeit. Eine Task Force wurde eingerichtet, um Verwaltungen auch im Hinblick auf naturschutzfachliche Fragestellungen und Anpassung zu unterstützen. Naturschutzbehörden haben zum Beispiel zwei Jahre Zeit, um Pläne zu entwickeln, die auf detaillierten Risiko-Karten basieren und potentielle Überflutungsgebiete ausweisen können. Auch sind sie in Zusammenarbeit mit den Wasser- und Landwirtschaftsämtern für ein Langzeit-Monitoring der Bedeutung des Klimawandels für den Gebrauch von Pestiziden zuständig. Auch ein

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Monitoring von Einflüssen des Klimawandels auf geschützte Flächen (insbesondere Natura 2000) ist von den Naturschutzbehörden durchzuführen. Diese Maßnahmen forcieren die stärkere Zusam-menarbeit verschiedener Sektoren, den Austausch von Wissen sowie die Erarbeitung von Visionen.

Fazit

Nationale Anpassungsstrategien sind weitgehend akzeptiert als geeignetes Werkzeug sowohl für die Bewertung von Verwundbarkeit durch Klimawandel als auch für die Integrierung von Klimarisi-ken in alle Politikfelder.

Der Entwicklungsstatus der NAS reflektiert die politischen Zusammenhänge und den Unterstüt-zungsbedarf der Mitgliedsstaaten. Allerdings ist die Kürze der politischen Wahlperioden das Haupt-hindernis für gutes Design und effektive Umsetzung von NAS.

Weitere Ansätze

Neben Anpassungsstrategien sind die räumliche Planung und das sog. ‚Integrierte Küstenzonen-management‘ (IKZM) bewährte Werkzeuge, um Anpassungsmaßnahmen in andere Politikbereiche zu integrieren.

Diese unterstützen - angesichts des heute bereits hohen und künftig weiter zunehmenden Nut-zungsdrucks durch Siedlungstätigkeit, Landwirtschaft und Tourismus in den Küstengebieten - die wirksame Umsetzung räumlicher Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimaanpassung. Insbesondere das IKZM fördert eine umfassende Abstimmung mit anderen Handlungsfeldern und Landnutzun-gen, um Nutzungskonflikte möglichst zu vermeiden oder zu minimieren.

Im Projekt KüstenKlima wurden im Wechselspiel zwischen wissenschaftlicher Analyse und breiter Akteursbeteiligung anhand von vier Fallbeispielen an der deutschen Ostseeküste Handlungsansät-ze und Empfehlungen erarbeitet, wie die räumliche Planung und das IKZM zur Abstimmung der unterschiedlichen Nutzungsansprüche an den Raum beitragen können.

Literatur / weiterführende Links

ALTVATER, S., STUKE, F. (2013): BaltAdapt Action Plan. Recommended actions and proposed guide-lines for climate change adaptation in the Baltic Sea Region. Danish Meteorological Institute. Copenhagen

BASE POLICY BRIEF (2014): Climate adaptation strategies in the EU: Processes for design, imple-mentation and review. Issue No. 2, May 2014. www.base-adaptation.eu

Dahl, K.; Josefson, A. B.; Göke, C., Aagaard Christensen, J. P.; Hansen, J.; Markager, S.; Rasmus-sen, M.B.; Dromph, K.; Tian, T.; Wan, Z.; Krämer, I; Viitasalo, M.; Kostamo, K.; Borenäs, K.; Bendtsen, J.;Springe, G.; Bonsdorff, E. (2012): Climate Change Impacts on Marine Biodiversity and Habitats in the Baltic Sea – and Possible Human Adaptations. BALTADAPT Report # 3. Danish Meteorological Institute, Copenhagen.

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EU ANPASSUNGSSTRATEGIE (2013): http://ec.europa.eu/clima/policies/adaptation/what/docs/com_2013_216_en.pdf

PELTONEN, H.; VARJOPURO, R.. VIITASALO, M. (2012): Climate Change Impacts on the Baltic Sea Fish Stocks and Fisheries. Review with a Focus on Central Baltic Herring, Sprat and Cod. BaltAdapt Report # 4. Danish Meteorological Institute, Copenhagen.

Link zum Ecologic Institut: http://www.ecologic.eu/frontslider

Link zum Projekt KüstenKlima: http://kuestenklima.de/

Link zum Projekt Baltadapt: http://www.baltadapt.eu

Link zum Projekt BASE: http://www.base-adaptation.eu

Kontakt

Susanne Altvater, Ecologic Institut, Pfalzburger Str. 43-44, 10717 Berlin, Tel.: +49-(0)30-86 880-0, E-Mail: [email protected]

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Die Einbindung von Praxisakteuren in transdisziplinäre Forschung als sozialer Pro-zess

CARINA BRINKMANN, SUSANNE SCHUCK-ZÖLLER, MATTHIAS BERGMANN, JO-TING HUANG-LACHMANN, SIMONE RÖDDER

Was ist Transdisziplinarität?

Problemorientierte Herangehensweisen in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung beinhalten neben fächerübergreifender Zusammenarbeit oftmals auch die Einbindung außerwissenschaftlicher Akteure. Transdisziplinäre Forschung wird in diesem Zusammenhang als Austauschprozess zwi-schen Wissenschaft und Gesellschaft verstanden. Beispielhaft beschreibt die Zürich-2000-Definition Transdisziplinarität als eine neue Form des Lernens und des Problemlösens angesichts komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen, die eine Kooperation zwischen Gesellschaft und Wissen-schaft nötig macht. (vgl. HÄBERLI et al. 2001) Bei der transdisziplinären Forschung geht es nicht um eine Beteiligung der allgemeinen Öffentlichkeit im Sinne einer breiten Wissenschaftskommunikati-on, sondern um ausgewählte Akteure, die sich durch eine besondere Betroffenheit, besonderen Einfluss oder besonderes Wissen über das Forschungsproblem auszeichnen. Um diese Experten aus der Praxis zusammenzufassen, wird in der wissenschaftlichen Literatur fächerübergreifend vorrangig der Stakeholder-Begriff (deutsch: Anspruchs- bzw. Interessenträger oder -gruppen) ge-nutzt, der ursprünglich aus der Ökonomie stammt. Da dieser Begriff jedoch auch den Wissenschaft-ler als Akteur mit bestimmten Interessen miteinschließt, soll im Folgenden der Begriff des "Praxisak-teurs" verwendet werden, um außerwissenschaftliche Akteure zu bezeichnen. Transdisziplinäre Forschung profitiert nicht nur von den unterschiedlichen Wissensbeständen der Praxisakteure, sondern muss auch deren Interessen und Werthaltungen einbinden.

Trotz der zunehmenden Verbreitung transdisziplinärer Forschung herrscht in der wissenschaftlichen Literatur Uneinigkeit über zentrale Begrifflichkeiten. Vertreter verschiedener Ansätze scheinen ähnliche Anliegen zu verfolgen, ohne mit ihren Arbeiten aneinander anzuschließen. Im Folgenden werden überblicksartig einige Ansätze transdisziplinärer Forschung vorgestellt und dabei Unter-schiede in der Einbindung von Praxisakteuren herausgearbeitet.

Ansätze transdisziplinärer Forschung

Im Zuge eines Literaturreviews wurden verschiedene Ansätze transdisziplinärer Forschung identifi-ziert. Sie lassen sich bezüglich der Einbindung von Praxisakteuren in drei Gruppen aufteilen2.

1. Ältere Ansätze der Forschung zu Gesundheit, Sozialem und in Entwicklungskontexten konzent-rieren sich größtenteils auf die Zusammenarbeit mit bestimmten, meist sozial benachteiligten

2 Es handelt sich um eine vorläufige Darstellung. Die endgültigen Vergleichskategorien sind noch in Bearbeitung.

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Akteursgruppen mit dem Ziel, deren alltägliche Lebenssituation zu verbessern. Die Gruppenver-treter werden in allen Forschungsphasen beteiligt. Diese Ansätze bezeichnen sich selbst eher als partizipativ denn als transdisziplinär, was auch darauf zurückzuführen ist, dass das Konzept der Transdisziplinarität jünger ist als die Ursprünge dieser Forschungstraditionen, die bis in die 1940er Jahre zurückreichen (z. B. Participatory Action Research (s. REASON und BRADBURY 2008) oder Community-Based Participatory Research (s. ISRAEL et al. 2005)).

2. Neuere Ansätze der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung mit einem oft regionalen Fokus bedienen sich neben Workshops und Dialogen häufig technisch anspruchsvoller Systemanaly-se- und Modellierungsverfahren. Dies kann als ein Grund dafür angesehen werden, dass die In-tensität der Einbindung von Praxisakteuren je nach Forschungsphase variiert. Das Konzept der Transdisziplinarität dient diesen Ansätzen explizit zur Beschreibung ihrer Vorgehensweise (z. B. der transdisziplinäre Case-Study-Ansatz der ETH Zürich (s. SCHOLZ 2011) oder das Modell des Instituts für sozial-ökologische Forschung - ISOE (s. JAHN 2005)).

3. Quer dazu liegen Ansätze, die vornehmlich das Ziel der Unterstützung politischer Entschei-dungsfindungsprozesse verfolgen. Hier finden sich unterschiedlichste methodische Vorgehens-weisen, wobei in Einzelfällen hinterfragt werden kann, ob die Dialoge hier noch dem Wissen-saustausch oder nur der Herstellung von Konsens unter den Beteiligten dienen (z. B. Partici-patory Policymaking (s. EDELENBOS 1999) oder Transition Management (s. ROTMANS et al. 2001)).

Generell lässt sich festhalten, dass Ansätze, bei denen sich rein interdisziplinäre (ohne Praxis-partner) und transdisziplinäre Prozessphasen abwechseln, als wissenschaftlich anschlussfähiger bewertet werden, was auf die schwierige Gratwanderung zwischen kontinuierlicher Partizipation der Praxisakteure und wissenschaftlich relevanter Forschung hindeutet. Über alle Ansätze hinweg lassen sich für die Gestaltung von Dialogen Idealvorstellungen identifizieren, die den Wert eines offenen, engagierten Wissensaustausches hervorheben, der von allen Teilnehmern als zielführend empfunden wird.

Die Einbindung von Praxisakteuren als sozialer Prozess

Das Gelingen von Dialogen als sozialer Austauschprozess zwischen sehr unterschiedlichen Akteu-ren ist für Wissenschaft und Praxis eine Herausforderung, die jeweils fallbezogen bewältigt werden muss. Jedoch lassen sich der Literatur einige generelle Hinweise für eine erfolgversprechende Organisation von transdisziplinären Prozessen entnehmen:

"Co-Design" und "Co-Produktion": Bei aktiver Beteiligung und der Übertragung von Verantwortlich-keiten erkennen die Praxispartner, dass ihre Teilnahme einen sichtbaren Effekt auf den Dialog hat. Dieses geteilte Problemverständnis ("problem ownership") sichert kontinuierliches Engagement und erhöht die Akzeptanz von Ergebnissen und beschlossenen Maßnahmen.

Klärung von Erwartungshaltungen: Aufgrund unterschiedlicher Wahrnehmungen und Einschätzun-gen (beispielsweise Relevanzzuschreibungen) unter den Akteuren sollten sowohl der Forschungs-

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gegenstand als auch die Ziele eines Projektes frühzeitig und eindeutig umgrenzt und abgeklärt werden, um spätere Missverständnisse und Enttäuschungen zu vermeiden.

Vertrauen: Durch Bereitstellung von Wissen darf den Beteiligten kein Nachteil entstehen, z. B. in Bezug auf vertrauliche Daten oder den Umgang mit Medien.

Gleichheit: Kräfteverhältnissen, die zur Ausgrenzung von schwächeren Teilnehmern führen, sollte entgegengewirkt werden, z. B. durch eine professionelle Moderation des Dialoges.

Gemeinsame Sprachbasis: Man sollte den verwendeten Sprachschatz möglichst allgemeinver-ständlich halten und ein gemeinsames Verständnis zentraler Begriffe herstellen.

Auch wenn sich die Begrifflichkeiten in verschiedenen Fachgebieten unterscheiden, stellt es sich als sinnvoll heraus, Ansätze transdisziplinärer Forschung untereinander zu vergleichen. Ähnliche Ziele und Methoden erlauben es, Beispiele guter Praxis zu identifizieren, von denen die jeweils anderen Gebiete lernen können und aus denen sich längerfristig Qualitätskriterien entwickeln lassen.

Ausblick

Im Auftrag des Climate Service Center 2.0 wird derzeit ein felder- und disziplinenübergreifender Literaturreview erstellt, der Forschungsarbeiten zu Dialogen zwischen Wissenschaft und Praxis zusammenträgt und unterschiedliche transdisziplinäre Forschungsansätze identifiziert. Der Review wird zum einen eine Ressource für Wissenschaftler darstellen, die sich mit der Organisation von transdisziplinären Dialogen befassen oder solche erforschen. Zum anderen wird eine Reflexion darüber angestrebt, wie insbesondere die Klimafolgenforschung von Erkenntnissen über die trans-disziplinäre Forschungspraxis anderer Felder profitieren kann. Der Review wird 2015 als Report 23 des Climate Service Center 2.0 erscheinen.

Auf einem Workshop am 25. und 26. November 2014 in Hamburg wird der Review vorgestellt und diskutiert. Darüber hinaus werden dort in Arbeitsgruppen Erfahrungen mit transdisziplinären Dialo-gen zusammengetragen und fächerübergreifend ausgewertet, um die Hinweise auf Erfolgskompo-nenten zu erweitern und zu vertiefen3.

Literatur

EDELENBOS, J. (1999): Design and management of Participatory Public Policy Making. Public Man-agement Review 1: 569-576.

3 Online-Veranstaltungskalender des Climate Service Centers: http://www.climate-service-center.de/009868/index_0009868.html.de

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Häberli, R., Bill, A., Grossenbacher-Mansuy, W. et al. (2001): Synthesis. In: Klein, J.T., Grossenba-cher-Mansuy, W., Häberli, R., Bill, A., Scholz, R.W., Welti, M. (Hg.): Transdisciplinarity. Joint problem solving among science, technology, and society: an effective way for managing com-plexity. Basel, Boston: 6-22.

ISRAEL, B.A., ENG, E., SCHULZ, A.J., PARKER E.A. (Hg.) (2005): Methods in community-based partici-patory research for health. San Francisco, California.

JAHN, T. (2005): Soziale Ökologie, kognitive Integration und Transdisziplinarität. Technikfolgenab-schätzung - Theorie und Praxis 14: 32-38

REASON, P., BRADBURY, H. (Hg.) (2008): The SAGE handbook of action research. Participative inquiry and practice. Los Angeles, Calif, London.

ROTMANS, J., KEMP, R., VAN ASSELT, M. (2001): More evolution than revolution: transition manage-ment in public policy. foresight 3: 15-31.

SCHOLZ, R.W. (2011): Environmental literacy in science and society. From knowledge to decisions. Cambridge, New York.

Kontakt

Susanne Schuck-Zöller, Climate Service Center 2.0, Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Fischertwiete 1, 20095 Hamburg, Tel: (0)40/226 338 - 404, E-Mail: [email protected], Internetseite: http://www.climate-service-center.de

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7 Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Nr. Name Adresse Kontakt

1. Altvater, Susanne Ecologic Institut Pfalzburger Str. 43-44 10717 Berlin

Tel.: 030-86880116 E-Mail: [email protected]

2. Baier, Herrmann Ahrendsee 10 18519 Sundhagen

Tel.: 038328-70932 E-Mail: [email protected]

3. Bockmühl, Kathrin Bundesamt für Naturschutz Fachgebiet Biologische Vielfalt Insel Vilm 18581 Putbus

Tel.: 038301-86136 E-Mail: [email protected]

4. Brinkmann, Carina Leipziger Str. 56 10117 Berlin (im Auftrag des Climate Service Center 2.0)

Tel.: 0176-41592263 E-Mail: [email protected]

5. Feit, Ute Bundesamt für Naturschutz Fachgebiet Biologische Vielfalt Insel Vilm 18581 Putbus

Tel.: 038301-86131 E-Mail: [email protected]

6. Hellmuth, Jann BUND Kassel Wilhelmsstr. 2 34117 Kassel

Tel.: 0177-7178026 E-Mail: [email protected]

7. Henze, Michael BGL Bundesverband Garten, Landschaft und Sportplatzbau Alexander-von-Humboldt-Str. 4 53602 Bad Honnef

Tel.: 02224-77070 E-Mail: [email protected]

8. Himsel, Harald GIZ Dag-Hammarskjoeld Weg 1 65760 Eschborn

Tel.: 00502-31086776 E-Mail: [email protected]

9. Holz, Rainer Arndtstr. 33 17489 Greifswald

Tel.: 0170-5351021 E-Mail: [email protected]

10. Kahrmann, Marina Dorfstr. 3 18276 Reimershagen

Tel.: 038457-501109 E-Mail: [email protected]

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Nr. Name Adresse Kontakt

11. Klöser, Heinz BUND Kapellenweg 3 23883 Grambek

Tel.: 04542-3345 E-Mail: [email protected]

12. Korn, Horst Bundesamt für Naturschutz Fachgebiet Biologische Vielfalt Insel Vilm 18582 Putbus

Tel.: 038301-86130 E-Mail: [email protected]

13. Küchenhoff, Betina Stadt Köln Umweltamt Willy-Brandt-Platz 2 50697 Köln

Tel.: 0221-22122770 E-Mail: [email protected]

14. Kulbe, Jens Zweckverband Peenetal-Landschaft Peenestr. 18 17391 Stolpe

Tel.: 039721-568978 E-Mail: [email protected]

15. Kunz, Jörg Universität Freiburg Professur für Waldbau Tennenbacher Straße 4 79106 Freiburg

Tel.: 0761-2038603 E-Mail: [email protected]

16. Kunze, Kerstin Hanseatische Naturentwicklung GmbH Konsul-Smidt-Str. 8p 28217 Bremen

Tel.: 0421-2770046 E-Mail: [email protected]

17. Lehmann, Susanne Nationale IPBES Koordinierungsstelle im PT-DLR Heinrich-Konen-Str. 1 53227 Bonn

Tel.: 0228-38211986 E-Mail: [email protected]

18. Louy, Dirk CDU-Landtagsfraktion Düsseldorf Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf

Tel.: 0211-8842218 E-Mail: [email protected]

19. Markgraf, Peter Ausbau 4 17309 Jatznick

Tel.: 0171-7823135 E-Mail: [email protected]

20. Moorfeld, Maria NABU Bundesverband Charitéstr. 3 10117 Berlin

Tel.: 030-2849841632 E-Mail: [email protected]

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Nr. Name Adresse Kontakt

21. Pauly, Petra BotanischeVereinigung für Naturschutz in Hessen Hermann-Mattern-Str. 33 34134 Kassel

E-Mail: [email protected]

22. Peters, Kristian Universität Rostock Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Phytomedizin Satower Str. 48 18051 Rostock

Tel.: 0151-22755744 E-Mail: [email protected]

23. Petersen, Ute Thünen Institut für Biodiversität Bundesallee 50 38116 Braunschweig

Tel.: 05304-9440758 E-Mail: [email protected]

24. Pfeiffenberger, Matthes Hochschule Neubrandenburg SG Agrarwirtschaft Brodaer Str. 2 17033 Neubrandenburg

Tel.: 0395/56932302 E-Mail: [email protected]

25. Rodriguez, Deborah Lay Dag-Hammarskjoeld Weg 1 65760 Eschborn

26. Schiefelbein, Ulf Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie M-V Goldberger Str. 12 18273 Güstrow

Tel.: 03843-777248 E-Mail: [email protected]

27. Schlein, Oliver Oranienburger Str. 26 10117 Berlin

Tel.: 030-28406992 E-Mail: [email protected]

28. Schliep, Rainer Haderslebener Str. 27 12163 Berlin

Tel.: 030-89733164 E-Mail: [email protected]

29. Schuck-Zöller, Susanne Climate Service Center/HZG Fischertwiete 2 20095 Hamburg

Tel.: 040-226338404 E-Mail: [email protected]

30. Schulz, Carl-Heinz Langetwiete 1 21493 Groß Schretstaken

Tel.: 04541-888420 E-Mail: [email protected]

31. Schulz, Renate Langetwiete 1 21493 Groß Schretstaken

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Nr. Name Adresse Kontakt

32. Stadler, Jutta Bundesamt für Naturschutz Fachgebiet Biologische Vielfalt Insel Vilm 18581 Putbus

Tel.: 038301-86134 E-Mail: [email protected]

33. van Rüth, Petra Umweltbundesamt Wörlitzer Platz 1 6844 Dessau

Tel.: 0340-21032127 E-Mail: [email protected]

34. Vonderschmidt, Heike Biofrisch Nordost Dorfstr.6a 18276 Reimershagen OT Groß Tessin

E-Mail: [email protected]

35. Wulfhorst, Jochen Zentrum für Biologische Vielfalt im Kasseler Becken und Umgebung Hermann-Mattern-Str. 33 34134 Kassel

E-Mail: [email protected]

36. Zimmer, René re:member - Wandel mitgestalten Schloßstraße 13 14467 Potsdam

Tel.: 0162-2084754 E-Mail: [email protected]

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8 Programm des Workshops

Sontag, 17. August 2014

18:30 Abendessen

20:30 Begrüßung und gemütliches Beisammensein KATHRIN BOCKMÜHL, BfN

Montag, 18. August 2014

08:00 Frühstück

I Biodiversität und Klimawandel: Ausgewählte Aktivitäten auf Bundesebene

09:00 Einführung und kurze Vorstellungsrunde HORST KORN, BfN

09:30 Aktivitäten des Bundesamtes für Naturschutz zum Thema „Biodiversität und Klima“ KATHRIN BOCKMÜHL, BfN

10:00 Ökosystembasierte Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz – Aktivitäten des Bundesamtes für Naturschutz JUTTA STADLER, BfN

10:30 Kaffeepause

11:00 Netzwerk Vulnerabilität und Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 HORST KORN, BfN

11:30 Arbeiten von UBA KomPass zum Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) PETRA VAN RÜTH, Umweltbundesamt (UBA)

12:00 Die neu gegründete Nationale IPBES-Koordinierungsstelle stellt sich vor SUSANNE LEHMANN, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

12:30 Mittagessen

14:00 Führung über die Insel Vilm

15:30 Kaffee/Tee und Kuchen

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II Herausforderungen für den Naturschutz

16:00 Herausforderungen des Klimawandels für die Naturschutzpraxis – Ein dialogischer Auftakt RENÉ ZIMMER, re:member – Wandel mitgestalten

16:30 Über den Wert von Langzeit- und Dauerbeobachtungen in der Biodiversitäts- und Klimafor-schung JOCHEN WULFHORST, Zentrum für Biologische Vielfalt im Kasseler Becken und Umgebung

17:00 Arten in Bewegung – Wie dynamisch sind unsere Konzepte? HEINZ KLÖSER, BUND

17:30 Populationsgenetik und Klimawandel: Auswirkungen des Klimawandels auf die Phylogeo-grafie von Arten am Beispiel von Mohrenfaltern DIRK LOUY, CDU-Landtagsfraktion Düsseldorf

18:00 Diskussion

18:30 Abendessen

III Abendprogramm

20:00 „Von der Rache der Natur zur Strafe Gottes“ – Zur Kulturgeschichte der Wahrnehmung von Naturkatastrophen REINHARD PIECHOCKI, BfN

Dienstag, 19. August 2014

08:00 Frühstück

IV Erneuerbare Energien und Energiewende

09:00 Geo-engineering im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) HORST KORN, BfN

09:30 Naturschutz und Energiewende: Bericht aus der Arbeit des NABU-Bundesverbandes MARIA MOORFELD, NABU Bundesverband

10:00 Perspektiven für das Landmanagement - Energiepreisentwicklung und Landnutzung CARL-HEINZ SCHULZ

10:30 Kaffee/Tee

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V Landnutzung als wesentlicher Faktor für Klima und Biodiversität

11:00 Grüne Worte, rote Zahlen: Bilanzen aus der Landwirtschaft (Energie, Kohlenstoff, Artenviel-falt) PETER MARKGRAF, Geograph und Landwirt

11:30 Agrobiodiversität – Bonusversicherung gegen Extremereignisse? Stand der Forschung mit Blick auf Deutschland UTE PETERSEN, Thünen Institut für Biodiversität

12:00 Seltene Ackerwildkräuter im Klimawandel – Ergebnisse von Semifeldversuchen und Artver-breitungsmodellierung von Lithospermum arvense und Scandix pecten-veneris KRISTIAN PETERS, Universität Rostock

12:30 Mittagessen

14:00 Agrobiodiversität und Klimawandel – Beobachtungen aus Guatemala HARALD HIMSEL, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)

14:30 Abkühlung in Zeiten der Erwärmung RAINER HOLZ, ehem. obere Naturschutzverwaltung M-V

VI Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz in verschiedenen Ökosystemen

15:00 SILVITI - Silvicultura statt Viticultura - Das Potenzial seltener und trockentoleranter Laub-baumarten zur Aufforstung von aufgelassenen Weinbergen JÖRG KUNZ, Universität Freiburg

15:30 Großflächige Wiederherstellung von degradierten Niedermoorflächen mittels Oberbodenab-trag unter ökonomischen Gesichtspunkten MATTHES PFEIFFENBERGER, Hochschule Neubrandenburg

16:00 Kaffee/Tee und Kuchen

16:30 Anpassungsstrategien an den Klimawandel am Beispiel einiger EU-Staaten SUSANNE ALTVATER, Ecologic Institute

VII Stakeholdereinbindung

17:00 Die Einbindung von Stakeholdern in transdisziplinärer Forschung als sozialer Prozess CARINA BRINKMANN & SUSANNE SCHUCK-ZÖLLER, Climate Service Center

17:30 Abschlussdiskussion

18:30 Abendessen

20:00 Bei Bedarf Weiterführung der Abschlussdiskussion, ansonsten gemütliches Beisammensein

Mittwoch, 20. August 2014

07.25 Abreise