Doping in Westdeutschland - Zwischenbericht Gruppe Spitzer von Herbst 2011

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Doping in West-Germany. Historic analysis. Group of scientists lead by Prof. Giselher Spitzer and Erik Eggers in Berlin, Germany.

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    Aia IBundesinstitut1 f ' , tY filr Spor,tw tssenschaftINSTITUT FOR' SPORTWISSENSCHAFTProf. Dr. H. Strang .Prof. Dr. G. Spitzer

    "Doping in Deutschland von 1950 bis heuteaus historisch-soziologischer Sicht im Kontextethischer Legitimation"

    "Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation"Forschungsprojekt 2009-2012 initiiert durch den DOSS,beauftragt und gefordert durch das SISp

    Prasentation von Zwischenergebnissen des Teilprojektes ander Humboldt-Universitat zu Berlin, Berlin, September 2011

    Doping in Deutschland im Kontext ethischer Legitimation:Ergebnisse zur Phase von 1972 bis .1989

    - Kurzfassung der Obersicht Oberdie Arbeiten des zweiten Projektjahres -

    Leiter des Projektes: Prof. Dr. H. Strang und Prof. Dr. G. SpitzerAdresse: Institut fOr Sportwissenschaft, Humboldt-Universitat zu Berlin, PhilosophischeFakultat IV, Phllippstrafse 13, Haus 11, D-10115 BerlinMitarbeiter: G. Spitzer (Projektleitung), E. Eggers, H. J. Schnell, Y. Wisniewska

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    Zwischenergebnisse: Teilprojekt der Humboldt zu Berlin, Berlin, 26. 9. 2011

    1~Historische, ethische und rechtliche Betrachtungen zum Dopings in Deutschland. von 1972 bis 1977Die Ereignisse in den Jahren 1976 und 1977 gelten fur die Geschichte des westdeutschenDopings als radikale Zasur. Ais slch die "Gemeinsame Kommission von DSB und NOK"(auch "Dreier"- oder "Grupe"-Kommission) im Herbst 1976 konstituierte, debattiertenerstmals Akteure aus nahezu allen Bereichen und Instanzen des Sports auf institutionellerEbene das Problem des Dopings im Spitzensport. 1m zweiten Teil, der sich mit denEntwicklungen nach der .Dreierkomrnlsslon" auseinandersetzt, steht das Thema der BISp-Studie "Regeneration und Testosteron" im Vorderqrund.1.1 Die offentllche Anabolika-Debatte bis 1976Die urnfassende Analyse der zeitgenossischen Forschungen belegt: Die gesundheitlichenGefahren der Anwendung anaboler Steroide waren seit den 1960er-Jahren bekannt.Anabolika-bezogene sportmedizinische Forschung begann spatestens 1966. Dervielbeachtete Aufsatz des Mainzer Trainers, Wissenschaftlers und Sportmediziners ManfredSteinbach (1968) hatte bereits eine Abkehr von Anabolika begrunden konnen, Steinbachstellte ausfuhrlich gesundheitliche Risiken und auf Gefahrdungspotenziale .vor. Trotzdemvertrat der bereits hier und bis zu seinem Tod in Dopingzusammenhangen einflussreichsteSportmediziner aus Freiburg, Joseph Keul, eine die Anabolika propagierende Position: TrotzSteinbachs Bedenken "klammerte Keul die Gefahren nahezu vollstandig eus', wie ErikEggers in seiner Bestandsaufnahmefeststellt. In einem Aufsatz fur die Medizinische Klinik(1976) befanden die Autoren Keul, Deus und Kindermann: Allein fur Frauen und Kinder seider Einsatz von Anabolika wegen "fehlenden Wissens" abzulehnen.' Dies ereignete sich zueiner Zeit, als sich in der internationalen Sportpolitik bereits Widerstande gegen die neueDopingpraxis regten und zu Verboten und Verbotsinitiativen fOhrten. Die FreiburgerSportmedizin nahm mit der Verharmlosung des Anabolika-Dopings, die sie in medizinischenund sportwissenschaftlichen Organen autserten, so etwas wie .eine Alleinstellung ein.Betrachtet man diese Vorqanqe unter okonornischer Perspektive, war hier zugleicheinGeschaftsmodell entstanden, das Wachstum erforderte und das Produkt gegenuberKonkurrenten absichern musste. Zum Erfolgsmodell gehorte auch die Verbindung mitaufwendiger medizinischer Dienstleistung, uber die Zeitzeugen durchaus zustimmendberichten. Aber auch an der Deutschen Sporthochschule Koln wurde mit anabolen Steroidenexperimentiert, wie zahlreiche Diplomarbeiten belegen, die im Institut fur Kreislaufforschungverfasst wurden. Institutsleiter Wildor Hollmann sprach sich indes offentlich aus ethischenund arztlichen Grunden gegen den Gebrauchaus. Hollmanns Mitarbeiter Alois Maderwiederum zahlte den groBten BefOrwortern der anabolen Steroide; in seinem Aufsatz in derZeitschrift Leistungssport (1977) hatte er auch gegen den Einsatz der Anabolika bei Frauenkeine Einwande. Mit der Diskussion des (im Oktober 2010 vorgestellten) Referates uber denNutzen von Anabolika, die sich wie eine Anwendungsrichtlinielesen, ln Anwesenheit desDLV-Prasidenten kann die Etablierungsphase des neuen "Wundermittels" in den.bundesdeutschen Sportverbanden festgemacht werden.Mangels Ouellen konnten wir nicht thematisieren, warum neben der Begrenzung auf denLeistungsdiskurs dieser Jahre das so wichtige Feld der ethischen Auseinandersetzung mit(Anabolika-) Doping unentwickelt blieb. Allenfalls die (weiter unten in den Abschnitten vonFrau Wisniewska und Herrn Schnell behandelten) problematischen Arzt-Diskurse scheinenauf:

    Typisch ist der durchgehende Versuch, Anabolika der Therapie zuzuordnen undgleichsam eine .lndikatlon Leistungssport" zu entwickeln,

    Kennzeichnend ist ferner der Versuch, als betreuender Arzt bei einem dopendenAthleten (Frauen und Jugendliche werden in den Ouellen stets ausgeklammertl) die

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    Spitzer, G.: Gesamtbericht "Doping in Deutschland im Kontext ethischer Legitimation 1972-1989"

    Dosierung niedrig zu handeln, die bei Abwesenheit des Arztes und Selbstmedikationzu hoch wOrde (also doch gefahrlich? Die damalige Argumentationen waren sehrdurchsichtig).

    Zentral sind schllefslich die unterschiedlichen Vorschlaqe fOr ein Modell der"Substitution" im Ausdauersport, mit dem beispielsweise Testosteron-Suppressionen.behandelt" werden sollten.

    Von diesen drei Argumenten hatte das der "Substitution" die groBte Beharrungskraft undfOhrte bis in die problematischen 1980er Jahre. Gleichzeitig eskalierte hier der Konfliktzwischen Koln und Freiburg, personifiziert durch die Auseinandersetzung zwischen Liesenund Keul. Hier spielt die Testosteron-Studie also eine doppelte Rolle: 1m Rahmen dersystemischen Neuorientierung in Richtunq Blutbildung und OberbrOckungsdoping kam eszum Kampf urn die Aktiven und die Sportverbande hinsichtlich der sportmedizinischenBetreuung und des dahinter stehenden Therapie-Verstandnisses.Hollmann betrachtete das Jahr 1976 in elnem Zeitzeugengesprach als Zasur fur dieEinschatzunq der Frage, ob Anabolika schadlich seien oder nicht:"Zuverlassige 8efunde emsthafter Neiur abet die Wirkung von Anabolika lagen aber in derersten Halfte der 1970er Jahre nicht vor. Der Deutsche Sportbund hatte Anabolika nichteinmal auf seiner Dopingliste stehen. In dem Moment, a/s wir erstma/s gesichertegesundheitliche Schadensberichte erhielten, waren wir strikt gegen die Anwendungderartiger Substanzen. ,,2Diese Einschatzunq ist allerdings historisch nicht zu halten. . Denn Hollmann hatte schon1974 die alarmierenden Ergebnisse der Dissertation Reinhards, fOr ' die er als ersterGutachter fungierte, zur Kenntnis nehmen mussen.Wie kann die Vergaberealitat in der Sportmedizinischen Forschung nachGrOndung desBundesinstituts fur Sportwissenschaft 1970 beschrieben werden? 1m BISp sprachen dieFOhrungspersonen der Sportwissenschaft und der Sportverbande als "Ehrenamtler" mit denSportmedizinern, die eine Form der Mittelvergabe entwickelt hatten, die kritikwOrdig ist undsich fur anderen Teile der zeitgenossischen SportforschLi"ng so wohl nicht wiederholt hat.Das BISp hatte fur die bundesdeutsche Anabolika-Forschurig im Zusarnrnenwirken deshaupt- und des ehrenamtlichen Apparates eine zentrale Rolle. Dabei nahmen der PadagogeOmmo Grupe als Direktoriumsvorsitzender und Keul bei den sportmedizinischen Fragenzentrale Positionen ein - auch ohne weitere Quellenrechercheist es evident, dass darnitKeul als Hauptantragsteller und "Gate-keeper" in den Bewilligungsverfahren fOhrendmitwirkte. Fakten stutzen solche Vor-Annahmen: Die .staatlich subventlonierten Anabolika-Forschungen" wurden nach 1970 bei Keul .konzentriert" - Freiburg fOhrte bei denZuwendungen anteilmaBig bis 1977.Der Historiker Erik Eggers weist auch auf die Schutzfunktion im Konfllktfall hin. Belegt wirddas, als der DLV-Verbandsarzt Keul 1975 durch einen Arzt aus Worms angegriffen wurdeund von sein Prasidenten und BISp-Direktor Dr. Auqust Kirschgleichsam als .Ausputzer"(Eggers) tatig wurde. Zu NOK-Prasident Willi Daume bestand lange einVertrauensverhaltnis, ihm lieB Keul sogar Interna zur Anabolika-Praxis zukommen. DasFehlen eines Gegensteuerns Daumes werten wir als billigende Mitwissenschaft, zumalDaume viele Unterlagen zum Doping erhielt und den Problembereich schon frOhkennengelernt haben musste. DSB und sein BA-L waren weitere Aktions-Orte Keuls, indenen laut Recherchen von Eggers .offenslchtlich Konsens Ober den Einsatz anabolerSteroide im Spitzensport" bestand.Wenn es um Antraqe aus der Sportmedizin geht, die mit Leistungssteigerung durchMedikamente oder. Substanzen in Verbindung standen, so schlietsen wir aus den

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    Zwischenergebnisse: Teilprojekt der Humboldt zu Berlin, Berlin, 26. 9. 2011

    vorliegenden Daten und den detaillierten Rekonstruktionen um Forschung, Antragstellungund konfliktlose Bescheidung fur die Jahre bis 1977:

    .Des Ziel des B/Sp bestand ganz offensichtlich tierin, die Anwendung der Anabolikaim Leistungssport wissenschaftlich begrOnden zu lassen." (Eggers)

    Ein Beleg ist die Genehmigung eines Antrags N6ckers, in dem 1973 ausdrucklich als Ziel die.Nutzenwendunc; far die Praxis" formuliert worden war.'Vorsitzender des Direktoriums war von Anfang -an Ommo Grupe, der in der ROckschaukritische Worte Ober die das BISp fOrfast 35 Jahre praqende Ausgestaltung einer staatlichenForschungsf6rderung fur die bundesdeutsche Sportmedizin fand:

    "Mir schien also manches von dem, was die Sportmediziner machten - man kann es ja nichteindeutig der Sportmedizin insgesamt zuordnen, aber es hatte mit Reindell und Hollmannnatorlich einen guten Namen - mir kam es eher vor, als wenn die unter sich ausmachten, wiedas Geld; das ihnen zur VerfOgungstand, halbwegs enqemessen auf aile Standorte verteiltwird." .Andere Zeitzeugen sind noch deutlicher:"Oas war ja auch abenteuerlich (. ..). So'n Antrag beim B/Sp zu stellen, das war dann immermeine Aufgabe. Oann habe ich mich dann zwei rage hingesetzt und unheimlich viele Ideenaufs Papier gebracht. Oazu einen kleinen Absatz qeschtieben. Und waren eben zehn bis 15Projekte, meine Kollegen noch mal befragt: Was habt Ihr noch, was Ihr da reinbringen konnt?Weil es warja vor dem abgesprochen (...)'6 .Ein Vertreter des BMI teilte uns mit, fur ihn als staatlichem Vertreter bei den Sitzungen seider Eindruck entstanden, dass Keul, Reindell und Hollmann die Summen bereits vorheruntereinander vereinbart hatten:

    "Ich wei13nicht, ob sich die beiden Matadore vielleicht sogar bilateral schon ein bisschenabgesprochen haben, tu t mich war es erstaunlich, wie einvernehmlich das ging. ,,6Diese Forschungen waren soweit erkennbar mit Anabolika-Verwendung verbunden. Kritik istnachzuweisen. Der Leverkusener Klinik-Arzt Prof. Necker - seine Professoren-Kollegenarbeiteten an Universitaten - erforschte mit den verqleichswelse geringen F6rdergeldernunter Mitwirkung seines Doktoranden Reinhard die Gefahren der Anabolika-Verwendung.Sein dem Auftraggeber Obermittelter Gefahrerinachweis fur Organsysteme und Fertilitat(durch Ejakulatuntersuchung) war klinisch fundiert. Die dem Auftraggeber BISp bereits imAugust 1974 Obermittelten Resultate N6ckers Ober groBe gesundheitliche Gefahren desAnabolika-Einsatzes wurden nicht angemessen kommuniziert, sondern verblieben aufserhalbder Sportmedizin (und der Sportwissenschaft).Das, was wir in der Forschungsgruppe unter .Porno-Studie" von Reinhard und Mitarbeitersubsumiert haben, hatte einen sehr ernsten Hintergrund: Mithilfe eines sog. .Phalloqraphen"so lite der Grad an Erektionsfahiqkeit gemessen werden, der beim Konsum von (inDeutschland damals verbotenen Porno-Filmen) folgte? Die Studie -von Reinhard, die.bernerkenswerteste westdeutsche Anabolika-Arbeit vor 1977" (so Eggers) ste.llte diedramatischen Foigen des Einsatzes von Nandrolondecanoat dar. Es kam zu einem Abfalldes k6rpereigenen Testosteronspiegels in den pathologischen Bereich sowie zur Abnahmedes Hodenvolumens um 12,35 Prozentsowie bei einigen Sportlern zu einer starkenAbnahme der sexuellen Potenz. Diese nachlesbaren klinischen Befunde fOhrten zukategorischer Ablehnung durch Reinhard.Diese (und andere warnende) Studien hatten vom BISp kommuniziert werden mOssen. Diesgeschah nicht. Die Debatte ware m6glicherweise von Anfang an anders verlaufen. Bei derbesonderen Rolle sexueller Aktivitat der 1960er und 1970 Jahre ware eine 6ffentlicheDiskussion der neqativen Auswirkungen fOr Potenz und Fortpflanzungsapparat der Sportierviel beachtet worden. Eggers zieht deshalb den Schluss:

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    Spitzer, G.: Gesamtbericht "Doping in Deutschland im Kontext ethischer Legitimation 1972-1989"

    .Das BISp und die Anabolika-freundlichen Sportmediziner vermieden hier einegr6r..ere Aufmerksamkeit, um ihr wissenschaftliches Ziel, die Anabolika-Gabe anSportier zu begrOnden, nicht zu gefahrden. Mit dieser Entscheidung nahmen dieverantwortlichen Personen die gesundheitliche Schadigung vieler Athleten billigend inKauf."

    An dieser Stelle ist der Ausblick auf das Ende dieser Epoche angezeigt, denn noch 1977votierte das BISp wahrend der vertraulich durchgefOhrten Gesprache der Dreier-Kommissionfur eine weitere Nutzung der anabolen Steroide im westdeutschen Leistungssport. Derhochrangige Beamte Dr. Richard Felten aus der Leitung des BISp und fOr Sportmedizinzustandlq fOhrte die-"Macht der Zwange" an. Inwieweit in dieser Phase die Bearnten in derSportabteilung des BMI oder sogar der Bundesinnenminister Maihofer seiber involviertwaren, konnte noch nicht geklart werden. Hier herrscht zukOnftiger Forschungsbedarf, umauf den m6glichen Vorwurf des "Staatsdopings" eine Antwort geben zu k6nnen (solite derMOnsteraner Verbund-Partner hier nicht bereits fOndig geworden sein).Ernstzunehmende Hinweise auf Signale der Toleranz von Anabolika-Anwendung imdeutschen Hochleistungssport sind Interviewaur..erungen wie die folgenden sowie einVortrag des Leiters der BMI-Sportabteilung. Ommo Grupe berichtet rOckblickend, dass dasBundesinnenministerium stets seine Interessen durchgesetzt habe auch Ober das BISp-Direktorium, das unter seinem Vorsitz stand, hinweg:

    .Einer der damaligen Innenminister hat den Satz gepragt: ,Unsere Athleten sol/en diegleichen Voraussetzungen und Bedingungen haben wie die Ostblockathletf]n.' Das kann faals BegrOndungfOrganz vieles herangezogen werden. ,,8Ein fOhrender Sportmediziner teilte mit, welcher Minister vor allem Medaillen bei denOlympischen Spielen 1972 gefordert habe, ,koste es, was es wolle'. 9 Auch die alsFilmdokument erhaltene Rede des Leiters der Sportabteilung des Bundesinnenministeriums, .Ministerialrat Dr. Gerhard Gror.., anlasslich der Er6ffnung des Neubaus der Sportmedizin in_Freiburg im Oktober 1976 kann so interpretiert werden:

    "Wenn keine Gefahrdung oder Schadigung der Gesundheit herbeigefOhrt wird, halten Sie(Keul) leistungsf6rdernde Mittel tu r vettretber.' Der Bundesminister des Innern 'teiltgrundsatzlich diese Auffassung. (.. . ) , , 1 0Bevor keine weiteren Belege vorliegen, kann davon ausgegangen werderi, dass zumindestvon einer Duldung des Anabolika-Dopings im politischen Raum ausgegangen werden kann.Die Konsequenzen im Fall interner Kritik. am Anabolika-Doping sind evident:Sportmedizinische Kritiker wie N6cker oder Paul E. Nowacki gefahrdeten durch die zuerwartenden LeistungseinbrOche ohne Doping die Finanzierungsgrundlage der an Anabolika-Forschung orientierten deutschen Sportmedizin. Vor diesem Hlnterqrund k6nnte erklartwerden, warum die mit Forschunqsforderunq verbundene Kontrollfunktion diesernachgeordneten Bundesbeh6rde in der Sportmedizinischen Forschunq zumindest defizitarwar, auf jeden Fall nicht den Standards des Umgangs mit Steuergeldern entsprach. DasBISp befOrwortete (intern!) nach der 6ffentlichen Debatte die Verwendung von Anabolika,Dies geht aus einem Protokoll der Dreier-Kommission Grupes hervor, wobei der Kontext dieanabolen Steroide waren:

    "So geht der Vertreter des Bundesinstituts (Felten) devon aus, dass die Schwierigkeitgegenwartig vor aI/em in der Macht der Zwange zu sehen ist; analog zur Arbeitsmedizin seies auch in der Sportmedizin vertretbar, eine medikament6se Behandlung unter demGesichtspunkt der Substitution vorzunehmen. ,< 1 IMan band sich also an die Anabolika, um die es bei der Sitzung ging, und an dieanwendungsorientierten Forscher und ihre Einrichtungen. Dr. Richard Felten geh6rte zurBISp-Leitung und war fOr Sportmedizin zustandiq.

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    Zwischenergebnisse: Teilprojekt der Humboldt zu Berlin, Berlin, 26. 9. 2011

    Das BISp konnte rOckblickend als "willfahriges Instrument fur die Drittmitterschliel1ung"bewertet werden. Wie dargestellt, setzte nicht das BISp seine Vorstellungen durch, vielmehrwurden ihm fOr den Bereich der Sportmedizin die Kbnzepte der bestehenden Netzwerkeoktroyiert", wie Eggers kritisiert. Auch gangige Erklarungen wie die These von JohnHoberman, die westdeutsche Sportmedizin habe lediglich auf die Erfolge der DDR bei denOlympischen Spielen 1976 reagiert und deswegen .kontrolllert" Anabolika eingesetzt, sindnun widerlegt. In den Worten von Eggers war .des etkleste lief des BfSp und einflussreicherEliten in den deutschen Sportverbanden, mit der Verabreichung von anabofen Steroiden imSpitzensport grof3ere Erfofge zu feiern, schon weit vor 1976 formu/iert." Anders gesagt: Diebundesdeutsche Sportmedizin fOhrte schon vor der DDR Anabolikaforschungen durch.1.2 Anabolikaeinsatz als TrainingsmittelBeim BA-L ist schon 1970 grol1es Interesse nachweisbar, mit anabolen Steroid en zuarbeiten. Zeitzeugen berichten Ober Anabolika-Konzeptionen beispielsweise imGewichtheben. So ist der erstaunliche Befund erklarbar, dass diese 1970 in den erstenVerbotsliste des DSB noch fehlten. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hatte dieanabolen Steroide 1971 auf seine Verbotsliste gesetzt, was jedoch folgenlos blieb, weil dieDopinganalytik erklarte, dass sie Ober keine geeigneten Nachweisverfahren verfOgen wOrde.Somit ist die Haltung der DLV-FOhrung relevant fOr die Orientierung der Trainer, die um dieLeistungsvorteile der Anabolika wussten. Seit den 1960er-Jahren war die DLV-Spitze zudemmehrheitlich anabolika-freundlich. Diese Haltung Obernahm als Prasident auch AugustKirsch, der im Hauptamt als Direktor des BISp tatig war.1minternational ebenfallserfolgreichen Rudersport trat der populare Trainer Karl Adam nochvor 1970 6ffentlich gegen ein Verbot der Anabolika im Leistungssport generell ein. Diessowie spatere Aussagen Maders uber den Nutzen der Anabolika auch im Sprint dOrften aufdie Trainerszene Einfluss genommen haben. Auch die Ver6ffentlichungen des BA-L-Organs.Leistunqssport" im Jahr 1973 lassen eine befOrwortende Haltung erkennen, da diegesundheitlichen Gefahren der Anabolika-Anwendung kaum thematisiert wurden, dieLeistungssteigerung hingegen schon.'Die Mehrzahl der Trainer in den olympischen Kernsportarten Leichtathletik und Schwimmentolerierten die Anabolika zumindest, wie die Unterlagen und Gesprache belegen. Nur eineMinderzahl wie der Wurftrainer Hansj6rg Kofink opponierten gegen diesen Regelbruch.Die Anabolika-Verbreitung hatte ein hohes Mal1 erreicht, in einigen Disziplinen wie dem Wurfoder dem Zehnkampf war fast jeder Spitzenathlet betroffen. Es gab Anpassungsdruck, wieim Fall eines Interviewpartners, der fOr aile stehen 5 0 1 1 :

    "Ich habe mir zweimal 'ne Spritze auf Druck vom Bundestrainer mal geben lassen. Deca-Durabolin war das, und ansonsten nie. Ich habe dann gesagt, ich brauch den Scheif3nicht,ich nor da auf, ich mach das nicht. (. . .) Der (Name des Bunoeetretners) sagte dann: ,Dienehmen hier aile, komm! Du hast keine Chance.",12 .

    Hierdurch wird deutlich, dass nicht jeder Aktive mitmachte oder sich - wie in diesem Beispiel- wieder der Manipulation entzog.Gerade die Interviews verdeutlichen, dass das in den BISp-Projekten zugrunde gelegteVerbot der Anabolika-Anwendung bei Frauen und Minderjahriqen vor Ort unterlaufen wurde.Vermutlich wegen des Unrechtsbewusstseins sind hier keine Quellen erhalten gebliebenoder Schriftlichkeit vermieden worden.Obrigens so lite nicht Obersehen werden, dass die ersten Dopingtest fur lange JahreAmphetamin-Derivate und andere Aufputschmittel belegten; noch 1986 wurde ein solcherFall dem BMI gemeldet. Aufputschmittel waren zudem im Fulsbaltsport lange gebrauchlich.13

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    Spitzer, G.: Gesamtbericht "Doping in Deutschland im Kontext ethischer Legitimation 1972-1989"

    1.3 Auswirkungen der sog. "Kolbe"-Spritze: erste Oebatte uber AnabolikaDer Versuch, aile Moglichkeiten der Leistungssteigerung jenseits rechtlicher und ethischerRahmenbedingungen unter Nutzung wissenschaftlicher Methoden auszuschopfen, spiegeltsich in einer Episode, in der Medaillen ohne Anabolika oder klassische, verboteneAufputschmittel errungen werden sollten. Die Forschungsgruppe hat hier einen eigenenThemenschwerpunkt entwickelt. Insofern liegt hier auch ein Wendepunkt innerhalb unseresUntersuchungszeitraums, sechs Jahre nach formeller Aufnahme in das o LV-Regelwerkparallel zur Aufnahme der Anabolika, neun Jahre nach der vertraulichen BerlinerDiskussion des DLV-Leistungsrates im August 1968 Ober das Referat "Wirkungen anabolerSteroide auf Skelettmuskel, Kraft und Leistung", eines SchlOsseldokumentes derDopinggeschichte in Deutschland."Ein Oberraschendes Ende fand die Auseinandersetzung mit der geradezu massenhaftenVergabe einer Praparation mithilfe von Spritzen ohne klinische Erprobung erst 16 Jahrespater: Ein 1992 ergangenes Urteil des Gerichtes der Freiburger Arztekammer bewerteteden Einsatz von Berolase und Thioctacid unter Beteiligung Keuls als Doping, weil dieSpritzen zwecks Leistungssteigerung und nicht zur Therapie verabreicht worden waren."Beginnen wir mit Fakten und der Begrlfflichkeit. Der Inhalt der seq. .Kolbe-Spritze" warbereits problematisch: Es war die Kombination zweier Substanzen, der Zusammenwirkennicht erforscht wurde. Wir setzen den Begriff in Parenthese: Unter diesem Aspekt mOsste siebeispielsweise als .Mader-Sprltze" bezeichnet werden, aber wir konnen zeigen, dass er nichtdie Alleinverantwortung traqt, Der kurz zuvor aus der DDR geflOchtete Sportmediziner Dr.Alois Mader brachte die Idee in die bundesdeutsche Diskussion erst auf Nachfrage "vonzentraler Stelle,,16- wohl der BA-L - nach DDR-Methoden ein. Er schilderte es als eine DDR-Praxis, an der er jedoch nicht betelllqt gewesen sei.FOr das Zutreffen dieser Einlassung Maders spricht, dass er die Anwendungspraxisoffensichtlich tatsachlich nicht kannte. In der DDR wurde Thioctacid in grol1em Ausrnafsvergeben, aber vorzugsweise als Tablette. 1mDDR-Schwimmsport wurde die Spritze schonseit 1972 bei DDR-Spitzenschwimmern verwendet, die' namentlich bekannt sind. Deranwendende DDR-Arzt, Lothar Kipke, wies in einem internen Bericht darauf hin:

    Des Ampu/lenpraparat ist in der Applikation etwas schmerzhaft (...) Weiterhin ist peinlichdarauf zu achten, dass keine perevenose Injektion erfolgt, wei! dadurch grofJ,eSchmerzenhervorgerufen werden.(. ..)" 17 .Laut Kipke wurden die Tabletten in der Versuchsphase Ober einen beim Hersteller tatiqenVerbindungsmann in die DDR gebracht.18 Ais Beispiel konnen die Plane fOrDopingmal1nahmen der DDR-Schwimmnationalmannschaft fur den Landerkampf 1977herangezogen werden - ausgerechnet gegen die Sowjetunion: Kipke teilte dem DDR-Staatssicherheitsdienst das Ausmats . des Thioctacid-Dopings in der DDR mit undverdeutlichte das .Dberbrackunqsdopmq" mit reinem Testosteron und Wachstumshormon.

    Aile 70 "Kader", darunter 28 Frauen und Madchen erhielten Anabolika. Die Mannererhielten zur "OberbrOckung" wahrend der einnahmefreien Zeit Testotropin.

    Es gab maximal (!) fOnf .nachwelspfllchtiqe" (!) .Infuslonen" (exogenes Insulin?). Das (Schwangerschaftshormon) Oxytocin "B17" sowie taglich ,,4x2 Tabl. Dioktazit

    [sic] (Ferment zur Aktivierung des Stoffwechsels)" wurden eingenommen. Die"Mar..nahme diente der "Laktatsenkung".19

    In der Bundesrepublik Deutschland hat Mader das Medikament in die nichtoffentlichebundesdeutsche Diskussion eingefOhrt, an der Vergabe mitgewirkt und die Anwendungdanach vor dem Bundestaqssportausschuss sowie in internen Schreiben zu rechtfertigenversucht. Es besteht ein systemischer Hintergrund fur die Entwlcklunq, Finanzierung und

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    Anwendung dieser Form von Medikamentenmissbrauch besteht. Der Zahl von insgesamt1.200 Spritzen mit Berolase und Thioctacid, Ober die in der Presse berichtet wurde, wird zweiJahre spater in einem internen Brief Herbert Reindells an Kirsch genannt. 20 DasBundesinstitut finanzierte die Versuche Maders 1975 und 1976, was sich auch in denSUbstanzen eines Antrages Hollmanns von 1976 spiegelt, in dem Nifedipin, Fendilin-HCL,Oxyefedrin, Co-Carboxylase sowie eben Thioctacid aufgefOhrt waren. Der vorhergehendeSatz in Hollmanns Antrag lautete nach derselben Quelle aus dem BISp, die 1991 verschriftetwurde: .Aus Grunden derGeheimhaltung konnen andieser Stelle nicht aile untersuchtenchemischen Korper aufgefuhrt werden. , ,21In der Bundesrepublik wurde die Spritze vor Montreal in drei Sportarten getestet:Schwimmen Leichtathletik und Bahnradfahren. We grof3.der Druck vor Ort war, zeigen dieErinnerungen einesArztes, der sich an Handgreiflichkeiten erinnerte, als er sich weigerte,den DLV-Leichtathleten diese Spritzen zu setzen." We wichtig die Spritze genommenwurde, zeigt das Ergebnis der Recherchen von Erik Eggers: Erhofft wurde eineLeistungssteigerung vom einem Prozent (was Ober Medaille oder Platzierung entscheidenkonnte). Schon hier zeigt sich, wie problematisch die Berolase- und Thioctacid-Sprltzegewesen ist, obwohl sie von den Substanzen her auch aus IOC-Perspektive seinerzeit nichtunter die Doping-Regularien fiel, wenn auch aus der .lnteritionalen Perspektive" (Spitzer2010) Dopinghandeln erkannt werden kann, wie es das Standesgericht 1992 tat, nicht etwaein Sportqerlcht."In der offentlicben Debatte gab es bald einen Wandel: von derFrage, ob die Spritze "Doping"sei, hin zu der Frage, was Doping sei, Die erste grof3.egesellschaftliche Diskussion OberAnabolika-Doping setzte ein. Sie fOhrte bis hin zur schon erwahnten Anhorunq vor denBundestags-Sportausschuss.Trotz der oben beschriebenen Aktenlage zu Hollmanns Antraq in der nachgeordnetenBehorde BISp erklarte das BMI Ober den Staatssekretar v. Schoeler, das Bundesinstitut seivor oder wahrend der Olympischen Spiele an "Einzelfallen medikamentoserLeistungsbeeinflussung" nicht konkret beteiligt gewesen.' Somit ist eine wahrheitswidrigeFehlinformation der Staatssexretars-Ebene durch die Sportabteilung im BMI oder das BISPzu befOrchten. Hier herrscht Aufklarunqsbedarf, wenn ein Regierungsmitglied vor demParlament falsche Angaben macht, zumal eine zeitqenossische Akte "Kolbe 1" des BMIverzeichnet, aber im Bundesarchiv wohl nicht mehr existent ist.Intern gab es eine zweite Debatte, in der nach Eggers die Freiburger Szene die Tatsachenutzte, dass man Koln mit der Spritze in Verbindung brachte. 1m Ergebnis hielten sowohlDaume als auch Grupe zu den eigentlich Mitverantwortlichen aus Freiburg. Kritiker wie PaulNowacki hatten Nachteile, wie Eggers zeigt, die verantwortlichen Mediziner hingegen hattensich ebenso wenig wie der BA-L-Direktor Meyer, Kirsch oder Felten vom Bundesinstitut zu .rechtfertigen. Ais Ergebnis der oftentlichen Debatte beschlossen DSB und NOK am 9.September 1976, vor 35 Jahren, als Reaktion auf den Vorfall und die kritischen offentllcheDiskussion eine .wissenschatttiche Kommission" einzurichten, die spatere.Dreierkommisslon".1.4 Scheitern des Versuchs der alternativen Verwendung von Luft bei Schwimmernund Einbindung des 8MI als MittelkontrolleurZeitzeugen haben uns den Vorgang bestatiqt, da er an ihnen vollzogen wurde: unblutigverlaufende Luftinsufflation in den Darm. Die bemerkenswerte Einbindung des BMI in diePlanungen konnte mit dem Originalbestand nachgezeichnet werden. Die Akte ist unter.Dopinqanqeleqenhetten" abgelegt worden.24 (Es erfolgt KOrzung, da aus andererPerspektive lm MOnsteranerTeil beschrieben.) ( .... ) Das BMI, SM I fertigte am 21. Juni 1976schllefslich eine "VerfOgung" an den Deutschen Schwimmverband:

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    Spitzer. G.: Gesamtbericht "Doping in Deutschland im Kontext ethischer Legitimation 1972-1989"

    ,,(...) Ich bin damit einverstanden, dass aus den Ihnen zur Verfagung gestellten Mitteln derJahresplanung bis zu 250.000 OM far den in Ihrem Schreiben am 16. Juni 1976 genanntenZweck verwendet werden. (. . .) Die Mittel far den genannten Zweck werden unter der8edingung zur Verfagung gestellt,- dass durch Herm Prof Dr. Josef Keul bestatigt wird, dass das Mittel bzw. seine Anwendungnicht gesundheitsschadlich ist,- dass durch Herm Dr. Manfred Donike bestimmt wird, dass das Doping- ["Doping" wurdehandschriftlich gestrichen] Mittel bzw. seine Anwendung nicht gegen 8estimmungen derFINA oder des IOC verst6f.5t,- dass das Mittel ggf bel Olympischen Spielen nur mit Einverstandnis des NOK turDeutschland angewendet wird., ,25

    So niedrig lag die Schwelle fur die Steigerung messbarer Leistungen der Nationalmannschaftfur Montreal, dass die Methode gar nicht geprOft wurde und Keul personlich einemBundesministerium in dessen Auftrag fehlende Gefahrdunq garantieren solite. Auch derZweck, das "Doping-Mittel", bei dem Doping" handschriftlich gestrichen worden war, wurdenicht bestimmt. Er wurde im Schreiben des Ministeriums an den rechtlich als Verein zuverstehenden Deutschen Schwimmverband nur umschrieben.Heute ist wichtig, dass hier oline PrOfung des Ministeriums seiber Steuermittel in furSportforderung sehr groBer Hohe verfOgt wurden (im Schreiben vom 21. Juni hatte es nochgeheiBen: ,gfls. entsprechender hoherer Betrag bewilligt'). Ob sich das Vorgehen der BMI-Sportabteilung von den Oblichkeiten der Budqetkontrolle und der Haushaltstransparenzunterscheidet, kann eine einzelne Akte zweifellos nicht belegen.1.5 Widerstande und Scheitern einer konsequenten Anti-Dopingpolitik am Beispiel derLeichtathletik 1971-1977 und Ausblick auf 1986Die Forschungsgruppe konnte zeitgerecht nur beim Deutschen Leichtathletik-VerbandEinsicht nehmen, dem dafOr ausdrOcklich zu danken ist. In der organisierten Leichtathletikentwarfen der Apotheker Klehr und der Staatsanwalt Hummel eine konsequente Anti-Dopingpolitik. Die Anti-Doping-Kommission des DLV erstellte eine erste und weitgehendeDopinqliste, die ersten DurchfOhrungsbestimmungen fur Dopingkontrollen. Nur ein halbesJahr nach dem DSB-Beschluss hatte der DLVim Marz 1971 .eln umfassendes Regelwerkfur die Dopinqbekampfunq" entwickeln konnen, wie Eggers zeigt. Sie gingen weiter als derDSB, so waren die Anabolika gebannt. Interessant ist auch, dass nur die Oualitatnachgewiesen wurde, also nicht die Dosis oder die Frage der tatsachllchenLeistungssteigerung. Der Prasldent Kirsch musste sich im FrOhjahr 1977 gegen Angriffe aufdem Verbandstag wehren, wonach er Anabolika-Dopinq unterstotzen wOrde - ausgerechnetgegen Klehr. Kirsch widersprach und nannte insgesamt fOnf Bestrafungen. Eggers weist

    . jedoch nach, dass weder aile Funktionare den Anti-Dopingkampf trugen noch dass imVerband entschieden durchgegriffen wurde. lrn Gegenteil gab. es .eine Tendenz zurNichtbehandlung, so bei einem Aktiven, der Wochen nach 'einem positiven Doping-Test(Norfenedrin) auf europaischer Ebene siegreich war.' Dazu traten unqeklarte juristischeFragen der Umsetzung. Klehr, der offentllch VorwOrfegegen Kirsch geauBert hatte, undHummel, der sich auf interne Kritik beschrankte, wurden 1977, .als die Doping-Debatte imdeutschen Sport tobte, trotz seiner Verdienste nicht mehr fur die Anti-Doping-Kommissionnominiert" - nach Eggers verblieben .dlejenlgen, die Verstofse gegen das Anti-Doping-Reglement toleriert ( ... ) hatten (Kirsch, Munzert, Baron), im Deutschen Leichtathletik-Verband weiter im Amt". Hingegen .wutden die beiaei: konsequentesten Dopinggegner 1977aus dem Verband e/iminiert."Es sind nur wenige BMI-Aktenzum Thema gefunden worden, leider jedoch noch nicht zurFrOhzeit der Dopingbekampfung. Ein seltener Fall leitet schon in die nachste Periode Ober.Er belegt, dass die .ersten Dopingtests lange Amphetamin-Derivate und andere

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    Zwischenergebnisse: Teilprojekt der Humboldt zu Berlin, Berlin, 26. 9. 2011

    Aufputschmittel nachwiesen. Noch 1986 wurde ein solcher Fall gemeldet. DerSchwimmverband teilte dem BMI am 1. April 1986 mit: .Betr, Doping-Untersuchungen 1985":Ein DSV-Kader sei positiv getestet worden. Zur "Klarstellung" teilte der Prasldent demMinisterium mit, die Kontrolle sei "wahrend der Trainingsphase des Athleten" erfolgt. LautRichtlinien seien in dieser Zeit Anabolika verboten, nicht aber das getestete Ephedrin, daszudem vom arztlich verordnet worden seL Deswegen habe Beyer als DSV-Prasident "KeineMaBnahmen" ergriffen.26 Aus der Sicht der Analytik kannder Fall der angeblichenTrainingskontrolle noch. nicht geklart werden: Donike meldete dem BMI fur denselbenZeitraum, also das Jahr 1985, zwolf Faile von Stanozolol unter den insgesamt sechzig (I)dopingpositiven Sportlern. Darunter waren fOnf Radsportler positiv getestet worden, darunterdreimal auf das Anabolikum Nandrolon und je 1mal auf Strychnin (I), Fencamfamin undOxymetholon. Die Sportabteilung im BMI hat nicht auf eine vollstandige Klarunq des Fallesgedrangt, sondern nach Aktenlage die Mitteilung Harm Beyers uber seine Entscheidunghingenommen. .1.6 "Kolbe-Spritze" und Anabolika-Missbraueh aus ethiseher Sieht1mText von Holger Jensschnen" wird differenziert dargestellt, welche Hinweise schriftlicheZeugnisse und Zeitzeugen bereitstellen, um aus ethischer Sicht heraus das Geschehen vordem Hintergrund damaliger Kenntnisse einordnen zu konnen. Der Einsatz der "Kolbe-Spritze" bei den Olympischen Spielen in Montreal 1976 war kein formaler Verstofs gegengeltende Antidoping-Bestimmungen, doch: Er erfOlite die definierenden Kriterien einesinhaltlichen Dopingverstandnisses, gemessen an der geltenden Definition des Europaratsvon 1963. Zudem griff das Kombinatlonspraparat tiefer in den Energiestoffwechsel ein alsoffiziell eingestanden. Nach Diagnose von Paul Nowacki handelte es sich hier um.Medlkarnente aus dem Bereich des zentralen Zugriffs auf die Notfallreserven auf denperipheren Muskelstoffwechsel".28 Bemessen an dieser Diagnose rOckte die .Kolbe-Spritze"in eine bedenkliche Nahe zum Amphetamin-Doping, dessengesundheitliche Risiken schonfruh bekannt waren. Von den BefOrwortern der .Kolbs-Spritze" wurde die Beweislast inunzulasslqer Weise umgekehrt: Um Injektionen mit Substanzen zu legitimieren, die nachdem zugrunde liegenden Berlcht Maders leistungssteigernd in die Energiereserveneingriffen, reichte es nicht, dass (noch) keine Schadigungsrisiken nachgewiesen sind. Stattdie Injektionen einfach zu verabreichen, solange ihre Schadlichkelt nicht von anderer Seitebewiesen ist, hatte zuvor der Nachweis ihrer medizinischen Unbedenklichkeit erbrachtwerden mOssen. Das ist laut Aktenlage unterblieben und verstieB so gegen arztliche Ethik.Die schon in den frOhen 1970er Jahren vom BISp gef6rderten Anabolikastudien hingegenwiesen u. a. gesundheitliche Gefahren nach (Absinken der Hormonproduktion,Hodenverkleinerung). Die Studien folgten der BISp-Programmatik, sportwissenschaftlicheZweckforschung zu f6rdern, sind aber zu wichtigen Teilen als nutzungsorientierteDopingforschung anzusehen. Die Geheimhaltung forschungsseitig belegter gesundheitlicherSchadigungsgefahren verstiefs nicht nur gegen den Ver6ffentlichungsauftrag des BISp,sondern war arztlich wie sportethisch unvertretbar.1.7 Grundsatzerklarung und Rahmenriehtlinien aus ethiseher SiehtDer Bundesausschuss Leistungssport vom DSB und das BISp als nachgeordnete Beh6rdedes BMI vertraten schon fruh PositiOnen, die mit der Ablehnung pharmakologischerLeistungsbeeinflussung aus der "Grundsatzerklarung fur den Spitzensport" unvereinbarwaren. Die Grundsatzerklarung, unter der Leitung von Ommo Grupe 1977 von derDreierkommission verfasst, bot anerkennenswerte Argumente, die mit der Freigabe arztlichindizierter "Substitution" jedoch wieder unterlaufen wurden und eine Sprachregelungschufen: fOr den Wiedereirizug von Dopingsubstanzen in den Leistungssport. "ArztlicheIndikation", so Ommo Grupes Formulierung am Tag der Verabschiedung,

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    .kenn sich dabei z.B. auch auf sogenannte Wettkampfhilfen oder die sogenannte Substitutionnach Wettkampfen unter H6chstbe/astung beziehen. , 1 2 9Die Dehnung des Indikationsbegriffs bis hin zu medlkarnentosen Hilfen bei einer Trainings-oder Wettkampfbelastung, die ansonsten kaum rnehr gesund zu Oberstehen war, war nachSchnells Analyse ethisch problematisch. Gegen den ursprOnglichen Sinn eines Ersatzesverbrauchter Reserven durch Vitamine, Elektrolyte und Nahrstoffe wurde zudem schon baldauch mit Anabolika oder Testosteron .substituiert",Ein Ausblick auf die Folgejahre zeigt, dass ammo Grupe sich dafOr einsetzte, dieseFehlentwicklung in der "Entschlie~ung zur ,Grundsatzerklarung fur den Spitzensport'" von1983 zu korrigieren. Mit ihr sollte die "Grundsatzerklarung" von 1977 erneuert werden, undtatsachlich gab Herbert Reindell im Namen des Sportarztebundes auf Initiative von OmmoGrupe eine Erklarung ab, die eine "Substitution" durch Anabolika oder Testosteronunmissverstandlich ausschloss. Reindell stellte klar:

    "So/lten diese von einem gesunden Organismus synthetisierten Substanzen [wie z. B .TestosteronJ fOr bestimmte .sport/iche H6chst/eistungen bei einze/nen Sport/ern nichtausreichen, so ist diese naWrliche Barriere a/s Grenze der individuellen Leistungsfahigkeit zurespektieren. ,,30 .

    Allerdings wurde in der Folgezeit auch dieses Verdikt unterlaufen, wie Schnellherausarbeiten konnte. Moglich wurde dies nicht zuletzt durch inhaltliche Korrekturen an derGrundsatzerklarunq im Vorfeld der Verabschiedung im Dezember 1983. Unter anderemwurde die Leitung des BISp zu gezielter Forschung an leistunqsforderndenKandidatenmedikamenten ermutigt. Wie folgenreich dies war, ist daraus ersichtlich, dassTestosteron noch 1991 in der offiziellen Deutung des BMI als Kandidat fur .ein Substitutions-und Regenerationsmittel" gehandelt wurde: zur Rechtfertigung der ab 1986 vom BISpfinanzierten Studien "Regeneration und Testosteron"."Die Position des Deutschen Sportarztebundes (DSAB), anfanqlich in Konkurrenz zurDreierkommission gewonnen,. war zwar darin ethisch problematisch, dass sie ebenfallsmedikamentose Ma~nahmen zum Durchhalten . extremer Wettkampf- oderTrainingsbelastungen leqitirnierte. In ihrem Vorgehen gegen Anabolikadoping, vor allem abermit der Forderung nach Trainingskontrollen, die in die .Rahmennchtlinlen des DSB zurBekarnpfunq des Dopings" von 1977 eingingen, ging die Position des DsAB jedoch uber dieGrundsatzerklarunq hinaus.Nach Verabschiedung der Rahmenrichtlinien setzte sich Manfred Donike konsequent fur dieEinrichtung einer zentralen Dopingkontrollorganisation und fur Dopingkontrollen auchautserhalb von Wettkampfen ein. Obwohl verbindlich festgelegt, wurden die Dopingkontrollenseitens der Verbande aber nur unzureichend urnqesetzt und Trainingskontrollen bis 1989/90systematisch verschleppt. Neben dem B!Sp wirkten daran, ausweislich anhand des DLV unddes DFB, die Sportverbande mit, die .sich .soOber die Rahmenrichtlinien ihres eigenenDachverbandes hinwegsetzten.1.8 .Kolbe-Sprltze" und Anabolika-Missbrauch aus rechtshistorischer SichtDie rechtshistorische Aufarbeitung der .Kolbe-Spritze" und des Anabolika-Missbrauchs in derZeit bis 1977 von Yasmin Wisniewska hat aufgezeigt, dass trotz des Umstandes, dass indiesem Zeitraum die Definition des Doping-Begriffes streitig war, rechtllche Handhabe gegenDopingpraktiken bestanden. Auf die zentralen Thesen aus rechtshistorischer Sicht sei hierkurz verwlesen." Der.Sachverhalt hatte bereits nach damaligem Rechtsverstandnis Fragenstraf-, zivil- und arztrechtliche Art aufwerfen mOssen, denen letztllch nicht konsequentnachgegangen wurde. Es hatte zudem eine rechtliche Auseinandersetzung darOberstattfinden mOssen, ob die .Kolbe-Sprltze'

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    Zw is ch en e rg ebnis se : T eilp ro je kt d er Humbold t z u Ber lin , B er lin , 2 6. 9 . 2 01 1

    insgesamt1.200 Injektionen in Montreal ausdruckllch auf eine Leistungssteigerung derAthleten im Wettkampf abgezielt worden war, Auch die Tatsache, dass das Spritzen vonpharmakologischen Wirkstoffen, welche zwar nicht ausdrucklich vorn IOC-Katalog derverbotenen Doping-Mittel erfasst waren, jedoch von anerkannten (Rechts-) Medizinern alsDopingmittel in diesem Sinne erwogen wurden und sich damit zumindest in einer Grauzonebefanden, hatte eine juristische PrOfung dieses Sachverhalts nach sich ziehen sollen. Wiedie Recherchen ergaben wurde die Berolase- Thioactacid-Kombination in Montreal angesunde Athleten ohne medizinische lndikation verabreicht, so dass an dieser Stelle hattehinterfragt werden mOssen, ob die Athleten vor Injektion der .Kolbe-Spritze" hinreichendaufqeklart worden sind. Die Verabreichung einer Spritze durch einen Arzt ohne wirksameAufklarunq Ober Wirkung und Nebenwirkungen stellte nach darnallqer hochstrichterlicherRechtsprechung eine Korperverletzung dar. Erschwerend kommt jedoch noch der Umstandhinzu, dass Maders .vorlautlqer Bericht" Ober den Einsatz von Berolase und Thioctacid erstnach Montreal, also nachdem bereits 1.200 Spritzen an die an den Wettkampfenteilnehmenden Athleten verabreicht worden waren, vorlag. Mader befasste sich bei seinenStudien zudem nur mit der Frage der Leistungssteigerung und nichtauch mit unerwOnschtenNebenwirkungen, zu denen bereits in den 1950ern wissenschaftliche Literatur vorlag. Mithinhatte sich die Frage stellen mOssen, inwieweit man die Athleten in Montreal angesichtsdieser Sachlage Oberhaupt hatte wirksam Ober die Pharmaka aufklaren konnen, wenn manmoqllche Nebenwirkungen - die bei Kolbe eingetreten sind - zum Verabreichungszeitpunktgar nicht kannte. Maders .vorlauflqer Bericht" konnte jedenfalls nicht Grundlage fur dieAufklarung der Athleten in Montreal gewesen sein. lnsoweit hatte die .Kolbe-Spritze"rechtliche Konsequenzen straf-, haftungs- und berufsrechtlicher Natur nach sich ziehensollen, welche jedoch ausblieben.Die zeitqenosslsche Diskussion um die .Kolbe-Spritze" wendete sich alsbalddem Anabolika-Doping zu. 1mRahmen der Projektarbeit konnte nachgewiesen werden,dass das Anabolika-Doping auch nach damaliger Rechtslage einschrankbar war. Zum einen weist Wisniewskahach, dass ein sog. "arztlich kontrollierter" Anabolika-Einsatz im Leistungssport, wie ihneinige Vertreter des Sportsgeschehens seinerzeit befOrworteten, sehr wohl berufsrechtlichseitens der Arztekammern angreifbar und damit auch aus dieser Warte als rechtswidrigeinzustufen war. Wisniewska legt dar, dass Anabolika-Doping nach damaligemRechtsverstandnls als sittenwidrig im Sinne des Zivil- und Strafrechts einzustufen war..2. Betrachtungen zum Doping in Deutschland zwischen 1977 und 1989/90Noch am Ende der Untersuchungsperiode gab es den Todesfall von Birgit Dressel - hierwarten wir auf die Gerichtsakten und werden dann berichten (das Presseecho wird in ,MOnster ausgewertet). In anderen Feldern wie der Anwendung des medizinischen Tropfs -bei Universiaden wie 1987 in Zagreb werden wir ebenfalls noch berichten.2.1 Testosteron und Testosteronforschung im Sportvor 1985Die in der vorhergehenden Phase vor 1977 deutlich gewordene Zunahme der Verwendungvon Anabolika zu Dopingtwecken im Sport hatte zu ersten Dopingkontrollen im WettkampfgefOhrt. Diese Regelung, die bei Dopingstrategen als langfristige -Bedrohung verstandenwurde, bewirkte die Suche nach Formen, die Anabolika frOh genug .abzusetzen" unddadurch einem Test zu entgegen. Hier wurde die Testosteron-Spritze als Ersatz furAnabolika im Sinne eines .Oberbruckunqsdoplnqs:" verwendet, da die Doplnqanalytikdamals vorgab, korperfrerndes Testosteron in dieser Phase nicht nachweisen zu konnen,Erst die spatere Bestimmung des Verhaltnisses von Testosteron zu Epitestostsron brachtemehr Klarheit fur Testverfahren. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hatte bereits 1977Testosteron (und Te-Enanthat) auf die Verbotsliste gesetzt, was aber wegen fehlenderNachweismoglichkeit keine wirkliche Bedrohung fur Doper darstellte. Die Nachuntersuchung

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    von Dopingproben der Olympischen Winter-Spiele 1980 in Lake Placid und vor allem derSommer-Spiele in Moskau durch Donike erbrachte den Beweis fur eine 1977 nach Analysenzum Leichtathletik-Weltcup 1977 in Dusseldorf gegenuber dem BISp-Direktor Kirschuberrnittelte Meinung Donikes:

    "Aus meinen Untersuchungen kann ich fiJlgenden Schluss ziehen: Ein hoher Prozentsatz dervon uns untersuchten Urinproben enthalt Testosteron-Metaboliten in einer solchenKonzentration,dass die Substitution von enebolen Steroiden durch Testosteronwahrscheinlich ist. , ,34Mit "Substitution" meinte Donike die systematisch ablaufende Ersetzung der stark anabol(also rnuskelquerschnittsfordernd) wirkenden .Anabolika" als AbbauprodLikte ("Metaboliten")des im menschlichen Korper selbst gebildeten Testosterons durch das relativ schwachanabol wirkende rnannllche Sexualhormon selbst: Das .Testosteron" wird bei Mannernvorzugsweise. und in grol?,eren Menge in den "Testes", also den Hoden gebildet, bei denFrauen in kleinerer Menge in Eierstocken und Nebennieren. Was fur den Beobachter.doplnqaffiner Handlungen" (Spitzer)35 paradox klingen mag, ist zugleich eine schwereHypothek fur aile mit Testosteron gedopten Sportlerinnen, ganz gleich aus welchemGesellschaftssystem sie stammen: Die DDR-Sportmedizin stellte hierzu fest, dass bereitswenige Testosteron-Spritzen fur Frauen oder Madchen irreversible Vermannlichung nachsich ziehen wurden." Der Logik der "Geschlechtshormone" entspricht das schlletslich auchund uberrascht nicht. 37 .Es gelang daraufhin Donike und anderen, 1982 das IOC zum Bann des Testosterons zubewegen. Opposition dagegen kam aus Deutschland (!), und Keul engagierte sich hier, mitwechselnden und teils absurden Argumenten: Er sahe bei Testosteron die Gefahr .einerVerselbstandigung der Dopinganalytik und der damit verbundenen Gefahren".38Keul wusste um den ieistungssteigernden Effekt, der schllefslich Grund fUr das Verbot war,und er wollte sich im organisierten Sport Unterstutzung verschaffen. So gab es auf einerSitzung der vertraulich tagenden "Kleinen AG Dopingfragen" im Bundesinstitut regelrechtStreit zwischen Keul als Freigabevertreter und Donike v a l s Gegner.39 Diese internen~ontroversen zwischen Sportmedizin und Dopinganalytik fanden eine ganz andereFortsetzung: Teilnehmer der spateren Studien beforschten mit BISp-Forderung Testosteronbei Marathonlaufern (Kindermann et al. seit 1981).40Die Konflikte verscharften sich Mitte der1980er Jahre, jetzt zwischen Keul und Liesen, der in der Betreuung vonMannschaftssportarten elnen- Aufstieg erlebt hatte, wie er vorher in der BundesrepublikDeutschland nur in Freiburg zu beobachten war.Liesen hatte gleichsam am Vorabend der multizentrischen Studie eine "Substitutionstheorie"entwickelt, wonach autserst kleine Dosen von Testosteron oder dessen Estern ausreichenwurde, um Krankheitszustande zu vermeiden. Einer der vielen Widerspruche besteht darin,dass Liesen angibt, Donike habe ihm - obgleich eigentlich Kritiker der SubstitutionstheorieLiesens - den Tipp uberhaupt erst gegeben. .Wah rend .bei den Kombattanten der obersten Ebene, mit Ausnahme desSportwissenschaftlers und Padagogen Ommo Grupe, der spezifisch ethische Diskursuberbaupt keine Rolle spielte, ist zunehmend eine Konkurrenzorientierung der StandorteKoln und Freiburg erkennbar. Sle war auf die Betreuung rnoqllchst vieler Spitzenathletenausgerichtet und auf den Erfolg des neuen .Betreuunqsmodells" Liesens zuruckzufuhren ..Einehemaliger Freiburger druckte das sprachlich etwas holprig so aus:

    "Erster Grund war: Keul hatte das GefOhl,dass der Liesen mit dieser Masche die Athletenversucht, unter den Nagel zu reitsen, insbesondere die Kombinierer und die Skilanglaufer.(...) Die Trainer (...) sind dama/s zum Keul gegangen und haben gesagt: Der Liesen machtwas, der tut was, und hfer passiert gar nichts. Da hat er (Keul) gesagt, dann mussen wir

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    belegen, dass das nichts bringt. In der Studie hat Keul nicht die Intention gehabt zu belegen,dass das irgendwas bringt, im Gegenteil. (. ..J Sein Hauptziel war gegen Liesen. , ,412.2 Ein alternatives systemischen Doping-Modell? Die Testosteron-Studie 1985-1993Die .rnultizentrlsche Studie" (vier Standorte waren beteiligt) stand unter der Leitung desFreiburgers Joseph Keul. Sie wurde im Bericht des Bundesinstituts fur Sportwissenschaft als"Untersuchungen zur Regeneration bei Hochleistunqssportlern=" angekOndigt. UnterBeteiligung und mit Zustimmung des DSB, des NOK fur Deutschland und desBundesministeriums des Innern beauftragte das BISp als Mittelgeber 1986 und 1987Sportmediziner mit der Antwort auf die Frage, ob Testosteron ein "Substitutions- undRegenerationsmittel" sei.43 Somit fOgte sich die Studie in zahlreiche sportmedizinischeUntersuchungen ein, die seit dem Ende der 1970er Jahre die WirkuJ")gdes Testosterons aufregenerative und leistungssteigernde Effekte prOften. Das wissenschaftliche Interesse warschon vor Vergabe der Studie vorhanden. Aus dem Kapitel 2.1 ist die doppelte Stofsrichtunqdeutlich geworden: Keuls Interesse bestand einerseits darin, Testosteron von den Liste zunehmen, um so Leistungen zu steigern. Andererseits war sie Ausdruck derKonkurrenzsituation, die nicht nur dem unterschiedlichen Konzept, sondern auch demunterschiedlichen Alter Keuls und Liesens geschuldet war.Die Rekonstruktion legt eine v611igneue Beurteilung dieser Phase nahe: dass das BISp-Projekt "Untersuchungen zur Regeneration bei Hochleistungssportlern", nicht etwaVerschwendung von Steuergeldern war, wie Kritiker wie Singler und Treutlein monierten".

    Die erstmals von Historikern, Ethikern und Juristen bearbeiten Originalquellen desBundesinstituts fur Sportwissenschaft und der Vergleich mit aus den Arbeitenhervorgeheilden Dissertationen legen den Schluss nahe, dass hier ein verdeckterVersuch systemischen Dopings unternommen worden war, der die Sphare vonGrundlagenforschung hinter sich gelassen hatte: Der Aspekt der .Anwendunq" spieltbereits it) Keuls Konzept eine wichtige Rolle.

    Ein erster Hinweis Ober das fur die "Regeneration" herangezogene Mittel fuhrt zum Kern: Der Stoff dleser Studie ist dasselbe Testosteronpraparat, dessen Missbrauch fOr

    Dopingzwecke bei der deutschen Rudermeisterschaft 1952 zu einem Skandal undsogar zur ersten Anti-Doping-Konvention des DSB gefOhrt hatte."

    Damit begann 1985 mit dem damals einvernehmlich skandalisierten Wirkstoff von 1952 eineKette von Studien, welche von Sportverbanden, Sportmedizinern und dem BISp sowie BMI.-Vertretern als serioses wissenschaftliches Experiment dargestellt wurde. Das einerseitsenge, andererseits eigentomlich selbstbestimmte Zusammenwirken von Sportmedizin, Sportund sogar staatlichen Stell en macht es n6tig, differenziert die Zusarnmenhanqe zuanalysieren und darzustellen (ubriqens mit voller Namensnennunq, um Gegner undNichtbeteiligte vor unberechtigten VorwOrfen zu schutzenl). Viele Fragen bleiben trotz 100Seiten auf Quellen und Interviews basierender Darstellung einstweilen offen. Auch. ist diesich andeutende Anwendung in die Praxis des deutschen Hochleistungssports unbedingtklarunqsbedurftiq. Somit ist ein klarer Schwerpunkt fur die Arbeiten am Beginn der drittenPhase fur die Jahre nach lnkrafttreten des Einigungsvertrages zu erkennen.In den Publikationen zur Studie "Regeneration und Testosteron" wurde stets der Eindruckvermittelt, dass Testosteron im Ausdauersport keinen Nutzen besitze. Der Doktorand Fuchshatte allerdings bereits fur die 1. Teilstudie in Freiburg eine signifikante Erh6hungharnatolcqischer Parameter durch Testasteronbeibringung beleqt." Dies erwahnte derAufsatz von Jakob et al. (1988) jedoch nlcht." Die Ergebnisse der Dissertation von Fuchswurden missachtet. Umgekehrt wendete der Freiburger Sportmediziner Georg Huber1987/88 bei einigen Ausdauersportlern Testosteron an, obwohl sie laut Keul im

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    Ausdauersport keine Wirkung haben sollten. Vor diesem Hintergrund liefen dieVersuchsserien aboHeinz Liesen kritisiert die Studie heute im Grundsatz:

    "Ich glaube, also diese Studie bette das grof3e Problem: Sie konnen sowas mitImmunsuppression nur finden, wenn Sie die Leute auch wirklich an die Grenze 'ranbringen.Wie ich das, zum Beispiel im ieistunqssoon, bei so einem intemeiloneien Tumier,Champions Trophy zum Beispiel, nach dreiSpieltagen kriege. (. ..). ,48

    Das 8MI und auch das BISp mussten 1991 die (unten im Abschnitt zu ethischen Aspektenbehandelte) "Kleine Anfrage" der SPD-Bundestagsfraktion beantworten, wobei die Aktenzahlreiche WidersprOche und Unreqelmafsiqkeiten belegen, die die GlaubwOrdigkeit derAuftragnehmer belasten. Herausgegriffen werden Donikes Versicherung vom Oktober 1991,die Urine der Testosteronstudie seien nicht kodiert gewesen, weil es sich um realeDopingkontrollen handeln wOrde. Keul sprach hingegen von einer Kodierung der Proben.Wichtig ist dies, weil ein Zeitzeuge berichtete, dass die vermutlich positive Testosteronprobeeines hochrangigen Sportlers dorthin 9estelit und der Sportier auf' diese Weise vorEntdeckung geschOtzt worden war. Das Thema solite "Regeneration" betreffen und nicht dasThema .Lelstunqsstelgerunq". Die Akten legen jedoch nahe, dass die Studie als an-wendungsorientierte Dopingforschung angelegt war. Das BISp genehmigte das Projekt durchseinen Direktor Kirsch, obwohl Kirsch als Leichtathletik-Funktionar wissen musste, dass dieFormulierung .Verrninderunq von Oberlastungsschaden durch Gaben von Testosteron", dieKeul in seinem Konzept als Forschungsziel .angegeben hatte, nichts anderes alsanwendungsorientierte Dopingforschung bedeutete. Trotzdem stimmten die Vertreter desBMI im BISp zu; auch die verbotene Ausweitung des Forschungszwecks fOhrte zu keinemProtest. Die Spltzenverbande des westdeutschen Sports, der BA-L des DSB und das NOK,stimmten dem Projekt ausdrOcklich zu.Liesen wendete Testosteron im Leistungssport an. Damit ,liegt auf der Hand, dass nach denErgebnissen der ,Studie Regeneration und Testosteron' noch weitere bundesdeutscheSportmediziner die neuen, steuerfinanzierten Kenntnisse im Leistungssport zur Anwendungbrachten. Die Frage, in welchem Ausmals das in welchen Sportarten und mit Unterstotzungwelcher Sportmediziner und Sportfunktionare geschah,' muss allerdings vorerst offenbleiben.' FOrden Kontext dieses Kapitels ist eine Personalie wichtig: Der SportmedizinerHartmut Riedel stiels nach der Flucht aus der DDR zur bundesdeutschen Testosteron-Studie,wurde Mitarbeiter Liesens, forschte mit und berichtete sogar fur das BISp. Dies erweckt denVerdacht, dass er seine Doping-Kenntnisse einbrachte. Ein aussaqekraftiqes Dokument ausdem Ministerium fur Staatssicherheit der DDR schreibt Riedel umfassende Kenntnisse zu:

    ,,(...) In Kreischa beschaftigte er sich in der Forschung von unterstotzenden Maf3nahmen. Erwar einer der fOhrende Kopfe der DDR gewesen, die in der Lage waren, Absetzterminefestzulegen, UM-Einnahmen zu kontrollieren bzw. zu dosieren und Analysen zu fOhren (. . .)Er weif3, daf3 nach dem WeUkampf bereits wieder mit UM begonnen wird (. . .)Er kennt den Einsatz und die Wirkungsweige von' Zwischen- bzw.OberbrOckungswirkstoffen ... ,49

    DasRiedel zugeschriebene Wissen bedeutete in derDDR: Die Vergabe von Testosteron-Spritzen an Manner und Frauen, ja auch junge Madchen, beispielsweise im Schwimmenoder eben in der Leichtathletik. Liesen hatte gegenOber dem BISp einen Ehrenerklarunqabgegeben.50 Hier herrscht angesichts der Spezialisierung Riedels auf systematischesDoping in der DDR-Leichtathletik unbedingter Klarunqsbedarf."2.3 Die multizentrische Testosteron-Studie als anwendungsoi"ientierteDopingforschung aus ethischer SichtDie drei Teil-Studien wurden ab 1985 vom BISp mit Wissen des BMI unter Berufung auf die"Grundsatzerklarung" von 1983 mit offentllchen Mitteln gefordert. Auch aus ethischer Sichtgilt nach eingehender Untersuchung: Die multizentrische Testosteron-Studie ist entgegen

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    der offiziellen Sprachregelung. als .Doplnqforschunq" zu bezeichnen, wie sie schon ausSicht, wie dargelegt, als .systemisches Doping" gelten muss. Indem sie auch dieleistungssteigernde Wirkung von Testosteron in die Fragestellung ihrer Studien integrierten,setzten sich die beauftragten Forschungsgruppen aus Freiburg, SaarbrOcken und Paderbornnicht nur Ober eine zentrale Bedingung der Bewilligung hinweg. Die erst spat, auf die KleineAnfrage der SPD 1991 hin erfolgte, unzureichende und tendenzi6se Darstellung derStudienergebnisse von Verbundleiter Joseph Keul, getragen vom BMI, widersprachforschungsethischen Grundsatzen wie auch den gewonnenen medizinischenForschungsergebnissen jener Jahre, wie von Schnellgezeigt. 1m Widerspruch zu deroffiziellen Legitimation als PrOfung einer therapeutischen Mar.,nahme des .Defizltausqleichs"war die Testosteronapptikation, zuletzt in den unphysiologisch hohen Dosierungen derTeilstudie III, nicht mit der Norm des Gesundheitsschutzes vereinbar.Der BA-L wie auch das BISp rechtfertigten die Oberh6hte, medikament6s gestotzteTrainings- und Wettkampfbelastung, der die Sportier ausgesetzt wurden, mit dem Anliegen,.lntematlonale Chancengleichheit" herzustellen. Wie Schnells Analyse zeigt, missdeutetediese Rechtfertigungsfigur jedoch den herk6mmlichen Begriff der Chancengleichheit insportethisch unzulassiqer Weise: .Indem man das Recht einfordert, mit einem vermutetenStartvorteil der ,Weltelite'-Sportler gleichzuziehen, fordert man eben nicht StartbedingungenfOr sich ein, die fOr aile Wettkampfteilnehmer gelten, sondern man versucht, einenrnutmalslichen, verschwiegenen Vorteil, Ober den wenige verfuqen, uriter Ausschluss dervielen anderen fOr sich zu nutzen." Die Rede von .Jnternationaler Chancengleichheit" dientedazu, wie mit Verweis auf zeitgen6ssische Ethik-Perspektiven belegt wird, einen letztlichinhumanen Leistunqsdruck auf die Spitzensportler zu legitimieren:

    Die Spitze des Leistungssports sah sich um ihrer Endkampfchance willen in den1980er Jahren in manchen Disziplinen gezwungen, zu dopen. (Eine Untersuchungder Fernwirkung auf den Nachwuchs steht noch aus.)

    Diese Entwicklung wurde nicht zuletzt durch das politische Agieren des BMI mit begOnstigt.Ein frOher Entwurf von Ommo Grupe zur Grundsatzerklarung von 1983 sah vor, die "Chanceauf Endkampfteilnahme bei internationalen Meisterschaften" nicht .zurn einziqen Kriterium"der Entsendung zu rnachen.F Bald darauf wurde .der Passus gestrichen, und nach SchnellsAnalyse verwundert das nicht: Eine Relativierung des Kriteriums der Endkampfchance warekaum mit dem Konzept des DSB aus derselben Zeit vereinbar gewesen, welches dieF6rderung der Sportverbande von ihrer .Jntemationalen Erfolgsbilanz" abhangig machte.Gestotzt noch von den F6rderungsrichtlinien der Bundesregierung, die ihre F6rdermittel nachdem Leistungsniveau .lm internationalen Vergleich" abstufte, begOnstigte dies eineEntwicklung, die in deutlichem Gegensatz zur erklarten Antidoping-Politik des BMI stand.Trotz aller offiziellen Erklarungen und Regelungen lier., sich pharmakologischeLeistungsbeeinflussung auch in der Peri ode 1976177bis 1989/90 nicht aus dem Spitzensportverbannen. Die "Grundsatzerklarung fOr den Spitzensporf', so Grupes resigniertes Urteilheute, blieb am Ende "fast wirkungslos".532.4 Anabolika-Doping und Trainingskontrollen aus reehtshistoriseher SiehtZentraler AnknOpfungspunkt der Dopinqbekarnpfunq war die M6glichkeit der Kontrolle undAhndung des Anabolikakonsums. Anhand Wisniewskas Ausarbeltunq" wird deutlich, dassbereits nach damaliger Rechtslage nicht nur Kontrollen im Rahmen von Wettkampfen,sondern auch Trainingskontrollen rechtlich m6glich waren, um das Anabolika-Doping zuahnden. Wisniewska wertet hierzu ein Rechtsgutachten aus, welches der DSB im Jahre1983 hat erstellen lassen. In dem "Gutachten uber die rechtliche M6glichkeit zurVerhinderung des Doplnq-Mlfsbrauchs" wird unter Ausnutzung und Einhaltung des damalsgeltenden Rechtsrahmens erortert, auf welche Weise der DSB auf Dopingpraktiken hatte

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    nachhaltigen Einfluss nehmen konnen. Obwohl dem DSB uber das Gutachten hinaus nochFormulierungsvorschlage fur die Anpassung der DSB-Regelungen seitensder Gutachterandie Hand gegeben wurden, setzte der DSB diese nicht um. Auch das BISp hatte von diesenrechtlichen Moglichkeiten der Dopingahndung Kenntnis, denn der DSB-Justitiar Jochen Kuhlhatte das Rechtsgutachten dem BISp-Direktor August Kirsch 1986 mit dem Hinweis zurVerfugunggestellt, dass rechtliche Bedenken gegen Trainingskontrollen aufgrund diesesGutachtens auszuraurnen seien. Insoweit lasst sich in der Gesamtschau auf dierechtshistorischen Erkenntnisse des Projekts sagen, dass es in der Phase von 1972 bis1989/90 nicht an rechtlichen Moglichkeiten zur Eindammung des Dopings fehlte, sondern andem rechtspolitischen Willen, diesefUr das selbstgesetzte Ziel der Dopingbekampfungauszuschopfen und nutzbar zu machen.3. Ergebnisse in ThesenformGab es in der .alten" Bundesrepublik vor 1990 systemische Dopingstrukturen? Ethische undrechtliche Beurteilung erfolgten aus doppelter Perspektive heraus: Zunachst erf61gte aus denQuellen und Bericht der damaligen Zeit heraus eine Einschatzung, ob das Erarbeitete ausden Bereichsethiken und Rechtsnormen von Sportmedizin, Sportwissenschaft, Sportverbandund Regierungsapparat55 den Akteuren hatte bekannt sein rnussen. Foigende Thesen sollendie vleltaltlqen Ergebnisse in den Beltraqen der Mitarbeiter bundeln. Eine geschlosseneDarstellung ist allerdings erst am Ende der dreijahrigen Laufzeit moqllch, Die .anabole Phase'" ist nicht etwa der Beginn des Dopings in der BundesrepublikDeutschland, sondern /edig/ich die zweite Phase sportmedizinisch ange/eiteten Dopings.Hierbei ist wesentlich, dass aus berufsrechtlicher Sicht Moglichkeiten seitens derArzteschaft bestanden, dies einzudammen. Diese rechtlichen Instrumente wurden jedochnicht erschopfend genutzt. Die These kann aufgestellt werden, dass die damalige Rechtslage auch in straf- undzivilrechtlicher Sicht nicht hlnrelchend ausgenutzt wurde, um Doping zu bekampfen,

    Wle .in der ersten Phase von 1950 bis 1968 mit Aufputschmitteln und EinfOhrung derAnabolika waren nicht aile Hochleistungssportler gedopt - offensichtlich wusste manvoneinander, so dass ein heimlicher Wettkampf inder nationalen Spitze entstand, ob dieVerweiqerer von Sportbetrug oder die Anwender der Leitdroge dieser zweiten Phase, derAnabolika besser seien. 1mGegensatz zur ersten Phase stieg der Anpassungsdruck gegen Verweigerer, dernachInterviews mit Trainer und Aktiven jener Phase zugleich als Selektionszwang zu deutenist: Aufstieg oder Positionswahrung in der nationalen Spitze sollte Dopingpraktikenerzwingen. Dopingverweigerer gingen nicht an die Offentlichkeit, wei! sie annahmen, dort nichtgehort zu werden, da Doping praktizierende Trainer, Arzte und Athleten trotz derSittenwidrigkeit des Dopings hohe Sympathie in den Medien genossen und Doping in derBundesrepublik jener Jahre meist als Einzelfall, nicht als systernisches Geschehenverstanden wurde. Verweigerer kamen so in die Situation des dopingbedingten "Drop-out", oder sie wurden von durch Doping leistungsstarkeren Konkurrenten verdranqt.

    In diesem Zusammenhang kann die Pravalenz angesprochen werden: Ober diebesonders von Anabolika profitlerenden Werfer gibt es weitergehende Aussagen, die andie 90% heranreichen. Trotzdem waren in der Untersuchungsperiode nirgendwo aileKader .flachendeckeno" mit Doping in Verbindung gebracht worden. (Hier herrschtForschungsbedarf, Lim die Zahlen naher zu bestimmen, dieUrsachen fur diesen Befundherauszuarbeiten und fOr dle Pravention zu nutzen.) Zugleich machen die Interviews klar, dass das Verbot der Anabolika-Anwendung beiFrauen und Minderjahrigen, das in staatlich finanzierten Forschungen des BISp immerbetont wurde, vor Ort trotz des vorhandenen Unrechtsbewusstseins unterlaufen wurde.

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    Die. Ansicht, Anabolika-Kontrollen seien nur inWettkampfen, nicht aber im Trainingrechtlich moglich, war spatestens 1983 mit dem vom DSB in Auftrag gegebenenRechtsgutachten .uber die rechtliche Moglichkeit zur Verhinderung des Doping-Missbrauchs" nicht mehr haltbar. Die erdrOckende Mehrzahl der in Deutschland. tatiqen Sportarzte hat die beschriebenenVersuche zur Freigabe sowie zur Verzoqerunq von Verboten abgelehnt. Dies zeigt sichnicht zuletzt in der vom Deutschen Sportarztebund seit 1952 durchgangig formuliertenHaltung, dass Doping nicht mit den arztlichen Aufgaben vereinbar sei.

    Die Grundsatzerklarunq von 1977 bot anerkennenswerte Argumente gegenpharmakologische Leistungsbeeinflussung, die mit der Freigabe arztlich indizierter"Substitution" jedoch wieder unterlaufen wurden; damit war eine Sprachregelunggeschaffen fur den Wiedereinzug von Dopingsubstanzen in den Leistungssport. Obwohl von Manfred Donike konsequent eingefordert, wurden unter Mitwirkung des BISpdie 1977 festgelegten DopingkontroUen von den Verbanden nur unzureichend umgesetztund Trainingskontrollen bis 1989/90 systematisch verschleppt. Die Dopingforschung verlief autserst vertraulich, wenn auch erstaunlicherweise innormalen Schreiben und Vermerken. Der Kreis der Mitwisser war jedoch groB: 1mSportdie Spitzen im DSB und NOK, der BA-L, das BISp und uber die Anwesenheit der BMI-Vertreter auch das Ministerium als Fachaufsicht des BISp.

    Das BISp koordinierte, im Einzelfall nachweisbar mit Kenntnis der Kontrollinstanz BMI,Forschungen mit Anabolika, Testosteron und anderen fur Dopingzwecke geeignetenSubstanzen. Der Staat schwieg lange zu den steuermittelfinanzierten Studien, besonders das mitAuswertung von Forschungen und Informationsverbreitung beauftragte BISp. Die vom BA-L des DSB wie auch vom BISp verwendete Rechtfertigungsfigur,.lnternationale Chancengleichheit" herzustellen, missdeutete den herkornmlichen Begriffder Chancengleichheit und diente dazu, elnenletztlich inhumanen Leistungsdruck auf dieSpitzensportler zu legitimieren. Das Bekenntnis zum Spitzensport auf internationalem Leistungsniveau, das sich schon inder Grundsatzerklarunq von 1977 fand, entwickelte eine Dynamik,die dasAusgangsanliegen der Grundsatzerklarunq am Ende ins Gegenteil verkehrte:Medikamentose Leistungsbeeinflussung lieB sich bis 1989/90 nicht aus dem Spitzensportverbannen.

    Die Fachaufsicht beendete Dopingpraktiken und Forschungen nicht, trotz grundsatzlicherMitkenntnis in dieser Epoche des Take-offs und der Entfaltung.Anhang: Die Problematik unvollstandiger QuellenWir konnten durch das Entgegenkommen des Auftraggebers BISp in groBem UmfangEinsicht in seine Akten nehmen, obgleich die Bestande IOckenhaft sind. Es konnten fur diesePeriode von fast zwei Jahrzehnten [edoch nur auffallig weniqe, im -Zwlschenlaqer desBundesarchivs noch vorhandene Akten des BMI eingesehen werden. Zu den wenigenArchivalien mit Doping- Thematik gehort beispielsweise die Akte "Kolbe 2". Dielogischerweise vorangehende "Akte 1", die vermutlich die Vorgange urn die Spritze enthalt,ist hingegen nicht erhalten. In ahnllcher Weise ist das Faszikel mit dem fur die nachsteUntersuchungsperiode relevanten Original der Parlamentarischen Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion von 1991 nicht archiviert worden,wohl aber andere Unterlagen dazu. Estun sich mithin viele archivalische LOcken in sensiblen Bereichen auf. Daes den Anscheinhat, dass noch 2007 wichtige Bestande kassiert wurden, fordern wir, die noch vorhandenenBestande zu versiegeln und nur fur Forschungszwecke frelzuqeben."

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    Anmerkungen:1Keul, J.lDeus, B.lKindermann, W., Anabole Hormone: Schadigung, l.eistunqsfahiqkeit und Stoffwechsel,Medizinische Klinik 71(1976),497-503.2 Zeitzeugengesprach mit Wildor Hollmann (Interviewer: Eggers und Schnell). Das ganze Zitat im BeitragEggers, Anabolika vor 1977.3 Siehe Akte ,,0408/01 Forschungsauftrag Medikament", Akte im BISp. Zwei weitere geplanteEinzelvorhaben im Rahmen dieses Projektes, die beantragt worden waren, wurden offenbar nicht realisiert.4Zeitzeugengesprach (Interviewer: Schnell).5Vgl. dazu die Darstellung mit den genauen Nachweisen bei Eggers, Anabolika.6Nachweise bei Eggers, Anabolika.7Vgl. dazu die Darstellung mit den genauen Nachweisen bei Eggers, Anabolika; Eggers, E, & Spitzer, G.,1997-1989.8Zeitzeugengesprach (Interviewer: Schnell).9Zeitzeugengesprach(lnterviewer: Eggers und Schnell)."verschnttunq nach HOnerfeld, P., Betrifft: Doping und die Freiburger Sportmedizin, SWRam 26. Mai2008. Vgl. auch Humbs, C., Harter, schneller und kein bisschen sauber - Doping in der Bundesrepublik,RBB vom 14. September 2006. '11Gemeinsame Kommission von DSB und NOK, Zusammenfassung der Gesprachsnotizen anlasslich desInformationsgesprachs am 14.115.1.1977 in Frankfurt, Haus des Sports, 3, DOSB-Archiv (ehemals NOK-Bestand), Nr. 13171 B6.5/4B11 .Dopinqkornrnission 1977".12Zeitzeugengesprach (Interviewer: Schnell undWisniewska).13Vgl. Spitzer (2004), Doping (Aufputschmittel) und Spitzer, G. (2005). "Sicherungsvorgang Sporl". DasMinisterium fOr Staatssicherheit und der DDR-Spitzensporl. Schriftenreihe des Bundesinstituts furSportwissenschaft Band 97 Hofmann: Schorndorf 2006, (Psychopharmaka und neue Anabolika).14Wirkungen anaboler Steroide auf Skelettmuskel, Kraft und Leistung, von Doz. Dr. J. Fric, Anlage zum:Protokoll derJahrestagung des DLV-Leistungsrates am 16.117.8.1968 im Institut fur Leistungsmedizin,Berlin-33, Forckenbergstr. 20", Nachlass August Kirsch, Mappe Nr. 74 .Lelstunqsrat". Vgfl. auch Eggers,E.lSchnell, H.lSpitzer, G.lWisniewska, Y. (2011). Das Fric-Referat 1968 vor dem DLV-Leistungsrat OberdieAnwendung anaboler Steroide - ein SchlOsseldokument der frOhen westdeutschen Dopinggeschichte".Manuskript.15Vgl.dazu den Beitrag Eggers: Quelle ist das Schreiben Joseph Keul an Willi Daume vom 12. Oktober1992 (in der Anlage das Urteil des .Bezlrksberufunqsqericht fur Arzte in Freiburg" vom 16. September1992), Archiv Willi Daume, Mappe 25.2 "Doping 1 Schriftverkehr, Berichte und Zeitungsartikel/1991 ". Keulwar gegen Armin KIOmpervorgegangen, der ihn, wie Eggers gezeigt hat, 1991 beschuldigte, ,Sportier ausverschiedenen Sportarten mit der Kolbe-Spritze behandelt zu haben'. Die Akte "Kolbe 1" des BMI ist wiebeschrieben nicht erhalten geblieben.16Zeitzeugengesprach mit Dr. Alois Mader, E. Eggers und G.Spitzer.17Vgl. dazu "Rolf', 27. 6. 1972, in BStU MfS AIM 5330/92, Band 11/3,bes. S. 55-59 (Spitzer).18Die Kopie "Vorlaufige wissenschaftliche Information OberTHIOCTACID-Tabletten", .Versuchspraparat"findet sich in der Akte. Vorlaufiqe wissenschaftliche Information OberTHIOCTACID-Tabletten. (Ort), 4. 12.1970. Vgl. ebd., S. 67-69.19Vgl. Spitzer (2004), Doping, S. 282-290; Dokument enthalten seit der 1. Auflage 1998.20Schreiben Reindell an Kirsch vom 2. November 1978, Akte ~,Doping.A-Z",im BtSp. Siehe den BeitragEggers.21Vgl. dazu BStU MfS AIM 5330/92, Band 11/2,bes. S. 1-234 [MR Dr. med Lothar Kipke, Deckname"ROLF", zeitweise Verbandsarzt Schwimmen]. Hieraus geht hervor, dass ein Hersteller aus derBundesrepublik in der DDR Medikamente vergleichend getestet haben soli, in die auch IIdamen einbezogenworden sein soli.22Zeitzeugengesprach, Eggers.23Vgl. Spitzer (2010). Historisch-genetische Analyse. In Spitzer, G. & Franke, E. (Hrsg.). Sport, Doping undEnhancement - Transdiszipl inare Perspektiven. (Doping, Enhancement, Pravention in Sport, Freizeit undBeruf - Band 1). Sportverlag Strauss, Koln, 1.AufL .24 Akte Signatur: BMI, Deutscher Schwimmverband, hier Dopingangelegenheiten Bd 1 3/77 VerwandteAkten: Trainer 174/10a. SP4-373174/10: Die dort bezeichnet .verwandte" Akte konnte nicht gefundenwerden.25BMI, SM I VerfOgungvom 21. Juni 1976, ebd.

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    26 Schwimmverband an BMI am 1. April 1986; BMI, Deutscher Schwimmverband, hierDopinqanqeleqenheiten Bd 1 3/77.27 H. J. Schnell (2011): Die ethische Problematik des Dopings: von der .Kolbe-Sprltze" Ober dieGrundsatzerklarung bis zu den BISp-finanzierten Anabolika- und Testosteronstudien.28 Schreiben Nowacki an Daume vom 11. August 1976, S. 2. Archiv Willi Daume, Mappe 105.14"Sekretariat Daume".29Grupe: .Einfuhrunq in die Grundsatzerklarunq fOrden Spitzensport", S. 8 (Anlage 2 des Protokolls der 17.Sitzung des Hauptausschusses des DSB am 11. Juni 1977). In: Archiv DOSB, Nr. 1317/B6.5/4B11, Titel:.Dopingkornmission 1977".30DSB-Papier (0. Titel und Datum), darin: "Substitution", Punkt 7 des Papiers, Untertitel: "Erklarung desDeutschen Sportarztebundes (vorgetragen durch den Prasidenten Prof. Dr. H. Reindell) auf derHauptausschufs-Sitzunq des DSB am 03.12.1983 in Frankfurt zur Definition des Begriffes Substitution beiLeistungssportlern", Fundort: Kirsch-Nachlass, Mappe 86, "Doping 2", S. 15 f.31Fax-Schreiben vom 19. November 1991 (13.54 Uhr), Akte 0408/01 I Forschungsprojekt: RegenerationAusarbeitungen I W1.1 11986-1990. Akte im BISp.32Siehe detailliert dazu: Y. Wisniewska: Doping von 1972 bis 1990 - Eine rechtshistorische Stellungnahme,S. 3 - 32.33 Franke, W. (1995). Funktion 'und Instrumentalisierung des Sports in der DDR: PharmakologischeManipulationen (Doping) und die Rolle der Wissenschaft, in Enquete-Kommission (ed.) Aufarbeitung vonGeschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland: Bd. III, 2, Baden-Baden: Nomos, p. 987-1089;Spitzer (19981 4. Auf1.2004) S, 48-50,. (2006) elnscnlielslich der Nutzung von Nivalin als Testosteron-Anreger. Zu einer kritisch zu lesenden Auftragsarbeit der Jenapharm AG siehe: Spitzer, G. (2010). Latzel,K. (2010). Staatsdoping. Der VEB Jenapharm im Sportsysiem der DDR. Bohlau Koln I Weimar I Wien(Rezension). Vierteljahresschrift fOrSozial- und Wirtschaftsgeschichte, 98, H 1, S. 65-66.34Schreiben Donike an Kirsch vom 21. Oktober 1977, Nachlass August Kirsch, Mappe 91 "Doping 1968-1977". .35Vgl. die Beitraqe Spitzer (2010), in denen das Doping im Sport in einen weiteren Kontext gestellt wird, furden als Terminus "dopingaffin" verwendet wird, um das Argument eine Methode stande .noch nicht" oder.nicht mehr" auf einer Verbotsliste, ausblenden zu konnen, Andre Bezeichnungen lauten .Dopinqrnentalitat"(Gerhard Treutlein) oder "dopingahnliches Verhalten" (Patrick Laure); vgl. ebd.36Sogar der 1M"TECHNIK" (Heppner) aufserte hier Bedenken. Vgl. auch Franke (1995), Spitzer (1998),(2005), (2001).37 Die katastrophalen Foigen solite ungewollten Veranderunqen in der DDR zeigen biographischeInterviews, die als Foigen neben hormonell bedingten gesundheitlichen Stbrungen und Foigen fOr denNachwuchs u.a. suizidale Neigungen aufweisen: Spitzer (2006) - Wunden, ein Projekt gefordert von derStiftung .Aufarbeltunq des SED-Unrechts". Vergleichbare Untersuchungen sind fur die BundesrepublikDeutschland ein Desiderat.38Schreiben Keul an Troqer vom 10. Januar 1984, DOSB-Archiv (ehemals NOK-Bestand), Akte "Prof. Dr. J.Keul, Freiburg lab: Januar 19841 bis: Mai 1994".39 Protokoll der 3. Sitzung der Kleinen AG Dopingfragen am 20. Marz 1985 in Koln, S. 5-6. Akte.Bundesinstitut fur Sportwissenschaft I W 1.2 I Koordination der Dopinqbekarnpfunq 0415/05 - 01 I KleineArbeitsgruppe Dopingfragen des BISp I 1.-14. Sitzung 11984 -1992), im BISp. Ein Protokollant, der alsMitwirkender im Besitz der Kopien ist, war nicht bereit, dem Projekt zur VerfOgung zu stellen, auch nicht inanonymisierter Form.40Kindermann, W.lSchmitt, M. W.lSchnabel, A.lBerg, A.lBiro, G. (1985). Verhalten von Testosteron imBlutserum bei Korperarbeit unterschiedlicher Dauer und intensitat, Deutsche Zeitschrift tu r Sportmedizin, S.99-104.41Zeitzeugengesprach (Interviewer: Eggers).42Keul, J., Untersuchungen zur Regeneration bei Hochleistungssportlern, BISp, Bericht 1985-1986. 8.Zweijahresbericht, Min 1987, 80f. In der Foige wurde die Studie auch, je nach Perspektive, als.Reqenerationsstudie" (Keul et al.) bzw. .Testosteronprojekt" (Singler & Treutlein, 2010) abgekOrzt. 1mFoigenden wird sie als "Studie Regeneration und Testosteron" abgekOrzt (interne Bezeichnung im BISp,vgl. Keul an BISp, 16. September 1986, Akte "Regeneration" (schrnaler Ordner), Bestand BISp.43 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Winfried Penner, WilhelmSchmidt et al. vom 11. Dezember 1991, Drucksache 12/1781 des Deutschen Bundestages, 12.Wahlperiode, S. 1.44 Singler, A. & Treutlein, G. (2010). Doping im Spitzensport. Sportwissenschaft/iche Analysen zurnationalen und internationalen Leistungsentwicklung, (Meyer & Meyer) Aachen, 5. Auflage.; Hecker, A.,Doper vereint euch, FAZ vom 2. Februar 2009.

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    45 Eggers, E., Geschichtliche Aspekte in der praanabolen Phase. Prasentation von Zwischenergebnissendes Teilprojektes an der Hurnboldt-Universitat zu Berlin, Leipzig, 25.10.2010 (Manuskript), 8 und 14.46 Fuchs, V., Hamatoloqlsche und metabolische Veranderungen bei starken korperlichen Belastungen unterdem Einfluss von Testosteron, Dissertation Freiburg i. Br. 1988.47 Jakob, E.lHoffmann, R.lFuchs, V.lStOwe-Schlobies, J.lDonike, M.lKeul, J., Testosteron-applikation undLeistunqsfahiqkeit bei Skilanglaufern, Deutsche Zeitschri ft fur Sportmedizin 39(1988), 41-45.48 Zeitzeugengesprach (Interviewer: Eggers).49 Kreisdienststelle Jena, 22. Sept. 1987, Tonbandabschrift. FIM "lIja Vogelberg": Informationen zurR-Flucht des Arztes Hartmut Riedel. BStU MfS X Gera 435/78 Teilll Band 6, S. 14-18. Der Quellenwert istbei solchen Tonbandabschriften hoch anzusetzen, die eine Sekretarin des MfS verschriftet hatte, deswegenauch typische Fehler in der Schreibweise von westlichen Ortsnamen und neuen Berufen.50 Forschungsauftrag "Regeneration" des BISp, .Chronoloqlsche Auflistung der Aktivi taten nach Aktenlage"[1991], Akte "Regeneration" (schmaler Ordner), im BISp. Teilnehrner dieser Sitzung waren Keul, Donike,Felten, Jakob, Kindermann, Kirsch, Kley, Liesen, Mader, Riedel, Weicker, Helmholtz, aufserdern fur dasBMI OAR Deichmann. Das Originalprotokoll dieser Sitzung liegt nach unserer Kenntnis nicht mehr vor.51 B. Berendonk hat mit W. W . Franke (Dopingdokumente. Berlin Heidelberg New York 1991) dieHabilitationsschrift Riedels in die Diskussion eingefOhrt und kommentiert, die sich mit der Wirkung vonDopingpraktiken auf die besten DDR-Springer befasste, die auch namentlich erkennbar waren. Verf. hatherausgearbeitet, dass Riedel wissenschaftlich exakt die Prognose von zum Teil sehr gefahrlichenNebenwirkungen von Anabolika auf die DDR-Springer erstellt; Spitzer, G. (2001). Auswirkungen vonDoping bei Frauen. Ethische Grenzen und ihre Missachtung im DDR-Leistungssport. In Anders G. & Braun-Laufer, E. (Red.): Grenzen fOr Madchen und Frauen im Sport. Wissenschaftliche Berichte und Materialiendes Bundesinstituts tar Sporlwissenschaft. 2001 Bd. 6. Koln : Sport und Buch Strauss 2001, S. 83-100.52 .Skizze zu einem Entwurf einer Stellungnahme zur ,Grundsatzerklarung fur den Spitzensport"', S. 4.Anlage zu einem Brief von Grupe an Fallak und Gieseler vom 10. Juni 1983 "mit der Bitte urn grOndlicheDurchsicht und Erganzung". In: DOSB-Archiv, Akte 1127, GB 1.1, Gen. Sekr., BA-L 1981-1985.53 Zeitzeugengesprach (Interviewer: Holger J. Schnell).54 Siehe detailliert dazu: Y. Wisniewska: "Doping von 1972 bis 1990 - Eine rechtshistorischeStellungnahme", S. 32 - 42.55 Das Verhaltnis von Sport und Staat ist Gegenstand des anderen Teilprojektes in MOnster. Das BerlinerProjekt hat sich auf die direkten BezOge von Verband und Forschung zum Auftraggeber und der engverbundenen Fachaufsicht beschrankt,56 Siehe: BMI SM3-372 173-2 Kolbe. Zwischenarchiv, Einsichtnahrne BMI Juli 2011, Spitzer.

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