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Studienbrief: Doppeldiagnose Psychose und Sucht – Version 2009 Psych. Psychotherapeut R. D’Amelio, Universitätskliniken des Saarlandes, 66421 Homburg/ Saar,
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Doppeldiagnose: Schizophrene Psychose und Sucht
Ätiologiemodelle
Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Patienten mit Schizophrenie ein erhöhtes Risiko an
Substanzmissbrauch oder Substanzabhängigkeit zu erkranken. Einerseits ist zur Erklärung dieses
Befundes die Meinung, Verbreitung und Verfügbarkeit von Drogen in der Gesellschaft, andererseits
ist die Deinstitutionalisierung als Mitverursacher zu berücksichtigen. Die Komorbidität lässt sich des
Weiteren anhand folgender Ätiologiemodelle erklären (Überblick):
1. Modelle gemeinsamer Faktoren
1.1 Genetische Faktoren
1.2 Antisoziale Persönlichkeit (APS)
2. Modelle sekundärer Substanzstörung
2.1 Psychosoziale Risikofaktoren
2.1.1 Selbstmedikationsmodell
2.1.2 Dysphorieverringerung
2.1.3 Multiple Risikofaktoren
2.2 Supersensitivität
2.3 Iatrogene Vulnerabilität
3. Sekundäre psychiatrische Erkrankung
4. Bidirektionale Modelle
Beschreibung der einzelnen Modelle
1. Modelle gemeinsamer Faktoren
Die hohen Komorbiditätsraten sind das Ergebnis voneinander unabhängigen und spezifischen
Risikofaktoren (i.S. einer Vulnerabilität), die gleichermaßen in einem Individuum vorhanden sind und
die Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung beider Störungen erhöht. Bislang sind genetische Faktoren
und die Antisoziale Persönlichkeitsstörung bezüglich ihrer Rolle in der Entwicklung näher untersucht
worden.
1.1 Genetische Faktoren
Genetische Faktoren spielen eine wichtige Rolle in der Ausbildung einer Psychose oder
Substanzstörung. Allerdings scheinen für die Entwicklung einer Komorbidität keine gemeinsamen
genetische Faktoren verantwortlich zu sein: das genetische Risiko bei Patienten mit Schizophrenie
korreliert nicht mit einem erhöhten Risiko eines Substanzmittelabusus bei deren Verwandten.
Dagegen zeigen verschiedene Studien, höhere Raten von affektiven Störungen in Familien von
Patienten mit Doppeldiagnose.
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1.2 Antisoziale Persönlichkeit (APS)
APS und dessen Vorläufer in der Kindheit korrelieren stark mit späterem Substanzkonum, wobei bei
vorliegender APS der Substanzkonsum früher beginnt und einen gravierenden Verlauf zeigt (i.S. von
schwerer körperlicher Abhängigkeit, Delinquenz). Bezüglich der Entwicklung eines
Substanzmittelabusus bei schizophrener Psychose scheinen Patienten mit gleichzeitiger APS
diesbezüglich ein erhöhtes Risiko aufzuweisen. Des Weiteren gibt es Belege dafür dass
Persönlichkeitsfktoren wie „novelty seeking“, Impulsivität oder Enthemmung ebenfalls mit einer
erhöhten Häufigkeit von Substanzmittelkonsum bei Schizophrenie korrelieren. Zusammengefasst kann
aktuell die Hypothese aufgestellt werden, dass APS ein „gemeinsamer Faktor“ ist, der zumindest
teilweise die erhöhten Raten von Substanzmittelkonsumenten bei Schizophrenie erklärt.
2. Modelle sekundärer Substanzstörungen
Diese Modelle gehen davon aus, dass eine schizophrene Psychose die Vulnerabilität zur Entwicklung
eines Substanzmittelkonsums erhöht. Es umfasst das Modell der psychosozialen Risikofaktoren, das
Supersensitivitätsmodell und das Modell der iatrogenen Vulnerabilität.
2.1 Psychosoziale Risikofaktoren
Umfasst drei verschiedene Hypothesen: das „Selbstmedikationsmodell“, das Modell der
„Dysphorieverringerung“ und das Modell „multipler Risikofaktoren“.
2.1.1 Selbstmedikation
Geht davon aus, dass Individuen bestimmte Suchtmittel wegen ihrer pharmakologischen Wirkung
konsumieren. Diese Hypothese lässt sich bislang nicht verifizieren, da schizophrene Patienten die
selben Suchtmittel konsumieren wie andere Personen in der Gesellschaft und kein Zusammenhang zu
bestehen scheint zwischen der Schwere oder Art der Symptome und der Menge und Art des
Suchtmittels.
2.1.2 Dysphorieverringerung
Dieses Modell postuliert, dass Suchtvulnerabilität eher allgemein wie spezifisch ist und dass Patienten
mit Schizophrenie eine niedrige Toleranz gegenüber „negativen“ bzw. dysphorischen Gefühle
aufweisen. Suchtmittelkonsum ist eine Möglichkeit um Dysphorie bzw. Depression zu mildern. Die
dysphorischen Gefühle bei dieser Patientengruppe sind äusserst heterogen und schliessen bspw.
Angst und depressive Symptome, Langeweile, Einsamkeit oder durch Neuroleptika induzierte
Syndrome mit ein.
2.1.3 Multiple Risikofaktoren
Dieses Modell wurde aus der Beobachtung heraus formuliert, dass mehrere bekannte Risikofaktoren
für Substanzmittelabusus (z.B. Dysphorie, soziale Isolation, ungenügende interpersonale Fertigkeiten,
schwache kognitive Fertigkeiten, fehlende Tagesstruktur, keine Arbeit und Leben in einer
Nachbarschaft mit hoher Drogenverfügbarkeit) in Folge einer schizophrenen Erkrankung auftreten
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können und somit die Vulnerabilität für Substanzmittelkonsum in dieser Patientengruppe erhöhen
können.
2.2 Supersensitivität
Schizophrene Patienten reagieren aufgrund einer (biologisch) bedingten Sensitivität, insbesondere für
Amphetamine, bereits auf kleine Mengen von Suchtmittel mit klinischen Symptomen (z.B. Wahn oder
Halluzinationen) und negativen Konsequenzen (z.B. Abhängigkeit oder Rückfällen). Diese
Supersensitivität erklärt z.T. die hohe Prävalenz von Suchtmittelabusus in dieser Patientengruppe bei
vergleichsweise niedrigerem Konsum der betreffenden Substanz als in einer nicht schizophrenen
Vergleichsgruppe.
2.3 Iatrogene Vulnerabilität
Diese Vorstellung besagt, dass Suchtmittelabusus allgemein auf eine beeinträchtigte (verminderten)
Aktivität des durch Dopamin mediierten Belohnungssystems zurückgeführt werden kann und
Personen Suchtmittel konsumieren, um „positive Gefühle“ hervorzurufen. Die Medikation mit
Neuroleptika reduziert über Blockade der D2-Dopaminrezeptoren (zusätzlich?) die verfügbare Menge
an Dopamin und macht deshalb psychotische Patienten vulnerabler für die Einnahme von exogenen
„Glücklichmacher“. Falls die zutrifft sollten Patienten die mit atypischen Neuroleptika therapiert
werden, niedrigere Raten von Suchtmittelabusus aufweisen, was zuzutreffen scheint.
3. Modelle sekundärer psychiatrischer Erkrankungen
Die Hypothese geht davon aus, dass der Konsum von psychomimetischen Substanzen die
Entwicklung einer Schizophrenie begünstigen kann. Das bedeutet die Psychose wäre eine Folge des
Substanzmittelabusus, wobei dies insbesondere auf den Konsum (x > 50 Konsumepisoden) von
Cannabis zuzutreffen scheint. Unklar ist die Bedeutung der genetischen Vulnerabilität als
Voraussetzung für die Entwicklung einer schizophrenen Psychose bei exzessivem Cannabiskonsum.
Allerdings scheint nachgewiesen, dass bei exzessivem Suchtmittelkonsum die Schizophrenie früher
ausgelöst wird.
4. Bidirektionale Modelle
Diese Modelle gehen davon aus, dass Substanzmittelabusus bei einer biologisch vulnerablen Person
eine Schizophrenie auslösen kann, die in Folge von kontinuierlichem Substanzmittelkonsum
aufrechterhalten wird. Obwohl es evident erscheint das Substanzmittelabusus den Verlauf einer
Psychose verschlechtert, sind diese Hypothesen bislang noch nicht empirisch überprüft.
Diskussion
Die Forschung zeigt eine tendenzielle Bestätigung für das APS Modell (Modell gemeinsamer
Faktoren) und das Supersensitivitätsmodell (Modell sekundärer Substanzmittelabusus).
Das könnte möglicherweise ein Hinweis auf verschiedene Subtypen von Patienten mit
Doppeldiagnosen sein, was hinsichtlich der Entwicklung von spezifischen Interventionsstrategien von
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Bedeutung wäre. Auf der Grundlage der oben genannten Modelle schlagen Mueser et al. (2002) zwei
Subtypen von Patienten mit Doppeldiagnosen vor:
Doppeldiagnose-Subtyp
APS Supersensitivität
� Alter bei Beginn von SMA
� Anzahl konsumierter
Suchtmittel
� Körperlichen Abhängigkeit
von Suchtmittel
� Familiengeschichte in Bezug
auf Suchtmittel
� Alter bei Beginn der SPS
� Prämorbides soziales
Funktionieren
� Aktuelles soziales
Funktionieren
� Anzahl psychiatrischer
Symptome
� Aggressivität
� Prognose
Früher
Größer
Stärker
Belastet
Früher
Randständig
Schlecht
Mehr
Größer
Ungünstig
Später
Kleiner
Schwächer
Unbelastet
Später
Gut
Gut
Weniger
Kleiner
Günstig
*Legende: SPS= Schwere psychische Störung; SMA= Substanzstörung; APS= Antisoziale Persönlichkeitsstörung
Patienten mit Doppeldiagnose und APS scheinen somit in der Tendenz eine im Verlauf schwerere
SMA (früherer Beginn, häufigerer Drogenmissbrauch, mehr Behandlungsepisoden und höhere Raten
an Gewaltereignissen aufzuweisen. Interventionen müssten hier eine aufsuchende Strategie und
dichtes Monitoring beinhalten. Für Patienten mit Supersensitivität scheinen psychoedukative
Methoden geeignet sein, mit Fokus auf Information über ihre gesteigerte Sensitivität bezüglich Drogen
und Implementierung von Alternativen zum Substanzmittelabusus. Von klinischer Bedeutung ist auch
das Modell der Dysphorie-Verringerung und das iatrogene Vulnerabilitätsmodell, da es die
Notwendigkeit einer adäquaten Medikation dieser Patientengruppe unterstreicht.
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Diagnostik der Komorbidität
Einführung
Die Erfassung der Komorbidität von Suchtmittelkonsum und Schizophrenie ist besonders wichtig, da
diese Patienten aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen oder aus mangelnder Einsicht bezüglich des
Zusammenhangs zwischen psychischen Beschwerden und Suchtmittelkonsum, die Folgen ihres
Substankonsums nicht klar einschätzen können. Darüber hinaus reagiert diese Patientengruppe
stärker bzw. sensibler auf psychotrophe Substanzen (z.B. Rezidiv der Psychose) und auch
verhältnismäßig kleine Mengen führen zu negativen Therapieergebnissen (z.B. mangelnde
Medikamenten-Compliance, Behandlungsabbruch). Des Weiteren ist die Diagnostik der Komorbidität
eine wesentliche Voraussetzung für die adäquate und simultane Behandlung beider Störungsbilder,
unter besonderer Berücksichtigung der Interaktionen zwischen Psychose und Suchtmittelkonsum.
Allerdings: Trotz hoher Prävalenz von psychischer Störung und Substanzmissbrauch, werden in
psychiatrischen Institutionen substanzbezogene Störungen oft übersehen bzw. unterdiagnostiziert.
Grund: Die negativen Konsequenzen des Suchtmittelkonsums sind verdeckt durch störungsbedingte
multiple psychosoziale Dysfunktionen, oder kognitive und emotionale Effekte des Konsums (z.B.
Depression, Angst oder Halluzinationen) werden fälschlicherweise der Psychose zugeschrieben.
Diagnostische Kriterien
Um eine Substanzabhängigkeit zu diagnostizieren, müssen mindestens drei der folgenden Kriterien
innerhalb eines Zeitrahmens von einem Jahr auftreten:
- Konsum von größeren Mengen oder über längere Zeit als beabsichtigt
- Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzkonsum zu verringern oder zu
kontrollieren
- Großer Zeitbedarf für Aktivitäten im Zusammenhang mit Substanzkonsum
- Vernachlässigung wichtiger sozialer, beruflicher oder Freizeitaktivitäten
- Fortgesetzter Substanzkonsum trotz Kenntnis von dessen negativen körperlichen oder
psychischen Folgen.
Substanzmissbrauch liegt dann vor, wenn der Patient durch den Substanzkonsum wiederholt und
deutlich soziale Probleme bekommt, wichtigen sozialen Verpflichtungen nicht nachkommt, sich
körperlich gefährdet oder mit dem Gesetz in Konflikt kommt.
Differentialdiagnostische Kriterien
Um eine Komorbidität von Psychose und Suchtmittelabusus zu diagnostizieren, muss die vorliegende
psychische Störung substanzunabhängig sein. Von einer substanzinduzierten psychotischen
Störung ist auszugehen, wenn die psychotischen Symptome auf direkte körperliche Wirkung der
konsumierten Substanz zurückzuführen sind. Die psychotische Symptome können bis zu einem Monat
nach Absetzen der Substanz anhalten.
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Hinweise auf eine substanzinduzierte Genese psychotischer Episoden sind atypische Merkmale (z.B.
Erstmanifestation psychotischer Symptome nach dem 35. LJ oder das Überwiegen nicht akustischer
Halluzinationen) oder ausgeprägte Halluzinationen).
Erfassung der Komorbidität
1. Screening
Das Screening dient zur Identifikation von Patienten mit Doppeldiagnose. Deshalb sollte die Frage
nach aktuellem und vorangegangenem Drogenkonsum bei jeder psychotischen Symptomatik erörtert
werden. Dafür ist es sinnvoll, selbstanamnestische Angaben mit fremdanamnestischen Angaben und
Laboruntersuchungen zu kombinieren. Prinzipiell besteht bei Patienten die Tendenz, eher
vergangenen wie aktuellen Suchtmittelkonsum zu berichten. Generell kritisch sind Selbstangaben in
akuten Krisen oder bei Einweisung in eine Klinik zu betrachten, wohingegen die Aussagen ambulanter
Patienten in einem hohen Prozentsatz mit den werten in der Urinprobe übereinstimmt. Zu bedenken
ist, dass zuverlässige Angaben sich auf die „Mitarbeit“ des Patienten stützen. Das legt den Fokus im
Screening-Prozess auf die Herstellung eines guten Rapports, die vor einer nicht wertenden und
Unterstützung anbietenden Haltung des Untersuchers geprägt ist.
2. Diagnostische Phase
Nach einem positiven Screening sollen genauere Informationen zum Substanzkonsum, zur
psychotischen Symptomatik und zur Interaktion zwischen diesen beiden Bereichen erhoben werden.
Auch soll Konsummuster, Menge und „Wirkung“ der konsumierten Substanz(en) bestimmt, deren
vorausgehenden Bedingungen (z.B. „Frühwarnzeichen“) und Konsequenzen (kurzfristig – langfristig;
emotional – kognitiv – physiologisch – sozial) erfasst werden. Genauso wichtig ist im Sinne einer
Lösungs- bzw. Ressourcenorientierung, nach Anzahl, zeitlicher Dauer und Bedingungen für
abstinente Phasen zu fragen.
3. Behandlungsplanung
Nach Rosenthal und Westreich (1999) sind die Patienten mit Schizophrenie und Substankonsum
folgenden Kategorien zuzuordnen:
� Typ I: Schwere Substanzstörung mit hoher psychopathologischer Belastung
Für Patienten mit schizophrener Psychose und meist Polytoxikomanie, die überwiegend auch ein
niedriges psychosoziales Funktionsniveau aufweisen. Diese Patienten benötigen ein spezialisiertes
stationäres Programm für Komorbidität, mit Fokus auf Entgiftung, Motivationsarbeit und Stabilisierung.
Die Therapieziele orientieren sich primär an Schadensbegrenzung. Zur weiteren Unterstützung des
Patienten sollte das soziale Umfeld auf jeden fall in die Behandlung miteinbezogen und
psychoedukativ bzw. psychotherapeutisch betreut werden.
� Typ II: leichte Substanzstörung mit hoher psychopathologischer Belastung
Diese Patienten lassen sich charakterisieren durch das Vorkommen einer schizophrenen Psychose
und einem Abusus bzw. gelegentlichen Konsum psychotropher Substanzen. In der Regel verstärkt
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sich hier der Substanzkonsum bei Exacerbation der psychischen Symptomatik und viceversa verstärkt
sich die psychische Symptomatik durch den Substanzkonsum. Diese Patienten benötigen eine
stationäre Krisenintervention und anschließend bzw. in stabileren Phasen, eine strukturierte
unterstützende ambulante Behandlung in einem spezialisierten tagesklinischem Setting. Fokus der
Behandlung sollte dabei u.a. auf psychoedukative Strategien, Medikamentenmanagement, Aufbau
alternativer Verhaltensweisen, Suchtberatung und Rückfallprävention liegen.
Prinzipiell sollte für jeden Patienten ein individuelles Störungs- und Behandlungsmodell erstellt
werden, unter Berücksichtigung der Biographie, der aktuellen Lebenssituation, des familiären und
sozialen Umfeld, sowie seiner Probleme und Ressourcen. Des Weiteren sollte der Ablauf der
Intervention von der aktuellen Veränderungsphase des Patienten bestimmt werden.
Weiterführende Literatur Therapiemanuale � D’Amelio R, Behrendt B, Wobrock T (2006) Psychoedukation Schizophrenie und Sucht. Manual � zur Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen. München: Urban & Fischer (ISBN: 3-437- � 22756-4 � Gouzolis-Mayfrank E (2003) Komorbidität Psychose und Sucht. Von den Grundlagen zur Praxis. � Darmstadt: Steinkoff � Roberts LJ, Shaner A, Eckman TA (Eds.) (1999) Overcoming Addictions. Skill Training for People � with Schizophrenia. New-York, USA: W.W. Norton & Company
Übersichtsbücher � Graham HL, Copello A, Birchwood MJ, Mueser KT (Eds.) (2003) Substance Misuse in Psychosis. � Approaches to Treatment and Service Delivery. West Sussex, England: Wiley
� Moggi F (Hrsg.) (2002) Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen und Sucht. Bern: � Huber
� Moggi F & Donati R (Hrsg.) (2004) Psychische Störungen und Sucht: Doppeldiagnosen. Göttingen: Hogrefe
� Rosenthal RN, Westreich L (1999) Treatment of persons with dual diagnosis of substance use disorders and others psychological problems. In: McCrady BS & Epstein EE (Eds.) Addictions. A comprehensive Guidebook. New-York: Oxford University Press, 439-476
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Psychoedukation, Rückfallmanagement und Rückfallphrophylaxe bei Patienten mit der Doppeldiagnose Psychose und Sucht:
- Das GOAL-Programm (Gesund und Ohne Abhängigkeit Leben) -
(► Therapiemanual: D’Amelio R, Behrendt B, Wobrock T (2006) Psychoedukation Schizophrenie und Sucht. Manual zur Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen. München: Urban & Fischer, Reihe: Im Dialog)
Zielgruppe Das Programm: „Gesund und Ohne Abhängigkeit Leben“ wendet sich an Patienten mit einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit zusätzlichem Drogenkonsum und ist ein psychoedukativ-psychotherapeutisches Behandlungsprogramm zur Rückfallphrophylaxe und Rückfallmanagement. Die Patienten sollten möglichst die „Warnsignalgruppe“ (→ psychoedukative Gruppe bezüglich der schizophrenen Symptomatik) abgeschlossen haben. Des Weiteren sollten keine akuten Krankheitssymptome der Psychose mehr im Vordergrund stehen.
Indikation � Patienten mit der Doppeldiagnose schizophrene Psychose und Substanzkonsum
Ziele � Aufklärung über die negativen Interaktionen von Drogenkonsum und Verlauf der schizophrenen Psychose
� Vermittlung von Strategien und Fertigkeiten zum Rückfallmanagement und zur Rückfallprophylaxe bezüglich der Grunderkrankung und des Drogenkonsums
Dauer � 5 Wochen Setting � Ambulant, teilstationär oder stationär
� Behandlung erfolgt in verschiedenen indikativen Gruppen (s. u.) � Möglichst geschlossene Gruppe(n)
Behandlungsmodule � GOAL-Psychoedukation [10 Sitzungen, Frequenz 2x pro Woche] � GOAL-Kreativ [5 Sitzungen, Frequenz 1x pro Woche] � GOAL-Praxis [5 Sitzungen, Frequenz 1x pro Woche] � GOAL-Sport [20 Sitzungen, Frequenz 4x pro Woche]
Therapeutische Mitarbeiter
� Psychologischer Psychotherapeut � Facharzt für Psychiatrie � Sozialarbeiter/Sozialpädagoge � Ergotherapeut � Sporttherapeut
Nachbetreuung � Start nach Abschluss des 5-wöchigen GOAL-Behandlungsprogramms
� Offene Gruppe � Frequenz 1x pro Woche � Fortlaufender Modus
Merkmale des GOAL-Behandlungsprogramms Ziele der Intervention
1.) Den Patienten soll über die kurz- und langfristigen Auswirkungen des Drogenkonsums, unter besonderer Berücksichtigung der schizophrenen Grunderkrankung, informiert werden.
2.) Beim Patienten soll die Entscheidung zur Abstinenz gefestigt werden. 3.) Der Patient soll lernen, rückfallgefährdende Situationen zu vermeiden. 4.) Der Patient soll Strategien erwerben, rückfallgefährdende Situationen zu bewältigen. 5.) Beim Patienten soll Verhalten angestoßen werden, das alternativ ist zum Drogenkonsum,
gesund und die Lebenszufriedenheit erhöht (z. b. Sport, Hobbies, soziale Kontakte) 6.) Der Patient soll zu einer weiterführenden Behandlung der Psychose und der
Drogenproblematik motiviert werden.
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Setting und Dauer des GOAL-Programm Das GOAL-Programm dauert insgesamt 5 Wochen und ist stationsübergreifend angelegt: das bedeutet dass die Patienten im ambulanten (Institutsambulanz), stationären oder teilstationären (Übergangs- oder Tagesklinik) Rahmen am GOAL-Programm teilnehmen können. Ablauf und „Bausteine“ des GOAL-Programms
Behandlungsmodul Umfang/ Frequenz Leitung/ Co-Leitung GOAL-Psychoedukation
� 10 Sitzungen, 2x pro Woche
� Leitung Psychol. Psychotherapeut oder Facharzt für Psychiatrie/ Co-Leitung Ergotherapeut, Sozialarbeiter
GOAL-Praxis � 5 Sitzungen, 1x pro Woche
� Leitung Psychol. Psychotherapeut oder Facharzt für Psychiatrie/ Co-Leitung Sozialarbeiter, Ergotherapeut
GOAL-Kreativ � 5 Sitzungen, 1x pro Woche
� Leitung Ergotherapeut/ Co-Leitung Sozialarbeiter, Psychol. Psychotherapeut oder Facharzt für Psychiatrie
GOAL-Sport � 20 Sitzungen, 4x pro Woche
� Leitung Sporttherapeut/ Co-Leitung Ergotherapeut, Psychol. Psychotherapeut oder Facharzt für Psychiatrie, Sozialarbeiter
Nach Abschluss des 5-wöchigen GOAL-Behandlungsprogramms GOAL-Nachsorge � Fortlaufend, 1x pro
Woche, offene Gruppe � Leitung Psychol. Psychotherapeut � Co-Leitung Ergotherapeut � Co-Leitung Sozialarbeiter
Die Behandlung findet in einer geschlossenen Gruppe an vier verschiedenen Tagen pro Woche (Mo, Di, Do, Fr) statt:
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 14-15 Uhr
GOAL-Praxis 14-15 Uhr
GOAL-Psychoeduaktion
14-15 Uhr GOAL-Kreativ
14-15 Uhr GOAL-
Psychoedukation 15.15-16 Uhr GOAL-Sport
15.15-16 Uhr GOAL-Sport
15.15-16 Uhr GOAL-Sport
15.15-16 Uhr GOAL-Sport
Inhalt der einzelnen „Bausteine“ des GOAL-Programms
� GOAL-Psychoedukation Psychoedukative Gruppe mit Schwerpunkt auf Vermittlung von Wissen zum Zusammenhang von Suchmittelabusus und Exazerbation einer schizophrenen Psychose und der Vermittlung von Kompetenzen zur Rückfallverhütung und Rückfallmanagement:
Sitzung 1 Was will ich hier erreichen? Sich auf Kurs bringen
Die Teilnehmer stellen sich untereinander vor und besprechen ihre Therapiemotivation und individuellen Therapieziele.
Sitzung2 Ich (mit und besser) Ohne Drogen Wirkungen und Auswirkungen von Drogenkonsum
Besprechung der individuellen Beweggründe für den Drogenkonsum. Des Weiteren können die Teilnehmer über ihre individuellen Erfahrungen mit und von den Auswirkungen des Substanzkonsums berichten. Einführung des Konzeptes von Substanzmissbrauch als „ungesunde Gewohnheit“, die wieder verlernt bzw. durch gesundheitsdienliche Alternativen ersetzt werden kann.
Sitzung 3
Bin ich wirklich süchtig? Kriterien für Missbrauch und Abhängigkeit von Drogen
Besprechung der Merkmale von Missbrauch und Abhängigkeit von Suchtmittel. Bearbeitung von dysfunktionalen Einstellungen zum Suchtmittelgebrauch.
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Sitzung 4 Warum auch noch Öl ins Feuer gießen? Fakten zu Drogenkonsum und Psychose
Vermittlung relevanter Fakten zum Thema schizophrene Psychose und über den Zusammenhang von Drogenkonsum und (negativen) Verlauf der Psychose.
Sitzung 5 Was mich in große Gefahr bringt! Identifikation von Hochrisiko-Situationen und Alarm-Signalen
Analyse von Situationen und Stimmungen, die Rückfall gefährdend sind und Entwicklung von adäquaten Bewältigungs-Maßnahmen. Identifikation von internen und externen Triggern für Drogenverlangen bzw. –Konsum und Besprechung von Möglichkeiten zur Craving-Kontrolle.
Sitzung 6 Einmal schadet nicht? Schadensbegrenzung bei erneutem Drogenkonsum
Verdeutlichung des Unterschiedes zwischen einem „Ausrutscher“ und einem vollständigem Rückfall. Besprechung von Maßnahmen zur Begrenzung eines erneuten Substanzkonsums und zur schnellstmöglichen Wiederaufnahme der Behandlung.
Sitzung 7 Zur schnellen Erinnerung! Erstellung einer persönlichen Notfallkarte und Benennung einer Vertrauensperson
Auf der Notfallkarte, die als Erinnerungshilfe dient, werden - kurz und prägnant - die individuellen Maßnahmen zur Begrenzung bzw. Bewältigung von Rückfallgefährdenden Momenten notiert. Der Patient kann eine Person in seinem persönlichen Umfeld benennen, die keine Drogen konsumiert und sein Vertrauen genießt, so dass er relevante Themen mit ihr besprechen kann. Im Krisenfall (bezüglich der Psychose und/ oder des Drogenkonsums) soll sie den Patienten dazu bewegen bzw. darin unterstützen, schnellstmöglich therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Sitzung 8 Alles was mir gut tut Gesundheitsförderliche Aktivitäten, Hobbies und Vorlieben
Es werden gesundheitsdienliche Aktivitäten und Erlebnisse besprochen, die dysphorische Gefühlszustände verringern und Spaß und Genuss machen.
Sitzung 9 Wirklich? Kurs halten! Abstinenz lohnt sich
Mittels Erfahrungsaustausch und anhand einer PLUS - MINUS Liste werden Nachteile des Drogenkonsums und Vorteile für ein dauerhaftes Leben ohne Drogen erarbeitet.
Sitzung 10 Beste Wünsche fürs Leben Ausklang und Verabschiedung
Die Teilnehmer sollen sich in dieser letzten Sitzung von den anderen Gruppenmitgliedern verabschieden und diesen (und sich selbst) ihre „besten Wünsche“ für eine drogenfreie Zukunft auszusprechen.
Überblick über die Inhalte der einzelnen Sitzungen von GOAL-Psychoedukation � GOAL-Praxis Anhand von geschilderten Erlebnissen der Patienten werden im Rollenspiel Fertigkeiten, Strategien und Verhaltensweisen geübt, die zur Rückfallprävention bzw. Schadensbegrenzung bei erneutem Substanzmissbrauch und zur Gestaltung von sozialen Kontakten dienlich sind. � Stunde 1: Angebotene Drogen ablehnen � Stunde 2: Dem Therapeuten eine Abstinenzverletzung mitteilen � Stunde 3: Neuen Bekannten mitteilen, dass man Drogen genommen hat und nun „clean“ bleiben
möchte � Stunde 4: Mit dem Arzt Wirkung und Nebenwirkungen der Medikation kritisch besprechen, mit
dem Ziel diese zu optimieren � Stunde 5: Lob und Kritik äußern und entgegen nehmen
Überblick über die Inhalte der einzelnen Sitzungen von GOAL-Praxis
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� GOAL-Kreativ In dieser Gruppe wird das Thema: „Leben mit und (besser) ohne Drogen“ mit kreativen und gestalterischen Mitteln bearbeitet. � Stunde 1: "Alles ver-rückt hier - mein Erleben (in) der Psychose" � Stunde 2: „Ich mit und ohne Drogen“ � Stunde 3: „Alles was mir gefährlich werden kann“ � Stunde 4: „Warum es mir Wert ist, clean zu bleiben“ � Stunde 5: "So möchte ich gerne einmal leben - heute baue ich mein eigenes Haus"
Überblick über die Inhalte der einzelnen Sitzungen von GOAL-Kreativ � GOAL-Sport In dieser Gruppe soll mittels sportlicher Betätigung (Ausdauer, Krafttraining) eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der sensomotorischen Koordination erreicht werden. Darüber hinaus sollen bei den Patienten Selbstwirksamkeitserwartung, Leistungsbereitschaft und Durchhaltevermögen verbessert werden.
Psychoedukation für Angehörige im Rahmen des GOAL-Behandlungsprogramms Die Angehörigen von Patienten mit Doppeldiagnose benötigen ebenfalls wissenschaftlich fundierte Informationen, über Ursachen, Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten der psychotischen Grunderkrankung und des Drogenkonsums. Darüber hinaus bedürfen die Angehörigen auch emotionaler Unterstützung bei der Bewältigung der psychosozialen Folgen der Erkrankung(en) ihres Familienmitgliedes. Des Weiteren können Angehörige als wertvolle „Co-Therapeuten“ im Rahmen einer Langzeitstabilisierung des Patienten wirken. Da sich die GOAL-Angehörigengruppe auf die Doppeldiagnose-Problematik konzentriert, sollten die Angehörigen nach Möglichkeit zuvor eine auf die schizophrene Psychose zentrierte psychoedukative Intervention besucht haben (z.B. Behrendt 2004). Im Rahmen des GOAL-Behandlungsprogramms wird den Angehörigen eine Betreuung im Gruppensetting angeboten. Die 9 Sitzungen der GOAL-Angehörigengruppe sind inhaltlich folgendermaßen aufgebaut: Sitzung 1 Begrüßung und Einführung Vorstellung der Gruppenleiter und Teilnehmer,
Klärung der Erwartungen und Wünsche, Darstellung des Organisatorischen (Zeitplan, generelles Vorgehen)
Sitzung 2 Grundlegendes zur Psychose Darstellung des Psychose- und Schizophrenie Begriffes; Klärung der Ätiologie von Psychosen (Umwelt und Vererbung) und des Verlaufes der Erkrankung; Erläuterung der medikamentösen und psychosozialen Behandlungsmöglichkeiten einer Psychose.
Sitzung 3 Grundlegendes zur Sucht und Suchtmittel
Darstellen der Kriterien für den Missbrauch und der Abhängigkeit von Suchtmittel; Erläuterung der psychotrophen und somatischen Wirkung und Auswirkung von verschiedenen Suchstoffen;
Sitzung 4 Fakten zur Interaktion von Drogenkonsum und Psychose
Darstellung der negativen Auswirkung von Drogenkonsum auf den Verlauf der Psychose.
Sitzung 5 Sinnvolle Maßnahmen bei Rezidiven der Psychose und Rückfall bezüglich des Suchtmittelkonsum
Klärung der Rolle der Angehörigen und Erläuterung von sinnvollen „Notfallmaßnahmen“ bzw. eines Krisenplans bei psychotischen Rezidiven und bei Drogen bedingten Rezidiven; Darstellen der Funktion einer Vertrauensperson.
Sitzung 6 Auch mal an sich denken und sich etwas GUTES tun
Was können die Angehörigen zu ihrer eigenen Gesundheitserhaltung bzw. Stabilität beitragen? Funktionaler Umgang mit Schuld- und Schamgefühlen.
Sitzung 7 Weiterführende Hilfen und Behandlungsmöglichkeiten
Es werden regionale Hilfsangebote und Unterstützungsmöglichkeiten für Patienten und deren Angehörige dargestellt.
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Sitzung 8 Klärung offener Fragen und Abschluss
Besprechung offen gebliebener Fragen; Hinweis auf weiterführende Literatur; Rückmelderunde.
[Sitzung 9] Nachtreffen Die Angehörigen berichten über Vorkommnisse und ihre Befindlichkeit seit dem Abschluss der Gruppe.
Überblick über die Inhalte der einzelnen Sitzungen der GOAL-Angehörigengruppe
In der folgenden Tabelle ist das GOAL-Behandlungsprogramm zusammenhängend in der ► 5-Wochen-Übersicht dargestellt:
MONTAG
DIENSTAG MITTWOCH DONNERSTAG FREITAG
WOCHE 1 GOAL-
Psychoedukation GOAL- Praxis
GOAL- Kreativ
GOAL-Psychoedukation
(1) Was will ich
hier erreichen? - Sich auf Kurs
bringen
(1) Angebotene
Drogen ablehnen
(1) Alles ver-rückt hier –
mein Erleben in der Psychose
(2) Ich (mit und besser)
Ohne Drogen - Wirkungen und
Auswirkungen von Drogenkonsum
WOCHE 2
(3) Bin ich wirklich süchtig?
- Kriterien für Missbrauch und
Abhängigkeit von Drogen
(2) Dem Therapeuten
eine Abstinenzverletz
ung mitteilen
(2) Ich MIT und OHNE Drogen
(4) Warum auch noch Öl ins Feuer gießen?
Fakten zu Drogenkonsum und
Psychose
WOCHE 3 (5) Was mich in große Gefahr
bringt! - Identifikation von
Hochrisiko- Situationen und Alarm-Signalen
(3) Neuen Bekannten mitteilen,
dass man Drogen genommen hat und nun „clean“ bleiben
möchte
(3) Alles was mir gefährlich werden kann
(6) Einmal schadet nicht? -
Schadensbegrenzung bei erneutem
Drogenkonsum
WOCHE 4 (7) Zur schnellen
Erinnerung! - Erstellung einer
persönlichen Notfallkarte und
Benennung einer Vertrauensperson
(4) Mit dem Arzt Wirkung und
Nebenwirkungen der
Medikation kritisch
besprechen, mit dem Ziel diese zu optimieren
(4) Warum es mir Wert ist, clean zu
bleiben
(8) Alles was mir gut tut -
Gesundheitsförderliche Aktivitäten, Hobbies
und Vorlieben
WOCHE 5 (9) Wirklich? Kurs halten! - Abstinenz
lohnt sich
(5) Lob und Kritik äußern und entgegen
nehmen
(5) So möchte ich gerne
einmal leben - heute baue ich mein eigenes
Haus
(10) Beste Wünsche fürs Leben - Ausklang und Verabschiedung
Studienbrief: Doppeldiagnose Psychose und Sucht – Version 2009 Psych. Psychotherapeut R. D’Amelio, Universitätskliniken des Saarlandes, 66421 Homburg/ Saar,
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Auf den folgenden Seiten: finden sich eine Auswahl an ► Arbeitsmaterialien (Handouts) aus dem Therapiemanual: D’Amelio R, Behrendt B, Wobrock T (2006) Psychoedukation Schizophrenie und Sucht. Manual zur Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen. München: Urban & Fischer (ISBN: 3-437-22756-4)
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GOAL- Gesund und Ohne Abhängigkeit Leben
Psychoedukation bei Psychose und Sucht
Bin ich wirklich süchtig?
Kriterien für den Missbrauch und der Abhängigkeit von Drogen
1. Bei mir besteht häufig ein starker Wunsch, Drogen zu
konsumieren
2. Wenn ich einmal angefangen habe Drogen zu
nehmen, kann ich nicht oder nur schwer damit aufhören
3. Wenn ich aufhören will mit dem Drogekonsum, fühle ich mich körperlich oder seelisch unwohl
4. Ich brauche immer mehr Drogen, um die gleiche bzw.
eine angenehme Wirkung zu erzielen
5. Ich verbringe viel Zeit mit der Beschaffung und den
Konsum von Drogen, so dass ich meine früheren Interessen, meine Freunde und Bekannten vernachlässige
6. Ich konsumiere weiter Drogen, obwohl bereits
schädliche körperliche Folgen festgestellt worden sind oder ich mit dem Gesetz oder Menschen in meiner Umgebung in Konflikt geraten bin
7. Wenn ich Drogen nehme, kommen die Symptome
meiner Psychose wieder oder werden stärker
8. Wenn ich Drogen nehme, dann nehme ich meine
Medikamente nicht mehr so zuverlässig oder gar nicht mehr ein
9. Ich wurde wegen der Psychose oder des
Drogenkonsums schon mehrfach in einer Klinik behandelt
Bitte schätzen Sie sich selbst ein:
Schaden mir Drogen? Bin ich abhängig von Drogen?
JA
NEIN
JA
NEIN
JA NEIN
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Psychoedukation bei Psychose und Sucht: 3. Sitzung / Handout 3.1
GOAL – Gesund und Ohne Abhängigkeit Leben
Psychoedukation bei Psychose und Sucht
Warum auch noch Öl ins Feuer gießen?
Der Begriff „Psychose“ bezeichnet eine psychische Erkrankung, bei der es zu Veränderungen im:
Denken – Empfinden – Wahrnehmen und Erleben kommt. Dadurch kann der Bezug zur Realität
vorübergehend oder zeitweise verloren gehen. Typische Krankheitszeichen einer Psychose sind
zum Beispiel:
� Die ansonsten vertraute Umwelt wird verändert oder fremd wahrgenommen
� Man bezieht Ereignisse in der Umgebung auf sich
� Man fühlt sich beobachtet oder verfolgt
� Man hört oder sieht etwas, was alle anderen nicht wahrnehmen.
Die Ursachen einer Psychose sind bislang nicht eindeutig zu bestimmen. Verantwortlich dafür können
► erbliche Faktoren, ► ungünstige Lebens- und Umweltbedingungen sein, wie auch ► komplizierte
Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren sein. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer
Vulnerabilität, d.h. einer gewissen Veranlagung oder Empfindlichkeit zur Entwicklung einer
Psychose. Das bedeutet noch lange nicht, dass eine Psychose bei vorliegender Vulnerabilität oder
Veranlagung auch ausbrechen muss. Zum Ausbruch einer Psychose kommt es oft dann, wenn die
eigenen Bewältigungsstrategien (z.B. bei Stress oder anderen Lebensbelastungen) nicht ausreichen,
unangemessen sind oder zu spät eingesetzt werden.
Darüber hinaus ist zu betonen, dass der Konsum von Drogen oder Alkohol ein wesentlicher
Risikofaktor für das Erstauftreten und der Wiedererkrankung an einer Psychose darstellt. Bei einer
entsprechenden Vulnerabilität ist das so, als würde man noch zusätzlich ► Öl ins Feuer gießen und
damit das Feuer noch zusätzlich „anheizen“.
Viele Suchtmittel führen direkt zu einem Ausbruch der Psychose, da sie ► den Hirnstoffwechsel
negativ verändern. Darüber hinaus führen viele Suchtmittel auch indirekt zu einem Ausbruch der
Psychose, weil sie ► die Schutzwirkung von Medikamenten herabsetzen oder einen dazu bringen,
diese ► schützenden Medikamente nur noch unregelmäßig bzw. gar nicht mehr einzunehmen.
Des Weiteren führt fortgesetzter Konsum von Drogen- und Alkohol mittel- bis langfristig zu
schwerwiegenden körperlichen (► z.B. Schädigung des Gehirns, der Leber, der Schleimhäute) und
psychischen (► z.B. Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und sich etwas zu merken)
Folgeschäden. Dadurch können wichtige Lebensziele in Ausbildung, Beruf und Partnerschaft nicht
erreicht werden.
Weiter Drogen nehmen?
Abstinent leben?
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Psychoedukation bei Psychose und Sucht: 4. Sitzung / Handout 4.1
GOAL – GESUND und OHNE Abhängigkeit Leben
Psychoedukation bei Psychose und Sucht
Zukunfts-Werkstatt: Ich hab noch einiges vor!
Kann ich meine Lebensziele auch MIT Drogen erreichen? nur MIT weil...
nur OHNE weil...
Weiter Drogen nehmen?
Abstinent leben?
Psychoedukation bei Psychose und Sucht: 6. Sitzung / Handout 6.1
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GOAL – GESUND und OHNE Abhängigkeit Leben
Psychoedukation bei Psychose und Sucht
Gefahrenabwehr – sich in Sicherheit bringen!
� Was kann ich tun, um abstinent zu bleiben? � Ich achte auf Alarmsignale und vermeide mich in Gefahr zu bringen � wenn ich in einer Hochrisiko-Situation bin, dann achte ich darauf, so schnell wie möglich die
Risikosituation zu verlassen � Motto: „Immer umkehren und weggehen wenn ich in einer gefährlichen Situation bin!“
� Was kann ich tun, um einen Rückfall schnell zu stoppen, so dass er ein „Ausrutscher“ bleibt?
� Wenn ich Drogen nehme, dann stoppe ich die Drogeneinnahme so früh wie möglich, bevor sie
weiteren Schaden an meiner Gesundheit, meinen Beziehungen oder an meinen Finanzen verursacht.
� Ich spreche mit meiner Vertrauensperson und mit meinem Therapeuten und nehme schnell die
Behandlung wieder auf � Ich bespreche den Ausrutscher in der Gruppe/ mit meinem Therapeuten und versuche
herauszufinden, wie ich ihn das nächste Mal vermeiden kann.
Vollständiger Rückfall
Alles tun, um GESUND zu bleiben
Bei Ausrutschern sofort AUFHÖREN, Drogen zu nehmen
Hochrisiko-Situationen VERMEIDEN oder VERLASSEN
Bei Alarmsignalen sofort GEGENSTEUERN
DieErfolgsleiter...
Psychoedukation bei Psychose und Sucht: 6. Sitzung / Handout 6.2
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GOAL – GESUND und OHNE Abhängigkeit Leben
Psychoedukation bei Psychose und Sucht
Der Vertrag mit einer Vertrauensperson
Ich: _______________________________ schließe mit meiner
Vertrauensperson: ___________________________________
folgenden Vertrag ab.
� Falls ich wieder Drogen konsumiere verpflichte ich mich:
� Den Drogenkonsum unverzüglich stoppen
� Diese Hochrisiko-Situation sofort verlassen
� Meine Vertrauensperson darüber informieren, mich schnellstmöglich mit ihr zu treffen und mit ihr
über den Ausrutscher sprechen
� Mit meiner Vertrauensperson zusammen zu überlegen, was zu dem Rückfall geführt hat und wie
ich das in Zukunft vermeiden kann
� Mit meinem Arzt/ Therapeuten zu sprechen und meine Therapie wieder aufzunehmen
� Mir Mut zu machen und mir zu sagen: „Du schafft es!“
� Meine Vertrauensperson verpflichtet sich:
� Mir dabei zu helfen, den Drogenrückfall schnellstmöglich zu beenden
� Mich dabei zu unterstützen, herauszufinden warum und wie es zu diesem Rückfall gekommen ist
� Mich dabei unterstützen, meinen Arzt/ Therapeuten zu kontaktieren und meine Therapie wieder
aufzunehmen
___________________ ____________________ ____________________
Datum Unterschrift der Vertrauensperson Ihre Unterschrift
Psychoedukation bei Psychose und Sucht: 7. Sitzung/ Handout 7.1
Studienbrief: Doppeldiagnose Psychose und Sucht – Version 2009 Psych. Psychotherapeut R. D’Amelio, Universitätskliniken des Saarlandes, 66421 Homburg/ Saar,
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GOAL- Gesund und Ohne Abhängigkeit Leben Die Rolle von angenehmen Erlebnissen +Aktivitäten bei der
Bewältigung von Stress: Liste Positiver Verstärker
Was? Wie gerne? Wie häufig?
Aktivitäten/ Erlebnisse Nicht Etwas Sehr Nie Selten Oft
� Kontakt & Geselligkeit • Mit jemanden zusammen sein, den
man mag • Mit den Kindern spielen • Unternehmungen/ Ausflüge mit der
Familie • Besuche machen/ Besuche
empfangen • Auf Feste gehen/ Feiern ausrichten • Geschenke machen/ bekommen • Mit Freunden über ein persönliches
Anliegen bzw. Problem reden • Mit dem Partner über
Organisatorisches sprechen • Den eigenen Standpunkt vertreten • Kritik äußern/ Die Meinung sagen • Jemandem helfen • Jemanden anlächeln/ loben • Für jemanden etwas Besonderes tun • Einen Vertrauten um Rat/ Hilfe bitten • Ein Kaffee/ Lokal besuchen • In einem Verein mitarbeiten/ sich
gemeinnützig engagieren • Gesellschaftsspiele • ...............................................................
............................................................... • ...............................................................
...............................................................
� Für sich sein • Zeitung/ Ein gutes Buch lesen • Tagebuch/ Briefe schreiben • Entspannen/ Pause machen • Sauna/ Massage/ Ein Bad nehmen • Den nächsten Urlaub planen • Positive Zukunftspläne schmieden • Tagträumen/ Meditieren • Durch die Stadt bummeln • Ein persönliches Problem lösen
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GOAL- Gesund und Ohne Abhängigkeit Leben Die Rolle von angenehmen Erlebnissen +Aktivitäten bei der
Bewältigung von Stress: Liste Positiver Verstärker
Was? Wie gerne? Wie häufig?
Aktivitäten/ Erlebnisse Nicht Etwas Sehr Nie Selten Oft
• Ein Nickerchen machen/ Ausschlafen • Musik hören • Sich etwas zum Geschenk machen • ...............................................................
............................................................... • ...............................................................
...............................................................
� Hobbys ausüben • Sich sportlich betätigen • Sportveranstaltungen besuchen • Gartenarbeit • Sachen sammeln • Basteln/ Heimwerken • Sich künstlerisch betätigen • Einen Kurs bei der VHS besuchen • Besuch von Museum/ Theater/Kino/ • Konzert/ Kunstsammlung/ Vortrag • Tanzen gehen • ...............................................................
............................................................... • ...............................................................
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� Im Freien sein • Spazierengehen/ Wandern • Radfahren/ Laufen/ Schwimmen • In der Sonne sitzen • Pflanzen pflücken/ An Blumen riechen • Eine schöne Aussicht genießen • Barfuss laufen/ Durchs Wasser waten • In den Himmel schauen • Im Gras liegen • Naturgeräuschen zuhören • ...............................................................
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• ...............................................................
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