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Dortmund 22.11.2011 www.stefan-sell.de www.aktuelle-sozialpolitik.de Prof. Dr. Stefan Sell FH Koblenz ▪ Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (ibus) Inklusion – Gesellschaftliche Perspektiven und zu erwartende Veränderungen im Sozialen System Vortrag auf der Jahrestagung „Inklusion – und nun?“ des 27 ff Evangelischer Fachverband für Erzieherischen Hilfen Rheinland-Westfalen-Lippe 22.11.2011 Dortmund

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Prof. Dr. Stefan Sell

FH Koblenz ▪ Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (ibus)

Inklusion – Gesellschaftliche Perspektiven

und zu erwartende Veränderungen im Sozialen System

Vortrag auf der Jahrestagung „Inklusion – und nun?“

des 27 ff Evangelischer Fachverband für Erzieherischen Hilfen

Rheinland-Westfalen-Lippe

22.11.2011

Dortmund

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Ein möglicher Blick auf „Inklusion“

Exklusion

SeparierungIntegration

Inklusion

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„Inklusion“ – mehr als nur ein Modebegriff?

Von besonderer Bedeutung ist die Inklusionsdebatte seit längerem im Bereich

der Behindertenhilfe – hier in Verbindung mit einer generell wirksamen, allerdings

höchst ambivalent angelegten vorlaufenden Ambulantisierungsdiskussion

( Problematik einer „halbierten Ambulantisierung“)

Hinsichtlich der wachsenden Gruppe der psychisch kranken Menschen kommt hinzu,

dass sie sich in einer überaus komplexen und daher mit zahlreichen Schnittstellen

versehenen sozialrechtlichen Gemengelage bewegen müssen bzw. müssten

(SGB II, SGB XII, SGB IX, SGB V), die durch eine fatale Gleichzeitigkeit einer

Überkomplexität des strukturell nicht Möglichen und einer Unterkomplexität

der personenbezogenen Hilfe über die Systemgrenzen hinweg gekennzeichnet ist

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Aktuell entfaltet sich die Inklusionsdebatte vor allem im Bereich der Bildungspolitik,

speziell im Umfeld der Diskussion über die Separierung der mit „Förderungsbedarf“

belegten Schüler/innen in spezielle Förderschulen; insgesamt ist eine erhebliche

„Schullastigkeit“ der deutschen Inklusionsdebatte am aktuellen Rand zu beobachten

allerdings: Vermischung mit einer (aufkommensneutralen?) Integrationsdebatte

In der Arbeitsmarktpolitik gibt es widersprüchliche Ausformungen: Zum einen wird

auch hier ein inkludierender Ansatz vertreten bzw. gefordert, gerade mit Blick auf die

Menschen mit Behinderungen, zum anderen aber kann man durchaus begründet

Forderungen nach einer (temporären?) Separierung dieser Menschen aus

den Normalitätsanforderungen der standardisierten Arbeitsmarktpolitik vertreten,

da diese Menschen ansonsten unter die „Dampfwalze“ für sie nicht geeigneter

Maßnahmen geraten oder aber schlichtweg „vergessen“ bzw. exkludiert werden

„Inklusion“ – mehr als nur ein Modebegriff?

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Zum Begriff der „Ambulantisierung“: Zwei Seiten einer (?) Medaille

Ambulantisierung ist kein neues Phänomen, sondern steht seit mehr als

drei Jahrzehnten auf der Agenda der Gesundheits- und Sozialpolitik.

Beispiel „ambulant vor stationär“ im Gesundheitswesen:

Wandel der gesundheitlichenProblemlagen der Bevölkerungdurch die demografische Alterungund die Zunahme chronischerErkrankungen

Bewältigung vorrangig durch ambulante Versorgungskonzepte,die dort ansetzen, wo der Haupt-ort der Krankheitsbewältigung ist:im direkten Lebensumfeld derbetroffenen Menschen

Zugleich aber war mit derAmbulantisierung intendiert,die Nutzung kostenintensiverstationärer Versorgungsangeboteeinzuschränken, den stationärenSektor zu entlasten und denAusgabenanstieg im Gesundheits-wesen zu bremsen.Ökonomische Aspekte spieltenbei der Ambulantisierung immerschon eine Rolle, haben aber zu-nehmend andere Motive in denHintergrund gedrängt

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Die „zwei Welten“ der „Ambulantisierung“

Die „ideelle“ Seiteder Ambulantisierung

Die „halbierte“ Ambulantisierung

Paradigmenwechselbei der Ausgestaltung

der sozialen Hilfen

Vision einer „heimlosenGesellschaft“; radikaleDeinstitutionalisierung;

neuer „Bürger-Profi-Mix“im „dritten Sozialraum“

primär bzw. ausschließlichökonomisch-funktionaler Zugriff

auf Ambulantisierung mit Blickauf ihre (faktische oder angenommene

Instrumentalfunktion für mehrvertikalen und horizontalen Wettbewerb

und darüber die Realisierung vongeringeren Ausgaben

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Die „ideelle Seite“ der „Ambulantisierung“: Ein Paradigemenwechsel hin zu radikaler

Selbstbestimmung und Entinstitutionalisierung personenbezogener Hilfen

Vision und auch Forderung nach einer „heimlosen Gesellschaft“ (Dörner):

Paradigma des Hilfesystemsmit der imperativen Priorität

von Institutionen

Paradigma mit der imperativen Priorität ambulant-kommunaler

Problemlösungen (community care)

entweder - oder

Problem der bisherigen schrittweisen Entwicklung mit einer teilweisen

Ambulantisierung für viele Heime „Konzentration der Unerträglichkeit“

und daraus resultierend eine Stabilisierung der Fehlplatzierungen im

stationären System ( Aufrechterhaltung einer „gesunden Mischung“)

Konsequenz: Wenn, dann alle in die Gemeinde ambulantisieren

(„skandinavischer Weg“); ansonsten Problem des „Gefangenseins im abgestuften Konzept“

„Heim in die Wohnung holen“; Konzepte wie das des „supported living“

Trennung von Wohnraum und Unterstützung sowie person-zentrierte Planung

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Das (doppelte) Machtungleichgewicht für behinderte Menschen

Quelle der Abbildungen: Niehoff 2007

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Zurück zur aktuellen Inklusionsdebatte

– oder ist es nicht eher eine (partielle) Integrationsdebatte?

Regelschule

FS

Jugendhilfeträger

GanztagsbereichBehindertenhilfe

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Behinderten-Fahrten vor dem AusBehinderte Schüler dürfen wegen des Haushaltslochs nicht mehr mit dem Schultaxi

befördert werden. Die Stadt spart so bis zu 60.000 Euro pro Monat. Experten rechnen

damit, dass Behinderte jetzt auf reguläre Schulen wechseln.

Die Stadt Krefeld muss die Finanzierung des "Schülerspezialverkehrs" für Behinderte

erheblich einschränken. Dies hat Schulamtsleiter Rainer Hendrichs jetzt bestätigt. Wegen

der angespannten Haushaltslage müssen die behinderten Schüler künftig mit normalen

Bussen statt mit Spezialtaxis fahren, sofern die Eltern die Finanzierung nicht

übernehmen.

"Da kommt ein großes Problem auf uns zu", sagte ein Vertreter des Schulamtes. Viele

der Schüler seien verhaltensauffällig und litten unter emotionalen Störungen. Weil sie

häufig aus sozial schwachen Familien kämen und die Eltern die Fahrten nicht selbst

finanzieren können, würden diese Schüler wahrscheinlich künftig auf normale Schulen

wechseln; möglich macht dies das "Inklusionsgesetz"; es sieht vor, dass behinderte

Schüler an Regelschulen unterrichtet werden.(Quelle: RP Online, 20.05.2011)

Gut gemeint – und schlecht gelandet angesichts der Rahmenbedingungen?

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Die größten Postenbei den Sozialleistungen

der Kommunen

Die größten Postenbei den Sozialleistungen

der Kommunen

Kinder- und JugendhilfeKinder- und Jugendhilfe

Grund-

sicherung

für Erwerbs-

unfähige

und Ältere

Kosten der Unterkunft

für SGB II-Empfänger

Eingliederungs-

leistungen für

Behinderte

Wofür die meisten Sozialausgaben bei den Kommunen anfallen

In Zukunft wieder

ansteigend die Hilfe

zur Pflege (SGB XII)