DRAGONS SCHWUR...Der Schwertmeister starrte in die Flammen, als könnte er darin ein Mittel...

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P. C. Cast und Kristin Cast DRAGONS SCHWUR EINE HOUSE OF NIGHT STORY Aus dem Amerikanischen von Susanne Goga-Klinkenberg

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  • P. C. Cast und Kristin Cast

    DRAGONS SCHWUREINE HOUSE OF NIGHT STORY

    Aus dem Amerikanischenvon Susanne Goga-Klinkenberg

  • Eins

    Oklahoma, Gegenwart

    Zorn und Verwirrung regten sich in Dragon Lank-ford. Wollte Neferet sich tatsächlich so bald

    nach dem Tod des Jungen und dem verheerenden Be-such ihrer Göttin verabschieden?

    »Neferet, was wird aus der Leiche des Jungvam-pyrs? Sollten wir nicht weiter Wache halten?« Dra-gon Lankford konnte seine Stimme nur mit Mühebeherrschen, als er die Hohepriesterin ansprach.

    Neferet schaute ihn aus wunderschönen Smaragd-augen an und lächelte milde. »Es ist richtig von dir,mich daran zu erinnern, Schwertmeister. Diejenigenunter euch, die Jack mit lila Kerzen geehrt haben,werfen sie auf den Scheiterhaufen, wenn sie gehen.Die Söhne des Erebos wachen während der restlichenNacht über der Leiche des armen Jungvampyrs.«

    »Wie du wünschst, Priesterin.« Dragon verbeugtesich tief vor ihr und fragte sich, weshalb seine Hautso kribbelte – fast so, als wäre er mit Schmutz be-

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  • deckt. Plötzlich verspürte er das unerklärliche Ver-langen, sehr heiß zu baden. Es liegt an Neferet, mel-dete sich sein Gewissen mit sanfter Stimme. Mit ihrstimmt etwas nicht, seit Kalona sich aus der Erdebefreit hat. Das hast du gespürt …

    Dragon schüttelte den Kopf und biss die Zähnezusammen. Nebensächliche Ereignisse hatten nichtszu bedeuten. Gefühle waren nicht länger wichtig.Was zählte, war die Pflicht – und vor allem die Ver-geltung. Konzentriere dich! Du musst an deine Auf-gabe denken! befahl er sich selbst und nickte einigenKriegern zu. »Treibt die Menge auseinander!«

    Neferet sprach noch kurz mit Lenobia, bevor sieden Platz in der Mitte des Schulgeländes verließ undzu den Unterkünften der Lehrer ging. Dragon wür-digte sie kaum eines Blickes. Seine ganze Aufmerk-samkeit galt wieder dem brennenden Scheiterhaufenund dem flammenden Leichnam des Jungen.

    »Die Menge hat sich zerstreut, Schwertmeister. Wieviele von uns sollen mit dir am Scheiterhaufen wa-chen?«, erkundigte sich Christophe, einer seiner engs-ten Vertrauten.

    Dragon zögerte mit der Antwort. Er versuchte, sei-ne innere Mitte zu finden, bemerkte aber, dass die

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  • Jungvampyre und Lehrer, die sich unschlüssig umden hell lodernden Scheiterhaufen drängten, erregtund aufgebracht waren. Die Pflicht. Wenn alles ande-re nicht hilft, denk an die Pflicht!

    »Zwei Wachen sollen die Lehrer in ihre Wohnun-gen bringen. Die übrigen gehen mit den Jungvampy-ren. Sorgt dafür, dass alle in ihre Zimmer zurückkeh-ren. Ihr bleibt in der Nähe der Schlafsäle, bis diesefurchtbare Nacht zu Ende ist.« Dragons Stimme klangrau vor unterdrücktem Gefühl. »Die Schüler müssendie schützende Gegenwart der Söhne des Erebos spü-ren, damit sie sich sicherfühlen. Irgendeine Gewissheitmüssen sie haben.«

    »Aber der Scheiterhaufen des Kindes –«»Ich bleibe bei Jack.« Dragons Tonfall duldete kei-

    nen Widerspruch. »Ich werde an seiner Seite bleiben,bis sich das rote Glühen seiner Asche in Rost verwan-delt. Tu deine Pflicht, Christophe; das House ofNight braucht dich. Ich kümmere mich um die Trau-rigkeit, die zurückbleibt.«

    Christophe verneigte sich. Dann begann er, mitkalter, nüchterner Stimme die entsprechenden Befeh-le zu erteilen.

    Nur Sekunden schienen vergangen, bis Dragon be-

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  • merkte, dass er allein war. Er hörte das Geräusch desScheiterhaufens – das täuschend besänftigende Kna-cken und Knistern des Feuers. Ansonsten erfülltennur Nacht und unendliche Leere sein Herz.

    Der Schwertmeister starrte in die Flammen, alskönnte er darin ein Mittel entdecken, das seinenSchmerz linderte. Das Feuer flackerte in Bernsteinund Gold, in Rostbraun und Rot und erinnerte Dra-gon an ein kostbares Schmuckstück – einzigartig, er-lesen –, das an einem samtroten Band von der Farbefrischen Blutes hing …

    Wie von selbst glitt seine Hand in die Tasche. SeineFinger schlossen sich um die ovale Scheibe darin. Siewar flach und glatt. Er spürte noch die Umrisse desRotkehl-Hüttensängers, der einmal so klar und wun-derschön in die Oberfläche graviert gewesen war. Dasgoldene Schmuckstück schmiegte sich in seine Hand.Er umfasste es schützend, bevor er die Hand mit demMedaillon langsam hervorzog. Dragon fädelte dasSamtband durch die Finger und rieb mit dem Dau-men in einer vertrauten, geistesabwesenden Bewe-gung darüber. Er atmete tief aus, was mehr wie einSchluchzen als wie ein Seufzer klang, öffnete dieHandfläche und schaute darauf.

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  • Das Licht von Jacks Scheiterhaufen huschte überdie goldene Oberfläche des Medaillons und fing sichin dem Vogelbild.

    »Der Staatsvogel von Missouri«, sagte Dragon mitlauter Stimme, in der keine Gefühle mitschwangen,obwohl seine Hand mit dem Medaillon zitterte. »Ichfrage mich, ob du noch in der Wildnis zu finden bist,auf den Sonnenblumen am Fluss. Oder sind deineSchönheit und die der Blumen mit allem anderen ge-storben, was schön und magisch ist in dieser Welt?«Seine Hand schloss sich so fest um das Medaillon,dass sich die Knöchel weiß färbten.

    Dann öffnete Dragon schnell die Faust und drehtedas goldene Oval ehrfürchtig wieder und wieder inder Hand. »Du Narr!«, sagte er mit bebender Stimme.»Du hättest es zerbrechen können!« Mit zitterndenFingern betastete er den Verschluss, doch das goldeneSchmuckstück war unversehrt und ließ sich mühelosöffnen. Er sah die winzige Gravur, die mit der Zeitzwar verblasst war, aber noch immer das Gesicht derzierlichen Vampyrin zeigte, deren Blick den seinen zufesseln schien.

    »Wie kann es sein, dass du nicht mehr da bist?«,murmelte Dragon. Er fuhr über das alte Porträt in der

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  • rechten Hälfte des Medaillons streichelte dann aufder linken Seite die einzelne blonde Locke, die dorthaftete, wo einmal sein Jugendbildnis gewesen war.Er wandte den Blick vom Medaillon zum nächtlichenHimmel und wiederholte die Frage, lauter diesmal,aus den Tiefen seiner Seele schrie er um Antwort.»Wie kann es sein, dass du nicht mehr da bist?«

    Als Antwort erklang in der nächtlichen Luft dasvernehmliche Krächzen eines Raben.

    Zorn durchflutete Dragon, ein harter und heißerZorn, der seine Hände wieder erzittern ließ – diesmaljedoch nicht aus Schmerz über den Verlust, sondernaus dem überwältigenden Drang heraus zu schlagen,zu zermalmen, zu vergelten.

    »Ich werde dich rächen.« Dragons Stimme klangwie der Tod. Wieder schaute er auf das Medaillonund sprach zu der blonden Locke darin. »Dein Dra-che wird dich rächen. Ich werde das Unrecht, das ichzugelassen habe, wieder gutmachen. Ich werde nichtmehr den gleichen Fehler begehen, meine Liebste,meine Einzige. Die Kreatur wird nicht ungestraft da-vonkommen. Das schwöre ich.«

    Plötzlich wehte ein heißer Windstoß vom Scheiter-haufen herüber. Er hob die Locke an, und während

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  • Dragon vergeblich versuchte, sie festzuhalten, wurdesie davongetragen, weg von ihm, hoch hinauf auf denwarmen Luftzug, fast wie eine Feder. Sie schwebtedort, und dann veränderte sich der heiße Wind, stießeinen Laut aus, der an das überraschte Keuchen einerFrau gemahnte, atmete ein und sog die Haarlocke inden lodernden Scheiterhaufen, wo sie sich in Rauchund Erinnerung verwandelte.

    »Nein!«, schrie Dragon und sank schluchzend aufdie Knie. »Jetzt habe ich alles verloren, was ich vondir besaß. Durch meine Schuld …«, sagte er mit ge-brochener Stimme. »Durch meine Schuld, so wie ichauch deinen Tod verschuldet habe.«

    Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er sah, wiesich die Locke seiner geliebten Gemahlin in Rauchauflöste, der vor ihm wirbelte und tanzte. Dann be-gann er magisch zu schimmern, sich von Rauch ineinen Schleier grüner und gelber und brauner Funkenzu verwandeln, die sich umeinander kräuselten undteilten und zu einem Bild zusammensetzten: Die grü-nen Funken wurden zu einem langen, dicken Stängel –zarte gelbe Blütenblätter formten sich um den brau-nen Kreis in ihrer Mitte.

    Dragon wischte sich die Tränen ab, er konnte

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  • kaum glauben, was er da sah. »Eine Sonnenblume?«Seine Lippen fühlten sich ebenso taub an wie seinVerstand. Es ist ihre Blume!, rief sein Geist. Es mussein Zeichen von ihr sein! »Anastasia!«, schrie Dra-gon, als sich die Taubheit in eine schreckliche undwunderbare Quelle der Hoffnung verwandelte. »Bistdu hier, meine Einzige?«

    Das Bild der schimmernden Sonnenblume zitterteund veränderte sich. Das Gelb floss in einer Kaskadehinunter, die sich goldblond färbte. Das Braun erhell-te sich zur Farbe sonnengeküsster Haut, und dasGrün schmolz in die Haut und gerann zu leuchten-den Kugeln, die zu türkisfarbenen Augen wurden,vertraut und geliebt.

    »Oh, Göttin, Anastasia! Du bist es!« Dragons Stim-me brach, als er die Hand nach ihr ausstreckte. Dochdas Bild hob sich, verspottete ihn, schwebte knappaußerhalb seiner Reichweite. Enttäuscht schrie er aufund unterdrückte einen Elendslaut, als sich die Stim-me seiner Gemahlin wie ein Bach, der über wasserge-schliffene Kiesel rinnt, singend um ihn herum ausbrei-tete. Dragon hielt die Luft an und lauschte dergeisterhaften Botschaft.

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  • Verzaubert ist dies Medaillon für dich, meinenEinzigen, meinen Gemahl, der mir entrissen.Gekommen ist der Tag, an dem der Tod unsbrachte Trennungsschmerzen.Ich werde ewig auf dich warten, sollst du wissen.Bis wir uns wiedersehn, trag deine Liebe ich imHerzen.Bedenk, du hast geschworen, Kraft mit Gnade ab-zumildern.So lang wir auch getrennt sein mögen, gemahneich dich an den Eidewiglich … ewiglich …

    Das Bild vor ihm lächelte noch einmal, bevor es ver-schwamm, sich in Rauch verwandelte und dann inNichts auflöste.

    »Mein Eid!«, rief Dragon und sprang auf die Füße.»Zuerst erinnert Nyx mich daran und jetzt du. Be-greifst du nicht, dass du wegen dieses verfluchten Ei-des gestorben bist? Hätte ich mich vor all den Jahrenanders entschieden, hätte ich das alles vielleicht ver-hindern können. Es war ein Fehler, Kraft durch Gnadeabzumildern. Weißt du das nicht mehr, meine Einzige?Erinnerst du dich nicht? Ich werde es nie vergessen …«

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  • Während Dragon Lankford, Schwertmeister desHouse of Night, über der Leiche des gefallenen Jung-vampyrs wachte, starrte er in den brennenden Schei-terhaufen und ließ sich von den Flammen in die Ver-gangenheit tragen, damit er noch einmal denSchmerz und die Freude – die Tragödie und den Tri-umph – einer Vergangenheit durchleben konnte, diediese herzzerreißende Zukunft geformt hatte.

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