Die Schicksalssaga · 2019. 7. 18. · Brazoragh der Orks zu führen. Da kein weiterer Hetmann den...

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DIE SCHICKSALSSAGA Dritte Kampagne des Aventurischen Karmakorthäons Johannes Hild, Oktober 2016 März 2017 Anfang PHE 1008 BF: Der von Firun gesandte Winter hatte sich aus der Hjaldingstadt Thorwal zurückgezogen und die milde Ifirn brachte den Frühling. Die Rekker schliffen ihre Schwerter und Äxte, die Skipmader kletterten die Maste der Ottas auf und ab, die im mittlerweile eisfreien Bodirhafen dümpelten, und die größten Thore der stolzen Nordmänner sammelten sich am traviagefälligen Herdfeuer der Methallen, um von neuen Questen und Herferds zu erzählen, die sie in den kommenden Monden in Swafnirs Namen begehen wollten. In den vergangenen Tagen konnte man immer wieder Herolde hören, die auf den Plätzen und in den Schänken Thorwals eine Botschaft von besonderer Brisanz ausriefen: „Im Namen der obersten Hetfrau Garhelt sind alle tapferen Rekker gefordert, sich zum Tag von Ifirns Dank in der großen Halla in Thorwal einzufinden. Auf Geheiß der gütigen Travia und des stolzen Swafnir ist die Zeit gekommen, den größten Helden dieses Zeitalters, den Thor Askir, zu erwählen.“ Viele Gerüchte gab es um die Erwählung des Thor Askir, die traditionell nur alle 100 Jahre statt fand und von den Göttern selbst gewährt wurde. Der letzte Thor Askir war der berühmte Hetmann Hyggelik, der die Zyklopeninseln brandschatzte und die verfluchte Zyklopenklinge Grimring trug. Ein jedes Kind der Thorwaler kannte die Legenden, gemäß denen sich Hyggelik nach seiner Ernennung zum Thor Askir auf die Suche nach dem sagenumwobenen Swafnirland machte, aber nie mehr von seiner Reise zurückkehrte. Manch einer wusste jedoch auch, dass Hyggelik damals der legendären Schicksalssaga von Orozar Siebenhieb folgte, um auf den Spuren des größten Volkshelden der Thorwaler zu wandeln. Viele alte Sagas besingen Orozars Heldentaten, wie er vor 1.800 Jahren die Schlangenkultisten von Harangor besiegte, die Schicksalsklinge erbeutete und die Krötenhaut erfand. Bekannt waren auch die Geschichten, in denen Orozar den heiligen Berg bestieg, auf dem sich ihm der Herr Firun offenbarte. Berühmt war auch sein Kampf gegen die Eiselfe Pyrdona, die er in die Niederhöllen stieß, sowie sein letztes Gefecht gegen den Basilisken Krötenkopp, dem er mit sieben Hieben der Schicksalsklinge den schuppigen Kopf abtrennte. Auf den Plätzen Thorwals sangen die Skalden in diesen Tagen oft die Sagas sowohl von Orozar als auch jene von Hyggelik. Und nicht selten träumte so mancher Jüngling davon, ebenfalls große Heldentaten zu verbringen und in den Sagas ewigen Ruhm zu erlangen. Doch nur wenigen Rekkern sollte ein solches Schicksal vergönnt sein. Mitte PHE 1008 BF: Viele Wochen waren vergangen, seitdem der reisende Norbarde Wlad und sein elfischer Freund Alriel ihr Winterquartier in Riva verlassen hatten. Mit ihrem Kastenwagen waren sie über Lowangen und Andergast bis nach Thorwal gereist und hörten voller Neugier von den Gerüchten um die Erwählung des Thor Askir. Wlad zog es daraufhin in die Hjaldingstadt, denn er witterte dort nicht nur ein gutes Geschäft, sondern hoffte auch, seinen alten Freund Tore dort wiederzufinden. Und tatsächlich konnte er in Erfahrung bringen, dass Hetmann Tore mitsamt seiner WogenreiterOtta in der Hjaldingstadt darauf wartete, am Wettstreit um den Titel des Thor Askir teilzunehmen. Wlad und Alriel spürten den tapferen Hetmann und dessen Mannschaft in einem der Langhäuser der Hjaldingstadt auf, wo diese in einem typisch thorwalschen Gelage die Kaperfahrten des vergangenen Sommers begossen und den baldigen Frühlingsbeginn vorfeierten. Wlad und Alriel wurden herzlich von den Nordmännern empfangen und zum Mitfeiern eingeladen. Bei Dinkelbier und Honigmet

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  • DIESCHICKSALSSAGADritte Kampagne des Aventurischen Karmakorthäons 

    Johannes Hild, Oktober 2016 ‐ März 2017 

    Anfang  PHE  1008  BF:  Der  von  Firun  gesandte Winter  hatte  sich  aus  der  Hjaldingstadt  Thorwal zurückgezogen und die milde Ifirn brachte den Frühling. Die Rekker schliffen ihre Schwerter und Äxte, die Skipmader kletterten die Maste der Ottas auf und ab, die  im mittlerweile eisfreien Bodirhafen dümpelten,  und  die  größten  Thore  der  stolzen  Nordmänner  sammelten  sich  am  traviagefälligen Herdfeuer  der  Methallen,  um  von  neuen  Questen  und  Herferds  zu  erzählen,  die  sie  in  den kommenden Monden in Swafnirs Namen begehen wollten. 

    In den vergangenen Tagen konnte man immer wieder Herolde hören, die auf den Plätzen und in den Schänken  Thorwals  eine  Botschaft  von  besonderer  Brisanz  ausriefen:  „Im  Namen  der  obersten Hetfrau Garhelt sind alle tapferen Rekker gefordert, sich zum Tag von Ifirns Dank in der großen Halla in Thorwal einzufinden. Auf Geheiß der gütigen Travia und des stolzen Swafnir ist die Zeit gekommen, den größten Helden dieses Zeitalters, den Thor Askir, zu erwählen.“ 

    Viele Gerüchte gab es um die Erwählung des Thor Askir, die traditionell nur alle 100 Jahre statt fand und  von  den  Göttern  selbst  gewährt  wurde.  Der  letzte  Thor  Askir  war  der  berühmte  Hetmann Hyggelik, der die Zyklopeninseln brandschatzte und die verfluchte Zyklopenklinge Grimring trug. Ein jedes Kind der Thorwaler kannte die Legenden, gemäß denen sich Hyggelik nach seiner Ernennung zum Thor Askir auf die Suche nach dem sagenumwobenen Swafnirland machte, aber nie mehr von seiner Reise zurückkehrte. 

    Manch einer wusste  jedoch auch, dass Hyggelik damals der  legendären Schicksalssaga von Orozar Siebenhieb folgte, um auf den Spuren des größten Volkshelden der Thorwaler zu wandeln. Viele alte Sagas besingen Orozars Heldentaten, wie er vor 1.800  Jahren die Schlangenkultisten von Harangor besiegte,  die  Schicksalsklinge  erbeutete  und  die  Krötenhaut  erfand.  Bekannt  waren  auch  die Geschichten, in denen Orozar den heiligen Berg bestieg, auf dem sich ihm der Herr Firun offenbarte. Berühmt war auch sein Kampf gegen die Eiselfe Pyrdona, die er in die Niederhöllen stieß, sowie sein letztes Gefecht gegen den Basilisken Krötenkopp, dem er mit sieben Hieben der Schicksalsklinge den schuppigen Kopf abtrennte. 

    Auf den Plätzen Thorwals sangen die Skalden  in diesen Tagen oft die Sagas sowohl von Orozar als auch  jene  von  Hyggelik.  Und  nicht  selten  träumte  so  mancher  Jüngling  davon,  ebenfalls  große Heldentaten zu verbringen und  in den Sagas ewigen Ruhm zu erlangen. Doch nur wenigen Rekkern sollte ein solches Schicksal vergönnt sein. 

    Mitte PHE 1008 BF: Viele Wochen waren vergangen, seitdem der reisende Norbarde Wlad und sein elfischer Freund Alriel ihr Winterquartier in Riva verlassen hatten. Mit ihrem Kastenwagen waren sie über  Lowangen  und  Andergast  bis  nach  Thorwal  gereist  und  hörten  voller  Neugier  von  den Gerüchten um die  Erwählung des Thor Askir. Wlad  zog es daraufhin  in die Hjaldingstadt, denn  er witterte  dort  nicht  nur  ein  gutes  Geschäft,  sondern  hoffte  auch,  seinen  alten  Freund  Tore  dort wiederzufinden. Und tatsächlich konnte er in Erfahrung bringen, dass Hetmann Tore mitsamt seiner Wogenreiter‐Otta  in der Hjaldingstadt darauf wartete,  am Wettstreit um den  Titel des  Thor Askir teilzunehmen. 

    Wlad und Alriel spürten den tapferen Hetmann und dessen Mannschaft in einem der Langhäuser der Hjaldingstadt auf, wo diese in einem typisch thorwalschen Gelage die Kaperfahrten des vergangenen Sommers begossen und den baldigen Frühlingsbeginn vorfeierten. Wlad und Alriel wurden herzlich von  den  Nordmännern  empfangen  und  zum Mitfeiern  eingeladen.  Bei  Dinkelbier  und  Honigmet 

  • erzählten  sich die alten Freunde, die  sich  seit einem  Jahr nicht mehr gesehen hatten, Geschichten von vergangenen Sommers und von  ihren Plänen  für den  zukünftigen Sommer. Als das vierte Bier Wlads Kehle passiert hatte, ließ er sich ebenso wie Alrik dazu überreden, den kommenden Sommer mit Tores Ottajasko auf Kaperfahrt zu gehen. Tores Freund Hjalmar Bjarnison, ein geweihter Bruder des Walgottes Swafnir, der auf Grund seiner nivesischen Abstammung nur wenig Gesichtsbewuchs vorweisen konnte und deshalb gerne auch Möchtebart genannt wurde, war gerne bereit, noch an Ort und Stelle eine Ottajara für Wlad und Alriel auszurichten, um die beiden Gefährten rituell in die Gemeinschaft der Wogenreiter‐Otta aufzunehmen. 

    Grölend zogen die Thorwaler um Mitternacht zum hinteren Bodirhafen, um dort das Drachenschiff der Ottajasko zu Wasser zu lassen. Wlad und Alriel mussten dann, wie es der Tradition entspricht, mit jeweils einem Beil und einem Methorn unter dem Schiff hindurch tauchen, mit Hilfe des Beils an der Bordwand  empor  klettern  und  das  Methorn  leer  trinken.  Anschließend  schwuren  beide  der Wogenreiter‐Otta die Treue mit Herz und Schwert, wie es  sich  für waschechte Thorwaler gehörte. Die Smidja der Otta, Sindara Andrason, war allerdings wenig begeistert davon, dass die beiden neuen Gefährten  die  Beile  nicht  in  das  dafür  vorgesehene  Enterschild  geschlagen  hatten,  sondern stattdessen  in die kostbare Bordwand  ihres geliebten Drachenschiffs. Doch auf den anschließenden Feierlichkeiten zu Ehren der neuen Otta‐Mitglieder vergaß sie ihren Zorn und feierte ebenfalls kräftig mit, bis die Sonne am nächsten Tag im Zenit stand. 

    Wie es der weise Godi  Jorge Viderusson  in den Knochenrunen vorgesehen hatte, war der 19te Tag des Phexmonds tatsächlich der erste Sonnentag des Jahres und wurde von den Geweihten Thorwals zum Tag von Ifirns Dank bestimmt. Somit war nun auch die Zeit gekommen,  in der großen Halla bei den obersten Hetleuten den Frühlingsbeginn zu  feiern und den Thor Askir zu erwählen. Mit einem leichten Kater schleppte sich Tores Ottajasko zu den Langhäusern der obersten Hetleute, wo bereits die Festlichkeiten vorbereitet wurden. Ochsen wurden am Spieß gebraten, Bier wurde ausgeschenkt und  Skalden  besangen  die  Heldentaten  der  großen  Hetleute.  Etwa  1.000  Gäste  nahmen  an  den Feierlichkeiten im Hof der Langhäuser teil. 

    Als der Abend hereinbrach, stellte sich die oberste Hetfrau Garhelt vor ihr Volk und sprach: 

    „Willkommen, edle Rekker und große Thore, vor den Hallen der obersten Hetleute.  Ich bin erfreut, dass so viele meinem Aufruf gefolgt sind und zum Tag von Ifirns Dank hier sind, um den Thor Askir zu erwählen. Ein jeder von euch mag den Sagas der Skalden gelauscht haben und deshalb wissen, dass der Thor Askir nur alle 100  Jahre erwählt wird und damit eine neue Ära einläutet. Der  letzte Thor Askir war der legendäre Hetmann Hyggelik, der die Zyklopenklinge Grimring erbeutet hatte. 

    Vielen  ist  die  Geschichte  bekannt,  nach  der  Hyggelik  in  seiner  letzten  Reise  den  Spuren  unseres größten  Thors, Orozar  Siebenhieb,  auf der  Suche nach  dem  Swafnirland nachfolgte,  indem  er die Verse der Schicksalssaga entschlüsselte. Doch weniger bekannt  ist, dass Hyggelik vor seiner  letzten Reise  zum  Einsiedlersee  zog,  um  einen  großen  Krieg  mit  den  Orks  abzuwenden:  Zu  jener  Zeit sammelten  sich  die  Schwarzpelze  in  großen  Scharen  im  Bodirtal,  um  das  südliche  Thorwal  zu überfallen. Doch Hyggelik gelang es, unter dem Banner des Friedens an die Orks heranzutreten und den obersten Anführer der Orks, den Aikar Brazoragh, zu einem göttlichen Duell zu fordern. Hyggelik obsiegte  in  dem Duell  und  befahl  den  Schwarzpelzen,  das  Land  der  Thorwaler  zu  verlassen. Und tatsächlich wandten sich die Orks von Thorwal ab, da sie  in dem verlorenen Duell den Willen  ihres stierköpfigen Gottes erkannten. 

    Zu meinem Bedauern erreichte mich  im  letzten Mond die Kunde, dass die Orks einen neuen Aikar Brazoragh  erwählt  haben  und  einen  neuen  Orkensturm  vorbereiten.  Gleichwohl  ich  auch zuversichtlich bin, dass  jeder Mann und  jede Frau Thorwals mit Freude  zur Axt greifen würde, um den Schwarzpelzen den Einmarsch  in unser Reich zu verwehren, sehen die Priester von Travia und Swafnir  die  Zeit  gekommen,  einen  neuen  Thor  Askir  zu  erwählen,  der  dem  Aikar  Brazoragh  im ehrenvollen Duell die Rübe einschlägt und den Schwarzpelzen zeigt, wo die Skraja hängt. 

  • Doch ein Thor Askir wird man nicht,  indem man den Gefolgsleuten seine Heldenhaftigkeit beweist. Vielmehr muss man bereit sein, den Göttern sein eigenes Schicksal zu opfern. Die Priester von Travia und  Swafnir  haben  deshalb  den  Willen  der  Götter  gedeutet.  Die  Götter  wollen,  dass  Orozars Schicksalsklinge wieder in das Reich der Thorwaler zurückgebracht wird, um die orkische Bedrohung abzuwenden. Die tapferen Thore, die bereit sind, ihr Schicksal den Göttern zu opfern, sollen sich auf die  Suche  nach  der  Schicksalsklinge machen,  die  wohlmöglich  noch  immer  im  Grab  von  Orozar Siebenhieb  ruht. Und wer  von  euch  vollendet, was der  große Hyggelik nicht  vollbrachte, wer  von euch die Schicksalsklinge heimführt, soll Thor Askir geheißen werden und die Klinge im Namen aller Thorwaler gegen die Schwarzpelze führen. 

    All jene Hetleute, die bereit sind, ihr Schicksal den Göttern anzubieten, die bereit sind, ihr Leben für die Suche nach der Schicksalsklinge zu opfern, mögen nun nach vorne treten und den heiligen Thor‐Eider leisten.“ 

    Kurze Zeit waren nur Raunen und Gemurmel aus den Reihen der Thorwaler zu hören, dann  jedoch eilten drei bekannte und berühmte Hetleute zur Bühne, um den heiligen Thor Eider zu  leisten. Als erstes betrat Hetmann Beorn der Blender von der Seeschlangen‐Otta die Bühne. Beorn war einer der erfolgreichsten Hetleute  der  vergangenen  Jahre, der  vor  allem  dafür bekannt war,  Sklaven  in  der Charyptik  zu  befreien  und  alanfanische  Handelsposten  zu  überfallen.  Als Markenzeichen  lässt  er Sklavenhaltern gerne die Augen ausbrennen, was ihm letztlich zu seinem Spitznamen verhalf. Beorn erhob das Wort und schwor, diesen Sommer zu opfern, um die Schicksalsklinge zu suchen und nach Thorwal zurückzubringen. 

    Als  nächstes  trat  Hetmann  Tore  nach  vorne,  der  im  Sommer  vor  zwei  Jahren  das  legendäre Donnersturmrennen gewonnen hatte und  im  letzten Sommer erfolgreich eine wertvolle Grangorer Handelsschivone  überfallen  hatte.  Er  versprach  unter  dem  Jubel  der  anwesenden  Thorwaler,  die nächsten fünf Sommer für die Suche nach der Schicksalsklinge zu opfern und dabei  jeden Orkmann zu erschlagen, der ihm auf der Suche im Weg steht. 

    Als letztes trat Asleif Phileasson vor die versammelten Thorwaler. Der idealistische Asleif hatte in den vergangenen Sommern mehrfach  Ifirns Ozean bereist und dort das eisige Yetiland erforscht. Asleifs Expeditionen waren dafür bekannt, dass sie nur wenig Beute einbrachten, dafür aber das Wissen der Thorwaler über fremde Gestade mehrten. Asleif trat ebenfalls nach vorne und schwor, die nächsten sieben  Sommer  für  die  Suche  nach  der  Schicksalsklinge  zu  opfern  und  diese  gegen  den  Aikar Brazoragh der Orks zu führen. 

    Da kein weiterer Hetmann den Schwur von Asleif zu übertreffen vermochte, forderte Garhelt die drei Thore  auf,  am  kommenden  Tag  zur Mittagszeit  zum  Tempelplatz  zu  kommen,  die  ihnen  dort  die Schicksalssaga überreicht werden sollte: „Die Schicksalssaga wird euch führen und euch den Weg zur Schicksalsklinge offenbaren.“ 

    Tores  Rekker  beglückwünschten  den Hetmann  zu  seinem  Schwur  und  träumten  bereits  von  dem Ruhm, der mit der Bergung der Schicksalsklinge einherging. Insbesondere Ingram Gemeson, der sein Leben der milden Göttin  Ifirn geweiht hatte, spürte den göttlichen Auftrag, der mit der Suche nach der  Schicksalsklinge  verbunden  war.  Die  Feierlichkeiten  zu  Ifirns  Dank  wurden  anschließend fortgesetzt, bis der Morgen graute. 

    Doch Tores Rekker waren bereits zum Sonnenaufgang wieder munter, um Tores Schwur zu  folgen. Hjalmar  erkundigte  sich  bei  einigen  Skalden  nach  der  Schicksalsklinge  fand  heraus,  dass  in  den verschiedenen  Sagas  gleich  drei  Klingen  als  Schicksalsklinge  bezeichnet  wurden:  Die  Klinge Siebenstreich,  die  von  Orozar  Siebenhieb,  dem  ersten  Thor  Askir,  vor  1800  Jahren  aus  Grangor geraubt wurde, die Klinge Grimring, die Hetmann Hyggelik von den Zyklopen erbeutet hatte, und die Klinge Tyrfing, die von der legendären Thor Askir Thorfinna geführt wurde, die vor knapp 600 Jahren das Reich der Thorwaler aus der Knechtschaft der Priesterkaiser befreit hatte. Siebenstreich soll von 

  • den  Göttern  geschmiedet  sein,  aus  gleißendem  Göttergold  bestehen  und  aus  dem  Grab  des bosparanischen Helden Geron erbeutet worden sein. Grimring soll von Zyklopen aus Zyklopenstahl geschmiedet  worden  sein.  Hyggelik  hat  mit  der  Klinge  gemäß  den  Sagas  einen  gefürchteten Minotauren auf den Zyklopeninseln erschlagen, die Klinge in dessen Blut geweiht und dessen Hörner als Parierklingen einbinden lassen. Es wird vermutet, dass die Orks die Klinge deshalb so fürchten, da dieses das Blut und die Seele des erschlagenen Minotauren aufgenommen hatte. Denn Minotauren gelten bei den Orks als unbesiegbare, heilige Wesen ihres Gottes Brazoragh. Tyrfing wiederum ist aus der  Hand  Hjaldinger  Runenschmiede  und wurde  gezielt  geschaffen,  um  die  Besatzung  durch  die Priesterkaiser  zu  beenden.  Tyrfing  ist  angeblich  mit  magischen  Runen  besetzt  und  leider  auch verflucht. 

    Tore hatte mittlerweile die Schule der Hellsicht zu Thorwal aufgesucht, denn er konnte in Erfahrung bringen,  dass  der  Hellsichtsmagier  Aleya  Ambareth  sich  in  den  vergangenen  Monaten  mit  der Schicksalssaga beschäftigt hatte. Der alte Magier empfing Tore und dessen Konkurrenten Beorn und erklärte beiden, was er zur Schicksalssaga zu sagen hatte: 

    „Es begann alles beim Thorwaler Konvent der Magiergilden: Die Magister der Runajasko von Olport hatten alte Aufzeichnungen in ihren Hallen gefunden, die so verblasst waren, dass kein Zeichen mehr auf  den  Pergamenten  zu  erkennen  war.  Doch  die  beim  Konvent  anwesende Meisterillusionistin Methelessa ya Comari hatte ein  Idee, wie man mit Hilfe von Hellsichtsmagie und  Illusionistik einen Zauber entwerfen könnte, der die  Informationen  in den Pergamenten wieder zum Leben erwecken könnte. Die  Idee war bestechend gut und wir brauchten einige Monate, um eine erste Version des Spruchs zu entwickeln. Methelessa stand uns dann nicht mehr zur Verfügung, doch sie schickte ihre Assistentin Viviane von Grangor, um mir bei der Anwendung des Zaubers zu helfen. Den kompletten vergangenen  Sommer  haben  wir  Pergamente  wiederhergestellt  und  einige  davon  haben  sich tatsächlich  als  Teile der  legendären  Schicksalssaga herausgestellt. Allerdings handelt  es  sich dabei wohl nicht um die Originalschrift von vor 1800 Jahren, sondern um die Niederschriften von Hetmann Hyggelik, der wohl nur jene Teile der Saga niederschrieb, die er für bedeutsam hielt. Noch dazu war die  Reihenfolge  der  einzelnen  Verse  völlig  durcheinander,  so  dass wir  nicht mit  Sicherheit  sagen können, wo die Saga beginnt und wo sie endet. Zu Beginn des vergangenen Winters ist es dann aber passiert:  Viviane  hat  alle  Aufzeichnungen,  Pergamente  und  Niederschriften  aus  dem Entschlüsselungsprojekt geraubt und ist mit den Unterlagen nach Norden verschwunden. Wir haben versucht, sie zu verfolgen, doch es ist uns nicht gelungen, die Diebin zu ergreifen. Doch dank meines meisterlichen Gedächtnisses  konnte  ich die entschlüsselten  Sagatexte erneut niederschreiben. Die Hochgeweihte  der  Traviakirche, Mutter  Jadhelia,  hat mich wenige  Tage  später  gebeten,  ihr  eine Abschrift  der  Schicksalssaga  aus  meinem  Gedächtnis  zur  Verfügung  zu  stellen.  Ich  kann  nur vermuten, dass diese Saga wichtig  ist, um die Schicksalsklinge zu bergen und es kann gut sein, dass diese diebische Viviane das Gleiche im Sinne hat.“ 

    Tore bedankte sich bei Magister Ambareth für die Informationen und ging zum Traviatempel, wo er ebenso wie Hetmann Beorn und Hetmann Asleif von Mutter  Jadhelia empfangen wurde. Die hohe Mutter überreichte jedem der drei Hetleute ein Bündel mit Pergamenten und sprach: „Dies  ist eine Abschrift  der  Schicksalssaga,  wie  sie  uns  zur  Verfügung  steht.  Die  Verse  sind  nicht  in  korrekter Reihenfolge,  doch  die  Informationen  dürften  euch  helfen,  das  Ziel  eurer  Queste  zu  erreichen.“ Anschließend zeigte  sie auf drei Travianovizinnen, die an  ihrer Seite  standen und  stellte diese vor: „Dies sind Schwester Lenya, Schwester Freya und Schwester Shaya. Eine jede von diesen wird einen euch geleiten und euch zur Schicksalssaga und dem Willen der Götter beraten. Doch bringt die drei heil wieder nach Hause, denn es ist ihre erste Queste fernab der Heimat.“ 

    Schwester Freya wurde Hetmann Tore zugewiesen und stellte sich ihm schüchtern vor. Dann schlug sie dem Hetmann vor, an einen ruhigen Ort zu gehen, um die Verse der Schicksalssaga zu studieren. Tore  folgte  ihrem Rat und holte  seine besten Gefährten hinzu, um die 18 Einzelverse der Saga  zu analysieren. Nach  stundenlanger Diskussion vermuteten die Gefährten, dass die Verse der Saga  in etwa folgende Reihenfolge einnehmen sollten: 

  • (1) Ein Jahr ward vergangen, seitdem Orozar Siebenhieb das verfluchte Harangor gebrandschatzt und dort die  legendäre Schicksalsklinge und den kristallenen Tidenschild erbeutet hatte.   Doch die Klinge sprach zu ihm und wies ihm den Weg zu einer Queste, um den Ruhm der Hjaldinger zu mehren. Also sammelte  Siebenhieb  seine  Ottajasko  und  schwor  im  Rund  der  Olafjord‐Hetmannen  den  heiligen Eider, der Queste Weg zu Ende zu gehen. Und so erreichte Orozars Ottajasko die Siedlung Torwjald am Mund des Bogdhir. Von dort aus führte Orozar die Ottajasko den Quellwassern entgegen, die tief im Land der Schwarzpelzigen lagen.  

    (2) Breite, flache Klippensteine erhoben sich zur linken und zur rechten des Flusses, wie der gewaltige Huf eines Auerochsen. Die Sagas sprechen von dem Gott Brazoragh, der hier den Schlamm zu hartem Stein getreten haben soll. Die Drachenmücken fraßen sich durch die Haut der Recken und dreiköpfige Drakkars zogen wolkenartig über den Himmel. Doch Orozars Wille war ungebrochen und sein Ziel lag klar vor Augen. 

    (3)  Die  Krötenbrut  hatte  angegriffen.  Durch  die  Schilfe  waren  sie  geschlichen,  die  Ottajasko anzugreifen.  Doch  Orozar  führte  seine  Mannen  in  die  Schlacht  und  ließ  die  Schicksalsklinge herniederfahren und das Blut der Krötlinge färbte das Quellwasser rot. Hier, wo das Quellwasser die Otta nicht mehr tragen konnte, hielt die Ottajasko Rast und beriet Tag um Tag, was tun war. Aus der Haut  der  Krötlinge  schnitten  die  Smidja  sieben  Rüstungen,  je  eine  für Orozar  und  sechs  für  seine treuesten Gefährten, denn die Sieben waren erwählt  im Namen Swafnirs weiterziehen. Orozar wies seine verbliebene Ottajasko an, nach Torwjald zurück zu  fahren und zu berichten, dass er das Ende seiner Queste noch nicht erreicht hatte. 

    (4) Tapfer zogen die sieben Rekker durch die hohen Gräser, immer weiter auf die Bergflanke zu. Wie auf dem Rücken eines Drakkars ragten die vor ihnen liegenden Felsstacheln empor und leuchteten wie Flammen  im  Feuer  der Mittagssonne.  Ein  seltsam  strammes  Pferd mit  einem Horn  auf  dem  Kopf kreuzte  ihren  Weg,  doch  es  ließ  sich  nicht  vor  den  Wagen  spannen  und  auch  das  Fleisch  des Hornpferds war wenig  schmackhaft.  In der Ferne erblickte Orozar einen gewaltigen Monolithen. Er hatte eine Länge von zehn Skeidhs und war geformt wie ein Stalagtit, der vom Himmel gefallen war. Fremdartige,  geflügelte  Leuen  hatten  einen  Horst  auf  dem  Monolithen  errichtet  und  kamen herangeflogen, um Orozar ihre Aufwartung zu machen. 

    (5) Die Rekker folgten den Pfadewegen entlang der brennenden Felsen und der aufgehenden Sonne entgegen. Gleichwohl  trocken war  das  Land  zu  ihren  Füßen  und  durch  die  Felsen  zur  linken Hand zogen sich gewaltige Kavernen und Furchen, in deren Inneren die Gebeine von riesenhaften Kreaturen ruhten.  Schädel  von  einäugigen  Riesen,  Knochen  von  geflügelten  Leuen  und  leere  Panzer  von gewaltigen Spinnenwesen schliefen in der Dunkelheit. 

    (6)  Dort, wo  der  purpurne  Turm  aus  den  Ruinen  der  Alfenstadt  empor  ragte,  folgte  Orozar  dem nördlichen Pass und erreichte eine Siedlung der Grolmur. Die Grolmur kannten die güldenländische Zunge, so dass der weise Godi Stalve mit ihnen Verhandlung führen konnte. Der Jarl der Grolmur lud Orozar  zum  Festmahl  in  seine  reichen Hallen aus Gold und  Silber  ein, doch  er  sprach mit  falscher Zunge und führte Böses im Sinn. Also forderte Orozar den Jarl der Grolmur zum Holmgang und dieser schickte einen Unhold, um den Kampf zu entscheiden. Doch mit der Schicksalsklinge erschlug Orozar den Unhold und den Jarl der Grolmur und ein jeder Rekker plünderte, was er in Händen halten konnte. 

    (7) Die  smaragdene Spinne war weder  feige noch angriffslustig. Sie wickelte den kleinen, goldenen Kärpfling  in  einem weichen Kokon aus  Spinnenseide und überreichte  ihn  vorsichtig an Orozar. Der weise Godi Stalve behauptete, dass die Spinne um ein Tauschgeschenk für den Fisch bat. Doch da der alte Stalve gerne  zu oft und  zu viel von Rauschpilzen  speiste,  ignorierte Orozar das Geschwätz des Godi und erschlug das Spinnentier mit seiner Wurfaxt. 

    (8) Das Land war nicht mehr trocken und dörrig, sondern von grünen Bäumen und Gräsern gesäumt. In der Ferne konnte Orozar ein gemauertes Flussbett sehen, welches das Wasser der Berge sammelte 

  • und  in  Kaskaden  in  das  fruchtbare  Tal  transportierte. Dort, wo  das Wasser  sich  in  einem  großen Brunnen  sammelte,  fanden  sich  Ruinen  eines  alten Haines. Die Gefährten  tranken  vom  heilsamen Wasser des Brunnens und  folgten den Pfaden weiter an der Bergflanke entlang, bis diese an einem großen steinernen Tor  im Felsen endete. Das Tor war von prächtiger Bauart und von Runen verziert und ein  jeder Torflügel  zeigte einen einäugigen Riesen, der vor einem Amboss kniete und Hammer und Sichel an die Brust hielt. 

    (9)  Froh waren Orozars Mannen, als  sie das Dunkel der  verlassenen Berggänge hinter  sich hatten. Frische  Luft  strömte  den  Rekker  entgegen,  als  sie  sich  an  den  Abstieg machten  und weiter  dem hellroten Bachlauf folgten, der sie aus den Höhlen geführt hatte. Die hellrote Farbe verlor sich erst, als der Bach  in einen großen See mündete,  in dem  riesige, schmackhafte Salme schwammen. Von hier aus konnte Orozar des Nächtens das bunte Glitzern des Polardiamanten am Horizont sehen. 

    (10) Die Rekker genossen die  traviagefällige Gastlichkeit der Rika‐Lie und halfen diesen beim Hüten der Karene. Auf dem Weg zum Ozean sprachen die Hersir der Rika‐Lie von drei uralten Seidkonas, die die Zeichen zu deuten vermochten und den Weg zum Swafnirland weisen konnten. Orozar suchte die drei alten Klageweiber auf und  forderte die Antwort auf  seine Fragen  im Namen Swafnirs ein. Die Seidkonas antworteten ihm: "Folgt dem nebligen Pfad der Füchsin, deren Feuer Eure Lenden brennen lässt. Folgt den ziehenden Tieren, die über verwunschene Wege wandern. Doch nur die Auserwählten hören den Ruf der dunklen Halle, in der der Weg zum Swafnirland verzeichnet ist. Und wisset, dass die dunkle Halle  im Reich des  frostigen Wintergottes Firun  liegt. Und er wird alle prüfen, die sein Reich aus Eis und Schnee betreten wollen." 

    (11) Als  sich der  Sommer dem  Ende neigte, brachen die Rika‐Lie auf und Orozars Mannen  folgten ihnen. Nachdem die Karene den Strand von Schwarz und Weiß hinter sich gelassen hatten, begann ein starker Regen und die Wasser des Flussdeltas traten über die Ufer. Die Karene flüchteten auf höhere Gefilde und einige der kleineren Rika‐Lie kletterten gar ängstlich auf die schwarzen, toten Bäume, um nicht  zu  ertrinken.  Im  lendenhohen  Wasser  schwammen  Schildkröten  wie  reife  Früchte  in  einer Schüssel voller Feuerwasser. 

    (12) Orozar bestattete den großen Hjalme  zu den Füßen der versteinerten Frau und bewachte drei Tage und Nächte das Grab. Die Rika‐Lie trugen bunte Tiermasken aus Holz und tanzten zur Musik der Flöten, um die Geister der Verstorbenen zu ehren, die im Kampfe gegen die Angreifer gefallen waren. Da erkannte Orozar die schönste Frau unter den Rika‐Lie. Ihr Haar war rot wie der Sonnenuntergang, ihr Körper zart wie gebackener Salm und  ihre Maske trug das Antlitz des Fuchses. Ihre Ohren waren lang wie die der Alfen und  ihr Name war Doloe Feuerhaar. Und  somit nahm  sich Orozar die  junge Doloe zur Frau und teilte mit ihr das Lager.  

    (13) Die Fjarninger betrauerten den Ausgang des Holmgangs nicht lange und luden die Rekker in ihre Zelte. Am kommenden Tage zeigten sie den Rekker den Weg zu Frunus Thron, einem kalten Gipfel, der die  Heimstatt  des  gnadenlosen  Gottes  Firun war.  Nur Orozar  selbst war  stark  genug,  den  kalten Schneestürmen  zu  trotzen  und  dem  Wintergott  zu  begegnen.  Der  Wintergott  fand  Gefallen  an Orozars  Tapferkeit  und  sprach:  "Dort, wo  die Donnerwanderer  dem  Elderlicht  entgegen wandern, wirst du den gefrorenen Pfad  ins Swafnirland finden. Doch dort  ist auch die Heimstadt der finsteren Eisalfin Pyrdona. Mit namenloser Macht brütet  sie das  letzte  Krötengezücht aus, welches  von den Alfen Bha’za’lisk genannt wird. Führt die Schicksalsklinge auch in meinem Namen ins Swafnirland und schlagt  dem  Gezücht  des  Goldenen  den  geschuppten  Kopf  ab.  Doch wisset,  dass  dies  eure  letzte Queste sein wird." 

    (14) Das Elderlicht leuchtete weit durch das Dunkel der Nacht. Die Fjarninger kannten den gefrorenen Pfad der Donnerwanderer und führten Orozars Mannen zum leuchtenden Turm der Eisalfin Pyrdona. Doch die eisernen Tore des Turmes öffneten sich und finstere Draugeralfen krochen aus den Löchern, um die Angreifer zurückzuschlagen. Auf den Raupen der Winterdrachen ritten sie in die Schlacht und erschlugen die Fjarninger, bis das Eis rot war vom Blut der Winterkinder. 

  • (15) Doch der Wind drehte sich und die Alfen der Eislande vergaßen  ihren Schwur nicht und kamen Orozars tapferen Rekkern und Hrn‐Hrns Schneetrollen zur Hilfe. Seite an Seite durchbrachen die drei ungleichen Völker die Reihen der Feinde und erklommen den finsteren Turm der Eisalfin Pyrdona. Im höchsten Raum begegneten sie der bösen Frau. Ihr Haar war golden wie ihre Augen, doch  ihre Haut war blass wie  Schnee. Dann  sang  sie  eine  schöne Melodie und Orozars Rekker  ließen  ihre Waffen sinken, um der Melodie zu lauschen. Doch Orozar ließ sich nicht täuschen und forderte die Alfin zum Holmgang. Doch die Alfin sprach in der Zunge der Daimonen und eine Pforte des Grauens öffnete sich, aus  der  sich  die  Klauen  niederhöllischer  Kreaturen  streckten. Orozar  zerbrach  den  Tidenschild  und nutzte die gefangene Zeit, um Pyrdona  in die Pforte des Grauens zu stoßen. Schreiend kreischte die Eisalfin, als die Daimonen  sie  in die Niederhöllen  zerrten, bis die Pforte  sich hinter  ihr geschlossen hatte.  

    (16) Der Blick des Basilisken  lastete schwer auf Orozar, doch der  tapfere Krieger hielt dem Frost  in seinen Gebeinen stand und trieb die Schicksalsklinge tief in den Hals der bösartigen Kreatur, bis diese an Kraft verlor und  reglos  liegen blieb. Die Schlacht war gewonnen, doch die Verluste waren groß. Viele  der  Alfen,  der  Schneetrolle  und  so  manche  Gefährten  Orozars  waren  durch  den  Blick  des Basilisken zu Eis erstarrt und kein Feuer und keine Magie konnten die Gefrorenen erlösen. 

    (17) Die zweizahnigen Kopfschwänzler stampften durch die nebeligen Hänge und Orozars Gefährten folgten  ihnen  Tage  und  Nächte  in  das  Winterland.  Da  hörte  Doloe  ein  Lied  von  wundersamer Schönheit, doch den anderen blieb der zauberhafte Klang verborgen. Die tapferen Rekker folgten dem Lied und fanden die dunkle Halle  in einem Panzer aus Eis. Doloe  lauschte dem Singsang der Statuen im  Inneren der Halle, doch auch  sie  konnte die  Zeichen der Alfen nicht deuten. Dennoch  erkannte Orozar das Swafnirland auf der Kristallkarte der Alfen und schöpfte Hoffnung, sein Schicksal nach so vielen Monden nun endlich finden zu können. 

    (18) Orozars Kräfte waren  fast geschwunden, als die Gefährten die dunkle Halle erreichten. Orozar sprach zu seiner geliebten Doloe: "Hier sollen meine Gebeine ruhen, hier will  ich zu Swafnir gehen." Und  als  der  große  Hetmann  seinen  Lebensatem  aushauchte, weinte  Doloe  sieben  Tränen,  die  zu sieben Eiskristallen erstarrten. Orozar wurde  in der Tracht der Krieger  in der dunklen Halle zur Ruhe gelegt, doch es heißt, dass er einst wiederkehren wird, wenn der Herr Firun seine Dienste benötigt. 

    Die  Rekker  und  Freya  vermuteten,  dass  die  Verse  (1)  ‐  (3)  Orozars  Reise  von  Thorwal  zu  den Bodirquellen beschrieben. In Vers (4) konnten die Rekker Hinweise auf das Greifengras nördlich der Bodirquellen entdecken. Die Verse (5) – (9) beschrieben wohlmöglich Geschehnisse  im Orkland und vielleicht handelte es sich bei dem Zyklopentor von Vers (8) sogar um den Zugang zum  legendären Orkenhort? Vers  (10) –  (12)  ließen erahnen, dass Orozar  längere Zeit mit den Nivesen vom Stamm der Rika‐Lie umherzog, die Wlad  in der Nähe von Riva vermutete. Die verbliebenen Verse sprachen von einer Schlacht im Eis beim Turm der Eisalfin Pyrdona sowie von der dunklen Halle, die den Weg nach  Swafnirland weisen  konnte  und  in  der  Orozar wohl  bestattet war.  Diese  Orte waren wohl irgendwo im hohen Norden, nördlich von Riva, zu finden. 

    Tore überlegte, seine Otta auf Grund der Hinweise direkt nach Riva zu führen, um von dort aus dann die dunkle Halle zu finden. Doch sowohl Freya als auch der weise Godi Jorge stimmten überein, dass es  der Wille  der  Götter  sein musste,  der  Schicksalssaga  von  Anfang  an  zu  folgen.  Jorge  erklärte überzeugend: „Die Runen sagen, dass die Reise nach Riva nicht zur Schicksalsklinge führt. Vielleicht hat Hyggelik  die  dunkle Halle  bereits  gefunden,  hat  die  Schicksalsklinge  erbeutet  und  ist  auf  der Rückreise nach Thorwal im Orkland umgekommen?“ Und Freya fügte feierlich an: „Wenn die Götter nicht wollen würden, dass wir Orozars und Hyggeliks Reise durch das Orkland nachvollziehen, hätten sie uns diese Teile der Schicksalssaga wohl auch nicht überlassen.“ 

    Ende PHE 1008 BF: Tore hatte entschieden, zunächst die Quellen des Bodir mit seiner Ottajasko zu erkunden,  und  schickte  Sindara  und  Wlad  zunächst  aus,  um  auf  dem  Eisenmarkt  von  Thorwal Proviant und Ausrüstung für die Reise zu besorgen. Da Tore aber auf Grund der Ausführungen in der 

  • Schicksalssaga  damit  rechnete,  dass  die  Expedition  im  Quellgebiet  des  Bodirs  auf  dem  Landweg fortgesetzt werden muss, ließ er auch Wlads Kastenwagen und zwei Pferde mit auf das Drachenschiff laden. Der Hetmann der Wogenreiter‐Ottajasko ließ sich bei der Planung der Reise nicht hetzen und startete seine Expedition am dritten Tag nach Ifirns Dank. Jedermann hatte allerdings mitbekommen, dass  Hetmann  Beorn  einen  Tag  vor  den  Wogenreitern  abgereist  war,  und  somit  vor  Tore  das Quellgebiet erreichen würde. Hetmann Asleif befand sich hingegen noch  immer  in Thorwal, als die Wogenreiter‐Otta den Flusshafen verließ und den Bodir stromaufwärts ruderte. 

    Während  der  Fahrt  passierte  die Ottajasko  die  thorwalschen  Siedlungen  Rukian,  Angbodirtal  und Vilnvad  am Bodirstieg und es dauerte nur  fünf  Tage, bis die Wogenreiter die Mauern der  großen Stadt Phexcaer erreichten. Auf dem Weg nach Phexcaer hatten die Rekker beunruhigende Berichte gehört:  Eine  kleine  Armee  von  räuberischen Orks  soll  angeblich  zu  Beginn  des  Frühlings  vor  den Toren  Phexcaers  erschienen  sein,  um  die  Stadt  zu  belagern.  Und  als  Tores Wogenreiter  in  den Flusshafen der Stadt einfuhren, hörten sie tatsächlich von den etwa 120 Schwarzpelzen, die in einem Wäldchen vor der Nordwestmauer der Stadt ein Lager errichtet hatten und aus den Birnbäumen der umliegenden Gehöfte angeblich krude Belagerungswaffen zimmerten. Die Phexcaerer Bürger waren zwar  verärgert,  dass  die  Felder  außerhalb  der  Stadtmauern wegen  der Orks  nicht  bewirtschaftet werden konnten, zeigten sich aber ansonsten nicht besonders beunruhigt, da die Stadt selbst nicht nur  durch  eine  gut  ausgebaute  Stadtmauer  geschützt  war,  sondern  den  Belagerern  auch  ein Dreifaches an Verteidigern entgegensetzen konnte. Der Hafenmeister von Phexcaer versuchte, die Thorwaler für die Verteidigung der Stadt zu gewinnen, doch Tore hatte wenig Interesse daran, seine Expedition  für  mehrere  Tage  Mauerdienst  zu  verzögern.  Der  Tag  on  Phexcaer  war  zwar  schon vorangeschritten,  doch  Tore  wollte  das  vorhandene  Tageslicht  nutzen,  um  noch  einige  Meilen stromaufwärts zu fahren. Immerhin war Phexcaer als anrüchige Stadt der Diebe und Beutelschneider verschrien, in der man leicht sein Ansehen und sein Gold verlieren konnte. 

    Die Wogenreiter‐Otta glitt elegant unter der berühmten, 300 Schritt langen Phexbrücke hindurch, die den Bodir  zwischen Phexcaers Nordstadt und der Südstadt überspannte und damit den Bodirstieg mit dem Steineichenpass verband, und erreichte schließlich den Oberlauf des Bodir. Alriel konnte mit dem  Fernglas einen Blick  auf die Orks erhaschen, die  fernab des Ufers  zwei  versklavte Oger dazu brachten,  birnhölzerne  Katapulte  zu  errichten.  Besonders  auffällig  war  dabei  ein  von  Ochsen gezogener  Kriegswagen  der Orks,  der mit  Tierfellen,  Standarten,  Schädeln,  Hörnern  und  Spießen verziert war und wie ein barbarischer, fahrender Thron wirkte. Tore ergriff ein ungutes Gefühl beim Anblick der Orks und er bat den Godi  Jorge, aus den  Innereien eines Orakelfisches die Zukunft  zu lesen. Während der Godi einen der Fische zerlegte, bemerkte Alriel Holzstücke und mehrere Leichen, sowohl von Thorwalern als auch von Orks, die den Bodir hinab trieben. "Das sind Teile von Beorns Seeschlangen‐Otta! Und einige seiner Rekker!", erkannte Ingram voller Sorge. 

    Vorsichtig ruderten Tores Rekker weiter den Bodir flussaufwärts und trafen kurze Zeit später auf eine beeindruckende Kriegsflottille der Orks. Die Flottille bestand aus mehreren großen Flößen auf denen über  150  schwer  gerüstete  Orks  sowie  einige  Zwinger  voller  Kriegshunde  flussabwärts  fuhren. Auffällig war,  dass  die  Flöße  nur  von  schmächtig wirkenden,  braunpelzigen Orks  gelenkt wurden, während die bewaffneten Orks allesamt größer und kräftiger waren, ein rabenschwarzes Fell unter den  Lederrüstungen  trugen  und  ihr  Haupthaar  wie  blutrot  gefärbte  Hahnenkämme  zur  Schau stellten.  Hjalmar war  sich  sicher,  dass  es  sich  bei  den  braunpelzigen  Floßfahrern  um  die  an  sich friedfertigen Mokolash‐Orks handelte, während die  schwarzpelzigen Orks wohl  zum blutrünstigen, kriegerischen  Stamm  der  Zholochai  gehörten.  Die  Orks  bemerkten  die  Wogenreiter  wenige Augenblicke  später,  doch  bevor  diese  in  die  Nähe  der  Otta  kamen,  ließ  Tore  das  Drachenschiff wenden und  zurück nach Phexcaer  fahren. "Diese Orks versuchen bestimmt, über den Fluss  in die Stadt  einzufallen. Wir müssen  Phexcaer  vor  dem  Angriff warnen!",  rief  Tore  und  der  Godi  fügte besorgt hinzu: "Ich kann Blut und Feuer in den Gedärmen des Fisches lesen!" 

    Tores  Rekker  waren  zwei  Stunden  vor  Sonnenuntergang  zurück  in  Phexcaer  und  landeten  am Stadtstrand  nordwestlich  der  Phexbrücke  an.  Eilig  hasteten  die  Rekker  zur  Magistratur  am 

  • Phextempel, um dort von der Ankunft der orkischen Flottille zu berichten. In der Magistratur war zu dieser Tageszeit allerdings niemand zu  finden, der die Verteidigung der Stadt organisieren konnte. Stattdessen traf Tore die Phexhochgeweihte der Stadt, die Vogtvikarin Delia, die  ihm erzählte, dass die Orks an der Nordwestmauer vor wenigen Stunden die Kapitulation der Stadt eingefordert hatten und mittlerweile  begannen,  die  Stadtmauern mit  den  selbstgebauten  Katapulten  zu  beschießen. Delia  nahm  die  orkische  Bedrohung  sehr  ernst  und  berichtete  mit  angsterfüllter  Stimme  von mysteriösen  Ereignissen:  "Vor  wenigen  Tagen  hatten  wir  wie  jedes  Jahr  das  Glücksfest  hier  in Phexcaer  gefeiert.  Es  ist  dabei  Tradition,  dass  die  Banden  der  Stadt  ein  heiliges  Idol  in  einem Wettkampf über  traditionelle Wegpunkte durch die Stadt  tragen müssen. Die Banden können  sich dabei gegenseitig das Idol zu stehlen und diejenige Bande, die das Idol zum Ende des Wettstreits zum Phextempel bringt, wird vom Herrn Phex für ein Jahr mit großem Glück belohnt. In diesem Jahr ging der Wettkampf allerdings kurz vor seinem Ende unglücklich aus, da der Anführer der Schnapsbande das Idol außerhalb der Stadtmauern vom Nordtor zum Westtor bringen wollte und bei dem Versuch von einem orkischen Bogenschützen erschossen wurde. Niemand aus der Stadt hat sich getraut, den Leichnam  zu bergen und  in der kommenden Nacht war dieser verschwunden. Die Orks haben das Idol wohl erbeutet und damit das Glück des Herrn Phex von dieser Stadt genommen. Der Herr Phex wird uns bestimmt für diese Torheit bestrafen." 

    Tore  ließ  sich  von  der  Erzählung  der  Geweihten  nicht  entmutigen  und  suchte  weiter  nach handlungsfähigen  Mitgliedern  des  Magistrats.  Da  Phexcaer  von  einer  Reihe  von  Bandenführern gelenkt wurde, die jeweils für sich ein autonomes Bandenrevier führten, wurde Tore letztlich von der Geweihten  an  Reykir  verwiesen,  den  Anführer  der  Bodirbande,  der  für  die  Sicherung  des Hafens zuständig war. Reykir nahm den Bericht von der Flottille ebenfalls sehr ernst und konnte Tores Otta anwerben, um den Oberlauf  vor der Phexbrücke mit  zu  verteidigen. Er bot den Rekkern auch an, Wlads  Wagen  und  die  Pferde  in  den  Kontoren  des  Hafenviertels  sicher  zu  verwahren.  Die Brückenbande und die Südstädter und die Oststädter konnten ebenfalls mobilisiert werden, um die Phexbrücke und die Mauern am Oberlauf des Bodir dichter zu bemannen. 

    Tores Otta dümpelte kampfbereit vor der Phexbrücke, als die Dunkelheit der Nacht über die Stadt hereinbrach.  Da  mit  der  Dunkelheit  auch  ein  schwerer  Regenschauer  einsetzte  und  auf  die Verteidiger  niederprasselte,  konnte man  trotz  der Öllaternen  an  Bord  kaum  die  eigene Hand  vor Augen sehen. Nur die schwach leuchtenden Feuerschalen auf der Brücke und auf den Mauern ließen sich noch erkennen und konnten zur Orientierung genutzt werden. Die Witterung war eindeutig auf Seiten der Orks, da diese im Dunkeln besser sehen konnten als Menschen und im Schutz des Regens keine Bogenschützen  fürchten mussten. Alarmrufe vom Südufer  ließen Tores Rekker aufschrecken und  der  tapfere  Hetmann  gab  den  Befehl, mit  der Wogenreiter‐Otta  nach  Süden  zu  fahren.  Auf halber Strecke erkannte Alriel mit seinen scharfen Elfenaugen ein feindliches Floß und rief: "Da vorne sind die Orks!". 

    "Rammenmanöver  volle  Kraft  voraus!",  befahl  Tore  und  hielt  sich  an  der  Bordwand  fest,  als  die Wogenreiter‐Otta mit  voller Wucht  auf  eines  der  Floße  prallte  und  dieses  unter Wasser  drückte. Einige  Zholochai  versuchten  an  Bord  der  Otta  zu  kommen,  doch  Tore  und  Ingram  konnten  die unerwartet  zähen  Angreifer  über  Bord  werfen.  Ein  zweites  Floß  voller  orkischer  Bogenschützen brachte die Wogenreiter in schwere Bedrängnis, doch Tore konnte das Drachenschiff gegen das Floß lenken und durch ein geschicktes Manöver abdrehen. 

    In  einem  zweiten  Anlauf  versuchte  Tore,  das  Drachenschiff  erneut  auf  das  Floß  zu  lenken,  doch dieses  war  im  Schutz  der  Dunkelheit  entkommen.  Stattdessen  erreichte  die  Ottajasko  mehrere verlassene Flöße, die am Südufer des Bodir angelandet waren. Ein brennendes Haus in der Südstadt, Spuren am Strand, orkische und menschliche Schreie sowie das Bellen der Kriegshunde machten den Rekkern  schmerzhaft bewusst, dass die Orks  in der Südstadt angekommen waren. Alriel  ließ  seine Blicke  schweifen  und  berichtete:  "Ich  kann  viele  der  Schwarzpelze  beim  südlichen  Brückenkopf sehen, sie versuchen wohl, die Brücke zu erobern. Einige sind aber auch an der östlichen Mauer der Südstadt." Tore fasste einen Entschluss und ging mit dem kampfstärksten Teil seiner Mannschaft von 

  • Bord. Er wies die übrigen Mitglieder der Ottajasko an, die Wogenreiter  in die Nähe der Brücke  zu fahren und  führte dann seine kleine Streitmacht zum Brückenkopf, um den Orks  in den Rücken zu fallen. Zwischen den Häusern stellte er die Zholochai, die gerade versuchten, die Barrikaden vor dem südlichen Brückenhaus einzureißen und die Phexcaerer Verteidiger zu erschlagen. 

    Doch  ebenso  wie  die  Phexcaerer  hatte  Tore  die  Anzahl  und  das  Kampfgeschick  der  Zholochai drastisch  unterschätzt: Während  feindliche  Bogenschützen  Alriel  und Wlad  von  den  Dächern  der Häuser vertrieben, pfiff ein orkischer Hundeführer  seine Kampfhunde herbei und hetzte diese auf Tores  Nachhut.  In  geschickter  Formation  nahmen  die  Zholochai  Tores  Rekker  in  die  Zange  und erschlugen  den  tapferen  Herger  und  die wilde  Algrid.  Als  die  orkische  Streitaxt  eines  besonders großen Zholochai nur um Haaresbreite an Tores Gesicht vorbei  rauschte, befahl der Hetmann den taktischen Rückzug: "Zieht euch zurück! Zu den Flößen!" 

    Alriel  und Wlad  eilten  voraus  und  konnten  erkennen,  dass  die  Südmauer  in  die Hände  der Orks gefallen war und  immer mehr der Schwarzpelze von außerhalb der Stadt über die Wälle kletterten. Die Südstadt war offensichtlich verloren. Sindara und  Ingram eilten dem Elfen und dem Norbarden panisch  hinterher,  doch  Tore  und  Hjalmar  konnten  den  Zholochai  nur  entkommen, weil  sich  der wagemutige Svenkar und die gutherzige Ragnild den Orks  in den Weg stellten und durch  ihr Opfer den Rückzug  ihres Hetmanns deckten. Mit Wut, Trauer und Verzweiflung erreichten die Rekker den Südstrand und konnten mit einem der Orkflöße auf die andere Seite übersetzen. Dort konnten sie die Wogenreiter‐Otta  herbeiwinken  und  zu  ihren  Gefährten  an  Bord  steigen. Mit  brüchiger  Stimme musste  Tore  seiner Ottajasko  erklären, dass  einige  ihrer Brüder  und  Schwestern  tapfer  im  Kampf gegen die Orks gefallen waren und dass die Südstadt nicht gerettet werden konnte. Während sich die Orks  in  der  Südstadt  neu  sammelten  und  die  Phexcaerer  in  der  Nordstadt  den  nördlichen Brückenkopf  versiegelten,  ließ Tore die Otta unter der Phexbrücke hindurch  zum menschenleeren Hafen am Nordwestufer fahren, um dort den Wagen und die Pferde wieder aufzuladen. Der Kampf um die Brücke hatte noch  immer nicht begonnen, so dass die Wogenreiter erneut den Brückenlauf kreuzte und die  Stadt Phexcaer  in Richtung Bodirquellen  verließ.  Stumm und  in Gedenken  an die Gefallenen ruderten die Wogenreiter durch die Dunkelheit. Sie hatten einen Blick auf die hässliche Fratze des Orkensturms erhascht, der ihr Heimatland bedrohte. Es mag sein, dass der göttliche Phex seine  heilige  Stadt  tatsächlich  wegen  der  Torheit  der  Phexcaerer  verlassen  hatte.  Doch  ebenso hofften die Wogenreiter, dass ihre Volksgötter ihnen den richtigen Weg weisen würden, um mit der Schicksalsklinge den Orkensturm von Thorwal fernzuhalten. 

    Ende  PHE  1008  BF:  Tores  Rekker  zogen  sich  in  den  Schilfgürtel  östlich  von  Phexcaer  zurück, versorgten  ihre Wunden  und  entzündeten  nach  einer  kurzen  Ruhephase  ein  Totenfeuer  für  die gefallenen Freunde. Obwohl der Orkensturm bereits bis Phexcaer vorgedrungen war, hielt sich Tore an  seinen  Schwur  und  führte  seine  Ottajasko  weiter  stromaufwärts,  um  die  Schicksalsklinge  zu finden.  Die  Rekker  entdeckten  während  der  Ruderfahrt  weitere  Streitkräfte  der  Orks,  die  mit schwerem  Kriegsgerät  und  wuchtigen  Ochsenkarren  über  die  Pfade  am  südlichen  Bodirufer  in Richtung  Phexcaer marschierten,  doch  diese  interessierten  sich  nicht  für  die  Ruderer.  Einen  Tag später passierte die Otta die geplünderten und zerstörten Reste der Ortschaft Groenvelden, die als letzte Bastion der zivilisierten Völker am Rande der wilden Orkschädelsteppe galt. Die Orks hatten alle Siedler, die ihnen nicht entkommen waren, auf grausigen Pfählen aufgespießt. 

    Zwei weitere  Tage  ruderten  Tores  Rekker  den  Bodir  hinauf,  bis  sie wieder  auf  andere Menschen trafen:  Beorns Ottajasko  lag  an  einem  sandigen  Streifen  am  nördlichen Ufer  des  Bodir  an.  Tores Wogenreiter gesellten sich zu den Stammesbrüdern, die offensichtlich ein Nachtlager aufbauten, um wurden  von  diesen  freundlich  willkommen  geheißen.  Doch  Beorn  selbst  war  nicht  unter  den anwesenden  Thorwalern, wie  Laske,  der Mannschaftsführer  der  Seeschlangen‐Otta  erklärte:  "Wir haben Beorn und seine sieben engsten Vertrauten an den Bodirquellen abgesetzt, da er von dort aus zu Fuß weiter nach Norden zum Greifengras  reisen wollte. Dort  im Osten bei den Quellen  ist aber alles voller Schlamm und es wimmelt von nervigen Echslingen. Wir haben zwei Tage gebraucht, um Beorns  Planwagen  von  der  Otta  zu  hieven  und  zu  den  schlammfreien  Hügeln  außerhalb  der 

  • Bodirsümpfe  zu  zerren.  Einige  dieser  hässlichen  Echslinge  haben  sich  nicht  vertreiben  lassen. Wir konnten diese zwar  leicht erschlagen, aber wir haben ständig mit Vergeltung rechnen müssen, was die Anlandung weiter erschwert hat. Wenn ich euch einen Rat geben darf: Versucht lieber, hier von Bord  zu  gehen,  die  Bodirsümpfe  sind  hier  noch  nicht  so  ausgeprägt  und  dürften  sich  leichter umfahren lassen." 

    Nachdem  Tore  sich  bei  Laske  für  den  Ratschlag  bedankt  hatte,  setzten  sich  beide  Sippen  an  ein gemeinsames  Lagerfeuer,  um  in  einem  Abendgelage  den  Tag  ausklingen  zu  lassen.  Die  beiden Ottajaskos aßen und  tranken und  tauschten Geschichten über die Orkangriffe  in Phexcaer aus. Als der Morgen graute, gab Tore die Anweisung, Wlads Kastenwagen und das Packpferd aus der Otta zu laden. Denn auch Tore hatte vor, die Reise ebenso wie Beorn von nun an zu Fuß weiterzuführen. Mit ihm reisen sollten seine alten Freunde Wlad und Alriel, der tapfere  Ingram und der stolze Hjalmar, der  weise  Jorge  und  die  geschickte  Sindara  sowie  die  gütige  Traviageweihte  Freya.  Seiner Mannschaftsführerin  Gudhild  übergab  er  das  Kommando  über  die  Wogenreiter‐Otta  und  wies Gudhild  an,  zusammen  mit  Laskes  Seeschlangen‐Otta  nach  Thorwal  zurück  zu  reisen,  um  den obersten Hetleuten von den Ereignissen in Phexcaer zu berichten. 

    Anfang PER 1008 BF: Mit Wlads Wagen zogen die Rekker zunächst nach Nordosten und erreichten das Greifengras, einen über 100 Meilen durchmessenden Talkessel, der von üppigen, mannshohen Gräsern bewachsen war. Von hier aus konnten die Recken in der Ferne die stachelartigen Gipfel eines Gebirgszuges erkennen, bei denen es sich möglicherweise um die Felsstacheln aus dem vierten Vers der  Schicksalssaga  handelte.  Das  Greifengras  zu  durchqueren  dauerte  mehrere  Tage.  Die Graslandschaft war  Heimat  von  kleinen  Nagern,  äsenden  Karenherden  und  kleinen  Gruppen  von Nashörnern. Aber auch die Greifen waren hier heimisch und offenbarten sich den Rekkern, als diese einen einsamen Hügel im Zentrum des Greifengrases ansteuerten. Die Greifen hatten wohl ein Nest auf einer Steinsäule errichtet, die wie eine Nadel aus dem zentralen Hügel ragte, und kamen von dort angeflogen, um Tores Rekkern entgegenzutreten. Die anmutigen Greifen waren groß wie Nashörner und  trugen  ein  prächtiges,  güldenes  Federkleid,  welches  wirkte,  als  würde  das  Licht  der  Sonne beständig durch dieses hindurch scheinen. Die übernatürlichen Wesen wirkten ebenso mystisch wie Einhörner  und  Drachen  und  sprachen  auf  magische  Weise  in  den  Köpfen  der  Gefährten: "Willkommen,  tapfere Rekker,  im Gras der Greifen. Der Herr der Sonne weiß von eurer wichtigen Queste und so weiß auch  ich, der Greifenherr Garafan, von eurer Suche nach der Schicksalsklinge. Euer  Ziel  liegt  im  Osten,  wo  die  Lindwurmberge  ihre  Gipfel  aus  der  Erde  strecken.  Doch  haltet Abstand  von dem Hügel,  von dem wir herangeflogen  kamen. Es  ist das Grab eines  alten Wesens, welches nicht  in seinem Schlaf gestört werden soll."  Im Gegensatz zu vielen seiner Sippengenossen respektierte  Tore  den  Herrn  Praios,  den Gott  der  Sonne,  der  von  den  verfeindeten  Bosparanern angebetet wurde. Er dankte Garafan höflich für die Auskunft und führte die Gefährten weiter nach Osten. Dort  trafen  sie nach einigen weiteren Tagen auf den  Spinnenwald, ein  großes Waldgebiet, dessen Bäume großflächig von Spinnweben umwoben waren. Die Rekker folgten dem Waldrand nach Norden,  schlugen ein paar Bäume, um den Brennholzvorrat aufzufüllen, und erreichten  schließlich einen  weitläufigen,  kargen  Korridor,  der  zwischen  dem  Spinnenwald  im  Süden  und  dem Lindwurmgebirge im Norden weiter nach Osten führte. 

    Wlads Wagen  ließ  sich  leicht durch diesen Korridor  fahren, da dort weder Bäume noch  Sträucher wuchsen  und  auch  keine  großen  Felsen  den  Weg  blockierten.  Auffällig  waren  jedoch  mehrere Fußspuren von einem sehr großen Zweibeiner, die Alriel im Lehm lesen konnte: "Ein Riese muss das sein, der wohl größer als fünf Elfen  ist. Doch die Spuren sind mehrere Tage alt." Die Rekker folgten weiter der Passage am  Fuß des  Lindwurmgebirges und  fanden mehrere Höhlen  in den nördlichen Gebirgswänden. In vielen dieser Höhlen konnte man Ablagerungen aus Ton und Lehm erkennen, aus der  die  verwitterten Gebeine  uralter,  toter Wesen  ragten.  So  als wären  diese  vor  Jahrhunderten unter  dem  Fels  des  Gebirges  begraben worden  und  erst  im  Lauf  der  Zeit wieder  zum  Vorschein getreten. 

  • Während  ihrer Reise durch das Vorgebirge hatten die Rekker regelmäßig das Gefühl beobachtet zu werden, doch sie konnten kein anderes intelligentes Wesen erspähen. Dies änderte sich schlagartig, als das Rauschen mächtiger  Schwingen  zu hören war und  ein  fauliger Geruch  in der  Luft  lag, der Alriel, Wlad  und  Tore  an  den  doppelköpfigen  Lindwurm  erinnerte,  den  diese  vor  zwei  Jahren  im Windhaggebirge erschlagen hatten. Wie aus dem nichts wurde ein dreiköpfiger Riesenlindwurm vor den Augen der Gefährten sichtbar und bäumte sich majestätisch auf. Der Drache war in etwa so groß wie eine Otta und wahrlich furchteinflößend. Während Wlad und Sindara versuchten, die ängstlichen Pferde unter Kontrolle zu kriegen, und Hjalmar und Freya ein Stoßgebet zu  ihren Göttern sandten, zeigte sich Tore voller Respekt und verbeugte sich vor dem Ungeheuer und dem Lindwurm schien diese  Geste  der  Unterwürfigkeit  zu  schmeicheln.  Seine  drei  Schädel  musterten  die  Gefährten gelassen, dann spürten diese die Gedanken des Drachen in ihren Köpfen: 

    Die  Rekker  sahen  sich  plötzlich  selbst  in  ihren  Gedanken,  wie  sie  in  das  Reich  des  mächtigen Lindwurms Meneltin  eingedrungen  waren.  Sie  spürten,  wie Meneltin  sie  auf  seinen  Pfaden  hat wandeln  sehen, wie  lästige,  kleine Ameisen.  Sie merkten  auch, dass der Drache  einen Dienst  von ihnen  fordert, damit  sie  sein Reich unbescholten durchqueren dürfen.  Sie  sahen plötzlich  in  ihren Köpfen  andere  Wimmelkrieger,  die  Meneltins  geheimen  und  überaus  wertvollen  Schatzhort gefunden  hatten.  Sie  sahen  die widerlichen,  kleinen Wimmelkrieger mit  der  Beute  davonlaufen. Immer wieder versteckten  sie  sich, als Meneltin  sich  ihnen näherte. Oh, wie Meneltin diese Diebe hasste! Denn sie haben seinen  liebsten Schatz geraubt! Die Rekker sahen vor  ihrem geistigen Auge ein kleines, geflammtes Schwert mit  ledernem Griff, Parierstangen  in Form von  Löwenköpfen und besetzt mit Aquamarinen. Sie  liebten dieses Schwert, denn damit kann man sich so wunderbar die Fleischfetzen  aus den Reißzähnen puhlen.  In  ihren  Köpfen  sahen die Rekker das Orkland  aus den dreifachen  Blicken  des  Drachen,  wie  die  einzelnen  Augenpaare  das  Greifengras  und  die  nahen Wälder  absuchten,  wie  sie  plötzlich  die  dreisten,  garstigen  Diebe  erspähten,  die  sich  tarnende Anzüge  aus  Gras  geschneidert  hatten,  und  in  deren  Schutz  zum  großen  Hügel  im  Zentrum  des Greifengrases eilten. Sie sahen, wie Meneltin an den wachsamen Greiflingen vorbei flog, in der Nähe des Hügels landete und zu den Dieben hastete, um diese zu stellen. Doch die Diebe waren in einem Loch am östlichen Fuß des Hügels verschwunden. Mit großem Zorn blies Meneltin Feuer und Rauch in das Loch, doch niemand kam aus dem winzigen Löchlein heraus. Dann kamen diese kaltherzigen Greiflinge hinzu und erinnerten Meneltin an den Pakt mit dem Sonnenkönig. Und Meneltin musste davon  fliegen und wartete  Tage um  Tage, bis die  garstigen Wimmelkrieger wieder  aus dem  Loch kommen. Doch  sie  kamen nicht.  Sie  kamen  einfach nicht und das machte Meneltin  sehr wütend. Meneltin wollte  dieses  kostbare  Schwert  zurück,  hier  an  dieser  Stelle  nach  sieben  Sonnenläufen. Dann würde  er den Wimmelkriegern  zu  seinen  Füßen die Passage durch  sein Reich erlauben. Die Rekker  spürten, dass Meneltin  sie weiterhin beobachten würde und  ihre  Leiber  knusprig brennen und verspeisen würde, wenn sie ihm nicht den Dienst erwiesen.  

    Als  die  Gedanken  der  Rekker wieder  ihre  eigenen war,  sprach  Tore:  "Wir  werden  dein  Schwert zurückbringen, oh mächtiger Meneltin". Der Drache nickte dreifach, hob seine Flügel an und flog  in die Lüfte, wo er plötzlich wieder unsichtbar wurde. Das Gefühl, beobachtet zu werden,  lastete aber weiterhin auf den Gefährten. 

    Tore sammelte seine Mannschaft und stellte fest, dass sie kaum eine andere Wahl hatten, als dem Willen des Drachen zu  folgen. Sie wollten allerdings die Greifen um Rat und Hilfe  fragen. Zunächst mussten  sie  also wieder  zurück  zum Greifengras und erreichten dieses nach mehreren Tagen.  Sie fuhren mit dem Wagen auf den Hügel im Zentrum zu und wurden kurze Zeit später wieder von einer Delegation von Greifen aufgesucht, die vom zentralen Horst auf der Felssäule herangeflogen kamen. Erneut landete der Greifenkönig Garafan vor Tore im Gras und streckte majestätisch seine Flügel aus. Tore verbeugte sich und schilderte dem anmutigen Wesen das Dilemma: "Oh großer Garafan, Herr der Greifen. Der Lindwurm Meneltin verlangt einen schweren Dienst von uns. Wir sollen eine Gruppe von Dieben  verfolgen,  die  dem Drachen  ein  Schwert  geraubt  haben  und  sich  im  zentralen Hügel 

  • versteckt haben. Erhalten wir Erlaubnis von dir, den Hügel aufzusuchen, um die schändlichen Diebe zu stellen?" 

    Der Greif  lauschte  den Worten  Tores  und  entgegnete  streng:  "Keinem Wesen  ist  es  erlaubt,  den Totenhügel des Vergessenen zu betreten, solange wir Wacht halten. Wir haben keine Diebe erblickt, also können sie dort nicht sein, denn unsere Wacht ist unfehlbar. Kehrt um, denn dieser Ort ist euch verboten." 

    Tores Rekker bemerkten zwar, dass die hochmütige Logik hinter diesen Worten brüchig war, doch die Greifen machten nicht den Eindruck, dass sie  ihre Regeln für Tores Belange brechen würden. Wlad führte  den Wagen  zunächst  wieder  weg  vom  Zentrum  des  Hügels,  um  dem Willen  der  Greifen gerecht zu werden, doch Sindara hatte bereits einen wagemutigen Plan ausgearbeitet, mit dem die Gruppe  auch  ohne  Erlaubnis  Garafans  zum  Grabhügel  vordringen  konnte:  "Ich  könnte  aus  den Transportbrettern des Wagens und einigen Planen  zwei  robuste Sonnensegel  zimmern, auf denen wir frische Grassoden auslegen und diese dadurch tarnen könnten. Diese könnten wir über unseren Köpfen  tragen und uns so von den Blicken der Greifen verbergen." Tore stimmte dem Plan zu und alle halfen zusammen, um die Grasschirme fertigzustellen. Während Freya und Hjalmar beim Wagen blieben und diesen langsam in Richtung Spinnenwald lenkten, krochen Tores verbliebene Gefährten unter die Grasschirme und schlichen vorsichtig in Richtung Hügelgrab. Die Wanderung dauerte viele Stunden  und  immer  wieder mussten  die  Rekker  die  Grasschirme  ruhen  lassen,  um  die  Tarnung Aufrecht zu erhalten. Glücklicherweise regnete es am Abend, so dass die Rekker die  letzten Meilen zunächst  im Schutz des Regens und anschließend  im Schutz der Dunkelheit ungestört  zurücklegen konnten. Alriels scharfe Sinne versagten auch in der Dunkelheit nicht und er konnte den Eingang zum Grabhügel zielsicher ausfindig machen. Die Gefährten drangen durch ein waagrechtes, lehmiges Loch in den Grabhügel ein und entzündeten einige Fackeln, um die Anlage zu erkunden. 

    Die Rekker befanden sich zunächst  in einer künstlich angelegten, staubtrockenen Aushöhlung. Hier befand  sich  ein  Altar  in  Form  eines  gewaltigen  Backenzahns,  der  wohl  vor  Jahrhunderten  für Blutopfer gebraucht worden war. Erschrocken stellte  Ingram fest, dass es sich bei dem tischgroßen Altar wohl  tatsächlich um den Backenzahn  eines  gewaltigen Wesens handeln musste. Außer dem Altar war der Raum  leer,  auch wenn  einige der  stützenden  Säulen  eher  aus Rippenbögen  als  aus Steinblöcken  zu bestehen  schienen. Vom Altarraum  führte ein Gang  in eine kreisrunde, natürliche Felskammer  von  etwa  80  Schritt  Durchmesser,  deren  Boden  mit  den  Knochen  verschiedenster Kreaturen gefüllt war. Es wirkte fast wie ein großer Teich aus bleichen Gebeinen, der sich im Schein der Fackeln vor den Gefährten offenbarte. Noch verwunderlicher war eine Wendeltreppe, die sich am  Rand  des  Knochenbeckens  aus  den  Gebeinen  empor  streckte  und  im Wesentlichen  aus  der Wirbelsäule einer gewaltigen Kreatur geformt war. Die Kreatur musste eine halbe Meile groß sein, um solch große Knochen zu besitzen. Die Wendeltreppe führte durch einen Beckenknochen in einen hohlen  Brustkorb,  der  zu  einem  großen  Altarraum  umfunktioniert  worden  war.  Gewaltige Rippenbögen formten einen Knochendom, und auch die Wirbelsäule setzte sich hier fort und führte wie ein Laufsteg an gigantischen Schulterblättern vorbei zu einem Schädel, der auf den zerdrückten Schulterknochen  lag. Zwischen zwei trollgroßen Schneidezähnen konnte man  in die Schädelkammer dieser Anlage vordringen und eine granitharte,  fremdartige Felssäule bewundern, die diesen Raum ausfüllte.  Mittlerweile  waren  die  Gefährten  fest  davon  überzeugt,  dass  sie  sich  nicht  in  einer künstlichen Anlage, sondern  tatsächlich  in den vergänglichen Überresten eines Giganten befanden, der  unter  Lehm  und Gras  bestattet war. Und  dass  die  gewaltige  Felssäule wohl wie  ein  Speer  in dessen rinderartigen Schädel steckte und möglicherweise zum Fall des Giganten geführt hatte. 

    Die  Rekker  untersuchten  die  Schädelkammer  genauer  und  fanden  am  Boden  zwei  vertrocknete Goblinleichen,  die  das  geflammte  Schwert  aus  den  Erinnerungen  des  Drachen Meneltin  bei  sich trugen. Tore nahm das Schwert erleichtert an sich und stellte fest, dass es sich dabei wohl um den Zweihänder  eines  Rondrianers  handelte.  Am  Boden  befanden  sich  aber  auch  zwei  Dutzend mannsgroße,  uralte  Säcke  aus  Rinderfell,  in  denen  uralte  Mumien  von  Orks  zu  finden  waren. Zunächst dachten die Rekker, dass es sich bei den Rinderfellsäcken um Leichensäcke handelte, doch 

  • in vielen Fällen schien es eher so, als hätten die verstorbenen Orks versucht, wie Schmetterlinge aus einem  Kokon  auszubrechen.  Und  einige  der  Orks  wiesen  auch  tatsächlich  anatomische Besonderheiten wie Hufe, Hörner oder eine fast schon ogerhafte Körpergröße auf. 

    Kupfermondscheiben an der Decke und  rituelle Wandmalereien  an den Zahnwänden der Kammer deuteten darauf hin, dass dieser Ort von den Orks vor Jahrhunderten als Heiligtum genutzt worden war.  Die  primitiven  Wandmalereien  zeigten  dabei  eine  weißbefellte  Orkenfrau  in  einer  weißen Mondscheibe, die von einem rotbefellten Ork  in einer roten Mondscheibe beschützt wurde, da ein schwarzbefellter  Minotaurus  beide  mit  einer  Axt  bedrohte.  In  einem  weiteren  Bild  hat  der Minotaurus aber dem  roten Ork den Schädel abgeschlagen und sich die weiße Orkfrau mit Gewalt genommen. Wlad erinnerte sich an eine alte Geschichte gemäß der es einst zwei Monde gab, einen roten Mond und den noch heute sichtbaren weißen Mond, der die Heimstatt der Göttin Mada war. Der kupferrote Mond war das Zeichen des orkischen Totengottes Tairach, der  im Glauben der Orks vor Äonen von seinem stierköpfigen Sohn Brazoragh erschlagen worden war. Den Rekkern war nicht klar, welche  Geheimnisse  an  diesem  Ort  versteckt waren,  doch  die  Greifen  hatten  gewiss  einen Grund, warum sie das Grab des Vergessenen vor den Blicken der Sterblichen schützten. 

    Mitte PER 1008 BF: Mit Ehrfurcht  im Herzen und dem geflammten Schwert des Drachen  in Händen wandten  sich  Tores  Rekker  von  den Mumien  zu  ihren  Füßen  ab  und  gingen  zurück  zum  Eingang dieses  ungewöhnlichen  Heiligtums.  Dort  jedoch  mussten  sie  mit  Entsetzen  feststellen,  dass  die Greifen wohl gezielt das Grasland nach den Rekkern absuchten: Tores Gefährten beobachteten aus dem  Schutz  ihres  Erdlochs  heraus,  wie  die  anmutigen  Wesen  langsam  über  den  verregneten Nachthimmel  schwebten  und  aus  ihren  Schwingen  ein  gleißendes  Leuchten  erstrahlen  ließen, welches wie der Lichtstrahl einer Sturmlaterne durch die Gräser wanderte und alles erleuchtete, was sich in der Dunkelheit versteckt hielt. 

    Alriel wartete einen günstigen Moment ab und  führte  seine Gefährten  im Schutz der Grasschirme durch das klamme Greifengras.  Immer wieder mussten die Gefährten anhalten und sich unter den Gräsern  verstecken,  wenn  der  Lichtschein  einer  Greifenschwinge  näher  kam.  Die  ganze  Nacht hindurch wanderten die Rekker durch die grüne Steppe und erst im Morgengrauen des neuen Tages legten  sie  eine  kurze  Pause  ein,  nutzten  dann  jedoch  den  frühen Nebel,  um  sich weiter  vor  den Blicken der Greifen zu verbergen. Als die Sonne jedoch zum Zenit kroch, hatte das Phexensglück die Rekker verlassen: Zwei Greifen landeten in den Gräsern neben den Gefährten und sprachen drohend und  wütend  in  deren  Köpfen:  „Gebt  auf,  sterbliche  Würmer,  wir  haben  Euer  umtriebiges Schurkenstück durchschaut. Ihr habt das Siegel des Totenhügels gebrochen und müsst nun für Eure Frevel bestraft werden!“. 

    Die Greifen  stießen die Grasschirme beiseite und blickten  in die Seelen der vor Schreck erstarrten Rekker. Doch bevor Tore die passenden Worte finden konnte, um seine Taten zu rechtfertigen, fiel ein  totes Nashorn vom Himmel und  schlug direkt neben einem der Greifen  in den Boden ein. Der Gestank von Drachenleder lag in der Luft und plötzlich wurde der dreiköpfige Meneltin sichtbar, der seinen dreifachen Flammenstrahl auf die Greifen richtete. Die Greifen wichen  jedoch geschickt aus und sprangen in die Luft, um von dort aus den feindlichen Lindwurm anzugreifen. Doch dieser lockte die Sendboten des Herrn Praios zunächst von Tore weg und  flog dann einen weiten Bogen, um zu den Rekkern aufzuschließen, die mittlerweile  in wilder Panik Wild die Flucht nach vorne angetreten hatten. Meneltin landete vor den Rekkern und teilte ihnen in Gedanken mit, dass sie auf seine sechs Beine  klettern  sollten.  Tore nahm  seinen Mut  zusammen,  stellte  sich  auf die  vorderste Klaue des Drachen, schmiegte sich an die stinkende, warme Haut und hielt sich an den Hörnern  fest, die aus dem  Schienbein  des  Lindwurms wuchsen.  Seine Gefährten  taten  es  ihm  gleich  und wenig  später schwang sich der Riesenlindwurm in die Lüfte und trug die Rekker davon. Die Greifen verfolgten den Drachen noch eine Weile, doch sie waren nicht schnell genug, um zu ihm aufzuholen. 

    Als die Greifen und das Greifengras  bereits  seit  einer  Flugstunde  außer  Sicht waren,  konnten die Rekker  bei  den  Birken  am  Fuße  des  Lindwurmgebirges  den  Kastenwagen  von  Freya  und Hjalmar 

  • erblicken. Meneltin landete in der Nähe des Wagens und ließ die Rekker frei. Er freute sich sehr, dass er  sein  wertvolles  Schwert  wieder  erhalten  hatte  und  ließ  sich  erzählen,  was  im  Inneren  des Grabhügels  verborgen war.  Zum  Dank  für  ihre  Heldentat  ließ  er  Tore wissen,  dass  er  und  seine Gefährten  nun  freies Geleit  im  Reich  des Drachen  genießen  durften.  Er  ließ  Tore  auch  an  seinen Erinnerungen teilhaben und zeigte ihm gedanklich, welche Landschaften sein Reich umfassten. Tore konnte dabei erkennen, dass sich der Spinnenwald im Süden noch weit nach Osten zog und dort an die  Höhlensiedlungen  der  Schmiedeorks  angrenzte.  Er  konnte  aber  auch  sehen,  dass  in  etwa  5 Tagesreisen  ein  großer  Pass  nach  Norden  führte,  wo  in  einer  fruchtbaren  Senke  zwischen  zwei Wäldern ein von Bluttblattranken überwucherter, purpurner Turm aus einer Stadt der Schwarzpelze ragte.  In  den Gedanken Meneltins  konnte  Tore  auch  spüren,  dass  der  Purpurturm,  die  Stadt  der Schwarzpelze und das umliegende Gebiet von einer Drachin namens Nahema beschützt wurde, die Meneltin aus unbekannten Gründen  fürchtete. Tore dankte dem Drachen  für die  Information und verbeugte sich, als der Lindwurm sich in die Lüfte erhob und mit seinem Schwert in den Klauen davon flog. Tore wandte sich an seine Gefährten: „In den Gedanken zeigte mir der Lindwurm das Gesicht einer  Menschenfrau  namens  Nahema,  die  er  als  Drachin  bezeichnete  und  die  den  Purpurturm beschützt. Die Frau in der Erinnerung des Lindwurms sieht aber aus wie jene Nahema, deren Portrait wir damals in Grangor in der Villa Neitmaler gesehen hatten. Ihr wisst schon, die Gildenmeisterin der Gilde  der  Gelehrten,  die  vor  300  Jahren  in  Havena  und  Grangor  lebte.  Vielleicht  haben  meine Erinnerungen sich mit denen des Drachen vermischt?“ 

    Mit Wagen und Packpferd  reiste die Gruppe an der  Südflanke des  Lindwurmgebirges weiter nach Osten.  Unterwegs  fanden  sie  die  Spuren  eines  Riesen,  der  wohl  mehrere  Bäume  aus  dem Spinnenwald  in  die  höher  gelegenen  Gebirgszüge  geschleppt  hatte.  In  einer  der  darauffolgenden Nächte wurde das Schlaflager der Rekker von einer Hand voll keulenschwingender Oger überfallen, doch die kampferprobten Gefährten konnten die tumben, menschenfressenden Zweibeiner taktisch in die Zange nehmen und ohne eigene Verluste erschlagen. 

    Der Perainemond neigte sich dem Ende zu, als die Reisegruppe auf einen einsamen Karrenweg stieß, der von Osten kam und sich nach Norden durch einen breiten Pass  in die Berge schlängelte. Alriel konnte die Spuren eines Wagens auf dem Weg erkennen, die nur wenige Stunden alt waren. Graue Haarspuren deuteten allerdings darauf hin, dass es sich nicht um Beorns Wagen, sondern eher um ein orkisches Gefährt handelte. 

    Die  Rekker  folgten  dem  Pfad  nach Norden  und  holten  nach  einige  Stunden  zu  dem Gefährt  auf, dessen Spuren Alriel zuvor gefunden hatte: Es handelte sich um eine Gruppe von sieben graupelzigen Orks, die mit einem Ochsenfuhrwerk voller Orkwaffen nach Norden unterwegs waren. Auch wenn diese Orks weit weniger  blutlüstern wirkten,  als  ihre  schwarzpelzigen Vettern  in  Phexcaer, wollte Tore deren Wege nicht kreuzen. Im Pass war es auch nicht möglich, die Waffenhändler ungesehen zu überholen,  so  dass  Tores  Mannschaft  eine  längere  Pause  einlegte,  um  den  Abstand  zum Ochsenfuhrwerk zu erhöhen. 

    Einen  Tag  später  erreichten  die  Reisenden  den  höchsten  Punkt  der  Passstraße  und  hatten  einen wunderbaren  Eindruck  über  die  vor  ihnen  liegenden  Landschaften:  Etwa  40  Meilen  im  Norden konnten sie den Purpurturm erkennen, der sich geschätzt an die 100 Schritt  in die Höhe schraubte. Mit Mühe konnte man die Reste einer Stadtmauer erkennen, die den Turm umgab. Die Felder vor den Mauern waren jedoch deutlich sichtbar und deuteten darauf hin, dass die Umgebung des Turms tatsächlich  besiedelt  war.  Weit  hinter  dem  Purpurturm  konnten  die  Rekker  schneebedeckte Berggipfel entdecken, die wohl zum nördlich gelegenen Firunswall gehörten. Sowohl nach Westen als auch nach Osten schien sich aber endloser Wald zu erstrecken. 

    Freya und der Godi Jorge deuteten die Schickssalssaga und kamen zu dem Schluss, dass Orozar wohl zunächst den  Purpurturm  erkundet und dann  einen  Pass weiter  im Norden  gefunden  hatte.  Tore wollte  sich  der Orksiedlung  aber  nicht  nähern  und wies Wlad  stattdessen  an,  den Wagen  in  den westlichen Wald zu fahren, um den Purpurturm im Schutz der Bäume zu umrunden. 

  • Im dichten Wald  spähten Alriel und  Ingram  regelmäßig voraus, um einen geeigneten Pfad  für den Wagen zu  finden. Doch  felsige, dünenartige Hügellandschaften, Wurzelwerk und dichtes Unterholz machten dies zu einem schwierigen Unterfangen. Der Wald war uralt und es gab weder Pfade noch Orientierungshilfen  im dichten Gestrüpp.  Im  Laufe des Nachmittags musste Tore dann  feststellen, dass Alriel und  Ingram bereits seit mehreren Stunden nicht mehr beim Wagen waren, um von den vorausliegenden Gefahren zu berichten. Wlad  lenkte den Wagen zwar noch ein Stück  tiefer  in den Wald, doch als Sindara zwischen den Bäumen mehrere mannshohe Spinnennetze erblickte, hielt es die Gruppe doch für sinnvoller, auf die abhanden gekommenen Späher zu warten. 

    Die Nacht verging im düsteren Wald, doch von den beiden Vermissten fehlte am Morgen immer noch jede Spur. Tore überlegte, ob er einen Suchtrupp ausschicken sollte, um die beiden Späher zu finden, doch er musste fürchten, dass noch weitere seiner Gefährten vom Wald verschluckt werden würden. Die  Stimmung  in  der  Expedition  war  am  Boden,  da  auch  am  kommenden  Vormittag  kein Lebenszeichen  von  den  Verschollenen  gefunden werden  konnte. Dann  jedoch  erreichte  Alriel  die Gefährten und schrie aufgeregt: „Gut, dass  ich euch gefunden habe! Wir haben uns verlaufen und mussten  alleine  am  Waldrand  übernachten.  Am  Morgen  haben  uns  dann  aber  seltsame  Orks entdeckt. Ingram haben sie gefesselt und mitgenommen,  ich konnte aber entkommen. Die gehören bestimmt  zu der Orksiedlung beim Purpurturm. Sie haben mehrmals das Wort Nahema genannt.“ Alriel  erklärte  auch,  dass  die  seltsamen  Orks  für  Schwarzpelze  recht  wenig  stanken  und  keine Rundohren wie die Menschen hatten,  sondern  stattdessen  lange,  spitze  Elfenohren besaßen:  „Ich habe solche Elfenorks schon einmal gesehen, oben in der Stadt Riva. Dort nennen sie sich Holberker.“ Wlad kannte keinen orkischen Begriff, der wie Nahema klang, so dass davon auszugehen war, dass die  Entführer  von  der  Drachin  Nahema  sprachen.  Die  Holberker  von  Riva  waren  ihm  aber  als handelsfreudiges und wenig aggressives Volk wohl bekannt. 

    Tore beriet  sich mit Wlad,  Freya, Hjalmar und dem Godi  Jorge, was nun  zu  tun war. Wlad  schlug einen Handelskontakt zu den Holberkern vor. Freya und Hjalmar waren ebenfalls beide dafür, Ingram vor  einem möglicherweise  grausamen  Schicksal  zu  retten.  Der  Godi  Jorge  hingegen  las  aus  den Gedärmen eines Eichhörnchens: „Ich sehe deutlich die Präsenz einer mächtigen Seidkona  in diesem Tal. Sie ist uns aber wohlgesonnen.“ Tore vertraute den Worten seiner Berater und ließ den Wagen zurück zur Passstraße führen. Wlad erklärte, dass er die orkische Sprache gut genug beherrschte, um Verhandlungen  mit  den  siedelnden  Holberkern  zu  führen:  „Ich  habe  bei  meinen  Reisen  in  den Regionen der Nordlande  schon  viele  friedfertige  Schwarzpelze  getroffen, die  sich  auf  einen  guten Handel einlassen. Vielleicht können wir Ingram freikaufen!“ 

    Ohne sich die Nervosität anmerken zu  lassen, reisten die Rekker mit Wagen und Packpferd entlang der  Straße  direkt  auf  die  Stadtmauern  und  den  prägnant  hervorstechenden  Purpurturm  zu.  Die schwarzpelzigen  Bauern  auf  den  Feldern  bemerkten  die  fremden  Glatthäute  und  blickten  diesen neugierig  entgegen. Aggressive  oder  kriegerische Handlungen  blieben  allerdings  aus. Am  Stadttor sammelte sich derweil eine kleine Delegation aus Einheimischen die die Neuankömmlinge neugierig und  höflich  begrüßten. Wlad  erkannte  voller  Erleichterung,  dass  es  sich  bei  den  Stadtbewohnern tatsächlich überwiegend um Holberker handelte, Mischlinge mit Elfen‐ und Orkenblut. Die Holberker waren in Mänteln und Westen aus gefärbtem Leder und Leinen gehüllt und trugen Kappen aus Seide, die an die Kaufmannstracht in Tiefhusen erinnerte. Hosen oder Schuhe kannten sie aber nicht. Einer der Holberker  trat  nach  vorne  und  sprach  in  einer Mischung  aus Orkisch  und  einer  Vielzahl  von garethischen  Lehnwörtern:  „Willkommen  Fremdere.  Ich  bin  Oberhändler  Zurak  Krinak.  Ich  heiß willkommen in Ohort von Statterin Nahema. Du Freund von Nahema?“ 

    Wlad antwortete freundlich und gab sich tatsächlich als Freund von Nahema aus, auch wenn er das Gefühl hatte, dass der Holberker vor ihm nur die Hälfte von dem verstand, was Wlad zu sagen hatte. Dennoch  konnte Wlad  dem  Holberker  klar machen,  dass  er  und  seine  Gefährten  dringend  eine Audienz bei der Statterin Nahema wünschten. Zurak Krinak hatte dagegen wohl nichts einzuwenden und führte die Rekker in die Stadt hinein. Bei den Behausungen von Ohort handelte es sich wohl um alte  Ruinen  aus  der  elfischen  Besiedlungszeit,  die mit  Brettern  und  Verschlägen  zu wetterfesten 

  • Wohnlöchern umfunktioniert worden waren.  Im  Schatten des  gewaltigen Purpurturms  folgten die Rekker einer  ringförmigen Hauptstraße und wurden dabei von einer Traube neugieriger Holberker begleitet. 

    Die Karawane  stoppte  vor einer befestigten, aber prächtigen  Stadtvilla, die direkt  gegenüber dem Eingang  des  Purpurturms  lag.  Höflich  wirkende  Oger  bewachten  den  Zugang  zur  Villa,  in  deren blumigen Gartenanlagen  versteinerte Orks, Holberker  und Oger  gleichermaßen  als Mahnmal  und Zierde  aufgestellt  waren.  Die  Oger  trugen  festliche  Uniformen  am  Leib  und  horasische Lammperücken auf den Köpfen und zeugten damit von der Macht der Statterin Nahema, die dieser Stadt  wohl  ihren  persönlichen  Stempel  aufgedrückt  hatte.  Holberkische  Bedienstete  in  sauberer Kleidung  öffneten  schüchtern  und  flink  die  Türen  der  Villa,  aus  der  eine  liebreizende  Frau  mit kastanienbraunen Augen und  tulamidisch‐dunklen Haaren  trat, deren  charismatische Aura die Luft regelrecht  zum  Knistern  brachte.  „Vorsicht,  sie  ist  eine mächtige  Zauberin!“,  flüsterten  Jorge  und Alriel zeitgleich. 

    „Ich  bin  Statterin Nahema  von Ohort, Wächterin  von  Satinavs Auge, Herrin  der  sieben  Elemente, Oberste  der  Gilde  der  Gelehrten,  Erzmagierin  der  Zauberschule  von  Khunchom,  Letzte  der Rohalsschülerinnen, Erbin des Diamantenen Sultanats und Meistermalerin der Tiefhusener Malerei‐Schule“, verkündete die Zauberin stolz, „doch  ihr könnt mich Nahema nennen. Kommt herein, das Abendmahl wird kalt und das Bier wird warm. Ihr mögt doch ein Tiefhusener Dunkles?“ 

    Die Rekker waren überrascht von so viel traviagefälliger Gastfreundschaft und vergaßen  jede Scheu und Vorsicht. Freya wollte sich nach dem Schicksal von  Ingram erkundigen, doch sie kam kaum zu Wort, da Nahema  sich  gerade einmal die Namen  ihrer Gäste  anhörte, diese dann  zum  Speisesaal führte und sogleich begann, löchernde Fragen an die Thorwaler zu richten. Sie wollte wissen, wie es um  das  Mittelreichische  Kaiserhaus  steht,  woher  Tore,  Wlad  und  Alriel  die  hübschen Korundiumwaffen bezogen hatten, was die Rekker  in diese  abgelegene Gegend  verschlagen hatte und wie ihnen die Stadt Ohort gefällt.  

    Während ein Abendmahl aus glasierten Wachteln, Bier, Schnaps und Wein gereicht wurde, gewann Wlad mehr und mehr den Eindruck, dass Nahema schon seit  langer Zeit keine menschlichen Gäste mehr empfangen hatte. Gleichzeitig musste er  feststellen, dass Nahema ein großes Redebedürfnis hatte und besonders gerne von sich selbst und ihren glorreichen Taten schwärmte. Die Zauberin war dermaßen  von  sich  selbst überzeugt, dass  sich  ihr  ganzes Universum nur um  sie  selbst  zu drehen schien. Nichtsdestotrotz war es spannend, ihr zuzuhören, da sie tatsächlich schon über 300 Jahre alt war und angeblich auch den letzten Thor Askir, Hetmann Hyggelik, vor einem guten Jahrhundert hier empfangen hatte. 

    Nahema war die Tochter eines lange verstorbenen Akademiemeisters der Khunchomer Zauberschule und Tochter einer  tulamidischen Hexe, die  in der Rohalszeit  lebten. Nahema wurde als  junge Frau vom Magierkaiser Rohal selbst ausgebildet und nahm auch an seiner Seite am magischen Krieg gegen den Dämonenmeister Borbarad teil, bei dem ihre Eltern ums Leben kamen. Sie überlebte jedoch die verlustreiche Schlacht  in der Gor und kam  in den Besitz des Kristallherzens von Borbarad, welches dem Dämonenmeister Unsterblichkeit verlieh. Mit dem Kristallherz